Amtsgericht Stuttgart Entscheidung, 08. Aug. 2016 - 28 F 618/16

bei uns veröffentlicht am08.08.2016

Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Unterfällt auch eine Schlichtungsbehörde nach Schweizer Recht dem Begriff des „Gerichts“ im Anwendungsbereich der Art. 27 und 30 des Lugano-Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden LugÜ 2007).

Gründe

 
I.
Gegenstand des in Deutschland vor dem Amtsgericht (Familiengericht) Stuttgart anhängig gemachten gerichtlichen Verfahrens ist der eingereichte negative Feststellungsantrag der in der Schweiz wohnhaften Antragstellerin (zukünftig B.S) gegen das Landratsamt SH als Antragsgegner, wonach B.S. keinen Unterhalt aus übergegangenem Recht schulde.
B.S. ist die leibliche Tochter von Frau H.S., die aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit ergänzende Sozialhilfeleistungen vom Landratsamt SH erhält. Nach deutschem Recht gehen öffentlich bewilligte Leistungen auf den Sozialträger über (§ 94 Abs. 1 Satz 2 SGB XII [Sozialgesetzbuch 12. Buch]), die unter der Voraussetzungen der §§ 1601 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch in Deutschland) bei vorhandener Leistungsfähigkeit gegenüber leiblichen Kindern im Regresswege geltend gemacht werden können.
Das Landratsamt SH hatte am 16.10.2015 bei der nach Schweizer Recht zuständigen Schlichtungsbehörde des Friedensrichteramts des Kreises Reiat, Kanton Schaffhausen, ein Schlichtungsgesuch gegenüber B.S. eingeleitet. In dem Schlichtungsgesuch wurde ein Mindestbetrag von EUR 5.000,00 unter dem Vorbehalt entsprechender Klageänderung bei vollständiger Auskunftserteilung durch B.S. gefordert. Da sich die Parteien des dortigen Verfahrens nicht einigen konnten, stellte das Friedensrichteramt des Kreises Reiat am 25.1.2016 eine Klagebewilligung nach Schweizer Recht aus, welche den Prozessbevollmächtigten des Landratsamts SH als dortigem Kläger am 26.01.2016 zugestellt wurde. Am 11.5.2016 wurde vor dem nach Schweizer Recht zuständigem Kantonsgericht Schaffhausen die Klage gegenüber B.S. auf Zahlung eines Mindestunterhaltsbetrages und Erteilung einer zusätzlichen Auskunft eingereicht.
Bereits mit Schriftsatz vom 19.2.2016, zunächst am 22.2.2016 beim Amtsgericht (Familiengericht) S. eingegangen, hatte B.S. den negativen Feststellungsantrag eingereicht. Das nach Art. 3 lit. a bzw. lit. b VO (EG) Nr 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (im Folgenden EuUntVO) angerufene Familiengericht S. hat sich mit Beschluss vom 7.3.2016 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 28 AUG (Auslandsunterhaltsgesetz) an das Amtsgericht (Familiengericht) Stuttgart verwiesen. Dieses Verfahren ist am 21.3.2016 beim Amtsgericht (Familiengericht) Stuttgart eingegangen.
Nach Zustellung des Antrages an das Landratsamt SH am 26.4.2016 hat dieses durch seinen Verfahrensbevollmächtigten am 17.5.2016 die Abweisung des Antrages beantragt, da einer Antragsbefassung durch das Amtsgericht (Familiengericht) Stuttgart die anderweitige Rechtshängigkeit (“lis pendens“) des in der Schweiz geführten Verfahrens entgegen stehe, weshalb das deutsche Gericht das Verfahren nach Art. 27 Abs. 1 LugÜ 2007 auszusetzen habe.
B.S. wendet sich gegen ein Aussetzung, da es sich bei der Schlichtungsbehörde um kein „Gericht“ im Sinne des LugÜ 2007 handle.
II.
Gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV i.V.m. Absatz 3 der Präambel zu Protokoll 2 über die einheitliche Auslegung des Luganoübereinkommens und den ständigen Ausschuss ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen, weil die Entscheidung des Gerichts von der Beantwortung der an den Gerichtshof gestellten Frage zum Anwendungsbereich des LugÜ 2007 abhängt.
1.
Zunächst geht es bei den in der Schweiz und in Deutschland geführten Verfahren zwischen denselben Parteien im Kern um den gleichen Streitgegenstand.
Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der Begriff der Anspruchsidentität weit auszulegen. Dieselben Ansprüche liegen vor, wenn die Klagen auf derselben Grundlage beruhen und denselben Gegenstand haben. Dabei umfasst die Grundlage des Anspruchs den Sachverhalt und die Rechtsvorschrift, auf die die Klage gestützt wird; der Gegenstand wird in dem Zweck der Klage gesehen (EuGH, Urteil vom 6.12.2004 - C-406/92 Rdnr. 38 ff. [Tatry]). Es genügt, wenn die Klagen im Kern den gleichen Gegenstand haben, auf eine vollständige Identität kommt es nicht an (EuGH, Urteil vom 8.12.1987 - C-144/86 Rdnr. 6 [Gubisch Maschinenfabrik]). Nach diesen Maßstäben hat der Europäische Gerichtshof das Vorliegen desselben Anspruchs bejaht, wenn die erste Klage auf Erfüllung eines Vertrages, die zweite Klage dagegen auf die Feststellung der Unwirksamkeit oder Auflösung des Vertrages gerichtet ist (EuGH, Urteil vom 8.12.1987 - C-144/86 Rdnr. 16 [Gubisch Maschinenfabrik]). Der umgekehrte Fall der Erhebung einer negativen Feststellungsklage und anschließender Klage auf Schadensersatz ist ebenso beurteilt worden (EuGH, Urteil vom 6.12.2004 - C-406/92 Rdnr. 43 [Tatry]). Insofern habe die zweite Klage denselben Gegenstand wie die erste, da die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Haftung im Mittelpunkt der Verfahren stehe. Die unterschiedlich lautenden Klageanträge bewirkten nicht, dass die beiden Rechtsstreitigkeiten unterschiedliche Gegenstände hätten (EuGH Urteil vom 6.12.2004 - C-406/92 Rdnr. 43 [Tatry]).
10 
Dem folgend hat auch der Bundesgerichtshof in Deutschland entschieden, dass die Zahlung von Trennungsunterhalt und die Stufenklage denselben Anspruch zum Gegenstand haben (BGH, Urteil vom 17. April 2013 – XII ZR 23/12 , FamRZ 2013, 1113).
11 
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichtes liegt sowohl der Klage in der Schweiz auf Zahlung und Auskunft als auch dem negativen Feststellungsantrag in Deutschland derselbe Lebenssachverhalt, also dieselbe Unterhaltsbeziehung, resultierend aus einem konkreten familienrechtlichen Verhältnis, zugrunde (vgl. Rauscher/Andrae, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl., Art. 12 EuUntVO, Rdnr. 5), nämlich die Frage, ob und inwieweit B.S. Unterhalt aus übergegangenem Recht schuldet oder nicht.
2.
12 
Nach der Vorschrift des Art. 64 Abs. 2 lit. a LugÜ 2007 findet das revidierte Luganer-Übereinkommen auch gegenüber Mitgliedstaaten der Europäischen Union Anwendung, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Staates hat, in dem dieses Übereinkommen, aber keines der in Art. 64 Abs. 1 LugÜ 2007 aufgeführten Abkommen gilt. Seit dem 1.1.2011 ist die Schweiz Mitglied des revidierten Lugano-Übereinkommens.
13 
Das vorlegende Gericht versteht den Verweis in Art. 64 Abs. 2 lit. a LugÜ 2007 auf die aufgeführten Abkommen dahingehend, dass das LugÜ 2007 nicht nur gegenüber der damals geltenden VO (EG) Nr 44/2001, jetzt als Neufassung VO (EU) Nr 1215/2012, vorrangig ist, sondern auch gegenüber der EuUntVO.
14 
Denn zum Zeitpunkt des Zustandekommens des LugÜ 2007 war die EuUntVO noch nicht verabschiedet, weshalb auch die EuUntVO als gegenüber der VO (EU) Nr 1215/2012 hinsichtlich Unterhaltsverfahren spezielleres Abkommen vom Anwendungsvorrang des Art. 64 Abs. 2 lit. a LugÜ 2007 betroffen ist (vgl. auch Rauscher/Andrae, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl., Art. 69 EuUntVO, Rdnr. 16; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Art. 64 LugÜ, C 367, jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Dasser/Oberhammer/Domej, Komm. zum Lugano-Überinkommen, 2. Aufl., Art. 64 Rdnr. 6).
3.
15 
Nach Art. 27 LugÜ 2007 setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, sofern bei Gerichten verschiedener durch das LugÜ 2007 gebundener Staaten Klagen wegen desselben Anspruches zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden.
16 
Nach Art. 30 LugÜ 2007 gilt ein Gericht als angerufen, zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist.
a.
17 
Das im Februar/März 2016 angerufene deutsche Amtsgericht (Familiengericht) wäre das später angerufene Gericht und müsste somit sein Verfahren nach Art. 27 Abs. 1 LugÜ 2007 aussetzen, sofern bereits im Oktober 2015 Rechtshängigkeit durch die Anrufung der Schlichtungsbehörde, das Friedensrichteramt in Reiat, eingetreten wäre und es sich insgesamt um ein einheitliches Verfahren handeln würde.
b.
18 
Nach Schweizer Recht ist - von Ausnahmen abgesehen, die hier nicht vorliegen - das obligatorische Schlichtungsverfahren in der Schweiz nach der Revision der Schweizer Zivilprozessordnung (im Folgenden ZPO) für alle Kantone bindend und daher nach Art. 202 Abs. 1 Schweizer ZPO zwingend einzuhalten. Darüber hinaus bestimmt Art. 62 Abs. 1 Schweizer ZPO, dass die Einreichung eines Schlichtungsgesuchs Rechtshängigkeit begründet. Ohne die Ausstellung der Klagebewilligung durch die Schlichtungsbehörde kann eine (spätere) gerichtliche Entscheidung nicht erfolgen. Nach innerstaatlichen Schweizer Recht handelt es sich somit um ein einheitliches Verfahren.
19 
Auch das vorlegende Gericht geht zunächst im Grundsatz davon aus, dass es sich schon zur Vermeidung von Rechtsnachteilen im Hinblick auf die notwendige Vorschaltung eines Schlichtungsverfahrens um ein einheitliches Verfahren handelt.
20 
Die Einheitlichkeit vorausgesetzt ist die Rechtshängigkeit auch nicht nachträglich entfallen, weshalb das vorlegende Gericht auch nicht nachträglich zum erstangerufenen Gericht geworden ist (dazu EuGH, Urteil vom 6.10.2015 - C-489/15). Denn offensichtlich steht nach Art. 145 der Schweizer ZPO auch die Frist zur Klagebewilligung während der Gerichtsferien still (BGE 138 III 615; Frech, Die Schlichtungsbehörde - eine Erfolgsgeschichte, Anwaltsrevue 2015, 23, 28), weshalb die am 27.1.2016 nach Art. 142 ZPO zu laufende Frist während der Osterferien vom 20.3.2016 bis zum 3.4.2016 nach Art. 145 Abs. 1 lit. a ZPO still gestanden hatte.
21 
Allerdings finden das einheitliche Verfahren und die Besonderheiten des innerstaatlichen Schweizer Rechtes in den Regelungen der Art. 27 noch Art. 30 LugÜ 2007 keine hinreichende Entsprechung.
22 
Bei diesen Regelungen ist zweifelhaft, ob auch „vorgeschaltete“ Schlichtungsbehörden als „Gerichte“ im Sinne dieser Vorschriften angesehen werden können.
23 
Zwar heißt es in Art. 62 LugÜ 2007, dass die Bezeichnung „Gericht“ im Sinne dieses Übereinkommens jede Behörde umfasst, die von einem durch das Luganer-Übereinkommen gebundenen Staat als für die in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Rechtsgebiete zuständig bezeichnet worden ist. Allerdings ist die Bedeutung dieser Vorschrift in Bezug auf ihre Auslegung in der Schweizer Kommentarliteratur offensichtlich umstritten (vgl. Dasser in Kostkiewicz/Markus/Rodriguez, Internationaler Zivilprozess, 2011: Die Rechtshängigkeit gemäß ZPO und revidiertem Lugano-Übereinkommen, S. 109).
24 
Während einerseits die Auffassung vertreten wird, jede Behörde, somit auch die Schlichtungsbehörde sei als Gericht anzusehen (Domej, Der Lugano-Zahlungsbefehl - Titellose Schuldbeitreibung in der Schweiz nach der LugÜ-Revision, ZZPInt 2008, 167, 168; Keller, Rechtshängigkeit nach Lugano-Übereinkommen und schweizerischem IPRG, 2013, S. 139 ff.), geht die andere Auffassung davon aus, dass Art. 62 LugÜ kein inhaltlicher Abweichung von Art. 62 VO (EG) Nr 44/2001 (jetzt Art. 3 VO (EU) Nr 1215/2012), sondern nur eine Vereinfachung für den Fall, dass der Text der VO (EG) Nr 44/2001 (jetzt VO (EU) Nr 1215/2012) um weitere Sonderfälle von nationalen Behörden, die als Gericht geltend sollen, erweitert wird (Kern Kostkiewicz/Rodriguez, Der unwidersprochene Zahlungsbefehl im revidierten Lugano-Übereinkommen, Jusletter 26.4.2010, Rdnr. 50 ff.).
25 
Auch nach der Entscheidung des High Court für England und Wales (Chancery Division, Urteil vom 6.8.2014 - [2014] EWHC 2782 (Ch) - Lehmann Brothers Finance A.G. ./. Klaus Tschira Stiftung GmbH; dazu auch Feller/Meili, Schweizer Schlichtungsgesuch im euro-internationalen Verhältnis, SJZ 111 (2015) Nr. 8, 194 ff) ist grundsätzlich von Einheitlichkeit auszugehen und damit auch die Schlichtungsbehörde als Gericht anzusehen.
26 
Auch das Schweizer Bundesgericht scheint in einem obiter dictum (BGer v. 6.7.2007, 4 A_143/2007 E.3.5.) ebenso wie auch die Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des revidierten Übereinkommens von Lugano v. 18.2.2009, BBl 2009, 1777, 1805 (vgl. die Nachweise bei Dasser in Kostkiewicz/Markus/Rodriguez, S. 107. Fußn. 41 und S. 108 Fußn. 42) davon auszugehen, dass unter den Begriff des „Gerichtes“ auch Schweizer Schlichtungsbehörden zu subsumieren sind. Dasser (in Kostkiewicz/Markus/Rodriguez, S. 108) zweifelt das allerdings an.
27 
Im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 44/2001 hatten überdies die Arbeitsgerichte Mannheim (Beschluss vom 6.6.2007 - 5 Ca 90/07) sowie Barcelona (zit. bei Stumpe, IPRax 2008, 22, Fußn. 11) beschlossen, dass ein obligatorisches Schlichtungsverfahren keine Rechtshängigkeit begründen könne.
28 
Auch wenn die Entscheidungen dieser Arbeitsgerichte auf Schweizer Verhältnisse kaum übertragbar sein dürften, ist letztlich nicht geklärt, ob durch Einleitung des Schlichtungsverfahrens ein Gericht im Sinne der Art. 27, 30 LugÜ 2007 angerufen wird, mit der Folge, dass bei einem zeitlich nachfolgend in Deutschland angestrengten Verfahren das angerufene Gericht sein Verfahren von Amts wegen auszusetzen hätte.
29 
Handelt es sich dagegen bei der angerufenen Schlichtungsbehörde nicht um ein Gericht, so ist das angerufene Amtsgericht (Familiengericht) Stuttgart das zuerst angerufene Gericht mit der Konsequenz, dass sich das im Mai 2016 angerufene Kantonalgericht in Schaffhausen für unzuständig erklären müsste, da es dann das zweitangerufene Gericht ist.
30 
Der Vorlage steht auch nicht die Entscheidung des EuGH vom 27.2.2014 zu Art. 27 VO (EG) Nr 44/2201, jetzt Art. 29 VO (EU) Nr 1215/2015 (C-1/13 [Cartier parfums-lunettes und Axa Corporate Solutions assurances]) entgegen, nachdem es gerade um die Fragestellung geht, ob die Schweizer Schlichtungsbehörde überhaupt ein „Gericht“ im Sinne der Art. 27, 30 LugÜ 2007 ist.
31 
Sowohl im Hinblick auf eine anderweitige Rechtshängigkeit im Rahmen unterschiedlicher nationalstaatsrechtlicher Auslegungen als auch zur Vermeidung etwaiger Anerkennungs- und/oder Vollstreckungshindernisse ist eine einheitliche Auslegung im Rahmen einer Vorabentscheidung geboten.
32 
Im Wege der Vorabentscheidung ist daher zu klären, ob, wovon auch das vorlegende Gericht ausgeht, auch die Schweizer Schlichtungsbehörde ein „Gericht“ im Sinne der Vorschriften der Art. 27, 30 LugÜ 2007 darstellt.
Dimmler
Richter am Amtsgericht

Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Stuttgart Entscheidung, 08. Aug. 2016 - 28 F 618/16

Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Stuttgart Entscheidung, 08. Aug. 2016 - 28 F 618/16

Referenzen - Gesetze

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 94 Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen


(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch

Auslandsunterhaltsgesetz - AUG 2011 | § 28 Zuständigkeitskonzentration; Verordnungsermächtigung


(1) Wenn ein Beteiligter seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hat, entscheidet über Anträge in Unterhaltssachen in den Fällen des Artikels 3 Buchstabe a und b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 das für den Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen
Amtsgericht Stuttgart Entscheidung, 08. Aug. 2016 - 28 F 618/16 zitiert 4 §§.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 94 Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen


(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch

Auslandsunterhaltsgesetz - AUG 2011 | § 28 Zuständigkeitskonzentration; Verordnungsermächtigung


(1) Wenn ein Beteiligter seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hat, entscheidet über Anträge in Unterhaltssachen in den Fällen des Artikels 3 Buchstabe a und b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 das für den Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen

Referenzen - Urteile

Amtsgericht Stuttgart Entscheidung, 08. Aug. 2016 - 28 F 618/16 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Amtsgericht Stuttgart Entscheidung, 08. Aug. 2016 - 28 F 618/16 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2013 - XII ZR 23/12

bei uns veröffentlicht am 17.04.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 23/12 Verkündet am: 17. April 2013 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Referenzen

(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Übergang des Anspruchs ist ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Übergang des Anspruchs ist auch ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige Person zum Personenkreis des § 19 gehört oder die unterhaltspflichtige Person mit der leistungsberechtigten Person vom zweiten Grad an verwandt ist. Gleiches gilt für Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Grades einer Person, die schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut. § 93 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1a) Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist § 117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.

(2) Der Anspruch einer volljährigen unterhaltsberechtigten Person, die in der Eingliederungshilfe leistungsberechtigt im Sinne des § 99 Absatz 1 bis 3 des Neunten Buches oder pflegebedürftig im Sinne von § 61a ist, gegenüber ihren Eltern wegen Leistungen nach dem Siebten Kapitel geht nur in Höhe von bis zu 26 Euro, wegen Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel nur in Höhe von bis zu 20 Euro monatlich über. Es wird vermutet, dass der Anspruch in Höhe der genannten Beträge übergeht und mehrere Unterhaltspflichtige zu gleichen Teilen haften; die Vermutung kann widerlegt werden. Die in Satz 1 genannten Beträge verändern sich zum gleichen Zeitpunkt und um denselben Vomhundertsatz, um den sich das Kindergeld verändert.

(3) Ansprüche nach Absatz 1 und 2 gehen nicht über, soweit

1.
die unterhaltspflichtige Person Leistungsberechtigte nach dem Dritten und Vierten Kapitel ist oder bei Erfüllung des Anspruchs würde oder
2.
der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde.
Der Träger der Sozialhilfe hat die Einschränkung des Übergangs nach Satz 1 zu berücksichtigen, wenn er von ihren Voraussetzungen durch vorgelegte Nachweise oder auf andere Weise Kenntnis hat.

(4) Für die Vergangenheit kann der Träger der Sozialhilfe den übergegangenen Unterhalt außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an fordern, zu welcher er dem Unterhaltspflichtigen die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt hat. Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, kann der Träger der Sozialhilfe bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.

(5) Der Träger der Sozialhilfe kann den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit der leistungsberechtigten Person auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch abtreten lassen. Kosten, mit denen die leistungsberechtigte Person dadurch selbst belastet wird, sind zu übernehmen. Über die Ansprüche nach den Absätzen 1, 2 bis 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden.

(1) Wenn ein Beteiligter seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hat, entscheidet über Anträge in Unterhaltssachen in den Fällen des Artikels 3 Buchstabe a und b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 das für den Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der Antragsgegner oder der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständige Amtsgericht. Für den Bezirk des Kammergerichts ist das Amtsgericht Pankow zuständig.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Zuständigkeit durch Rechtsverordnung einem anderen Amtsgericht des Oberlandesgerichtsbezirks oder, wenn in einem Land mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, einem Amtsgericht für die Bezirke aller oder mehrerer Oberlandesgerichte zuzuweisen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 23/12 Verkündet am:
17. April 2013
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brüssel I-VO Art. 5 Nr. 2, 27; ZPO § 254

a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 2
EuGVVO ist auch für eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO gegeben, mit der Auskunft
über das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und Zahlung von Unterhalt in
noch zu beziffernder Höhe verlangt wird.

b) Ist zunächst eine Leistungsklage auf Zahlung von Unterhalt erhoben worden und
wird das Unterhaltsbegehren erst nachträglich im Wege der Stufenklage verfolgt,
so hat dies auf die internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO auch
dann keinen Einfluss, wenn der Kläger bei Rechtshängigkeit der Stufenklage nicht
mehr in Deutschland wohnt.
BGH, Urteil vom 17. April 2013 - XII ZR 23/12 - OLG Frankfurt am Main
AG Seligenstadt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage über die Erteilung von Auskunft und die Zahlung von Trennungsunterhalt.
2
Die Klägerin besitzt die brasilianische sowie die deutsche Staatsangehörigkeit ; der Beklagte hat die brasilianische und die italienische Staatsangehörigkeit. Die Parteien hatten am 25. November 1997 geheiratet. Ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt hatten sie in den Niederlanden. Im März 2004 trennten sie sich. Die Klägerin zog damals nach Brasilien. Sie hat behauptet, im November 2004 nach Deutschland gezogen zu sein und hier ihren Wohnsitz begründet zu haben. Spätestens seit Anfang des Jahres 2009 wohnt die Klägerin wieder in Brasilien.
3
Die Klage auf Trennungsunterhalt wurde am 15. August 2005 mit einem bezifferten Zahlungsantrag, mit dem Teilunterhalt begehrt wurde, eingereicht und dem Beklagten am 14. November 2005 an seinem damaligen Wohnort in den Niederlanden zugestellt. Mit Schriftsatz vom 14. April 2009, dem Beklagten zugestellt am 24. September 2009, hat die Klägerin die Klage umgestellt und im Wege der Stufenklage die Erteilung von Auskunft über das Einkommen des Beklagten nebst Belegen sowie Zahlung von Trennungsunterhalt in noch zu beziffernder Höhe verlangt.
4
Bereits mit Antrag vom 10. Januar 2005 hatte der Beklagte vor einem Gericht in Rio de Janeiro ein "Unterhaltsangebotsverfahren" eingeleitet und beantragt , für seine Ehefrau gerichtlich einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.500 Real festzusetzen. Mit Beschluss des brasilianischen Gerichts vom 17. Januar 2005 wurden die Alimente provisorisch in Höhe dieses Angebots festgesetzt. Im Hauptsacheverfahren wurde versucht, der Klägerin als dortiger Verfahrensgegnerin die Antragsschrift unter der dort genannten Anschrift in Rio de Janeiro zuzustellen. Die Zustellung gelang jedoch nicht. Die hiermit in Brasilien beauftragte Gerichtsvollzieherin teilte am 10. Februar 2005 mit, dass die Adressatin unter der angegebenen Anschrift nicht mehr wohnhaft sei und sich seit ungefähr zwei Monaten in Deutschland aufhalten solle. Auch der Versuch einer erneuten Zustellung im April 2005 misslang. Daraufhin beantragte der Beklagte bei dem brasilianischen Gericht die öffentliche Zustellung. Nachdem weitere Ermittlungen des Gerichts zu keiner anderen ladungsfähigen Anschrift führten, ordnete dieses am 23. Juni 2005 die öffentliche Zustellung der Antragsschrift an.
5
Das Amtsgericht hat dem Auskunftsbegehren durch Teilurteil stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Teilurteil abgeändert und den Auskunftsantrag abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision ist begründet.
7
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

I.

8
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2012, 1506 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt:
9
Die internationale Zuständigkeit beurteile sich im vorliegenden Fall noch nach den Bestimmungen der EG-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EG-Verordnung 44/2001 - EuGVVO). Die Verordnung sei auf den vorliegenden Fall anzuwenden, weil der Beklagte bei Zustellung der Klage seinen Wohnsitz in den Niederlanden und damit in einem Mitgliedstaat gehabt habe. Für die ursprüngliche Klage auf Trennungsunterhalt habe die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bestanden, da die Klägerin bei Erhebung der Klage ihren Wohnsitz in Deutschland gehabt ha- be. Bereits aus zwei erfolglos geführten Scheidungsverfahren ergebe sich, dass sich die Klägerin seit November 2004 in Deutschland aufgehalten habe. Vor allem lasse sich aber dem vorgelegten Entlassungsbericht der M.-Kliniken vom 26. Juni 2008 entnehmen, dass die Klägerin hier bis Juni 2008 in stationärer Behandlung gewesen sei. In dem Bericht werde es als problematisch für den psychischen Zustand der Klägerin beschrieben, dass sie täglich von ihrem Wohnort zur Arbeit fahre, sich gleichzeitig mit der Wohnungssuche beschäftige und zudem mit einer Konfliktsituation mit ihrem Arbeitgeber konfrontiert sei. Da die Klägerin ihren Wohnsitz bereits vor der Klageumstellung wieder nach Brasilien verlegt habe, gelte die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aber nicht für den mit dem Teilurteil entschiedenen Streitgegenstand der Auskunfts - und Belegstufe. Zwar statuiere der Grundsatz der perpetuatio fori eine Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit, wenn die Voraussetzungen der Zuständigkeit während des Prozesses bestanden hätten, im Entscheidungszeitraum aber nicht mehr vorlägen. Dieser Grundsatz, der auch der EuGVVO zugrunde liege, finde jedoch seine Grenze, wenn ein neuer Streitgegenstand rechtshängig gemacht werde. Diese Grenze gelte auch für die internationale Zuständigkeit. Der Wechsel von der Leistungs- zur Stufenklage sei eine nachträgliche Anspruchshäufung, die von der Rechtsprechung wie eine Klageänderung behandelt werde. Ob zwischen dem ursprünglich bezifferten Leistungsantrag und dem nunmehr unbeziffert geltend gemachten Leistungsantrag Identität bestehe, könne offenbleiben, da der Leistungsantrag in der Berufung nicht angefallen sei. Jedenfalls bestehe keine Identität hinsichtlich der bezifferten Trennungsunterhaltsklage und den Auskunfts- und Beleganträgen. Durch den Übergang zur Stufenklage sei insoweit ein neuer Streitgegenstand hinzugekommen. Bei Eintritt der Rechtshängigkeit dieses Streitgegenstandes hätten die Voraussetzungen für eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht mehr vorgelegen und seien seitdem auch nicht eingetreten. Die Klägerin habe zur Zeit der Zustellung des Schriftsatzes, dem 24. September 2009, nicht mehr in Deutschland gelebt. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht begründet. Da die Klage bezüglich der Auskunfts- und Beleganträge schon mangels internationaler Zuständigkeit abzuweisen sei, könne offenbleiben, ob in dem brasilianischen Unterhaltsangebotsverfahren ein Prozesshindernis für den vorliegenden Rechtsstreit zu sehen sei.

II.

10
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
11
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung sei zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 600 € übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), steht mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang. Danach ist das für die Wertbemessung maßgebliche Interesse des Beklagten, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, in der Regel nach dem Aufwand zu bemessen, der mit der Erteilung der Auskunft verbunden ist (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010 - XII ZB 128/09 - FamRZ 2010, 964 Rn. 10 und vom 22. April 2009 - XII ZB 49/07 - FamRZ 2009, 1211 Rn. 9 jeweils mwN). Insofern begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht werterhöhend die Notwendigkeit berücksichtigt hat, die beizubringenden ausländischen Belege übersetzen zu lassen, wodurch zusätzliche Kosten anfallen.
12
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die zunächst erhobene Leistungsklage auf Trennungsunterhalt bejaht.
13
a) Diese richtet sich hier nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO = Brüssel I-VO), weil die Klage nach deren Inkrafttreten am 1. März 2002 erhoben worden (Art. 76, 66 EuGVVO) und der sachliche und räumliche Geltungsbereich der Verordnung (Art. 1 Abs. 1 und 3 EuGVVO) im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu den Niederlanden als Mitgliedstaaten eröffnet ist. Die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18. Dezember 2008 (ABl. EG 2009 L 7, S. 1 - EuUnthVO) ist hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen nicht anzuwenden, da das Verfahren nicht vor dem Datum der Anwendbarkeit, dem 18. Juni 2011 (Art. 76 Satz 3 EuUnthVO) eingeleitet worden ist (Art. 75 EuUnthVO).
14
b) Nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO (vgl. jetzt: Art. 3 Buchst. b EuUnthVO) kann eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, in Unterhaltssachen unter anderem vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach Art. 59 Abs. 1 EuGVVO richtet sich die Entscheidung, ob eine Partei im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates, dessen Gerichte angerufen sind, einen Wohnsitz hat, nach nationalem Recht. Maßgeblich ist deshalb nach § 7 Abs. 1 BGB, ob die Klägerin sich im Bereich des angerufenen Amtsgerichts ständig niedergelassen und deshalb dort einen Wohnsitz begründet hatte. Das hat das Berufungsgericht aufgrund der festgestellten Umstände rechtsfehlerfrei bejaht.
Es konnte aus den beiden vor dem Amtsgericht eingeleiteten Scheidungsverfahren sowie dem Umstand, dass die Klägerin längerfristig in den M.-Kliniken behandelt worden war, in Verbindung mit den in dem Entlassungsbericht geschilderten weiteren Umständen zu der Beurteilung gelangen, dass sich die Klägerin hier dauerhaft niedergelassen hatte.
15
Soweit die Revisionserwiderung diese Feststellungen für unzureichend hält, vermag sie damit nicht durchzudringen. Das in Bezug genommene Vorbringen des Beklagten in der Berufungsinstanz, die Klägerin habe nicht in Deutschland gelebt, steht im Widerspruch zu dessen früherem Vortrag. So hat der Beklagte etwa in dem wegen des Trennungsunterhalts eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahren im November 2005 ausgeführt, die Klägerin habe ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegt und vermutlich mit den ihr nicht bekömmlichen Klimaverhältnissen ihre behauptete krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit herbeigeführt. Darüber hinaus hat der Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe ihm in einer mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht von der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit in Deutschland berichtet ; Zweifel hieran wurden nicht aufgezeigt. Im Übrigen hat der Beklagte noch im Februar 2009 in dem in Brasilien anhängigen Verfahren zur Begründung seines Begehrens auf Herabsetzung des dort festgesetzten Unterhalts darauf hingewiesen, dass die Klägerin darauf bestehe, in Deutschland zu leben, anstatt sich bei ihrer wirtschaftlich gut situierten Familie in Brasilien aufzuhalten. Auch diese Umstände durfte das Berufungsgericht in seine Beurteilung einbeziehen.
16
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch für die von der Klägerin erhobene Stufenklage.
17
a) Der Begriff "Unterhaltssache" in Art. 5 Nr. 2 EuGVVO ist gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegen. Erfasst werden alle Verfahren, deren Gegenstand ein Unterhaltsanspruch ist. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung als Unterhalt an, so dass auch mehrere Rechtsbegriffe aus derselben Rechtsordnung unter den Begriff fallen können. Unerheblich ist grundsätzlich ferner, ob eine Leistung periodisch oder durch einen Pauschalbetrag erbracht werden soll (Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht 3. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rn. 164, 172; Kropholler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht 9. Aufl. Art. 5 EuGVO Rn. 56; Rauscher/Leible Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 62; Schlosser-Bericht Abl. 1979 C 59/71 Rn. 91, 93). In Betracht kommt auch die Übertragung von Gegenständen des einen (ehemaligen) Ehegatten auf den anderen in (teilweiser) Erfüllung der nachehelichen Unterhaltspflicht (EuGH Slg. 1997 I 1147 - van den Boogard/Laumen zum EuGVÜ; Geimer/Schütze aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 172). Dementsprechend geht der Europäische Gerichtshof von einem weiten Unterhaltsbegriff aus, von dem auch die im französischen Recht vorgesehenen Ausgleichsleistungen, die nach Art. 270 ff. Code Civile den Charakter einer pauschalen Abgeltung haben, umfasst werden (EuGH IPRax 1981, 19, 20 - De Cavel; vgl. Senatsbeschluss vom 12. August 2009 - XII ZB 12/05 - FamRZ 2009, 1659 Rn. 15 ff.).
18
b) Im Hinblick auf dieses weite Verständnis des Begriffs der Unterhaltssache müssen auch die der Durchsetzung des Hauptanspruchs auf Unterhalt dienenden Hilfsansprüche auf Auskunft und Versicherung der Richtigkeit zu den Unterhaltssachen im Sinne des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO gerechnet werden. Eine andere Auslegung verstieße gegen die Grundsätze einer geordneten Rechtspflege und der Vermeidung einer Häufung von Gerichtsständen in Bezug auf ein und dasselbe Rechtsverhältnis, die, wie der Europäische Gerichtshof mehrfach entschieden hat, bereits Ziele des Brüsseler Übereinkommens (EuGVÜ) waren (EuGH IPRax 2006, 161, 163 und Slg. 1997 I 3767 Rn. 26 - Benincasa).
Denn mit der Geltendmachung der Ansprüche auf Auskunft und Unterhalt in einem einzigen Rechtsstreit werden aus prozessökonomischen Gründen aufeinanderfolgende Doppelprozesse über dasselbe Lebensverhältnis verhindert und der Unterhaltsberechtigte in die Lage versetzt, seinen Anspruch zu konkretisieren (Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 254 Rn. 1; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 254 Rn. 1). Eine Stufenklage, bei der gemäß § 254 ZPO mit der Klage auf Auskunft und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit ein zunächst unbeziffertes Zahlungsbegehren verbunden wird, muss deshalb ebenfalls der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO unterfallen.
19
c) Die Klägerin hatte allerdings zunächst eine Leistungsklage erhoben und den begehrten Unterhalt als Teilunterhalt bezeichnet, weil sie sich zu einer endgültigen Bezifferung nicht in der Lage sah. Als sie mit Schriftsatz vom 14. April 2009, dem Beklagten zugestellt am 24. September 2009, ihren Antrag umgestellt und Auskunft über das Einkommen des Beklagten sowie Unterhaltszahlung in noch zu beziffernder Höhe verlangt hatte, hatte sie in Deutschland keinen Wohnsitz mehr. Durch den Umzug der Klägerin nach Brasilien ist indessen die hier begründete internationale Zuständigkeit nicht nachträglich entfallen.
20
aa) Der im deutschen Prozessrecht gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO geltende Grundsatz, dass eine einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts auch dann erhalten bleibt, wenn die sie begründenden Umstände im Laufe des Rechtsstreits wegfallen (perpetuatio fori, BGH Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 53/00 - NJW 2001, 2477, 2478 mwN), ist nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum auch auf die internationale Zuständigkeit anwendbar (BGHZ 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 23 mwN). Er ist auch auf die hier in Rede stehende Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO anzuwenden.
21
bb) Von der Geltung dieses Grundsatzes ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für gemeinschaftsrechtliche Gerichtsstandsbestimmungen auszugehen, wenn deren Ziele der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Rechtssicherheit andernfalls - das heißt bei einem Wechsel der Zuständigkeit vom zuerst befassten Gericht zu einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates - verfehlt würden (EuGH IPRax 2006, 161 Rn. 35 ff. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und IPRax 2006, 149 Rn. 24 ff. zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO; Senatsbeschlüsse BGHZ 182, 204 = FamRZ 2009, 2069 Rn. 16 zu Art. 4, 7 HUVÜ 73 und BGHZ 184, 269 = FamRZ 2010, 720 Rn. 9 zu Art. 8 EuGVVO). In solchen Fällen muss es bei der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts bleiben, wenn die Gerichtsstandsbestimmung der Verbesserung der Effizienz grenzüberschreitender Verfahren dient (EuGH Slg. 2006 I-701 Rn. 24 ff.; BGHZ 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 24).
22
cc) Diese Erwägungen lassen sich auf die nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO bestehende internationale Zuständigkeit übertragen. Nach dieser Bestimmung kann der Unterhaltsberechtigte als Kläger die Klage an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht erheben. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, die dem Schutz des Unterhaltsgläubigers dient; ihm soll die Rechtsverfolgung erleichtert und er soll nicht genötigt werden, seine Ansprüche vor dem Gericht geltend zu machen, das für den Beklagten zuständig ist (Kropholler/von Hein aaO Art. 5 EuGVO Rn. 54; Geimer/Schütze aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 157). Dieser Schutzzweck würde zunichte gemacht, wenn von dem Unterhaltsgläubiger verlangt würde, nach einem Umzug in einen anderen Staat vor einem anderen Gericht erneut gegen den Schuldner vorzugehen. Das wäre auch uneffizient, weil es zu einer Häufung der Gerichtsstände und regelmäßig zu einer Verlängerung des Verfahrens führen würde.
23
dd) Der Grundsatz der perpetuatio fori findet seine Grenze zwar im Falle einer Klageänderung. Stellt der Kläger einen neuen Streitgegenstand zur Prüfung , ist das angerufene Gericht befugt, seine Zuständigkeit für dieses Begehren zu prüfen (BGH Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 53/00 - NJW 2001, 2477, 2478; Stein/Jonas/Schumann aaO § 261 Rn. 83; Zöller/Greger aaO § 261 Rn. 12). Eine solche Klageänderung liegt hier aber nicht vor.
24
(1) Bei der Stufenklage nach § 254 ZPO stellt der auf Antrag des Klägers zulässige Wechsel von der Auskunfts- zur Leistungsstufe keine Klageänderung nach § 263 ZPO dar, sondern eine zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO (BGH Urteil vom 21. Februar 1991 - III ZR 169/88 - NJW 1991, 1893; Zöller/Greger aaO § 254 Rn. 4). Ebenso wird das Übergehen einer zunächst angekündigten zweiten Stufe beurteilt (BGH Urteil vom 15. November 2000 - IV ZR 274/99 - NJW 2001, 833). Auch eine Rückkehr in die erste Stufe wird nach § 264 Nr. 2 ZPO für zulässig gehalten (Zöller/Greger aaO § 254 Rn. 4). Das soll auch für den hier vorliegenden Fall des erstmaligen Übergangs von der Leistungsklage zur Stufenklage gelten (LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 15. November 2005 - 5 Sa 4/05 - juris Rn. 42; Hk-ZPO/Saenger 5. Aufl. § 254 Rn. 12).
25
(2) Ob der zuletzt genannten Auffassung zu folgen ist, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Da es um die Frage der internationalen Zuständigkeit geht, ist für die Beurteilung, ob eine Klageänderung, also eine Änderung des Streitgegenstandes, vorliegt, nicht, wie die Revision zu Recht geltend macht, das nationale Prozessrecht heranzuziehen, sondern es ist eine gemeinschaftsrechtlich autonome Interpretation der insoweit maßgeblichen Bestimmungen vorzunehmen.
26
Art. 27 EuGVVO regelt die Folgen der doppelten Rechtshängigkeit. Nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht , wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden. Ob derselbe Anspruch betroffen ist, muss aber auch dann beurteilt werden, wenn ein Begehren in einem bereits anhängigen Verfahren noch nachträglich geltend gemacht werden soll. Falls es sich um denselben Anspruch handelt, wäre ein von der anderen Partei über den betreffenden Anspruch eingeleitetes späteres Verfahren auszusetzen. Insofern können aus Gründen der Rechtssicherheit für die Prüfung der Identität der Streitgegenstände keine unterschiedlichen Kriterien gelten. Vielmehr ist auch in dieser Hinsicht das Verständnis des Begriffs desselben Anspruchs im Sinne des Art. 27 EuGVVO heranzuziehen.
27
(3) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der Begriff der Anspruchsidentität weit auszulegen. Dieselben Ansprüche liegen vor, wenn die Klagen auf derselben Grundlage beruhen und denselben Gegenstand haben. Dabei umfasst die Grundlage des Anspruchs den Sachverhalt und die Rechtsvorschrift, auf die die Klage gestützt wird; der Gegenstand wird in dem Zweck der Klage gesehen (EuGH Slg. 1994 I - 5439 Rn. 38 ff. - Tatry). Es genügt , wenn die Klagen im Kern den gleichen Gegenstand haben, auf eine vollständige Identität kommt es nicht an (EuGHE 1987, 4861 Rn. 6 - Gubisch Maschinenfabrik

).

28
Nach diesen Maßstäben hat der Europäische Gerichtshof das Vorliegen desselben Anspruchs bejaht, wenn die erste Klage auf Erfüllung eines Vertrages, die zweite Klage dagegen auf die Feststellung der Unwirksamkeit oder Auflösung des Vertrages gerichtet ist (EuGHE 1987, 4861 Rn. 16). Der umgekehrte Fall der Erhebung einer negativen Feststellungsklage und anschließender Klage auf Schadensersatz ist ebenso beurteilt worden (EuGH Slg. 1994 I - 5439 Rn. 43 - Tatry; vgl. auch Geimer/Schütze aaO Art. 2 EuGVVO; Kropholler/von Hein aaO Art. 27 EuGVO Rn. 6 ff.; Rauscher/Leible aaO Art. 27 Brüssel I-VO Rn. 8 f.; Stein/Jonas/Wagner aaO Art. 27 EuGVVO Rn. 22 ff.). Insofern habe die zweite Klage denselben Gegenstand wie die erste, da die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Haftung im Mittelpunkt der Verfahren stehe. Die unterschiedlich lautenden Klageanträge bewirkten nicht, dass die beiden Rechtsstreitigkeiten unterschiedliche Gegenstände hätten (EuGH Slg. 1994 I - 5439 Rn. 43 - Tatry).
29
(4) Unter Heranziehung der vorgenannten Kriterien ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Leistungsklage auf Zahlung von Trennungsunterhalt und die Stufenklage denselben Anspruch zum Gegenstand haben. Beide beruhen auf demselben Lebenssachverhalt, nämlich der Trennung der Parteien und der behaupteten Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin, und dienen demselben Zweck, der Durchsetzung der Unterhaltspflicht. Die Anspruchsgrundlagen für die Begehren sind nach dem bis zum Aufenthaltswechsel der Klägerin anwendbaren materiellen deutschen Recht (Art. 4 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973, siehe auch Art. 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) zwar unterschiedlich , nämlich § 1361 Abs. 1 BGB für den Trennungsunterhalt und § 1361 Abs. 4 BGB iVm § 1605 BGB für das Auskunftsbegehren. Auskunft kann der Unterhaltsberechtigte aber nur verlangen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs erforderlich ist (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bereits aus dieser Einschränkung ergibt sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Anspruchsgrundlagen. Im Kernpunkt betreffen deshalb sowohl die Leistungsklage als auch die Stufenklage den Unterhaltsanspruch, so dass es sich um denselben Anspruch handelt. Die Unterschiedlichkeit der Klageanträge ist nicht von Bedeutung.
30
Da der Übergang von der Leistungsklage zur Stufenklage hier somit keine Klageänderung darstellt, war das Amtsgericht für die Stufenklage nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO weiterhin international zuständig. Die Zuständigkeit ist nicht dadurch entfallen, dass nur das dem Auskunftsantrag stattgebende Teilurteil Gegenstand des Berufungsverfahrens war. Das Berufungsgericht hätte die Klage in vollem Umfang abweisen können, wenn es zu dem Ergebnis gelangt wäre , dass sich der Auskunftsanspruch aus Erwägungen als unbegründet erweist, die auch dem Zahlungsanspruch die Grundlage entziehen (vgl. BGHZ 94, 268 = NJW 1985, 2405, 2407).
31
4. Die vorgenommene Auslegung erfordert keine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung. Die Frage der Geltung des Grundsatzes der perpetuatio fori hat der Europäische Gerichtshof bereits grundsätzlich beantwortet (EuGH Slg. 1982, 3415 Rn. 13 f., 21); der dort vertretenen Auffassung folgt der Senat. Die für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO richtige Auslegung ist aus den aufgeführten Gründen derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH Slg. 1982, 3415 Rn. 16, 21; BVerfG NJW 1988, 1456; BGHZ 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 30 und BGH Urteil vom 23. Februar 2010 - XI ZR 186/09 - WM 2010, 647 Rn. 35). Die Frage nach dem Vorliegen einer den Grundsatz der perpetuatio fori einschränkenden Klageänderung ist auf der Grundlage der erfolgten Auslegung sowie unter Heranziehung von Art. 27 EuGVVO ebenfalls zweifelsfrei zu beantworten.

III.

32
Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil sie mangels Sachprü- fung durch das Berufungsgericht nicht zur Endentscheidung reif ist. Die Sache ist deshalb an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

IV.

33
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
34
Vorrangig wird der Frage nachzugehen sein, ob durch das von dem Beklagten in Brasilien beantragte Unterhaltsangebotsverfahren eine anderweitige Rechtshängigkeit der Streitsache begründet worden ist (vgl. Art. 27 EuGVVO). Diese bestimmt sich nach der lex fori, also nach brasilianischem Recht, und steht der Rechtshängigkeit bei einem deutschen Gericht nur gleich, wenn das ausländische Urteil hier anzuerkennen sein wird (BGH Urteil vom 10. Oktober 1985 - I ZR 1/83 - NJW 1986, 2195; Stein/Jonas/Roth aaO § 261 Rn. 53; Hk-Saenger aaO § 261 Rn. 4; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 33. Aufl. § 261 Rn. 2).
35
Für diese Beurteilung dürfte nicht nach Art. 30 Nr. 1 EuGVVO auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags vom 10. Januar 2005 bei dem brasilianischen Gericht abzustellen sein. Art. 30 Abs. 1 EuGVVO, der diesen Zeitpunkt für maßgeblich erklärt, dürfte nur heranzuziehen sein, wenn es um die Beurteilung von Klagen bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten geht (vgl. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO). Nach dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten des MaxPlanck -Instituts vom 5. Juli 2010 ist nach brasilianischem Recht (Art. 213, 219 CPC) für den Eintritt der Rechtshängigkeit die Zustellung der Klage an den Beklagten erforderlich. Danach dürfte es darauf ankommen, ob eine an die (hiesige ) Klägerin erfolgte öffentliche Zustellung in Brasilien wirksam ist oder ob der Wirksamkeit, wie das Amtsgericht angenommen hat, die positive Kenntnis des Beklagten von dem Aufenthalt der Klägerin in Deutschland entgegensteht.
36
Für die Frage, ob die Streitgegenstände einer Leistungs- oder Stufenklage und das in Brasilien eingeleitete Verfahren identisch sind, dürfte der hierzu zum brasilianischen Recht vertretenen Auffassung Bedeutung zukommen. In dem Gutachten des Max-Planck-Instituts wird unter Bezugnahme auf verschiedene Entscheidungen brasilianischer Gerichte ausgeführt, die wohl herrschende Meinung lehne eine Identität zwischen einem Unterhaltsangebotsverfahren und einer Unterhaltsklage ab. Das von dem Beklagten vorgelegte Privatgutachten gelangt zu einem anderen Ergebnis. Danach betreffen die zitierten Entscheidungen Fallgestaltungen, die mit der hier zu beurteilenden nicht vergleichbar seien. Auch dieser Frage dürfte erforderlichenfalls nachzugehen sein.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Seligenstadt, Entscheidung vom 18.10.2010 - 2 F 450/05 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 23.02.2012 - 1 UF 365/10 -