Leistungsverzeichnis: Leistungsverweigerung bei Streit über Umfang der Tätigkeit kann zu Nachteilen führen

bei uns veröffentlicht am27.02.2007

Rechtsgebiete

Autoren

Rechtsanwalt

für Familien- und Erbrecht

EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors
Anwalt für Baurecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB

Stellt das Leistungsverzeichnis, das der Architekt des Auftraggebers dem Bauunternehmer zur Verfügung stellt, dessen Leistungspflichten nicht ausreichend klar, sollte der Bauunternehmer darauf schon im Rahmen der Auftrags- bzw. Vertragsverhandlung hinweisen.

Das gilt – so das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg – vor allem, wenn sich aus den verfügbaren weiteren Unterlagen die bestimmte Art der Ausführung nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, der Bauunternehmer darauf aber bei seiner Kalkulation maßgeblich abstellt. Verweigert der Bauunternehmer nämlich die Leistung, weil der Auftraggeber für diese Leistung, die seiner Ansicht nach im Leistungsverzeichnis enthalten ist, keine zusätzliche Vergütung zahlen will, kann der Auftraggeber den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen (OLG Brandenburg, 12 U 111/04).

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Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Europäischen Gerichtshof werden gem. Art. 234 Abs. 1 lit. a) EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der in Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG vom 29.04.2004 verwendete Begriff der „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit“ dahingehend auszulegen, dass nur unabweisbare Gefährdungen der äußeren oder inneren Sicherheit des Mitgliedstaats eine Ausweisung rechtfertigen können und hierzu nur zählen die Existenz des Staates mit seinen wesentlichen Einrichtungen, deren Funktionsfähigkeit, das Überleben der Bevölkerung sowie die auswärtigen Beziehungen und das friedliche Zusammenleben der Völker?

2. Unter welchen Voraussetzungen geht der nach einem zehnjährigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erreichte erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG wieder verloren? Ist in diesem Zusammenhang der Verlusttatbestand für das Daueraufenthaltsrecht nach Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG entsprechend anzuwenden?

3. Für den Fall, dass die Frage Ziffer 2 und eine entsprechende Anwendbarkeit des Art. 16 Abs. 4 RL bejaht werden: Geht der erhöhte Ausweisungsschutz allein durch den Zeitlablauf verloren, unabhängig von den maßgeblichen Gründen für die Abwesenheit?

4. Ebenfalls für den Fall, dass die Frage Ziffer 2 und eine entsprechende Anwendbarkeit des Art. 16 Abs. 4 RL bejaht werden: Ist eine zwangsweise Rückkehr in den Aufnahmemitgliedstaat im Rahmen einer Strafverfolgungsmaßnahme vor Ablauf des Zweijahreszeitraums geeignet, den erhöhten Ausweisungsschutz zu erhalten, auch wenn im Anschluss an die Rückkehr zunächst für längere Zeit von den Grundfreiheiten kein Gebrauch gemacht werden kann?

Gründe

 
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet sowie gegen die ihm angedrohte Abschiebung.
Der am … 1978 im Bundesgebiet geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und seit Oktober 2001 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis/EG. Im Jahr 1996 machte er seinen Hauptschulabschluss; eine Berufsausbildung schloss er jedoch nicht ab. Von März 2004 bis Mitte Oktober 2004 betrieb er auf Rhodos einen Crêpe-Stand. Er kehrte sodann in die Bundesrepublik Deutschland zurück und arbeitete ab Dezember 2004 in einem Fitnessstudio. Mitte Oktober 2005 kehrte er nach Rhodos zurück und betrieb seinen Crêpe-Stand weiter. Am 22.11.2005 erließ das Amtsgericht Stuttgart einen internationalen Haftbefehl gegen ihn. Am 19.11.2006 wurde er in Rhodos festgenommen und am 19.03.2007 nach Deutschland überführt. Seitdem befindet er sich in Haft.
Der Kläger ist wie folgt vorbestraft:
1. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 14.10.1998 wegen Besitzes eines verbotenen Gegenstandes: Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen.
2. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 15.06.1999 wegen gefährlicher Körperverletzung: Geldstrafe in Höhe 100 Tagessätzen.
3. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 08.02.2000 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung: Geldstrafe von 50 Tagessätzen.
4. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 05.09.2002 wegen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung: Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen.
5. Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.08.2007 wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen: Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten.
Mit Bescheid vom 19.08.2008 stellte das Regierungspräsidium Stuttgart nach Anhörung des Klägers den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet fest und drohte die Abschiebung nach Griechenland ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise an.
10 
Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus: Mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.08.2007 werde das Mindeststrafmaß von 5 Jahren Freiheitsstrafe überschritten, so dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG bzw. § 6 Abs. 5 FreizügG/EU vorlägen. Das persönliche Verhalten des Klägers gefährde aktuell die öffentliche Ordnung. Die von ihm begangenen Betäubungsmittelstraftaten seien ausgesprochen schwerwiegend. Es bestehe eine konkrete Wiederholungsgefahr. Der Kläger sei offensichtlich allein aus finanziellen Gründen bereit gewesen, sich am illegalen Handel mit Rauschgift aktiv zu beteiligen. Die mit dem Handeltreiben von Betäubungsmitteln verbundenen Probleme für rauschgiftabhängige Personen und für die Gesellschaft seien ihm vollkommen gleichgültig gewesen. Es bestehe ein Grundinteresse der Gesellschaft daran, dass die besonders sozial schädliche Rauschgiftkriminalität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wirksam bekämpft werde. Der Kläger sei entweder nicht willens oder nicht in der Lage gewesen, sich an die bestehende Rechtsordnung zu halten. Er habe mit einer ausgesprochen hohen kriminellen Energie Straftaten begangen. Ein eventuell beanstandungsfreies Verhalten im Strafvollzug lasse keinen Rückschluss auf eine fehlende Wiederholungsgefahr zu. Nachdem somit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 FreizügG/EU erfüllt seien, stehe die Entscheidung im Ermessen der Behörde. Sein privates Interesse, von der Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt wegen der Dauer seines langen rechtmäßigen Aufenthaltes verschont zu bleiben, überwiege nicht das herausragende öffentliche Interesse an der wirksamen Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität. Die Wahrscheinlichkeit, dass er erneut ähnlich gelagerte Straftaten begehe, sei ausgesprochen hoch. Da er sich in den letzten Jahren mehrere Monate in seinem Heimatland aufgehalten habe, sei nicht zu erwarten, dass er nach der Abschiebung in seinem Heimatland Schwierigkeiten haben werde, sich an die dortigen Lebensverhältnisse zu gewöhnen. Eventuelle persönliche Bindungen im Bundesgebiet hätten ihn nicht davon abgehalten, Straftaten zu begehen. Die Wiederholungsgefahr rechtfertige auch den Eingriff in das freie Zugangsrecht des Klägers als EG-Angehöriger zum deutschen Arbeitsmarkt. Die angeordnete Maßnahme sei geeignet, die vom Kläger ausgehende Gefahr zu beseitigen. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Durch die angeordnete Maßnahme werde eine bereits aufgebaute wirtschaftliche Existenzgrundlage nicht zerstört. Auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten seien gleichwertige Maßnahmen nicht erkennbar. Der besondere Ausweisungsschutz aus § 56 Abs. 1 AufenthG sei nicht höher einzustufen als der des § 6 FreizügG/EU. Der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Klägers sei im Hinblick auf die von ihm verübten schwerwiegenden Straftaten im überwiegenden Interesse der Verteidigung der öffentlichen Ordnung und der Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK gerechtfertigt, ohne dass gleichwertige private, familiäre Belange ersichtlich wären, die ein Absehen von der Feststellung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebieten würden.
11 
Am 17.09.2008 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und zur Begründung vorgetragen, seine Familie lebe zum großen Teil in Deutschland. Das Landgericht Stuttgart habe in seinem Urteil vom 28.08.2007 festgestellt, dass er nur untergeordnetes Bandenmitglied und auf Grund seiner familiären Verpflichtung in die Straftat involviert gewesen sei. Da er in Deutschland aufgewachsen sei und seine schulische Ausbildung in Deutschland genossen habe, sei eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne von § 6 Abs. 1 FreizügG/EU nicht ersichtlich. Auch habe er eine intensive Bindung zu seinem in Deutschland lebenden Vater, der ihn regelmäßig in der JVA H. besuche. Die Tatsache, dass er sich freiwillig der Polizei gestellt habe, zeige, dass er mit den ihm vorgeworfenen Straftaten abgeschlossen habe. Im Rahmen einer Zukunftsprognose sei deshalb davon auszugehen, dass er nach Verbüßung der Strafhaft keine Gefahr für die öffentliche Ordnung mehr darstelle. Die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet sei somit unverhältnismäßig. In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ergänzend vorgetragen, die Mutter des Klägers halte sich gegenwärtig bei deren Tochter in Australien auf. Ein Bruder befinde sich in Haft, ein weiterer Bruder sei noch auf der Flucht. Ab Frühjahr 2009 werde sich die Mutter endgültig wieder bei ihrem Ehemann in Deutschland aufhalten.
12 
Der Beklagte ist der Klage aus den Gründen des angegriffenen Bescheids entgegen getreten.
13 
Durch Urteil vom 24.11.2008 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Regierungspräsidiums vom 19.08.2008 aufgehoben und zur Begründung u.a. ausgeführt: Der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt könne bei Unionsbürgern wie dem Kläger nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit festgestellt werden, wobei die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für sich allein nicht genüge, um eine derartige Entscheidung zu begründen. Es müsse ferner eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre (§ 6 Abs. 2 FreizügG/EU). In Umsetzung von Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG vom 29.04.2004 dürfe eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU bei mehr als zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden (§ 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU). Zu Gunsten des Klägers greife § 6 Abs. 5 FreizügG/EU ein, da er sich seit seiner Geburt und damit weit mehr als die letzten zehn Jahre im Bundesgebiet aufgehalten und er das Daueraufenthaltsrecht aufgrund seiner Aufenthalte auf Rhodos auch nicht verloren habe (§ 4a Abs. 7 FreizügG/EU). Zwar habe er sich von März 2004 bis Mitte Oktober 2004 sowie von Mitte Oktober 2005 bis März 2007 in Griechenland aufgehalten. § 6 Abs. 5 S. 1 FreizügG/EU fordere jedoch keinen ununterbrochenen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet. Da er im Bundesgebiet geboren sei und mit Ausnahme der genannten Aufenthaltszeiten in Griechenland sein gesamtes Leben im Bundesgebiet zugebracht habe, bestehe für das Gericht kein Zweifel daran, dass er sich auf § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berufen könne. Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Stuttgart lägen jedoch die von § 6 Abs. 5 S. 3 FreizügG/EU geforderten zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit nicht vor. Der gemeinschaftsrechtliche Rechtsbegriff der öffentlichen Sicherheit umfasse nur die innere und die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates und sei damit enger als der Begriff der öffentlichen Ordnung, der auch die innerstaatliche Strafrechtsordnung umfasse. Es sei deshalb verfehlt, aus dem Überschreiten des in § 6 Abs. 5 S. 3 FreizügG/EU genannten Mindeststrafmaßes stets auf das Vorliegen von zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit zu schließen, wie dies im angefochtenen Bescheid geschehen sei. In Anwendung dieser Grundsätze gehe für das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit vom Kläger keine Bedrohung aus. Der Kläger stelle möglicherweise eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung, jedoch keineswegs für den Bestand des Staates und seiner Institutionen oder das Überleben der Bevölkerung dar. Derartiges werde vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.
14 
Gegen das am 07.01.2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte rechtzeitig die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zugleich mit einer kurzen Begründung die Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 22.07.2008 beantragt.
15 
Der Kläger verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.
II.
16 
Der Senat setzt das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO aus, um gem. Art. 234 Abs. 1 lit. a) EG ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu richten.
17 
Vorab weist der Senat darauf hin, dass die vom Beklagten vorgelegte Berufungsbegründung vom 26.01.2009 gerade noch dem Formerfordernis des § 124 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügt. Zwar befasst sich der Schriftsatz in erster Linie mit der Frage einer Aussetzung des Berufungsverfahrens in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 22.07.2008 (13 S 1917/07), ohne einen förmlichen Berufungsantrag zu stellen; vielmehr hat der Beklagte ausdrücklich nur eine Aussetzung des Verfahrens beantragt. Ausnahmsweise ist aber ein förmlicher Berufungsantrag entbehrlich, wenn bei einer klaren prozessualen Ausgangs- und Interessenlage keinerlei Zweifel bestehen kann, welches Ziel der Rechtsmittelführer verfolgt (vgl. Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 124a Rdn. 36 m.w.N.). Dieses ist hier aber der Fall. Auch die Begründung ist noch ausreichend, weil der Beklagte unzweideutig auf sein abweichendes, seinem Bescheid zugrunde liegendes Verständnis des Begriffs der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit verweist.
18 
Die vom Senat dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung unterbreiteten Fragen sind für den Ausgang des Rechtsstreits erheblich. Wäre der Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit nicht in dem vom Senat für richtig gehaltenen engen Sinne zu verstehen, müsste die Klage abgewiesen werden. Das Gleiche wäre dann der Fall, wenn der erhöhte Ausweisungsschutz nicht nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG verloren ginge, sondern vielmehr bereits bei Vorliegen der hier die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne des Art. 16 Abs. 3 RL 2004/38/EG unterbrechenden Aufenthaltszeiten außerhalb des Aufnahmemitgliedstaates von Oktober 2005 bis März 2007.
19 
Zur Klarstellung weist der Senat im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten darauf hin, dass dem Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 22.07.2008 zwar die Problematik der im vorliegenden Verfahren zur Beantwortung gestellte Frage Ziffer 1 ebenfalls zugrunde liegt, dort aber nicht zur Vorabentscheidung unterbreitet worden war.
20 
1. Zur ersten Vorlagefrage:
21 
Nach § 6 Abs. 5 Satz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU - FreizügG/EU - i.d.F. v. 19.09.2007 können zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit, die nach einem zehnjährigen Aufenthalt eine Ausweisung rechtfertigen, nur dann vorliegen, wenn der oder die Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wurde und wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder von dem oder der Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht.
22 
Der Beklagte versteht den Begriff der öffentlichen Sicherheit entgegen der im angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vertretenen Auffassung in einem weiteren Sinne. Nach seiner Sichtweise werden hiervon auch schwere kriminelle Taten, wie Betäubungsmitteldelikte erfasst, die sich aber vornehmlich gegen individuelle Rechtsgüter richten. Der Beklagte geht somit von einem Begriffsverständnis aus, dass die öffentliche Sicherheit die gesamte Rechtsordnung, insbesondere die Strafrechtsordnung umfasst.
23 
Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Vielmehr entnimmt er der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des primärrechtlichen Begriffs der „öffentlichen Sicherheit“, dass hierunter nur die innere und äußere Sicherheit in dem in der Vorlagefrage Ziffer 1 beschriebenen engen Sinne zu verstehen ist (vgl. insbesondere U.v. 10.07.1984 - Rs. 72/83 - Campus Oil - Slg. 1984, 2727; U.v. 04.10.1991 - C-367/89 - Richardt und Les Accessoires Scientifique - Slg. I-4621; U.v. 26.10.1999 - C-273/97 - Sirdar - Slg. I-7403; U.v. 11.03.2003 - C-186/01 - Dory - Slg. I-2479). Dieses wird nach Auffassung des Senats auch in besonderem Maße deutlich zum Ausdruck gebracht im Urteil des Gerichtshofs v. 29.04.2004 (C-482/01 und C-4937/01 - Orfanopoulos und Olivieri - Slg. I-5257), in dem die schwere Kriminalität, namentlich auch aus dem Bereich der Drogendelikte ausschließlich und durchgängig unter dem Aspekt der „öffentlichen Ordnung“ erörtert wird. Die Betroffenheit bzw. Gefährdung eines „Grundinteresses der Gesellschaft“ im Sinne der ständigen Spruchpraxis der Europäischen Gerichtshofs (vgl. U.v. 29.04.2004 C-482/01 und C-4937/01 – a.a.O.) ist damit lediglich eine notwendige Bedingung für die Bejahung eines zwingenden Grundes der öffentlichen Sicherheit.
24 
Es sind für den Senat keine durchgreifenden Einwände ersichtlich, weshalb dieses Begriffsverständnis nicht auf die sekundärrechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG zu übertragen sein sollte. Dann aber kann die nationale Bestimmung des § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU, die zwingende Gründe dann als gegeben ansieht, wenn neben einer strafgerichtlichen Verurteilung „die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist“ nicht abweichend ausgelegt und angewandt werden. Darüber hinaus wäre die Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens 5 Jahren, weder eine notwendige noch eine hinreichende gemeinschaftsrechtliche Bedingung für die Eröffnung eines Ausweisungsermessens.
25 
Für ein enges Verständnis des Begriffs der „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit“ spricht zudem der dreistufige Schutzmechanismus des Art. 28 RL 2004/38/EG, der auf der ersten und zweiten Stufe noch die Gründe der öffentlichen Ordnung als für eine Ausweisung bzw. Verlustfeststellung relevant anerkennt, nicht mehr jedoch auf der - hier zu erörternden - dritten Stufe, während zugleich die bereits bei der Gruppe der Daueraufenthaltsberechtigten (Absatz 2) erforderlichen „schwerwiegenden Gründe“ nochmals in ihrem Gewicht nach in den Fällen des Absatzes 3 erhöht werden, wenn hiernach zwingende, d.h. unabweisbare Gründe gefordert werden. Dass die Ausweisung auf der dritten Stufe nur äußerstenfalls und im Sinne einer „ultima ratio“ erfolgen soll, wird auch unübersehbar im 23. und 24. Erwägungsgrund zum Ausdruck gebracht und nicht zuletzt auch durch den Umstand unterstrichen, dass der Kommissionsentwurf ursprünglich schon bei Daueraufenthaltsberechtigten (vgl. Art. 26 Abs. 2 des Entwurfs) einen absoluten Ausweisungsschutz vorsah (vgl. KOM/2001/0257 endg - ABl. C Nr. 270 E v. 25.09.2001. 150; wie hier auch etwa Harms, in: Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl., § 6 FreizügG/EU, Rdn. 21 ff.).
26 
2. Zur zweiten Vorlagefrage:
27 
Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG macht nach seinem Wortlaut den erhöhten Ausweisungsschutz nur von einem mindestens zehnjährigen Aufenthalt abhängig, der nicht einmal rechtmäßig gewesen sein muss. Da der Kläger sich seit seiner Geburt bis März 2004 und sodann wieder ab Oktober 2004 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hatte, gibt der vorliegende Fall keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob über den bloßen zehnjährigen Aufenthalt hinaus weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um in den Genuss des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG zu gelangen, insbesondere ob der Aufenthalt rechtmäßig gewesen sein muss, ob zunächst sogar die Stufe des Daueraufenthaltsrechts nach Art. 16 RL 2004/38/EG erreicht worden sein muss und ob danach auch bis zum Erreichen des zehnjährigen Aufenthalts die Bestimmung des Art. 16 Abs. 3 RL 2004/38/EG entsprechend anzuwenden wäre.
28 
Der vorliegende Fall gibt allerdings Anlass, die Frage aufzuwerfen, ob und unter welchen Voraussetzungen der erhöhte Ausweisungsschutz wieder entfallen kann. Die Richtlinie selbst enthält keine Regelung, die sich unmittelbar mit dieser Frage befasst. Der Senat vermag allerdings keinen nachvollziehbaren Grund zu erkennen, weshalb diese Rechtsstellung gewissermaßen auf Lebenszeit beibehalten werden soll, wenn der oder die Betroffene auf Dauer keinerlei inhaltlichen und räumlichen Bezug zu diesem Mitgliedstaat mehr hat und eine dauerhafte Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat oder auch in einem Drittstaat erfolgt. Der Senat entnimmt vielmehr dem Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG, der sich mit den Voraussetzungen eines Verlustes des Daueraufenthaltsrechts befasst, eine Wertung, die auch auf den Fall des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG übertragen werden kann und eine entsprechende Anwendung rechtfertigt. Nicht möglich ist nach Auffassung des Senats hingegen ein Rückgriff auf Art. 16 Abs. 3 RL 2004/38/EG. Denn bei dieser Bestimmung handelt es sich um einen Regelungskomplex, der eine gänzlich andere Ausgangs- und Interessenlage betrifft, geht es hierbei doch um die Frage, welche Unterbrechungen des Aufenthalts, die vor dem Erwerb des erhöhten Ausweisungsschutzes liegen, schädlich bzw. unschädlich für den Erwerb dieser Rechtsstellung sind. Zudem hätte dies zur Folge, dass der höhere Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG u. U. leichter verloren gehen könnte als der weniger starke Schutz nach Art. 28 Abs. 2 RL 2004/38/EG.
29 
3. Zur dritten Vorlagefrage:
30 
Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG stellt nach seinem Wortlaut lediglich darauf ab, dass den oder die Betreffende für die Dauer von mehr als zwei aufeinander folgenden Jahren vom Aufnahmemitgliedstaat abwesend war, ohne nach den Gründen für diese Abwesenheit zu fragen. Insbesondere wird hiernach nicht darauf abgestellt, dass etwa bis zu zweijährige Abwesenheiten nur dann unschädlich sein sollen, wenn sie aus einem der Natur nach nur vorübergehenden Grund erfolgt sind, wie dies der Tendenz nach in Art. 16 Abs. 3 RL 2004/38/EG getan wird. Umgekehrt ist nach dem Wortlaut auch eine Abwesenheit von über zwei Jahren schädlich, selbst wenn sie auf einem der Natur nach nur vorübergehenden Grund beruhen sollte. Der Wortlaut der Bestimmung des Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG und der hiernach deutliche Gegensatz zu Art. 16 Abs. 3 RL 2004/38/EG lässt nach Auffassung des Senats auch keine entsprechende Einschränkung zu, weshalb es allein auf den bloßen Zeitablauf ankommt, nicht jedoch auf die für die Betroffenen maßgeblichen Gründe für die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat.
31 
4. Zur vierten Vorlagefrage:
32 
Im Falle des Klägers, der zwischen dem Aufenthalt in Griechenland von März bis Oktober 2004 wieder ein Jahr bis Oktober 2005 in der Bundesrepublik Deutschland lebte und sich sodann bis März 2007 erneut in Griechenland aufhielt, liegen die Voraussetzungen einer Abwesenheit für mehr als „zwei aufeinander folgende Jahre“ nicht vor. Allerdings zeichnet sich die Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland im März 2007, die zur Unterbrechung und zum Neubeginn des Zweijahreszeitraum führen konnte, durch die Besonderheit aus, dass diese nicht in Ausübung einer gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit erfolgte, sondern unfreiwillig im Rahmen einer Strafverfolgungsmaßnahme, die in der Folge dazu führte, dass der Kläger über mehrere Jahre von einer der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten keinen Gebrauch machen konnte und, solange er nicht etwa vorzeitig gem. § 57 StGB zur Bewährung in Freiheit kommt, auch weiter keinen Gebrauch machen kann. Soweit der Kläger allerdings in der Strafhaft gegen Entgelt einer Beschäftigung nachgehen sollte, was dem Senat nicht im Einzelnen bekannt ist, wäre allerdings zu erwägen, dass er Arbeitnehmer im Sinne von Art. 39 EG ist. Dächte man daher diese zwangsweise Rückkehr hinweg, so läge eine über zweijährige Abwesenheit vor, die den erhöhten Ausweisungsschutz entfallen ließe. Da aber der erhöhte Ausweisungsschutz durch eine auch langjährige Inhaftierung im Aufnahmemitgliedstaat allein, die dazu führt, dass die Betroffenen tatsächlich nicht von ihren Grundfreiheiten Gebrauch machen können, nicht tangiert wird, spricht nach Auffassung des Senats nichts dafür, dass eine zwangsweise Rückkehr nicht geeignet sein soll, den Zweijahreszeitraum wieder zu unterbrechen.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.

(1) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden.

(2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.

(3) Der Vollzug ist darauf auszurichten, daß er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.

(1) Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.

(2) Der Gefangene unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen seiner Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihm nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerläßlich sind.

(1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt.

(2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behandlungsmaßnahmen:

1.
die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
2.
die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt,
3.
die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen,
4.
den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung,
5.
die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung,
6.
besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen,
7.
Lockerungen des Vollzuges und
8.
notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung.

(3) Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen.

(4) Bei Gefangenen, die wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind, ist über eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt jeweils nach Ablauf von sechs Monaten neu zu entscheiden.

Gründe

1

Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit sie den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügt, ist sie unbegründet.

2

1. Die Beschwerde wendet sich zunächst mit Verfahrensrügen sowie der Grundsatzrüge gegen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, im Fall des Klägers reichten "Gründe der öffentlichen Ordnung" im Sinne von § 6 Abs. 1 FreizügG/EU für die Feststellung des Verlusts des Aufenthaltsrechts aus, während zutreffenderweise "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne von § 6 Abs. 5 FreizügG/EU erforderlich seien (Beschwerdebegründung S. 2 - 4). Unter Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers und der gerichtlichen Aufklärungspflicht sei das Gericht von einer Unterbrechung des mehr als zehn Jahre dauernden Aufenthalts des Klägers in Deutschland infolge der Verbüßung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe wegen Mordes ausgegangen.

3

Die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen führen mangels Erheblichkeit für das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung nicht zur Revisionszulassung. Denn das Berufungsgericht stützt seine Entscheidung - trotz der aus seiner Sicht erfolgten rechtserheblichen Unterbrechung des maßgeblichen Zehn-Jahres-Zeitraums - darauf, dass selbst bei unterstellter Kontinuität des Aufenthalts die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU erfüllt seien, weil "angesichts des vom Kläger begangenen Mordes, der zu der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe geführt hat, mit Blick auf Strafmaß sowie Art und Schwere der Straftat und die von ihm ausgehende gegenwärtige Gefahr sogar zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit für die Maßnahme vorliegen" (UA S. 23). Das Gericht prüft im weiteren Verlauf - entgegen der Darstellung der Beschwerde - auch keineswegs nur noch "Gründe der öffentlichen Ordnung", sondern schließt sich den Ausführungen des Verwaltungsgerichts an, dass der begangene Mord unter den Rechtsbegriff der öffentlichen Sicherheit nach Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürger-Richtlinie bzw. nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU gefasst werden könne (UA S. 26). Auch bei Prüfung der Gegenwärtigkeit der vom Kläger ausgehenden Gefahr nach mittlerweile neunjährigem Strafvollzug bejaht das Gericht "nicht nur schwerwiegende, sondern sogar zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit für die Verlustfeststellung" (UA S. 31). Auch die Ermessensentscheidung des Beklagten misst es an den Maßstäben, die beachtet werden müssen, "wenn ein zwingender Grund der öffentlichen Sicherheit vorliegt" (UA S. 31 unten).

4

Damit kommt es für das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung nicht darauf an, ob die Feststellungen zur Unterbrechung des Zehn-Jahres-Zeitraums verfahrensfehlerfrei ergangen sind oder sich hierzu Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen.

5

2. Die Beschwerde rügt des Weiteren, das Oberverwaltungsgericht habe verfahrensfehlerhaft, namentlich unter Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers, eine Prognose zu der vom Kläger ausgehenden Gefahr angestellt (Beschwerdebegründung S. 4).

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2.1 Fehlerhaft sei zunächst, dass das Gericht bei der Gefährdungsprognose allein auf das abgeurteilte Verhalten des Klägers abgestellt habe, hingegen die bereits erfolgte positive Entwicklung des Klägers während der Strafhaft nicht berücksichtigt habe (begonnene Ausbildung, erfolgreicher Drogenentzug) und auch nicht die zu erwartende weitere positive Entwicklung in der Haft, z.B. infolge der zukünftig vorgesehenen einzeltherapeutischen Aufarbeitung der Tat (Beschwerdebegründung S. 5 und 7). Auf derartige Umstände habe der Kläger hingewiesen, deswegen verletze das Vorgehen des Gerichts seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Diese Rüge greift nicht durch.

7

Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Als Prozessgrundrecht soll es sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme oder Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 - 1 C 13.11 - BVerwGE 144, 230 Rn. 10). Mit ihren Darlegungen zeigt die Beschwerde die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs jedoch nicht auf. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ist grundsätzlich - und so auch hier - davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Die Gerichte brauchen sich dabei nicht mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Aus einem Schweigen der Urteilsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann daher nur dann festgestellt werden, wenn es sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2014 - 1 B 10.14 - unter Hinweis auf BVerfGE 54, 43 <46> juris Rn. 9). Solche besonderen Umstände zeigt die Beschwerde nicht auf.

8

Das angefochtene Urteil stellt bei seiner Gefährdungsprognose schon im Ausgangspunkt nicht allein auf die strafrechtliche Verurteilung ab, sondern darauf, dass die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (UA S. 26). Danach offenbaren die vom Kläger begangenen Straftaten, die seiner Verurteilung u.a. wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung im Jahr 2005 und wegen Mordes im Jahr 2008 zugrunde liegen, dass der Kläger schwerwiegende charakterliche Defizite und eine deutliche Neigung habe, vermeintliches, insbesondere von ihm als Angriff auf seine Ehre verstandenes Fehlverhalten anderer selbst zu bestrafen bzw. seine Interessen mit Gewalt durchzusetzen (UA S. 27). Der begangene Mord aus niedrigen Beweggründen, u.a. die "Hinrichtung" durch drei aufgesetzte Schüsse, ließen ein außergewöhnlich hohes Maß an krimineller Energie und charakterlichen Mängeln erkennen (UA S. 28). Bei der aktuellen Gefährlichkeitsprognose bezieht das Gericht zudem die Entwicklung des Klägers während der mittlerweile neunjährigen Haft ein, zieht dazu die Vollzugspläne zweier Haftanstalten heran, würdigt die Kontakte zu seinen Töchtern und deren Mutter (UA S. 29), seine begonnene Ausbildung zum Koch (UA S. 30) und die Tatsache, dass er während seiner Haftzeit ausweislich der negativen Kontrollergebnisse keine Drogen mehr genommen hat (UA S. 28). Das Gericht hat diese vom Kläger vorgetragenen Umstände demnach zur Kenntnis genommen, allerdings anders gewertet als dies die Beschwerde für richtig hält. Daraus lässt sich ein Gehörsverstoß jedoch nicht ableiten. Kein Gehörsverstoß liegt auch darin, dass das Gericht ein gefahrbestärkendes Element darin sieht, dass der Kläger seine Mordtat bisher nicht erfolgreich therapeutisch aufgearbeitet hat, weil ihm die Möglichkeit einer solchen Therapie noch nicht eingeräumt wurde (UA S. 29). Denn das Gericht hat nur die Tatsache selbst berücksichtigt, dem Kläger aber keinen Vorwurf dahin gemacht, zu einer solchen Therapie nicht bereit zu sein.

9

2.2 Die Beschwerde rügt des Weiteren fehlende gerichtliche Aufklärungsmaßnahmen zu den zu erwartenden positiven Auswirkungen der Haft auf die Persönlichkeit des Klägers in der Zukunft. Dies verletze die gerichtliche Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts. Das Gericht habe aus eigener Kompetenz gar keine verlässliche Prognoseentscheidung treffen können; hierfür sei vielmehr der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung beantragte Sachverständigenbeweis erforderlich gewesen, den das Gericht jedoch nicht erhoben habe (Beschwerdebegründung S. 6 lit. bb).

10

Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich jedoch keine Verletzung der dem Gericht nach § 86 VwGO obliegenden Aufklärungspflicht. Das Berufungsgericht war insbesondere nicht zu einer Aufklärung dahin verpflichtet, welche Wirkungen auf den Kläger von einer zukünftigen therapeutischen Aufarbeitung der Straftaten zu erwarten seien (vgl. Beschwerdebegründung S. 5 unten). Vielmehr durfte das Gericht davon ausgehen, dass derartige zukünftige Entwicklungen nichts über die aktuelle vom Kläger ausgehende Gefährdung aussagen.

11

Das Gericht durfte auch die in der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2015 beantragte Beweiserhebung ablehnen. Dort hatte der Kläger die Einholung eines medizinisch-psychologischen oder eines psychologisch-kriminologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt, dass er nach der Tatbegehung und nach der strafgerichtlichen Feststellung eine nachhaltige Verhaltens- und Einstellungsänderung vollzogen habe, die eine Abwendung vom kriminellen Milieu bedeute (1) und dass nunmehr keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die erneute Begehung schwerer Straftaten mehr bestehe (2). Das Oberverwaltungsgericht hat die Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt, dass die Frage der Wiederholungsgefahr nach strafgerichtlichen Verurteilungen von den Gerichten grundsätzlich ohne Hinzuziehung von Sachverständigen beurteilt werden könne, da die Gerichte sich mit einer entsprechenden tatsächlichen Würdigung regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegten, die den Richtern allgemein zugänglich seien. Ergänzend wies der Vorsitzende darauf hin, dass das Gericht die vorliegenden Erkenntnisquellen insoweit für ausreichend halte (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung S. 3 f.).

12

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können die Tatsacheninstanzen einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO oder mit dem Hinweis auf die eigene Sachkunde - wie hier - verfahrensfehlerfrei ablehnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 - 1 C 13.11 - BVerwGE 144, 230 Rn. 11). Das Tatsachengericht muss seine Entscheidung für die Beteiligten und das Rechtsmittelgericht aber nachvollziehbar begründen und ggf. angeben, woher es seine Sachkunde hat. Das ist hier erfolgt. Das Berufungsgericht ist dabei der Rechtsprechung des Senats gefolgt, wonach sich das Tatsachengericht bei der Gefahrenprognose im Fall der Ausweisung eines strafgerichtlich verurteilten Ausländers regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die dem Richter allgemein zugänglich sind. Danach bedarf es der Hinzuziehung eines Sachverständigen nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 - 1 C 13.11 - BVerwGE 144, 230 Rn. 12). Solche besonderen Umstände hat die Beschwerde nicht dargelegt.

13

3. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, inwieweit in der unterlassenen Aufklärung, welche Wirkungen aus fachkundiger Sicht im Fall einer zukünftigen therapeutischen Aufarbeitung erwartet werden können, eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - (BVerwGE 121, 297) liegen soll (vgl. Beschwerdebegründung S. 5 unten). Die Beschwerde stellt nicht - wie geboten - jeweils zur gleichen Rechtsvorschrift ergangene Rechtssätze des Berufungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts einander gegenüber (zu den Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. April 2013 - 1 B 22.12 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 66 Rn. 21). Sowohl aus dem fristgerecht eingegangenen Beschwerdevorbringen als auch aus dem Schriftsatz vom 9. September 2015 wird zudem nicht ersichtlich, dass insoweit gegenüber der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 4. Oktober 2012 - 1 C 13.11 - BVerwGE 144, 230 Rn. 11) erneuter rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf besteht.

14

4. Auch aus den weiteren Darlegungen der Beschwerde zur mangelnden Berücksichtigung einer Alkohol- und Drogensucht des Klägers ergibt sich die geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers nicht (Beschwerdebegründung S. 6 lit. cc). Die Beschwerde begründet ihre Rüge damit, das angefochtene Urteil stütze sich hinsichtlich des Einflusses des Alkohol- und Drogenmissbrauchs des Klägers auf die begangene Straftat auf Feststellungen aus dem Gutachten des Herrn Dr. G... aus dem Strafverfahren des Klägers. Das sei unzureichend, weil sich der Sachverständige nur mit der Frage der Schuldfähigkeit des Klägers aufgrund seines Alkohol- und Drogenmissbrauchs auseinandergesetzt habe. Das trifft nicht zu. Das Berufungsurteil leitet seine Feststellung, dass der begangene Mord nicht auf den Alkohol- und Drogenmissbrauch des Klägers zurückzuführen sei, vielmehr aus den Darlegungen des Landgerichts Saarbrücken in seinem Urteil vom 7. Februar 2007 zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Klägers bei der Begehung des Mordes ab, denen das Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. R... zugrunde lag (UA S. 28). Auf das vom Kläger vorgelegte Gutachten des Dr. G... geht das Urteil nur insoweit ein, als es dieses nicht für geeignet hält, die als überzeugend befundenen Ausführungen des Strafgerichts durchgreifend in Frage zu stellen (UA S. 28). Daher fehlt es auch an hinreichenden Darlegungen für die hierzu zusätzlich geltend gemachte Aufklärungsrüge.

15

5. Weiter greift die Beschwerde die Begründung an, mit der das Oberverwaltungsgericht eine vom Kläger ausgehende Gefahr auch während der Verbüßung seiner Haftstrafe bejaht (Beschwerdebegründung S. 8 f. lit. a und b). So sei etwa die Feststellung des Gerichts rein spekulativ, der Kläger habe in der JVA im Rahmen seiner Ausbildung zum Koch Zugang zu Messern, so dass Übergriffe auf Mitgefangene möglich seien. Die fehlenden Feststellungen hierzu begründeten einen Verfahrensmangel. Ebenso spekulativ seien die Ausführungen des Gerichts, der Kläger könne aus Rache seinen Mittäter gefährden, und von ihm gehe im Fall von Vollzugslockerungen die Gefahr aus, aus Wut oder wegen Verletzung in seinem Ehrgefühl einen Menschen zu verletzen oder gar zu töten oder alte Rechnungen begleichen zu wollen.

16

Mit dieser Verfahrensrüge wendet sich die Beschwerde der Sache nach gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts zur Gefahrenprognose. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Grundsätze der Beweiswürdigung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Ein Verfahrensfehler kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Ein Verfahrensmangel bei der Beweiswürdigung liegt aber nur dann vor, wenn sich der gerügte Fehler hinreichend eindeutig von der materiellrechtlichen Subsumtion, d.h. der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts, abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2012 - 10 B 2.12 - juris m.w.N.). Einen solchen qualifizierten Mangel der Beweiswürdigung zeigt die Beschwerde jedoch nicht auf. Denn das Berufungsgericht tritt mit den von der Beschwerde genannten Argumenten zunächst nur der Auffassung des Klägers und des erstinstanzlichen Gerichts entgegen, eine Wiederholungsgefahr sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil sich der Kläger in Haft befinde (UA S. 30). Ferner geht das Gericht nicht von der feststehenden Tatsache aus, dass der Kläger in der Anstaltsküche Zugang zu Messern hat, sondern erwähnt das nur beispielhaft mit dem Zusatz "gegebenenfalls" (UA S. 30). Im Übrigen wird aus den Darlegungen der Beschwerde nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es eine grobe Verletzung der Grundsätze der Beweiswürdigung darstellen soll, wenn das Berufungsgericht aus der wiederholten Trennung des Klägers von seinem Mittäter O. in der Haft wegen dessen Furcht vor Übergriffen des Klägers gefolgert hat, dass auch bei Gefangenen Übergriffe von Mitgefangenen in der Haft nicht auszuschließen sind (UA S. 30). Entsprechendes gilt für die Ausführungen des Gerichts zu drohenden, vom Kläger ausgehenden Gefahren im Rahmen von Vollzugslockerungen (UA S. 30 f.). Eines Sachverständigengutachtens zur Gefahrenprognose bedarf es - entgegen des erneuten Vorbringens der Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 9 lit. b) - aus den bereits oben dargelegten Gründen (Ziffer 2.2 dieses Beschlusses) nicht.

17

6. Die Beschwerde beruft sich weiter darauf (Beschwerdebegründung S. 9 lit. c), die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu einer Gefährdung innerhalb der Haft begründeten eine Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - (BVerwGE 121, 297). Nach diesem Urteil ist für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr u.a. zu prüfen, ob eine (etwa erfolgte) Verbüßung der Strafe erwarten lässt, dass der Unionsbürger künftig keine die öffentliche Ordnung gefährdende Straftaten mehr begehen wird, und was sich ggf. aus einer (erfolgten) Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB) ergibt (a.a.O. S. 306). Folgte man hingegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts und unterstellte ohne konkrete Anhaltspunkte bereits eine Gefährdung während der Haft, ergäbe sich nach Auffassung der Beschwerde zwangsläufig, dass den Betroffenen die besagte Prüfung abgeschnitten würde.

18

Für die Darlegung einer Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO fehlt es schon an der Darlegung eines Rechtssatzes des Berufungsgerichts, mit dem es dem o.g. Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widersprochen hat. Die Rüge einer lediglich fehlerhaften Anwendung eines Rechtssatzes des Bundesverwaltungsgerichts - wie hier - genügt hierfür nicht. Davon abgesehen wird aber auch eine fehlerhafte Anwendung im konkreten Fall nicht aufgezeigt. Denn die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehen sich auf die Notwendigkeit, die Folgen einer erfolgten Verbüßung einer Strafhaft und einer erfolgten Strafaussetzung zur Bewährung zu würdigen. Die von der Beschwerde beanstandeten Ausführungen des Berufungsgerichts beziehen sich aber auf die Gefahrenprognose während der Zeit der Haftverbüßung sowie auf Vollzugslockerungen.

19

7. Die Beschwerde sieht des Weiteren Bedarf für eine grundsätzliche Klärung zur "Frage einer bereits während der Haft bestehenden Gefährdungslage" (Beschwerdebegründung S. 10 oben). Sie ist der Auffassung, die Rechtfertigung des staatlichen Strafanspruchs und insbesondere der Resozialisierungsanspruch des Betroffenen müssten bei der Prognoseentscheidung berücksichtigt werden. Könnte man den Straftäter wegen einer bestehenden Gefährdungslage zu Beginn seiner Haft ausweisen und ihm sein Freizügigkeitsrecht absprechen, drohe die Gefahr, dass zukünftige positive Wirkungen des Strafvollzuges unberücksichtigt blieben. Die spezialpräventive Rechtfertigung des staatlichen Strafanspruchs würde ad absurdum geführt. Die Frage einer bereits während der Haft bestehenden Gefährdungslage sei bislang durch die Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts - noch nicht geklärt.

20

Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Denn sie formuliert keine präzise rechtliche Fragestellung, sondern weist lediglich auf bestimmte Probleme hin, die sich bei der Beurteilung der von einem Straftäter ausgehenden Gefährdung im Zeitpunkt der Verbüßung seiner Haft ergeben. Im Übrigen ist aber in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass es für die Verlustfeststellung des Rechts auf Einreise und Aufenthalt auf eine gegenwärtige und nicht auf eine zukünftige Gefährdung der öffentlichen Ordnung ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <305 f.>). Das entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Urteil vom 29. April 2004 - C-482/01 und C-493/01 [ECLI:EU:C:2004:262], Orfanopoulos und Oliveri - Rn. 77 bis 79). Die Voraussetzung einer gegenwärtigen Gefährdung muss danach grundsätzlich zu dem Zeitpunkt erfüllt sein, zu dem die Ausweisung erfolgt (EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C-482/01 und C-493/01 - Rn. 79), hier also im Zeitpunkt der Haftverbüßung, auch wenn dann die Entwicklung des Klägers während der Gesamtdauer der Haft lediglich zu prognostizieren ist, weil sie noch ebenso wenig feststeht wie sein Verhalten im Rahmen etwaiger zukünftiger Vollzugslockerungen oder einer eventuellen Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung.

21

8. Kein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf besteht für die von der Beschwerde aufgeworfene, hiermit im Zusammenhang stehende Frage, zu welchem Zeitpunkt die Ausländerbehörde überhaupt die Entscheidung über die Verlustfeststellung ermessensfehlerfrei treffen kann (Beschwerdebegründung S. 10 lit. a). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es für die Rechtmäßigkeit einer ausländerbehördlichen Entscheidung über den Verlust des Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers darauf an, ob der Betroffene eine gegenwärtige und schwer wiegende Gefahr für wichtige Rechtsgüter darstellt (Gefährdung der öffentlichen Ordnung) und das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse am Verbleib des Unionsbürgers in Deutschland deutlich überwiegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <306>). Vorgaben für den Zeitpunkt, zu dem die Behörde die Verlustfeststellung ausspricht, ergeben sich weder aus dem nationalen Recht noch aus Unionsrecht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen "jeweils zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt" (vgl. Urteile vom 16. Januar 2014 - C-400/12 [ECLI:EU:C:2014:9], M.G. - Rn. 35 und vom 23. November 2010 - C-145/09 [ECLI:EU:C:2010:708], Tsakouridis - Rn. 32). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich zudem, dass der Gerichtshof keine Einwände gegen eine Verlustfeststellung nach Verbüßung von weniger als zwei Jahren einer auf insgesamt sechs Jahre und sechs Monate festgesetzten Haftstrafe erhoben hat (vgl. EuGH, Urteil vom 23. November 2010 - C-145/09 - Rn. 12 f.; ähnlich im Urteil vom 22. Mai 2012 - C-348/09 [ECLI:EU:C:2012:300], P.I. - Rn. 10 f.). Einer positiven Entwicklung des Unionsbürgers nach Erlass der Verlustfeststellung - etwa durch eine erfolgreiche Therapie während der Strafhaft - kann durch eine nachträgliche Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 1 C 18.14 - DVBl 2015, 780 Rn. 22 ff.).

22

9. Die Beschwerde sieht Verstöße gegen den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs darin, dass das Berufungsgericht bei der Überprüfung der lange Zeit vor Haftende getroffenen Ermessensentscheidung "die zu erwartenden positiven Auswirkungen des weiteren Strafvollzuges" nicht einbezogen habe (Beschwerdebegründung S. 11 lit. b) und im Fall der Vollstreckung der Verlustfeststellung später als zwei Jahre nach ihrem Erlass dann nach Art. 33 Abs. 2 Unionsbürger-Richtlinie erneut eine Überprüfung erfolgen müsse - allerdings ohne vorheriges rechtliches Gehör des Klägers (Beschwerdebegründung S. 11 f. lit. a).

23

Aus beiden Rügen ergibt sich keine Verletzung des klägerischen Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Denn bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese - wofür hier nichts ersichtlich ist (vgl. oben Ziffer 8) - verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09 - BVerwGE 138, 289 Rn. 17 m.w.N.). Nach dem für die Beurteilung eines Gehörsverstoßes maßgeblichen materiellrechtlichen Ansatz des Berufungsgerichts, der eine Berücksichtigung etwaiger positiver Entwicklungen bei einer Entscheidung nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU gerade nicht abschneidet, kam es aber auf die von der Beschwerde genannten Umstände für das Berufungsurteil nicht an.

24

10. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

25

11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.