Unterhaltsanspruch: Teilzeitarbeit als Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit

bei uns veröffentlicht am27.11.2009

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Rechtsanwalt

für Familien- und Erbrecht

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Zusammenfassung des Autors
Von einer Unterhaltsberechtigten kann grundsätzlich eine Vollzeittätigkeit erwartet werden-OLG Schleswig, 15 UF 86/08
Arbeitet sie nur in Teilzeit, kann dies gegen ihre Erwerbsobliegenheit verstoßen.

Das muss allerdings nicht in jedem Fall so sein, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig. Habe die Erwerbspflichtige durch ihre bisherige Teilzeitarbeit nämlich schon eine relativ gesicherte Position erworben (hier: Grundschullehrerin), reiche es aus, wenn sie sich im Hinblick auf eine Vollzeittätigkeit räumlich nur eingeschränkt bewirbt. Ein Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit wird dadurch nicht begründet. Entsprechend liegen die Voraussetzung für eine Begrenzung bzw. Befristung des Unterhaltsanspruchs nicht vor, wenn die Erwerbspflichtige weiterhin ehebedingte Nachteile hat und es ungewiss ist, wann sie in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis übernommen wird (OLG Schleswig, 15 UF 86/08).

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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 04. März 2009 - 15 UF 86/08

bei uns veröffentlicht am 04.03.2009

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Flensburg vom 10. Juni 2008 wird zurückgewiesen. Dem Kläger werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstrec

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Flensburg vom 10. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Dem Kläger werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt die Abänderung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Flensburg vom 09.01.2007 ( 92 F 101/06 UE) mit dem Ziel festzustellen, dass er ab 01.01.2008 keinerlei Geschiedenenunterhalt mehr schuldet, hilfsweise, dass dieser Unterhalt maximal bis zum 31.12.2008 zu befristen ist.

2

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

3

Das Familiengericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagten stehe weiterhin ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zu. Dem Kläger sei es im Rahmen der Abänderungsklage wegen der Bindungswirkungen des Urteils vom 09.01.2007 verwehrt, sich darauf zu berufen, dass die Beklagte bei entsprechenden Erwerbsbemühungen ihren ehelichen Bedarf selbst decken könne. Denn eine neue und abweichende Bewertung gleich bleibender Umstände genüge für die Begründetheit einer Abänderungsklage nicht. Zum Zeitpunkt der Rücknahme der Berufung des Klägers gegen das damalige Urteil des Amtsgerichts am 18.06.2007 habe das jüngste Kind der Parteien das 16. Lebensjahr vollendet. Somit habe schon zu diesem Zeitpunkt vom Grundsatz her eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit für die Beklagte bestanden. Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Einkommensverhältnisse der Parteien ergebe sich jedenfalls für die Beklagte kein geringerer Aufstockungsunterhaltsanspruch als bisher ausgeurteilt.

4

Die Voraussetzungen für eine Begrenzung bzw. Befristung des Aufstockungsunterhaltsanspruchs der Beklagten gem. § 1578 b Abs. 1 und 2 BGB seien nicht gegeben. Der Kläger sei trotz des Inkrafttretens des neuen Unterhaltsrechts zum 01.01.2008 und des § 36 Nr. 1 und 2 EGZPO mit dem Einwand der Begrenzung bzw. Befristung präkludiert. Dafür spreche insbesondere, dass durch das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12.04.2006 (FamRZ 2006, 1006) bereits eine grundsätzliche Rechtsänderung durch die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. erfolgt sei. Schon bei der Anwendung des § 1573 Abs. 5 a. F. BGB habe der Bundesgerichtshof durch dieses Urteil entscheidend auf die Frage von ehebedingten Nachteilen abgestellt.

5

Wegen der Einzelheiten der Begründung des amtsgerichtlichen Urteils wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

6

Der Kläger macht mit der Berufung geltend, in dem Urteil des Amtsgerichts vom 9.1.2007 sei berücksichtigt worden, dass sich die Beklagte nicht habe überregional bewerben können, weil in deren Haushalt noch die gemeinsamen Kinder lebten, welche die Schule besuchten. Der Senat sei seinerzeit der Auffassung gewesen, dass die Beklagte sich nicht habe überregional bewerben müssen, weil die gemeinsamen Kinder noch zu Hause lebten und damit eine örtliche Bindung bestehe. Deshalb scheide auch eine zeitliche Befristung aus.

7

Nach der Unterhaltsrechtsreform, welche die Eigenverantwortlichkeit der Eheleute nach der Scheidung weiter in den Vordergrund stelle, und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass mittlerweile beide aus der Ehe stammenden Kinder nicht mehr im Haushalt der Beklagten lebten, sei ein Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht mehr gegeben. Jedenfalls bedürfe es nach der Gesetzesänderung vom 1.1.2008 einer ausdrücklichen Entscheidung zur Frage der zeitlichen Befristung eines Unterhaltsanspruchs.

8

Das Amtsgericht führe aus, der Hinweis, dass die Beklagte bei entsprechenden Erwerbsbemühungen ihren Lebensbedarf selbst decken könne, sei nicht zu berücksichtigen, weil dem die Bindungswirkung des Urteils vom 9.1.2007 entgegenstehe. Tatsächlich und auch rechtlich habe sich aber der Sachverhalt geändert. Damals sei das Gericht davon ausgegangen, dass es der Beklagten nicht zuletzt auf Grund der im Haushalt lebenden Kinder nicht zumutbar sei, sich überregional zu bewerben. Die Beklagte habe im Übrigen keine entsprechende Stelle bei der seinerzeitigen Marktsituation finden können. Die Marktsituation habe sich mittlerweile zugunsten der Lehrer verändert. Zudem seien die Kinder aus dem Haushalt ausgezogen. Die Bindungswirkung des ersten Urteils gehe - entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts - nur soweit, wie kein geänderter Sachverhalt vorliege. Die amtsgerichtliche Entscheidung sei bereits deshalb fehlerhaft, weil, obwohl die Kinder aus dem Haus ausgezogen seien, das Gericht davon ausgegangen sei, dass überregionale Bewerbungen weiterhin unzumutbar seien, jedenfalls nicht fruchten würden auf Grund des Alters und fehlender Berufserfahrung der Beklagten. Die Beklagte habe hierzu aber nicht substantiiert vorgetragen. Es fehle jeglicher hinreichender Sachvortrag zu gebotenen Bemühungen um eine Vollzeitstelle als Lehrerin. Tatsächlich hätte die Beklagte unter Berücksichtigung ihres Alters und ihrer tatsächlichen Berufserfahrung eine entsprechende Vollzeitlehrerstelle im näheren wie weiteren Umfeld von F finden können. Selbst eine kurze Recherche im Internet zeige, dass es etliche Lehrerstellen gebe, auf welche die Qualifikation der Beklagten passe. Da damit belegt sei, dass die Beklagte bei gehörigen Bemühungen eine Vollzeitstelle als Lehrerin hätte bekommen können, sei fiktiv eine solche Stelle zu unterstellen.

9

Neben den dargestellten geänderten Umständen sei auch die geänderte Rechtslage zu bewerten. Eine Präklusion sei wegen einer Änderung der Rechtslage nicht gegeben. Nach neuem Unterhaltsrecht sei der Unterhaltsanspruch der Beklagten zumindest zeitlich zu begrenzen. Ferner gebe es keine Statusgarantie mehr; es seien nur noch ehebedingte Nachteile auszugleichen, welche nicht mehr vorlägen. Nach § 1573 Abs. 5 a.F. BGB könnten Unterhaltsansprüche zeitlich begrenzt werden. Nunmehr sei nach § 1578 b Abs. 2 BGB der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten zeitlich zu begrenzen. Aus der „Kann“-Vorschrift sei eine „Muss“-Vorschrift geworden. Es sei nach altem Recht in der Regel nicht einmal auf die aktuelle Situation angekommen. Allein der Umstand, dass die Ehe von der Kindererziehung geprägt gewesen sei, habe in der Regel ausgereicht, um eine zeitliche Begrenzung zu verwehren, wie dies auch in der ersten Entscheidung geschehen sei. Nach § 1578 b BGB sei ausdrücklich geregelt, dass sich Kindererziehung und zeitliche Befristung in der Regel nicht per se ausschlössen, wie dies nach altem Recht der Fall gewesen sei.

10

Das Amtsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte sich nicht einmal regional bewerbe, sondern im Rahmen der Bewerbung ausdrücklich auf den Wunsch einer Lehrerstelle im Raum F hingewiesen habe. Weiterer Sachvortrag der Beklagten zu zumutbaren Bemühungen um eine Vollzeitstelle fehle. Es sei Aufgabe des Arbeitsverpflichteten darzustellen, dass auch bei gehöriger Bemühung um Arbeit keine geeignete Stelle gefunden werden könne. Auch könne die Einstufung der Beklagten als beruflich unerfahren durch das erstinstanzliche Gericht nicht unwidersprochen bleiben. Die Beklagte sei immerhin seit über fünf Jahren wieder in dem Beruf als Lehrerin erfolgreich tätig. Die durch das erstinstanzliche Gericht aufgestellte, aber nicht untermauerte These, auf Grund der angeblich geringen Berufserfahrung könne auch außerhalb des öffentlichen Schuldienstes und überregional nicht von besseren Erwerbschancen ausgegangen werden, sei nicht zutreffend. Er, der Kläger, vertrete die Auffassung, dass auf Grund der vielen offenen Stellen die Beklagte durchaus gute Chancen gehabt habe, eine geeignete Stelle mit entsprechendem Verdienst zu finden.

11

Ehebedingte Nachteile ließen sich entgegen der im Urteil dargestellten Auffassung des Amtsgerichts nicht herleiten. Die Beklagte habe eine Arbeitsstelle als Lehrerin. Bei überregionaler Bewerbung könne sie relativ problemlos eine unbefristete Vollzeitstelle als Lehrerin finden. Mit dem Notendurchschnitt von 2,9 sei seinerzeit keine Verbeamtung als Lehrerin in Betracht gekommen. Mit dieser Note hätte sie damals gar keine Lehrerstelle, weder im Angestelltenverhältnis noch in Beamtenstellung, bekommen können. Auf Grund der schlechten Examensnote der Beklagten unter Berücksichtigung der damaligen Situation auf dem Stellenmarkt für Lehrer wäre die Beklagte damals ohne Ehe vermutlich arbeitslos geworden. Sie hätte allenfalls im Angestelltenverhältnis auf Zeit Aushilfsstellen annehmen können. Nunmehr habe die Beklagte eine Stelle als Lehrerin inne. Ehebedingte Nachteile seien mithin nicht gegeben.

12

Der Kläger meint, die Beklagte habe einen möglichen Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie erstinstanzlich wahrheitswidrig  behauptet habe, sie zahle den Kindern jeweils 220,00 € Unterhalt

13

Der Kläger beantragt,

14

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den erstinstanzlichen Schlussanträgen zu entscheiden, d. h., unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Flensburg vom 09.01.2007, Az. 92 F 37/03, hinsichtlich des Tenors zu 3) festzustellen, dass ab 01.01.2008 keinerlei Geschiedenenunterhalt mehr zu zahlen ist, hilfsweise, dass der Unterhaltsanspruch zu befristen ist auf eine der Länge nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitdauer, maximal jedoch bis zum 31.12.2008,

15

hilfsweise unter Abänderung des angefochtenen Urteils  festzustellen, dass für die Zeit ab dem 01.09.2008 kein Geschiedenenunterhalt mehr zu zahlen ist, soweit und so lange die Beklagte eine Lehrerstelle in Vollzeit inne hat oder besetzen könnte.

16

Die Beklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Die Beklagte erwidert, sie habe nach wie vor keine zeitlich unbefristete Stelle, sondern jeweils nur Zeitverträge. Es könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt daher auch noch keine Befristung ausgesprochen werden. Solche könne allenfalls ausgesprochen werden, wenn es ihr gelinge, einen zeitlich unbefristeten Angestelltenvertrag zu erhalten. Sie bestreite, dass sie bei einer überregionalen Bewerbung eine sichere, unbefristete Ganztagsstelle erhalten könne.

19

Nach Abschluss des Lehrerexamens habe sie keine Stelle erhalten. Sie sei ausgebildete Grund- und Hauptschullehrerin mit den Fächern Deutsch und Kunst. Seit ihrem Eintritt in den Schuldienst im Mai 2003 habe sie ausschließlich an reinen Grundschulen unterrichtet. Zurzeit sei sie Klassenlehrerin einer 2. Klasse im Norden von F. An dieser Schule unterrichte sie nunmehr schon seit fast drei Jahren. Trotz ihrer Bemühungen sei es ihr bisher nicht gelungen, eine Festanstellung im Angestelltenverhältnis zu erhalten. Ende 1984, als sie ihr 2. Staatsexamen abgelegt habe, sei die Lage auf dem Markt für Lehrer schlecht gewesen. In den folgenden Jahren habe sich die Lage dann aber entspannt und speziell Grund- und Hauptschullehrer seien durchaus gesucht worden. Auf Grund der häufigen Umzüge und der Tatsache, dass sie die gemeinsamen Kinder praktisch habe allein großziehen müssen, sei es jedoch nicht möglich gewesen, in den Schuldienst einzutreten. Sie bemühe sich selbstverständlich auch weiterhin, eine Festanstellung zu erhalten und mache entsprechende Fortbildungsmaßnahmen. An der jetzigen Schule beginne sie mit dem Schuljahr 2008/2009 eine schul- und jahresbegleitende Fortbildung für die flexible Jahrgangsstufe der Klassen 1 und 2. Auch die Elternvertretung bemühe sich, sie darin zu unterstützen, eine Festanstellung zu erhalten.

20

Sie bestreite, dass sie unter Berücksichtigung ihres Alters und tatsächlicher Berufserfahrung eine entsprechende Vollzeitlehrerstelle im näheren oder weiteren Umfeld von F hätte finden können. Die Auswahl von Stellenausschreibungen, die der Kläger vorgelegt habe, widerlege dies nicht. Die Stellenangebote seien für sie nicht geeignet gewesen. Sie konkurriere mit jungen ausgebildeten Lehrern und Lehrerinnen, die nach den neuesten Methoden ausgebildet seien und ein langes Berufsleben vor sich hätten. Sie würde schon in dem Bewerbungsverfahren äußerst schlechte Karten haben. Dies gelte unabhängig davon, dass es ihr auch nicht zuzumuten sei, sich in ihrer Situation in eine völlige Ungewissheit zu begeben. Sie habe seit über 5 Jahren entsprechende Anschlussverträge erhalten. Sie habe sich eine Position erarbeitet.

21

Im Übrigen habe sie auch noch Anspruch auf Aufstockungsunterhalt. Es handele sich um eine langjährige Ehe, so dass Aufstockungsunterhaltsansprüche jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum gegeben seien. Auf Grund der Dauer der Ehe seien diese Aufstockungsansprüche zurzeit noch nicht beendet.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

23

Der Senat hat Beweis oben durch Einholung von schriftlichen Auskünften der Schulbehörden in Kiel, Hamburg, Niedersachsen und Bremen sowie durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des Richters am Amtsgericht … und Vernehmung der Beklagten als Partei. Auf die eingegangenen Auskünfte der Schulbehörden (Bl. 313, 319-321), auf die schriftliche Zeugenaussage des Richters am Amtsgericht … (Bl. 312) und auf das Protokoll vom 09.02.2009 (Bl. 367 ff.) zur Vernehmung der Beklagten als Partei wird Bezug genommen.

II.

24

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

25

1. Die Beklagte hat gegen den Kläger weiterhin einen Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB.

26

Der Kläger ist mit seinem Vortrag, die Beklagte hätte eine Vollzeitlehrerstelle im näheren wie im weiteren Umfeld von F finden können, allerdings nicht nach § 323 Abs. 2 ZPO präkludiert. Denn ein neuer Umstand liegt darin, dass inzwischen beide Kinder der Parteien nicht mehr bei der Mutter leben. Die Tochter ging im Sommer 2007 auf das Gymnasium; sie studiert in K. Der Sohn hatte bis Januar 2008 Zivildienst geleistet. Er studiert seit dem Sommersemester 2008 in H. Im Tatbestand des abzuändernden Urteils heißt es dagegen, dass die Kinder der Parteien bei der Beklagten wohnen. Die Kinder waren zur Zeit der Berufungsverhandlung im vorherigen Verfahren am 18.06.2007 19 und 21 Jahre alt. Sie waren also zwar bereits volljährig. Jedoch war die Beklagte unter diesen Umständen nicht verpflichtet, sich außerhalb der Stadt F und des Kreises S um eine Lehrerstelle zu bemühen, weil dies mit einem Umzug verbunden gewesen wäre und sich zu Lasten der Kinder der Parteien ausgewirkt hätte. Der Auszug der Kinder aus dem Haushalt der Mutter ist ein neuer Umstand, der nach § 1573 Abs. 2 BGB zu einer anderen Bewertung führen kann.

27

Die Beklagte hat sich für die Schuljahre 2007/2008 und 2008/2009 nur für eine Planstelle in F oder im Kreis S beworben (Bl. 46,47). Hiermit hat sie jedoch nicht gegen die Obliegenheit, eine Vollzeiterwerbstätigkeit auszuüben, verstoßen. Aus den eingeholten Auskünften ergibt sich, dass die Beklagte in Schleswig-Holstein und in Bremen keine Vollzeitstelle erhalten hätte. Die Chancen, in Hamburg zunächst eine dreiviertel Stelle zu bekommen, beurteilt der Senat auf Grund der Auskunft der Behörde für Schule und Berufsbildung vom 19.12.2008 (Bl. 320) als wenig aussichtsreich. Die Beklagte war zur Zeit der Bewerbung für das Schuljahr 2007/2008 46 Jahre alt. Sie war nach ihrer 2. staatlichen Prüfung am 18.10 1984, die sie mit einem befriedigend (2,9) abschloss, bis Mai 2003 nicht als Lehrerin tätig gewesen. In Hamburg sind die Chancen für ältere Lehrer besonders schlecht, da es hier viele junge Hochschulabsolventen gibt.

28

Möglicherweise hätte die Beklagte in Niedersachsen Erfolg gehabt, eine Teilzeitstelle mit einer Vertragsstundenzahl von 25/28 zu erhalten. Der Senat berücksichtigt hierbei aber, dass die Beklagte bereits seit Mai 2003, wenn auch jeweils aufgrund befristeter Verträge, durchgehend in Schleswig-Holstein als Lehrerin tätig ist und eine relativ gesicherte Position erreicht hat. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass im Ministerium für Bildung und Frauen in Schleswig-Holstein jetzt konkret geprüft wird, ob sie in ein unbefristetes Angestelltenverhältnis übernommen werden kann (vgl. Schreiben des Ministeriums vom 29.01.2009, Bl. 361). Hier zeigt sich, dass ihre Position im Hinblick auf ihre Arbeitszeit und Dauerhaftigkeit ausbaubar ist. Es ist zu unterscheiden zwischen Erwerbspflichtigen, die noch überhaupt keine Arbeit haben, und solchen, die durch ihre bisherige Arbeit schon eine relativ gesicherte Position haben. Erstere müssen sich räumlich sehr weit bewerben; letztere brauchen nicht dieselben Anstrengungen zu machen. Der Beklagten war es nach der Auffassung des Senats aufgrund ihrer relativ gesicherten Position in Schleswig-Holstein nicht zuzumuten, sich über Schleswig-Holstein hinaus nachdrücklich um eine Stelle auch in Hamburg, Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern zu bemühen. Sie hat somit nicht gegen ihre Erwerbsobliegenheit, eine Vollzeittätigkeit auszuüben, verstoßen.

29

Die Beklagte brauchte sich auch nicht auf Lehrerstellen in anderen Schulen als in den staatlichen Grund- und Hauptschulen wie z. B. Privatschulen zu bemühen, da diese ausnahmslos besondere Qualifikationen erfordern, die die Beklagte nicht hat, wie sich aus den bei den Akten befindlichen Stellenangeboten durchweg ergibt.

30

2. Auch die Einkommensverhältnisse der Parteien rechtfertigen nicht eine Änderung des amtsgerichtlichen Urteils vom 09.01.2007. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ist folgendermaßen zu errechnen:

31

Einkommen des Klägers

Nach der Lohnsteuerbescheinigung für 2008 (Bl. 350)
beträgt das Nettoeinkommen

42.451,77 € / 12 =

3.537,64 €

Der Bruttoarbeitslohn enthält auch das Trennungsgeld
bzw. die Reisebeihilfen.

Arbeitgeberanteil der vermögenswirksamen Leistungen

- 6,65 €

Steuererstattung gem. dem Steuerbescheid vom 24.06.2008:

Der Steuerbescheid weist zwar eine Steuererstattung i. H. v. 8.242,78 € auf.
Steuermindernd wirken sich jedoch unter anderem die außergewöhnlichen
Belastungen i. H. v. 17.124,00 € aus.
Die außergewöhnlichen Belastungen beruhen auf Aufwendungen
(Gerichts- u. Anwaltskosten des Scheidungsverfahrens), die der Kläger
der Beklagten nicht entgegenhält. Wenn die steuermindernden Positionen
herausgerechnet werden, verbleibt eine Steuererstattung
i. H. v. ca. 100,00 € monatlich.

+ 100,00 €

Krankenversicherung

- 100,17 €

Fahrtkosten:

Entgegen den Ausführungen des Klägers im Schriftsatz
vom 09.03.2008 und im Termin am 10.04.2008 ist der
Beklagte auch im Jahr 2008 teilweise in Fahrgemeinschaft
zu seinem Dienstort gefahren. Die Fahrtkosten werden
anhand der monatlichen Berechnungsblätter für das
Trennungsgeld folgendermaßen errechnet:

Der Kläger hat 108 Hin- u. Rückfahrten
= 216 Fahrten einfache Strecke + 4 einfache Fahrten
= 220 Fahrten zurückgelegt.

220 x 30 km x 0,30 € =

  1.980,00 €

     

220 x 85 km = 18.700 km

18.700 km - 6.600 km (bereits abgerechnet) = 12.100 km

12.100 km x 0,20 € =

2.420,00 €

     

Fahrten zum Treffpunkt:

2.925 km x 0,30 € =

   877,50 €

     

     

5.277,50 €

     

/ 12 Monate

  - 439,79 €

Rückführung Trennungsgeld bis 7/09

- 250,00 €

Unterhalt für die Kinder

 - 530,00 €

2.311,03 €

32

Der Unterhalt der volljährigen Kinder hat die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt. Auch bei intakter Ehe müssten sich die Parteien wegen des Unterhalts der volljährigen Kinder einschränken. Zur Errechnung des Bedarfs der Beklagten ist daher der Kindesunterhalt auch nach neuem Recht abzuziehen (Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Auflage, Rdnr. 194 zu § 4).

33

Bei dieser Einkommensberechnung hat der Senat die vom Kläger mit Schriftsatz vom 04.02.2009 eingereichten Unterlagen (Verdienstbescheinigung 10/08, Lohnsteuerbescheinigung für 2008, Trennungsgeldbescheide) berücksichtigt. Zu diesen amtlichen Bescheinigungen konnte sich die Beklagte im Termin äußern, so dass ein Schriftsatznachlass nach § 283 ZPO nicht zu gewähren ist. Außerdem haben sich nur geringfügige Änderungen in dem Zahlenwerk gegenüber den früheren Erörterungen ergeben. Ein Schriftsatznachlass dient nicht dazu, einer Partei die Möglichkeit zur eröffnen, eine Abänderungswiderklage im Berufungsverfahren zu erheben.

34

Nicht berücksichtigt hat der Senat die vom Kläger mit Schriftsatz vom 11.02.2009 erstmals vorgetragenen Aufwendungen wie nicht erstattete Arztrechnungen, Rezeptgebühren usw. i. H. v. monatlich 15,00 € und Aufwendungen für die Altersvorsorge i. H. v. 200,00 €. Dem Kläger war ein Schriftsatznachlass auf den Schriftsatz der Beklagten vom 04.02.2009 gewährt worden. Es handelt sich also um nicht nachgelassenen Vortrag des Klägers.

35

Einkommen der Beklagten

Verdienstbescheinigung 12/08,
netto 15.223,71 € / 12 =

    1.268,64 €

Hinzuzurechnen sind entsprechend dem Urteil
vom 09.01.2007 fiktive Einkünfte aus einer
Nebentätigkeit i. H. v.

200,00 €

Fahrtkosten:

     

5,5 km x 2 x 0,30 € x 220 Tage / 12 =

- 60,50 €

Steuererstattung aus 2007: 172,18 € / 12 =

+ 14,34 €

Unterhalt für die Kinder 220,00 €
- 154,00 € Kindergeld
= 66,00 € x 2 =

- 132,00 €

Die sonstigen unregelmäßigen Ausgaben der Beklagten
für X schätzt der Senat auf 50,00 €,
für Y auf 40,00 €.

   - 90,00 €

     

1.200,48 €

36

Beide Parteien hatten seinerzeit aus dem Verkauf eines Hauses Geld erhalten, der Kläger 30.000,00 €, die Beklagte 20.000,00 €. Daher werden Zinseinnahmen bei beiden Parteien nicht berücksichtigt.

37

Der rechnerische Unterhaltsanspruch der Beklagten beträgt:

38

2.311,03 € -1.200,48 € =      

1.110,55 €

X 3/7 =

475,95 €

39

Ausgeurteilt sind 391,40 €. Nach dieser Berechnung stellt sich das vom Kläger angesprochene Problem, dass für die Beklagte im amtsgerichtlichen Urteil vom 09.01.2007 ein Unterhaltsanspruch von 485,00 € errechnet ist, ihr aber nur 391,40 € zugesprochen worden sind, nicht.

40

3. Die Beklagte hat ihren Unterhaltsanspruch nicht nach § 1579 Nr. 3 und 5 BGB verwirkt. Nach dieser Vorschrift kann ein Prozessbetrug, auch ein nur versuchter, zu einer Beschränkung oder Versagung des Unterhalts führen. Ein Betrug setzt ein absichtliches Verhalten voraus. Der Kläger ist dafür beweispflichtig. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten, als sie im Termin vor dem Amtsgericht am 10.04.2008 erklärte, sie zahle jedem Kind 220,00 € Unterhalt, bewusst war, dass das Kindergeld bei den unterhaltsrechtlichen Berechnungen nicht als Einkommen gewertet wird. Der erstinstanzliche Richter D hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 11.12.2008 erklärt, sich nicht an die Vorgänge in der Hauptverhandlung erinnern zu können. Die Beklagte hat - als Partei vernommen - ausgesagt, sie habe gemeint, dass sie - alles zusammen genommen - je 220,00 € an die Kinder zahle. Sie sei sich sicher, nicht danach gefragt worden zu sein, wie sich die 220,00 € zusammensetzen. - Es ist naheliegend, dass die Beklagte, als sie angehört wurde, irrtümlich nicht zwischen ihrem Einkommen aus ihrer Tätigkeit als Lehrerin und dem staatlichen Kindergeld unterschied, und es so zu dem Missverständnis zwischen dem Familiengericht und der Beklagten gekommen ist. Insofern kann ein versuchter Prozessbetrug nicht festgestellt werden.

41

4. Die Voraussetzungen für eine Begrenzung bzw. Befristung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten sind nach § 1578 b BGB nicht gegeben. Zwar scheitert eine Begrenzung oder Befristung nicht an § 36 Nr. 1 EGZPO; der Kläger ist mit seinem Einwand nicht präkludiert. Denn es liegt der entscheidende neue Umstand vor, dass, während  die Kinder der Parteien zur Zeit der Berufungsverhandlung des vorangegangenen Unterhaltsverfahrens noch bei der Beklagten lebten und sie damals ihrer Erwerbsobliegenheit genügte, sie nunmehr einen eigenen Haushalt haben.

42

Jedoch sind die Voraussetzungen für eine Begrenzung bzw. Befristung nicht gegeben. Die Beklagte hat weiterhin ehebedingte Nachteile. Der Kläger widerspricht sich selbst, wenn er behauptet, die Beklagte hätte mit ihrer unzureichenden Examensnote damals keine Chancen gehabt, den Lehrerberuf ausüben zu können, und nunmehr der Beklagten eine Obliegenheitsverletzung hinsichtlich einer Vollzeittätigkeit vorwirft. Die Beklagte hätte auch damals, wenn sie nicht geheiratet hätte, zumindest nach längeren Bemühungen eine Lehrerstelle erhalten. Die ehebedingten Nachteile bestehen darin, dass sie auch unter Anrechnung von fiktiven Nebeneinkünften kein Einkommen erzielt, dass dem einer Vollzeit tätigen Lehrerin entspricht.

43

Der Unterhaltsanspruch ist auch nicht zu befristen. Es ist nicht ersichtlich, ob und wann die Beklagte eine unbefristete Vollzeitstelle erhalten wird. Das Ministerium für Bildung und Frauen hat mit Schreiben vom 29.01.2009 in Aussicht gestellt zu prüfen, ob die Beklagte die Voraussetzungen erfüllt, sie zum nächst möglichen Zeitpunkt in ein unbefristetes Angestelltenverhältnis zu übernehmen. Dies bezieht sich aber nur auf eine Teilzeitbeschäftigung. Denn der Beklagten ist aufgegeben worden, einen Teilzeitantrag einzureichen. Es ist also ungewiss, wann die Beklagte in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis übernommen wird.

44

Demnach hat der Kläger weiterhin den nach dem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09.01.2007 ausgeurteilten Geschiedenenunterhalt i. H. v. monatlich 391,40 € zu zahlen. Seine Berufung ist folglich zurückzuweisen.

45

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert. Die Grundsätze für eine Begrenzung und Herabsetzung des Unterhalts nach § 1578 b BGB insbesondere im Hinblick auf eine lange Ehedauer und die Erziehung von Kindern liegen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fest. Demnach ist die Frage der Begrenzung und Herabsetzung des Unterhalts nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu entscheiden.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.