Zur Anrechnung von Steuervorteilen bei Schadenersatzansprüchen fehlerhafter Anlageberatung
Das OLG stellte dabei in Übereinstimmung mit der überwiegenden Rechtsprechung fest, dass der Vermittler auf der Grundlage des Anlagevermittlungs- und Auskunftsvertrages verpflichtet ist, den Interessenten über alle tatsächlichen Umstände der Beteiligung, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind, vollständig und richtig aufzuklären. Bei der Aufklärung mit Hilfe eines Prospektes ist der Vermittler zumindest zu einer Prüfung des Prospektes auf Plausibilität verpflichtet. Im der Entscheidung des OLG Schleswig zugrunde liegenden Fall vermittelte das Fondsprospekt hinsichtlich des Totalverlustrisikos einen unzutreffenden Eindruck. Diesen hätte der Anlagevermittler bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können und müssen. Im vorliegenden Fall hatte der Anlagevermittler telefonisch unter Bezugnahme auf das Prospekt ebenfalls nicht auf ein Totalverlustrisiko hingewiesen und das Verlustrisiko mit ca. 20% angegeben.
Das OLG hat mit der überwiegenden Rechtsprechung auch darauf hingewiesen, dass die Kausalität des Prospekt- bzw. Beratungsfehlers für die Anlageentscheidung grundsätzlich vermutet wird. Ein einfaches Bestreiten durch den Anlagevermittler reicht nicht aus.
Der Anleger musste sich auch kein Mitverschulden zurechnen lassen. Der Anlagevermittler kann dem Anleger nicht entgegenhalten, er habe auf die Auskunft nicht vertrauen dürfen. Das galt auch in diesem Fall, in dem feststand, dass der Anleger bereits früher Beteiligungen an anderen prospektgestützten Fonds gezeichnet hatte und insofern über eine gewisse Anlageerfahrung verfügte. Das OLG stellte in diesem Zusammenhang jedoch fest, dass der Sinn einer erbetenen Auskunft gerade darin besteht, eventuelle Zweifel des Fragenden zu beseitigen und ihm Gewissheit zu vermitteln. Nach Ansicht des OLG ließ sich damit nicht auf besondere Fachkenntnisse des Anlegers schließen, die es rechtfertigen würden, ihm ein Mitverschulden zuzurechnen.
Hinsichtlich der Schadenshöhe stellte das OLG fest, dass der beklagte Anlagevermittler auf Ersatz des negativen Interesses haftet. Der Anleger ist so zu stellen, als habe er die Anlage nicht gezeichnet. Er hat Anspruch auf Rückzahlung der Einlage zuzüglich Agio abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen Zug um Zug gegen Übertragung des Fondsanteils. Nach Ansicht des OLG kam im vorliegenden Fall eine Anrechnung von Steuervorteilen, die der Anleger erzielt hatte, nicht in Betracht. Da einkommenssteuerrechtlich auch die Schadensersatzleistung steuerpflichtige Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit darstellen, werden die erzielten Steuervorteile im Rahmen der Schadensersatzleistung nachträglich ausgeglichen. Über die Höhe des Schadens ist nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden. Eine exakte Berechnung der Steuervorteile unter Berücksichtigung der tatsächlichen und der hypothetischen Vermögenslage des Anlegers ist nach Ansicht des OLG unverhältnismäßig aufwändig und nur dann rechtlich geboten, wenn der Anleger außergewöhnliche Steuervorteile erzielt hat. Solche Umstände lagen im vorliegenden Fall nicht vor.
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(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.