Amtsgericht Köln Urteil, 15. Aug. 2016 - 264 C 48/16


Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Parteien bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2010) zugrunde lagen. § 4 Abs. 1 Buchst. c ARB 2010 lautet:
3„Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles in allen anderen Fällen [als im Rechtsschutz nach § 2 Buchst. a) oder k)] von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.“
4Gemäß § 2 Satz 2 ARB 2010 umfasst der Versicherungsschutz je nach Vereinbarung nach Buchst. a) „Schadensersatzrechtsschutz für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, soweit diese nicht auf einer Vertragsverletzung beruhen […]“, nach Buchst. d) „Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht […]“. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die ARB 2010 (Bl. 47 ff. der Akte) verwiesen. Am 15.02.2014 erlitt die Klägerin einen Verkehrsunfall. Der Rechtsschutzversicherungsvertrag zwischen den Parteien endete am 05.05.2014. Nachdem die Klägerin von ihrer Kaskoversicherung eine Entschädigung von 17.451,87 € verlangt hatte, verweigerte diese mit Schadensabrechnung vom 07.07.2014 teilweise die Regulierung.
5Die Klägerin ist der Ansicht, dass es für die Einstandspflicht der Beklagten aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag auf das Datum des Unfallereignisses ankomme. Im Übrigen sei § 4 Abs. 1 Buchst. c ARB 2010 unklar und benachteilige den Versicherungsnehmer unverhältnismäßig.
6Sie beantragt,
71. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die außergerichtliche und erstinstanzliche gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einem Kfz-Kaskoversicherungsvertrag gegen die X insurance zur Kraftfahrt-Versicherungsnummer 11111 bedingungsgemäße Deckung aus dem zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag zur Schadennummer 222 zu gewähren,
82. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 413,64 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie ist der Ansicht, maßgeblicher Zeitpunkt für eine Regulierungspflicht sei der dem Kaskoversicherer vorgeworfene Rechtsverstoß.
12Entscheidungsgründe:
13Die Klage ist unbegründet.
14Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Beklagte auf kostendeckenden Rechtsschutz in einem Verfahren gegen ihre Kaskoversicherung zu. Die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Buchst. c ARB 2010 sind erst nach Beendigung des Versicherungsschutzes eingetreten, § 4 Abs. 1 Satz 2 ARB 2010.
15Der Anspruch auf Rechtsschutz besteht in Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d) ARB 2010 von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen haben soll, § 4 Abs. 1 Buchst. c ARB 2010. Vorliegend geht es um eine versicherungsvertragliche Streitigkeit in diesem Sinne, da die Klägerin Deckungsschutz für ein gerichtliches Vorgehen gegen ihre Kaskoversicherung verlangt. Entscheidend für den Anspruch auf Deckungsschutz sind allein die Behauptungen des Versicherungsnehmers, mit denen er seinem Vertragspartner einen Pflichtenverstoß anlastet (BGH IV ZR 305/07 Rn. 19 zum gleich lautenden § 14 Abs. 3 S. 1 ARB 75). Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet (OLG Köln, Urteil vom 16. Februar 2016 – I-9 U 159/15, 9 U 9 U 159/15 –, Rn. 5, juris). Dies ist hier die Ablehnung einer weiteren Regulierung durch die Kaskoversicherung vom 07.07.2014 (Bl. 18 d. A.). Die Klägerin sieht einen Pflichtenverstoß ihres Kaskoversicherers darin, dass er den Kaskoschaden nicht in der von ihr verlangten Höhe ersetzen möchte. Ein früherer Rechtsverstoß durch den Kaskoversicherer ist weder von Klägerseite vorgetragen noch sonst ersichtlich.
16Auf das Datum des Unfalls kommt es dagegen nicht an. Die Klägerin möchte keine Schadensersatzansprüche im Sinne von § 2 S. 2 Buchst. a ARB 2010 geltend machen, sondern verlangt Rechtsschutz für ein Vorgehen gegen ihre Kaskoversicherung aus dem zugrunde liegenden Kasko-Versicherungsvertrag.
17Die Klausel ist nicht unklar. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse ist ein Rechtsschutzfall im Sinne von § 4 Abs. 1 Buchst. c ARB 2010 anzunehmen, wenn das Vorbringen des Versicherungsnehmers (erstens) einen objektiven Tatsachenkern - im Gegensatz zu einem großen Werturteil - enthält, mit dem er (zweitens) den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbindet und worauf dann (drittens) seine Interessenverfolgung stützt (BGH IV ZR 305/07 Rn. 20 zum gleich lautenden § 14 Abs. 3 S. 1 ARB 75).
18Das Abstellen auf den Zeitpunkt des vorgeworfenen Rechtsverstoßes benachteiligt den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen. Denn dies gilt nach § 4 Abs. 1 Buchst. c ARB 2010 nur „in allen anderen Fällen“ und damit insbesondere nicht im Falle des Schadenersatzrechtsschutzes gemäß § 2 Satz 2 Buchst. a ARB 2010. Die zeitlichen Voraussetzungen des Anspruchs hängen von der jeweils begehrten Art des Rechtsschutzes ab. Hinsichtlich eines Verfahrens gegen einen Vertragspartner aus einem schuldrechtlichen Vertrag kann es nur auf dessen Rechtsverstoß ankommen.
19Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Mangels Bestehens einer Hauptforderung fehlt es an den Voraussetzungen eines Verzugs.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2, S. 1 ZPO.
21Der Streitwert wird auf 3.500,00 EUR festgesetzt.
22Rechtsbehelfsbelehrung:
23A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
241. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
252. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
26Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
27Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
28Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
29Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
30B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
31Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


Annotations
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.