Arbeitsgericht Halle Urteil, 07. März 2013 - 2 Ca 1430/12

ECLI:ECLI:DE:ARBGHAL:2013:0307.2CA1430.12.0A
bei uns veröffentlicht am07.03.2013

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, der klagenden Partei ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die klagende Partei trägt 89/100, der Beklagte 11/100 der Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstands wird festgesetzt auf 9.128,00 €.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Beklagten.

2

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der … (fortan: Schuldnerin). Im Betrieb der Schuldnerin waren zuletzt insgesamt 82 Mitarbeiter tätig. An den Standorten der …, D-Stadt und Wernigerode sind Betriebsräte gewählt. Die klagende Partei ist Mitglied des Betriebsrats am Standort Halle. Dort waren im Mai 2011 41 Arbeitnehmer tätig. Darüber hinaus ist im Betrieb der Beklagten gebildet ein Gesamtbetriebsrat.

3

Seit Mai 2011 ist der … eingestellt; alle 82 Mitarbeiter (Stand April 2012) des Beklagten sind seither ausnahmslos von der Arbeitsleistung freigestellt. Die von der Schuldnerin unterhaltenen drei … sind geschlossen. Das Land Sachsen-Anhalt widerrief gegenüber dem Beklagten zum 24.02.2012 (24 Uhr) die der Schuldnerin erteilte Zulassung zum Betrieb der öffentlichen …. Die hiergegen gerichtete Klage des Beklagten wies das Verwaltungsgericht D-Stadt ab. Über die Zulassung bzw. Nichtzulassung eines Rechtsmittels ist derzeit beim Oberverwaltungsgericht D-Stadt ein Verfahren anhängig.

4

Über das Vermögen der Schuldnerin eröffnete das Amtsgericht D-Stadt durch Beschluss vom 06.02.2012 (Blatt 12 der Akte) an diesem Tag das Insolvenzverfahren und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Nach Mitteilung des Amtsgerichtes D-Stadt vom 17.08.2012 (Blatt 45 der Akte) ist Masseunzulänglichkeit nach §208 InsO eingetreten.

5

Die zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage 40 Jahre alte klagende Partei steht mit dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerin auf der Grundlage des Anstellungsvertrags der Parteien (Blatt 7 der Akte) in einem Arbeitsverhältnis als Croupier II. Die klagende Partei war tätig in der … in Halle. Ihre Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 2.608,00 €. Die klagende Partei ist Mitglied des am Standort Halle gewählten Betriebsrates der Beklagten. Am Standort Halle waren im Mai 2011 41 Arbeitnehmer beschäftigt.

6

Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält auszugsweise die nachfolgende Regelung:

7

„(…)

§ 7

8

Verjährung und Ausschlußfristen

9

Ansprüche auf Zahlung müssen spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Entstehung schriftlich geltend gemacht werden. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen. Andere Ansprüche des Mitarbeiters gegen die Spielbank beschränken sich auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Insbesondere erwachsen keine Anwartschaften auf Versorgungsleistungen gegen die Firma nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

10

(…).

11

Unter dem 28.02.2012 (Blatt 46 der Akte) richtete der Beklagte ein mit "schriftliche Anhörung gem. §102 BetrVG" überschriebenes Anschreiben an den Betriebsrat der … Halle. Hiergegen erhob dieser Betriebsrat mit Schreiben vom 01.03.2012 (Blatt 49 der Akte) Widerspruch.

12

Unter dem 27.03.2012 richtete der der Beklagte ein mit "schriftliche Unterrichtung gem. §17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (Konsultation)" überschriebenes Anschrieben an den Betriebsrat der … Halle (Blatt 88 der Akte). Auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen. Zugleich lud der der Beklagte den Vorsitzenden des Betriebsrates Halle in diesem Schreiben zur „Konsultation“ am 03.04.2012 ein.

13

Unter dem 11.04.2012 (Blatt 81 der Akte), bei dem Beklagten eingegangen am 16.04.2012, gab der Betriebsrat Halle eine Stellungnahme „zur beabsichtigten Massenentlassung gemäß §17 Abs 2 KSchG - Anhörung vom 03.04.2012" ab. Ob es sich hierbei um eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates im Sinne von §17 Abs. 2 KSchG handelt, steht zwischen den Parteien im Streit.

14

Unter dem 13.04.2012 (Blatt 51.der Akte) richtete der Kläger ein mit „schriftliche Anhörung gem. §102 BetrVG" überschriebenes Schreiben an den Betriebsrat der … Halle, das am gleichen Tag bei dem Betriebsrat einging. Der Betriebsrat Halle erhob hiergegen mit Schreiben vom 17.04.2012 (Blatt 11 der Akte) eingegangen bei dem Beklagten am 19.04.2012, Widerspruch.

15

Am 18.04.2012 ging das von dem Beklagten ausgefüllte Formular "Anzeige von Entlassungen gemäß §17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)" (Blatt 57 der Akte) per Fax und am 19.04.2012 im Original bei der Agentur für Arbeit D-Stadt ein. Mit Bescheid vom 27.4.2012 (Blatt 60 der Akte), dem Beklagten zugegangen am 03.05.2012, erteilte die Bundesagentur für Arbeitsagentur, Agentur für Arbeit D-Stadt, „den gemäß §17 Abs 1 KSchG erklärten anzeigepflichtigen Kündigungen von 82 Arbeitnehmern“ die Zustimmung.

16

Der Beklagte fertigte unter dem 23.04.2012 die vorliegende streitbefangene Kündigung (Blatt 9 der Akte), welche der klagenden Partei am 24.04.2012 zuging. Hiergegen richtet sich ihre Klage vom 14.05.2012, die am gleichen Tag bei dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht Halle eingegangen ist.

17

Die klagende Partei ist der Auffassung die vorliegende Kündigung sei unwirksam, weil der Beklagte das nach den §§17 ff KSchG durchzuführende Verfahrung nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe. Bei der Stellungnahme des Betriebsrates vom 11.04.2012 handle es sich nicht um eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates im Sinne von §17 Abs 2 KSchG. Tatsachen aus denen sich ergibt, dass der Beklagte das Konsultationsverfahren nach §17 Abs. 3 KSchG ordnungsgemäß durchgeführt und gegenüber der Agentur für Arbeit die ordnungsgemäße Durchführung nachgewiesen habe, habe der Beklagte nicht vorgetragen. Bei der Konsultation vom 03.04.2012 handle es sich um eine mündliche Information, die § 17 KSchG nicht vorsehe. Auch sei der Agentur für Arbeit das behauptete Protokoll der Konsultation vom 03.04.2012 nicht vorgelegt worden; auch handle es sich bei dem Protokoll nicht um eine Privaturkunde im Sinne von §416 ZPO. Die klagende Partei habe auch Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses und im Falle des Unterliegens mit der Feststellungsklage Anspruch auf Erteilung eines Endzeugnisses.

18

Die klagende Partei beantragt,

19
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 23.04.2012, zugegangen am 24.04.2012, zum 31.07.2012 nicht aufgelöst worden ist.
20
2. den Beklagten zu verurteilen, der klägerischen Partei ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.
21

Der Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen

23

Der Beklagte ist der Auffassung, die streitbefangene Kündigung vom 23.04.2012 sei sozial gerechtfertigt und auch im Übrigen wirksam. Der Beklagte stellte den Betrieb der … bereits im Mai 2011 ein. Alle Arbeitnehmer sind seither von der Arbeitsleistung freigestellt. Der Beklagte kündigte allen Arbeitnehmern. Eine Sozialauswahl sei deshalb entbehrlich gewesen. Es seinen keine Betriebsmittel oder Arbeitnehmer mehr vorhanden. Die Erlaubnis zum Betrieb einer Spielbank wurde dem Beklagten widerrufen. Die Kündigungen seien unter Beachtung von §113 InsO ausgesprochen worden. Der Betriebsrat sei mit Schreiben vom 28.02.2012 und Schreiben vom 13.04.2012 vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung gem. § 102 KSchG ordnungsgemäß angehört worden und habe hierauf mit Schreiben vom 01.03.2012 reagiert. Auch das Verfahren nach §17 KSchG sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Betriebsrat habe mit Schreiben vom 11.04.2004 eine abschließende Stellungnahme nach §17 Abs. 2 KSchG abgegeben. Unabhängig davon sei auch das Konsultationsverfahren nach Maßgabe von §17 Abs. 3 KSchG ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Agentur für Arbeit sei als Anlage 5 die Stellungnahme der Betriebsräte zu der beabsichtigten Massenentlassung gemäß §17 Abs 2 KSchG vorgelegt worden. Die klagende Partei habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses gegen den Beklagten. Denn hierbei handele es sich um eine Obliegenheit der Schuldnerin. Unabhängig davon sei dem Beklagten die Erteilung eines Zeugnisses rechtlich unmöglich, weil der Geschäftsführer der Schuldnerin in seine türkische Heimat zurückgekehrt sei und dem Beklagten für Auskünfte nicht zur Verfügung stehe.

24

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Güteverhandlung vom 17.07.2012 und der Kammerverhandlung vom 10.01.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

Hinsichtlich der Zulässigkeit der Anträge Ziffer 1 und Ziffer 2 bestehen keinerlei Bedenken. Allerdings ist die Klage insoweit nur teilweise begründet.

I.

26

Die klagende Partei hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

27

1. Die Pflicht des Arbeitgebers, ein Zwischenzeugnis zu erteilen, stellt eine allgemeine vertragliche Nebenpflicht dar. Sie besteht, wenn das Verlangen des Arbeitnehmers nach einem Zwischenzeugnis auf einem triftigen Grund beruht (Landesarbeitsgericht Köln Urteil vom 09.02.2000 -3 Sa 1296/99 -zitiert nach juris; ErfK/Müller-Glöge 13. Auflage 320 § 109 GewO Rz. 50 m.w.N.). Da der Beklagte der Auffassung ist, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei beendet, besteht vorliegend ein triftiger Grund für das Verlangen nach einem Zwischenzeugnis darin, dass die klagende Partei sich gegebenenfalls bei anderen Arbeitgebern bewerben muss.

28

2. Entgegen der von dem Beklagten vertretenen Rechtsauffassung ist der Anspruch der klagenden Partei auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses auch nicht ausgeschlossen, weil jedenfalls zum Schluss der mündlichen Verhandlung das Arbeitsverhältnis der Parteien tatsächlich. beendet war. Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtssprechung anerkannt, dass ein Arbeitnehmer spätestens mit der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (auch) Anspruch auf ein endgültiges Zeugnis hat (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 27.02.1987 -5 AZR 710/85 -zitiert nach juris): Das schließt allerdings das auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichtete Verlangen der klagenden Partei nicht aus.

29

3. Schließlich verhält sich ein Arbeitnehmer auch nicht widersprüchlich, wenn er einerseits im Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Kündigung geltend macht und andererseits ein Zwischenzeugnis oder ein diesem verwandtes vorläufiges Zeugnis verlangt (ErfKlMüller-Glöge 13. Auflage 320 § 109 GewO Rz. 7).

30

4. Unabhängig davon, dass der Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist Gegenstand der Klageschrift vom 14.05.2012 war, war die klagende Partei auch nicht gehalten, die in § 7 des Arbeitsvertrags der Parteien vereinbarte, vom Arbeitgeber vorformulierte Ausschlussfrist zu wahren. Denn diese mit einer Frist zur schriftlichen Geltendmachung von 2 Monaten ist unwirksam (vgl. statt aller ErfK/Preis 13. Auflage 230 §§ 194 – 218 BGB unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).

31

5. Entgegen der von dem Beklagten vertretenen Rechtsauffassung ist der Beklagte Schuldnerin verpflichtet, der klagenden Partei ein Zwischenzeugnis auch für die Zeit ihrer Beschäftigung bei der Schuldnerin vor der Insolvenzeröffnung zu erteilen. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Beklagte als Insolvenzverwalter die Rechte auszuüben und die Pflichten zu erfüllen, die sich auch der Arbeitgeberstellung der Schuldnerin ergeben; er tritt insoweit in die Rechtsstellung der Schuldnerin ein (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht Urteil vom 23.06.2004 -10 AZR 495/03 -zitiert nach juris unter Bezugnahme auf Bundesarbeitsgericht Urteil vom 30.01.1991 -5 AZR 32/90 -zitiert nach juris).

32

a) Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, er könne die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht beurteilen. Ist er in die Arbeitgeberstellung eingetreten, ist der von ihm als arbeitsvertragliche Nebenpflicht zu erfüllende Zeugnisanspruch zum Zeitpunkt seiner Fälligkeit, nämlich zum Ende des Arbeitsverhältnisses, zu befriedigen. Auf persönliche Kenntnisse über den Arbeitnehmer kommt es dann nicht an. Auch wenn ein Arbeitsverhältnis von einem Rechtsträger auf einen anderen übergeht oder wenn der Vorgesetzte gewechselt hat, muss ein Arbeitgeber das gesamte Arbeitsverhältnis beurteilen, obgleich die für ihn handelnden Personen idR keine eigenen Kenntnisse über die gesamte Arbeitsleistung haben. Insoweit ist an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Konkursordnung anzuknüpfen, wonach bei einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt der Konkurseröffnung hinaus. der Zeugnisanspruch unabhängig davon zu erfüllen ist, wie lange das Arbeitsverhältnis noch fortgesetzt wird und ob der Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigt wird. Der Insolvenzverwalter kann sich die notwendigen Informationen beim Schuldner verschaffen. Dieser ist gemäß § 97 InsO verpflichtet, die entsprechenden Auskünfte zu geben (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 23.06.2004 -10 AZR 495/03 -zitiert nach juris).

33

b) Der Zeugnisanspruch entfällt nur dann, wenn der Beklagte die für die Zeugniserteilung maßgebenden Tatsachen nicht kennt (1) und außerstande ist, die für die Zeugniserteilung Informationen von der Schuldnerin zu beschaffen (2) (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 30.01.1991 -5 AZR 32/90 -zitiert nach juris).

34

c) Das erkennende Gericht geht vorliegend davon aus, dass der Beklagte schon aufgrund des tatsächlichen Geschehensablaufs die für die Beurteilung der klagenden Partei maßgeblichen Tatsachen nicht kennt. Allerdings hat der Beklagte seine Behauptung, er könne den ihm nach § 97 InsO obliegenden Auskunftsanspruch gegen die Schuldnerin nicht durchsetzen, nicht mit Tatsachen untersetzt. Allein der Umstand, dass sich der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten in sein Heimatland „abgesetzt" haben soll, ist insoweit nicht aussagekräftig. Die persönlichen Kenntnisse des Geschäftsführers der Schuldnerin sind nicht entscheidend. Auch in größeren Betrieben kennen der Arbeitgeber, sein gesetzlicher Vertreter oder die für ihn handelnden Personen den Arbeitnehmer nicht immer persönlich und müssen sich auf die Beurteilungen Dritter stützen (vgl. hierzu auch Bundesarbeitsgericht Urteil vom 16.10.2007 -9 AZR 248/07 -zitiert nach juris).

II.

35

Indessen ist die von der klagenden Partei erhobene Feststellungsklage unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch die Kündigung des Beklagten vom 23.04.2012 mit Ablauf des 31.07.2012.

36

1. Die vorliegende Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs 2, 15 Abs 4 KSchG. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs 2 Satz KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung der klagenden Partei entgegenstehen.

37

Die klagende Partei ist Mitglied des am Standort Halle gewählten Betriebsrates. Die Kündigung des Beklagten vom 23.04.2012 beruht auf einer Betriebsstilllegung.

38

§ 15 Abs 4 KSchG erklärt als Ausnahme vom allgemeinen Kündigungsverbot des § 15 Abs. 1 KSchG für den Fall der Stilllegung des Betriebes die ordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes für zulässig. Bei dieser Kündigung muss der Arbeitgeber die Kündigungsfrist einhalten und den Kündigungstermin wahren (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 23.04.1980 -5 AZR 49/78 -zitiert nach juris). Diese Kündigung führt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Betrieb tatsächlich stillgelegt wird und der Kündigungstermin nicht vor dem Zeitpunkt der Stilllegung des Betriebes liegt. Der Betrieb der Schuldnerin wurde bereits im Mai 2011 nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten vollständig eingestellt und damit lange vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Seit dieser Zeit erbrachte keiner der ehemals bei der Schuldnerin tätigen Arbeitnehmer (noch) Arbeitsleistungen; weder für die Schuldnerin noch für den Beklagten. Die Stilllegungsentscheidung lag auch lange vor dem für die klagenden Parteien geltenden Kündigungstermin, dem 31.07.2012.

39

2. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs 2 KSchG. Die klagende Partei hat schon nicht dargelegt, ob und welche weiterbeschäftigten Arbeitnehmer sie selbst für vergleichbar hält. Die Arbeitsverhältnisse der mit ihr tätigkeitsbezogen vergleichbaren Arbeitnehmer wurden zum selben Zeitpunkt wie das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei gekündigt, nachdem der Betrieb der Schuldnerin bereits im Mai 2011 stillgelegt worden war.

40

3. Der Beklagte hörte auch den örtlichen Betriebsrat vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung mit Schreiben vom 13.04.2012 ordnungsgemäß und mit detaillierter Begründung im Sinn von § 102 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG an. Er musste die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht wahren, weil der Betriebsrat unter dem 17.04.2012 abschließend zu den beabsichtigten Kündigungen Stellung genommen hatte.

41

4. Die Kündigung des Beklagten vom 23.04.2012 verstößt nicht gegen die Anzeigepflicht aus §17 KSchG.

42

a) Der klagenden Partei war die Rüge der ordnungsgemäße Durchführung des Massenentlassungsanzeigeverfahrens nach den §§ 17 ff KSchG nicht abgeschnitten.

43

Nach § 6 Satz 1 KSchG kann sich ein Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Frist des § 4 KSchG nicht geltend gemachte Gründe berufen, sofern er innerhalb dieser Frist Kündigungsschutzklage erhoben hat (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 18.1.2012 -6 AZR 407/10 -zitiert nach juris). Beides ist der Fall. Die Klageschrift vom 14.05.2012 ging am 14.05.2012 bei dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht Halle ein; mithin innerhalb von drei Wochen nach Zugang der streitbefangenen Kündigung vom 23.04.2012. Die klagende Partei erhob die Rüge im Zusammenhang mit der Massenentlassungsanzeige im Termin der Güteverhandlung am 17.07.2012 und damit lange vor Schluss der mündlichen Verhandlung am 10.01.2013.

44

b) Die von der klagenden Partei im Zusammenhang mit der Erstattung der Massenentlassungsanzeige durch den Beklagten erhobenen Rügen sind nicht geeignet, die Unwirksamkeit der Kündigung vom 23.04.2012 zu begründen.

45

aa) Der Arbeitnehmer ist darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen der Anzeigepflicht nach § 17 KSchG. Steht die Anzeigepflicht – wie vorliegend – fest, hat der Arbeitgeber auf die konkrete Rüge des Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens darzulegen und zu beweisen (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 18.01.2012 – 6 AZR 407/10 zitiert nach juris).

46

bb) Die am 18.04.2012 von dem Beklagten angezeigte Maßnahme war nach § 17 KSchG anzeigepflichtig. Denn die Anzeigepflicht aus § 17 Abs 1 und Abs 3 Satz 2 KSchG gilt uneingeschränkt auch für den Insolvenzverwalter (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 21.03.2012 – 6 AZR 596/10 – zitiert nach juris m.w.N.; Bundesarbeitsgericht Urteil vom 07.07.2011 – 6 AZR 248/10 – zitiert nach juris).

47

cc) Die Rüge der klagenden Partei geht nicht schon deshalb ins Leere, weil die Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige vom 18.04.2012 nicht beanstandete. Der auf der Grundlage von § 18 Abs 1, 20 KSchG ergangene Bescheid der Agentur für Arbeit vom 27.04.2012 hindert die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht daran, die Unwirksamkeit der Maasentlassungsanzeige festzustellen. Er heilt mögliche Fehler der Massenentlassungsanzeige nicht (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 28.06.2012 – 6 AZR 780/10 – zitiert nach juris; Bundesarbeitsgericht Urteil vom 20.09.2012 – 6 AZR 155/11 – zitiert nach juris). Denn dieser Bescheid kann gegenüber der durch das Verfahren nach §§ 17 ff KSchG nur mittelbar betroffenen klagenden Partei keine materielle Bestandskraft entfalten. Die klagende Partei hätte gegen ihn nicht vorgehen können (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht Urteil vom 20.09.2012 – 6 AZR 155/11 – zitiert nach juris m.w.N.).

48

dd) Der Beklagte verletzte nicht seine Pflichten aus § 17 Abs 2 Satz 1 und Abs 3 KSchG. Entgegen der von der klagenden Partei vertretenen Rechtsauffassung hat der Beklagte nicht gegen seine Konsultationspflicht aus § 17 Abs 2 Satz 1 KSchG verstoßen.

49

Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und die vorgesehenen Kriterien für die Berechnung etwaiger Abfindungen. Der Arbeitgeber hat der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs 3 Satz 1 Halbs. 1 KSchG gleichzeitig eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten. Sie muss nach § 17 Abs 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG zumindest die in § 17 Abs 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 5 KSchG enthaltenen Angaben enthalten (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 20.09.2012 – 6 AZR 155/11 – zitiert nach juris).

50

Die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 02.02.1984 – 2 AZR 392/82 – zitiert nach juris m.w.N.).

51

§ 17 Abs 3 Satz 2 KSchG enthält keine expliziten Aussagen zum erforderlichen Inhalt dieser Stellungnahme des Betriebsrats. Allerdings genügt auch nicht jede Äußerung des Betriebsrats gegenüber der Arbeitsverwaltung unabhängig von ihrem Inhalt den Anforderungen des § 17 Abs 3 Satz 2 KSchG.

52

Zum Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen sollen Massenentlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern sowie die Unterrichtung der Arbeitsverwaltung vorangehen, um es so der Arbeitsverwaltung zu ermöglichen, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 22.04.2010 – 6 AZR 948/08 – zitiert nach juris; Bundesarbeitsgericht Urteil vom 28.06.2012 – 6 AZR 780/10 – zitiert nach juris; Bundesarbeitsgericht Urteil vom 21.03.2012 – 6 AZR 596/10 – zitiert nach juris).

53

Ausgehend von diesem Zweck soll die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Arbeitsverwaltung belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und dass soziale Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind. Außerdem soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber eine ihm ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats der Arbeitsverwaltung nicht verschweigen kann (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 18.01.2012 – 6 AZR 407/10 – zitiert nach juris; Bundesarbeitsgericht Urteil vom 28.06.2012 – 6 AZR 780/10 – zitiert nach juris). Die Beifügung der Stellungnahme dient der Beurteilung der Arbeitsverwaltung, ob die Betriebsparteien tatsächlich über die Massenentlassung und insbesondere die Vermeidung einer solchen beraten hätten.

54

Eine solche Beurteilung setzt voraus, dass sich die der Massenentlassungsanzeige beigefügte Stellungnahme des Betriebsrats auf die angezeigten Kündigungen bezieht und eine abschließende Meinungsäußerung des Betriebsrats zu diesen Kündigungen enthält (Bundesarbeitsgericht u 21.03.2012 – 6 AZR 596/10 zitiert nach juris). Entsprechend diesen gesetzlichen Anforderungen stellt die Agentur für Arbeit selbst in ihrer Praxis keine hohen Anforderungen an die Form der Stellungnahme (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 21.03.2012 – 6 AZR 596/10 – zitiert nach juris).

55

Der Massenentlassungsanzeige vom 18.04.2012 war die Stellungnahme des örtlichen Betriebsrates beigefügt. Die von dem örtlichen Betriebsrat mit Schreiben vom 11.04.2012 abgegebene Stellungnahme genügt diesen Anforderungen des § 17 Abs 3 Satz 2 KSchG. Es handelt sich hierbei auch um eine abschließende Stellungnahme im Sinne von § 17 KSchG.

56

Der Kläger hat die Hingabe des Schreibens des Betriebsrates vom 11.04.2012 an die Agentur für Arbeit zunächst zulässig mit Nichtwissen bestritten.

57

Im Hinblick auf das daraufhin von dem Beklagten vorgelegten Anlagen 5 seines Schreibens vom 18.04.2012 an die Agentur für Arbeit ist es Aufgabe des Klägers gewesen, seinen Sachvortrag insoweit zu substantiieren. Da er dies nicht getan hat, ist die Übersendung auch der Anlage 5 zum Antrag vom 18.04.2012 an die Agentur für Arbeit unstreitig geworden.

58

Der Betriebsrat hat in seinem Schreiben vom 11.04.2012 eine eindeutige und abschließende Stellungnahme abgegeben.

59

Der Beklagte unterrichtete den örtlichen Betriebsrat der Schuldnerin in Halle mit Schreiben vom 27.03.2012 über die beabsichtigten Entlassungen. Diese Mitteilung ist überschrieben mit „schriftliche Unterrichtung gem. § 17 KSchG (Konsultation)“. Parallel hierzu lud der Beklagte den Betriebrat unter Bezugnahme auf sein Anschreiben vom 27.03.2012 zu einer Konsultation gemäß § 17 KSchG für den 03.04.2012 ein. Dieses Gespräch fand in der Folgezeit auch statt.

60

Der Erklärung des Betriebsrates vom 11.04.2012 belegt, dass der Beklagte den Betriebsrat hinreichend und umfassend über den Stand der bereits seit über 1 Jahr andauernden Verhandlung über eine etwaige Veräußerung des Betriebs der Schuldnerin bzw. die in Erwägung gezogene Sanierungskonzepte unterrichtete. Dem Betriebsrat war auch bekannt, dass der Schuldnerin bzw. der Beklagten die Konzession zum Betrieb der … in Halle, D-Stadt und Wernigerode entzogen worden war. Aus dem Schreiben des örtlichen Betriebsrates ergibt sich schließlich auch eine eindeutige Äußerung des Betriebsrates zu den beabsichtigten Entlassungen der An der Schuldnerin. Der Betriebsrat erachtet eine Massenentlassung der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin vor Mai 2013 nicht für notwendig.

61

Da es sich bei der Stellungnahme des örtlichen Betriebsrates vom 11.04.2012 aus den dargestellten Gründen um einen abschließende im Sinne von § 17 Abs 2 KSchG handelt, kann auf sich beruhen, ob § 17 Abs 2 Satz 1 KSchG gesetzliche Schriftform im Sinne von § 126 Abs 1 BGB verlangt. Denn selbst wenn die von § 17 Abs 2 Satz 1 KSchG verlangten Angaben gegenüber dem Betriebsrat in einem schriftlichen, wenn auch nicht unterzeichneten Text dokumentiert wurden, genügt die abschließende Stellungnahme des Betriebsrates, die die Voraussetzungen des § 17 Abs 3 Satz 2 KSchG erfüllt, um einen eventuellen Schriftformverstoß zu heilen (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 20.09.2012 – 6 AZR 155/11 – zitiert nach juris).

62

5. Der Beklagte wahrte die kraft Gesetzes einzuhaltende Kündigungsfrist. Diese bestimmt sich abweichend von § 622 BGB allein nach Maßgabe von § 113 InsO. Die in § 113 Satz 2 InsO bestimmte und in Ansatz zu bringende Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende ist durch den Beklagten eingehalten. Die der klagenden Partei am 24.04.2012 zugegangene Kündigung wirkte zum 31.07.2012.

63

Aus den genannten Gründen war die Klage überwiegend abzuweisen.

64

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

65

Gemäß 61 Abs 1 ArbGG war der Wert des Streitgegenstands festzusetzen. Für den Antrag Ziffer 1 war die dreifache Bruttomonatsvergütung der klagenden Partie in Höhe von 2.608,00 € (§ 42 Abs 3 GKG) in Ansatz zu bringen. Für den Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses war insgesamt ½ weitere Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.304,00 € in Ansatz zu bringen.

66

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das gesamte Verfahren bleibt einem gesonderten Beschluss nach § 63 GKG vorbehalten.


Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Halle Urteil, 07. März 2013 - 2 Ca 1430/12

Urteilsbesprechungen zu Arbeitsgericht Halle Urteil, 07. März 2013 - 2 Ca 1430/12

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh
Arbeitsgericht Halle Urteil, 07. März 2013 - 2 Ca 1430/12 zitiert 21 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 102 Mitbestimmung bei Kündigungen


(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. (2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kün

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 17 Anzeigepflicht


(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er 1. in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und wenig

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 4 Anrufung des Arbeitsgerichts


Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung er

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 126 Schriftform


(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. (2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnun

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 42 Wiederkehrende Leistungen


(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitneh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 622 Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen


(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. (2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die K

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 15 Unzulässigkeit der Kündigung


(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Gr

Insolvenzordnung - InsO | § 97 Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners


(1) Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuß und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 416 Beweiskraft von Privaturkunden


Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 18 Entlassungssperre


(1) Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tage der Antragstellung erteilt werden.

Insolvenzordnung - InsO | § 113 Kündigung eines Dienstverhältnisses


Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, kann vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluß des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündig

Gewerbeordnung - GewO | § 109 Zeugnis


(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich di

Insolvenzordnung - InsO | § 208 Anzeige der Masseunzulänglichkeit


(1) Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, daß Masseunzulänglichkeit vo

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 6 Verlängerte Anrufungsfrist


Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ers

Referenzen - Urteile

Arbeitsgericht Halle Urteil, 07. März 2013 - 2 Ca 1430/12 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Arbeitsgericht Halle Urteil, 07. März 2013 - 2 Ca 1430/12 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Sept. 2012 - 6 AZR 155/11

bei uns veröffentlicht am 20.09.2012

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Dezember 2010 - 6 Sa 1344/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10

bei uns veröffentlicht am 28.06.2012

Tenor 1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. November 2010 - 12 Sa 1321/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. März 2012 - 6 AZR 596/10

bei uns veröffentlicht am 21.03.2012

Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 18. Mai 2010 - 14 Sa 14/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Jan. 2012 - 6 AZR 407/10

bei uns veröffentlicht am 18.01.2012

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2010 - 26 Sa 263/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 07. Juli 2011 - 6 AZR 248/10

bei uns veröffentlicht am 07.07.2011

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 9. Februar 2010 - 1 Sa 586/09 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Apr. 2010 - 6 AZR 948/08

bei uns veröffentlicht am 22.04.2010

Tenor 1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 5. September 2008 - 8 Sa 476/07 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, daß Masseunzulänglichkeit vorliegt. Gleiches gilt, wenn die Masse voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die bestehenden sonstigen Masseverbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

(2) Das Gericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich bekanntzumachen. Den Massegläubigern ist sie besonders zuzustellen.

(3) Die Pflicht des Verwalters zur Verwaltung und zur Verwertung der Masse besteht auch nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit fort.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, kann vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluß des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Kündigt der Verwalter, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.

(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

(1) Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuß und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.

(2) Der Schuldner hat den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen.

(3) Der Schuldner ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Gerichts jederzeit zur Verfügung zu stellen, um seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen. Er hat alle Handlungen zu unterlassen, die der Erfüllung dieser Pflichten zuwiderlaufen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Jugendvertretung ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten sechs in der Einladung oder die ersten drei in der Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

(3b) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats oder einer Bordvertretung unternimmt und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat oder eine Bordvertretung zu errichten, ist unzulässig, soweit sie aus Gründen erfolgt, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Der Kündigungsschutz gilt von der Abgabe der Erklärung nach Satz 1 bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Absatz 3, § 17a Nummer 3 Satz 2, § 115 Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, längstens jedoch für drei Monate.

(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig, es sei denn, daß ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die Kündigung bei Stillegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2010 - 26 Sa 263/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Die Klägerin war seit dem 1. Oktober 1991 als Konstrukteurin im Betrieb Z der Schuldnerin, in dem ein Betriebsrat gebildet war, beschäftigt. Dort waren etwa 110 Mitarbeiter tätig. Durch Beschluss des Amtsgerichts Aalen - Insolvenzgericht - vom 1. Juni 2009 (- 3 IN 91/09 -) wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 10. Juni 2009 stellte der Beklagte die Produktion in Z ein und stellte alle Arbeitnehmer mit Ausnahme von sechs Beschäftigten, die insolvenzspezifische Tätigkeiten verrichteten, mit Wirkung vom 11. Juni 2009 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Werbende und produzierende Tätigkeiten wurden im Betrieb Z seitdem nicht mehr entfaltet, Aufgaben für Konstrukteure waren nicht mehr vorhanden.

2

Am 24. Juni 2009 einigte der Beklagte sich mit dem Betriebsrat auf einen Interessenausgleich mit Namensliste. Dieser lautet auszugsweise wörtlich:

        

§ 4 Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG

        

Der Betriebsrat erklärt mit Unterzeichnung dieses Interessenausgleiches, dass er bereits im Rahmen der Verhandlungen über diesen Interessenausgleich ordnungsgemäß die nach § 102 BetrVG erforderlichen Informationen über die zu berücksichtigenden Kündigungsgründe und zur Sozialauswahl … erhalten hat und so bereits ordnungsgemäß angehört wurde.

        

... Der Betriebsrat erklärt, dass er die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis nimmt und keine weitere Stellungnahme abgeben wird und das Anhörungsverfahren als abgeschlossen sieht.

        

…       

        

§ 8 Unterrichtung nach § 17 KSchG

        

Der Betriebsrat erklärt hiermit, rechtzeitig und umfassend gemäß § 17 KSchG über die anzeigepflichtigen Maßnahmen unterrichtet worden zu sein. Der vorliegende Interessenausgleich ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrats gemäß § 17 Absatz 3 KSchG125 InsO) sowie § 20 Absatz 1 und 2 KSchG.“

3

Am 24. Juni 2009 ging um 13:24 Uhr der vom stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, der den am 24. und 25. Juni 2009 urlaubsbedingt abwesenden Vorsitzenden vertrat, unterschriebene Interessenausgleich in eingescannter Form per E-Mail bei der Schuldnerin ein. Der Beklagte zeigte mit Schreiben vom 25. Juni 2009, das dort per Telefax um 12:37 Uhr einging, der Agentur für Arbeit die geplante Massenentlassung an. Diesem Schreiben fügte er ein ausgedrucktes, von ihm unterzeichnetes Exemplar des ihm vom Betriebsrat per E-Mail übersandten Interessenausgleichs bei. Aufgrund eines Büroversehens nahm er im Anschreiben auf einen Interessenausgleich vom 2. Juni 2009 Bezug. Die Kündigungserklärungen vom 25. Juni 2009 gab der Beklagte noch am selben Tag gegen 15:45 Uhr zur Post. Der Klägerin ging die Kündigung am 26. Juni 2009 zu.

4

Die Klägerin hat am 17. Juli 2009 Kündigungsschutzklage erhoben. In der Ladung zum Gütetermin erteilte das Arbeitsgericht den Hinweis nach § 6 Satz 2 KSchG wie folgt:

        

„Die klagende Partei wird darauf hingewiesen, dass nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der 1. Instanz auch weitere Unwirksamkeitsgründe geltend gemacht werden können (§ 6 KSchG).“

5

Erstinstanzlich hat die Klägerin lediglich gerügt, der Betrieb der Schuldnerin sei nicht dauerhaft stillgelegt worden. Mangels formgerecht unterzeichneten Interessenausgleichs habe sich der Beklagte auch nicht auf die Rechtswirkungen aus § 1 Abs. 5 KSchG berufen dürfen. Erst in der Berufungsinstanz hat die Klägerin Rügen hinsichtlich der Betriebsratsanhörung und der Wahrung der Pflichten des Beklagten aus § 17 KSchG erhoben. Die Massenentlassungsanzeige sei bereits deshalb nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil im Anschreiben an die Agentur für Arbeit ein falsches Datum des Interessenausgleichs genannt worden sei. Der Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass er der Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 KSchG nachgekommen sei. Der Interessenausgleich habe der gesetzlichen Schriftform nicht genügt und darum nicht die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit ersetzen können.

6

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 25. Juni 2009 nicht aufgelöst wurde.

7

Der Beklagte hat seinen Antrag auf Klageabweisung darauf gestützt, dass es auf den formal wirksamen Abschluss des Interessenausgleichs für die Ersetzungswirkung nicht ankomme.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht habe seiner Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG genügt, so dass sich die Klägerin nach Abschluss der ersten Instanz nicht auf weitere Rügen berufen könne. Ohnehin habe der Beklagte seine Pflichten aus § 102 BetrVG und § 17 KSchG nicht verletzt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe den Inhalt der Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG verkannt. Weil Anhaltspunkte für weitere Unwirksamkeitsgründe vorgelegen hätten, habe es eines konkreten Hinweises des Arbeitsgerichts zu § 102 BetrVG und § 17 KSchG bedurft. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen dazu, dass die Massenentlassungsanzeige nicht ordnungsgemäß erstattet sei.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen.

10

I. Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG wirksam. Die dem zugrunde liegenden Tatsachen hat das Landesarbeitsgericht gemäß § 561 ZPO bindend festgestellt. Gegen diese Feststellung wendet sich die Revision nicht.

11

II. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Klägerin mit der Rüge des Unwirksamkeitsgrundes des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nach § 6 Satz 1 KSchG ausgeschlossen ist, weil sie diese Rüge erstmals in der Berufungsinstanz erhoben hat.

12

1. Nach § 6 Satz 1 KSchG kann sich der Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Frist des § 4 KSchG nicht geltend gemachte Gründe berufen, sofern er innerhalb dieser Frist Kündigungsschutzklage erhoben hat. § 6 Satz 1 KSchG ist damit eine Präklusionsvorschrift(Eylert NZA 2012, 9, 10; Raab RdA 2004, 321, 329).

13

Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift des § 6 Satz 1 KSchG dem „meist nicht rechtskundigen“ Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnen, auch nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG noch andere Unwirksamkeitsgründe in den Prozess einzuführen, auf die er sich zunächst nicht berufen hat. Zugleich wollte er diese Rügemöglichkeit auf die Zeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz beschränken, um dem Arbeitgeber alsbald Klarheit über den Bestand oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verschaffen (BT-Drucks. 15/1204 S. 13). Allerdings führt seit der Neufassung des § 4 KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) die Rüge einer Unwirksamkeit der Kündigung unter weiteren rechtlichen Gesichtspunkten nicht zu einem Wechsel im Streitgegenstand, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags, so dass an sich der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess im Rahmen der geltenden Präklusionsbestimmungen weitere Unwirksamkeitsgründe nachschieben könnte. Unabhängig davon, dass § 6 Satz 1 KSchG insoweit redaktionell missglückt(so BAG 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 65 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 84) bzw. misslungen ist (Eylert NZA 2012, 9; Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 364; Quecke RdA 2004, 86, 101; Bayreuther ZfA 2005, 391, 398), ist diese Regelung von den Gerichten zu achten (Bader NZA 2004, 65, 69; Raab RdA 2004, 321, 329). Der Arbeitnehmer muss deshalb aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 6 Satz 1 KSchG alle weiteren Unwirksamkeitsgründe spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend machen. Geschieht dies nicht, ist er mit dieser Rüge grundsätzlich ausgeschlossen (BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 10, 16, BAGE 124, 367; vgl. auch 4. Mai 2011 - 7 AZR 252/10 - Rn. 19, EzA KSchG § 6 Nr. 3 für die auf § 6 KSchG verweisende Bestimmung des § 17 Satz 2 TzBfG; aA KR/Friedrich 9. Aufl. § 6 KSchG Rn. 18a; Bader/Bram/Kriebel Stand Oktober 2010 § 6 KSchG Rn. 14 ff.; Quecke RdA 2004, 86, 102; Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 365; Bayreuther ZfA 2005, 391, 392).

14

2. Das Arbeitsgericht hat die Klägerin in der Ladung zum Gütetermin entsprechend dem Wortlaut des § 6 Satz 1 KSchG darauf hingewiesen, dass sie sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen kann. Damit hatte es seiner Pflicht aus § 6 Satz 2 KSchG genügt. Eine Verpflichtung des Arbeitsgerichts, die Klägerin auf etwaige Unwirksamkeitsgründe, die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls in Betracht hätten kommen können, hinzuweisen, bestand nach dieser Bestimmung nicht.

15

a) Über Anlass und Inhalt der Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung ist noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen. Der Zweite Senat hat in seiner Entscheidung vom 8. November 2007 (- 2 AZR 314/06 - Rn. 21, BAGE 124, 367) lediglich angenommen, dass ein ausreichender Hinweis an den Kläger dadurch erfolgt sei, dass das Arbeitsgericht eindeutig festgestellt habe, andere Unwirksamkeitsgründe habe der Kläger erstinstanzlich nicht geltend gemacht. Der Siebte Senat hat in der Entscheidung vom 4. Mai 2011 (- 7 AZR 252/10 - Rn. 21, EzA KSchG § 6 Nr. 3)ausdrücklich offengelassen, nach welchen Maßstäben sich die Hinweispflicht des Arbeitsgerichts richtet. In der Entscheidung vom 16. April 2003 (- 7 AZR 119/02 - BAGE 106, 72, 78) hat der Siebte Senat die Hinweispflicht nach § 17 TzBfG, § 6 KSchG aF nicht als verletzt angesehen, weil das Arbeitsgericht weder den Klageanträgen noch der Klagebegründung noch sonstigen Umständen Anhaltspunkte dafür habe entnehmen können, dass die letzte vereinbarte Befristung unwirksam gewesen sein könnte.

16

b) Nach hM in der Literatur muss ein Hinweis nach § 6 Satz 2 KSchG erfolgen, wenn andere Unwirksamkeitsgründe als die bisher gerügten erkennbar in Betracht kommen(Eylert NZA 2012, 9, 11; KR/Friedrich 9. Aufl. § 6 KSchG Rn. 31; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 6 KSchG Rn. 6; APS/Hesse 4 Aufl. § 6 KSchG Rn. 22; Bader/Bram/Kriebel Stand Oktober 2010 § 6 KSchG Rn. 47 hält das „Erfragen“ derartiger Anhaltspunkte in bestimmten Fällen für erforderlich). Bei Vorliegen solcher Umstände soll ein Hinweis auf einen konkreten, im einzelnen vom Gericht zu benennenden Unwirksamkeitsgrund erfolgen (vgl. Eylert aaO, der einen konkreten Hinweis des Arbeitsgerichts verlangt, wenn aufgrund des Tatsachenvorbringens der Parteien die Möglichkeit eines bislang noch nicht ausreichend vorgetragenen Unwirksamkeitsgrundes vorliegt; nach KR/Friedrich aaO hat das Gericht zB auf die Möglichkeit der Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG hinzuweisen). Andere Stimmen in der Literatur halten einen umfassenden Hinweis in Form eines „juristischen Einkaufszettels“ (so polemisch Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 365) auf alle möglichen Unwirksamkeitsgründe für erforderlich (Bader NZA 2004, 65, 69).

17

c) Diese Auslegungen gehen jedoch über den Normgehalt des § 6 Satz 2 KSchG hinaus. Nach dieser Bestimmung soll das Arbeitsgericht den Arbeitnehmer „hierauf“, also darauf, dass er nach § 6 Satz 1 KSchG weitere Unwirksamkeitsgründe (nur) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltend machen kann, hinweisen. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich kein weitergehender Wille des Gesetzgebers. Danach soll der meist nicht rechtskundige Arbeitnehmer, der bei Klageerhebung oft nicht alle Unwirksamkeitsgründe kennt, die Möglichkeit haben, später andere Gründe in den Prozess einzuführen. „Hierauf“ soll ihn das Gericht hinweisen (BT-Drucks. 15/1204 S. 13). Mehr verlangt § 6 Satz 2 KSchG nicht. Deshalb reicht der bloße Hinweis des Arbeitsgerichts auf den Regelungsgehalt des § 6 Satz 1 KSchG zur Wahrung der Hinweispflicht aus § 6 Satz 2 KSchG aus.

18

3. § 6 KSchG führt allerdings in vorstehender Auslegung zu einer nicht unerheblichen Beschneidung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitnehmers. Als Präklusionsvorschrift steht § 6 Satz 1 KSchG im Spannungsverhältnis zwischen den Geboten zur Rechtsschutzgewährung und der Wahrung des rechtlichen Gehörs sowie der anzustrebenden materiellen Richtigkeit der zu treffenden Entscheidung einerseits und der Befolgung der vom Gesetzgeber angeordneten Beschleunigung und Konzentration des Streitstoffs schon in erster Instanz andererseits.

19

a) Es liegt grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob für die Rechtsverfolgung mehrere Instanzen bereitgestellt werden, unter welchen Voraussetzungen diese angerufen werden können und wie weit die Prüfungsbefugnis des jeweils zuständigen Gerichts reicht (vgl. BVerfG 24. Januar 2005 - 1 BvR 2653/03 - BVerfGK 6, 1, 3 für § 531 Abs. 2 ZPO nF). Die Beschränkung der Prüfungsbefugnis des Landesarbeitsgerichts durch § 6 KSchG steht deshalb mit dem Justizgewährungsanspruch des Art. 19 Abs. 4 GG in Einklang.

20

b) Der Gesetzgeber kann auch das rechtliche Gehör im Interesse der Verfahrensbeschleunigung durch Präklusionsvorschriften begrenzen. Allerdings führen Vorschriften wie die des § 6 Satz 1 KSchG dazu, dass einer Partei Vorbringen abgeschnitten werden kann, das zu einem anderen Ausgang des Prozesses geführt hätte. Wegen dieser einschneidenden Folgen für den Anspruch auf rechtliches Gehör müssen solche Vorschriften Ausnahmecharakter haben. Ihre Anwendung durch die Fachgerichte unterliegt einer strengeren verfassungsgerichtlichen Kontrolle, als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts der Fall ist. Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn durch die fehlerhafte Anwendung von Präklusionsvorschriften eine verfassungsrechtlich erforderliche Anhörung nicht stattgefunden hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist dagegen gewahrt, wenn die betroffene Partei ausreichend Gelegenheit hatte, sich in den ihr wichtigen Punkten zur Sache zu äußern, dies aber aus von ihr zu vertretenden Gründen versäumt hat (BVerfG 5. Mai 1987 - 1 BvR 903/85 - BVerfGE 75, 302; 30. Januar 1985 - 1 BvR 876/84 - BVerfGE 69, 145, 149).

21

c) Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts bei der Anwendung von Präklusionsvorschriften verlangt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen „strikt“ eingehalten werden (BGH 12. Januar 1983 - IVa ZR 135/81 - BGHZ 86, 218). Für die Präklusionsvorschrift des § 277 Abs. 2 ZPO stellt der Bundesgerichtshof hohe Anforderungen an die von diesen Vorschriften verlangte gerichtliche Belehrung über die Folgen einer Fristsäumnis. Es müsse dem Beklagten unmissverständlich klar gemacht werden, welcher Nachteil ihm bei Nichteinhaltung der Frist entstehe. Die formularmäßige Mitteilung des Gesetzeswortlauts reiche dabei nicht aus. Die Belehrung müsse vielmehr dem Beklagten sinnfällig vor Augen führen und ihm völlig klar machen, dass er sich gegen die Klage nur innerhalb der gesetzten Frist zur Klagerwiderung verteidigen könne, dass ihm bei Versäumung der Frist im Allgemeinen jegliche Verteidigung abgeschnitten sei und er den Prozess vollständig verlieren werde (st. Rspr. seit BGH 12. Januar 1983 - IVa ZR 135/81 - BGHZ 86, 218, 224 f.). Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht für die Vorschrift des § 56 Abs. 2 ArbGG angeschlossen(BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 362/97 - EzA ArbGG 1979 § 56 Nr. 2).

22

d) Diese Anforderungen an die Belehrung über die Rechtsfolgen einer Versäumung einer gesetzten Frist können nicht auf die Hinweispflicht des § 6 KSchG übertragen werden. Zur Erfüllung dieser Pflicht reicht angesichts des eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Bestimmung vielmehr ein Hinweis auf den Inhalt des § 6 Satz 1 KSchG aus. Im Unterschied zu § 277 Abs. 2 ZPO und § 56 Abs. 2 ArbGG sieht § 6 Satz 2 KSchG nur eine Hinweis-, nicht aber eine Belehrungspflicht vor. Auch bei strikter Anwendung der gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen ist daher eine Belehrung über die Folgen einer verspäteten Einführung von Unwirksamkeitsgründen in den Kündigungsschutzprozess nicht erforderlich, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG zu genügen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des § 6 KSchG ausdrücklich einen „Hinweis“ als ausreichend angesehen und keine Belehrung verlangt(BT-Drucks. 15/1204 S. 13). Ohnehin ist jedenfalls bei einer anwaltlich vertretenen Partei eine Belehrung über die Folgen einer Fristversäumnis verfassungsrechtlich nicht geboten (BVerfG 5. Mai 1987 - 1 BvR 903/85 - BVerfGE 75, 302).

23

e) Jedenfalls einen weder anwaltlich noch gewerkschaftlich vertretenen Arbeitnehmer muss das Arbeitsgericht auf den Regelungsgehalt des § 6 Satz 1 KSchG hinweisen, obwohl § 6 Satz 2 KSchG nur eine Sollvorschrift ist(vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 21, BAGE 124, 367). Unabhängig davon, ob solche „prozessualen Sollvorschriften“ von den Gerichten grundsätzlich zu befolgen sind (in diesem Sinne Bader/Bram/Kriebel Stand Oktober 2010 § 6 KSchG Rn. 48), ist der zwingende Hinweis auf den Inhalt des § 6 Satz 1 KSchG in diesem Fall verfassungsrechtlich geboten. Das Verfahrensrecht dient der Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Blickpunkt richtiger, aber auch gerechter Entscheidungen. Sind dem Richter im Interesse einer angemessenen Verfahrensgestaltung Ermessensbefugnisse eingeräumt, hat er diese Befugnisse so auszulegen und anzuwenden, dass es nicht zu einer Verkürzung des grundrechtlich gesicherten Anspruchs auf einen effektiven Rechtsschutz kommt (BVerfG 27. September 1978 - 1 BvR 361/78 - BVerfGE 49, 220, 225).

24

4. Der Arbeitnehmer hat auch bei dieser Auslegung des § 6 Satz 2 KSchG in einer mit Art. 103 Abs. 1 GG zu vereinbarenden Weise Gelegenheit, sich in den ihm wichtigen Punkten im arbeitsgerichtlichen Verfahren zur Sache zu äußern und sein Rechtsschutzbegehren zu verfolgen. § 6 Satz 2 KSchG kann insoweit nicht isoliert betrachtet werden. Zu berücksichtigen ist auch die Gesamtheit der prozessualen Pflichten des Arbeitsgerichts, in die diese Bestimmung eingebettet ist. In der Gesamtschau mit den neben der Hinweispflicht des § 6 Satz 2 KSchG bestehenden Hinweis- und Fragepflichten des Arbeitsgerichts gemäß § 139 ZPO und dem von den Gerichten zu beachtenden Grundsatz „iura novit curia“ genügt § 6 Satz 1 KSchG den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Präklusion.

25

a) Hinweise des Arbeitsgerichts auf konkrete Unwirksamkeitsgründe sind, wie ausgeführt, unter dem Gesichtspunkt des § 6 Satz 2 KSchG nicht geboten. Das gilt auch dann, wenn im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens deutlich wird, dass Unwirksamkeitsgründe in Betracht kommen, auf die sich der Arbeitnehmer bisher nicht berufen hat. Die Pflicht zu derartigen Hinweisen kann sich allerdings aus der in § 139 ZPO geregelten materiellen Prozessleitungspflicht des Gerichts ergeben, etwa wenn nicht hinreichend deutlich wird, ob eine Partei sich mit ihrem Vorbringen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund berufen will. Aus § 139 Abs. 2 ZPO ergibt sich die Pflicht zum Führen eines Rechtsgesprächs. Darin muss das Gericht unter anderem dann auf einen Gesichtspunkt hinweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme geben, wenn eine Partei diesen Gesichtspunkt erkennbar übersehen hat (BAG 24. Januar 2007 - 4 AZR 28/06 - Rn. 37, ZTR 2007, 502).

26

b) Darüber hinaus hat das Gericht Unwirksamkeitsgründe, deren Vorliegen sich aus dem Vortrag einer der Parteien ergibt, von Amts wegen zu berücksichtigen. Nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln ist ein Klageantrag - unter Beachtung des Streitgegenstands - unter allen aufgrund des Sachvortrags der Parteien in Betracht kommenden rechtlichen Gründen zu prüfen (iura novit curia). Auch unter Geltung der Dispositionsmaxime, wie sie im arbeitsgerichtlichen Verfahren gilt, ist es nicht in das Belieben des Klägers gestellt, auf welche materiell-rechtlichen Vorschriften er sein Begehren stützen will. Er bestimmt mit seinem Antrag vielmehr lediglich den Streitgegenstand, die rechtliche Subsumtion ist Aufgabe des Gerichts (vgl. BSG 20. Oktober 2010 - B 13 R 63/10 B - Rn. 22, SozR 4-1500 § 153 Nr. 11 für das sozialgerichtliche Verfahren). Seit dem 1. Januar 2004 ist, wie ausgeführt, Streitgegenstand der nach § 4 KSchG erhobenen Klage die (Un-)Wirksamkeit der Kündigung als solche unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten mit Ausnahme der Wahrung der Schriftform. Wenn sich demnach aus dem Sachvortrag der Parteien - auch des Arbeitgebers als Beklagtem - ergibt, dass die Kündigung unter einem bisher von keiner Partei ausdrücklich angeführten rechtlichen, vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage erfassten Gesichtspunkt unwirksam ist, muss sich der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich darauf berufen, um im Rechtsstreit unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt zu obsiegen (vgl. Eylert NZA 2012, 9, 10; Bayreuther ZfA 2005, 391, 392; Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 365; Bader NZA 2004, 65, 69). Lediglich unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des rechtlichen Gehörs des Gegners kann vor einer entsprechenden Entscheidung ein Hinweis des Gerichts nach § 139 ZPO auf seine Rechtsauffassung geboten sein.

27

5. Der Klägerin war die Rüge einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG in der Berufungsinstanz abgeschnitten. Das Arbeitsgericht hat, wie ausgeführt, seiner Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG genügt. Mit dem Hinweis, dass „nur“ bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung weitere Unwirksamkeitsgründe geltend gemacht werden könnten, ist es über die Hinweispflicht sogar hinausgegangen. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht, das erstinstanzliche Urteil sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das Arbeitsgericht die ihm nach § 139 ZPO obliegende Hinweispflicht verletzt habe(zu den Anforderungen an die Darlegung eines solchen Verfahrensverstoßes im Berufungsverfahren BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - BAGE 121, 18). Daher kann dahinstehen, ob das Arbeitsgericht Anlass zu einem solchen Hinweis gehabt hätte.

28

III. Auch die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Erstattung der Massenentlassungsanzeige durch den Beklagten erhobenen Rügen verhelfen der Klage nicht zum Erfolg.

29

1. Der Senat hat bisher offengelassen, ob Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die den Arbeitgeber aus § 17 KSchG treffenden Pflichten die Unwirksamkeit der Kündigung ist oder ob es dem Arbeitgeber lediglich verwehrt ist, die Kündigung zu vollziehen(zuletzt ausführlich mit Nachweisen zum Streitstand 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 19, EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3; differenzierend je nach konkretem Fehler des Arbeitgebers bei der Massenentlassungsanzeige Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074). Folgte man dem zweiten Ansatz, wäre § 6 KSchG auf die Rüge des § 17 KSchG nicht anzuwenden(in diesem Sinne Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 363). Das Landesarbeitsgericht hat im Rahmen seiner Hilfsbegründung ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Beklagte die Pflichten aus § 17 KSchG, die auch für den Insolvenzverwalter gelten(BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - aaO; vgl. auch EuGH 3. März 2011 - C-235/10 ua. - Rn. 55, NZA 2011, 337), jedenfalls nicht verletzt hat. Die Rechtsfolge einer Verletzung der Pflichten aus § 17 KSchG kann deshalb weiter offenbleiben.

30

2. Ohne Erfolg rügt die Klägerin, der Beklagte habe gegen seine Konsultationspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verstoßen. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber bei anzeigepflichtigen Entlassungen dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere über die in dieser Vorschrift genannten Umstände zu unterrichten.

31

a) Der Arbeitnehmer ist darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen der Anzeigepflicht nach § 17 KSchG(st. Rspr. zuletzt BAG 24. Februar 2005 - 2 AZR 207/04 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 20 = EzA KSchG § 17 Nr. 14). Steht die Anzeigepflicht fest, hat der Arbeitgeber auf die konkrete Rüge des Arbeitnehmers die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens darzulegen und zu beweisen (ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 40; Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. § 125 Rn. 115).

32

b) Verstöße gegen den gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 6 KSchG erforderlichen Inhalt der Unterrichtung hat die Klägerin nicht hinreichend gerügt.

33

aa) In § 8 des Interessenausgleichs hat der Betriebsrat erklärt, rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden zu sein. Das allein genügte zum Nachweis der Erfüllung der Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG allerdings noch nicht(aA unter Berufung auf BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074, die jedoch übersehen, dass im dortigen Revisionsverfahren Fehler des Arbeitgebers im Konsultationsverfahren nicht Gegenstand von Revisionsangriffen waren). Der Interessenausgleich und das Konsultationsverfahren beziehen sich zwar auf dieselbe mitbestimmungspflichtige Angelegenheit und sind eng miteinander verwoben. Es handelt sich jedoch nicht um ein einheitliches Verfahren. Auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs iSd. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ist der Arbeitgeber deshalb nicht von der Konsultationspflicht des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG entbunden, die Unterrichtung des Betriebsrat unterliegt keinen erleichterten Anforderungen. Insoweit gilt nichts anderes als für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG im Rahmen eines Interessenausgleichsverfahrens(vgl. dazu BAG 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - Rn. 71, AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11).

34

Soweit allerdings die gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflichten aus § 111 BetrVG mit denen aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen(KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 70). Dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollen, muss dabei hinreichend klargestellt werden (KR/Weigand aaO; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 142 Rn. 25; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1073).

35

bb) Die Revision rügt, dem Betriebsrat sei entgegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht mitgeteilt worden, welche Berufsgruppen von der Maßnahme erfasst seien.

36

(1) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob eine solche fehlerhafte Unterrichtung in Fällen wie dem vorliegenden, bei denen ohnehin alle Arbeitnehmer entlassen werden sollen, für den Arbeitgeber nachteilige Rechtsfolgen nach sich zieht (verneinend Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074; vgl. auch ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 36). Die Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG soll es dem Betriebsrat ermöglichen, „konstruktive Vorschläge“ zu unterbreiten(KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56 unter Bezug auf Art. 2 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - MERL). Unterrichtet der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht über die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, kann dies bei der Entlassung aller Arbeitnehmer keine Folgen für diese Prüfung durch den Betriebsrat haben und sich der Fehler nicht zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer auswirken.

37

(2) Diese Frage kann jedoch dahinstehen, denn erst auf eine konkrete Rüge der Klägerin in den Tatsacheninstanzen hin hätte der Beklagte darlegen müssen, inwieweit er den Betriebsrat über die betroffenen Berufsgruppen informiert hat. Die Klägerin hat aber in den Tatsacheninstanzen nicht konkret gerügt, dass der Beklagte seiner Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht nachgekommen sei, sondern dies erstmals in der Revisionsinstanz geltend gemacht. Darum kommt es auch nicht darauf an, ob der Beklagte, wie im Unterrichtungsschreiben vom 25. Juni 2009 angedeutet, die Massenentlassungsanzeige dem Betriebsrat hat zukommen lassen, aus der sich die betroffenen Berufsgruppen ergaben, und ob dies den Anforderungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSchG genügen würde.

38

c) Soweit die Revision die fehlende Schriftform des Interessenausgleichs im Zusammenhang mit den Pflichten des Arbeitgebers aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG rügt, verhilft ihr auch dies nicht zum Erfolg.

39

aa) Die Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste ersetzt allerdings nur die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit. Erforderlich ist daneben noch die schriftliche Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Der Interessenausgleich macht diese schriftliche Unterrichtung nicht entbehrlich (Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 41; vgl. auch Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1072).

40

bb) Die Klägerin stellt im Zusammenhang mit ihrer Rüge der Nichteinhaltung der Schriftform nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG nur auf die fehlende Schriftform des Interessenausgleichs selbst ab. Auf diesen kommt es im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 KSchG jedoch nicht an. Maßgeblich ist die Schriftform der Unterrichtung selbst. In dem von ihm unterzeichneten Unterrichtungsschreiben vom 25. Juni 2009 hat der Beklagte auf eine Liste der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer und die „Anlage zur Anzeige von Entlassungen“ verwiesen. Beide Unterlagen sind ausweislich des Schreibens diesem beigefügt gewesen, befinden sich jedoch nicht in der Akte. Im Übrigen hat der Beklagte im Unterrichtungsschreiben auf den Interessenausgleich Bezug genommen. Ob für die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG die gesetzliche Schriftform nach § 126 BGB einzuhalten ist(so KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 20, 28; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 70; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 56; Schrader in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 17 Rn. 52; Stahlhacke/Vossen 10. Aufl. Rn. 1653; Thüsing/Laux/Lembke/Lembke/Oberwinter KSchG 2. Aufl. § 17 Rn. 82 wollen das Schriftformerfordernis „etwas weiter auslegen“ und die Unterrichtung per Fax oder E-Mail ausreichen lassen), kann dahinstehen. Darum kann ebenfalls offenbleiben, ob der Beklagte bejahendenfalls mit seiner Verfahrensweise nach der sog. „Auflockerungsrechtsprechung“ die erforderliche Einheit der Urkunde gewahrt hat, weil die Anlagen in der Haupturkunde so genau bezeichnet worden waren, dass eine zweifelsfreie Zuordnung möglich war, so dass die Unterzeichnung der beigefügten Anlagen selbst zur Wahrung der gesetzlichen Schriftform nicht erforderlich war (vgl. BGH 29. September 2004 - VIII ZR 341/03 - zu II 2 a der Gründe, ZMR 2004, 901; grundlegend BGH 30. Juni 1999 - XII ZR 55/97 - BGHZ 142, 158, 161). Dazu wäre ein Abgleich mit den im Unterrichtungsschreiben in Bezug genommenen, nicht in der Akte befindlichen Anlagen erforderlich gewesen. Insoweit fehlt es jedoch an Revisionsangriffen der Klägerin. Darum kommt es auch nicht darauf an, welche Rechtsfolge ein Verstoß gegen die Schriftform der Unterrichtung hätte, wenn der Betriebsrat wie hier eine Stellungnahme abgegeben hat (für eine Unschädlichkeit des Formverstoßes KR/Weigand aaO Rn. 65 mwN).

41

3. Entgegen der Ansicht der Revision hat der der Anzeige beigefügte Interessenausgleich mit Namensliste vom 24. Juni 2009 gemäß § 125 Abs. 2 InsO die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erforderliche Stellungnahme des Betriebsrats ersetzt, obwohl zum damaligen Zeitpunkt das Original des Interessenausgleichs nur vom Betriebsrat unterzeichnet war und damit nicht dem Schriftformerfordernis des § 112 Abs. 1 BetrVG genügte.

42

a) Bereits der Wortlaut des § 125 Abs. 2 InsO iVm. § 125 Abs. 1 InsO spricht dafür, dass der Interessenausgleich mit Namensliste bereits dann die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt, wenn er lediglich vom Betriebsrat unterzeichnet, aber noch nicht formwirksam iSv. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG iVm. §§ 125, 126 BGB geschlossen worden ist. § 125 Abs. 2 InsO stellt mit dem Verweis auf Abs. 1 dieser Bestimmung klar, dass die Ersetzungswirkung bereits dann eintritt, wenn der Interessenausgleich „zustande“ gekommen ist. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der den Interessenausgleich regelt, unterscheidet zwischen dessen Zustandekommen(„Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande“) - also der Einigung zwischen den Betriebsparteien - und dessen formgerechter Niederlegung („so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben“). Danach ist ein Interessenausgleich mit Namensliste bereits zustande gekommen, wenn er nicht in der gesetzlichen Schriftform niedergelegt worden ist. Er ist lediglich (noch) nicht wirksam (vgl. BAG 9. Juli 1985 - 1 AZR 323/83 - BAGE 49, 160, 166 f.).

43

b) Auch nach Sinn und Zweck des § 125 Abs. 2 InsO iVm. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG reicht es aus, wenn lediglich der Betriebsrat mit der Unterschrift unter den Interessenausgleich mit Namensliste dokumentiert hat, dass das Konsultationsverfahren abgeschlossen ist(vgl. ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32).

44

aa) § 125 Abs. 2 InsO soll dem Insolvenzverwalter Massenentlassungen erleichtern. Die Vorschrift dient der Beschleunigung des Verfahrens bei Massenentlassungen und lässt es deshalb ausreichen, dass der Insolvenzverwalter seiner schriftlichen Anzeige der Massenentlassung eine Ausfertigung des Interessenausgleichs mit Namensliste beifügt. Die Norm bezweckt damit möglichst schnelle Sanierungen und will Verzögerungen bei der Abwicklung der Rechtsverhältnisse des Schuldners vermeiden (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 22, EzA BertrVG 2001 § 26 Nr. 3). Mit diesen Zielen der Vereinfachung und Beschleunigung stünde es - insbesondere bei großen räumlichen Entfernungen zwischen dem Betriebssitz und dem Sitz des Insolvenzverwalters wie im vorliegenden Fall - nicht im Einklang, die Ersetzungswirkung erst dann eingreifen zu lassen, wenn der Interessenausgleich mit Namensliste nicht nur zustande gekommen ist, sondern auch der Schriftform des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt.

45

bb) Sinn und Zweck der Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 3 KSchG stehen dem nicht entgegen. § 17 KSchG dient dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen von Massenentlassungen. Die Agentur für Arbeit soll die Möglichkeit haben, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen zu sorgen (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 27, EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3). Die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats soll gegenüber der Agentur für Arbeit belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden. Diesem Zweck ist bereits dann genügt, wenn der Anzeige ein allein vom Betriebsrat unterzeichneter Interessenausgleich mit Namensliste beigefügt ist. Mit der Unterschrift durch ein vertretungsberechtigtes Mitglied unter einen solchen Interessenausgleich hat der Betriebsrat seine Meinung zu der anstehenden Massenentlassung abschließend dokumentiert und zum Ausdruck gebracht, dass er das Konsultationsverfahren als abgeschlossen ansieht. Er hat damit zugleich belegt, dass Kündigungen im aus dem Interessenausgleich ersichtlichen Umfang auch nach seiner Auffassung unvermeidlich sind sowie soziale Maßnahmen beraten und ggf. getroffen worden sind (zu diesen Zwecken des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG vgl. KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 8; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32). An diese Willensäußerung ist er gebunden (zur herrschenden Vertragstheorie und der Anwendbarkeit rechtsgeschäftlichen Vertragsrechts BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 37, BAGE 121, 168; 18. Februar 2003 - 1 ABR 17/02 - BAGE 105, 19, 27; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 13; Kreutz GK-BetrVG 9. Aufl. § 77 Rn. 36).

46

cc) Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 125 Abs. 2 InsO und des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG anhand des Wortlauts und des Zwecks der MERL gibt kein anderes Ergebnis vor.

47

(1) Die MERL enthält selbst keine Regelung, wonach der Anzeige der Massenentlassung eine Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung in einer bestimmten Form beigefügt werden muss. Aus Art. 3 Abs. 1 Satz 3 MERL ergibt sich lediglich, dass die Anzeige der Massenentlassung alle zweckdienlichen Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung und die Konsultation der Arbeitnehmervertreter gemäß Art. 2 MERL enthalten muss.

48

(2) Der Senat ist nicht gehalten, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union(AEUV) die Frage vorzulegen, ob die der Anzeige der Massenentlassung beizufügende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung der Schriftform des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügen muss, wenn die Stellungnahme in Gestalt eines Interessenausgleichs mit Namensliste erfolgt. Diese Frage bedarf keiner Beantwortung durch den Gerichtshof der Europäischen Union am Maßstab des Gemeinschaftsrechts (zur Vorlagepflicht vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - AP GG Art. 101 Nr. 65 = EzA KSchG § 17 Nr. 21). Sie betrifft nicht die Auslegung von Unionsrecht, sondern ausschließlich die Anwendung nationalen Rechts. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aufgrund einer unterbliebenen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union liegt nicht vor, wenn die unionsrechtliche Rechtslage klar ist und nur die Rechtslage nach nationalem Recht ungeklärt und umstritten ist(BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - aaO).

49

(3) Aus der von der Revision angeführten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 10. September 2009 (- C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 70, Slg. 2009, I-8163) folgt nichts anderes. Zwar können danach Kündigungen erst nach Abschluss des Konsultationsverfahrens erklärt werden, und die Klägerin nimmt an, das Konsultationsverfahren könne erst dann als abgeschlossen gelten, wenn der Interessenausgleich in der erforderlichen Schriftform vorliege, weil dieser nach dem Vortrag des Beklagten den Abschluss des Konsultationsverfahrens habe dokumentieren sollen. Das trifft jedoch nicht zu. Bereits mit der Unterschrift durch ein vertretungsberechtigtes Mitglied unter den Interessenausgleich mit Namensliste, an die der Betriebsrat, wie ausgeführt, gebunden war, hatte der Betriebsrat dokumentiert, dass aus seiner Sicht das Konsultationsverfahren abgeschlossen war.

50

(4) Der aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - AP GG Art. 101 Nr. 65 = EzA KSchG § 17 Nr. 21) von der Revision gezogene Schluss, wenn bereits das Nachreichen einer Stellungnahme des Betriebsrats bei der Agentur für Arbeit gegen die MERL verstoßen könne, führe denklogisch die fehlende Einreichung einer Stellungnahme des Betriebsrats iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG zu einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige, verfängt nicht. Wie ausgeführt, ist der nur vom Betriebsrat unterzeichnete Interessenausgleich mit Namensliste als Stellungnahme iSv. Art. 3 Abs. 1 Satz 3 MERL anzusehen.

51

4. Der Umstand, dass im Anschreiben an die Agentur für Arbeit aufgrund eines Kanzleiversehens auf einen Interessenausgleich vom 2. Juni 2009 Bezug genommen worden ist, führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Anzeige. Es handelt sich um ein offensichtliches Büroversehen, das keinen Einfluss auf die Prüfung der Agentur für Arbeit haben konnte. Der maßgebliche Interessenausgleich vom 24. Juni 2009 war der Anzeige an die Agentur für Arbeit beigefügt, so dass das Versehen offenkundig war.

52

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Oye    

        

    Uwe Zabel    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 18. Mai 2010 - 14 Sa 14/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 13. Januar 2010 - 13 Ca 59/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer aufgrund eines Interessenausgleichs ohne Namensliste erklärten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Der Kläger war seit dem 1. September 1975 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Mannheim - Insolvenzgericht - vom 1. Oktober 2009 (- 4 IN 353/09 -) wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser informierte den bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat noch am selben Tag über die geplante Entlassung der zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten 96 Arbeitnehmer. Am 8. Oktober 2009 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich ohne Namensliste ab. Dessen § 4 Abs. 3 hält fest:

        

„Die gemäß § 17 Abs. (2) KSchG erforderlichen Auskünfte wurden dem Betriebsrat am 01.10.2009 von dem Insolvenzverwalter erteilt. Der Betriebsrat sieht abschließend keine Möglichkeiten, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden. Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. (2) KSchG ist somit abgeschlossen.“

3

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 erstattete der Beklagte gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit Massenentlassungsanzeige. Er wies sowohl in dieser Anzeige als auch im Anschreiben an die Agentur für Arbeit auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hin. Diesem Anschreiben fügte er ua. das Formular der Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG bei. Nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 12. Oktober 2009 zum 31. Januar 2010.

4

Mit seiner am 21. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht Mannheim eingegangenen Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung. Im Hinblick auf eine von der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin abgegebene Rückkehrgarantie hat er der Rechtsvorgängerin den Streit verkündet. Diese ist durch Schriftsatz vom 1. Dezember 2009 dem Rechtsstreit aufseiten des Klägers beigetreten. Der Kläger strebt in einem weiteren, gegen die Streithelferin geführten Verfahren eine Wiedereinstellung durch diese an. Zwischenzeitlich hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteilen vom 14. März 2012 (- 7 AZR 147 bis 149/11 -) in Parallelverfahren den dortigen Klägern einen Wiedereinstellungsanspruch zugebilligt.

5

Der Kläger hat bestritten, dass der Massenentlassungsanzeige vom 8. Oktober 2009 der Interessenausgleich vom selben Tag beigefügt gewesen sei. Er hat die Auffassung vertreten, die Übersendung einer Stellungnahme des Betriebsrats in einem Interessenausgleich ohne Namensliste an die Agentur für Arbeit genüge auch nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Beifügung einer Stellungnahme bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige. Ein Interessenausgleich sei ein zweiseitiger Vertrag, nicht aber eine einseitige Stellungnahme des Betriebsrats. Erforderlich sei vielmehr eine Stellungnahme, die sich erkennbar auf die konkret anzuzeigenden Entlassungen beziehe. Dafür reiche es nicht aus, wenn die Verlautbarungen des Betriebsrats aus anderen rechtlichen Zusammenhängen herrührten. Jedenfalls habe die Kündigungsfrist erst mit Ablauf der Sperrfrist zu laufen begonnen.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der C GmbH durch die mit Schreiben des Beklagten vom 12. Oktober 2009 - zugegangen am 14. Oktober 2009 - ausgesprochene Kündigung zum 31. Januar 2010, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, nicht aufgelöst ist.

7

Der Beklagte hat zur Begründung seines Begehrens auf Klageabweisung die Auffassung vertreten, die Übersendung der in den Interessenausgleich integrierten Stellungnahme des Betriebsrats an die Agentur für Arbeit habe den gesetzlichen Anforderungen genügt. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG schreibe für die Stellungnahme keine besondere Form vor. Einer gesonderten Stellungnahme habe es deshalb nicht bedurft.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Beklagten ist begründet. Seine Kündigung vom 12. Oktober 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31. Januar 2010 beendet.

10

I. Der Umstand, dass der Kläger die Wiedereinstellung durch die Streitverkündete erstrebt, steht der Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage nicht entgegen. Das dafür erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich bereits daraus, dass der unter das Kündigungsschutzgesetz fallende Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage nach § 4 Satz 1 KSchG erheben muss, um den Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG zu verhindern(BAG 11. Februar 1981 - 7 AZR 12/79 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 8 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 20).

11

II. § 17 KSchG steht der Kündigung nicht entgegen. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft einen Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG angenommen.

12

1. Eine Verletzung der Konsultationspflicht gemäß § 17 Abs. 2 KSchG hat der Kläger nicht gerügt(vgl. zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das ordnungsgemäße Verfahren nach § 17 KSchG BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 31).

13

2. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 KSchG, die uneingeschränkt auch für den Insolvenzverwalter gilt(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 29), als solche liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat bindend festgestellt, dass der Beklagte der örtlichen Agentur für Arbeit mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 die Massenentlassung angezeigt hat und dieses Schreiben dort spätestens am 12. Oktober 2009 vor Erklärung der streitbefangenen Kündigung eingegangen ist.

14

3. Der Beklagte hat der Anzeige auch - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt. Dafür genügte die Beifügung des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009, in dem der Betriebsrat unter § 4 Abs. 3 zur beabsichtigten Massenentlassung abschließend Stellung genommen hatte.

15

a) Hat der Betriebsrat eine Stellungnahme zu dem Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem Arbeitgeber geführten Beratungen abgegeben, ist diese gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG der Anzeige der Massenentlassung gegenüber der örtlichen Agentur für Arbeit beizufügen. Haben Betriebsrat und Arbeitgeber einen Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen, ersetzt dieser gemäß § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats. In einem solchen Fall genügt also die Beifügung des Interessenausgleichs mit Namensliste den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Dies gilt selbst dann, wenn im Interessenausgleich keine Bekundungen des Betriebsrats zu den Beratungen mit dem Arbeitgeber enthalten sind.

16

b) Ein Interessenausgleich ohne Namensliste, wie er im vorliegenden Fall vereinbart worden ist, kann zwar mangels gesetzlicher Anordnung die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzen. Die Stellungnahme des Betriebsrats wird nur in den Fällen des § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG und des § 125 Abs. 2 InsO durch die Betriebsratsbeteiligung in anderen Zusammenhängen ersetzt(APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 112). Mit Ausnahme dieser Fälle gibt der Betriebsrat eine Stellungnahme iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG durch die Ausübung anderer betriebsverfassungsrechtlicher oder sonstiger Rechte nicht ab. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts geht es im vorliegenden Fall aber nicht um die Ersetzung der Stellungnahme durch einen Interessenausgleich ohne Namensliste, sondern darum, ob eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt oder ob dafür eine separate Stellungnahme des Betriebsrats in einem eigenständigen Dokument erforderlich ist.

17

c) § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt keine Stellungnahme des Betriebsrats in einem eigenständigen Dokument.

18

aa) Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ergibt sich allerdings nicht, welche Anforderungen an die beizufügende Stellungnahme des Betriebsrats zu stellen sind. Dem Wort „Beifügung“ lässt sich nur entnehmen, dass es sich um eine verkörperte Erklärung handeln muss, nicht jedoch, ob diese in einem eigenständigen Dokument erfolgen muss.

19

bb) Aus Sinn und Zweck des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG folgt, dass eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats den gesetzlichen Anforderungen genügt.

20

(1) Welchem Zweck die gesetzliche Anordnung, der Massenentlassungsanzeige die Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen, dient, lässt sich nur in der Zusammenschau mit den Zwecken der Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG und zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG ermitteln.

21

(a) § 17 KSchG dient in Umsetzung der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - MERL - dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen von Massenentlassungen. Hauptziel der MERL ist im Hinblick auf die sozioökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen, solchen Entlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern und die Unterrichtung der zuständigen Behörde vorangehen zu lassen (vgl. EuGH 15. Februar 2007 - C-270/05 - [Athinaïki Chartopoiïa] Rn. 28, Slg. 2007, I-1499; 10. Dezember 2009 - C-323/08 - [Rodríguez Mayor] Rn. 44, Slg. 2009, I-11621). Die Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern erstreckt sich auf die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern (vgl. EuGH 10. Dezember 2009 - C-323/08 - [Rodríguez Mayor] Rn. 43, aaO; 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337). Die Agentur für Arbeit soll die Möglichkeit haben, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarkts einzuleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen zu sorgen (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45).

22

(b) Ausgehend von diesen Zielen soll die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zur Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden. Sie soll zugleich belegen, dass soziale Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45). Schließlich soll das Beifügungserfordernis verhindern, dass der Arbeitgeber eine für ihn ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit verschweigt, um eine für ihn günstige Entscheidung der Behörde zu erwirken (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 111).

23

(2) Diesen Zwecken genügt eine in den Interessenausgleich integrierte abschließende Stellungnahme des Betriebsrats, die erkennen lässt, dass sie sich auf die angezeigten Kündigungen bezieht (vgl. Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2; Grau/Sittard BB 2011, 1845, 1850; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32; jeweils mit Formulierungsvorschlag: Krieger/Ludwig NZA 2010, 919, 921; Mückl ArbRAktuell 2011, 238, 239 f.; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1073). Das gilt umso mehr, als die Unterrichtungspflichten nach § 111 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG weitgehend übereinstimmen. Die Verfahrensregelungen der §§ 111 ff. BetrVG gewährleisten eine umfangreiche Information des Betriebsrats und ernsthafte Beratungen über Alternativlösungen iSd. MERL (vgl. BAG 18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III 1 b der Gründe, BAGE 107, 318; 30. März 2004 - 1 AZR 7/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 110, 122; ausführlich Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 166 bis 169; vgl. auch Krieger/Ludwig aaO; Mückl aaO; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 915; Schramm/Kuhnke aaO). Mit seiner Unterschrift unter einen solchen Interessenausgleich dokumentiert der Betriebsrat seine Meinung zu der anstehenden Massenentlassung abschließend und bringt zum Ausdruck, dass er das Konsultationsverfahren als abgeschlossen ansieht. Verlangte man vom Arbeitgeber, sich für die Massenentlassungsanzeige vom Betriebsrat zusätzlich zu dessen bereits in den Interessenausgleich aufgenommener Stellungnahme diese in einem gesonderten Schreiben wiederholen zu lassen oder die Stellungnahme aus dem Interessenausgleich herauszukopieren und auf einem Extrablatt auszudrucken, wäre dies ein überflüssiger Formalismus. Ein größerer Erkenntniswert oder Informationsgewinn für die Agentur für Arbeit wäre damit nicht verbunden (in diesem Sinn auch Bissels aaO).

24

(3) Dem lässt sich, anders als der Kläger meint, nicht entgegenhalten, dass der Betriebsrat im Interessenausgleich, der einen zweiseitigen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat darstelle, nicht die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte einseitige Stellungnahme abgeben könne. Beim Interessenausgleich handelt es sich nicht um einen zweiseitigen Vertrag, sondern um eine kollektive Vereinbarung besonderer Art, deren Rechtsqualität nicht abschließend geklärt ist (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 15/05 - Rn. 27, BAGE 118, 131). In dieser Vereinbarung kann jede der Betriebsparteien einseitige Erklärungen abgeben, sei es der Arbeitgeber zu den Gründen der Betriebsänderung, sei es der Betriebsrat in Form der Stellungnahme zu der Anhörung nach § 102 BetrVG(vgl. APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 117a) oder zu der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG.

25

cc) Das Argument des Landesarbeitsgerichts, dass es nicht Sache der Agentur für Arbeit sei, vom Arbeitgeber der Anzeige beigefügte, beliebige Unterlagen mit Erklärungen der Betriebspartner wie etwa einen Interessenausgleich daraufhin zu untersuchen, ob sich hieraus im Wege der Auslegung eine Stellungnahme des Betriebsrats iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ableiten lasse, überzeugt nicht.

26

(1) Zum einen berücksichtigt das Landesarbeitsgericht nicht, dass der Beklagte sowohl in der Massenentlassungsanzeige als auch im Begleitschreiben an die Agentur für Arbeit ausdrücklich auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hingewiesen und den Inhalt von § 4 des Interessenausgleichs im Anschreiben wörtlich wiedergegeben hatte. Die Agentur für Arbeit musste deshalb keineswegs die eingereichten Unterlagen auf eine ggf. darin enthaltene Stellungnahme des Betriebsrats untersuchen und erst recht nicht die Stellungnahme im Wege der Auslegung aus den eingereichten Unterlagen ableiten. Sie musste lediglich § 4 des als Anlage 4 der Anzeige beigefügten Interessenausgleichs berücksichtigen. Hätte der Beklagte als Anlage 5 der Massenentlassungsanzeige eine gesonderte Stellungnahme des Betriebsrats zur beabsichtigten Massenentlassung beigefügt, wäre der Agentur für Arbeit kein geringerer Aufwand entstanden (vgl. Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2).

27

(2) Zum anderen gilt für die Entscheidung der Agentur für Arbeit über die Massenentlassungsanzeige nicht, wie das Landesarbeitsgericht anzunehmen scheint, der Beibringungsgrundsatz. Vielmehr unterliegt das dabei einzuhaltende Verfahren neben den Regelungen des § 20 KSchG den allgemeinen sozialverfahrens- und verwaltungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere den Bestimmungen des SGB X(vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 20 KSchG Rn. 19). Gemäß § 20 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Die Agentur für Arbeit hat also von Amts wegen festzustellen, ob die formellen Voraussetzungen der Anzeige erfüllt sind. Dazu gehört auch die Prüfung, ob der Anzeige - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt ist. Bei Zweifeln muss die Agentur für Arbeit beim Arbeitgeber gemäß § 20 Abs. 3 KSchG rückfragen(vgl. Mückl ArbRAktuell 2011, 238, 240).

28

Entsprechend diesen gesetzlichen Anforderungen stellt die Agentur für Arbeit selbst in ihrer Praxis keine hohen Anforderungen an die Form der Stellungnahme (vgl. Nr. 17.33 der Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Dritten und Vierten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes Stand Juli 2005 zu § 17 Abs. 3).

29

d) Die in § 4 des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009 abgegebene Stellungnahme des Betriebsrats genügt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG.

30

aa) Der Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 war der an die Agentur für Arbeit übersandten Massenentlassungsanzeige beigefügt. Dies hat zwar das Landesarbeitsgericht nicht bindend iSv. § 559 Abs. 2 ZPO festgestellt. Diese Behauptung des Beklagten ist jedoch gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig geworden und daher der Entscheidung zugrunde zu legen.

31

(1) Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen grundsätzlich davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - zu II 2 b aa der Gründe, NJW 1999, 1404).

32

(2) Der Kläger hat die Beifügung des Interessenausgleichs zunächst zulässig mit Nichtwissen bestritten. Im Hinblick auf das daraufhin vom Beklagten vorgelegte Telefaxprotokoll seines Schreibens an die Agentur für Arbeit wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, seinen Sachvortrag insoweit zu substantiieren. Da er dies nicht getan hat, ist die Übersendung des Interessenausgleichs an die Agentur für Arbeit unstreitig geworden.

33

bb) Der Betriebsrat hat im Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 eine eindeutige und abschließende Stellungnahme abgegeben. Der Erklärung in § 4 Abs. 3 des Interessenausgleichs, dass dem Betriebsrat die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderlichen Auskünfte erteilt worden seien, dieser abschließend keine Möglichkeiten sehe, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden, und das Konsultationsverfahren somit abgeschlossen sei, lassen sich drei Aussagen entnehmen. Erstens wird zum Ausdruck gebracht, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht. Zweitens enthält § 4 Abs. 3 des Interessenausgleichs eine eindeutige Meinungsäußerung des Betriebsrats zu den beabsichtigten Entlassungen(für eine Auslegung in diesem Sinn auch: Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2). Drittens wird ausdrücklich erklärt, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme handelt. Mehr ist von einer Stellungnahme iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht zu verlangen.

34

4. Die zu II 3 c bb dargestellten Grundsätze zum Verständnis der MERL sind durch die angeführte jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, so dass ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV nicht erforderlich war(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151). Der Senat ist auch nicht gehalten, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV die Frage vorzulegen, ob die der Anzeige der Massenentlassung beizufügende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung auch in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integriert sein kann oder in einem separaten Dokument enthalten sein muss. Diese Frage bedarf keiner Beantwortung durch den Gerichtshof der Europäischen Union am Maßstab des Unionsrechts. Die MERL enthält selbst keine Regelung, in welcher Form die Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung zu erfolgen hat. Die im vorliegenden Rechtsstreit zu beantwortende Frage betrifft damit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern ausschließlich die Anwendung nationalen Rechts (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 48; zur Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte bei der Auslegung von Unionsrecht vgl. BVerfG 7. Juni 2011 - 1 BvR 2109/09 - Rn. 18 ff., ZLR 2011, 608; 24. Oktober 2011 - 2 BvR 1969/09 - Rn. 25 ff.).

35

III. Weitere Gründe, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könnten, hat der Kläger nicht mehr geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

36

IV. Die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende aus § 113 Satz 2 InsO ist eingehalten. Die Kündigungsfrist hat entgegen der Auffassung des Klägers mit dem Zugang der Kündigungserklärung und nicht erst mit dem Ende der Sperrfrist zu laufen begonnen (vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 27 ff., BAGE 128, 256).

37

V. Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Döpfert    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 9. Februar 2010 - 1 Sa 586/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten.

2

Die Klägerin war seit Februar 2006 in L in einem von 47 Modefachgeschäften der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Verkäuferin gegen eine monatliche Vergütung iHv. 1.234,02 Euro brutto. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 1. November 2008 (- 100 IN 128/08 -) wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und die Eigenverwaltung der Insolvenzmasse unter der Aufsicht eines Sachwalters angeordnet. Zu ihrer wirtschaftlichen Sanierung plante die Beklagte ua. die Schließung von Filialen. Am 12. November 2008 lud der Vorsitzende des bei der Beklagten gebildeten Gesamtbetriebsrats in Abstimmung mit der Beklagten die Betriebsratsvorsitzenden der Filialen und ihre Stellvertreter zu einer Betriebsräteversammlung am 17. November 2008 nach H ein. Als Tagesordnungspunkte waren ua. Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen vorgesehen. Außerdem wurde im Einladungsschreiben die Übergabe der Anhörungen zu den Kündigungen durch die Beklagte angekündigt. Der Vorsitzende des Betriebsrats der Filiale der Beklagten in L nahm an der Betriebsräteversammlung nicht teil.

3

Am 17. November 2008 kam in H zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Beklagten mit Zustimmung des Sachwalters ein Interessenausgleich zustande. Dieser sah ua. die Schließung der Filiale der Beklagten in L vor. Die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden sollte, waren in dem Interessenausgleich namentlich bezeichnet. Die für die Filiale der Beklagten in L erstellte Namensliste enthält die Namen aller dort Beschäftigten. In § 6 Ziffer 3 des Interessenausgleichs heißt es:

        

„Die Arbeitgeberin hat den Gesamtbetriebsrat und die Betriebsräte im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen im Sinne des § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet. Diese Vereinbarung ersetzt zugleich die erforderliche und abschließende Stellungnahme des Betriebsrates gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung wird bestätigt, dass das Konsultationsverfahren insoweit für die im Interessenausgleich beschriebene Maßnahme abgeschlossen ist.“

4

Da der Betriebsratsvorsitzende der Filiale L nicht zur Betriebsräteversammlung in H erschienen war, händigte dort die Beklagte durch ihre Teamleiterin Personal das Anhörungsschreiben zu den beabsichtigten Kündigungen der in ihrer Filiale in L Beschäftigten und weitere Unterlagen der anwesenden Stellvertreterin des Betriebsratsvorsitzenden aus. Diese quittierte mit ihrer Unterschrift die Entgegennahme für den Betriebsrat der Filiale L. Die Beklagte zeigte mit einem am nachfolgenden Tag bei der Agentur für Arbeit in L eingegangenen Schreiben vom 20. November 2008 die beabsichtigte Entlassung der in ihrer Filiale in L Beschäftigten an. Ihrer Anzeige fügte sie den am 17. November 2008 mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommenen Interessenausgleich bei. Mit einem Schreiben vom 24. November 2008 teilte der Vorsitzende des Betriebsrats der Filiale L der Beklagten mit, der Betriebsrat nehme die Kündigungen zur Kenntnis. Wann die Beklagte dieses Schreiben erhalten hat, steht nicht fest. Nach dem Eingang des Bescheids der Agentur für Arbeit vom 24. November 2008 kündigte die Beklagte ihr Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit zwei inhaltsgleichen Schreiben vom 26. November 2008 ordentlich zum 28. Februar 2009, wobei ein Schreiben der Klägerin am 27. November 2008 übergeben worden und das andere Schreiben der Klägerin am 28. November 2008 mit der Post zugegangen ist.

5

Mit ihrer am 8. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht Leipzig eingegangenen Kündigungsschutzklage hat die Klägerin die Rechtsunwirksamkeit der ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 26. November 2008 geltend gemacht. Sie hat gemeint, die Beklagte habe den Betriebsrat vor den Kündigungen nicht ordnungsgemäß angehört. Der Vorsitzende des Betriebsrats der Filiale L sei nicht verhindert gewesen, das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 17. November 2008 zu den beabsichtigten Kündigungen entgegenzunehmen. Da die Stellvertreterin des Betriebsratsvorsitzenden der Filiale L am 17. November 2008 in H nicht zur Entgegennahme des Anhörungsschreibens berechtigt gewesen sei, sei die Frist von einer Woche, innerhalb der ein Betriebsrat dem Arbeitgeber Bedenken gegen eine beabsichtigte ordentliche Kündigung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG mitteilen könne, nicht an diesem Tag in Gang gesetzt worden. Die Beklagte habe der Agentur für Arbeit die Massenentlassung nicht ordnungsgemäß angezeigt. Die Anzeige sei ohne die erforderliche Stellungnahme des Betriebsrats der Filiale L erstattet worden. Der beigefügte, mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommene Interessenausgleich mit Namensliste habe die Stellungnahme des örtlichen Betriebsrats zu den beabsichtigten Entlassungen nicht ersetzt.

6

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 26. November 2008 nicht beendet worden ist.

7

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, sie habe davon ausgehen dürfen, dass der Vorsitzende des Betriebsrats der Filiale L verhindert gewesen sei, an der Betriebsräteversammlung am 17. November 2008 in H teilzunehmen und entsprechend der Ankündigung im Einladungsschreiben ihr Anhörungsschreiben zu den beabsichtigten Kündigungen entgegenzunehmen. Der mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommene Interessenausgleich habe gemäß § 125 Abs. 2 InsO die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erforderliche Stellungnahme des Betriebsrats zu den beabsichtigten Entlassungen ersetzt. Der Gesamtbetriebsrat sei für den Abschluss des betriebsübergreifenden Interessenausgleichs zuständig gewesen und deshalb auch für die Stellungnahme gegenüber der Agentur für Arbeit im Rahmen der Massenentlassungsanzeige.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben sie deshalb zu Recht abgewiesen.

10

I. Die Kündigungsschutzklage ist zulässig. Allerdings erfasst der Wortlaut des Klageantrags mit der Formulierung „die ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 26.11.2008“ nicht nur eine von der Beklagten an diesem Tag erklärte Kündigung. Damit wollte die Klägerin erkennbar dem Umstand Rechnung tragen, dass die Beklagte ihr das eine der beiden inhaltsgleichen Kündigungsschreiben vom 26. November 2008 am nachfolgenden Tag übergeben hat und ihr das andere Kündigungsschreiben vom 26. November 2008 am 28. November 2008 mit der Post zugestellt worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit den beiden inhaltsgleichen Kündigungsschreiben vom 26. November 2008 zwei rechtlich selbständige Kündigungen erklären wollte, liegen nicht vor. Die Beklagte hat nur einen auf die Erklärung einer einheitlichen Kündigung gerichteten Willen „doppelt verlautbart“ (vgl. BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - BAGE 131, 155). Der Klageantrag der Klägerin kann interessengerecht so ausgelegt werden, dass er sich auf diese einheitliche Kündigung bezieht.

11

II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. November 2008 nach Ablauf der in § 113 Satz 2 InsO geregelten Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende und damit zum 28. Februar 2009 aufgelöst worden. Für ein Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung gelten nach § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO grundsätzlich die gleichen Vorschriften wie für ein Regelinsolvenzverfahren und somit auch die Vorschriften für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

12

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Kündigung nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, weil der Betriebsrat der Filiale L vor der Kündigung nicht ordnungsgemäß gehört worden ist.

13

a) Die Beklagte hat die Kündigung am 26. November 2008 erst nach Ablauf der Frist von einer Woche erklärt, innerhalb der der Betriebsrat der Filiale L gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG unter Angabe der Gründe Bedenken gegen die ordentliche Kündigung mitzuteilen hatte. Deshalb kann dahingestellt bleiben, wann das Schreiben vom 24. November 2008, mit dem der Vorsitzende des Betriebsrats der Filiale L mitgeteilt hat, dass der Betriebsrat die Kündigungen zur Kenntnis nimmt, der Beklagten zugegangen ist und ob es sich bei dieser Mitteilung um eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats zur Kündigungsabsicht der Beklagten gehandelt hat.

14

b) Ohne Erfolg rügt die Klägerin, die Stellvertreterin des Betriebsratsvorsitzenden der Filiale L sei am 17. November 2008 in H nicht zur Entgegennahme des Anhörungsschreibens berechtigt gewesen, so dass die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG an diesem Tag nicht in Gang gesetzt und damit nicht gemäß § 187 Abs. 1 BGB iVm. § 188 Abs. 2 BGB am Montag, dem 24. November 2008, abgelaufen sei. Allerdings ist der Stellvertreter des Betriebsratsvorsitzenden kein zweiter Vorsitzender, sondern tritt nur im Verhinderungsfall in dessen Rechtsposition ein (Kreft in Wlotzke/Preis/Kreft BetrVG 4. Aufl. § 26 Rn. 26; ErfK/Koch 11. Aufl. § 26 BetrVG Rn. 3; DFL/Maschmann 3. Aufl. § 26 BetrVG Rn. 4). Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist im Fall der Verhinderung des Vorsitzenden des Betriebsrats sein Stellvertreter zur Entgegennahme von Erklärungen, die dem Betriebsrat gegenüber abzugeben sind, berechtigt. Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Vorsitzende des Betriebsrats der Filiale L im Sinne dieser Vorschrift verhindert, am 17. November 2008 in H das Anhörungsschreiben der Beklagten entgegenzunehmen. Deshalb ist das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 17. November 2008 dem Betriebsrat der Filiale L mit der Aushändigung an die Stellvertreterin des Betriebsratsvorsitzenden an diesem Tag zugegangen und die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gemäß § 187 Abs. 1 BGB iVm. § 188 Abs. 2 BGB am Montag, dem 24. November 2008, und damit vor der Kündigung vom 26. November 2008 abgelaufen. Eine unter Anwesenden übergebene, verkörperte Erklärung wird durch ihre Aushändigung an den Adressaten wirksam (BAG 4. November 2004 - 2 AZR 17/04 - AP BGB § 623 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 130 Nr. 4).

15

c) Die Worte „im Fall seiner Verhinderung“ in § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bringen zum Ausdruck, dass der Stellvertreter des Vorsitzenden zur Entgegennahme von dem Betriebsrat gegenüber abzugebenden Erklärungen nur berechtigt ist, wenn und solange der Vorsitzende selbst verhindert ist(vgl. BAG 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - BAGE 49, 136, 144; 28. Februar 1974 - 2 AZR 455/73 - BAGE 26, 27, 30). Für die Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen der Betriebsratsvorsitzende verhindert ist, gelten die für die zeitweilige Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG maßgebenden Grundsätze entsprechend(vgl. Fitting 25. Aufl. § 26 Rn. 45; Kreft in Wlotzke/Preis/Kreft BetrVG 4. Aufl. § 26 Rn. 27; ErfK/Koch 11. Aufl. § 26 BetrVG Rn. 3; HWK/Reichold 4. Aufl. § 26 BetrVG Rn. 12).

16

aa) Eine zeitweilige Verhinderung im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG liegt vor, wenn das Betriebsratsmitglied vorübergehend aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Eine tatsächliche Verhinderung ist zB bei der auswärtigen Wahrnehmung des Erholungs- oder Bildungsurlaubs, bei Kuraufenthalten, Dienstreisen oder der Teilnahme an Schulungs- oder Bildungsveranstaltungen anzunehmen (vgl. Kreft in Wlotzke/Preis/Kreft BetrVG 4. Aufl. § 25 Rn. 10; Fitting 25. Aufl. § 25 Rn. 17; ErfK/Koch 11. Aufl. § 25 BetrVG Rn. 4; HWK/Reichold 4. Aufl. § 25 BetrVG Rn. 5; DFL/Maschmann 3. Aufl. § 25 BetrVG Rn. 3).

17

bb) Ist ein Betriebsratsvorsitzender aufgrund einer solchen Ortsabwesenheit tatsächlich verhindert, im Betrieb Erklärungen entgegenzunehmen, die dem Betriebsrat gegenüber abzugeben sind, zB ein Anhörungsschreiben des Arbeitgebers zu einer beabsichtigten Kündigung, ist gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sein Stellvertreter zur Entgegennahme berechtigt. So verhält es sich aber auch, wenn dem Betriebsrat rechtzeitig angekündigt wird, wann und wo der Arbeitgeber ihm gegenüber außerhalb des Betriebs eine Erklärung abgeben will, die Entgegennahme dieser Erklärung des Arbeitgebers außerhalb des Betriebs vom Betriebsrat bzw. seinem Vorsitzenden nicht abgelehnt wird und der Betriebsratsvorsitzende die Erklärung des Arbeitgebers aufgrund Ortsabwesenheit nicht entgegennehmen kann. Auch in diesem Fall ist der Vorsitzende des Betriebsrats aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage und damit im Sinne von § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verhindert, die Erklärung des Arbeitgebers entgegenzunehmen mit der Folge, dass sein Stellvertreter zur Entgegennahme berechtigt ist und eine schriftliche Erklärung dem Betriebsrat zugeht, wenn sie mit Einverständnis des Stellvertreters diesem außerhalb des Betriebs ausgehändigt wird.

18

2. Ohne Erfolg rügt die Klägerin, die Beklagte habe die Massenentlassung der Agentur für Arbeit nicht ordnungsgemäß angezeigt, weil sie ihrer Anzeige entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats der Filiale L zu den Kündigungen beigefügt habe. Diese Stellungnahme hat der am 17. November 2008 zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommene Interessenausgleich gemäß § 270 Satz 2 InsO iVm. § 125 Abs. 2 InsO ersetzt.

19

a) Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG hat der Arbeitgeber bei nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG der Agentur für Arbeit anzuzeigenden Entlassungen der schriftlichen Anzeige die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beizufügen. Die Pflicht zur Anzeige nach § 17 KSchG bei Massenentlassungen gilt auch für den Insolvenzverwalter(FK-InsO/Eisenbeis 5. Aufl. § 125 Rn. 26; Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. § 125 Rn. 112). Es kann wie in der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 38 = EzA KSchG § 17 Nr. 22; 29. November 2007 - 2 AZR 763/06 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 95 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 79; 13. Juli 2006 - 6 AZR 198/06 - Rn. 21, BAGE 119, 66; 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 32, BAGE 117, 281) offenbleiben, ob Kündigungen, die der Arbeitgeber erklärt, ohne zuvor die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß vorzunehmen, stets unwirksam sind(in diesem Sinne KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 91; ErfK/Kiel 11. Aufl. § 17 KSchG Rn. 31; Mückl ArbR 2011, 238). In der Regel führen die Unterlassung der Massenentlassungsanzeige vor der Kündigung oder eine den Anforderungen des § 17 KSchG nicht genügende Anzeige allerdings dazu, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflösen kann und deshalb der Kündigungsschutzklage stattzugeben ist(vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - aaO).

20

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin musste die Beklagte ihrer Massenentlassungsanzeige vom 21. November 2008 jedoch keine Stellungnahme des Betriebsrats der Filiale L zu den von ihr beabsichtigten Entlassungen beifügen. Es reichte aus, dass sie die Massenentlassungsanzeige unter Beifügung einer Ausfertigung des am 17. November 2008 zwischen ihr und dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommenen Interessenausgleichs erstattet hat. § 125 Abs. 2 InsO regelt, dass der Interessenausgleich nach § 125 Abs. 1 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt. In dem am 17. November 2008 zustande gekommenen Interessenausgleich waren die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden sollte, namentlich bezeichnet. Damit hat der der Massenentlassungsanzeige beigefügte Interessenausgleich die in § 125 Abs. 1 InsO genannte Voraussetzung einer namentlichen Bezeichnung der Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, erfüllt.

21

c) Allerdings regelt § 125 Abs. 2 InsO nicht ausdrücklich, dass auch ein mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt. Der Wortlaut des § 125 Abs. 2 InsO schließt dies jedoch auch nicht aus. Er spricht vielmehr für dieses Verständnis. Die Formulierung „Der Interessenausgleich nach Abs. 1 ersetzt …“ erfasst dem Wortlaut nach jeden qualifizierten Interessenausgleich mit Namensliste unabhängig davon, ob dieser mit dem Betriebsrat oder dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommen ist.

22

d) Sinn und Zweck der Regelung in § 125 Abs. 2 InsO bestätigen dieses Verständnis. Die Vorschrift soll dem Insolvenzverwalter eine Erleichterung bei einer Massenentlassung bringen (Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. § 125 Rn. 112). Sie dient der Beschleunigung des Verfahrens bei Massenentlassungen und lässt es deshalb ausreichen, dass der Insolvenzverwalter seiner schriftlichen Anzeige der Massenentlassung eine Ausfertigung des Interessenausgleichs mit Namensliste beifügt (Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 125 Rn. 31). Die Norm bezweckt damit möglichst schnelle Sanierungen und will Verzögerungen bei der Abwicklung der Rechtsverhältnisse des Schuldners vermeiden (BT-Drucks. 12/2443 S. 149). Dieses Ziel der Vereinfachung und Beschleunigung würde aber bei betriebsübergreifenden Betriebsänderungen zur Sanierung des Unternehmens verfehlt, wenn ein mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzen würde, sondern der Insolvenzverwalter trotz des mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommenen Interessenausgleichs mit Namensliste noch die Stellungnahmen der einzelnen Betriebsräte zu den beabsichtigten Entlassungen seiner Massenentlassungsanzeige beifügen müsste.

23

e) Auch die Gesetzessystematik gibt das Auslegungsergebnis vor.

24

aa) Gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Wird ein geplanter Personalabbau auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt und sind mehrere Betriebe von der Betriebsänderung betroffen, so dass das Verteilungsproblem nur auf der Ebene des Gesamtbetriebsrats gelöst werden kann, ist dieser damit gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG für den Abschluss eines betriebsübergreifenden Interessenausgleichs mit Namensliste zuständig(vgl. BAG 8. Juni 1999 - 1 AZR 831/98 - BAGE 92, 11; 23. Oktober 2002 - 7 ABR 55/01 - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 26 = EzA BetrVG 2001 § 50 Nr. 1; Fitting 25. Aufl. § 50 Rn. 59). Aufgrund dieser Zuständigkeit ist es in einem solchen Fall konsequent, dass nicht die für den Abschluss des Interessenausgleichs und die Aufstellung der Namensliste nicht zuständigen örtlichen Betriebsräte gegenüber der Agentur für Arbeit jeweils zu den geplanten Entlassungen Stellung nehmen, sondern der mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommene Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahmen der einzelnen Betriebsräte nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt(so Mückl ArbR 2011, 238, 239; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 916; wohl auch Krieger/Ludwig NZA 2010, 919, 923, die jedoch anraten, vorsorglich den Gesamtbetriebsrat und den jeweiligen Betriebsrat zu beteiligen).

25

bb) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (19. Juni 2007 - 2 AZR 304/06 - BAGE 123, 160) ist anerkannt, dass nicht nur in einem mit dem Betriebsrat, sondern auch in einem mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommenen Interessenausgleich die Arbeitnehmer im Sinne von § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG bezeichnet werden können, denen gekündigt werden soll(ebenso KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 703f; DFL/Kaiser 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 230, 234; ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 360; Fitting 25. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 57; Ohlendorf/Salamon NZA 2006, 131, 132; Gaul BB 2004, 2686, 2687; aA Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert KSchR 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 715; Fischer BB 2004, 1001, 1003). Die Namensliste ist Teil des Interessenausgleichs (KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 703f). Eine nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG begründete originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zur Regelung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit ist nicht auf eine Rahmenkompetenz beschränkt. Eine einheitliche mitbestimmungspflichtige Angelegenheit kann nicht aufgespalten werden in Teile, die in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fallen, und solche, für welche die örtlichen Betriebsräte zuständig sind (BAG 14. November 2006 - 1 ABR 4/06 - BAGE 120, 146). Ist der Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aber für den Interessenausgleich und damit auch für die Aufstellung einer Namensliste mit dem Insolvenzverwalter zuständig, kann nur auf dieser Ebene geklärt werden, welche Arbeitnehmer entlassen und welche Arbeitnehmer in welchem Betrieb weiterbeschäftigt werden(vgl. KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 703f.). Eine (zusätzliche) Stellungnahme der örtlichen Betriebsräte gegenüber der Agentur für Arbeit zu den beabsichtigten Entlassungen wäre letztlich keine Stellungnahme zu den vom Insolvenzverwalter geplanten Entlassungen, sondern eine im Gesetz nicht vorgesehene Würdigung des mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommenen Interessenausgleichs mit Namensliste durch die örtlichen Betriebsräte.

26

f) Sinn und Zweck der Regelungen in § 17 KSchG stehen dem Auslegungsergebnis nicht entgegen.

27

aa) § 17 KSchG dient dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen von Massenentlassungen. Die Vorschrift zielt primär auf arbeitsmarktliche Maßnahmen, die von der Massenentlassung betroffene Arbeitnehmer letztlich vor Arbeitslosigkeit bewahren sollen (KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 7). Der Agentur für Arbeit soll die Möglichkeit verschafft werden, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen zu sorgen (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 38 = EzA KSchG § 17 Nr. 22; 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 30, BAGE 117, 281). Dazu ist mit Art. 2 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - MERL (ABl. EG L 225 vom 12. August 1998 S. 16) und mit der Umsetzung dieser Bestimmung in nationales Recht den Arbeitnehmern als Gemeinschaft in § 17 KSchG ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation eingeräumt worden(EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42, Slg. 2009, I-6653; BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 38 = EzA KSchG § 17 Nr. 22).

28

bb) Dieser Zweck erfordert es nicht, dass nur ein örtlicher Betriebsrat als Arbeitnehmervertretung bzw. als Gemeinschaft von Arbeitnehmern verstanden wird und deshalb nur ein vom örtlichen Betriebsrat mit dem Insolvenzverwalter abgeschlossener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt. Das Argument der Klägerin, nur der örtliche Betriebsrat kenne die örtlichen arbeitsmarktpolitischen Besonderheiten und könne diese in seiner Stellungnahme einbringen, überzeugt nicht. Erforderliche Kenntnisse des Gesamtbetriebsrats über die betrieblichen und regionalen Verhältnisse sind entgegen der Ansicht der Klägerin dadurch gewährleistet, dass nach Maßgabe des § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG jeder örtliche Betriebsrat in den Gesamtbetriebsrat mindestens ein Mitglied entsendet.

29

g) Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 125 Abs. 2 InsO und des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG anhand des Wortlauts und des Zwecks der MERL gibt kein anderes Ergebnis vor.

30

aa) Die MERL enthält selbst keine Regelung, wonach der Anzeige der Massenentlassung eine Stellungnahme einer bestimmten Arbeitnehmervertretung beigefügt werden muss. Nach Art. 2 Abs. 1 MERL hat ein Arbeitgeber, der beabsichtigt, Massenentlassungen vorzunehmen, die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um zu einer Einigung zu gelangen. Die Anzeige der Massenentlassung hat gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 3 MERL ua. alle zweckdienlichen Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung und die Konsultationen der Arbeitnehmervertreter gemäß Art. 2 MERL zu enthalten.

31

bb) Der Senat ist nicht gehalten, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Frage vorzulegen, ob Arbeitnehmervertreter iSd. MERL stets nur die Mitglieder des örtlichen Betriebsrats sind oder bei betriebsübergreifenden Massenentlassungen auch die Mitglieder des Gesamtbetriebsrats Arbeitnehmervertreter iSd. MERL sein können. Diese Frage bedarf keiner Beantwortung durch den Gerichtshof der Europäischen Union am Maßstab des Gemeinschaftsrechts (zur Vorlagepflicht vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - EzA KSchG § 17 Nr. 21). Die Frage, ob der Gesamtbetriebsrat oder der örtliche Betriebsrat für Konsultationen mit dem Arbeitgeber über beabsichtigte Massenentlassungen zuständig ist, betrifft nicht die Auslegung von Unionsrecht, sondern ausschließlich die Anwendung nationalen Rechts. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aufgrund einer unterbliebenen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union liegt nicht vor, wenn die unionsrechtliche Rechtslage klar ist und nur die Rechtslage nach nationalem Recht ungeklärt und umstritten ist(BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - aaO). Aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 10. September 2009 (- C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Slg. 2009, I-8163) folgt nichts anderes. Diese Entscheidung betrifft die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, mit Konsultationen zu beginnen. Zu der Frage, welche Arbeitnehmervertreter der Arbeitgeber rechtzeitig zu konsultieren hat, verhält sich die Entscheidung nicht.

32

cc) Das Argument der Klägerin, unter Betrieb im Sinne von § 17 KSchG sei bei richtlinienkonformer Auslegung der örtliche Betrieb zu verstehen, trägt nicht. Auf die Auslegung des Begriffs „Betrieb“ kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an, sondern darauf, ob bei einer betriebsübergreifenden Massenentlassung der Gesamtbetriebsrat für die erforderlichen Konsultationen zuständig ist.

33

III. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Wollensak    

                 

(1) Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tage der Antragstellung erteilt werden.

(2) Die Agentur für Arbeit kann im Einzelfall bestimmen, daß die Entlassungen nicht vor Ablauf von längstens zwei Monaten nach Eingang der Anzeige wirksam werden.

(3) (weggefallen)

(4) Soweit die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach den Absätzen 1 und 2 zulässig sind, durchgeführt werden, bedarf es unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 einer erneuten Anzeige.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. November 2010 - 12 Sa 1321/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, die der Beklagte als Insolvenzverwalter auf der Grundlage eines noch von der Schuldnerin geschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste erklärt hat.

2

Der 1970 geborene, ledige Kläger war seit 1990 bei der Schuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die Schuldnerin beschäftigte zuletzt etwa 544 Arbeitnehmer, davon 445 im Betrieb L, in dem der Kläger tätig war. Der als Chemiefacharbeiter eingestellte Kläger war seit 1997 als Versuchsfahrer in der Abteilung Fahrversuch im Bereich Passenger Cars tätig. Die für einen Einsatz auch als Versuchsfahrer im LKW-Bereich erforderliche Fahrerlaubnis der Klasse C besitzt er nicht.

3

Am 8. Dezember 2008 wurde der Beklagte zum vorläufigen (schwachen) Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Am 1. März 2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

Noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schlossen die Schuldnerin und der bei ihr gebildete Betriebsrat mit Zustimmung des Beklagten am 24. Februar 2009 einen Interessenausgleich mit Namensliste. Danach sollten 44 Personalabbaumaßnahmen erfolgen. Ua. sollten im Bereich Fahrversuch drei Arbeitsplätze entfallen. Grund dafür war die Reduzierung der Projekte und Testfahrten. Für den Fall einer ausreichenden Masse war die Gründung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) in Aussicht genommen. Die zu kündigenden Arbeitnehmer waren tabellarisch aufgelistet, darunter der Kläger.

5

Unter dem 25. Februar 2009 zeigte die Schuldnerin auf dem Vordruck der Agentur für Arbeit die Massenentlassung von 37 Arbeitnehmern an. In der der Massenentlassungsanzeige anliegenden Liste finden sich unter der laufenden Nr. 19 folgende Angaben:

        

„Geschlecht: männlich; Staatsangehörigkeit: türkisch; Alter: 38; Familienstand: nv.; Ort: T; Beruf: Techn. Sonderkraft; zuletzt ausgeübte Tätigkeit: Versuchsfahrer/-in Passenger Cars; im Betrieb seit: 1990; VZ; …“

6

Damit war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Kläger von der Massenentlassungsanzeige erfasst.

7

Diese Massenentlassungsanzeige ging am 26. Februar 2009 um 11:48 Uhr bei der zuständigen Agentur für Arbeit ein. Am selben Tag um 17:00 Uhr erreichte die Agentur für Arbeit ein von der Vorsitzenden des Betriebsrats der Schuldnerin unterzeichnetes Schreiben vom 26. Februar 2009. Darin heißt es unter dem Betreff „Anzeige von Entlassungen“:

        

„Der Betriebsrat … wurde darüber informiert, dass ein Antrag auf Entlassungen gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz an die Agentur für Arbeit gesendet wurde.“

Weitere Angaben enthält das Schreiben nicht.

8

Ebenfalls noch am 26. Februar 2009 wurde um 20:04 Uhr per Telefax ein Interessenausgleich an die zuständige Agentur für Arbeit übermittelt. Dabei handelte es sich allerdings nicht um den für die Schuldnerin vereinbarten Interessenausgleich, sondern um einen zwischen einer anderen Konzerntochter und dem bei dieser gebildeten Betriebsrat geschlossenen.

9

Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 bestätigte die Agentur für Arbeit den Eingang der Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009. Sie teilte der Schuldnerin mit:

        

„Ihre o. g. Anzeige ist hier am 26.02.2009 eingegangen. Damit beginnt die in § 18 Abs. 1 KSchG festgesetzte Frist von einem Monat am 27.02.2009 und endet am 26.03.2009 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Innerhalb dieser Frist werden Kündigungen nur mit Zustimmung des in § 20 KSchG bezeichneten Entscheidungsträgers wirksam.

        

Der Entscheidungsträger kann bestimmen, dass die Kündigungen nicht vor Ablauf von längstens 2 Monaten nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit wirksam werden (§ 18 Abs. 2 KSchG). Die Entscheidung wird Ihnen schriftlich mitgeteilt.

        

Über Ihren Antrag auf Abkürzung der o. a. Frist wird noch entschieden.

        

...“   

10

Zu einem aus der Akte nicht ersichtlichen Zeitpunkt wurde durch die Agentur für Arbeit mit einem nicht in der Akte befindlichen Bescheid die Sperrfrist abgekürzt.

11

Die Abweichung zwischen den nach dem Interessenausgleich beabsichtigten 44 Personalabbaumaßnahmen und den nur 37 angezeigten beabsichtigten Kündigungen war darauf zurückzuführen, dass vier Arbeitnehmer bereits vor Abschluss des Interessenausgleichs selbst gekündigt hatten und drei weitere Arbeitnehmer auf der Grundlage von Aufhebungsverträgen in die BQG gewechselt waren. Die Bildung dieser BQG war der Agentur für Arbeit bekannt. Die BQG hatte der Agentur für Arbeit mitgeteilt, welche Arbeitnehmer von Kündigungen bedroht seien und daher zu einem sog. „Profilinggespräch“ geladen würden, um später die Möglichkeit zu erhalten, zur BQG zu wechseln. Insgesamt wechselten - einschließlich der drei Arbeitnehmer, die bereits vor Abschluss des Interessenausgleichs einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten - 38 Arbeitnehmer in die BQG. Der Kläger lehnte einen solchen Wechsel ab. Am 11. März 2009 erklärte daraufhin der Beklagte dem Kläger und einer weiteren Arbeitnehmerin, die ebenfalls nicht in die BQG gewechselt war, die ordentliche Kündigung jeweils zum 30. Juni 2009.

12

Der Beklagte veräußerte den Betrieb der Schuldnerin im Frühjahr 2009 an eine Erwerberin. Der Kläger nahm diese auf Weiterbeschäftigung und Zahlung von Annahmeverzugslohn in Anspruch und wird von ihr aufgrund einer einstweiligen Verfügung beschäftigt.

13

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - im Rahmen seiner rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage geltend gemacht, die Massenentlassungsanzeige sei unwirksam, weil die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer unrichtig angegeben sei. Von dem Zufall, ob er in der Massenentlassungsanzeige aufgeführt sei oder nicht, könne die Wirksamkeit der Kündigung nicht abhängen. Darüber hinaus genüge das Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 den Anforderungen an dessen gesetzlich verlangte Stellungnahme nicht.

14

Der Kläger hat weiter geltend gemacht, die Namensliste sei objektiv unrichtig, weil auf ihr vier Arbeitnehmer enthalten seien, die selbst gekündigt hätten, so dass dem Beklagten die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs nicht zugute komme.

15

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 aufgelöst worden ist.

16

Der Beklagte trägt zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vor, durch die Angabe einer niedrigeren Anzahl zu entlassender Arbeitnehmer sei die Agentur für Arbeit nicht daran gehindert worden, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus widerspreche es dem Sinn und Zweck der Massenentlassungsanzeige, dort noch Arbeitnehmer aufzuführen, die im Zeitpunkt der Anzeige bereits in eine BQG gewechselt seien. Ohnehin seien der zuständigen Agentur für Arbeit über die Gründung der Transfergesellschaft alle Daten bekannt gewesen.

17

Das Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 sei eine wirksame Stellungnahme. Das Gesetz stelle an deren Inhalt keinerlei Anforderungen. Verlangte man für eine wirksame Stellungnahme einen Mindestinhalt, könnte der Betriebsrat durch Abgabe einer nicht ausreichenden und damit unwirksamen Stellungnahme die Wirksamkeit einer jeden Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung verhindern. Die Stellungnahme diene lediglich der Beurteilung, ob die Betriebsparteien tatsächlich über die Massenentlassung und insbesondere die Vermeidung einer solchen beraten hätten. Die Agentur für Arbeit könne weitere Informationen erfragen, wenn sie sich nicht ausreichend informiert fühle. Ihr Informationsbedürfnis definiere sie selbst. Fordere sie keine weiteren Informationen an, müsse sich der Arbeitgeber darauf verlassen können, dass mit einem wirksamen Bescheid der Agentur für Arbeit dem Erfordernis der Massenentlassungsanzeige Genüge getan sei.

18

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben, weil keine wirksame Massenentlassungsanzeige vorliege. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit angenommen, dass es an der erforderlichen Stellungnahme des Betriebsrats fehle. Der bestandskräftige Bescheid vom 26. Februar 2009 hindere die Feststellung der Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und damit der Kündigung nicht.

19

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 nicht aufgelöst worden. Die Massenentlassungsanzeige der Schuldnerin ist unwirksam, weil ihr keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt war. Der bestandskräftige Bescheid der Agentur für Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 KSchG über die Abkürzung der Sperrfrist hindert die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht daran, die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige festzustellen. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen.

21

A. Ungeachtet des im Frühjahr 2009 erfolgten Betriebsübergangs ist der Beklagte unabhängig davon, ob die Zustellung der Kündigungsschutzklage noch vor dem Betriebsübergang erfolgt ist, prozessführungsbefugt und passivlegitimiert (BAG 18. März 1999 - 8 AZR 306/98 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 44 = EzA BGB § 613a Nr. 179; 16. Mai 2002 - 8 AZR 320/01 - AP InsO § 113 Nr. 9; vgl. allgemein 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 3 d der Gründe, BAGE 114, 362).

22

B. Obwohl der Kläger im Wege der einstweiligen Verfügung seine Beschäftigung durch die Betriebserwerberin erstritten hat, besteht das erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung fort. Erst bei rechtskräftiger Feststellung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Erwerberin wäre sein Feststellungsinteresse entfallen (BAG 10. Dezember 1998 - 8 AZR 596/97 -).

23

C. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass dem Beklagten die Vermutungswirkungen des § 125 InsO zugutekommen. Dies verhilft der Klage jedoch nicht zum Erfolg, weil der Interessenausgleich mit Namensliste vom 24. Februar 2009 die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG entfaltet. Eine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG liegt nicht vor. Der Kläger hat die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nicht widerlegt. Die Sozialauswahl ist jedenfalls im Ergebnis nicht grob fehlerhaft iSv. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG.

24

I. Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass der der Kündigung vom 11. März 2009 zugrunde liegende Interessenausgleich mit Namensliste bereits am 24. Februar 2009 und damit noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwischen der Schuldnerin und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat vereinbart worden ist und der Beklagte in seiner Eigenschaft als vorläufiger (schwacher) Insolvenzverwalter diesem Interessenausgleich nur zugestimmt hat. § 125 InsO ist deshalb nicht anzuwenden.

25

1. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens findet § 125 InsO keine unmittelbare Anwendung(LAG Hamm 22. Mai 2002 - 2 Sa 1560/01 - NZA-RR 2003, 378; Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 2; Pöhlmann in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 125 Rn. 3; ErfK/Gallner 12. Aufl. § 125 InsO Rn. 1; KR/Weigand 9. Aufl. § 125 InsO Rn. 9; Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 107 f.). Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, in der nur vom „Insolvenzverwalter“, nicht aber vom „vorläufigen Insolvenzverwalter“ die Rede ist. Die Vorschrift des § 125 InsO befindet sich im Dritten Teil der Insolvenzordnung, der die „Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ regelt, und gilt deshalb auch nach der Gesetzessystematik nicht im Eröffnungsverfahren(vgl. für § 113 InsO BAG 20. Januar 2005 - 2 AZR 134/04 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 113, 199). Die Insolvenzordnung unterscheidet ausdrücklich zwischen den Kompetenzen des vorläufigen Insolvenzverwalters und denen des (endgültigen) Insolvenzverwalters. Sollen für die Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters die Vorschriften des Dritten Teils der Insolvenzordnung gelten, ist dies - etwa in § 22 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 oder in § 24 Abs. 2 InsO - ausdrücklich gesetzlich angeordnet. An einer solchen gesetzlichen Anordnung der Befugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters, einen Interessenausgleich mit Namensliste mit den Wirkungen des § 125 InsO zu schließen, fehlt es.

26

2. Auch eine analoge Anwendung des § 125 InsO im Eröffnungsverfahren scheidet aus(Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 108; aA: MünchKommInsO/Löwisch/Caspers 2. Aufl. Vor §§ 113 bis 128 Rn. 29 f.). Es fehlt bereits an der für die Annahme einer Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke (vgl. zu dieser Voraussetzung einer Analogie BAG 24. Mai 2012 - 6 AZR 679/10 - Rn. 16). Die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters sind in § 22 InsO festgelegt. Mit seiner Zustimmung kann der Schuldner mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste schließen, der die Wirkungen nach § 1 Abs. 5 KSchG entfaltet und damit bereits weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten bietet(vgl. Mückl/Krings aaO). Im Hinblick auf diese Gestaltungsmöglichkeiten ist das Regelungssystem der Insolvenzordnung, gemessen an ihrer eigenen Regelungsabsicht, hinsichtlich der Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste nicht unvollständig, so dass kein Raum für eine analoge Anwendung des § 125 InsO ist(vgl. für § 113 InsO BAG 20. Januar 2005 - 2 AZR 134/04 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 113, 199).

27

3. Ob der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossene Interessenausgleich mit Namensliste vom Insolvenzverwalter nach der Eröffnung genehmigt werden könnte und dann rückwirkend auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Wirkungen des § 125 InsO entfalten könnte(so Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 109 ff.), kann dahinstehen.

28

a) Insoweit erscheint fraglich, ob bereits die Genehmigung allein des Insolvenzverwalters dem vor Insolvenzeröffnung vereinbarten Interessenausgleich mit Namensliste die Wirkungen des § 125 InsO verschaffen könnte(so wohl Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 109 ff.) oder ob zwar nicht der förmliche Neuabschluss des Interessenausgleichs (in diesem Sinne LAG Hamm 7. Juli 2005 - 4 Sa 1548/04 - juris Rn. 107), so doch wenigstens die Genehmigung des Interessenausgleichs auch durch das Betriebsratsgremium erforderlich wäre. Der Interessenausgleich ist zwar kein zweiseitiger Vertrag, sondern eine kollektive Vereinbarung besonderer Art von nicht geklärter Rechtsqualität (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 24, ZIP 2012, 1259). Ungeachtet seiner rechtlichen Einordnung ist zu seinem wirksamen Abschluss jedenfalls die Einigung zwischen den Betriebsparteien erforderlich (vgl. zum Zustandekommen iSv. § 125 InsO BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 41 ff., ZIP 2012, 1193). Soll der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbarte Interessenausgleich durch eine Genehmigung nach Insolvenzeröffnung eine andere rechtliche Qualität mit weit(er)reichenden Folgen für die Überprüfungsmöglichkeit der auf seiner Grundlage erklärten Kündigungen erhalten, spricht viel dafür, dass dies eine Willenserklärung auch des Betriebsrats als zweiter Partei des Interessenausgleichs voraussetzt (vgl. BAG 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - BAGE 103, 187, wonach eine Genehmigung durch „die Tarifvertragsparteien“ erforderlich ist, um die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG zu beseitigen).

29

b) Auf diese Frage kommt es jedoch nicht an. Der Beklagte hat den Interessenausgleich vom 24. Februar 2009 nicht ausdrücklich genehmigt. Eine konkludente Genehmigung scheidet mangels Genehmigungswillens aus. Die Genehmigung eines schwebend unwirksamen Geschäfts durch schlüssiges Verhalten setzt regelmäßig voraus, dass der Genehmigende erkannt hat, dass das Rechtsgeschäft möglicherweise mangelbehaftet ist, und dass in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen, indem er an ihm festhält (BGH 14. Juni 2004 - II ZR 393/02 - zu I 1 c der Gründe, BGHZ 159, 294). An einer solchen erkennbaren Willensrichtung fehlt es hier. Der Beklagte ist noch im Revisionsverfahren davon ausgegangen, dass es sich bei dem Interessenausgleich vom 24. Februar 2009 um einen solchen nach § 125 InsO handelt.

30

II. Die Unanwendbarkeit des § 125 InsO ändert jedoch nichts an der Vermutung, dass die streitige Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, weil der Interessenausgleich mit Namensliste vom 24. Februar 2009 jedenfalls die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG entfaltete(vgl. Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 108).

31

1. Soweit auf der Namensliste auch vier Arbeitnehmer aufgeführt waren, die ihr Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits selbst gekündigt hatten, ist dadurch entgegen der Ansicht des Klägers keine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG eingetreten, die die Wirkungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 KSchG hätte entfallen lassen.

32

a) Eine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG liegt nur vor, wenn im Kündigungszeitpunkt von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugehen ist, also nicht ernsthaft bezweifelt werden kann, dass beide Betriebspartner oder einer von ihnen den Interessenausgleich in Kenntnis der späteren Änderung nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Dies ist zB dann zu bejahen, wenn sich die im Interessenausgleich vorgesehene Zahl der zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmer erheblich verringert hat (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17).

33

b) Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Wieso die Betriebsparteien einen anderen Interessenausgleich, bei dem der Kläger nicht mehr auf einer Namensliste aufgeführt worden wäre, geschlossen hätten, wenn sie die vier Arbeitnehmer, die selbst gekündigt haben, nicht mehr berücksichtigt hätten, hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger (APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 813) nicht näher begründet. Solcher Vortrag wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil keiner dieser vier Arbeitnehmer dem Bereich Fahrversuch, in dem der Kläger tätig war, zugeordnet war. Auch ohne diese Arbeitnehmer wären in der Abteilung Fahrversuch deshalb nicht weniger Arbeitsplätze entfallen. Soweit der Kläger betroffen ist, ist der Personalabbau wie geplant durchgeführt worden, weshalb es bei den Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG verblieben ist(APS/Kiel aaO Rn. 807).

34

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe die Vermutung des Vorliegens eines dringenden betrieblichen Erfordernisses nicht widerlegt. Hinsichtlich der Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung unterscheiden sich die Wirkungen des Interessenausgleichs mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG und § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht. Die Tatsachenfeststellung des Landesarbeitsgerichts, der Arbeitsplatz des Klägers sei entfallen, und seine darauf beruhenden Würdigungen hat der Kläger nicht mit Gegenrügen angegriffen. Rechtsfehler sind insoweit nicht erkennbar.

35

3. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO eröffnet dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat allerdings weiter gehende Möglichkeiten bei der Sozialauswahl als § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG. Insbesondere muss die Schwerbehinderung nicht berücksichtigt werden (zur Verfassungsmäßigkeit dieses Ausschlusses Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 28) und kann mit einem Interessenausgleich nach § 125 InsO angestrebt werden, eine ausgewogene Personalstruktur nicht nur zu erhalten, sondern erst zu schaffen. Vorliegend ist die Schwerbehinderung als Sozialdatum nicht berücksichtigt worden. Gleichwohl ist die Sozialauswahl jedenfalls bezogen auf den Kläger im Ergebnis nicht grob fehlerhaft. Die Kündigung des Klägers beruht auf der Entscheidung der Schuldnerin, in der Abteilung Fahrversuch die Anzahl der Tests zu reduzieren. Mit Arbeitnehmern außerhalb dieser Abteilung, insbesondere mit den Versuchsfahrern im LKW-Bereich, ist der Kläger nicht verglichen worden. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass dies nicht grob fehlerhaft gewesen sei, weil der seit 1997 als Versuchsfahrer tätige Kläger keine Fahrerlaubnis der Klasse C besitze und seine langjährige Tätigkeit als Versuchsfahrer eine fehlende Austauschbarkeit im Sinne einer alsbaldigen Substituierbarkeit indiziert habe. Der Kläger habe nicht näher dargelegt, warum diese Indizierung unzutreffend sei. Die Sozialauswahl ist auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellungen und darauf beruhenden Würdigungen des Landesarbeitsgerichts, gegen die der Kläger keine Gegenrügen erhoben hat, nicht grob fehlerhaft iSv. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG.

36

4. Schließlich kann auch im Verfahren nach § 1 Abs. 5 KSchG die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbunden werden(vgl. BAG 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - zu B II 2 b der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10). Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts, wonach dies geschehen sei und dem Betriebsrat dabei ausreichend verdeutlicht worden sei, dass mit seiner Zustimmung zum Interessenausgleich mit Namensliste auch das Verfahren nach § 102 BetrVG abgeschlossen sei, greift der Kläger ebenfalls nicht mit Gegenrügen an.

37

D. Das Landesarbeitsgericht hat richtig erkannt, dass die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 das Arbeitsverhältnis gleichwohl deshalb nicht aufgelöst hat, weil der Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009 entgegen der gesetzlichen Anordnung in § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt war und auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht erfüllt waren.

38

I. Die von der Schuldnerin am 25. Februar 2009 mit Zustimmung des Beklagten erstattete Massenentlassungsanzeige hätte nach Insolvenzeröffnung zugunsten des Beklagten weiter gewirkt, bis die angezeigten Kündigungen erklärt worden sind, wenn sie ordnungsgemäß erfolgt wäre (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 15 f., BAGE 134, 176).

39

II. Die Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009 war jedoch fehlerhaft.

40

1. Die am 25. Februar 2009 angezeigte Maßnahme war nach § 17 KSchG anzeigepflichtig.

41

a) Für die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Entlassungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ausschlaggebend. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dabei dem der §§ 1, 4 BetrVG(st. Rspr., zuletzt BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 73 f.). Maßgeblich für die Berechnung des Schwellenwerts war damit die im Betrieb der Schuldnerin in L, in dem der Kläger tätig war, beschäftigte Anzahl von Arbeitnehmern. Von den 445 Arbeitnehmern dieses Betriebs sollten 44 Arbeitnehmer entlassen werden.

42

b) Allerdings hat der Beklagte nur dem Kläger und einer weiteren Arbeitnehmerin gekündigt. 38 der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer sind zu einer Transfergesellschaft gewechselt. Zumindest die 35 Arbeitnehmer, die erst nach der Erstattung der Massenentlassungsanzeige zu der Transfergesellschaft gewechselt sind, waren jedoch vorliegend bei der Berechnung des Schwellenwerts zu berücksichtigen. Damit war der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG überschritten.

43

aa) Ob Arbeitnehmer, die zu einer Transfergesellschaft wechseln und damit den Arbeitsmarkt - wenn überhaupt - nur verzögert belasten, bei der Berechnung des Schwellenwerts nach § 17 KSchG mitzuzählen sind, ist streitig(bejahend unter Hinweis auf den klaren Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG: ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 12; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 29; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 914; verneinend: v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 24).

44

bb) Nach dem Sinn und Zweck des § 17 KSchG, der die sozioökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen auffangen und deshalb ua. der Agentur für Arbeit die Möglichkeit geben soll, Maßnahmen zur Vermeidung oder Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45, ZIP 2012, 1193; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 21, ZIP 2012, 1259), sind jedenfalls die Arbeitnehmer, bei denen im Zeitpunkt der Massenentlassungsanzeige noch nicht feststeht, dass sie in eine Transfergesellschaft wechseln werden, bei der Berechnung des Schwellenwerts mitzuzählen. Für die Arbeitsverwaltung ist im Zeitpunkt der Erstattung der Massenentlassungsanzeige noch nicht absehbar, ob und wann die zu diesem Personenkreis gehörenden Arbeitnehmer den Arbeitsmarkt belasten werden.

45

cc) Danach waren jedenfalls die 35 Arbeitnehmer der Schuldnerin, die erst nach dem 26. Februar 2009 zur BQG gewechselt sind, bei der Berechnung des Schwellenwerts des § 17 KSchG zu berücksichtigen. Zwar hat der Beklagte angegeben, der zuständigen Agentur für Arbeit seien durch die BQG sog. „Profilinganträge“ zugeleitet worden. Dadurch sei der Arbeitsverwaltung bekannt gewesen, welche Arbeitnehmer von Kündigungen bedroht und zu „Profilinggesprächen“ eingeladen worden seien, um anschließend die Möglichkeit zu erhalten, in die BQG zu wechseln. Ungeachtet dessen stand am 26. Februar 2009 noch nicht fest, ob und welche der Arbeitnehmer, für die ein Wechsel in die Transfergesellschaft in Betracht kam, von dem Angebot des Abschlusses eines dreiseitigen Aufhebungsvertrags Gebrauch machen wollten und würden. Die dreiseitigen Verträge zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Schuldnerin einerseits und zur Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit der BQG andererseits waren auch nach dem Vortrag des Beklagten noch nicht geschlossen. Mit den 35 Arbeitnehmern der Schuldnerin, die erst nach dem 26. Februar 2009 zur BQG gewechselt sind, war der Schwellenwert des § 17 KSchG überschritten.

46

2. Soweit in der Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009 die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer zumindest um die vier Arbeitnehmer, die durch Eigenkündigungen ausgeschieden sind, zu niedrig angesetzt war, hat sich dieser Fehler auf die dem Kläger erklärte Kündigung nicht ausgewirkt.

47

a) Bei der gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 iVm. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KSchG zwingend erforderlichen Angabe der Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG, der Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL) umsetzt, auch die Arbeitnehmer mitzuzählen, deren Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers endet. Eine Veranlassung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zu verstehen gibt, dass er, der Arbeitgeber, anderenfalls das Arbeitsverhältnis beenden werde, weil nach Durchführung der Betriebsänderung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestehe.

48

b) Ausgehend vom Zweck des § 17 KSchG, der ua. der Agentur für Arbeit die Möglichkeit geben soll, Maßnahmen zur Vermeidung oder Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45, ZIP 2012, 1193; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 21, ZIP 2012, 1259), kommt es nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage das Arbeitsverhältnis beendet wird. Maßgeblich ist allein, dass das Arbeitsverhältnis im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsänderung, die zu der Freisetzung von Arbeitnehmern im von § 17 KSchG gezogenen Rahmen führt, auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet wird. Kommt der Arbeitnehmer durch eine Eigenkündigung oder den Abschluss des Aufhebungsvertrags einer sonst erforderlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung zuvor, ist er bei der Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer grundsätzlich zu berücksichtigen (vgl. BAG 6. Dezember 1973 - 2 AZR 10/73 - BAGE 25, 430; vgl. für die Veranlassung von Eigenkündigungen oder Aufhebungsverträgen als Voraussetzung für den Anspruch auf eine Sozialplanabfindung BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 30, BAGE 121, 168; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 31 ff.; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 39, 43; aA: ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 14, wonach Eigenkündigungen generell nicht mitzuzählen seien, weil es allein auf die Willenserklärung des Arbeitgebers ankomme).

49

c) Gegen die inzidente Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass die vier Arbeitnehmer, die vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige eine Eigenkündigung erklärt hatten, auf Veranlassung der Schuldnerin aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, erhebt die Revision keine Verfahrensrügen. Diese Arbeitnehmer waren damit grundsätzlich in der Massenentlassungsanzeige anzuführen. Ob Arbeitnehmer, die bereits vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige eine Eigenkündigung erklärt haben, jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber Kenntnis davon hat, dass diese Arbeitnehmer bereits ein neues Arbeitsverhältnis begründet haben, bei der Angabe der Zahl der zu Entlassenden außer Acht bleiben können, kann dahinstehen. Das Landesarbeitsgericht hat keine entsprechenden Feststellungen getroffen. Verfahrensrügen erhebt die Revision insoweit ebenfalls nicht.

50

d) Nach allgemeiner Ansicht sollen Fehler bei den „Muss-Angaben“ nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG, zu denen auch die Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer gehört, zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige führen(APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 100; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 29; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 83; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 84). Das Landesarbeitsgericht hat aber zu Recht angenommen, dass sich nur die Arbeitnehmer, die von der Massenentlassungsanzeige nicht erfasst sind, auf die zu niedrige Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer berufen können. Die Prüfungs- und Reaktionsmöglichkeiten der Arbeitsverwaltung sind hinsichtlich der Arbeitnehmer, deren Entlassung ihr angezeigt worden ist, weder positiv noch negativ durch die zu niedrige Anzahl angezeigter Entlassungen beeinflusst worden. Dieser Fehler der Massenentlassungsanzeige ist deshalb für die Entlassung des Klägers ohne Bedeutung (noch offengelassen von BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 36 f., ZIP 2012, 1193; APS/Moll aaO Rn. 132a; ErfK/Kiel aaO; KR/Weigand aaO; vgl. für die zu geringe Angabe zu entlassender Arbeitnehmer wegen der Beschränkung der Angaben auf einen Zweigbetrieb BAG 22. März 2001 - 8 AZR 565/00 - zu B II 10 b der Gründe, AP GG Art. 101 Nr. 59 = EzA GG Art. 101 Nr. 5). Mit dem Zweck der Massenentlassungsanzeige stünde es nicht im Einklang, wenn die fehlende Angabe einer einzigen Entlassung die Auflösung der Arbeitsverhältnisse auch aller anderen von der Massenentlassungsanzeige erfassten Arbeitnehmer hindern würde.

51

3. Der Massenentlassungsanzeige war entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt. Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erfüllt waren. Das Arbeitsverhältnis der Parteien konnte deshalb durch die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 nicht aufgelöst werden.

52

a) Die Beifügung der Stellungnahme ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige (BAG 2. Februar 1984 - 2 AZR 392/82 - zu C I 2 der Gründe; vgl. für § 15 KSchG aF BAG 21. Mai 1970 - 2 AZR 294/69 - zu II 1 der Gründe, BAGE 22, 336). Ob und unter welchen Voraussetzungen eine ordnungsgemäße Anzeige vorliegt, wenn der Betriebsrat seine Stellungnahme unmittelbar an die Agentur für Arbeit schickt (dazu APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 113, KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 91a; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 92; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 142 Rn. 24), kann dahinstehen. Entgegen der Ansicht der Revision genügte nämlich das an die Agentur für Arbeit gerichtete Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 den an eine Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG zu stellenden Anforderungen nicht.

53

aa) Zwar enthält § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine expliziten Aussagen zum erforderlichen Inhalt der Stellungnahme des Betriebsrats. Auch weist die Revision zutreffend darauf hin, dass der Arbeitgeber den Inhalt der Stellungnahme nicht beeinflussen kann. Daraus folgt jedoch entgegen der Annahme der Revision nicht, dass jede Äußerung des Betriebsrats gegenüber der Arbeitsverwaltung unabhängig von ihrem Inhalt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt. Zum Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen sollen Massenentlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern sowie die Unterrichtung der Arbeitsverwaltung vorangehen, um es so der Arbeitsverwaltung zu ermöglichen, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, BAGE 134, 176). Ausgehend von diesem Zweck soll die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Arbeitsverwaltung belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und dass soziale Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind. Außerdem soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber eine ihm ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats der Arbeitsverwaltung nicht verschweigen kann (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45, ZIP 2012, 1193; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22, ZIP 2012, 1259). Auch die Revision räumt ein, dass die Beifügung der Stellungnahme der Beurteilung der Arbeitsverwaltung dient, ob die Betriebsparteien tatsächlich über die Massenentlassung und insbesondere die Vermeidung einer solchen beraten hätten. Eine solche Beurteilung setzt voraus, dass sich die der Massenentlassungsanzeige beigefügte Stellungnahme des Betriebsrats auf die angezeigten Kündigungen bezieht und eine abschließende Meinungsäußerung des Betriebsrats zu diesen Kündigungen enthält (vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22, 33, aaO), wobei auch die eindeutige Äußerung, keine Stellung nehmen zu wollen, ausreichend ist.

54

bb) Entgegen der Auffassung der Revision wird mit dieser Auslegung dem Betriebsrat nicht die Möglichkeit gegeben, die Wirksamkeit jeder Kündigung im Rahmen von Massenentlassungen zu verhindern oder auch nur wesentlich zu behindern.

55

(1) Kommt es im Zusammenhang mit der vom Arbeitgeber beabsichtigten Massenentlassung zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste und legt der Arbeitgeber seiner Massenentlassungsanzeige diesen Interessenausgleich bei, ersetzt dies gemäß § 125 Abs. 2 InsO bzw. § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG die Stellungnahme des Betriebsrats auch dann, wenn dieser im Interessenausgleich nicht ausdrücklich Stellung zu den beabsichtigten Entlassungen nimmt(BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 15, ZIP 2012, 1259).

56

(2) Auch eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats genügt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG, wenn der Betriebsrat damit zur beabsichtigten Massenentlassung abschließend Stellung genommen hat(BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 14 ff., ZIP 2012, 1259).

57

(3) Schließlich gibt § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG dem Arbeitgeber ein Verfahren an die Hand, mit dem er verhindern kann, dass der Betriebsrat durch die Verweigerung einer Stellungnahme die Kündigungen erheblich verzögert. Macht der Arbeitgeber glaubhaft, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige unter Beachtung der Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet hat, und legt er den Stand der Beratungen dar, kann er rechtssicher und rechtswirksam unter Beachtung der Anforderungen des Massenentlassungsschutzes ohne weitere Zeitverzögerung kündigen(APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 117; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 94; vgl. auch BT-Drucks. 8/1041 S. 5 und BR-Drucks. 400/77 S. 7 f.). Unter Berücksichtigung der Anforderungen an eine ausreichende Unterrichtung des Betriebsrats, die es diesem ermöglichen soll, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung der Massenentlassungen zu machen (vgl. dazu BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 36, ZIP 2012, 1193; vgl. auch Reinhard RdA 2007, 207, 213), wird durch die Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG in der Mehrzahl der Fälle keine erhebliche Verzögerung eintreten, wenn die Unterrichtung des Betriebsrats - wie vom Gerichtshof der Europäischen Union angenommen und verlangt - ernsthaft die Möglichkeit der Vermeidung von Massenentlassungen zum Ziel hat.

58

(4) Auch wenn der Betriebsrat - bewusst oder unbewusst - eine den gesetzlichen Anforderungen nicht genügende Stellungnahme abgibt, wird dadurch dem Arbeitgeber die Abgabe einer wirksamen Massenentlassungsanzeige nicht unmöglich gemacht. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erfasst nicht nur den Fall des gänzlichen Fehlens der Stellungnahme des Betriebsrats, sondern auch den einer ungenügenden Stellungnahme. Der Arbeitgeber kann auch in letzterem Fall die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige verhindern, indem er ihr nicht nur die unzureichende Stellungnahme des Betriebsrats beifügt, sondern zusätzlich nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG verfährt.

59

cc) Das Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 genügte den gesetzlichen Anforderungen nicht. Der Betriebsrat hat damit nur mitgeteilt, er sei darüber informiert worden, dass ein Antrag auf Entlassungen gemäß § 17 KSchG an die Agentur für Arbeit gesendet worden sei. Dieser Erklärung ließ sich nicht einmal entnehmen, ob er Kenntnis vom Umfang der angezeigten Entlassungen hatte. Erst recht fehlte jede Äußerung, der sich entnehmen ließe, dass er - sei es positiv, sei es negativ - zu der Notwendigkeit dieser Entlassungen Stellung nehmen wolle. Das Schreiben ist eine bloße Wissensmitteilung (man habe Kenntnis von der Übersendung einer Massenentlassungsanzeige unbestimmten Inhalts), nicht aber eine Stellungnahme (man sei mit den konkret angezeigten Kündigungen einverstanden, lehne sie ab oder wolle sich nicht weiter äußern).

60

b) Die Stellungnahme ist auch nicht gemäß § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG durch die Übersendung eines Interessenausgleichs mit Namensliste ersetzt worden. Der Agentur für Arbeit ist weder am 26. Februar 2009 noch später vor der Erklärung der Kündigung vom 11. März 2009 der am 24. Februar 2009 zwischen der Schuldnerin und dem bei dieser gebildeten Betriebsrat vereinbarte Interessenausgleich mit Namensliste zugeleitet worden. Der tatsächlich übersandte Interessenausgleich einer anderen Konzerntochter konnte die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG nicht bewirken.

61

c) Auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG sind nicht dargelegt.

62

4. Die Revision reklamiert für sich ohne Erfolg, die Arbeitsverwaltung habe die Massenentlassungsanzeige nicht beanstandet, sondern im Hinblick auf die erteilten Informationen eine Entlassungssperre festgesetzt. Der Bescheid der Agentur für Arbeit nach § 18 Abs. 1, § 20 KSchG hindert die Feststellung der Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige durch die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht.

63

a) Es ist umstritten, ob die Arbeitsgerichtsbarkeit durch einen bestandskräftigen, nicht offensichtlich unwirksamen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung, der die Zulässigkeit der Entlassungen zu einem bestimmten Zeitpunkt feststellt, gehindert ist, im Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige anzunehmen, ob also Fehler, die dem Arbeitgeber bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige unterlaufen sind, durch einen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung nach §§ 18, 20 KSchG geheilt werden(für eine Heilung: BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 84, 267; 22. Januar 1998 - 2 AZR 266/97 - zu II 5 der Gründe; 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - zu II 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99; 13. April 2000 - 2 AZR 215/99 - zu B III 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 = EzA KSchG § 17 Nr. 9; 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - Rn. 63, AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 92 und § 20 KSchG Rn. 72 f.; Mückl Anm. EWiR 2011, 165; offenlassend: BAG 18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 107, 318; gegen eine Heilung: Reinhard RdA 2007, 207, 214; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 20 KSchG Rn. 6; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 150 ff.; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 918; Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. § 125 Rn. 124; differenzierend v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 18 Rn. 17: keine Heilung bei Verstößen, die nicht zur Unwirksamkeit der Anzeige führen; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 136 ff.: Bindung der Arbeitsgerichtsbarkeit, aber Unterrichtung der Arbeitsverwaltung über aus Sicht der Arbeitsgerichtsbarkeit bestehende Rücknahmegründe und Aussetzung bis zur Bescheidung).

64

b) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist das Schreiben der zuständigen Agentur für Arbeit vom 26. Februar 2009 kein Verwaltungsakt und konnte bereits deshalb keine Heilungswirkung entfalten. Bei diesem Schreiben handelt es sich lediglich um eine Sachstandsmitteilung und Eingangsbestätigung.

65

aa) Nach der Legaldefinition des § 35 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ob ein behördliches Schreiben eine verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt enthält und welchen Inhalt dieser hat, ist durch Auslegung nach den insoweit entsprechend anwendbaren Grundsätzen des § 133 BGB zu ermitteln. Maßgebend ist bei der Auslegung behördlicher Schreiben danach nicht der innere Wille der Behörde, sondern deren erklärter Wille, wie ihn der Empfänger bei objektivierter Würdigung verstehen konnte, wobei Unklarheiten zulasten der Verwaltung gehen (BVerwG 22. März 2012 - 1 C 3.11 - Rn. 24 mwN; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 35 Rn. 71).

66

bb) Nach diesen Grundsätzen genügt das Schreiben der zuständigen Agentur für Arbeit vom 26. Februar 2009 nicht den Anforderungen an einen Verwaltungsakt.

67

(1) Dem steht schon entgegen, dass Entscheidungen nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG gemäß § 20 KSchG ausdrücklich und ausschließlich den dort genannten Entscheidungsträgern übertragen sind. Bevor die gesetzlichen Entscheidungsträger tätig geworden sind, fehlt der Agentur für Arbeit die Regelungsbefugnis (sog. „VA-Befugnis“). Fehlt aber offensichtlich eine Regelungsbefugnis, kann nicht unterstellt werden, dass gleichwohl ein Verwaltungsakt habe erlassen werden sollen (U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 35 Rn. 72, 25). Die auf Anfrage des Arbeitgebers erteilte bloße (telefonische) Auskunft „des Arbeitsamts“ hat das Bundesarbeitsgericht daher für eine Heilungswirkung bzw. einen Vertrauensschutz nicht ausreichen lassen (BAG 21. Mai 1970 - 2 AZR 294/69 - zu II 2 der Gründe, BAGE 22, 336). Erst die Entscheidung der nach § 20 KSchG zuständigen Entscheidungsträger über den Antrag nach § 18 KSchG ist ein Verwaltungsakt(vgl. BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 84, 267; 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - zu II 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99).

68

Das Schreiben vom 26. Februar 2009 war deutlich erkennbar von einem Sachbearbeiter vor Entscheidung der nach § 20 Abs. 1 KSchG zuständigen Entscheidungsträger verfasst. Bereits vom Zeitablauf her konnten diese vor Erstellung dieses Schreibens offensichtlich nicht tätig geworden sein. Tatsächlich hat der Sachbearbeiter im Schreiben vom 26. Februar 2009 auch keinerlei Entscheidung des zuständigen Entscheidungsträgers mitgeteilt, sondern nur auf dessen Entscheidungskompetenzen hingewiesen („der Entscheidungsträger kann bestimmen“) und dessen Entscheidung angekündigt („über Ihren Antrag auf Abkürzung der Frist wird noch entschieden“).

69

(2) Soweit das Schreiben im ersten Absatz Aussagen zur Sperrfrist enthält, erschöpft es sich in der Wiederholung des Gesetzeswortlauts und trifft keinerlei eigenständige Regelung, durch die Rechte des Arbeitgebers begründet, aufgehoben, geändert, verbindlich festgestellt oder verneint werden sollten. Damit fehlt es insoweit auch an einer auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichteten Regelung als weiterer Voraussetzung eines Verwaltungsakts (vgl. U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 35 Rn. 141).

70

c) Der später ergangene Bescheid der Arbeitsverwaltung gemäß § 18 Abs. 1 KSchG über die Abkürzung der Sperrfrist hindert die Arbeitsgerichtsbarkeit an der Feststellung der Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst dann nicht, wenn zugunsten des Beklagten unterstellt wird, dass dieser Bescheid bestandskräftig geworden ist. Der Fehler, der der Schuldnerin bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige unterlaufen ist, ist durch diesen Verwaltungsakt nicht geheilt worden.

71

aa) Gegenüber dem Kläger entfaltet ein solcher Bescheid keine materielle Bestandskraft (auch als Tatbestandswirkung, Drittbindungswirkung oder Abweichungsverbot bezeichnet, zu den Begrifflichkeiten Sachs in Stelkens/Bonk/ Sachs VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 105 ff.). Gemäß § 43 VwVfG wirkt ein Verwaltungsakt nur gegenüber den Adressaten und den Betroffenen, denen er bekannt gegeben ist. Dazu gehören die Arbeitnehmer nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts werden die Arbeitnehmer durch das Verfahren nach §§ 17 ff. KSchG nur mittelbar betroffen, so dass sie daran nicht beteiligt sind und gegen die darin ergehenden Verwaltungsakte nicht vorgehen können (BSG 30. Oktober 1959 - 7 RAr 19/57 - BSGE 11, 14; 14. August 1980 - 7 RAr 68/79 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 2; vgl. LSG Baden-Württemberg 8. Januar 2007 - L 8 AL 3242/06 AK-A - Rn. 13 ff., NJW 2007, 1839, wonach auch bei richtlinienkonformer Auslegung in Ansehung der Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] den §§ 17 ff. KSchG kein Recht der Arbeitnehmer entnommen werden kann, gerichtlich gegen Entscheidungen der Agentur für Arbeit nach § 18 KSchG vorzugehen). Gegenüber nur mittelbar Betroffenen entfaltet ein Verwaltungsakt keine Bindungswirkung (Sachs in Stelkens/ Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 92).

72

bb) Auch gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit entfaltet ein solcher Bescheid entgegen der Annahme der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der dieser folgenden Literatur keine materielle Bestandskraft. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen und wird zudem vom unionsrechtlichen Grundsatz des effet utile verlangt.

73

(1) Die Bindungswirkung des Bescheids der Agentur für Arbeit nach § 20 KSchG umfasst nur den eigentlichen Inhalt dieses Bescheids, also die Dauer der Sperrfrist und den Zeitpunkt ihres Ablaufs oder die Genehmigung, Entlassungen vor Ablauf der Sperrfrist vorzunehmen, nicht aber die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst(Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 154 f.; Reinhard RdA 2007, 207, 214).

74

(a) Von der Bestandskraft eines Verwaltungsakts wird nur dessen Entscheidungsgegenstand erfasst, also die im Verwaltungsakt verbindlich mit Wirkung nach außen getroffene Regelung (BVerwG 4. Juli 1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315, 320; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 56). Dagegen entfalten die im Verwaltungsverfahren ermittelten und dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände sowie deren rechtliche Beurteilung keine Bindungswirkung. Das Ergebnis solcher Vorfragen bildet lediglich den Grund für die Verwaltungsentscheidung, gehört jedoch nicht zu ihrem Regelungsinhalt (BVerwG 19. April 1994 - 9 C 20.93 - BVerwGE 95, 311, 318 f.; 21. November 1994 - 1 B 143.94 - NVwZ-RR 1995, 540; vgl. auch BAG 3. August 1989 - 8 AZR 335/87 - BAGE 62, 288; BGH 4. Februar 2004 - XII ZR 301/01 - BGHZ 158, 19; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 151 ff.; vgl. zu hier nicht interessierenden Ausnahmen von diesem Grundsatz Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs aaO Rn. 59). Die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts reicht also nur so weit, wie über den Anspruch entschieden ist. Begründungselemente erwachsen auch dann nicht in Bestandskraft, wenn sie tragend sind (BSG 8. Dezember 1994 - 11 RAr 41/94 - zu 1 a der Gründe, BSGE 75, 235).

75

(b) Nach diesen Grundsätzen wird die Frage, ob der Arbeitgeber bei der Massenentlassungsanzeige den Anforderungen des § 17 KSchG genügt hat, von der Bindungswirkung des Bescheids der Arbeitsverwaltung nach § 18 KSchG nicht umfasst. Die Arbeitsverwaltung entscheidet damit nur über die Dauer der Sperrfrist und bei entsprechendem Antrag über die Entbindung des Arbeitgebers von der Sperrfrist. Einen weiter gehenden Inhalt hat der Bescheid nicht. Die Einhaltung der formalen Anforderungen des § 17 KSchG ist nur Vorfrage des Bescheids nach § 20 KSchG und gehört damit nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht zum Regelungsinhalt des Bescheids. Dies berücksichtigt die Gegenmeinung nicht, wenn sie darauf abstellt, die Arbeitsverwaltung prüfe, ob die Anzeige wirksam gestellt worden sei, und bescheide im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Ordnungsgemäßheit der Anzeige bzw. regele die Entlassungsfrist (APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 136a f.). Zwar gilt im Verfahren nach § 20 KSchG der Amtsermittlungsgrundsatz. Die Agentur für Arbeit hat von Amts wegen festzustellen, ob die formellen Voraussetzungen der Massenentlassungsanzeige erfüllt sind (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 27, ZIP 2012, 1259). Das ändert aber nichts daran, dass hinsichtlich der Bindungswirkung eines im Verwaltungsverfahren ergangenen Bescheids zwischen Vorfragen und Regelungsinhalt zu unterscheiden ist.

76

(2) Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 6 der MERL, der den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz des effet utile besonders hervorhebt, Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von der MERL vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Die den Mitgliedstaaten überlassene Ausgestaltung dieser Bestimmung darf der MERL nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen (EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 34, 36, Slg. 2009, I-6653). Diese Verpflichtung steht einer Auslegung der §§ 17 ff. KSchG durch die nationale Arbeitsgerichtsbarkeit entgegen, die eine Bindungswirkung eines Bescheids der Arbeitsverwaltung nach §§ 18, 20 KSchG über den eigentlichen Regelungsgehalt eines solchen Bescheids hinaus annimmt.

77

(a) Weder die Arbeitnehmer noch der Betriebsrat sind am Verwaltungsverfahren beteiligt. Der Klageweg gegen Bescheide der Arbeitsverwaltung steht ihnen deshalb, wie ausgeführt, nicht offen. Würde gleichwohl ein Bescheid nach §§ 18, 20 KSchG dem Arbeitnehmer die Möglichkeit abschneiden, sich im Kündigungsschutzprozess auf Formfehler bei den Anforderungen des § 17 Abs. 3 KSchG zu berufen, wäre das von Art. 6 geforderte Schutzniveau der MERL unterschritten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zur Wahrung dieses Schutzniveaus schon hinsichtlich der Einhaltung der in Art. 2 der MERL(entsprechend § 17 Abs. 2 KSchG) vorgesehenen Verpflichtungen zur Information und Konsultation der Arbeitnehmervertreter, die kollektiver Natur sind, ein zumindest eingeschränktes Klagerecht der Arbeitnehmervertreter verlangt (EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42 f., Slg. 2009, I-6653). Erst recht muss hinsichtlich der Einhaltung der in § 17 Abs. 3 KSchG geregelten Formalien, die die Arbeitnehmer vor den Folgen der Massenentlassung schützen sollen und es der Arbeitsverwaltung ermöglichen sollen, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen(BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, BAGE 134, 176), die also auch eine individualschützende Komponente haben, eine effektive Möglichkeit bestehen, Verletzungen der Anforderungen des § 17 Abs. 3 KSchG geltend zu machen. Dies kann nur dadurch geschehen, dass Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess Fehler im Verfahren der Massenentlassungsanzeige erfolgreich rügen können, ohne dass ein bestandskräftiger Bescheid nach § 18 KSchG dem entgegenstünde(vgl. ErfK/Kiel 12. Aufl. § 20 KSchG Rn. 6; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 918; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 156 ff.).

78

(b) Dem kann, anders als die Revision annimmt, nicht mit dem Argument begegnet werden, dass die Arbeitsverwaltung ihr Informationsbedürfnis selbst definiere. Auch wenn die Arbeitsverwaltung von den ihr von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 der MERL iVm. § 18 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG eingeräumten Entscheidungsmöglichkeiten auf der Grundlage der ihr vom Arbeitgeber erteilten Informationen Gebrauch gemacht und die ihr von Art. 4 Abs. 2 der MERL angesonnenen Lösungsmöglichkeiten als erschöpft angesehen hat, muss es aufgrund der Verpflichtung aus Art. 6 der MERL wirksame Möglichkeiten geben, überprüfen zu lassen, ob die diesen Entscheidungen als Vorfrage zugrunde liegende Einschätzung der Arbeitsverwaltung, die Massenentlassungsanzeige genüge den gesetzlichen Anforderungen, zutrifft. Die Anforderungen des § 17 KSchG an eine Massenentlassungsanzeige unterliegen nicht der unüberprüfbaren Disposition durch die Arbeitsverwaltung, insbesondere nicht, soweit dadurch die Verpflichtungen der MERL umgesetzt werden.

79

5. Entgegen der Anregung des Beklagten im Berufungsrechtszug bedarf es zur Klärung der Auswirkungen der Mitteilung der Arbeitsverwaltung, dass die Massenentlassungsanzeige vollständig und deren Informationsbedürfnis genügt sei, auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 29. Mai 2012 - 1 BvR 3201/11 -; 21. Dezember 2010 - 1 BvR 3461/08 - CR 2011, 88) keines Vorabentscheidungsersuchens des Senats nach § 267 Abs. 3 AEUV. Abgesehen davon, dass die insoweit maßgeblichen Fragen bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union waren, verbietet sich, wie ausgeführt, bereits auf der Grundlage nationalen Verwaltungsverfahrensrechts die Annahme einer Heilungswirkung, so dass keine entscheidungserhebliche unionsrechtliche Fragestellung vorliegt.

80

III. Eine Vorlage an den Großen Senat nach § 45 ArbGG bzw. in deren Vorfeld eine Anfrage beim Zweiten und Achten Senat im Hinblick auf die Rechtsprechung dieser Senate zur Heilungswirkung von Verwaltungsakten der Agentur für Arbeit ist nicht erforderlich.

81

1. Die Rechtsfrage, ob und inwieweit die Bescheide der Arbeitsverwaltung im Verfahren nach § 20 KSchG Heilungswirkung entfalten, stellt sich im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union seit seiner Entscheidung vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - [Junk] Slg. 2005, I-885), die eine Zäsur im Verständnis des § 17 KSchG darstellt(ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 2), neu. Die rechtliche Grundlage der früheren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ist damit entfallen (vgl. BVerfG 2. Juli 1992 - 2 BvR 972/92 - NStZ 1993, 90). Deshalb fehlt es an der für eine Anrufung des Großen Senats erforderlichen Identität der Rechtslage (vgl. BGH 10. Dezember 2002 - X ARZ 208/02 - BGHZ 153, 173).

82

2. Das gilt auch für die Entscheidung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Mai 2009 (- 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20). Die Ausführungen in dieser Entscheidung zur Heilungswirkung der Entscheidung der Agentur für Arbeit beruhen auf der Annahme, die Vorschriften der §§ 17 ff. KSchG verfolgten (ausschließlich) einen arbeitsmarktpolitischen Zweck. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinen nach der Entscheidung des Achten Senats ergangenen Urteilen vom 10. Dezember 2009 (- C-323/08 - [Rodríguez Mayor] Rn. 43 f., Slg. 2009, I-11621) und vom 3. März 2011 (- C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337) das Hauptziel der MERL darin gesehen, Massenentlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern und die Unterrichtung der zuständigen Behörde vorangehen zu lassen. Dabei soll sich insbesondere die Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern auf die Möglichkeit erstrecken, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern. Ausgehend von diesen von ihm angenommenen Zielen der MERL hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem ebenfalls nach der Entscheidung des Achten Senats ergangenen Urteil vom 16. Juli 2009 (- C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42, Slg. 2009, I-6653) den Arbeitnehmern ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation im Vorfeld einer Massenentlassung zugebilligt und zu seiner Wahrung ein zumindest eingeschränktes Klagerecht der Arbeitnehmervertreter verlangt. Diese neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die der MERL auch eine individualschützende Komponente zuerkennt, schließt es aus, den Zweck des diese Richtlinie umsetzenden § 17 KSchG noch ausschließlich als arbeitsmarktpolitischen anzusehen. Auch der Entscheidung des Achten Senats vom 28. Mai 2009 ist damit der Boden entzogen.

83

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Jerchel    

        

    Hoffmann    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Dezember 2010 - 6 Sa 1344/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Insolvenzverwalter auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste erklärten Kündigung und über Ansprüche auf Annahmeverzugsentgelt.

2

Die im September 1956 geborene, verheiratete Klägerin war seit 1986 bei der Schuldnerin, der Q GmbH, beschäftigt. Sie war als Verkaufsberaterin im Bereich Flächenmanagement des Betriebs „Zentrale N“ im Vertriebsaußendienst tätig, zuletzt im Bereich H gegen eine Vergütung von 3.600,00 Euro brutto. Die Schuldnerin beschäftigte mehrere Tausend Arbeitnehmer. Am 1. September 2009 wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

3

Am 22. September 2009 schloss der Beklagte mit dem im Unternehmen der Schuldnerin gebildeten Gesamtbetriebsrat einen ersten Interessenausgleich, aufgrund dessen die Tätigkeit mehrerer Betriebe der Schuldnerin eingeschränkt werden sollte.

4

Nach einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation schloss der Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat am 15. Oktober 2009 einen Interessenausgleich für die Arbeitnehmer der Betriebe „Zentrale N“, „Küchenvertrieb L“ und „Küchenvertrieb Mitte“. Der Gesamtbetriebsrat war dazu und zu der Ausübung der damit in Zusammenhang stehenden Beteiligungsrechte von den drei örtlichen Betriebsräten „Zentrale N“, „Küchenvertrieb L“ und „Küchenvertrieb Mitte“ nach § 50 Abs. 2 BetrVG beauftragt worden. Der Interessenausgleich sah vor, dass der Geschäftsbetrieb der sog. Q-Shops einschließlich der Betriebsteile des Vertriebsaußen- und Vertriebsinnendienstes, die zum Betrieb „Zentrale N“ gehörten, bis spätestens 31. Januar 2010 vollständig eingestellt werden sollte. Mit dem Interessenausgleich wurde eine seitens des Insolvenzverwalters und des Gesamtbetriebsrats unterschriebene Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer verleimt. In der Liste ist der Name der Klägerin aufgeführt. Der Interessenausgleich nennt die Gründe für die geplanten Kündigungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu kündigenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollten, und die Kriterien für die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer. Der von beiden Seiten unterzeichnete Interessenausgleich lautet in Auszügen wörtlich:

        

„§ 5   

        

Mitteilung des Gesamtbetriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 KSchG

        

Im Hinblick auf die erforderlich werdenden betriebsbedingten Kündigungen besteht zwischen den Parteien ferner Einigkeit darüber, dass der Gesamtbetriebsrat noch im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen umfassend gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet und beteiligt worden ist. Ihm sind insbesondere die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, der Zeitraum, in dem die Entlassungen, die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien vorgenommen werden sollen sowie die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer mitgeteilt worden. Der Arbeitgeber und der Gesamtbetriebsrat haben insbesondere auch die Möglichkeiten beraten, Entlassungen zu vermeiden oder zumindest einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Die Parteien sehen das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG damit als abgeschlossen an.

        

       

        

§ 13   

        

Schlussbestimmungen

        

Die vorstehenden Maßnahmen treten mit beiderseitiger Unterzeichnung des Interessenausgleichs in Kraft. Die Parteien stimmen überein, dass mit den vorstehenden Bestimmungen der Interessenausgleich gemäß §§ 111, 112 BetrVG, 121 ff. InsO abschließend geregelt ist.“

5

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 hörte der Insolvenzverwalter den örtlichen Betriebsrat der „Zentrale N“ zu den in diesem Betrieb beabsichtigten Kündigungen - ua. des Arbeitsverhältnisses der Klägerin - an. In diesem Betrieb waren 201 Arbeitnehmer von den geplanten Kündigungen betroffen. Unter dem 15. Oktober 2009 teilte der örtliche Betriebsrat mit, er nehme die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis und werde keine Stellungnahme abgeben. Er gehe davon aus, dass die Anhörungen mit dem Inhalt des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 und den dort vereinbarten Namenslisten übereinstimmten. Die Stellungnahme sei abschließend.

6

Der Beklagte erstattete mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 Massenentlassungsanzeige, die der Agentur für Arbeit am 16. Oktober 2009 zuging. Er teilte ua. mit, von den zum Zeitpunkt der Anzeige beschäftigten 3.040 Arbeitnehmern sollten insgesamt 433 Arbeitnehmer entlassen werden. Der Anzeige war eine „Bestätigung des Gesamtbetriebsrats der Q GmbH gemäß § 17 Abs. 2 KSchG“ vom 14. Oktober 2009 beigefügt, die inhaltlich § 5 des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 entsprach. Außerdem lag der Massenentlassungsanzeige dieser Interessenausgleich bei. Die Agentur für Arbeit teilte unter dem 16. Oktober 2009 mit, die Frist des § 18 Abs. 1 KSchG beginne am 17. Oktober 2009 und ende am 16. November 2009. Da die Arbeitsverhältnisse nicht in dieser Frist enden sollten, könnten die Kündigungen ausgesprochen werden.

7

Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 ordentlich zum 31. Januar 2010. Der Vertrieb wurde zum 31. Januar 2010 eingestellt. Die Betriebe wurden am 28. Februar 2010 vollständig stillgelegt.

8

Mit ihrer am 6. November 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt und Ansprüche auf Annahmeverzugsentgelt für Februar und März 2010 erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil der Beklagte das Konsultationsverfahren vor der Anzeige der Massenentlassung nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe. Er habe seine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht erfüllt und der Agentur für Arbeit deshalb entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG auch keine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zugeleitet. Das Schriftformerfordernis des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG sei nicht disponibel und von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG (MERL) vorgegeben.

9

Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem beklagten Insolvenzverwalter durch die Kündigung vom 16. Oktober 2009, ihr zugegangen am 17. Oktober 2009, noch nicht aufgelöst ist;

        

2.    

festzustellen, dass ihr eine Masseverbindlichkeit in Höhe von 5.927,06 Euro brutto zusteht, die gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu berichtigen ist.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, die Anforderungen des § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG seien gewahrt. Er habe dem Gesamtbetriebsrat bereits im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen alle Auskünfte erteilt, die § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verlange. Jedenfalls komme dem Bescheid der Agentur für Arbeit vom 16. Oktober 2009 Bindungswirkung zu.

11

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Sie verlangt zudem hilfsweise anstelle des Feststellungsantrags zu 2. Vergütung für Februar und März 2010 von 5.927,06 Euro brutto.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters vom 16. Oktober 2009 beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31. Januar 2010. Der Klägerin steht daher keine Vergütung für Februar und März 2010 zu.

13

A. Die Kündigung vom 16. Oktober 2009 ist nicht sozialwidrig iSv. § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG.

14

I. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen. Die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ist nicht widerlegt.

15

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO sind erfüllt.

16

a) Die Kündigung beruht auf einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG.

17

aa) Um eine Betriebsänderung handelt es sich auch bei einem bloßen Personalabbau, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind(vgl. für die st. Rspr. BAG 20. September 2012 - 6 AZR 253/11 - Rn. 46 mwN). Ausschlaggebend ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Kündigungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dem der §§ 1, 4 BetrVG(st. Rspr., vgl. zB BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 41 mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

18

bb) Der Personalabbau überschritt die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Maßgeblich für die Berechnung des Schwellenwerts war die im Beschäftigungsbetrieb der Klägerin „Zentrale N“ eingesetzte Zahl von Arbeitnehmern. In diesem Betrieb waren 201 Arbeitnehmer von den beabsichtigten Kündigungen betroffen, wie sich aus der schriftlichen Anhörung des örtlichen Betriebsrats vom 15. Oktober 2009 ergibt. Obwohl die Zahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer nicht festgestellt ist, ergibt sich aus der Zahl der geplanten Kündigungen zugleich, dass die Mindestbeschäftigtenzahl von 60 Arbeitnehmern erreicht und damit der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG von mehr als 25 zu Kündigenden erreicht ist. Sollten im Betrieb „Zentrale N“ über 500 Arbeitnehmer beschäftigt worden sein, wäre die Mindestzahl von 30 beabsichtigten Kündigungen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG deutlich überschritten.

19

b) Die vonseiten des beklagten Insolvenzverwalters und des Gesamtbetriebsrats unterzeichnete Namensliste weist den Namen der Klägerin aus und war mit dem Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 fest verbunden.

20

2. Die Klägerin hat die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegt. Der Vertrieb der Schuldnerin wurde zum 31. Januar 2010 nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten vollständig eingestellt.

21

II. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3 KSchG, § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, ob und welche weiterbeschäftigten Arbeitnehmer sie mit sich selbst für vergleichbar hält. Die Arbeitsverhältnisse der mit ihr tätigkeitsbezogen vergleichbaren Arbeitnehmer wurden zum selben Zeitpunkt wie das Arbeitsverhältnis der Klägerin gekündigt, weil der Vertriebsinnen- und Vertriebsaußendienst zum 31. Januar 2010 eingestellt wurde.

22

B. Der Beklagte hörte den örtlichen Betriebsrat der „Zentrale N“ vor Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 ordnungsgemäß und mit detaillierter Begründung iSv. § 102 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG an. Er musste die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht wahren, weil der Betriebsrat unter dem 15. Oktober 2009 abschließend zu den beabsichtigten Kündigungen Stellung genommen hatte. Dafür genügte die eindeutige Äußerung des Betriebsrats, zu den Kündigungen keine Stellung nehmen zu wollen.

23

C. Die Kündigung vom 16. Oktober 2009 verstößt nicht gegen die Anzeigepflicht aus § 17 KSchG. Der Senat kann offenlassen, ob es sich bei den gerügten Verletzungen von § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG um mögliche Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung handelt. Er braucht ferner nicht darüber zu befinden, ob die Klägerin Verstöße gegen diese beiden Bestimmungen entweder bereits in erster Instanz beanstandet hat oder das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht aus § 6 Satz 2 KSchG verletzt und die Klägerin die Rügen im zweiten Rechtszug wirksam nachgeholt hat(vgl. dazu BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 11 ff., EzA KSchG § 6 Nr. 4). Der Beklagte wurde seinen Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG gerecht.

24

I. Die Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 KSchG gilt uneingeschränkt auch für den Insolvenzverwalter(vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 13, EzA KSchG § 17 Nr. 25; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 29 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4; siehe auch EuGH 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 53, NZA 2011, 337 ).

25

II. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Revision der Klägerin nicht schon deswegen unbegründet, weil die Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige vom 15. Oktober 2009 nicht beanstandete. Der auf der Grundlage von § 18 Abs. 1, § 20 KSchG ergangene Bescheid der Agentur für Arbeit vom 16. Oktober 2009 hindert die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht daran, die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige festzustellen. Er heilt mögliche Fehler der Massenentlassungsanzeige nicht (vgl. detailliert BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 70 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

26

1. Gegenüber der durch das Verfahren nach §§ 17 ff. KSchG nur mittelbar betroffenen Klägerin kann ein solcher Bescheid keine materielle Bestandskraft entfalten. Sie hätte gegen ihn nicht vorgehen können (vgl. im Einzelnen BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 71 mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

27

2. Auch gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit kommt einem derartigen Bescheid keine materielle Bestandskraft zu. Das ergibt sich aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen und wird vom unionsrechtlichen Grundsatz des sog. effet utile verlangt.

28

a) Die Bindungswirkung eines Bescheids der Agentur für Arbeit nach § 20 KSchG umfasst nur den eigentlichen Inhalt dieses Bescheids, also die Dauer der Sperrfrist und den Zeitpunkt ihres Ablaufs oder die Genehmigung, Entlassungen vor Ablauf der Sperrfrist vorzunehmen, nicht aber die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst(vgl. Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 154 f.; Reinhard RdA 2007, 207, 214). Die Einhaltung der formalen Anforderungen des § 17 KSchG ist lediglich eine Vorfrage des Bescheids nach § 20 KSchG und gehört damit nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht zum Regelungsinhalt des Bescheids(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 73 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

29

b) Die Mitgliedstaaten müssen zudem nach Art. 6 MERL Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie 98/59/EG vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Die den Mitgliedstaaten überlassene Ausgestaltung dieser Bestimmung darf der MERL nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 34 und 36, Slg. 2009, I-6653). Diese Verpflichtung steht einer Auslegung der §§ 17 ff. KSchG durch die nationale Arbeitsgerichtsbarkeit entgegen, die die Bindungswirkung eines Bescheids der Arbeitsverwaltung nach §§ 18, 20 KSchG über seinen eigentlichen Regelungsgehalt hinaus annimmt. Weder die Arbeitnehmer noch der (Gesamt-)Betriebsrat sind am Verwaltungsverfahren beteiligt. Würde ein Bescheid nach §§ 18, 20 KSchG dem Arbeitnehmer dennoch die Möglichkeit nehmen, sich im Kündigungsschutzprozess auf Formfehler bei den Anforderungen des § 17 Abs. 3 KSchG zu berufen, wäre das von Art. 6 MERL geforderte Schutzniveau unterschritten(vgl. näher BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 76 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

30

III. Der Wirksamkeit der Kündigung vom 16. Oktober 2009 steht nicht entgegen, dass der Beklagte seiner Anzeige keine Stellungnahme des örtlichen Betriebsrats der „Zentrale N“ beifügte.

31

1. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt, dass der Arbeitgeber bei Entlassungen, die der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG anzuzeigen sind, die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beifügt.

32

2. Der Beklagte musste der Massenentlassungsanzeige vom 15. Oktober 2009 aber keine Stellungnahme des örtlichen Betriebsrats der „Zentrale N“ beifügen. Es genügte, dass er der Anzeige die Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats vom 14. Oktober 2009 und den Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 beifügte. Der mit dem originär zuständigen Gesamtbetriebsrat geschlossene Interessenausgleich ersetzte nach § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des „Betriebsrats“ iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG(vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 18 ff., AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3).

33

a) § 125 Abs. 2 InsO besagt zwar nicht ausdrücklich, dass auch ein mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt. Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des § 125 Abs. 2 InsO sprechen jedoch für ein solches Verständnis.

34

aa) Die Formulierung „Der Interessenausgleich nach Absatz 1 ersetzt …“ in § 125 Abs. 2 InsO erfasst jeden qualifizierten Interessenausgleich mit Namensliste unabhängig davon, ob der Interessenausgleich mit dem Betriebsrat oder dem Gesamtbetriebsrat zustande kommt.

35

bb) Nach § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.

36

(1) Es muss sich um eine Angelegenheit handeln, die mehrere Betriebe betrifft. Darüber hinaus muss objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung bestehen. Ob ein solches zwingendes Erfordernis besteht, bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands (vgl. BAG 19. Juni 2012 - 1 ABR 19/11 - Rn. 21 mwN).

37

(2) Wird ein geplanter Personalabbau - wie hier - auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt und sind mehrere Betriebe von der Betriebsänderung betroffen, ist der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig für den Abschluss eines betriebsübergreifenden Interessenausgleichs mit Namensliste. Dann kann nur auf dieser überbetrieblichen Ebene geklärt werden, welche Arbeitnehmer gekündigt und welche Arbeitnehmer in welchem Betrieb weiterbeschäftigt werden. In einem solchen Fall haben nicht die örtlichen Betriebsräte gegenüber der Agentur für Arbeit zu den geplanten Kündigungen Stellung nehmen. Der mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommene Interessenausgleich mit Namensliste ersetzt dessen Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG( vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 24 f. mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3 ).

38

b) Sinn und Zweck sowohl des § 125 Abs. 2 InsO als auch des § 17 KSchG bestätigen dieses Verständnis.

39

aa) § 125 Abs. 2 InsO will möglichst schnelle Sanierungen ermöglichen und Verzögerungen bei der Abwicklung der Rechtsverhältnisse des Schuldners vermeiden(vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 149). Dieses Vereinfachungs- und Beschleunigungsziel würde bei betriebsübergreifenden Betriebsänderungen zur Sanierung von Unternehmen verfehlt, wenn ein mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzte( vgl. im Einzelnen BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 22 mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3 ).

40

bb) Auch der Zweck des § 17 KSchG spricht für eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für betriebsübergreifende Massenentlassungen. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarkts einleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen sorgen können. Dazu ist den Arbeitnehmern mit Art. 2 MERL und der Umsetzung dieser Bestimmung in nationales Recht durch § 17 KSchG ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation eingeräumt(vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 27 mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3 unter Hinweis auf EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42, Slg. 2009, I-6653). Dieser Zweck erfordert es nicht, dass nur ein örtlicher Betriebsrat als Arbeitnehmervertretung verstanden wird und daher lediglich ein vom örtlichen Betriebsrat mit dem Insolvenzverwalter geschlossener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt. Erforderliche Kenntnisse des Gesamtbetriebsrats über die betrieblichen und regionalen Verhältnisse sind dadurch gewährleistet, dass jeder örtliche Betriebsrat mindestens ein Mitglied in den Gesamtbetriebsrat entsendet ( vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 28, aaO ).

41

3. Das Erfordernis der beizufügenden Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG wurde demnach mit dem beigefügten qualifizierten Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009, den der Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossen hatte, gewahrt. Aufgrund der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss des Interessenausgleichs kommt es nicht darauf an, dass die örtlichen Betriebsräte ihn hier ausdrücklich nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BetrVG mit der Stellungnahme und der Ausübung der zugehörigen Beteiligungsrechte beauftragt hatten. Selbst die in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats hätte den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt, wenn der Gesamtbetriebsrat abschließend zu der beabsichtigten Massenentlassung Stellung genommen hätte(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 56, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 14 ff. und 34, EzA KSchG § 17 Nr. 25 ).

42

IV. Der Beklagte verletzte auch nicht seine Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG.

43

1. Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und die vorgesehenen Kriterien für die Berechnung etwaiger Abfindungen. Der Arbeitgeber hat der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 KSchG gleichzeitig eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten. Sie muss nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG zumindest die in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 5 KSchG enthaltenen Angaben enthalten.

44

2. Mit §§ 5 und 13 des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 und mit seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2009 erklärte der Gesamtbetriebsrat, rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden zu sein. Das allein genügt zum Nachweis der Erfüllung der Konsultationspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG allerdings noch nicht. Die Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste ersetzt nur die Stellungnahme des Betriebsrats oder Gesamtbetriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit. Erforderlich ist daneben noch die vorherige schriftliche Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG(vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 33 und 39 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4).

45

a) Unschädlich ist, dass der Beklagte seiner Unterrichtungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG mithilfe der Angaben im Interessenausgleich gerecht werden wollte.

46

aa) Die Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der Erfüllung der Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist zulässig.

47

(1) Soweit die gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflichten aus § 111 BetrVG mit denen aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen(vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 23, EzA KSchG § 17 Nr. 25 ). Dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollen, muss dabei hinreichend klargestellt werden (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 34 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4 ).

48

(2) Aus § 5 Satz 1 und Satz 2 des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 geht ausdrücklich hervor, dass mit dem Interessenausgleich zugleich die Unterrichtungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllt werden sollte.

49

bb) Die Verbindung des Verfahrens nach § 111 BetrVG mit der Unterrichtung des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verletzt keine unionsrechtlichen Vorgaben. Insoweit ist kein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erforderlich. Die Frage ist durch den Gerichtshof der Europäischen Union auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. dazu zB BVerfG 29. Mai 2012 - 1 BvR 3201/11 - Rn. 20 ff., ZIP 2012, 1876; 21. Dezember 2010 - 1 BvR 3461/08 - Rn. 5 ff., CR 2011, 88; siehe auch BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 33 ff., ZIP 2012, 1927).

50

(1) § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG setzt Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL um. Es handelt sich um ein von dieser Richtlinienvorgabe gewährleistetes kollektives Informationsrecht der Arbeitnehmervertretung, nicht um ein individuelles Recht der einzelnen Arbeitnehmer (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 38 ff., Slg. 2009, I-6653). Nach Art. 6 der Richtlinie 98/59/EG sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Verfahren einzurichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie 98/59/EG vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Da die Richtlinie die Verpflichtung aber nicht weiter ausformt, ist die Ausgestaltung dieser teilharmonisierten Verfahren Sache der Mitgliedstaaten. Die Verfahrensausgestaltung darf den Bestimmungen der Richtlinie jedoch nicht ihre praktische Wirksamkeit iSd. Effektivitäts- und Äquivalenzprinzips nehmen (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 33 ff. und 59 ff., aaO).

51

(2) Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass die Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der schriftlichen Unterrichtung des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG richtlinienkonform ist.

52

(a) Der Entwurf des Interessenausgleichs dokumentiert gegenüber dem (Gesamt-)Betriebsrat die Bemühungen des Arbeitgebers, Massenentlassungen zumindest zu beschränken (vgl. dazu EuGH 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337; 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 64, Slg. 2009, I-8163 ).

53

(b) Dem widerspricht die Vorgabe in Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 MERL nicht, wonach der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung rechtzeitig unterrichten muss. Der Wortlaut der Richtlinienvorgabe bringt klar zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber der Arbeitnehmervertretung die betreffenden Auskünfte rechtzeitig im Verlauf der Konsultationen erteilen muss, damit die Arbeitnehmervertreter konstruktive Vorschläge unterbreiten können (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51, Slg. 2009, I-8163). Daraus folgt, dass diese Auskünfte im Verlauf und nicht unbedingt im Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen zu erteilen sind. Der Arbeitgeber hat der Arbeitnehmervertretung nach dem Grundgedanken der Richtlinienvorgabe während der gesamten Konsultationen die relevanten Informationen zu geben. Eine flexible Handhabung ist erforderlich, weil die Auskünfte zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Konsultationsprozesses zur Verfügung stehen können. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit und die Pflicht hat, die Auskünfte im Lauf des Verfahrens zu vervollständigen (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 52 ff., aaO). Dieser Prozess kann gegenüber dem Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat deshalb unmittelbar vor Schluss der Konsultation nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG schriftlich dokumentiert werden.

54

(c) Die Annahme einer rechtlich zulässigen Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der Information des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG entspricht damit auch dem Erfordernis unionsrechtskonformer Auslegung(vgl. für die st. Rspr. des EuGH etwa 5. September 2012 - C-42/11 - [Lopes Da Silva Jorge] Rn. 53 ff.; 24. Mai 2012 - C-97/11 - [Amia] Rn. 27 ff., EurUP 2012, 210; 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 23 ff., AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 7 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 8).

55

b) Es kann ferner auf sich beruhen, ob § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG gesetzliche Schriftform iSv. § 126 Abs. 1 BGB verlangt. Sollte das zutreffen, ist der Schriftformverstoß durch die abschließende Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats in § 5 des Interessenausgleichs geheilt, die die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erfüllt.

56

aa) Im Streitfall ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass der Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 zuerst durch den Bevollmächtigten des beklagten Insolvenzverwalters unterzeichnet wurde. Demnach steht bisher nicht fest, dass der Beklagte den Gesamtbetriebsrat vor Abschluss des Konsultationsverfahrens in einer Weise unterrichtete, die der gesetzlichen Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB entsprach.

57

bb) Eine Verletzung des etwaigen gesetzlichen Schriftformerfordernisses ist hier aber jedenfalls geheilt. Der Betriebsrat machte mit seiner abschließenden Stellungnahme deutlich, dass er sich für ausreichend unterrichtet hielt und die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht ausschöpfen wollte.

58

(1) Der Senat hat bisher offengelassen, ob für die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG die gesetzliche Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB einzuhalten ist(vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 40, EzA KSchG § 6 Nr. 4 ). Weite Teile des Schrifttums nehmen an, dass sie zu wahren ist (so v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 56; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 20 und 28; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 70; Schrader in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 17 Rn. 52; Stahlhacke/Vossen 10. Aufl. Rn. 1653; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56; Thüsing/Laux/Lembke/Lembke/Oberwinter KSchG 2. Aufl. § 17 Rn. 82 lassen demgegenüber eine Unterrichtung per Telefax oder E-Mail genügen).

59

(2) Die Frage braucht auch in diesem Fall nicht beantwortet zu werden. Es kann auf sich beruhen, ob der Vertreter des Insolvenzverwalters den Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 erst nach dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats unterschrieb.

60

(a) Jedenfalls dann, wenn die von § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verlangten Angaben gegenüber dem (Gesamt-)Betriebsrat in einem schriftlichen, wenn auch nicht unterzeichneten Text dokumentiert wurden, genügt die abschließende Stellungnahme des (Gesamt-)Betriebsrats, um einen eventuellen Schriftformverstoß zu heilen(weiter gehend LAG Hamm 6. Juni 1986 - 16 Sa 2188/86 - LAGE KSchG § 17 Nr. 2; HaKo/Pfeiffer 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 54; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 65, die eine mündliche Unterrichtung bei abschließender Stellungnahme des Betriebsrats für ausreichend halten; offengelassen von APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 76). Dafür spricht der Zweck des Unterrichtungserfordernisses. Die Arbeitnehmervertretung soll konstruktive Vorschläge unterbreiten können, um die Massenentlassung zu verhindern oder einzuschränken (vgl. zu Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51 und 64, Slg. 2009, I-8163). Bringt das Gremium, dem die Angaben nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG in einem schriftlich abgefassten Text deutlich vor Augen geführt wurden, selbst zum Ausdruck, dass es sich für ausreichend unterrichtet hält, drückt es damit zugleich aus, dass es keine weiteren Vorschläge unterbreiten kann oder will(vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 23, EzA KSchG § 17 Nr. 25 ). Die Arbeitnehmervertretung will in einem solchen Fall gerade nicht die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ausschöpfen.

61

(b) Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass eine solche Heilungsmöglichkeit durch eine abschließende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung der von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL vorgegebenen Pflicht zur schriftlichen Mitteilung genügt. Wie bereits ausgeführt, gewährleistet die Richtlinienvorgabe ein kollektives Informationsrecht der Arbeitnehmervertretung, kein individuelles Recht der einzelnen Arbeitnehmer (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 38 ff., Slg. 2009, I-6653). Die Ausgestaltung des Verfahrens zur Durchsetzung der Verpflichtungen des Arbeitgebers ist nach Art. 6 MERL Sache der Mitgliedstaaten. Die Verfahrensausgestaltung darf aber nicht dazu führen, dass der Richtlinie ihre praktische Wirksamkeit genommen wird (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 33 ff. und 59 ff., aaO). Dem sog. effet utile ist nach dem Zweck der Richtlinienvorgabe jedenfalls bei einem schriftlich abgefassten, wenn auch nicht unterschriebenen Unterrichtungstext genügt. Führt die Arbeitnehmervertretung ohne einschränkende oder weiterführende Zusätze selbst aus, sie sei ausreichend unterrichtet, will sie keine weiteren Vorschläge unterbreiten, um die Massenentlassung abzuwenden oder zu beschränken (vgl. zum Zweck von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51, Slg. 2009, I-8163; zu der Heilung einer anderen im Richtlinienrecht verbürgten Schriftform [für Kreditverträge] auch BGH 6. Dezember 2005 - XI ZR 139/05 - Rn. 29 ff., BGHZ 165, 213). Die Heilung eines etwaigen Schriftformverstoßes verringert die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL gewährleistet, unter diesen Voraussetzungen nicht (vgl. zu der nötigen Aufrechterhaltung des Pflichtenniveaus EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 65, aaO).

62

3. Der Beklagte wurde auch seiner Pflicht gegenüber der Agentur für Arbeit aus § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG gerecht, indem er der Massenentlassungsanzeige den Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 beifügte. Die Agentur für Arbeit konnte dem Interessenausgleich, der den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG entsprach, die ordnungsgemäße Unterrichtung des Gesamtbetriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG entnehmen. Der Gesamtbetriebsrat hatte mit § 5 des Interessenausgleichs deutlich gemacht, dass er annahm, der Beklagte habe seine Pflichten aus §§ 111, 112 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllt. Daraus konnte die Agentur für Arbeit ersehen, dass ein etwaiger Schriftformverstoß jedenfalls durch die abschließende Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats geheilt war. Mit dieser Stellungnahme belegte der Gesamtbetriebsrat zugleich, dass Kündigungen in dem aus dem Interessenausgleich ersichtlichen Umfang auch nach seiner Auffassung unvermeidlich waren und soziale Maßnahmen beraten worden waren (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4).

63

D. Die dreimonatige Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO ist eingehalten. Die der Klägerin am 17. Oktober 2009 zugegangene Kündigung wirkte zum 31. Januar 2010.

64

E. Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2010 auflöste, steht der Klägerin keine Vergütung für Februar und März 2010 zu.

65

F. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

        

    Schäferkord    

        

    Reiner Koch    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Dezember 2010 - 6 Sa 1344/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Insolvenzverwalter auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste erklärten Kündigung und über Ansprüche auf Annahmeverzugsentgelt.

2

Die im September 1956 geborene, verheiratete Klägerin war seit 1986 bei der Schuldnerin, der Q GmbH, beschäftigt. Sie war als Verkaufsberaterin im Bereich Flächenmanagement des Betriebs „Zentrale N“ im Vertriebsaußendienst tätig, zuletzt im Bereich H gegen eine Vergütung von 3.600,00 Euro brutto. Die Schuldnerin beschäftigte mehrere Tausend Arbeitnehmer. Am 1. September 2009 wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

3

Am 22. September 2009 schloss der Beklagte mit dem im Unternehmen der Schuldnerin gebildeten Gesamtbetriebsrat einen ersten Interessenausgleich, aufgrund dessen die Tätigkeit mehrerer Betriebe der Schuldnerin eingeschränkt werden sollte.

4

Nach einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation schloss der Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat am 15. Oktober 2009 einen Interessenausgleich für die Arbeitnehmer der Betriebe „Zentrale N“, „Küchenvertrieb L“ und „Küchenvertrieb Mitte“. Der Gesamtbetriebsrat war dazu und zu der Ausübung der damit in Zusammenhang stehenden Beteiligungsrechte von den drei örtlichen Betriebsräten „Zentrale N“, „Küchenvertrieb L“ und „Küchenvertrieb Mitte“ nach § 50 Abs. 2 BetrVG beauftragt worden. Der Interessenausgleich sah vor, dass der Geschäftsbetrieb der sog. Q-Shops einschließlich der Betriebsteile des Vertriebsaußen- und Vertriebsinnendienstes, die zum Betrieb „Zentrale N“ gehörten, bis spätestens 31. Januar 2010 vollständig eingestellt werden sollte. Mit dem Interessenausgleich wurde eine seitens des Insolvenzverwalters und des Gesamtbetriebsrats unterschriebene Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer verleimt. In der Liste ist der Name der Klägerin aufgeführt. Der Interessenausgleich nennt die Gründe für die geplanten Kündigungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu kündigenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollten, und die Kriterien für die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer. Der von beiden Seiten unterzeichnete Interessenausgleich lautet in Auszügen wörtlich:

        

„§ 5   

        

Mitteilung des Gesamtbetriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 KSchG

        

Im Hinblick auf die erforderlich werdenden betriebsbedingten Kündigungen besteht zwischen den Parteien ferner Einigkeit darüber, dass der Gesamtbetriebsrat noch im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen umfassend gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet und beteiligt worden ist. Ihm sind insbesondere die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, der Zeitraum, in dem die Entlassungen, die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien vorgenommen werden sollen sowie die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer mitgeteilt worden. Der Arbeitgeber und der Gesamtbetriebsrat haben insbesondere auch die Möglichkeiten beraten, Entlassungen zu vermeiden oder zumindest einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Die Parteien sehen das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG damit als abgeschlossen an.

        

       

        

§ 13   

        

Schlussbestimmungen

        

Die vorstehenden Maßnahmen treten mit beiderseitiger Unterzeichnung des Interessenausgleichs in Kraft. Die Parteien stimmen überein, dass mit den vorstehenden Bestimmungen der Interessenausgleich gemäß §§ 111, 112 BetrVG, 121 ff. InsO abschließend geregelt ist.“

5

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 hörte der Insolvenzverwalter den örtlichen Betriebsrat der „Zentrale N“ zu den in diesem Betrieb beabsichtigten Kündigungen - ua. des Arbeitsverhältnisses der Klägerin - an. In diesem Betrieb waren 201 Arbeitnehmer von den geplanten Kündigungen betroffen. Unter dem 15. Oktober 2009 teilte der örtliche Betriebsrat mit, er nehme die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis und werde keine Stellungnahme abgeben. Er gehe davon aus, dass die Anhörungen mit dem Inhalt des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 und den dort vereinbarten Namenslisten übereinstimmten. Die Stellungnahme sei abschließend.

6

Der Beklagte erstattete mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 Massenentlassungsanzeige, die der Agentur für Arbeit am 16. Oktober 2009 zuging. Er teilte ua. mit, von den zum Zeitpunkt der Anzeige beschäftigten 3.040 Arbeitnehmern sollten insgesamt 433 Arbeitnehmer entlassen werden. Der Anzeige war eine „Bestätigung des Gesamtbetriebsrats der Q GmbH gemäß § 17 Abs. 2 KSchG“ vom 14. Oktober 2009 beigefügt, die inhaltlich § 5 des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 entsprach. Außerdem lag der Massenentlassungsanzeige dieser Interessenausgleich bei. Die Agentur für Arbeit teilte unter dem 16. Oktober 2009 mit, die Frist des § 18 Abs. 1 KSchG beginne am 17. Oktober 2009 und ende am 16. November 2009. Da die Arbeitsverhältnisse nicht in dieser Frist enden sollten, könnten die Kündigungen ausgesprochen werden.

7

Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 ordentlich zum 31. Januar 2010. Der Vertrieb wurde zum 31. Januar 2010 eingestellt. Die Betriebe wurden am 28. Februar 2010 vollständig stillgelegt.

8

Mit ihrer am 6. November 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt und Ansprüche auf Annahmeverzugsentgelt für Februar und März 2010 erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil der Beklagte das Konsultationsverfahren vor der Anzeige der Massenentlassung nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe. Er habe seine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht erfüllt und der Agentur für Arbeit deshalb entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG auch keine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zugeleitet. Das Schriftformerfordernis des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG sei nicht disponibel und von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG (MERL) vorgegeben.

9

Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem beklagten Insolvenzverwalter durch die Kündigung vom 16. Oktober 2009, ihr zugegangen am 17. Oktober 2009, noch nicht aufgelöst ist;

        

2.    

festzustellen, dass ihr eine Masseverbindlichkeit in Höhe von 5.927,06 Euro brutto zusteht, die gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu berichtigen ist.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, die Anforderungen des § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG seien gewahrt. Er habe dem Gesamtbetriebsrat bereits im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen alle Auskünfte erteilt, die § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verlange. Jedenfalls komme dem Bescheid der Agentur für Arbeit vom 16. Oktober 2009 Bindungswirkung zu.

11

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Sie verlangt zudem hilfsweise anstelle des Feststellungsantrags zu 2. Vergütung für Februar und März 2010 von 5.927,06 Euro brutto.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters vom 16. Oktober 2009 beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31. Januar 2010. Der Klägerin steht daher keine Vergütung für Februar und März 2010 zu.

13

A. Die Kündigung vom 16. Oktober 2009 ist nicht sozialwidrig iSv. § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG.

14

I. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen. Die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ist nicht widerlegt.

15

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO sind erfüllt.

16

a) Die Kündigung beruht auf einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG.

17

aa) Um eine Betriebsänderung handelt es sich auch bei einem bloßen Personalabbau, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind(vgl. für die st. Rspr. BAG 20. September 2012 - 6 AZR 253/11 - Rn. 46 mwN). Ausschlaggebend ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Kündigungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dem der §§ 1, 4 BetrVG(st. Rspr., vgl. zB BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 41 mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

18

bb) Der Personalabbau überschritt die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Maßgeblich für die Berechnung des Schwellenwerts war die im Beschäftigungsbetrieb der Klägerin „Zentrale N“ eingesetzte Zahl von Arbeitnehmern. In diesem Betrieb waren 201 Arbeitnehmer von den beabsichtigten Kündigungen betroffen, wie sich aus der schriftlichen Anhörung des örtlichen Betriebsrats vom 15. Oktober 2009 ergibt. Obwohl die Zahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer nicht festgestellt ist, ergibt sich aus der Zahl der geplanten Kündigungen zugleich, dass die Mindestbeschäftigtenzahl von 60 Arbeitnehmern erreicht und damit der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG von mehr als 25 zu Kündigenden erreicht ist. Sollten im Betrieb „Zentrale N“ über 500 Arbeitnehmer beschäftigt worden sein, wäre die Mindestzahl von 30 beabsichtigten Kündigungen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG deutlich überschritten.

19

b) Die vonseiten des beklagten Insolvenzverwalters und des Gesamtbetriebsrats unterzeichnete Namensliste weist den Namen der Klägerin aus und war mit dem Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 fest verbunden.

20

2. Die Klägerin hat die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegt. Der Vertrieb der Schuldnerin wurde zum 31. Januar 2010 nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten vollständig eingestellt.

21

II. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3 KSchG, § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, ob und welche weiterbeschäftigten Arbeitnehmer sie mit sich selbst für vergleichbar hält. Die Arbeitsverhältnisse der mit ihr tätigkeitsbezogen vergleichbaren Arbeitnehmer wurden zum selben Zeitpunkt wie das Arbeitsverhältnis der Klägerin gekündigt, weil der Vertriebsinnen- und Vertriebsaußendienst zum 31. Januar 2010 eingestellt wurde.

22

B. Der Beklagte hörte den örtlichen Betriebsrat der „Zentrale N“ vor Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 ordnungsgemäß und mit detaillierter Begründung iSv. § 102 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG an. Er musste die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht wahren, weil der Betriebsrat unter dem 15. Oktober 2009 abschließend zu den beabsichtigten Kündigungen Stellung genommen hatte. Dafür genügte die eindeutige Äußerung des Betriebsrats, zu den Kündigungen keine Stellung nehmen zu wollen.

23

C. Die Kündigung vom 16. Oktober 2009 verstößt nicht gegen die Anzeigepflicht aus § 17 KSchG. Der Senat kann offenlassen, ob es sich bei den gerügten Verletzungen von § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG um mögliche Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung handelt. Er braucht ferner nicht darüber zu befinden, ob die Klägerin Verstöße gegen diese beiden Bestimmungen entweder bereits in erster Instanz beanstandet hat oder das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht aus § 6 Satz 2 KSchG verletzt und die Klägerin die Rügen im zweiten Rechtszug wirksam nachgeholt hat(vgl. dazu BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 11 ff., EzA KSchG § 6 Nr. 4). Der Beklagte wurde seinen Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG gerecht.

24

I. Die Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 KSchG gilt uneingeschränkt auch für den Insolvenzverwalter(vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 13, EzA KSchG § 17 Nr. 25; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 29 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4; siehe auch EuGH 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 53, NZA 2011, 337 ).

25

II. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Revision der Klägerin nicht schon deswegen unbegründet, weil die Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige vom 15. Oktober 2009 nicht beanstandete. Der auf der Grundlage von § 18 Abs. 1, § 20 KSchG ergangene Bescheid der Agentur für Arbeit vom 16. Oktober 2009 hindert die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht daran, die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige festzustellen. Er heilt mögliche Fehler der Massenentlassungsanzeige nicht (vgl. detailliert BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 70 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

26

1. Gegenüber der durch das Verfahren nach §§ 17 ff. KSchG nur mittelbar betroffenen Klägerin kann ein solcher Bescheid keine materielle Bestandskraft entfalten. Sie hätte gegen ihn nicht vorgehen können (vgl. im Einzelnen BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 71 mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

27

2. Auch gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit kommt einem derartigen Bescheid keine materielle Bestandskraft zu. Das ergibt sich aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen und wird vom unionsrechtlichen Grundsatz des sog. effet utile verlangt.

28

a) Die Bindungswirkung eines Bescheids der Agentur für Arbeit nach § 20 KSchG umfasst nur den eigentlichen Inhalt dieses Bescheids, also die Dauer der Sperrfrist und den Zeitpunkt ihres Ablaufs oder die Genehmigung, Entlassungen vor Ablauf der Sperrfrist vorzunehmen, nicht aber die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst(vgl. Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 154 f.; Reinhard RdA 2007, 207, 214). Die Einhaltung der formalen Anforderungen des § 17 KSchG ist lediglich eine Vorfrage des Bescheids nach § 20 KSchG und gehört damit nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht zum Regelungsinhalt des Bescheids(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 73 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

29

b) Die Mitgliedstaaten müssen zudem nach Art. 6 MERL Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie 98/59/EG vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Die den Mitgliedstaaten überlassene Ausgestaltung dieser Bestimmung darf der MERL nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 34 und 36, Slg. 2009, I-6653). Diese Verpflichtung steht einer Auslegung der §§ 17 ff. KSchG durch die nationale Arbeitsgerichtsbarkeit entgegen, die die Bindungswirkung eines Bescheids der Arbeitsverwaltung nach §§ 18, 20 KSchG über seinen eigentlichen Regelungsgehalt hinaus annimmt. Weder die Arbeitnehmer noch der (Gesamt-)Betriebsrat sind am Verwaltungsverfahren beteiligt. Würde ein Bescheid nach §§ 18, 20 KSchG dem Arbeitnehmer dennoch die Möglichkeit nehmen, sich im Kündigungsschutzprozess auf Formfehler bei den Anforderungen des § 17 Abs. 3 KSchG zu berufen, wäre das von Art. 6 MERL geforderte Schutzniveau unterschritten(vgl. näher BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 76 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

30

III. Der Wirksamkeit der Kündigung vom 16. Oktober 2009 steht nicht entgegen, dass der Beklagte seiner Anzeige keine Stellungnahme des örtlichen Betriebsrats der „Zentrale N“ beifügte.

31

1. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt, dass der Arbeitgeber bei Entlassungen, die der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG anzuzeigen sind, die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beifügt.

32

2. Der Beklagte musste der Massenentlassungsanzeige vom 15. Oktober 2009 aber keine Stellungnahme des örtlichen Betriebsrats der „Zentrale N“ beifügen. Es genügte, dass er der Anzeige die Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats vom 14. Oktober 2009 und den Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 beifügte. Der mit dem originär zuständigen Gesamtbetriebsrat geschlossene Interessenausgleich ersetzte nach § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des „Betriebsrats“ iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG(vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 18 ff., AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3).

33

a) § 125 Abs. 2 InsO besagt zwar nicht ausdrücklich, dass auch ein mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt. Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des § 125 Abs. 2 InsO sprechen jedoch für ein solches Verständnis.

34

aa) Die Formulierung „Der Interessenausgleich nach Absatz 1 ersetzt …“ in § 125 Abs. 2 InsO erfasst jeden qualifizierten Interessenausgleich mit Namensliste unabhängig davon, ob der Interessenausgleich mit dem Betriebsrat oder dem Gesamtbetriebsrat zustande kommt.

35

bb) Nach § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.

36

(1) Es muss sich um eine Angelegenheit handeln, die mehrere Betriebe betrifft. Darüber hinaus muss objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung bestehen. Ob ein solches zwingendes Erfordernis besteht, bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands (vgl. BAG 19. Juni 2012 - 1 ABR 19/11 - Rn. 21 mwN).

37

(2) Wird ein geplanter Personalabbau - wie hier - auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt und sind mehrere Betriebe von der Betriebsänderung betroffen, ist der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig für den Abschluss eines betriebsübergreifenden Interessenausgleichs mit Namensliste. Dann kann nur auf dieser überbetrieblichen Ebene geklärt werden, welche Arbeitnehmer gekündigt und welche Arbeitnehmer in welchem Betrieb weiterbeschäftigt werden. In einem solchen Fall haben nicht die örtlichen Betriebsräte gegenüber der Agentur für Arbeit zu den geplanten Kündigungen Stellung nehmen. Der mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommene Interessenausgleich mit Namensliste ersetzt dessen Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG( vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 24 f. mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3 ).

38

b) Sinn und Zweck sowohl des § 125 Abs. 2 InsO als auch des § 17 KSchG bestätigen dieses Verständnis.

39

aa) § 125 Abs. 2 InsO will möglichst schnelle Sanierungen ermöglichen und Verzögerungen bei der Abwicklung der Rechtsverhältnisse des Schuldners vermeiden(vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 149). Dieses Vereinfachungs- und Beschleunigungsziel würde bei betriebsübergreifenden Betriebsänderungen zur Sanierung von Unternehmen verfehlt, wenn ein mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzte( vgl. im Einzelnen BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 22 mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3 ).

40

bb) Auch der Zweck des § 17 KSchG spricht für eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für betriebsübergreifende Massenentlassungen. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarkts einleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen sorgen können. Dazu ist den Arbeitnehmern mit Art. 2 MERL und der Umsetzung dieser Bestimmung in nationales Recht durch § 17 KSchG ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation eingeräumt(vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 27 mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3 unter Hinweis auf EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42, Slg. 2009, I-6653). Dieser Zweck erfordert es nicht, dass nur ein örtlicher Betriebsrat als Arbeitnehmervertretung verstanden wird und daher lediglich ein vom örtlichen Betriebsrat mit dem Insolvenzverwalter geschlossener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt. Erforderliche Kenntnisse des Gesamtbetriebsrats über die betrieblichen und regionalen Verhältnisse sind dadurch gewährleistet, dass jeder örtliche Betriebsrat mindestens ein Mitglied in den Gesamtbetriebsrat entsendet ( vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 28, aaO ).

41

3. Das Erfordernis der beizufügenden Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG wurde demnach mit dem beigefügten qualifizierten Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009, den der Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossen hatte, gewahrt. Aufgrund der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss des Interessenausgleichs kommt es nicht darauf an, dass die örtlichen Betriebsräte ihn hier ausdrücklich nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BetrVG mit der Stellungnahme und der Ausübung der zugehörigen Beteiligungsrechte beauftragt hatten. Selbst die in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats hätte den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt, wenn der Gesamtbetriebsrat abschließend zu der beabsichtigten Massenentlassung Stellung genommen hätte(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 56, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 14 ff. und 34, EzA KSchG § 17 Nr. 25 ).

42

IV. Der Beklagte verletzte auch nicht seine Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG.

43

1. Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und die vorgesehenen Kriterien für die Berechnung etwaiger Abfindungen. Der Arbeitgeber hat der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 KSchG gleichzeitig eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten. Sie muss nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG zumindest die in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 5 KSchG enthaltenen Angaben enthalten.

44

2. Mit §§ 5 und 13 des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 und mit seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2009 erklärte der Gesamtbetriebsrat, rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden zu sein. Das allein genügt zum Nachweis der Erfüllung der Konsultationspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG allerdings noch nicht. Die Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste ersetzt nur die Stellungnahme des Betriebsrats oder Gesamtbetriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit. Erforderlich ist daneben noch die vorherige schriftliche Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG(vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 33 und 39 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4).

45

a) Unschädlich ist, dass der Beklagte seiner Unterrichtungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG mithilfe der Angaben im Interessenausgleich gerecht werden wollte.

46

aa) Die Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der Erfüllung der Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist zulässig.

47

(1) Soweit die gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflichten aus § 111 BetrVG mit denen aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen(vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 23, EzA KSchG § 17 Nr. 25 ). Dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollen, muss dabei hinreichend klargestellt werden (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 34 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4 ).

48

(2) Aus § 5 Satz 1 und Satz 2 des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 geht ausdrücklich hervor, dass mit dem Interessenausgleich zugleich die Unterrichtungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllt werden sollte.

49

bb) Die Verbindung des Verfahrens nach § 111 BetrVG mit der Unterrichtung des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verletzt keine unionsrechtlichen Vorgaben. Insoweit ist kein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erforderlich. Die Frage ist durch den Gerichtshof der Europäischen Union auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. dazu zB BVerfG 29. Mai 2012 - 1 BvR 3201/11 - Rn. 20 ff., ZIP 2012, 1876; 21. Dezember 2010 - 1 BvR 3461/08 - Rn. 5 ff., CR 2011, 88; siehe auch BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 33 ff., ZIP 2012, 1927).

50

(1) § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG setzt Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL um. Es handelt sich um ein von dieser Richtlinienvorgabe gewährleistetes kollektives Informationsrecht der Arbeitnehmervertretung, nicht um ein individuelles Recht der einzelnen Arbeitnehmer (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 38 ff., Slg. 2009, I-6653). Nach Art. 6 der Richtlinie 98/59/EG sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Verfahren einzurichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie 98/59/EG vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Da die Richtlinie die Verpflichtung aber nicht weiter ausformt, ist die Ausgestaltung dieser teilharmonisierten Verfahren Sache der Mitgliedstaaten. Die Verfahrensausgestaltung darf den Bestimmungen der Richtlinie jedoch nicht ihre praktische Wirksamkeit iSd. Effektivitäts- und Äquivalenzprinzips nehmen (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 33 ff. und 59 ff., aaO).

51

(2) Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass die Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der schriftlichen Unterrichtung des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG richtlinienkonform ist.

52

(a) Der Entwurf des Interessenausgleichs dokumentiert gegenüber dem (Gesamt-)Betriebsrat die Bemühungen des Arbeitgebers, Massenentlassungen zumindest zu beschränken (vgl. dazu EuGH 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337; 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 64, Slg. 2009, I-8163 ).

53

(b) Dem widerspricht die Vorgabe in Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 MERL nicht, wonach der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung rechtzeitig unterrichten muss. Der Wortlaut der Richtlinienvorgabe bringt klar zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber der Arbeitnehmervertretung die betreffenden Auskünfte rechtzeitig im Verlauf der Konsultationen erteilen muss, damit die Arbeitnehmervertreter konstruktive Vorschläge unterbreiten können (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51, Slg. 2009, I-8163). Daraus folgt, dass diese Auskünfte im Verlauf und nicht unbedingt im Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen zu erteilen sind. Der Arbeitgeber hat der Arbeitnehmervertretung nach dem Grundgedanken der Richtlinienvorgabe während der gesamten Konsultationen die relevanten Informationen zu geben. Eine flexible Handhabung ist erforderlich, weil die Auskünfte zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Konsultationsprozesses zur Verfügung stehen können. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit und die Pflicht hat, die Auskünfte im Lauf des Verfahrens zu vervollständigen (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 52 ff., aaO). Dieser Prozess kann gegenüber dem Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat deshalb unmittelbar vor Schluss der Konsultation nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG schriftlich dokumentiert werden.

54

(c) Die Annahme einer rechtlich zulässigen Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der Information des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG entspricht damit auch dem Erfordernis unionsrechtskonformer Auslegung(vgl. für die st. Rspr. des EuGH etwa 5. September 2012 - C-42/11 - [Lopes Da Silva Jorge] Rn. 53 ff.; 24. Mai 2012 - C-97/11 - [Amia] Rn. 27 ff., EurUP 2012, 210; 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 23 ff., AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 7 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 8).

55

b) Es kann ferner auf sich beruhen, ob § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG gesetzliche Schriftform iSv. § 126 Abs. 1 BGB verlangt. Sollte das zutreffen, ist der Schriftformverstoß durch die abschließende Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats in § 5 des Interessenausgleichs geheilt, die die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erfüllt.

56

aa) Im Streitfall ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass der Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 zuerst durch den Bevollmächtigten des beklagten Insolvenzverwalters unterzeichnet wurde. Demnach steht bisher nicht fest, dass der Beklagte den Gesamtbetriebsrat vor Abschluss des Konsultationsverfahrens in einer Weise unterrichtete, die der gesetzlichen Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB entsprach.

57

bb) Eine Verletzung des etwaigen gesetzlichen Schriftformerfordernisses ist hier aber jedenfalls geheilt. Der Betriebsrat machte mit seiner abschließenden Stellungnahme deutlich, dass er sich für ausreichend unterrichtet hielt und die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht ausschöpfen wollte.

58

(1) Der Senat hat bisher offengelassen, ob für die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG die gesetzliche Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB einzuhalten ist(vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 40, EzA KSchG § 6 Nr. 4 ). Weite Teile des Schrifttums nehmen an, dass sie zu wahren ist (so v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 56; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 20 und 28; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 70; Schrader in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 17 Rn. 52; Stahlhacke/Vossen 10. Aufl. Rn. 1653; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56; Thüsing/Laux/Lembke/Lembke/Oberwinter KSchG 2. Aufl. § 17 Rn. 82 lassen demgegenüber eine Unterrichtung per Telefax oder E-Mail genügen).

59

(2) Die Frage braucht auch in diesem Fall nicht beantwortet zu werden. Es kann auf sich beruhen, ob der Vertreter des Insolvenzverwalters den Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 erst nach dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats unterschrieb.

60

(a) Jedenfalls dann, wenn die von § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verlangten Angaben gegenüber dem (Gesamt-)Betriebsrat in einem schriftlichen, wenn auch nicht unterzeichneten Text dokumentiert wurden, genügt die abschließende Stellungnahme des (Gesamt-)Betriebsrats, um einen eventuellen Schriftformverstoß zu heilen(weiter gehend LAG Hamm 6. Juni 1986 - 16 Sa 2188/86 - LAGE KSchG § 17 Nr. 2; HaKo/Pfeiffer 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 54; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 65, die eine mündliche Unterrichtung bei abschließender Stellungnahme des Betriebsrats für ausreichend halten; offengelassen von APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 76). Dafür spricht der Zweck des Unterrichtungserfordernisses. Die Arbeitnehmervertretung soll konstruktive Vorschläge unterbreiten können, um die Massenentlassung zu verhindern oder einzuschränken (vgl. zu Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51 und 64, Slg. 2009, I-8163). Bringt das Gremium, dem die Angaben nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG in einem schriftlich abgefassten Text deutlich vor Augen geführt wurden, selbst zum Ausdruck, dass es sich für ausreichend unterrichtet hält, drückt es damit zugleich aus, dass es keine weiteren Vorschläge unterbreiten kann oder will(vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 23, EzA KSchG § 17 Nr. 25 ). Die Arbeitnehmervertretung will in einem solchen Fall gerade nicht die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ausschöpfen.

61

(b) Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass eine solche Heilungsmöglichkeit durch eine abschließende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung der von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL vorgegebenen Pflicht zur schriftlichen Mitteilung genügt. Wie bereits ausgeführt, gewährleistet die Richtlinienvorgabe ein kollektives Informationsrecht der Arbeitnehmervertretung, kein individuelles Recht der einzelnen Arbeitnehmer (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 38 ff., Slg. 2009, I-6653). Die Ausgestaltung des Verfahrens zur Durchsetzung der Verpflichtungen des Arbeitgebers ist nach Art. 6 MERL Sache der Mitgliedstaaten. Die Verfahrensausgestaltung darf aber nicht dazu führen, dass der Richtlinie ihre praktische Wirksamkeit genommen wird (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 33 ff. und 59 ff., aaO). Dem sog. effet utile ist nach dem Zweck der Richtlinienvorgabe jedenfalls bei einem schriftlich abgefassten, wenn auch nicht unterschriebenen Unterrichtungstext genügt. Führt die Arbeitnehmervertretung ohne einschränkende oder weiterführende Zusätze selbst aus, sie sei ausreichend unterrichtet, will sie keine weiteren Vorschläge unterbreiten, um die Massenentlassung abzuwenden oder zu beschränken (vgl. zum Zweck von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51, Slg. 2009, I-8163; zu der Heilung einer anderen im Richtlinienrecht verbürgten Schriftform [für Kreditverträge] auch BGH 6. Dezember 2005 - XI ZR 139/05 - Rn. 29 ff., BGHZ 165, 213). Die Heilung eines etwaigen Schriftformverstoßes verringert die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL gewährleistet, unter diesen Voraussetzungen nicht (vgl. zu der nötigen Aufrechterhaltung des Pflichtenniveaus EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 65, aaO).

62

3. Der Beklagte wurde auch seiner Pflicht gegenüber der Agentur für Arbeit aus § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG gerecht, indem er der Massenentlassungsanzeige den Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 beifügte. Die Agentur für Arbeit konnte dem Interessenausgleich, der den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG entsprach, die ordnungsgemäße Unterrichtung des Gesamtbetriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG entnehmen. Der Gesamtbetriebsrat hatte mit § 5 des Interessenausgleichs deutlich gemacht, dass er annahm, der Beklagte habe seine Pflichten aus §§ 111, 112 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllt. Daraus konnte die Agentur für Arbeit ersehen, dass ein etwaiger Schriftformverstoß jedenfalls durch die abschließende Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats geheilt war. Mit dieser Stellungnahme belegte der Gesamtbetriebsrat zugleich, dass Kündigungen in dem aus dem Interessenausgleich ersichtlichen Umfang auch nach seiner Auffassung unvermeidlich waren und soziale Maßnahmen beraten worden waren (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4).

63

D. Die dreimonatige Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO ist eingehalten. Die der Klägerin am 17. Oktober 2009 zugegangene Kündigung wirkte zum 31. Januar 2010.

64

E. Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2010 auflöste, steht der Klägerin keine Vergütung für Februar und März 2010 zu.

65

F. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

        

    Schäferkord    

        

    Reiner Koch    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 5. September 2008 - 8 Sa 476/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Insolvenzverwalter erklärten ordentlichen Kündigung.

2

Der 1952 geborene Kläger war bei der Schuldnerin seit 1990 als Arbeitnehmer beschäftigt. Am 3. November 2006 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Durch Beschluss vom 6. November 2006 bestellte das Amtsgericht Erfurt den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter.Die Schuldnerin zeigte mit Zustimmung des Beklagten im Schreiben vom 20. November 2006 gegenüber der Agentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung von 19 ihrer insgesamt 59 Arbeitnehmer an. Der Kläger war von dieser Massenentlassungsanzeige erfasst. Als vorgesehenen Entlassungszeitpunkt für den Kläger gab sie den 30. April 2007 an. Tatsächlich lief die Kündigungsfrist auch bei einer Kündigung noch im November 2006 erst am 31. Mai 2007 ab. Die abweichende Angabe gegenüber der Agentur für Arbeit beruhte auf einem Schreibversehen. Die Agentur für Arbeit setzte im Bescheid vom 24. November 2006 vorbehaltlich der Tatsache, dass im Betrieb kein Betriebsrat bestehe, die Sperrfrist auf die Zeit vom 23. November 2006 bis zum 22. Dezember 2006 fest. Die Amtszeit des Betriebsrats der Schuldnerin hatte im Mai 2006 geendet. Eine im November 2006 durchgeführte Betriebsratswahl war nichtig.

3

Die Schuldnerin kündigte unter dem 23. November 2006 19 Arbeitnehmern. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte sie zum 31. Mai 2007. Das dagegen eingeleitete Kündigungsschutzverfahren ist nach § 240 ZPO unterbrochen.

4

Die Schuldnerin zeigte - wiederum mit Zustimmung des Beklagten - mit Schreiben vom 18. Dezember 2006 bei der Agentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung der verbliebenen 40 Arbeitnehmer an. Von dieser Massenentlassungsanzeige war der Kläger unstreitig nicht erfasst. Die Agentur für Arbeit setzte mit Bescheid vom 8. Januar 2007 die Sperrfrist auf die Zeit vom 19. Dezember 2006 bis zum 18. Januar 2007 fest.

5

Am 22. Dezember 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser kündigte am 28. Dezember 2006 36 Arbeitnehmern und nach Zustimmung des Integrationsamtes den vier schwerbehinderten Arbeitnehmern der Schuldnerin im Januar 2007. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte er ordentlich mit Schreiben vom 9. Januar 2007 zum 30. April 2007, nachdem er von der gegen die erste Kündigung erhobenen Kündigungsschutzklage des Klägers Kenntnis erlangt hatte. Eine Massenentlassungsanzeige erstattete der Beklagte bezüglich dieser Kündigung, gegen die sich der Kläger mit seiner am 30. Januar 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet, nicht. Zwischenzeitlich ist das Arbeitsverhältnis jedenfalls durch eine weitere Kündigung des Beklagten zum 30. November 2007 beendet worden.

6

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung des Beklagten vom 9. Januar 2007 sei unwirksam, weil es insoweit an der erforderlichen Massenentlassungsanzeige fehle. Dieser Mangel könne auch nicht durch § 18 Abs. 4 KSchG geheilt werden. Dieser Vorschrift komme nach der Änderung der Rechtsprechung zum Entlassungsbegriff keine praktische Bedeutung mehr zu. Jedenfalls sei die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich. Die Kündigung vom 9. Januar 2007 hätte das Arbeitsverhältnis aber erst nach Ablauf der bis zum 22. März 2007 laufenden Freifrist beenden können. Im Übrigen seien die Massenentlassungsanzeigen der Schuldnerin auch inhaltlich nicht ordnungsgemäß und damit nicht rechtswirksam erfolgt.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt


        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 9. Januar 2007 nicht aufgelöst wird.
8

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, er habe vor Ausspruch der Kündigung vom 9. Januar 2007 keine erneute Massenentlassungsanzeige erstatten müssen. Diese Kündigung sei noch von der Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006 gedeckt. § 18 Abs. 4 KSchG sei auch nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Entlassungsbegriff nicht bedeutungslos geworden. Diese Vorschrift verlange nur, dass die Kündigung innerhalb der Freifrist erklärt werde. Die Freifrist gelte damit insbesondere für den Fall der Nachkündigung im eröffneten Insolvenzverfahren.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme zur Entscheidung des Beklagten, den Betrieb stillzulegen, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 9. Januar 2007 nicht zum 30. April 2007 aufgelöst worden, weil der Beklagte vor Erklärung dieser Kündigung keine erneute Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG erstattet hat.

11

I.1. Der Beklagte konnte zwar das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO zum 30. April 2007 kündigen, obwohl bereits die Schuldnerin das Arbeitsverhältnis mit seiner Zustimmung durch Schreiben vom 23. November 2006 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31. Mai 2007 gekündigt hatte(vgl. BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 329/03 - BAGE 110, 331, 333). Bei dieser Nachkündigung war er jedoch uneingeschränkt an die in §§ 17 f. KSchG geregelten Pflichten gebunden (KR/Weigand 9. Aufl. §§ 113, 120 - 124 InsO Rn. 46; vgl. allgemein für die Pflichten aus §§ 17 f. KSchG BSG 5. Dezember 1978 - 7 RAr 32/78 - BB 1979, 1666).

12

2. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG ist ein Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Diese Voraussetzungen waren bei der Kündigung vom 9. Januar 2007 erfüllt.

13

Unter Entlassung iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist bei unionsrechtskonformer Auslegung unter Beachtung der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - MERL(ABl. EG Nr. L 225 vom 12. August 1998 S. 16) die Erklärung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen (BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - BAGE 117, 281; Senat 13. Juli 2006 - 6 AZR 198/06 - BAGE 119, 66). Davon ausgehend war - was auch der Beklagte im Grundsatz nicht in Zweifel zieht - die Kündigung vom 9. Januar 2007 anzeigepflichtig. Die Schuldnerin hatte mit Schreiben vom 28. Dezember 2006 36 der verbliebenen 40 Arbeitnehmer gekündigt. Die Kündigung des Klägers vom 9. Januar 2007 erfolgte weniger als 30 Tage danach. Der gesetzliche Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG war damit auch dann überschritten, wenn kein einheitlicher Stilllegungsbeschluss vorgelegen haben sollte und deshalb die nach der ersten Kündigungswelle verbliebenen 40 Arbeitnehmer zu der den Betrieb kennzeichnenden Belegschaftsstärke geworden wären(vgl. BAG 13. April 2000 - 2 AZR 215/99 - zu III 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 = EzA KSchG § 17 Nr. 9).

14

II. Entgegen der Auffassung des Beklagten entband ihn die von der Schuldnerin erstattete Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006, von der der Kläger erfasst war, nicht von der Verpflichtung, vor Erklärung der Kündigung vom 9. Januar 2007 eine erneute Massenentlassungsanzeige zu erstatten. Die durch eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG eröffnete Kündigungsmöglichkeit war mit der Erklärung der Kündigung der Schuldnerin vom 23. November 2006 verbraucht. Für jede weitere Kündigung war eine neue Massenentlassungsanzeige erforderlich, sofern wie bei der Kündigung vom 9. Januar 2007 die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG erfüllt waren. Aus § 18 Abs. 4 KSchG folgt nichts anderes.

15

1. Zwar entfaltet eine vom Schuldner mit Zustimmung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters erstattete ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige nach Insolvenzeröffnung in der Regel für den Insolvenzverwalter weiterhin Wirkung. Dieser ist in die Arbeitgeberstellung der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO fortbestehenden Arbeitsverhältnisse eingerückt(vgl. zu dieser Rechtsstellung des Insolvenzverwalters Senat 5. Februar 2009 - 6 AZR 110/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 308 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 136; zur Wirkung der vom Betriebsveräußerer erstatteten Massenentlassungsanzeige für den Erwerber im Falle des § 613a BGB KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 72; APS/Moll 3. Aufl. § 17 KSchG Rn. 95 mwN).

16

2. Dies gilt jedoch nur, solange die angezeigte Kündigung noch nicht erklärt worden ist.

17

a) Der Beklagte musste allerdings vor Ausspruch der Kündigung vom 9. Januar 2007 das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG nicht durchführen. Die im November 2006 durchgeführte Betriebsratswahl war nichtig. Der Betriebsrat hat damit rechtlich nie existiert(ErfK/Koch 10. Aufl. § 19 BetrVG Rn. 14; Fitting 25. Aufl. § 19 Rn. 6). Der Beklagte blieb jedoch verpflichtet, die Anzeigepflichten gegenüber der zuständigen Arbeitsverwaltung ordnungsgemäß zu erfüllen. Dies hat er unterlassen.

18

b) Unter dem Begriff der „Entlassung“ in § 17 KSchG und in § 18 Abs. 1 und 2 KSchG ist aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben des EuGH(27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 47 f., Slg. 2005, I-885) die Erklärung der Kündigung zu verstehen. Eine Kündigung kann darum schon unmittelbar nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erklärt werden. Die betroffenen Arbeitnehmer dürfen allerdings nicht vor Ablauf der Fristen des § 18 Abs. 1 bzw. Abs. 2 KSchG ausscheiden (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 25 ff., AP KSchG 1969 § 18 Nr. 4 = EzA KSchG § 18 Nr. 1). Ob auch in § 18 Abs. 4 KSchG der Begriff der „Entlassung“ unionsrechtskonform dahin auszulegen ist, dass darunter die Kündigungserklärung zu verstehen ist, kann dahinstehen(ebenso offengelassen von BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, aaO). Jedenfalls lässt sich dieser Norm bei unionsrechtskonformer Auslegung entgegen der Auffassung der Revision nicht das Recht entnehmen, ein nach einer ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige gekündigtes Arbeitsverhältnis innerhalb der Freifrist des § 18 Abs. 4 KSchG ein weiteres Mal zu kündigen, wenn diese zweite Kündigung wie hier im zeitlichen Zusammenhang von 30 Tagen mit einer weiteren Massenentlassung erklärt wird. Anderenfalls liefe der von §§ 17 f. KSchG verfolgte Zweck leer, Massenentlassungen zu vermeiden oder deren Folgen zu mildern (vgl. für Art. 2 der MERL EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto AEK ua.] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 3; zum bei richtlinienkonformer Berücksichtigung der MERL im Vordergrund der §§ 17 f. KSchG stehenden individuellen Schutz der betroffenen Arbeitnehmer APS/Moll 3. Aufl. Vor §§ 17 ff. KSchG Rn. 12; vgl. auch KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 8; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 2). Die Verpflichtungen, die der Arbeitgeber bei Massenentlassungen einzuhalten hat, würden bei einer derartigen Auslegung gegenüber den nach der Richtlinie einzuhaltenden Anforderungen verringert. Eine solche Auslegung verbietet das Gebot der unionsrechtskonformen Anwendung des nationalen Rechts (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 54 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2).

19

aa) Nach Art. 3 Abs. 1 MERL hat der Arbeitgeber der zuständigen Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich anzuzeigen. § 17 KSchG verpflichtet den Arbeitgeber, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er die in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KSchG genannte Anzahl der Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Sowohl die Richtlinie als auch das diese umsetzende nationale Recht stellen also darauf ab, ob durch die beabsichtigten Kündigungen die Schwellenwerte überschritten werden, die die Pflichten nach Art. 2 bis 4 der MERL bzw. §§ 17 f. KSchG auslösen. Sie verlangen in jedem Fall, in dem dies der Fall ist, eine eigenständige Anzeige für alle von der Massenentlassungsanzeige erfassten Arbeitnehmer.

20

bb) Diese Verpflichtung entspricht auch dem dargelegten Sinn und Zweck der MERL, Massenentlassungen zu vermeiden oder jedenfalls ihre Zahl zu beschränken bzw. ihre Folgen zu mildern. Dazu ist zum einen den Arbeitnehmern als Gemeinschaft mit Art. 2 der MERL ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation eingeräumt worden(vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2). Zum anderen soll nach Art. 4 Abs. 2 der MERL die zuständige Behörde, dh. die Agentur für Arbeit, in die Lage versetzt werden, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen. Dafür steht ihr die Frist des Art. 4 Abs. 1 der MERL, dh. nach dem nationalen Recht die in der Regel 30 Tage betragende Frist des § 18 Abs. 1 KSchG, zur Verfügung(EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 47 f., Slg. 2005, I-885). Sollen diese Zwecke erfüllt werden, muss vor jeder Kündigungsentscheidung das in der Richtlinie vorgesehene und durch § 17 KSchG in nationales Recht umgesetzte Konsultationsverfahren durchgeführt werden, sofern ein beteiligungsfähiges Gremium besteht, und die erforderliche Anzeige gegenüber der zuständigen Behörde erfolgen. Der Agentur für Arbeit muss die Möglichkeit verbleiben, hinsichtlich der konkreten Kündigung innerhalb der Frist des § 18 Abs. 1 KSchG Lösungen für die durch die beabsichtigte Massenentlassung aufgeworfenen Probleme zu finden.

21

cc) Die Schuldnerin hat nach Anzeige der im November 2006 beabsichtigten Massenentlassung von ihrer dadurch eröffneten Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Entgegen der Auffassung des Beklagten berechtigte ihn § 18 Abs. 4 KSchG nicht dazu, innerhalb der Freifrist eine weitere, an sich massenentlassungsanzeigepflichtige Kündigung ohne Erstattung einer solchen Anzeige zu erklären. Der Beklagte berücksichtigt bei seiner Argumentation nicht, dass, wie er selbst in der Revisionsbegründung formuliert, „die“ Kündigung innerhalb von 90 Tagen nach der erfolgten Massenentlassungsanzeige erklärt sein muss. Er weist selbst darauf hin, dass es keiner weiteren Aktivitäten der Arbeitsverwaltung bedarf, wenn der Arbeitgeber innerhalb dieser Frist nicht gekündigt hat und nach ihrem Ablauf keine weitere Massenentlassung vornimmt. Er blendet dabei aus, dass die Besonderheit des vorliegenden Falls darin besteht, dass nach der ersten Massenentlassungsanzeige die Kündigung erklärt worden ist und der Beklagte im zeitlichen Zusammenhang mit einer weiteren Massenentlassung dem Kläger unter Verkürzung der Kündigungsfrist ein weiteres Mal gekündigt hat. § 18 Abs. 4 KSchG verhindert Vorratsmeldungen bzw. -kündigungen (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 18 Nr. 4 = EzA KSchG § 18 Nr. 1). Diese Vorschrift berechtigt den Arbeitgeber zu einer Kündigung ohne erneute Erstattung einer Massenentlassungsanzeige möglicherweise dann, wenn er zunächst von der Kündigung eines von einer Massenentlassungsanzeige erfassten Arbeitnehmers - etwa wegen der fehlenden Zustimmung einer Behörde - Abstand genommen hat, das Formerfordernis nachgeholt hat und nunmehr innerhalb der Freifrist kündigt. Sie berechtigt ihn aber nicht dazu, bereits erklärte, massenentlassungsanzeigepflichtige Kündigungen in der Freifrist zu wiederholen.

22

dd) Daraus, dass die Schuldnerin aufgrund der Verwendung eines veralteten Formulars in der Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006 sowie in der Liste der zu entlassenden Arbeitnehmer den Termin der Beendigung der Arbeitsverhältnisse angegeben hat und dabei für den Kläger infolge eines, wie der Beklagte selbst vorträgt, „offensichtlichen Schreibversehens“ nicht den 31. Mai 2007, sondern den 30. April 2007, zu dem die Kündigung vom 9. Januar 2007 dann tatsächlich erklärt wurde, folgt nichts anderes. Ohne eine erneute Massenentlassungsanzeige konnte hinsichtlich der Nachkündigung ungeachtet der versehentlich richtigen Angabe des beabsichtigten Entlassungsdatums den mit §§ 17 f. KSchG verfolgten Zwecken nicht genügt werden. Die Sperrfrist des § 18 Abs. 1 KSchG hatte hinsichtlich der Massenentlassungsanzeige vom 20. November 2006 am 23. November 2006 begonnen und am 22. Dezember 2006 geendet. Diese Frist, die der Agentur für Arbeit für die „Lösung der durch die beabsichtigte Massenentlassung aufgeworfenen Probleme“(EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 47 f., Slg. 2005, I-885) zur Verfügung stehen sollte, war im Zeitpunkt der Erklärung der Kündigung vom 9. Januar 2007 bereits verstrichen.

23

III. Es kann wie in der bisherigen Rechtsprechung(BAG 29. November 2007 - 2 AZR 763/06 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 95 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 79; Senat 13. Juli 2006 - 6 AZR 198/06 - Rn. 21, BAGE 119, 66; BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 32, BAGE 117, 281) offenbleiben, ob Kündigungen, die der Arbeitgeber erklärt, ohne zuvor die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß vorzunehmen, stets unwirksam sind(in diesem Sinne KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 101 ff.; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 36). In der Regel führt die Unterlassung der Massenentlassungsanzeige vor der Kündigung dazu, dass diese das Arbeitsverhältnis nicht auflösen kann und deshalb der Kündigungsschutzklage stattzugeben ist. Für eine besondere Sachverhaltsgestaltung, in der die Kündigung möglicherweise doch zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen könnte, zB wenn andere Kündigungen einvernehmlich „zurückgenommen” werden, so dass der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 KSchG wieder unterschritten wird, oder wenn die Agentur für Arbeit auf eine nachträgliche Anzeige hin der Entlassung zustimmt(vgl. hierzu APS/Moll 3. Aufl. § 18 KSchG Rn. 50 mwN zum Streitstand; gegen jede Heilungsmöglichkeit KR/Weigand § 17 KSchG Rn. 104), besteht kein Anhaltspunkt. Deshalb konnte die Kündigung vom 9. Januar 2007 mangels der erforderlichen Massenentlassungsanzeige das Arbeitsverhältnis nicht auflösen, so dass der Kündigungsschutzklage stattzugeben war (Senat 13. Juli 2006 - 6 AZR 198/06 - Rn. 21, aaO).

24

IV. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der erst- und zweitinstanzlichen Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der Kosten der Revisionsinstanz aus § 97 Abs. 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat zwar der Kündigungsschutzklage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts stattgegeben. Es hat dem Beklagten aber lediglich die Kosten der Berufung auferlegt. Über die Prozesskosten war gem. § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu entscheiden(BGH 24. November 1980 - VIII ZR 208/79 - WM 1981, 46). Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.


        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Matiaske    
                 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. November 2010 - 12 Sa 1321/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, die der Beklagte als Insolvenzverwalter auf der Grundlage eines noch von der Schuldnerin geschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste erklärt hat.

2

Der 1970 geborene, ledige Kläger war seit 1990 bei der Schuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die Schuldnerin beschäftigte zuletzt etwa 544 Arbeitnehmer, davon 445 im Betrieb L, in dem der Kläger tätig war. Der als Chemiefacharbeiter eingestellte Kläger war seit 1997 als Versuchsfahrer in der Abteilung Fahrversuch im Bereich Passenger Cars tätig. Die für einen Einsatz auch als Versuchsfahrer im LKW-Bereich erforderliche Fahrerlaubnis der Klasse C besitzt er nicht.

3

Am 8. Dezember 2008 wurde der Beklagte zum vorläufigen (schwachen) Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Am 1. März 2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

Noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schlossen die Schuldnerin und der bei ihr gebildete Betriebsrat mit Zustimmung des Beklagten am 24. Februar 2009 einen Interessenausgleich mit Namensliste. Danach sollten 44 Personalabbaumaßnahmen erfolgen. Ua. sollten im Bereich Fahrversuch drei Arbeitsplätze entfallen. Grund dafür war die Reduzierung der Projekte und Testfahrten. Für den Fall einer ausreichenden Masse war die Gründung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) in Aussicht genommen. Die zu kündigenden Arbeitnehmer waren tabellarisch aufgelistet, darunter der Kläger.

5

Unter dem 25. Februar 2009 zeigte die Schuldnerin auf dem Vordruck der Agentur für Arbeit die Massenentlassung von 37 Arbeitnehmern an. In der der Massenentlassungsanzeige anliegenden Liste finden sich unter der laufenden Nr. 19 folgende Angaben:

        

„Geschlecht: männlich; Staatsangehörigkeit: türkisch; Alter: 38; Familienstand: nv.; Ort: T; Beruf: Techn. Sonderkraft; zuletzt ausgeübte Tätigkeit: Versuchsfahrer/-in Passenger Cars; im Betrieb seit: 1990; VZ; …“

6

Damit war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Kläger von der Massenentlassungsanzeige erfasst.

7

Diese Massenentlassungsanzeige ging am 26. Februar 2009 um 11:48 Uhr bei der zuständigen Agentur für Arbeit ein. Am selben Tag um 17:00 Uhr erreichte die Agentur für Arbeit ein von der Vorsitzenden des Betriebsrats der Schuldnerin unterzeichnetes Schreiben vom 26. Februar 2009. Darin heißt es unter dem Betreff „Anzeige von Entlassungen“:

        

„Der Betriebsrat … wurde darüber informiert, dass ein Antrag auf Entlassungen gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz an die Agentur für Arbeit gesendet wurde.“

Weitere Angaben enthält das Schreiben nicht.

8

Ebenfalls noch am 26. Februar 2009 wurde um 20:04 Uhr per Telefax ein Interessenausgleich an die zuständige Agentur für Arbeit übermittelt. Dabei handelte es sich allerdings nicht um den für die Schuldnerin vereinbarten Interessenausgleich, sondern um einen zwischen einer anderen Konzerntochter und dem bei dieser gebildeten Betriebsrat geschlossenen.

9

Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 bestätigte die Agentur für Arbeit den Eingang der Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009. Sie teilte der Schuldnerin mit:

        

„Ihre o. g. Anzeige ist hier am 26.02.2009 eingegangen. Damit beginnt die in § 18 Abs. 1 KSchG festgesetzte Frist von einem Monat am 27.02.2009 und endet am 26.03.2009 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Innerhalb dieser Frist werden Kündigungen nur mit Zustimmung des in § 20 KSchG bezeichneten Entscheidungsträgers wirksam.

        

Der Entscheidungsträger kann bestimmen, dass die Kündigungen nicht vor Ablauf von längstens 2 Monaten nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit wirksam werden (§ 18 Abs. 2 KSchG). Die Entscheidung wird Ihnen schriftlich mitgeteilt.

        

Über Ihren Antrag auf Abkürzung der o. a. Frist wird noch entschieden.

        

...“   

10

Zu einem aus der Akte nicht ersichtlichen Zeitpunkt wurde durch die Agentur für Arbeit mit einem nicht in der Akte befindlichen Bescheid die Sperrfrist abgekürzt.

11

Die Abweichung zwischen den nach dem Interessenausgleich beabsichtigten 44 Personalabbaumaßnahmen und den nur 37 angezeigten beabsichtigten Kündigungen war darauf zurückzuführen, dass vier Arbeitnehmer bereits vor Abschluss des Interessenausgleichs selbst gekündigt hatten und drei weitere Arbeitnehmer auf der Grundlage von Aufhebungsverträgen in die BQG gewechselt waren. Die Bildung dieser BQG war der Agentur für Arbeit bekannt. Die BQG hatte der Agentur für Arbeit mitgeteilt, welche Arbeitnehmer von Kündigungen bedroht seien und daher zu einem sog. „Profilinggespräch“ geladen würden, um später die Möglichkeit zu erhalten, zur BQG zu wechseln. Insgesamt wechselten - einschließlich der drei Arbeitnehmer, die bereits vor Abschluss des Interessenausgleichs einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten - 38 Arbeitnehmer in die BQG. Der Kläger lehnte einen solchen Wechsel ab. Am 11. März 2009 erklärte daraufhin der Beklagte dem Kläger und einer weiteren Arbeitnehmerin, die ebenfalls nicht in die BQG gewechselt war, die ordentliche Kündigung jeweils zum 30. Juni 2009.

12

Der Beklagte veräußerte den Betrieb der Schuldnerin im Frühjahr 2009 an eine Erwerberin. Der Kläger nahm diese auf Weiterbeschäftigung und Zahlung von Annahmeverzugslohn in Anspruch und wird von ihr aufgrund einer einstweiligen Verfügung beschäftigt.

13

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - im Rahmen seiner rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage geltend gemacht, die Massenentlassungsanzeige sei unwirksam, weil die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer unrichtig angegeben sei. Von dem Zufall, ob er in der Massenentlassungsanzeige aufgeführt sei oder nicht, könne die Wirksamkeit der Kündigung nicht abhängen. Darüber hinaus genüge das Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 den Anforderungen an dessen gesetzlich verlangte Stellungnahme nicht.

14

Der Kläger hat weiter geltend gemacht, die Namensliste sei objektiv unrichtig, weil auf ihr vier Arbeitnehmer enthalten seien, die selbst gekündigt hätten, so dass dem Beklagten die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs nicht zugute komme.

15

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 aufgelöst worden ist.

16

Der Beklagte trägt zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vor, durch die Angabe einer niedrigeren Anzahl zu entlassender Arbeitnehmer sei die Agentur für Arbeit nicht daran gehindert worden, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus widerspreche es dem Sinn und Zweck der Massenentlassungsanzeige, dort noch Arbeitnehmer aufzuführen, die im Zeitpunkt der Anzeige bereits in eine BQG gewechselt seien. Ohnehin seien der zuständigen Agentur für Arbeit über die Gründung der Transfergesellschaft alle Daten bekannt gewesen.

17

Das Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 sei eine wirksame Stellungnahme. Das Gesetz stelle an deren Inhalt keinerlei Anforderungen. Verlangte man für eine wirksame Stellungnahme einen Mindestinhalt, könnte der Betriebsrat durch Abgabe einer nicht ausreichenden und damit unwirksamen Stellungnahme die Wirksamkeit einer jeden Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung verhindern. Die Stellungnahme diene lediglich der Beurteilung, ob die Betriebsparteien tatsächlich über die Massenentlassung und insbesondere die Vermeidung einer solchen beraten hätten. Die Agentur für Arbeit könne weitere Informationen erfragen, wenn sie sich nicht ausreichend informiert fühle. Ihr Informationsbedürfnis definiere sie selbst. Fordere sie keine weiteren Informationen an, müsse sich der Arbeitgeber darauf verlassen können, dass mit einem wirksamen Bescheid der Agentur für Arbeit dem Erfordernis der Massenentlassungsanzeige Genüge getan sei.

18

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben, weil keine wirksame Massenentlassungsanzeige vorliege. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit angenommen, dass es an der erforderlichen Stellungnahme des Betriebsrats fehle. Der bestandskräftige Bescheid vom 26. Februar 2009 hindere die Feststellung der Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und damit der Kündigung nicht.

19

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 nicht aufgelöst worden. Die Massenentlassungsanzeige der Schuldnerin ist unwirksam, weil ihr keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt war. Der bestandskräftige Bescheid der Agentur für Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 KSchG über die Abkürzung der Sperrfrist hindert die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht daran, die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige festzustellen. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen.

21

A. Ungeachtet des im Frühjahr 2009 erfolgten Betriebsübergangs ist der Beklagte unabhängig davon, ob die Zustellung der Kündigungsschutzklage noch vor dem Betriebsübergang erfolgt ist, prozessführungsbefugt und passivlegitimiert (BAG 18. März 1999 - 8 AZR 306/98 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 44 = EzA BGB § 613a Nr. 179; 16. Mai 2002 - 8 AZR 320/01 - AP InsO § 113 Nr. 9; vgl. allgemein 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 3 d der Gründe, BAGE 114, 362).

22

B. Obwohl der Kläger im Wege der einstweiligen Verfügung seine Beschäftigung durch die Betriebserwerberin erstritten hat, besteht das erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung fort. Erst bei rechtskräftiger Feststellung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Erwerberin wäre sein Feststellungsinteresse entfallen (BAG 10. Dezember 1998 - 8 AZR 596/97 -).

23

C. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass dem Beklagten die Vermutungswirkungen des § 125 InsO zugutekommen. Dies verhilft der Klage jedoch nicht zum Erfolg, weil der Interessenausgleich mit Namensliste vom 24. Februar 2009 die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG entfaltet. Eine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG liegt nicht vor. Der Kläger hat die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nicht widerlegt. Die Sozialauswahl ist jedenfalls im Ergebnis nicht grob fehlerhaft iSv. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG.

24

I. Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass der der Kündigung vom 11. März 2009 zugrunde liegende Interessenausgleich mit Namensliste bereits am 24. Februar 2009 und damit noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwischen der Schuldnerin und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat vereinbart worden ist und der Beklagte in seiner Eigenschaft als vorläufiger (schwacher) Insolvenzverwalter diesem Interessenausgleich nur zugestimmt hat. § 125 InsO ist deshalb nicht anzuwenden.

25

1. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens findet § 125 InsO keine unmittelbare Anwendung(LAG Hamm 22. Mai 2002 - 2 Sa 1560/01 - NZA-RR 2003, 378; Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 2; Pöhlmann in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 125 Rn. 3; ErfK/Gallner 12. Aufl. § 125 InsO Rn. 1; KR/Weigand 9. Aufl. § 125 InsO Rn. 9; Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 107 f.). Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, in der nur vom „Insolvenzverwalter“, nicht aber vom „vorläufigen Insolvenzverwalter“ die Rede ist. Die Vorschrift des § 125 InsO befindet sich im Dritten Teil der Insolvenzordnung, der die „Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ regelt, und gilt deshalb auch nach der Gesetzessystematik nicht im Eröffnungsverfahren(vgl. für § 113 InsO BAG 20. Januar 2005 - 2 AZR 134/04 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 113, 199). Die Insolvenzordnung unterscheidet ausdrücklich zwischen den Kompetenzen des vorläufigen Insolvenzverwalters und denen des (endgültigen) Insolvenzverwalters. Sollen für die Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters die Vorschriften des Dritten Teils der Insolvenzordnung gelten, ist dies - etwa in § 22 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 oder in § 24 Abs. 2 InsO - ausdrücklich gesetzlich angeordnet. An einer solchen gesetzlichen Anordnung der Befugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters, einen Interessenausgleich mit Namensliste mit den Wirkungen des § 125 InsO zu schließen, fehlt es.

26

2. Auch eine analoge Anwendung des § 125 InsO im Eröffnungsverfahren scheidet aus(Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 108; aA: MünchKommInsO/Löwisch/Caspers 2. Aufl. Vor §§ 113 bis 128 Rn. 29 f.). Es fehlt bereits an der für die Annahme einer Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke (vgl. zu dieser Voraussetzung einer Analogie BAG 24. Mai 2012 - 6 AZR 679/10 - Rn. 16). Die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters sind in § 22 InsO festgelegt. Mit seiner Zustimmung kann der Schuldner mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste schließen, der die Wirkungen nach § 1 Abs. 5 KSchG entfaltet und damit bereits weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten bietet(vgl. Mückl/Krings aaO). Im Hinblick auf diese Gestaltungsmöglichkeiten ist das Regelungssystem der Insolvenzordnung, gemessen an ihrer eigenen Regelungsabsicht, hinsichtlich der Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste nicht unvollständig, so dass kein Raum für eine analoge Anwendung des § 125 InsO ist(vgl. für § 113 InsO BAG 20. Januar 2005 - 2 AZR 134/04 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 113, 199).

27

3. Ob der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossene Interessenausgleich mit Namensliste vom Insolvenzverwalter nach der Eröffnung genehmigt werden könnte und dann rückwirkend auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Wirkungen des § 125 InsO entfalten könnte(so Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 109 ff.), kann dahinstehen.

28

a) Insoweit erscheint fraglich, ob bereits die Genehmigung allein des Insolvenzverwalters dem vor Insolvenzeröffnung vereinbarten Interessenausgleich mit Namensliste die Wirkungen des § 125 InsO verschaffen könnte(so wohl Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 109 ff.) oder ob zwar nicht der förmliche Neuabschluss des Interessenausgleichs (in diesem Sinne LAG Hamm 7. Juli 2005 - 4 Sa 1548/04 - juris Rn. 107), so doch wenigstens die Genehmigung des Interessenausgleichs auch durch das Betriebsratsgremium erforderlich wäre. Der Interessenausgleich ist zwar kein zweiseitiger Vertrag, sondern eine kollektive Vereinbarung besonderer Art von nicht geklärter Rechtsqualität (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 24, ZIP 2012, 1259). Ungeachtet seiner rechtlichen Einordnung ist zu seinem wirksamen Abschluss jedenfalls die Einigung zwischen den Betriebsparteien erforderlich (vgl. zum Zustandekommen iSv. § 125 InsO BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 41 ff., ZIP 2012, 1193). Soll der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbarte Interessenausgleich durch eine Genehmigung nach Insolvenzeröffnung eine andere rechtliche Qualität mit weit(er)reichenden Folgen für die Überprüfungsmöglichkeit der auf seiner Grundlage erklärten Kündigungen erhalten, spricht viel dafür, dass dies eine Willenserklärung auch des Betriebsrats als zweiter Partei des Interessenausgleichs voraussetzt (vgl. BAG 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - BAGE 103, 187, wonach eine Genehmigung durch „die Tarifvertragsparteien“ erforderlich ist, um die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG zu beseitigen).

29

b) Auf diese Frage kommt es jedoch nicht an. Der Beklagte hat den Interessenausgleich vom 24. Februar 2009 nicht ausdrücklich genehmigt. Eine konkludente Genehmigung scheidet mangels Genehmigungswillens aus. Die Genehmigung eines schwebend unwirksamen Geschäfts durch schlüssiges Verhalten setzt regelmäßig voraus, dass der Genehmigende erkannt hat, dass das Rechtsgeschäft möglicherweise mangelbehaftet ist, und dass in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen, indem er an ihm festhält (BGH 14. Juni 2004 - II ZR 393/02 - zu I 1 c der Gründe, BGHZ 159, 294). An einer solchen erkennbaren Willensrichtung fehlt es hier. Der Beklagte ist noch im Revisionsverfahren davon ausgegangen, dass es sich bei dem Interessenausgleich vom 24. Februar 2009 um einen solchen nach § 125 InsO handelt.

30

II. Die Unanwendbarkeit des § 125 InsO ändert jedoch nichts an der Vermutung, dass die streitige Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, weil der Interessenausgleich mit Namensliste vom 24. Februar 2009 jedenfalls die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG entfaltete(vgl. Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 108).

31

1. Soweit auf der Namensliste auch vier Arbeitnehmer aufgeführt waren, die ihr Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits selbst gekündigt hatten, ist dadurch entgegen der Ansicht des Klägers keine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG eingetreten, die die Wirkungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 KSchG hätte entfallen lassen.

32

a) Eine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG liegt nur vor, wenn im Kündigungszeitpunkt von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugehen ist, also nicht ernsthaft bezweifelt werden kann, dass beide Betriebspartner oder einer von ihnen den Interessenausgleich in Kenntnis der späteren Änderung nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Dies ist zB dann zu bejahen, wenn sich die im Interessenausgleich vorgesehene Zahl der zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmer erheblich verringert hat (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17).

33

b) Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Wieso die Betriebsparteien einen anderen Interessenausgleich, bei dem der Kläger nicht mehr auf einer Namensliste aufgeführt worden wäre, geschlossen hätten, wenn sie die vier Arbeitnehmer, die selbst gekündigt haben, nicht mehr berücksichtigt hätten, hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger (APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 813) nicht näher begründet. Solcher Vortrag wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil keiner dieser vier Arbeitnehmer dem Bereich Fahrversuch, in dem der Kläger tätig war, zugeordnet war. Auch ohne diese Arbeitnehmer wären in der Abteilung Fahrversuch deshalb nicht weniger Arbeitsplätze entfallen. Soweit der Kläger betroffen ist, ist der Personalabbau wie geplant durchgeführt worden, weshalb es bei den Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG verblieben ist(APS/Kiel aaO Rn. 807).

34

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe die Vermutung des Vorliegens eines dringenden betrieblichen Erfordernisses nicht widerlegt. Hinsichtlich der Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung unterscheiden sich die Wirkungen des Interessenausgleichs mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG und § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht. Die Tatsachenfeststellung des Landesarbeitsgerichts, der Arbeitsplatz des Klägers sei entfallen, und seine darauf beruhenden Würdigungen hat der Kläger nicht mit Gegenrügen angegriffen. Rechtsfehler sind insoweit nicht erkennbar.

35

3. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO eröffnet dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat allerdings weiter gehende Möglichkeiten bei der Sozialauswahl als § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG. Insbesondere muss die Schwerbehinderung nicht berücksichtigt werden (zur Verfassungsmäßigkeit dieses Ausschlusses Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 28) und kann mit einem Interessenausgleich nach § 125 InsO angestrebt werden, eine ausgewogene Personalstruktur nicht nur zu erhalten, sondern erst zu schaffen. Vorliegend ist die Schwerbehinderung als Sozialdatum nicht berücksichtigt worden. Gleichwohl ist die Sozialauswahl jedenfalls bezogen auf den Kläger im Ergebnis nicht grob fehlerhaft. Die Kündigung des Klägers beruht auf der Entscheidung der Schuldnerin, in der Abteilung Fahrversuch die Anzahl der Tests zu reduzieren. Mit Arbeitnehmern außerhalb dieser Abteilung, insbesondere mit den Versuchsfahrern im LKW-Bereich, ist der Kläger nicht verglichen worden. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass dies nicht grob fehlerhaft gewesen sei, weil der seit 1997 als Versuchsfahrer tätige Kläger keine Fahrerlaubnis der Klasse C besitze und seine langjährige Tätigkeit als Versuchsfahrer eine fehlende Austauschbarkeit im Sinne einer alsbaldigen Substituierbarkeit indiziert habe. Der Kläger habe nicht näher dargelegt, warum diese Indizierung unzutreffend sei. Die Sozialauswahl ist auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellungen und darauf beruhenden Würdigungen des Landesarbeitsgerichts, gegen die der Kläger keine Gegenrügen erhoben hat, nicht grob fehlerhaft iSv. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG.

36

4. Schließlich kann auch im Verfahren nach § 1 Abs. 5 KSchG die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbunden werden(vgl. BAG 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - zu B II 2 b der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10). Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts, wonach dies geschehen sei und dem Betriebsrat dabei ausreichend verdeutlicht worden sei, dass mit seiner Zustimmung zum Interessenausgleich mit Namensliste auch das Verfahren nach § 102 BetrVG abgeschlossen sei, greift der Kläger ebenfalls nicht mit Gegenrügen an.

37

D. Das Landesarbeitsgericht hat richtig erkannt, dass die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 das Arbeitsverhältnis gleichwohl deshalb nicht aufgelöst hat, weil der Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009 entgegen der gesetzlichen Anordnung in § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt war und auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht erfüllt waren.

38

I. Die von der Schuldnerin am 25. Februar 2009 mit Zustimmung des Beklagten erstattete Massenentlassungsanzeige hätte nach Insolvenzeröffnung zugunsten des Beklagten weiter gewirkt, bis die angezeigten Kündigungen erklärt worden sind, wenn sie ordnungsgemäß erfolgt wäre (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 15 f., BAGE 134, 176).

39

II. Die Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009 war jedoch fehlerhaft.

40

1. Die am 25. Februar 2009 angezeigte Maßnahme war nach § 17 KSchG anzeigepflichtig.

41

a) Für die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Entlassungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ausschlaggebend. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dabei dem der §§ 1, 4 BetrVG(st. Rspr., zuletzt BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 73 f.). Maßgeblich für die Berechnung des Schwellenwerts war damit die im Betrieb der Schuldnerin in L, in dem der Kläger tätig war, beschäftigte Anzahl von Arbeitnehmern. Von den 445 Arbeitnehmern dieses Betriebs sollten 44 Arbeitnehmer entlassen werden.

42

b) Allerdings hat der Beklagte nur dem Kläger und einer weiteren Arbeitnehmerin gekündigt. 38 der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer sind zu einer Transfergesellschaft gewechselt. Zumindest die 35 Arbeitnehmer, die erst nach der Erstattung der Massenentlassungsanzeige zu der Transfergesellschaft gewechselt sind, waren jedoch vorliegend bei der Berechnung des Schwellenwerts zu berücksichtigen. Damit war der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG überschritten.

43

aa) Ob Arbeitnehmer, die zu einer Transfergesellschaft wechseln und damit den Arbeitsmarkt - wenn überhaupt - nur verzögert belasten, bei der Berechnung des Schwellenwerts nach § 17 KSchG mitzuzählen sind, ist streitig(bejahend unter Hinweis auf den klaren Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG: ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 12; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 29; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 914; verneinend: v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 24).

44

bb) Nach dem Sinn und Zweck des § 17 KSchG, der die sozioökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen auffangen und deshalb ua. der Agentur für Arbeit die Möglichkeit geben soll, Maßnahmen zur Vermeidung oder Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45, ZIP 2012, 1193; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 21, ZIP 2012, 1259), sind jedenfalls die Arbeitnehmer, bei denen im Zeitpunkt der Massenentlassungsanzeige noch nicht feststeht, dass sie in eine Transfergesellschaft wechseln werden, bei der Berechnung des Schwellenwerts mitzuzählen. Für die Arbeitsverwaltung ist im Zeitpunkt der Erstattung der Massenentlassungsanzeige noch nicht absehbar, ob und wann die zu diesem Personenkreis gehörenden Arbeitnehmer den Arbeitsmarkt belasten werden.

45

cc) Danach waren jedenfalls die 35 Arbeitnehmer der Schuldnerin, die erst nach dem 26. Februar 2009 zur BQG gewechselt sind, bei der Berechnung des Schwellenwerts des § 17 KSchG zu berücksichtigen. Zwar hat der Beklagte angegeben, der zuständigen Agentur für Arbeit seien durch die BQG sog. „Profilinganträge“ zugeleitet worden. Dadurch sei der Arbeitsverwaltung bekannt gewesen, welche Arbeitnehmer von Kündigungen bedroht und zu „Profilinggesprächen“ eingeladen worden seien, um anschließend die Möglichkeit zu erhalten, in die BQG zu wechseln. Ungeachtet dessen stand am 26. Februar 2009 noch nicht fest, ob und welche der Arbeitnehmer, für die ein Wechsel in die Transfergesellschaft in Betracht kam, von dem Angebot des Abschlusses eines dreiseitigen Aufhebungsvertrags Gebrauch machen wollten und würden. Die dreiseitigen Verträge zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Schuldnerin einerseits und zur Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit der BQG andererseits waren auch nach dem Vortrag des Beklagten noch nicht geschlossen. Mit den 35 Arbeitnehmern der Schuldnerin, die erst nach dem 26. Februar 2009 zur BQG gewechselt sind, war der Schwellenwert des § 17 KSchG überschritten.

46

2. Soweit in der Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009 die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer zumindest um die vier Arbeitnehmer, die durch Eigenkündigungen ausgeschieden sind, zu niedrig angesetzt war, hat sich dieser Fehler auf die dem Kläger erklärte Kündigung nicht ausgewirkt.

47

a) Bei der gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 iVm. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KSchG zwingend erforderlichen Angabe der Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG, der Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL) umsetzt, auch die Arbeitnehmer mitzuzählen, deren Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers endet. Eine Veranlassung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zu verstehen gibt, dass er, der Arbeitgeber, anderenfalls das Arbeitsverhältnis beenden werde, weil nach Durchführung der Betriebsänderung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestehe.

48

b) Ausgehend vom Zweck des § 17 KSchG, der ua. der Agentur für Arbeit die Möglichkeit geben soll, Maßnahmen zur Vermeidung oder Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45, ZIP 2012, 1193; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 21, ZIP 2012, 1259), kommt es nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage das Arbeitsverhältnis beendet wird. Maßgeblich ist allein, dass das Arbeitsverhältnis im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsänderung, die zu der Freisetzung von Arbeitnehmern im von § 17 KSchG gezogenen Rahmen führt, auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet wird. Kommt der Arbeitnehmer durch eine Eigenkündigung oder den Abschluss des Aufhebungsvertrags einer sonst erforderlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung zuvor, ist er bei der Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer grundsätzlich zu berücksichtigen (vgl. BAG 6. Dezember 1973 - 2 AZR 10/73 - BAGE 25, 430; vgl. für die Veranlassung von Eigenkündigungen oder Aufhebungsverträgen als Voraussetzung für den Anspruch auf eine Sozialplanabfindung BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 30, BAGE 121, 168; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 31 ff.; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 39, 43; aA: ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 14, wonach Eigenkündigungen generell nicht mitzuzählen seien, weil es allein auf die Willenserklärung des Arbeitgebers ankomme).

49

c) Gegen die inzidente Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass die vier Arbeitnehmer, die vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige eine Eigenkündigung erklärt hatten, auf Veranlassung der Schuldnerin aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, erhebt die Revision keine Verfahrensrügen. Diese Arbeitnehmer waren damit grundsätzlich in der Massenentlassungsanzeige anzuführen. Ob Arbeitnehmer, die bereits vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige eine Eigenkündigung erklärt haben, jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber Kenntnis davon hat, dass diese Arbeitnehmer bereits ein neues Arbeitsverhältnis begründet haben, bei der Angabe der Zahl der zu Entlassenden außer Acht bleiben können, kann dahinstehen. Das Landesarbeitsgericht hat keine entsprechenden Feststellungen getroffen. Verfahrensrügen erhebt die Revision insoweit ebenfalls nicht.

50

d) Nach allgemeiner Ansicht sollen Fehler bei den „Muss-Angaben“ nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG, zu denen auch die Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer gehört, zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige führen(APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 100; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 29; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 83; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 84). Das Landesarbeitsgericht hat aber zu Recht angenommen, dass sich nur die Arbeitnehmer, die von der Massenentlassungsanzeige nicht erfasst sind, auf die zu niedrige Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer berufen können. Die Prüfungs- und Reaktionsmöglichkeiten der Arbeitsverwaltung sind hinsichtlich der Arbeitnehmer, deren Entlassung ihr angezeigt worden ist, weder positiv noch negativ durch die zu niedrige Anzahl angezeigter Entlassungen beeinflusst worden. Dieser Fehler der Massenentlassungsanzeige ist deshalb für die Entlassung des Klägers ohne Bedeutung (noch offengelassen von BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 36 f., ZIP 2012, 1193; APS/Moll aaO Rn. 132a; ErfK/Kiel aaO; KR/Weigand aaO; vgl. für die zu geringe Angabe zu entlassender Arbeitnehmer wegen der Beschränkung der Angaben auf einen Zweigbetrieb BAG 22. März 2001 - 8 AZR 565/00 - zu B II 10 b der Gründe, AP GG Art. 101 Nr. 59 = EzA GG Art. 101 Nr. 5). Mit dem Zweck der Massenentlassungsanzeige stünde es nicht im Einklang, wenn die fehlende Angabe einer einzigen Entlassung die Auflösung der Arbeitsverhältnisse auch aller anderen von der Massenentlassungsanzeige erfassten Arbeitnehmer hindern würde.

51

3. Der Massenentlassungsanzeige war entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt. Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erfüllt waren. Das Arbeitsverhältnis der Parteien konnte deshalb durch die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 nicht aufgelöst werden.

52

a) Die Beifügung der Stellungnahme ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige (BAG 2. Februar 1984 - 2 AZR 392/82 - zu C I 2 der Gründe; vgl. für § 15 KSchG aF BAG 21. Mai 1970 - 2 AZR 294/69 - zu II 1 der Gründe, BAGE 22, 336). Ob und unter welchen Voraussetzungen eine ordnungsgemäße Anzeige vorliegt, wenn der Betriebsrat seine Stellungnahme unmittelbar an die Agentur für Arbeit schickt (dazu APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 113, KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 91a; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 92; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 142 Rn. 24), kann dahinstehen. Entgegen der Ansicht der Revision genügte nämlich das an die Agentur für Arbeit gerichtete Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 den an eine Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG zu stellenden Anforderungen nicht.

53

aa) Zwar enthält § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine expliziten Aussagen zum erforderlichen Inhalt der Stellungnahme des Betriebsrats. Auch weist die Revision zutreffend darauf hin, dass der Arbeitgeber den Inhalt der Stellungnahme nicht beeinflussen kann. Daraus folgt jedoch entgegen der Annahme der Revision nicht, dass jede Äußerung des Betriebsrats gegenüber der Arbeitsverwaltung unabhängig von ihrem Inhalt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt. Zum Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen sollen Massenentlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern sowie die Unterrichtung der Arbeitsverwaltung vorangehen, um es so der Arbeitsverwaltung zu ermöglichen, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, BAGE 134, 176). Ausgehend von diesem Zweck soll die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Arbeitsverwaltung belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und dass soziale Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind. Außerdem soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber eine ihm ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats der Arbeitsverwaltung nicht verschweigen kann (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45, ZIP 2012, 1193; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22, ZIP 2012, 1259). Auch die Revision räumt ein, dass die Beifügung der Stellungnahme der Beurteilung der Arbeitsverwaltung dient, ob die Betriebsparteien tatsächlich über die Massenentlassung und insbesondere die Vermeidung einer solchen beraten hätten. Eine solche Beurteilung setzt voraus, dass sich die der Massenentlassungsanzeige beigefügte Stellungnahme des Betriebsrats auf die angezeigten Kündigungen bezieht und eine abschließende Meinungsäußerung des Betriebsrats zu diesen Kündigungen enthält (vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22, 33, aaO), wobei auch die eindeutige Äußerung, keine Stellung nehmen zu wollen, ausreichend ist.

54

bb) Entgegen der Auffassung der Revision wird mit dieser Auslegung dem Betriebsrat nicht die Möglichkeit gegeben, die Wirksamkeit jeder Kündigung im Rahmen von Massenentlassungen zu verhindern oder auch nur wesentlich zu behindern.

55

(1) Kommt es im Zusammenhang mit der vom Arbeitgeber beabsichtigten Massenentlassung zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste und legt der Arbeitgeber seiner Massenentlassungsanzeige diesen Interessenausgleich bei, ersetzt dies gemäß § 125 Abs. 2 InsO bzw. § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG die Stellungnahme des Betriebsrats auch dann, wenn dieser im Interessenausgleich nicht ausdrücklich Stellung zu den beabsichtigten Entlassungen nimmt(BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 15, ZIP 2012, 1259).

56

(2) Auch eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats genügt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG, wenn der Betriebsrat damit zur beabsichtigten Massenentlassung abschließend Stellung genommen hat(BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 14 ff., ZIP 2012, 1259).

57

(3) Schließlich gibt § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG dem Arbeitgeber ein Verfahren an die Hand, mit dem er verhindern kann, dass der Betriebsrat durch die Verweigerung einer Stellungnahme die Kündigungen erheblich verzögert. Macht der Arbeitgeber glaubhaft, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige unter Beachtung der Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet hat, und legt er den Stand der Beratungen dar, kann er rechtssicher und rechtswirksam unter Beachtung der Anforderungen des Massenentlassungsschutzes ohne weitere Zeitverzögerung kündigen(APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 117; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 94; vgl. auch BT-Drucks. 8/1041 S. 5 und BR-Drucks. 400/77 S. 7 f.). Unter Berücksichtigung der Anforderungen an eine ausreichende Unterrichtung des Betriebsrats, die es diesem ermöglichen soll, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung der Massenentlassungen zu machen (vgl. dazu BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 36, ZIP 2012, 1193; vgl. auch Reinhard RdA 2007, 207, 213), wird durch die Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG in der Mehrzahl der Fälle keine erhebliche Verzögerung eintreten, wenn die Unterrichtung des Betriebsrats - wie vom Gerichtshof der Europäischen Union angenommen und verlangt - ernsthaft die Möglichkeit der Vermeidung von Massenentlassungen zum Ziel hat.

58

(4) Auch wenn der Betriebsrat - bewusst oder unbewusst - eine den gesetzlichen Anforderungen nicht genügende Stellungnahme abgibt, wird dadurch dem Arbeitgeber die Abgabe einer wirksamen Massenentlassungsanzeige nicht unmöglich gemacht. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erfasst nicht nur den Fall des gänzlichen Fehlens der Stellungnahme des Betriebsrats, sondern auch den einer ungenügenden Stellungnahme. Der Arbeitgeber kann auch in letzterem Fall die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige verhindern, indem er ihr nicht nur die unzureichende Stellungnahme des Betriebsrats beifügt, sondern zusätzlich nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG verfährt.

59

cc) Das Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 genügte den gesetzlichen Anforderungen nicht. Der Betriebsrat hat damit nur mitgeteilt, er sei darüber informiert worden, dass ein Antrag auf Entlassungen gemäß § 17 KSchG an die Agentur für Arbeit gesendet worden sei. Dieser Erklärung ließ sich nicht einmal entnehmen, ob er Kenntnis vom Umfang der angezeigten Entlassungen hatte. Erst recht fehlte jede Äußerung, der sich entnehmen ließe, dass er - sei es positiv, sei es negativ - zu der Notwendigkeit dieser Entlassungen Stellung nehmen wolle. Das Schreiben ist eine bloße Wissensmitteilung (man habe Kenntnis von der Übersendung einer Massenentlassungsanzeige unbestimmten Inhalts), nicht aber eine Stellungnahme (man sei mit den konkret angezeigten Kündigungen einverstanden, lehne sie ab oder wolle sich nicht weiter äußern).

60

b) Die Stellungnahme ist auch nicht gemäß § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG durch die Übersendung eines Interessenausgleichs mit Namensliste ersetzt worden. Der Agentur für Arbeit ist weder am 26. Februar 2009 noch später vor der Erklärung der Kündigung vom 11. März 2009 der am 24. Februar 2009 zwischen der Schuldnerin und dem bei dieser gebildeten Betriebsrat vereinbarte Interessenausgleich mit Namensliste zugeleitet worden. Der tatsächlich übersandte Interessenausgleich einer anderen Konzerntochter konnte die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG nicht bewirken.

61

c) Auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG sind nicht dargelegt.

62

4. Die Revision reklamiert für sich ohne Erfolg, die Arbeitsverwaltung habe die Massenentlassungsanzeige nicht beanstandet, sondern im Hinblick auf die erteilten Informationen eine Entlassungssperre festgesetzt. Der Bescheid der Agentur für Arbeit nach § 18 Abs. 1, § 20 KSchG hindert die Feststellung der Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige durch die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht.

63

a) Es ist umstritten, ob die Arbeitsgerichtsbarkeit durch einen bestandskräftigen, nicht offensichtlich unwirksamen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung, der die Zulässigkeit der Entlassungen zu einem bestimmten Zeitpunkt feststellt, gehindert ist, im Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige anzunehmen, ob also Fehler, die dem Arbeitgeber bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige unterlaufen sind, durch einen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung nach §§ 18, 20 KSchG geheilt werden(für eine Heilung: BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 84, 267; 22. Januar 1998 - 2 AZR 266/97 - zu II 5 der Gründe; 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - zu II 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99; 13. April 2000 - 2 AZR 215/99 - zu B III 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 = EzA KSchG § 17 Nr. 9; 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - Rn. 63, AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 92 und § 20 KSchG Rn. 72 f.; Mückl Anm. EWiR 2011, 165; offenlassend: BAG 18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 107, 318; gegen eine Heilung: Reinhard RdA 2007, 207, 214; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 20 KSchG Rn. 6; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 150 ff.; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 918; Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. § 125 Rn. 124; differenzierend v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 18 Rn. 17: keine Heilung bei Verstößen, die nicht zur Unwirksamkeit der Anzeige führen; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 136 ff.: Bindung der Arbeitsgerichtsbarkeit, aber Unterrichtung der Arbeitsverwaltung über aus Sicht der Arbeitsgerichtsbarkeit bestehende Rücknahmegründe und Aussetzung bis zur Bescheidung).

64

b) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist das Schreiben der zuständigen Agentur für Arbeit vom 26. Februar 2009 kein Verwaltungsakt und konnte bereits deshalb keine Heilungswirkung entfalten. Bei diesem Schreiben handelt es sich lediglich um eine Sachstandsmitteilung und Eingangsbestätigung.

65

aa) Nach der Legaldefinition des § 35 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ob ein behördliches Schreiben eine verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt enthält und welchen Inhalt dieser hat, ist durch Auslegung nach den insoweit entsprechend anwendbaren Grundsätzen des § 133 BGB zu ermitteln. Maßgebend ist bei der Auslegung behördlicher Schreiben danach nicht der innere Wille der Behörde, sondern deren erklärter Wille, wie ihn der Empfänger bei objektivierter Würdigung verstehen konnte, wobei Unklarheiten zulasten der Verwaltung gehen (BVerwG 22. März 2012 - 1 C 3.11 - Rn. 24 mwN; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 35 Rn. 71).

66

bb) Nach diesen Grundsätzen genügt das Schreiben der zuständigen Agentur für Arbeit vom 26. Februar 2009 nicht den Anforderungen an einen Verwaltungsakt.

67

(1) Dem steht schon entgegen, dass Entscheidungen nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG gemäß § 20 KSchG ausdrücklich und ausschließlich den dort genannten Entscheidungsträgern übertragen sind. Bevor die gesetzlichen Entscheidungsträger tätig geworden sind, fehlt der Agentur für Arbeit die Regelungsbefugnis (sog. „VA-Befugnis“). Fehlt aber offensichtlich eine Regelungsbefugnis, kann nicht unterstellt werden, dass gleichwohl ein Verwaltungsakt habe erlassen werden sollen (U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 35 Rn. 72, 25). Die auf Anfrage des Arbeitgebers erteilte bloße (telefonische) Auskunft „des Arbeitsamts“ hat das Bundesarbeitsgericht daher für eine Heilungswirkung bzw. einen Vertrauensschutz nicht ausreichen lassen (BAG 21. Mai 1970 - 2 AZR 294/69 - zu II 2 der Gründe, BAGE 22, 336). Erst die Entscheidung der nach § 20 KSchG zuständigen Entscheidungsträger über den Antrag nach § 18 KSchG ist ein Verwaltungsakt(vgl. BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 84, 267; 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - zu II 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99).

68

Das Schreiben vom 26. Februar 2009 war deutlich erkennbar von einem Sachbearbeiter vor Entscheidung der nach § 20 Abs. 1 KSchG zuständigen Entscheidungsträger verfasst. Bereits vom Zeitablauf her konnten diese vor Erstellung dieses Schreibens offensichtlich nicht tätig geworden sein. Tatsächlich hat der Sachbearbeiter im Schreiben vom 26. Februar 2009 auch keinerlei Entscheidung des zuständigen Entscheidungsträgers mitgeteilt, sondern nur auf dessen Entscheidungskompetenzen hingewiesen („der Entscheidungsträger kann bestimmen“) und dessen Entscheidung angekündigt („über Ihren Antrag auf Abkürzung der Frist wird noch entschieden“).

69

(2) Soweit das Schreiben im ersten Absatz Aussagen zur Sperrfrist enthält, erschöpft es sich in der Wiederholung des Gesetzeswortlauts und trifft keinerlei eigenständige Regelung, durch die Rechte des Arbeitgebers begründet, aufgehoben, geändert, verbindlich festgestellt oder verneint werden sollten. Damit fehlt es insoweit auch an einer auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichteten Regelung als weiterer Voraussetzung eines Verwaltungsakts (vgl. U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 35 Rn. 141).

70

c) Der später ergangene Bescheid der Arbeitsverwaltung gemäß § 18 Abs. 1 KSchG über die Abkürzung der Sperrfrist hindert die Arbeitsgerichtsbarkeit an der Feststellung der Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst dann nicht, wenn zugunsten des Beklagten unterstellt wird, dass dieser Bescheid bestandskräftig geworden ist. Der Fehler, der der Schuldnerin bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige unterlaufen ist, ist durch diesen Verwaltungsakt nicht geheilt worden.

71

aa) Gegenüber dem Kläger entfaltet ein solcher Bescheid keine materielle Bestandskraft (auch als Tatbestandswirkung, Drittbindungswirkung oder Abweichungsverbot bezeichnet, zu den Begrifflichkeiten Sachs in Stelkens/Bonk/ Sachs VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 105 ff.). Gemäß § 43 VwVfG wirkt ein Verwaltungsakt nur gegenüber den Adressaten und den Betroffenen, denen er bekannt gegeben ist. Dazu gehören die Arbeitnehmer nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts werden die Arbeitnehmer durch das Verfahren nach §§ 17 ff. KSchG nur mittelbar betroffen, so dass sie daran nicht beteiligt sind und gegen die darin ergehenden Verwaltungsakte nicht vorgehen können (BSG 30. Oktober 1959 - 7 RAr 19/57 - BSGE 11, 14; 14. August 1980 - 7 RAr 68/79 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 2; vgl. LSG Baden-Württemberg 8. Januar 2007 - L 8 AL 3242/06 AK-A - Rn. 13 ff., NJW 2007, 1839, wonach auch bei richtlinienkonformer Auslegung in Ansehung der Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] den §§ 17 ff. KSchG kein Recht der Arbeitnehmer entnommen werden kann, gerichtlich gegen Entscheidungen der Agentur für Arbeit nach § 18 KSchG vorzugehen). Gegenüber nur mittelbar Betroffenen entfaltet ein Verwaltungsakt keine Bindungswirkung (Sachs in Stelkens/ Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 92).

72

bb) Auch gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit entfaltet ein solcher Bescheid entgegen der Annahme der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der dieser folgenden Literatur keine materielle Bestandskraft. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen und wird zudem vom unionsrechtlichen Grundsatz des effet utile verlangt.

73

(1) Die Bindungswirkung des Bescheids der Agentur für Arbeit nach § 20 KSchG umfasst nur den eigentlichen Inhalt dieses Bescheids, also die Dauer der Sperrfrist und den Zeitpunkt ihres Ablaufs oder die Genehmigung, Entlassungen vor Ablauf der Sperrfrist vorzunehmen, nicht aber die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst(Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 154 f.; Reinhard RdA 2007, 207, 214).

74

(a) Von der Bestandskraft eines Verwaltungsakts wird nur dessen Entscheidungsgegenstand erfasst, also die im Verwaltungsakt verbindlich mit Wirkung nach außen getroffene Regelung (BVerwG 4. Juli 1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315, 320; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 56). Dagegen entfalten die im Verwaltungsverfahren ermittelten und dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände sowie deren rechtliche Beurteilung keine Bindungswirkung. Das Ergebnis solcher Vorfragen bildet lediglich den Grund für die Verwaltungsentscheidung, gehört jedoch nicht zu ihrem Regelungsinhalt (BVerwG 19. April 1994 - 9 C 20.93 - BVerwGE 95, 311, 318 f.; 21. November 1994 - 1 B 143.94 - NVwZ-RR 1995, 540; vgl. auch BAG 3. August 1989 - 8 AZR 335/87 - BAGE 62, 288; BGH 4. Februar 2004 - XII ZR 301/01 - BGHZ 158, 19; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 151 ff.; vgl. zu hier nicht interessierenden Ausnahmen von diesem Grundsatz Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs aaO Rn. 59). Die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts reicht also nur so weit, wie über den Anspruch entschieden ist. Begründungselemente erwachsen auch dann nicht in Bestandskraft, wenn sie tragend sind (BSG 8. Dezember 1994 - 11 RAr 41/94 - zu 1 a der Gründe, BSGE 75, 235).

75

(b) Nach diesen Grundsätzen wird die Frage, ob der Arbeitgeber bei der Massenentlassungsanzeige den Anforderungen des § 17 KSchG genügt hat, von der Bindungswirkung des Bescheids der Arbeitsverwaltung nach § 18 KSchG nicht umfasst. Die Arbeitsverwaltung entscheidet damit nur über die Dauer der Sperrfrist und bei entsprechendem Antrag über die Entbindung des Arbeitgebers von der Sperrfrist. Einen weiter gehenden Inhalt hat der Bescheid nicht. Die Einhaltung der formalen Anforderungen des § 17 KSchG ist nur Vorfrage des Bescheids nach § 20 KSchG und gehört damit nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht zum Regelungsinhalt des Bescheids. Dies berücksichtigt die Gegenmeinung nicht, wenn sie darauf abstellt, die Arbeitsverwaltung prüfe, ob die Anzeige wirksam gestellt worden sei, und bescheide im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Ordnungsgemäßheit der Anzeige bzw. regele die Entlassungsfrist (APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 136a f.). Zwar gilt im Verfahren nach § 20 KSchG der Amtsermittlungsgrundsatz. Die Agentur für Arbeit hat von Amts wegen festzustellen, ob die formellen Voraussetzungen der Massenentlassungsanzeige erfüllt sind (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 27, ZIP 2012, 1259). Das ändert aber nichts daran, dass hinsichtlich der Bindungswirkung eines im Verwaltungsverfahren ergangenen Bescheids zwischen Vorfragen und Regelungsinhalt zu unterscheiden ist.

76

(2) Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 6 der MERL, der den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz des effet utile besonders hervorhebt, Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von der MERL vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Die den Mitgliedstaaten überlassene Ausgestaltung dieser Bestimmung darf der MERL nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen (EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 34, 36, Slg. 2009, I-6653). Diese Verpflichtung steht einer Auslegung der §§ 17 ff. KSchG durch die nationale Arbeitsgerichtsbarkeit entgegen, die eine Bindungswirkung eines Bescheids der Arbeitsverwaltung nach §§ 18, 20 KSchG über den eigentlichen Regelungsgehalt eines solchen Bescheids hinaus annimmt.

77

(a) Weder die Arbeitnehmer noch der Betriebsrat sind am Verwaltungsverfahren beteiligt. Der Klageweg gegen Bescheide der Arbeitsverwaltung steht ihnen deshalb, wie ausgeführt, nicht offen. Würde gleichwohl ein Bescheid nach §§ 18, 20 KSchG dem Arbeitnehmer die Möglichkeit abschneiden, sich im Kündigungsschutzprozess auf Formfehler bei den Anforderungen des § 17 Abs. 3 KSchG zu berufen, wäre das von Art. 6 geforderte Schutzniveau der MERL unterschritten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zur Wahrung dieses Schutzniveaus schon hinsichtlich der Einhaltung der in Art. 2 der MERL(entsprechend § 17 Abs. 2 KSchG) vorgesehenen Verpflichtungen zur Information und Konsultation der Arbeitnehmervertreter, die kollektiver Natur sind, ein zumindest eingeschränktes Klagerecht der Arbeitnehmervertreter verlangt (EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42 f., Slg. 2009, I-6653). Erst recht muss hinsichtlich der Einhaltung der in § 17 Abs. 3 KSchG geregelten Formalien, die die Arbeitnehmer vor den Folgen der Massenentlassung schützen sollen und es der Arbeitsverwaltung ermöglichen sollen, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen(BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, BAGE 134, 176), die also auch eine individualschützende Komponente haben, eine effektive Möglichkeit bestehen, Verletzungen der Anforderungen des § 17 Abs. 3 KSchG geltend zu machen. Dies kann nur dadurch geschehen, dass Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess Fehler im Verfahren der Massenentlassungsanzeige erfolgreich rügen können, ohne dass ein bestandskräftiger Bescheid nach § 18 KSchG dem entgegenstünde(vgl. ErfK/Kiel 12. Aufl. § 20 KSchG Rn. 6; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 918; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 156 ff.).

78

(b) Dem kann, anders als die Revision annimmt, nicht mit dem Argument begegnet werden, dass die Arbeitsverwaltung ihr Informationsbedürfnis selbst definiere. Auch wenn die Arbeitsverwaltung von den ihr von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 der MERL iVm. § 18 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG eingeräumten Entscheidungsmöglichkeiten auf der Grundlage der ihr vom Arbeitgeber erteilten Informationen Gebrauch gemacht und die ihr von Art. 4 Abs. 2 der MERL angesonnenen Lösungsmöglichkeiten als erschöpft angesehen hat, muss es aufgrund der Verpflichtung aus Art. 6 der MERL wirksame Möglichkeiten geben, überprüfen zu lassen, ob die diesen Entscheidungen als Vorfrage zugrunde liegende Einschätzung der Arbeitsverwaltung, die Massenentlassungsanzeige genüge den gesetzlichen Anforderungen, zutrifft. Die Anforderungen des § 17 KSchG an eine Massenentlassungsanzeige unterliegen nicht der unüberprüfbaren Disposition durch die Arbeitsverwaltung, insbesondere nicht, soweit dadurch die Verpflichtungen der MERL umgesetzt werden.

79

5. Entgegen der Anregung des Beklagten im Berufungsrechtszug bedarf es zur Klärung der Auswirkungen der Mitteilung der Arbeitsverwaltung, dass die Massenentlassungsanzeige vollständig und deren Informationsbedürfnis genügt sei, auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 29. Mai 2012 - 1 BvR 3201/11 -; 21. Dezember 2010 - 1 BvR 3461/08 - CR 2011, 88) keines Vorabentscheidungsersuchens des Senats nach § 267 Abs. 3 AEUV. Abgesehen davon, dass die insoweit maßgeblichen Fragen bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union waren, verbietet sich, wie ausgeführt, bereits auf der Grundlage nationalen Verwaltungsverfahrensrechts die Annahme einer Heilungswirkung, so dass keine entscheidungserhebliche unionsrechtliche Fragestellung vorliegt.

80

III. Eine Vorlage an den Großen Senat nach § 45 ArbGG bzw. in deren Vorfeld eine Anfrage beim Zweiten und Achten Senat im Hinblick auf die Rechtsprechung dieser Senate zur Heilungswirkung von Verwaltungsakten der Agentur für Arbeit ist nicht erforderlich.

81

1. Die Rechtsfrage, ob und inwieweit die Bescheide der Arbeitsverwaltung im Verfahren nach § 20 KSchG Heilungswirkung entfalten, stellt sich im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union seit seiner Entscheidung vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - [Junk] Slg. 2005, I-885), die eine Zäsur im Verständnis des § 17 KSchG darstellt(ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 2), neu. Die rechtliche Grundlage der früheren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ist damit entfallen (vgl. BVerfG 2. Juli 1992 - 2 BvR 972/92 - NStZ 1993, 90). Deshalb fehlt es an der für eine Anrufung des Großen Senats erforderlichen Identität der Rechtslage (vgl. BGH 10. Dezember 2002 - X ARZ 208/02 - BGHZ 153, 173).

82

2. Das gilt auch für die Entscheidung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Mai 2009 (- 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20). Die Ausführungen in dieser Entscheidung zur Heilungswirkung der Entscheidung der Agentur für Arbeit beruhen auf der Annahme, die Vorschriften der §§ 17 ff. KSchG verfolgten (ausschließlich) einen arbeitsmarktpolitischen Zweck. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinen nach der Entscheidung des Achten Senats ergangenen Urteilen vom 10. Dezember 2009 (- C-323/08 - [Rodríguez Mayor] Rn. 43 f., Slg. 2009, I-11621) und vom 3. März 2011 (- C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337) das Hauptziel der MERL darin gesehen, Massenentlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern und die Unterrichtung der zuständigen Behörde vorangehen zu lassen. Dabei soll sich insbesondere die Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern auf die Möglichkeit erstrecken, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern. Ausgehend von diesen von ihm angenommenen Zielen der MERL hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem ebenfalls nach der Entscheidung des Achten Senats ergangenen Urteil vom 16. Juli 2009 (- C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42, Slg. 2009, I-6653) den Arbeitnehmern ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation im Vorfeld einer Massenentlassung zugebilligt und zu seiner Wahrung ein zumindest eingeschränktes Klagerecht der Arbeitnehmervertreter verlangt. Diese neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die der MERL auch eine individualschützende Komponente zuerkennt, schließt es aus, den Zweck des diese Richtlinie umsetzenden § 17 KSchG noch ausschließlich als arbeitsmarktpolitischen anzusehen. Auch der Entscheidung des Achten Senats vom 28. Mai 2009 ist damit der Boden entzogen.

83

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Jerchel    

        

    Hoffmann    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 18. Mai 2010 - 14 Sa 14/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 13. Januar 2010 - 13 Ca 59/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer aufgrund eines Interessenausgleichs ohne Namensliste erklärten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Der Kläger war seit dem 1. September 1975 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Mannheim - Insolvenzgericht - vom 1. Oktober 2009 (- 4 IN 353/09 -) wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser informierte den bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat noch am selben Tag über die geplante Entlassung der zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten 96 Arbeitnehmer. Am 8. Oktober 2009 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich ohne Namensliste ab. Dessen § 4 Abs. 3 hält fest:

        

„Die gemäß § 17 Abs. (2) KSchG erforderlichen Auskünfte wurden dem Betriebsrat am 01.10.2009 von dem Insolvenzverwalter erteilt. Der Betriebsrat sieht abschließend keine Möglichkeiten, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden. Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. (2) KSchG ist somit abgeschlossen.“

3

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 erstattete der Beklagte gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit Massenentlassungsanzeige. Er wies sowohl in dieser Anzeige als auch im Anschreiben an die Agentur für Arbeit auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hin. Diesem Anschreiben fügte er ua. das Formular der Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG bei. Nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 12. Oktober 2009 zum 31. Januar 2010.

4

Mit seiner am 21. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht Mannheim eingegangenen Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung. Im Hinblick auf eine von der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin abgegebene Rückkehrgarantie hat er der Rechtsvorgängerin den Streit verkündet. Diese ist durch Schriftsatz vom 1. Dezember 2009 dem Rechtsstreit aufseiten des Klägers beigetreten. Der Kläger strebt in einem weiteren, gegen die Streithelferin geführten Verfahren eine Wiedereinstellung durch diese an. Zwischenzeitlich hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteilen vom 14. März 2012 (- 7 AZR 147 bis 149/11 -) in Parallelverfahren den dortigen Klägern einen Wiedereinstellungsanspruch zugebilligt.

5

Der Kläger hat bestritten, dass der Massenentlassungsanzeige vom 8. Oktober 2009 der Interessenausgleich vom selben Tag beigefügt gewesen sei. Er hat die Auffassung vertreten, die Übersendung einer Stellungnahme des Betriebsrats in einem Interessenausgleich ohne Namensliste an die Agentur für Arbeit genüge auch nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Beifügung einer Stellungnahme bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige. Ein Interessenausgleich sei ein zweiseitiger Vertrag, nicht aber eine einseitige Stellungnahme des Betriebsrats. Erforderlich sei vielmehr eine Stellungnahme, die sich erkennbar auf die konkret anzuzeigenden Entlassungen beziehe. Dafür reiche es nicht aus, wenn die Verlautbarungen des Betriebsrats aus anderen rechtlichen Zusammenhängen herrührten. Jedenfalls habe die Kündigungsfrist erst mit Ablauf der Sperrfrist zu laufen begonnen.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der C GmbH durch die mit Schreiben des Beklagten vom 12. Oktober 2009 - zugegangen am 14. Oktober 2009 - ausgesprochene Kündigung zum 31. Januar 2010, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, nicht aufgelöst ist.

7

Der Beklagte hat zur Begründung seines Begehrens auf Klageabweisung die Auffassung vertreten, die Übersendung der in den Interessenausgleich integrierten Stellungnahme des Betriebsrats an die Agentur für Arbeit habe den gesetzlichen Anforderungen genügt. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG schreibe für die Stellungnahme keine besondere Form vor. Einer gesonderten Stellungnahme habe es deshalb nicht bedurft.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Beklagten ist begründet. Seine Kündigung vom 12. Oktober 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31. Januar 2010 beendet.

10

I. Der Umstand, dass der Kläger die Wiedereinstellung durch die Streitverkündete erstrebt, steht der Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage nicht entgegen. Das dafür erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich bereits daraus, dass der unter das Kündigungsschutzgesetz fallende Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage nach § 4 Satz 1 KSchG erheben muss, um den Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG zu verhindern(BAG 11. Februar 1981 - 7 AZR 12/79 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 8 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 20).

11

II. § 17 KSchG steht der Kündigung nicht entgegen. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft einen Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG angenommen.

12

1. Eine Verletzung der Konsultationspflicht gemäß § 17 Abs. 2 KSchG hat der Kläger nicht gerügt(vgl. zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das ordnungsgemäße Verfahren nach § 17 KSchG BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 31).

13

2. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 KSchG, die uneingeschränkt auch für den Insolvenzverwalter gilt(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 29), als solche liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat bindend festgestellt, dass der Beklagte der örtlichen Agentur für Arbeit mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 die Massenentlassung angezeigt hat und dieses Schreiben dort spätestens am 12. Oktober 2009 vor Erklärung der streitbefangenen Kündigung eingegangen ist.

14

3. Der Beklagte hat der Anzeige auch - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt. Dafür genügte die Beifügung des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009, in dem der Betriebsrat unter § 4 Abs. 3 zur beabsichtigten Massenentlassung abschließend Stellung genommen hatte.

15

a) Hat der Betriebsrat eine Stellungnahme zu dem Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem Arbeitgeber geführten Beratungen abgegeben, ist diese gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG der Anzeige der Massenentlassung gegenüber der örtlichen Agentur für Arbeit beizufügen. Haben Betriebsrat und Arbeitgeber einen Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen, ersetzt dieser gemäß § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats. In einem solchen Fall genügt also die Beifügung des Interessenausgleichs mit Namensliste den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Dies gilt selbst dann, wenn im Interessenausgleich keine Bekundungen des Betriebsrats zu den Beratungen mit dem Arbeitgeber enthalten sind.

16

b) Ein Interessenausgleich ohne Namensliste, wie er im vorliegenden Fall vereinbart worden ist, kann zwar mangels gesetzlicher Anordnung die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzen. Die Stellungnahme des Betriebsrats wird nur in den Fällen des § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG und des § 125 Abs. 2 InsO durch die Betriebsratsbeteiligung in anderen Zusammenhängen ersetzt(APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 112). Mit Ausnahme dieser Fälle gibt der Betriebsrat eine Stellungnahme iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG durch die Ausübung anderer betriebsverfassungsrechtlicher oder sonstiger Rechte nicht ab. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts geht es im vorliegenden Fall aber nicht um die Ersetzung der Stellungnahme durch einen Interessenausgleich ohne Namensliste, sondern darum, ob eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt oder ob dafür eine separate Stellungnahme des Betriebsrats in einem eigenständigen Dokument erforderlich ist.

17

c) § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt keine Stellungnahme des Betriebsrats in einem eigenständigen Dokument.

18

aa) Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ergibt sich allerdings nicht, welche Anforderungen an die beizufügende Stellungnahme des Betriebsrats zu stellen sind. Dem Wort „Beifügung“ lässt sich nur entnehmen, dass es sich um eine verkörperte Erklärung handeln muss, nicht jedoch, ob diese in einem eigenständigen Dokument erfolgen muss.

19

bb) Aus Sinn und Zweck des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG folgt, dass eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats den gesetzlichen Anforderungen genügt.

20

(1) Welchem Zweck die gesetzliche Anordnung, der Massenentlassungsanzeige die Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen, dient, lässt sich nur in der Zusammenschau mit den Zwecken der Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG und zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG ermitteln.

21

(a) § 17 KSchG dient in Umsetzung der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - MERL - dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen von Massenentlassungen. Hauptziel der MERL ist im Hinblick auf die sozioökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen, solchen Entlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern und die Unterrichtung der zuständigen Behörde vorangehen zu lassen (vgl. EuGH 15. Februar 2007 - C-270/05 - [Athinaïki Chartopoiïa] Rn. 28, Slg. 2007, I-1499; 10. Dezember 2009 - C-323/08 - [Rodríguez Mayor] Rn. 44, Slg. 2009, I-11621). Die Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern erstreckt sich auf die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern (vgl. EuGH 10. Dezember 2009 - C-323/08 - [Rodríguez Mayor] Rn. 43, aaO; 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337). Die Agentur für Arbeit soll die Möglichkeit haben, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarkts einzuleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen zu sorgen (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45).

22

(b) Ausgehend von diesen Zielen soll die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zur Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden. Sie soll zugleich belegen, dass soziale Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45). Schließlich soll das Beifügungserfordernis verhindern, dass der Arbeitgeber eine für ihn ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit verschweigt, um eine für ihn günstige Entscheidung der Behörde zu erwirken (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 111).

23

(2) Diesen Zwecken genügt eine in den Interessenausgleich integrierte abschließende Stellungnahme des Betriebsrats, die erkennen lässt, dass sie sich auf die angezeigten Kündigungen bezieht (vgl. Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2; Grau/Sittard BB 2011, 1845, 1850; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32; jeweils mit Formulierungsvorschlag: Krieger/Ludwig NZA 2010, 919, 921; Mückl ArbRAktuell 2011, 238, 239 f.; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1073). Das gilt umso mehr, als die Unterrichtungspflichten nach § 111 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG weitgehend übereinstimmen. Die Verfahrensregelungen der §§ 111 ff. BetrVG gewährleisten eine umfangreiche Information des Betriebsrats und ernsthafte Beratungen über Alternativlösungen iSd. MERL (vgl. BAG 18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III 1 b der Gründe, BAGE 107, 318; 30. März 2004 - 1 AZR 7/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 110, 122; ausführlich Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 166 bis 169; vgl. auch Krieger/Ludwig aaO; Mückl aaO; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 915; Schramm/Kuhnke aaO). Mit seiner Unterschrift unter einen solchen Interessenausgleich dokumentiert der Betriebsrat seine Meinung zu der anstehenden Massenentlassung abschließend und bringt zum Ausdruck, dass er das Konsultationsverfahren als abgeschlossen ansieht. Verlangte man vom Arbeitgeber, sich für die Massenentlassungsanzeige vom Betriebsrat zusätzlich zu dessen bereits in den Interessenausgleich aufgenommener Stellungnahme diese in einem gesonderten Schreiben wiederholen zu lassen oder die Stellungnahme aus dem Interessenausgleich herauszukopieren und auf einem Extrablatt auszudrucken, wäre dies ein überflüssiger Formalismus. Ein größerer Erkenntniswert oder Informationsgewinn für die Agentur für Arbeit wäre damit nicht verbunden (in diesem Sinn auch Bissels aaO).

24

(3) Dem lässt sich, anders als der Kläger meint, nicht entgegenhalten, dass der Betriebsrat im Interessenausgleich, der einen zweiseitigen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat darstelle, nicht die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte einseitige Stellungnahme abgeben könne. Beim Interessenausgleich handelt es sich nicht um einen zweiseitigen Vertrag, sondern um eine kollektive Vereinbarung besonderer Art, deren Rechtsqualität nicht abschließend geklärt ist (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 15/05 - Rn. 27, BAGE 118, 131). In dieser Vereinbarung kann jede der Betriebsparteien einseitige Erklärungen abgeben, sei es der Arbeitgeber zu den Gründen der Betriebsänderung, sei es der Betriebsrat in Form der Stellungnahme zu der Anhörung nach § 102 BetrVG(vgl. APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 117a) oder zu der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG.

25

cc) Das Argument des Landesarbeitsgerichts, dass es nicht Sache der Agentur für Arbeit sei, vom Arbeitgeber der Anzeige beigefügte, beliebige Unterlagen mit Erklärungen der Betriebspartner wie etwa einen Interessenausgleich daraufhin zu untersuchen, ob sich hieraus im Wege der Auslegung eine Stellungnahme des Betriebsrats iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ableiten lasse, überzeugt nicht.

26

(1) Zum einen berücksichtigt das Landesarbeitsgericht nicht, dass der Beklagte sowohl in der Massenentlassungsanzeige als auch im Begleitschreiben an die Agentur für Arbeit ausdrücklich auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hingewiesen und den Inhalt von § 4 des Interessenausgleichs im Anschreiben wörtlich wiedergegeben hatte. Die Agentur für Arbeit musste deshalb keineswegs die eingereichten Unterlagen auf eine ggf. darin enthaltene Stellungnahme des Betriebsrats untersuchen und erst recht nicht die Stellungnahme im Wege der Auslegung aus den eingereichten Unterlagen ableiten. Sie musste lediglich § 4 des als Anlage 4 der Anzeige beigefügten Interessenausgleichs berücksichtigen. Hätte der Beklagte als Anlage 5 der Massenentlassungsanzeige eine gesonderte Stellungnahme des Betriebsrats zur beabsichtigten Massenentlassung beigefügt, wäre der Agentur für Arbeit kein geringerer Aufwand entstanden (vgl. Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2).

27

(2) Zum anderen gilt für die Entscheidung der Agentur für Arbeit über die Massenentlassungsanzeige nicht, wie das Landesarbeitsgericht anzunehmen scheint, der Beibringungsgrundsatz. Vielmehr unterliegt das dabei einzuhaltende Verfahren neben den Regelungen des § 20 KSchG den allgemeinen sozialverfahrens- und verwaltungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere den Bestimmungen des SGB X(vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 20 KSchG Rn. 19). Gemäß § 20 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Die Agentur für Arbeit hat also von Amts wegen festzustellen, ob die formellen Voraussetzungen der Anzeige erfüllt sind. Dazu gehört auch die Prüfung, ob der Anzeige - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt ist. Bei Zweifeln muss die Agentur für Arbeit beim Arbeitgeber gemäß § 20 Abs. 3 KSchG rückfragen(vgl. Mückl ArbRAktuell 2011, 238, 240).

28

Entsprechend diesen gesetzlichen Anforderungen stellt die Agentur für Arbeit selbst in ihrer Praxis keine hohen Anforderungen an die Form der Stellungnahme (vgl. Nr. 17.33 der Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Dritten und Vierten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes Stand Juli 2005 zu § 17 Abs. 3).

29

d) Die in § 4 des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009 abgegebene Stellungnahme des Betriebsrats genügt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG.

30

aa) Der Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 war der an die Agentur für Arbeit übersandten Massenentlassungsanzeige beigefügt. Dies hat zwar das Landesarbeitsgericht nicht bindend iSv. § 559 Abs. 2 ZPO festgestellt. Diese Behauptung des Beklagten ist jedoch gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig geworden und daher der Entscheidung zugrunde zu legen.

31

(1) Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen grundsätzlich davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - zu II 2 b aa der Gründe, NJW 1999, 1404).

32

(2) Der Kläger hat die Beifügung des Interessenausgleichs zunächst zulässig mit Nichtwissen bestritten. Im Hinblick auf das daraufhin vom Beklagten vorgelegte Telefaxprotokoll seines Schreibens an die Agentur für Arbeit wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, seinen Sachvortrag insoweit zu substantiieren. Da er dies nicht getan hat, ist die Übersendung des Interessenausgleichs an die Agentur für Arbeit unstreitig geworden.

33

bb) Der Betriebsrat hat im Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 eine eindeutige und abschließende Stellungnahme abgegeben. Der Erklärung in § 4 Abs. 3 des Interessenausgleichs, dass dem Betriebsrat die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderlichen Auskünfte erteilt worden seien, dieser abschließend keine Möglichkeiten sehe, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden, und das Konsultationsverfahren somit abgeschlossen sei, lassen sich drei Aussagen entnehmen. Erstens wird zum Ausdruck gebracht, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht. Zweitens enthält § 4 Abs. 3 des Interessenausgleichs eine eindeutige Meinungsäußerung des Betriebsrats zu den beabsichtigten Entlassungen(für eine Auslegung in diesem Sinn auch: Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2). Drittens wird ausdrücklich erklärt, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme handelt. Mehr ist von einer Stellungnahme iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht zu verlangen.

34

4. Die zu II 3 c bb dargestellten Grundsätze zum Verständnis der MERL sind durch die angeführte jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, so dass ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV nicht erforderlich war(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151). Der Senat ist auch nicht gehalten, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV die Frage vorzulegen, ob die der Anzeige der Massenentlassung beizufügende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung auch in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integriert sein kann oder in einem separaten Dokument enthalten sein muss. Diese Frage bedarf keiner Beantwortung durch den Gerichtshof der Europäischen Union am Maßstab des Unionsrechts. Die MERL enthält selbst keine Regelung, in welcher Form die Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung zu erfolgen hat. Die im vorliegenden Rechtsstreit zu beantwortende Frage betrifft damit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern ausschließlich die Anwendung nationalen Rechts (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 48; zur Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte bei der Auslegung von Unionsrecht vgl. BVerfG 7. Juni 2011 - 1 BvR 2109/09 - Rn. 18 ff., ZLR 2011, 608; 24. Oktober 2011 - 2 BvR 1969/09 - Rn. 25 ff.).

35

III. Weitere Gründe, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könnten, hat der Kläger nicht mehr geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

36

IV. Die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende aus § 113 Satz 2 InsO ist eingehalten. Die Kündigungsfrist hat entgegen der Auffassung des Klägers mit dem Zugang der Kündigungserklärung und nicht erst mit dem Ende der Sperrfrist zu laufen begonnen (vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 27 ff., BAGE 128, 256).

37

V. Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Döpfert    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2010 - 26 Sa 263/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Die Klägerin war seit dem 1. Oktober 1991 als Konstrukteurin im Betrieb Z der Schuldnerin, in dem ein Betriebsrat gebildet war, beschäftigt. Dort waren etwa 110 Mitarbeiter tätig. Durch Beschluss des Amtsgerichts Aalen - Insolvenzgericht - vom 1. Juni 2009 (- 3 IN 91/09 -) wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 10. Juni 2009 stellte der Beklagte die Produktion in Z ein und stellte alle Arbeitnehmer mit Ausnahme von sechs Beschäftigten, die insolvenzspezifische Tätigkeiten verrichteten, mit Wirkung vom 11. Juni 2009 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Werbende und produzierende Tätigkeiten wurden im Betrieb Z seitdem nicht mehr entfaltet, Aufgaben für Konstrukteure waren nicht mehr vorhanden.

2

Am 24. Juni 2009 einigte der Beklagte sich mit dem Betriebsrat auf einen Interessenausgleich mit Namensliste. Dieser lautet auszugsweise wörtlich:

        

§ 4 Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG

        

Der Betriebsrat erklärt mit Unterzeichnung dieses Interessenausgleiches, dass er bereits im Rahmen der Verhandlungen über diesen Interessenausgleich ordnungsgemäß die nach § 102 BetrVG erforderlichen Informationen über die zu berücksichtigenden Kündigungsgründe und zur Sozialauswahl … erhalten hat und so bereits ordnungsgemäß angehört wurde.

        

... Der Betriebsrat erklärt, dass er die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis nimmt und keine weitere Stellungnahme abgeben wird und das Anhörungsverfahren als abgeschlossen sieht.

        

…       

        

§ 8 Unterrichtung nach § 17 KSchG

        

Der Betriebsrat erklärt hiermit, rechtzeitig und umfassend gemäß § 17 KSchG über die anzeigepflichtigen Maßnahmen unterrichtet worden zu sein. Der vorliegende Interessenausgleich ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrats gemäß § 17 Absatz 3 KSchG125 InsO) sowie § 20 Absatz 1 und 2 KSchG.“

3

Am 24. Juni 2009 ging um 13:24 Uhr der vom stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, der den am 24. und 25. Juni 2009 urlaubsbedingt abwesenden Vorsitzenden vertrat, unterschriebene Interessenausgleich in eingescannter Form per E-Mail bei der Schuldnerin ein. Der Beklagte zeigte mit Schreiben vom 25. Juni 2009, das dort per Telefax um 12:37 Uhr einging, der Agentur für Arbeit die geplante Massenentlassung an. Diesem Schreiben fügte er ein ausgedrucktes, von ihm unterzeichnetes Exemplar des ihm vom Betriebsrat per E-Mail übersandten Interessenausgleichs bei. Aufgrund eines Büroversehens nahm er im Anschreiben auf einen Interessenausgleich vom 2. Juni 2009 Bezug. Die Kündigungserklärungen vom 25. Juni 2009 gab der Beklagte noch am selben Tag gegen 15:45 Uhr zur Post. Der Klägerin ging die Kündigung am 26. Juni 2009 zu.

4

Die Klägerin hat am 17. Juli 2009 Kündigungsschutzklage erhoben. In der Ladung zum Gütetermin erteilte das Arbeitsgericht den Hinweis nach § 6 Satz 2 KSchG wie folgt:

        

„Die klagende Partei wird darauf hingewiesen, dass nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der 1. Instanz auch weitere Unwirksamkeitsgründe geltend gemacht werden können (§ 6 KSchG).“

5

Erstinstanzlich hat die Klägerin lediglich gerügt, der Betrieb der Schuldnerin sei nicht dauerhaft stillgelegt worden. Mangels formgerecht unterzeichneten Interessenausgleichs habe sich der Beklagte auch nicht auf die Rechtswirkungen aus § 1 Abs. 5 KSchG berufen dürfen. Erst in der Berufungsinstanz hat die Klägerin Rügen hinsichtlich der Betriebsratsanhörung und der Wahrung der Pflichten des Beklagten aus § 17 KSchG erhoben. Die Massenentlassungsanzeige sei bereits deshalb nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil im Anschreiben an die Agentur für Arbeit ein falsches Datum des Interessenausgleichs genannt worden sei. Der Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass er der Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 KSchG nachgekommen sei. Der Interessenausgleich habe der gesetzlichen Schriftform nicht genügt und darum nicht die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit ersetzen können.

6

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 25. Juni 2009 nicht aufgelöst wurde.

7

Der Beklagte hat seinen Antrag auf Klageabweisung darauf gestützt, dass es auf den formal wirksamen Abschluss des Interessenausgleichs für die Ersetzungswirkung nicht ankomme.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht habe seiner Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG genügt, so dass sich die Klägerin nach Abschluss der ersten Instanz nicht auf weitere Rügen berufen könne. Ohnehin habe der Beklagte seine Pflichten aus § 102 BetrVG und § 17 KSchG nicht verletzt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe den Inhalt der Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG verkannt. Weil Anhaltspunkte für weitere Unwirksamkeitsgründe vorgelegen hätten, habe es eines konkreten Hinweises des Arbeitsgerichts zu § 102 BetrVG und § 17 KSchG bedurft. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen dazu, dass die Massenentlassungsanzeige nicht ordnungsgemäß erstattet sei.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen.

10

I. Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG wirksam. Die dem zugrunde liegenden Tatsachen hat das Landesarbeitsgericht gemäß § 561 ZPO bindend festgestellt. Gegen diese Feststellung wendet sich die Revision nicht.

11

II. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Klägerin mit der Rüge des Unwirksamkeitsgrundes des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nach § 6 Satz 1 KSchG ausgeschlossen ist, weil sie diese Rüge erstmals in der Berufungsinstanz erhoben hat.

12

1. Nach § 6 Satz 1 KSchG kann sich der Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Frist des § 4 KSchG nicht geltend gemachte Gründe berufen, sofern er innerhalb dieser Frist Kündigungsschutzklage erhoben hat. § 6 Satz 1 KSchG ist damit eine Präklusionsvorschrift(Eylert NZA 2012, 9, 10; Raab RdA 2004, 321, 329).

13

Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift des § 6 Satz 1 KSchG dem „meist nicht rechtskundigen“ Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnen, auch nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG noch andere Unwirksamkeitsgründe in den Prozess einzuführen, auf die er sich zunächst nicht berufen hat. Zugleich wollte er diese Rügemöglichkeit auf die Zeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz beschränken, um dem Arbeitgeber alsbald Klarheit über den Bestand oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verschaffen (BT-Drucks. 15/1204 S. 13). Allerdings führt seit der Neufassung des § 4 KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) die Rüge einer Unwirksamkeit der Kündigung unter weiteren rechtlichen Gesichtspunkten nicht zu einem Wechsel im Streitgegenstand, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags, so dass an sich der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess im Rahmen der geltenden Präklusionsbestimmungen weitere Unwirksamkeitsgründe nachschieben könnte. Unabhängig davon, dass § 6 Satz 1 KSchG insoweit redaktionell missglückt(so BAG 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 65 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 84) bzw. misslungen ist (Eylert NZA 2012, 9; Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 364; Quecke RdA 2004, 86, 101; Bayreuther ZfA 2005, 391, 398), ist diese Regelung von den Gerichten zu achten (Bader NZA 2004, 65, 69; Raab RdA 2004, 321, 329). Der Arbeitnehmer muss deshalb aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 6 Satz 1 KSchG alle weiteren Unwirksamkeitsgründe spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend machen. Geschieht dies nicht, ist er mit dieser Rüge grundsätzlich ausgeschlossen (BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 10, 16, BAGE 124, 367; vgl. auch 4. Mai 2011 - 7 AZR 252/10 - Rn. 19, EzA KSchG § 6 Nr. 3 für die auf § 6 KSchG verweisende Bestimmung des § 17 Satz 2 TzBfG; aA KR/Friedrich 9. Aufl. § 6 KSchG Rn. 18a; Bader/Bram/Kriebel Stand Oktober 2010 § 6 KSchG Rn. 14 ff.; Quecke RdA 2004, 86, 102; Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 365; Bayreuther ZfA 2005, 391, 392).

14

2. Das Arbeitsgericht hat die Klägerin in der Ladung zum Gütetermin entsprechend dem Wortlaut des § 6 Satz 1 KSchG darauf hingewiesen, dass sie sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen kann. Damit hatte es seiner Pflicht aus § 6 Satz 2 KSchG genügt. Eine Verpflichtung des Arbeitsgerichts, die Klägerin auf etwaige Unwirksamkeitsgründe, die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls in Betracht hätten kommen können, hinzuweisen, bestand nach dieser Bestimmung nicht.

15

a) Über Anlass und Inhalt der Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung ist noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen. Der Zweite Senat hat in seiner Entscheidung vom 8. November 2007 (- 2 AZR 314/06 - Rn. 21, BAGE 124, 367) lediglich angenommen, dass ein ausreichender Hinweis an den Kläger dadurch erfolgt sei, dass das Arbeitsgericht eindeutig festgestellt habe, andere Unwirksamkeitsgründe habe der Kläger erstinstanzlich nicht geltend gemacht. Der Siebte Senat hat in der Entscheidung vom 4. Mai 2011 (- 7 AZR 252/10 - Rn. 21, EzA KSchG § 6 Nr. 3)ausdrücklich offengelassen, nach welchen Maßstäben sich die Hinweispflicht des Arbeitsgerichts richtet. In der Entscheidung vom 16. April 2003 (- 7 AZR 119/02 - BAGE 106, 72, 78) hat der Siebte Senat die Hinweispflicht nach § 17 TzBfG, § 6 KSchG aF nicht als verletzt angesehen, weil das Arbeitsgericht weder den Klageanträgen noch der Klagebegründung noch sonstigen Umständen Anhaltspunkte dafür habe entnehmen können, dass die letzte vereinbarte Befristung unwirksam gewesen sein könnte.

16

b) Nach hM in der Literatur muss ein Hinweis nach § 6 Satz 2 KSchG erfolgen, wenn andere Unwirksamkeitsgründe als die bisher gerügten erkennbar in Betracht kommen(Eylert NZA 2012, 9, 11; KR/Friedrich 9. Aufl. § 6 KSchG Rn. 31; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 6 KSchG Rn. 6; APS/Hesse 4 Aufl. § 6 KSchG Rn. 22; Bader/Bram/Kriebel Stand Oktober 2010 § 6 KSchG Rn. 47 hält das „Erfragen“ derartiger Anhaltspunkte in bestimmten Fällen für erforderlich). Bei Vorliegen solcher Umstände soll ein Hinweis auf einen konkreten, im einzelnen vom Gericht zu benennenden Unwirksamkeitsgrund erfolgen (vgl. Eylert aaO, der einen konkreten Hinweis des Arbeitsgerichts verlangt, wenn aufgrund des Tatsachenvorbringens der Parteien die Möglichkeit eines bislang noch nicht ausreichend vorgetragenen Unwirksamkeitsgrundes vorliegt; nach KR/Friedrich aaO hat das Gericht zB auf die Möglichkeit der Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG hinzuweisen). Andere Stimmen in der Literatur halten einen umfassenden Hinweis in Form eines „juristischen Einkaufszettels“ (so polemisch Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 365) auf alle möglichen Unwirksamkeitsgründe für erforderlich (Bader NZA 2004, 65, 69).

17

c) Diese Auslegungen gehen jedoch über den Normgehalt des § 6 Satz 2 KSchG hinaus. Nach dieser Bestimmung soll das Arbeitsgericht den Arbeitnehmer „hierauf“, also darauf, dass er nach § 6 Satz 1 KSchG weitere Unwirksamkeitsgründe (nur) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltend machen kann, hinweisen. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich kein weitergehender Wille des Gesetzgebers. Danach soll der meist nicht rechtskundige Arbeitnehmer, der bei Klageerhebung oft nicht alle Unwirksamkeitsgründe kennt, die Möglichkeit haben, später andere Gründe in den Prozess einzuführen. „Hierauf“ soll ihn das Gericht hinweisen (BT-Drucks. 15/1204 S. 13). Mehr verlangt § 6 Satz 2 KSchG nicht. Deshalb reicht der bloße Hinweis des Arbeitsgerichts auf den Regelungsgehalt des § 6 Satz 1 KSchG zur Wahrung der Hinweispflicht aus § 6 Satz 2 KSchG aus.

18

3. § 6 KSchG führt allerdings in vorstehender Auslegung zu einer nicht unerheblichen Beschneidung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitnehmers. Als Präklusionsvorschrift steht § 6 Satz 1 KSchG im Spannungsverhältnis zwischen den Geboten zur Rechtsschutzgewährung und der Wahrung des rechtlichen Gehörs sowie der anzustrebenden materiellen Richtigkeit der zu treffenden Entscheidung einerseits und der Befolgung der vom Gesetzgeber angeordneten Beschleunigung und Konzentration des Streitstoffs schon in erster Instanz andererseits.

19

a) Es liegt grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob für die Rechtsverfolgung mehrere Instanzen bereitgestellt werden, unter welchen Voraussetzungen diese angerufen werden können und wie weit die Prüfungsbefugnis des jeweils zuständigen Gerichts reicht (vgl. BVerfG 24. Januar 2005 - 1 BvR 2653/03 - BVerfGK 6, 1, 3 für § 531 Abs. 2 ZPO nF). Die Beschränkung der Prüfungsbefugnis des Landesarbeitsgerichts durch § 6 KSchG steht deshalb mit dem Justizgewährungsanspruch des Art. 19 Abs. 4 GG in Einklang.

20

b) Der Gesetzgeber kann auch das rechtliche Gehör im Interesse der Verfahrensbeschleunigung durch Präklusionsvorschriften begrenzen. Allerdings führen Vorschriften wie die des § 6 Satz 1 KSchG dazu, dass einer Partei Vorbringen abgeschnitten werden kann, das zu einem anderen Ausgang des Prozesses geführt hätte. Wegen dieser einschneidenden Folgen für den Anspruch auf rechtliches Gehör müssen solche Vorschriften Ausnahmecharakter haben. Ihre Anwendung durch die Fachgerichte unterliegt einer strengeren verfassungsgerichtlichen Kontrolle, als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts der Fall ist. Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn durch die fehlerhafte Anwendung von Präklusionsvorschriften eine verfassungsrechtlich erforderliche Anhörung nicht stattgefunden hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist dagegen gewahrt, wenn die betroffene Partei ausreichend Gelegenheit hatte, sich in den ihr wichtigen Punkten zur Sache zu äußern, dies aber aus von ihr zu vertretenden Gründen versäumt hat (BVerfG 5. Mai 1987 - 1 BvR 903/85 - BVerfGE 75, 302; 30. Januar 1985 - 1 BvR 876/84 - BVerfGE 69, 145, 149).

21

c) Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts bei der Anwendung von Präklusionsvorschriften verlangt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen „strikt“ eingehalten werden (BGH 12. Januar 1983 - IVa ZR 135/81 - BGHZ 86, 218). Für die Präklusionsvorschrift des § 277 Abs. 2 ZPO stellt der Bundesgerichtshof hohe Anforderungen an die von diesen Vorschriften verlangte gerichtliche Belehrung über die Folgen einer Fristsäumnis. Es müsse dem Beklagten unmissverständlich klar gemacht werden, welcher Nachteil ihm bei Nichteinhaltung der Frist entstehe. Die formularmäßige Mitteilung des Gesetzeswortlauts reiche dabei nicht aus. Die Belehrung müsse vielmehr dem Beklagten sinnfällig vor Augen führen und ihm völlig klar machen, dass er sich gegen die Klage nur innerhalb der gesetzten Frist zur Klagerwiderung verteidigen könne, dass ihm bei Versäumung der Frist im Allgemeinen jegliche Verteidigung abgeschnitten sei und er den Prozess vollständig verlieren werde (st. Rspr. seit BGH 12. Januar 1983 - IVa ZR 135/81 - BGHZ 86, 218, 224 f.). Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht für die Vorschrift des § 56 Abs. 2 ArbGG angeschlossen(BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 362/97 - EzA ArbGG 1979 § 56 Nr. 2).

22

d) Diese Anforderungen an die Belehrung über die Rechtsfolgen einer Versäumung einer gesetzten Frist können nicht auf die Hinweispflicht des § 6 KSchG übertragen werden. Zur Erfüllung dieser Pflicht reicht angesichts des eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Bestimmung vielmehr ein Hinweis auf den Inhalt des § 6 Satz 1 KSchG aus. Im Unterschied zu § 277 Abs. 2 ZPO und § 56 Abs. 2 ArbGG sieht § 6 Satz 2 KSchG nur eine Hinweis-, nicht aber eine Belehrungspflicht vor. Auch bei strikter Anwendung der gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen ist daher eine Belehrung über die Folgen einer verspäteten Einführung von Unwirksamkeitsgründen in den Kündigungsschutzprozess nicht erforderlich, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG zu genügen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des § 6 KSchG ausdrücklich einen „Hinweis“ als ausreichend angesehen und keine Belehrung verlangt(BT-Drucks. 15/1204 S. 13). Ohnehin ist jedenfalls bei einer anwaltlich vertretenen Partei eine Belehrung über die Folgen einer Fristversäumnis verfassungsrechtlich nicht geboten (BVerfG 5. Mai 1987 - 1 BvR 903/85 - BVerfGE 75, 302).

23

e) Jedenfalls einen weder anwaltlich noch gewerkschaftlich vertretenen Arbeitnehmer muss das Arbeitsgericht auf den Regelungsgehalt des § 6 Satz 1 KSchG hinweisen, obwohl § 6 Satz 2 KSchG nur eine Sollvorschrift ist(vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 21, BAGE 124, 367). Unabhängig davon, ob solche „prozessualen Sollvorschriften“ von den Gerichten grundsätzlich zu befolgen sind (in diesem Sinne Bader/Bram/Kriebel Stand Oktober 2010 § 6 KSchG Rn. 48), ist der zwingende Hinweis auf den Inhalt des § 6 Satz 1 KSchG in diesem Fall verfassungsrechtlich geboten. Das Verfahrensrecht dient der Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Blickpunkt richtiger, aber auch gerechter Entscheidungen. Sind dem Richter im Interesse einer angemessenen Verfahrensgestaltung Ermessensbefugnisse eingeräumt, hat er diese Befugnisse so auszulegen und anzuwenden, dass es nicht zu einer Verkürzung des grundrechtlich gesicherten Anspruchs auf einen effektiven Rechtsschutz kommt (BVerfG 27. September 1978 - 1 BvR 361/78 - BVerfGE 49, 220, 225).

24

4. Der Arbeitnehmer hat auch bei dieser Auslegung des § 6 Satz 2 KSchG in einer mit Art. 103 Abs. 1 GG zu vereinbarenden Weise Gelegenheit, sich in den ihm wichtigen Punkten im arbeitsgerichtlichen Verfahren zur Sache zu äußern und sein Rechtsschutzbegehren zu verfolgen. § 6 Satz 2 KSchG kann insoweit nicht isoliert betrachtet werden. Zu berücksichtigen ist auch die Gesamtheit der prozessualen Pflichten des Arbeitsgerichts, in die diese Bestimmung eingebettet ist. In der Gesamtschau mit den neben der Hinweispflicht des § 6 Satz 2 KSchG bestehenden Hinweis- und Fragepflichten des Arbeitsgerichts gemäß § 139 ZPO und dem von den Gerichten zu beachtenden Grundsatz „iura novit curia“ genügt § 6 Satz 1 KSchG den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Präklusion.

25

a) Hinweise des Arbeitsgerichts auf konkrete Unwirksamkeitsgründe sind, wie ausgeführt, unter dem Gesichtspunkt des § 6 Satz 2 KSchG nicht geboten. Das gilt auch dann, wenn im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens deutlich wird, dass Unwirksamkeitsgründe in Betracht kommen, auf die sich der Arbeitnehmer bisher nicht berufen hat. Die Pflicht zu derartigen Hinweisen kann sich allerdings aus der in § 139 ZPO geregelten materiellen Prozessleitungspflicht des Gerichts ergeben, etwa wenn nicht hinreichend deutlich wird, ob eine Partei sich mit ihrem Vorbringen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund berufen will. Aus § 139 Abs. 2 ZPO ergibt sich die Pflicht zum Führen eines Rechtsgesprächs. Darin muss das Gericht unter anderem dann auf einen Gesichtspunkt hinweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme geben, wenn eine Partei diesen Gesichtspunkt erkennbar übersehen hat (BAG 24. Januar 2007 - 4 AZR 28/06 - Rn. 37, ZTR 2007, 502).

26

b) Darüber hinaus hat das Gericht Unwirksamkeitsgründe, deren Vorliegen sich aus dem Vortrag einer der Parteien ergibt, von Amts wegen zu berücksichtigen. Nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln ist ein Klageantrag - unter Beachtung des Streitgegenstands - unter allen aufgrund des Sachvortrags der Parteien in Betracht kommenden rechtlichen Gründen zu prüfen (iura novit curia). Auch unter Geltung der Dispositionsmaxime, wie sie im arbeitsgerichtlichen Verfahren gilt, ist es nicht in das Belieben des Klägers gestellt, auf welche materiell-rechtlichen Vorschriften er sein Begehren stützen will. Er bestimmt mit seinem Antrag vielmehr lediglich den Streitgegenstand, die rechtliche Subsumtion ist Aufgabe des Gerichts (vgl. BSG 20. Oktober 2010 - B 13 R 63/10 B - Rn. 22, SozR 4-1500 § 153 Nr. 11 für das sozialgerichtliche Verfahren). Seit dem 1. Januar 2004 ist, wie ausgeführt, Streitgegenstand der nach § 4 KSchG erhobenen Klage die (Un-)Wirksamkeit der Kündigung als solche unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten mit Ausnahme der Wahrung der Schriftform. Wenn sich demnach aus dem Sachvortrag der Parteien - auch des Arbeitgebers als Beklagtem - ergibt, dass die Kündigung unter einem bisher von keiner Partei ausdrücklich angeführten rechtlichen, vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage erfassten Gesichtspunkt unwirksam ist, muss sich der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich darauf berufen, um im Rechtsstreit unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt zu obsiegen (vgl. Eylert NZA 2012, 9, 10; Bayreuther ZfA 2005, 391, 392; Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 365; Bader NZA 2004, 65, 69). Lediglich unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des rechtlichen Gehörs des Gegners kann vor einer entsprechenden Entscheidung ein Hinweis des Gerichts nach § 139 ZPO auf seine Rechtsauffassung geboten sein.

27

5. Der Klägerin war die Rüge einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG in der Berufungsinstanz abgeschnitten. Das Arbeitsgericht hat, wie ausgeführt, seiner Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG genügt. Mit dem Hinweis, dass „nur“ bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung weitere Unwirksamkeitsgründe geltend gemacht werden könnten, ist es über die Hinweispflicht sogar hinausgegangen. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht, das erstinstanzliche Urteil sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das Arbeitsgericht die ihm nach § 139 ZPO obliegende Hinweispflicht verletzt habe(zu den Anforderungen an die Darlegung eines solchen Verfahrensverstoßes im Berufungsverfahren BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - BAGE 121, 18). Daher kann dahinstehen, ob das Arbeitsgericht Anlass zu einem solchen Hinweis gehabt hätte.

28

III. Auch die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Erstattung der Massenentlassungsanzeige durch den Beklagten erhobenen Rügen verhelfen der Klage nicht zum Erfolg.

29

1. Der Senat hat bisher offengelassen, ob Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die den Arbeitgeber aus § 17 KSchG treffenden Pflichten die Unwirksamkeit der Kündigung ist oder ob es dem Arbeitgeber lediglich verwehrt ist, die Kündigung zu vollziehen(zuletzt ausführlich mit Nachweisen zum Streitstand 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 19, EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3; differenzierend je nach konkretem Fehler des Arbeitgebers bei der Massenentlassungsanzeige Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074). Folgte man dem zweiten Ansatz, wäre § 6 KSchG auf die Rüge des § 17 KSchG nicht anzuwenden(in diesem Sinne Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 363). Das Landesarbeitsgericht hat im Rahmen seiner Hilfsbegründung ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Beklagte die Pflichten aus § 17 KSchG, die auch für den Insolvenzverwalter gelten(BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - aaO; vgl. auch EuGH 3. März 2011 - C-235/10 ua. - Rn. 55, NZA 2011, 337), jedenfalls nicht verletzt hat. Die Rechtsfolge einer Verletzung der Pflichten aus § 17 KSchG kann deshalb weiter offenbleiben.

30

2. Ohne Erfolg rügt die Klägerin, der Beklagte habe gegen seine Konsultationspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verstoßen. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber bei anzeigepflichtigen Entlassungen dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere über die in dieser Vorschrift genannten Umstände zu unterrichten.

31

a) Der Arbeitnehmer ist darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen der Anzeigepflicht nach § 17 KSchG(st. Rspr. zuletzt BAG 24. Februar 2005 - 2 AZR 207/04 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 20 = EzA KSchG § 17 Nr. 14). Steht die Anzeigepflicht fest, hat der Arbeitgeber auf die konkrete Rüge des Arbeitnehmers die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens darzulegen und zu beweisen (ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 40; Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. § 125 Rn. 115).

32

b) Verstöße gegen den gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 6 KSchG erforderlichen Inhalt der Unterrichtung hat die Klägerin nicht hinreichend gerügt.

33

aa) In § 8 des Interessenausgleichs hat der Betriebsrat erklärt, rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden zu sein. Das allein genügte zum Nachweis der Erfüllung der Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG allerdings noch nicht(aA unter Berufung auf BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074, die jedoch übersehen, dass im dortigen Revisionsverfahren Fehler des Arbeitgebers im Konsultationsverfahren nicht Gegenstand von Revisionsangriffen waren). Der Interessenausgleich und das Konsultationsverfahren beziehen sich zwar auf dieselbe mitbestimmungspflichtige Angelegenheit und sind eng miteinander verwoben. Es handelt sich jedoch nicht um ein einheitliches Verfahren. Auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs iSd. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ist der Arbeitgeber deshalb nicht von der Konsultationspflicht des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG entbunden, die Unterrichtung des Betriebsrat unterliegt keinen erleichterten Anforderungen. Insoweit gilt nichts anderes als für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG im Rahmen eines Interessenausgleichsverfahrens(vgl. dazu BAG 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - Rn. 71, AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11).

34

Soweit allerdings die gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflichten aus § 111 BetrVG mit denen aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen(KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 70). Dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollen, muss dabei hinreichend klargestellt werden (KR/Weigand aaO; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 142 Rn. 25; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1073).

35

bb) Die Revision rügt, dem Betriebsrat sei entgegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht mitgeteilt worden, welche Berufsgruppen von der Maßnahme erfasst seien.

36

(1) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob eine solche fehlerhafte Unterrichtung in Fällen wie dem vorliegenden, bei denen ohnehin alle Arbeitnehmer entlassen werden sollen, für den Arbeitgeber nachteilige Rechtsfolgen nach sich zieht (verneinend Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074; vgl. auch ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 36). Die Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG soll es dem Betriebsrat ermöglichen, „konstruktive Vorschläge“ zu unterbreiten(KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56 unter Bezug auf Art. 2 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - MERL). Unterrichtet der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht über die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, kann dies bei der Entlassung aller Arbeitnehmer keine Folgen für diese Prüfung durch den Betriebsrat haben und sich der Fehler nicht zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer auswirken.

37

(2) Diese Frage kann jedoch dahinstehen, denn erst auf eine konkrete Rüge der Klägerin in den Tatsacheninstanzen hin hätte der Beklagte darlegen müssen, inwieweit er den Betriebsrat über die betroffenen Berufsgruppen informiert hat. Die Klägerin hat aber in den Tatsacheninstanzen nicht konkret gerügt, dass der Beklagte seiner Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht nachgekommen sei, sondern dies erstmals in der Revisionsinstanz geltend gemacht. Darum kommt es auch nicht darauf an, ob der Beklagte, wie im Unterrichtungsschreiben vom 25. Juni 2009 angedeutet, die Massenentlassungsanzeige dem Betriebsrat hat zukommen lassen, aus der sich die betroffenen Berufsgruppen ergaben, und ob dies den Anforderungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSchG genügen würde.

38

c) Soweit die Revision die fehlende Schriftform des Interessenausgleichs im Zusammenhang mit den Pflichten des Arbeitgebers aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG rügt, verhilft ihr auch dies nicht zum Erfolg.

39

aa) Die Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste ersetzt allerdings nur die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit. Erforderlich ist daneben noch die schriftliche Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Der Interessenausgleich macht diese schriftliche Unterrichtung nicht entbehrlich (Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 41; vgl. auch Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1072).

40

bb) Die Klägerin stellt im Zusammenhang mit ihrer Rüge der Nichteinhaltung der Schriftform nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG nur auf die fehlende Schriftform des Interessenausgleichs selbst ab. Auf diesen kommt es im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 KSchG jedoch nicht an. Maßgeblich ist die Schriftform der Unterrichtung selbst. In dem von ihm unterzeichneten Unterrichtungsschreiben vom 25. Juni 2009 hat der Beklagte auf eine Liste der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer und die „Anlage zur Anzeige von Entlassungen“ verwiesen. Beide Unterlagen sind ausweislich des Schreibens diesem beigefügt gewesen, befinden sich jedoch nicht in der Akte. Im Übrigen hat der Beklagte im Unterrichtungsschreiben auf den Interessenausgleich Bezug genommen. Ob für die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG die gesetzliche Schriftform nach § 126 BGB einzuhalten ist(so KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 20, 28; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 70; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 56; Schrader in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 17 Rn. 52; Stahlhacke/Vossen 10. Aufl. Rn. 1653; Thüsing/Laux/Lembke/Lembke/Oberwinter KSchG 2. Aufl. § 17 Rn. 82 wollen das Schriftformerfordernis „etwas weiter auslegen“ und die Unterrichtung per Fax oder E-Mail ausreichen lassen), kann dahinstehen. Darum kann ebenfalls offenbleiben, ob der Beklagte bejahendenfalls mit seiner Verfahrensweise nach der sog. „Auflockerungsrechtsprechung“ die erforderliche Einheit der Urkunde gewahrt hat, weil die Anlagen in der Haupturkunde so genau bezeichnet worden waren, dass eine zweifelsfreie Zuordnung möglich war, so dass die Unterzeichnung der beigefügten Anlagen selbst zur Wahrung der gesetzlichen Schriftform nicht erforderlich war (vgl. BGH 29. September 2004 - VIII ZR 341/03 - zu II 2 a der Gründe, ZMR 2004, 901; grundlegend BGH 30. Juni 1999 - XII ZR 55/97 - BGHZ 142, 158, 161). Dazu wäre ein Abgleich mit den im Unterrichtungsschreiben in Bezug genommenen, nicht in der Akte befindlichen Anlagen erforderlich gewesen. Insoweit fehlt es jedoch an Revisionsangriffen der Klägerin. Darum kommt es auch nicht darauf an, welche Rechtsfolge ein Verstoß gegen die Schriftform der Unterrichtung hätte, wenn der Betriebsrat wie hier eine Stellungnahme abgegeben hat (für eine Unschädlichkeit des Formverstoßes KR/Weigand aaO Rn. 65 mwN).

41

3. Entgegen der Ansicht der Revision hat der der Anzeige beigefügte Interessenausgleich mit Namensliste vom 24. Juni 2009 gemäß § 125 Abs. 2 InsO die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erforderliche Stellungnahme des Betriebsrats ersetzt, obwohl zum damaligen Zeitpunkt das Original des Interessenausgleichs nur vom Betriebsrat unterzeichnet war und damit nicht dem Schriftformerfordernis des § 112 Abs. 1 BetrVG genügte.

42

a) Bereits der Wortlaut des § 125 Abs. 2 InsO iVm. § 125 Abs. 1 InsO spricht dafür, dass der Interessenausgleich mit Namensliste bereits dann die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt, wenn er lediglich vom Betriebsrat unterzeichnet, aber noch nicht formwirksam iSv. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG iVm. §§ 125, 126 BGB geschlossen worden ist. § 125 Abs. 2 InsO stellt mit dem Verweis auf Abs. 1 dieser Bestimmung klar, dass die Ersetzungswirkung bereits dann eintritt, wenn der Interessenausgleich „zustande“ gekommen ist. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der den Interessenausgleich regelt, unterscheidet zwischen dessen Zustandekommen(„Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande“) - also der Einigung zwischen den Betriebsparteien - und dessen formgerechter Niederlegung („so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben“). Danach ist ein Interessenausgleich mit Namensliste bereits zustande gekommen, wenn er nicht in der gesetzlichen Schriftform niedergelegt worden ist. Er ist lediglich (noch) nicht wirksam (vgl. BAG 9. Juli 1985 - 1 AZR 323/83 - BAGE 49, 160, 166 f.).

43

b) Auch nach Sinn und Zweck des § 125 Abs. 2 InsO iVm. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG reicht es aus, wenn lediglich der Betriebsrat mit der Unterschrift unter den Interessenausgleich mit Namensliste dokumentiert hat, dass das Konsultationsverfahren abgeschlossen ist(vgl. ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32).

44

aa) § 125 Abs. 2 InsO soll dem Insolvenzverwalter Massenentlassungen erleichtern. Die Vorschrift dient der Beschleunigung des Verfahrens bei Massenentlassungen und lässt es deshalb ausreichen, dass der Insolvenzverwalter seiner schriftlichen Anzeige der Massenentlassung eine Ausfertigung des Interessenausgleichs mit Namensliste beifügt. Die Norm bezweckt damit möglichst schnelle Sanierungen und will Verzögerungen bei der Abwicklung der Rechtsverhältnisse des Schuldners vermeiden (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 22, EzA BertrVG 2001 § 26 Nr. 3). Mit diesen Zielen der Vereinfachung und Beschleunigung stünde es - insbesondere bei großen räumlichen Entfernungen zwischen dem Betriebssitz und dem Sitz des Insolvenzverwalters wie im vorliegenden Fall - nicht im Einklang, die Ersetzungswirkung erst dann eingreifen zu lassen, wenn der Interessenausgleich mit Namensliste nicht nur zustande gekommen ist, sondern auch der Schriftform des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt.

45

bb) Sinn und Zweck der Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 3 KSchG stehen dem nicht entgegen. § 17 KSchG dient dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen von Massenentlassungen. Die Agentur für Arbeit soll die Möglichkeit haben, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen zu sorgen (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 27, EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3). Die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats soll gegenüber der Agentur für Arbeit belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden. Diesem Zweck ist bereits dann genügt, wenn der Anzeige ein allein vom Betriebsrat unterzeichneter Interessenausgleich mit Namensliste beigefügt ist. Mit der Unterschrift durch ein vertretungsberechtigtes Mitglied unter einen solchen Interessenausgleich hat der Betriebsrat seine Meinung zu der anstehenden Massenentlassung abschließend dokumentiert und zum Ausdruck gebracht, dass er das Konsultationsverfahren als abgeschlossen ansieht. Er hat damit zugleich belegt, dass Kündigungen im aus dem Interessenausgleich ersichtlichen Umfang auch nach seiner Auffassung unvermeidlich sind sowie soziale Maßnahmen beraten und ggf. getroffen worden sind (zu diesen Zwecken des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG vgl. KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 8; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32). An diese Willensäußerung ist er gebunden (zur herrschenden Vertragstheorie und der Anwendbarkeit rechtsgeschäftlichen Vertragsrechts BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 37, BAGE 121, 168; 18. Februar 2003 - 1 ABR 17/02 - BAGE 105, 19, 27; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 13; Kreutz GK-BetrVG 9. Aufl. § 77 Rn. 36).

46

cc) Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 125 Abs. 2 InsO und des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG anhand des Wortlauts und des Zwecks der MERL gibt kein anderes Ergebnis vor.

47

(1) Die MERL enthält selbst keine Regelung, wonach der Anzeige der Massenentlassung eine Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung in einer bestimmten Form beigefügt werden muss. Aus Art. 3 Abs. 1 Satz 3 MERL ergibt sich lediglich, dass die Anzeige der Massenentlassung alle zweckdienlichen Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung und die Konsultation der Arbeitnehmervertreter gemäß Art. 2 MERL enthalten muss.

48

(2) Der Senat ist nicht gehalten, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union(AEUV) die Frage vorzulegen, ob die der Anzeige der Massenentlassung beizufügende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung der Schriftform des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügen muss, wenn die Stellungnahme in Gestalt eines Interessenausgleichs mit Namensliste erfolgt. Diese Frage bedarf keiner Beantwortung durch den Gerichtshof der Europäischen Union am Maßstab des Gemeinschaftsrechts (zur Vorlagepflicht vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - AP GG Art. 101 Nr. 65 = EzA KSchG § 17 Nr. 21). Sie betrifft nicht die Auslegung von Unionsrecht, sondern ausschließlich die Anwendung nationalen Rechts. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aufgrund einer unterbliebenen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union liegt nicht vor, wenn die unionsrechtliche Rechtslage klar ist und nur die Rechtslage nach nationalem Recht ungeklärt und umstritten ist(BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - aaO).

49

(3) Aus der von der Revision angeführten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 10. September 2009 (- C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 70, Slg. 2009, I-8163) folgt nichts anderes. Zwar können danach Kündigungen erst nach Abschluss des Konsultationsverfahrens erklärt werden, und die Klägerin nimmt an, das Konsultationsverfahren könne erst dann als abgeschlossen gelten, wenn der Interessenausgleich in der erforderlichen Schriftform vorliege, weil dieser nach dem Vortrag des Beklagten den Abschluss des Konsultationsverfahrens habe dokumentieren sollen. Das trifft jedoch nicht zu. Bereits mit der Unterschrift durch ein vertretungsberechtigtes Mitglied unter den Interessenausgleich mit Namensliste, an die der Betriebsrat, wie ausgeführt, gebunden war, hatte der Betriebsrat dokumentiert, dass aus seiner Sicht das Konsultationsverfahren abgeschlossen war.

50

(4) Der aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - AP GG Art. 101 Nr. 65 = EzA KSchG § 17 Nr. 21) von der Revision gezogene Schluss, wenn bereits das Nachreichen einer Stellungnahme des Betriebsrats bei der Agentur für Arbeit gegen die MERL verstoßen könne, führe denklogisch die fehlende Einreichung einer Stellungnahme des Betriebsrats iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG zu einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige, verfängt nicht. Wie ausgeführt, ist der nur vom Betriebsrat unterzeichnete Interessenausgleich mit Namensliste als Stellungnahme iSv. Art. 3 Abs. 1 Satz 3 MERL anzusehen.

51

4. Der Umstand, dass im Anschreiben an die Agentur für Arbeit aufgrund eines Kanzleiversehens auf einen Interessenausgleich vom 2. Juni 2009 Bezug genommen worden ist, führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Anzeige. Es handelt sich um ein offensichtliches Büroversehen, das keinen Einfluss auf die Prüfung der Agentur für Arbeit haben konnte. Der maßgebliche Interessenausgleich vom 24. Juni 2009 war der Anzeige an die Agentur für Arbeit beigefügt, so dass das Versehen offenkundig war.

52

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Oye    

        

    Uwe Zabel    

                 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. November 2010 - 12 Sa 1321/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, die der Beklagte als Insolvenzverwalter auf der Grundlage eines noch von der Schuldnerin geschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste erklärt hat.

2

Der 1970 geborene, ledige Kläger war seit 1990 bei der Schuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die Schuldnerin beschäftigte zuletzt etwa 544 Arbeitnehmer, davon 445 im Betrieb L, in dem der Kläger tätig war. Der als Chemiefacharbeiter eingestellte Kläger war seit 1997 als Versuchsfahrer in der Abteilung Fahrversuch im Bereich Passenger Cars tätig. Die für einen Einsatz auch als Versuchsfahrer im LKW-Bereich erforderliche Fahrerlaubnis der Klasse C besitzt er nicht.

3

Am 8. Dezember 2008 wurde der Beklagte zum vorläufigen (schwachen) Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Am 1. März 2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

Noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schlossen die Schuldnerin und der bei ihr gebildete Betriebsrat mit Zustimmung des Beklagten am 24. Februar 2009 einen Interessenausgleich mit Namensliste. Danach sollten 44 Personalabbaumaßnahmen erfolgen. Ua. sollten im Bereich Fahrversuch drei Arbeitsplätze entfallen. Grund dafür war die Reduzierung der Projekte und Testfahrten. Für den Fall einer ausreichenden Masse war die Gründung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) in Aussicht genommen. Die zu kündigenden Arbeitnehmer waren tabellarisch aufgelistet, darunter der Kläger.

5

Unter dem 25. Februar 2009 zeigte die Schuldnerin auf dem Vordruck der Agentur für Arbeit die Massenentlassung von 37 Arbeitnehmern an. In der der Massenentlassungsanzeige anliegenden Liste finden sich unter der laufenden Nr. 19 folgende Angaben:

        

„Geschlecht: männlich; Staatsangehörigkeit: türkisch; Alter: 38; Familienstand: nv.; Ort: T; Beruf: Techn. Sonderkraft; zuletzt ausgeübte Tätigkeit: Versuchsfahrer/-in Passenger Cars; im Betrieb seit: 1990; VZ; …“

6

Damit war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Kläger von der Massenentlassungsanzeige erfasst.

7

Diese Massenentlassungsanzeige ging am 26. Februar 2009 um 11:48 Uhr bei der zuständigen Agentur für Arbeit ein. Am selben Tag um 17:00 Uhr erreichte die Agentur für Arbeit ein von der Vorsitzenden des Betriebsrats der Schuldnerin unterzeichnetes Schreiben vom 26. Februar 2009. Darin heißt es unter dem Betreff „Anzeige von Entlassungen“:

        

„Der Betriebsrat … wurde darüber informiert, dass ein Antrag auf Entlassungen gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz an die Agentur für Arbeit gesendet wurde.“

Weitere Angaben enthält das Schreiben nicht.

8

Ebenfalls noch am 26. Februar 2009 wurde um 20:04 Uhr per Telefax ein Interessenausgleich an die zuständige Agentur für Arbeit übermittelt. Dabei handelte es sich allerdings nicht um den für die Schuldnerin vereinbarten Interessenausgleich, sondern um einen zwischen einer anderen Konzerntochter und dem bei dieser gebildeten Betriebsrat geschlossenen.

9

Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 bestätigte die Agentur für Arbeit den Eingang der Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009. Sie teilte der Schuldnerin mit:

        

„Ihre o. g. Anzeige ist hier am 26.02.2009 eingegangen. Damit beginnt die in § 18 Abs. 1 KSchG festgesetzte Frist von einem Monat am 27.02.2009 und endet am 26.03.2009 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Innerhalb dieser Frist werden Kündigungen nur mit Zustimmung des in § 20 KSchG bezeichneten Entscheidungsträgers wirksam.

        

Der Entscheidungsträger kann bestimmen, dass die Kündigungen nicht vor Ablauf von längstens 2 Monaten nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit wirksam werden (§ 18 Abs. 2 KSchG). Die Entscheidung wird Ihnen schriftlich mitgeteilt.

        

Über Ihren Antrag auf Abkürzung der o. a. Frist wird noch entschieden.

        

...“   

10

Zu einem aus der Akte nicht ersichtlichen Zeitpunkt wurde durch die Agentur für Arbeit mit einem nicht in der Akte befindlichen Bescheid die Sperrfrist abgekürzt.

11

Die Abweichung zwischen den nach dem Interessenausgleich beabsichtigten 44 Personalabbaumaßnahmen und den nur 37 angezeigten beabsichtigten Kündigungen war darauf zurückzuführen, dass vier Arbeitnehmer bereits vor Abschluss des Interessenausgleichs selbst gekündigt hatten und drei weitere Arbeitnehmer auf der Grundlage von Aufhebungsverträgen in die BQG gewechselt waren. Die Bildung dieser BQG war der Agentur für Arbeit bekannt. Die BQG hatte der Agentur für Arbeit mitgeteilt, welche Arbeitnehmer von Kündigungen bedroht seien und daher zu einem sog. „Profilinggespräch“ geladen würden, um später die Möglichkeit zu erhalten, zur BQG zu wechseln. Insgesamt wechselten - einschließlich der drei Arbeitnehmer, die bereits vor Abschluss des Interessenausgleichs einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten - 38 Arbeitnehmer in die BQG. Der Kläger lehnte einen solchen Wechsel ab. Am 11. März 2009 erklärte daraufhin der Beklagte dem Kläger und einer weiteren Arbeitnehmerin, die ebenfalls nicht in die BQG gewechselt war, die ordentliche Kündigung jeweils zum 30. Juni 2009.

12

Der Beklagte veräußerte den Betrieb der Schuldnerin im Frühjahr 2009 an eine Erwerberin. Der Kläger nahm diese auf Weiterbeschäftigung und Zahlung von Annahmeverzugslohn in Anspruch und wird von ihr aufgrund einer einstweiligen Verfügung beschäftigt.

13

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - im Rahmen seiner rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage geltend gemacht, die Massenentlassungsanzeige sei unwirksam, weil die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer unrichtig angegeben sei. Von dem Zufall, ob er in der Massenentlassungsanzeige aufgeführt sei oder nicht, könne die Wirksamkeit der Kündigung nicht abhängen. Darüber hinaus genüge das Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 den Anforderungen an dessen gesetzlich verlangte Stellungnahme nicht.

14

Der Kläger hat weiter geltend gemacht, die Namensliste sei objektiv unrichtig, weil auf ihr vier Arbeitnehmer enthalten seien, die selbst gekündigt hätten, so dass dem Beklagten die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs nicht zugute komme.

15

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 aufgelöst worden ist.

16

Der Beklagte trägt zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vor, durch die Angabe einer niedrigeren Anzahl zu entlassender Arbeitnehmer sei die Agentur für Arbeit nicht daran gehindert worden, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus widerspreche es dem Sinn und Zweck der Massenentlassungsanzeige, dort noch Arbeitnehmer aufzuführen, die im Zeitpunkt der Anzeige bereits in eine BQG gewechselt seien. Ohnehin seien der zuständigen Agentur für Arbeit über die Gründung der Transfergesellschaft alle Daten bekannt gewesen.

17

Das Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 sei eine wirksame Stellungnahme. Das Gesetz stelle an deren Inhalt keinerlei Anforderungen. Verlangte man für eine wirksame Stellungnahme einen Mindestinhalt, könnte der Betriebsrat durch Abgabe einer nicht ausreichenden und damit unwirksamen Stellungnahme die Wirksamkeit einer jeden Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung verhindern. Die Stellungnahme diene lediglich der Beurteilung, ob die Betriebsparteien tatsächlich über die Massenentlassung und insbesondere die Vermeidung einer solchen beraten hätten. Die Agentur für Arbeit könne weitere Informationen erfragen, wenn sie sich nicht ausreichend informiert fühle. Ihr Informationsbedürfnis definiere sie selbst. Fordere sie keine weiteren Informationen an, müsse sich der Arbeitgeber darauf verlassen können, dass mit einem wirksamen Bescheid der Agentur für Arbeit dem Erfordernis der Massenentlassungsanzeige Genüge getan sei.

18

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben, weil keine wirksame Massenentlassungsanzeige vorliege. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit angenommen, dass es an der erforderlichen Stellungnahme des Betriebsrats fehle. Der bestandskräftige Bescheid vom 26. Februar 2009 hindere die Feststellung der Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und damit der Kündigung nicht.

19

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 nicht aufgelöst worden. Die Massenentlassungsanzeige der Schuldnerin ist unwirksam, weil ihr keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt war. Der bestandskräftige Bescheid der Agentur für Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 KSchG über die Abkürzung der Sperrfrist hindert die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht daran, die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige festzustellen. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen.

21

A. Ungeachtet des im Frühjahr 2009 erfolgten Betriebsübergangs ist der Beklagte unabhängig davon, ob die Zustellung der Kündigungsschutzklage noch vor dem Betriebsübergang erfolgt ist, prozessführungsbefugt und passivlegitimiert (BAG 18. März 1999 - 8 AZR 306/98 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 44 = EzA BGB § 613a Nr. 179; 16. Mai 2002 - 8 AZR 320/01 - AP InsO § 113 Nr. 9; vgl. allgemein 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 3 d der Gründe, BAGE 114, 362).

22

B. Obwohl der Kläger im Wege der einstweiligen Verfügung seine Beschäftigung durch die Betriebserwerberin erstritten hat, besteht das erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung fort. Erst bei rechtskräftiger Feststellung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Erwerberin wäre sein Feststellungsinteresse entfallen (BAG 10. Dezember 1998 - 8 AZR 596/97 -).

23

C. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass dem Beklagten die Vermutungswirkungen des § 125 InsO zugutekommen. Dies verhilft der Klage jedoch nicht zum Erfolg, weil der Interessenausgleich mit Namensliste vom 24. Februar 2009 die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG entfaltet. Eine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG liegt nicht vor. Der Kläger hat die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nicht widerlegt. Die Sozialauswahl ist jedenfalls im Ergebnis nicht grob fehlerhaft iSv. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG.

24

I. Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass der der Kündigung vom 11. März 2009 zugrunde liegende Interessenausgleich mit Namensliste bereits am 24. Februar 2009 und damit noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwischen der Schuldnerin und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat vereinbart worden ist und der Beklagte in seiner Eigenschaft als vorläufiger (schwacher) Insolvenzverwalter diesem Interessenausgleich nur zugestimmt hat. § 125 InsO ist deshalb nicht anzuwenden.

25

1. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens findet § 125 InsO keine unmittelbare Anwendung(LAG Hamm 22. Mai 2002 - 2 Sa 1560/01 - NZA-RR 2003, 378; Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 2; Pöhlmann in Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 125 Rn. 3; ErfK/Gallner 12. Aufl. § 125 InsO Rn. 1; KR/Weigand 9. Aufl. § 125 InsO Rn. 9; Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 107 f.). Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, in der nur vom „Insolvenzverwalter“, nicht aber vom „vorläufigen Insolvenzverwalter“ die Rede ist. Die Vorschrift des § 125 InsO befindet sich im Dritten Teil der Insolvenzordnung, der die „Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ regelt, und gilt deshalb auch nach der Gesetzessystematik nicht im Eröffnungsverfahren(vgl. für § 113 InsO BAG 20. Januar 2005 - 2 AZR 134/04 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 113, 199). Die Insolvenzordnung unterscheidet ausdrücklich zwischen den Kompetenzen des vorläufigen Insolvenzverwalters und denen des (endgültigen) Insolvenzverwalters. Sollen für die Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters die Vorschriften des Dritten Teils der Insolvenzordnung gelten, ist dies - etwa in § 22 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 oder in § 24 Abs. 2 InsO - ausdrücklich gesetzlich angeordnet. An einer solchen gesetzlichen Anordnung der Befugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters, einen Interessenausgleich mit Namensliste mit den Wirkungen des § 125 InsO zu schließen, fehlt es.

26

2. Auch eine analoge Anwendung des § 125 InsO im Eröffnungsverfahren scheidet aus(Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 108; aA: MünchKommInsO/Löwisch/Caspers 2. Aufl. Vor §§ 113 bis 128 Rn. 29 f.). Es fehlt bereits an der für die Annahme einer Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke (vgl. zu dieser Voraussetzung einer Analogie BAG 24. Mai 2012 - 6 AZR 679/10 - Rn. 16). Die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters sind in § 22 InsO festgelegt. Mit seiner Zustimmung kann der Schuldner mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste schließen, der die Wirkungen nach § 1 Abs. 5 KSchG entfaltet und damit bereits weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten bietet(vgl. Mückl/Krings aaO). Im Hinblick auf diese Gestaltungsmöglichkeiten ist das Regelungssystem der Insolvenzordnung, gemessen an ihrer eigenen Regelungsabsicht, hinsichtlich der Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste nicht unvollständig, so dass kein Raum für eine analoge Anwendung des § 125 InsO ist(vgl. für § 113 InsO BAG 20. Januar 2005 - 2 AZR 134/04 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 113, 199).

27

3. Ob der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossene Interessenausgleich mit Namensliste vom Insolvenzverwalter nach der Eröffnung genehmigt werden könnte und dann rückwirkend auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Wirkungen des § 125 InsO entfalten könnte(so Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 109 ff.), kann dahinstehen.

28

a) Insoweit erscheint fraglich, ob bereits die Genehmigung allein des Insolvenzverwalters dem vor Insolvenzeröffnung vereinbarten Interessenausgleich mit Namensliste die Wirkungen des § 125 InsO verschaffen könnte(so wohl Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 109 ff.) oder ob zwar nicht der förmliche Neuabschluss des Interessenausgleichs (in diesem Sinne LAG Hamm 7. Juli 2005 - 4 Sa 1548/04 - juris Rn. 107), so doch wenigstens die Genehmigung des Interessenausgleichs auch durch das Betriebsratsgremium erforderlich wäre. Der Interessenausgleich ist zwar kein zweiseitiger Vertrag, sondern eine kollektive Vereinbarung besonderer Art von nicht geklärter Rechtsqualität (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 24, ZIP 2012, 1259). Ungeachtet seiner rechtlichen Einordnung ist zu seinem wirksamen Abschluss jedenfalls die Einigung zwischen den Betriebsparteien erforderlich (vgl. zum Zustandekommen iSv. § 125 InsO BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 41 ff., ZIP 2012, 1193). Soll der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbarte Interessenausgleich durch eine Genehmigung nach Insolvenzeröffnung eine andere rechtliche Qualität mit weit(er)reichenden Folgen für die Überprüfungsmöglichkeit der auf seiner Grundlage erklärten Kündigungen erhalten, spricht viel dafür, dass dies eine Willenserklärung auch des Betriebsrats als zweiter Partei des Interessenausgleichs voraussetzt (vgl. BAG 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - BAGE 103, 187, wonach eine Genehmigung durch „die Tarifvertragsparteien“ erforderlich ist, um die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG zu beseitigen).

29

b) Auf diese Frage kommt es jedoch nicht an. Der Beklagte hat den Interessenausgleich vom 24. Februar 2009 nicht ausdrücklich genehmigt. Eine konkludente Genehmigung scheidet mangels Genehmigungswillens aus. Die Genehmigung eines schwebend unwirksamen Geschäfts durch schlüssiges Verhalten setzt regelmäßig voraus, dass der Genehmigende erkannt hat, dass das Rechtsgeschäft möglicherweise mangelbehaftet ist, und dass in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen, indem er an ihm festhält (BGH 14. Juni 2004 - II ZR 393/02 - zu I 1 c der Gründe, BGHZ 159, 294). An einer solchen erkennbaren Willensrichtung fehlt es hier. Der Beklagte ist noch im Revisionsverfahren davon ausgegangen, dass es sich bei dem Interessenausgleich vom 24. Februar 2009 um einen solchen nach § 125 InsO handelt.

30

II. Die Unanwendbarkeit des § 125 InsO ändert jedoch nichts an der Vermutung, dass die streitige Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, weil der Interessenausgleich mit Namensliste vom 24. Februar 2009 jedenfalls die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG entfaltete(vgl. Mückl/Krings ZIP 2012, 106, 108).

31

1. Soweit auf der Namensliste auch vier Arbeitnehmer aufgeführt waren, die ihr Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits selbst gekündigt hatten, ist dadurch entgegen der Ansicht des Klägers keine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG eingetreten, die die Wirkungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 KSchG hätte entfallen lassen.

32

a) Eine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG liegt nur vor, wenn im Kündigungszeitpunkt von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugehen ist, also nicht ernsthaft bezweifelt werden kann, dass beide Betriebspartner oder einer von ihnen den Interessenausgleich in Kenntnis der späteren Änderung nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Dies ist zB dann zu bejahen, wenn sich die im Interessenausgleich vorgesehene Zahl der zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmer erheblich verringert hat (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17).

33

b) Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Wieso die Betriebsparteien einen anderen Interessenausgleich, bei dem der Kläger nicht mehr auf einer Namensliste aufgeführt worden wäre, geschlossen hätten, wenn sie die vier Arbeitnehmer, die selbst gekündigt haben, nicht mehr berücksichtigt hätten, hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger (APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 813) nicht näher begründet. Solcher Vortrag wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil keiner dieser vier Arbeitnehmer dem Bereich Fahrversuch, in dem der Kläger tätig war, zugeordnet war. Auch ohne diese Arbeitnehmer wären in der Abteilung Fahrversuch deshalb nicht weniger Arbeitsplätze entfallen. Soweit der Kläger betroffen ist, ist der Personalabbau wie geplant durchgeführt worden, weshalb es bei den Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG verblieben ist(APS/Kiel aaO Rn. 807).

34

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe die Vermutung des Vorliegens eines dringenden betrieblichen Erfordernisses nicht widerlegt. Hinsichtlich der Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung unterscheiden sich die Wirkungen des Interessenausgleichs mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG und § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht. Die Tatsachenfeststellung des Landesarbeitsgerichts, der Arbeitsplatz des Klägers sei entfallen, und seine darauf beruhenden Würdigungen hat der Kläger nicht mit Gegenrügen angegriffen. Rechtsfehler sind insoweit nicht erkennbar.

35

3. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO eröffnet dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat allerdings weiter gehende Möglichkeiten bei der Sozialauswahl als § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG. Insbesondere muss die Schwerbehinderung nicht berücksichtigt werden (zur Verfassungsmäßigkeit dieses Ausschlusses Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 28) und kann mit einem Interessenausgleich nach § 125 InsO angestrebt werden, eine ausgewogene Personalstruktur nicht nur zu erhalten, sondern erst zu schaffen. Vorliegend ist die Schwerbehinderung als Sozialdatum nicht berücksichtigt worden. Gleichwohl ist die Sozialauswahl jedenfalls bezogen auf den Kläger im Ergebnis nicht grob fehlerhaft. Die Kündigung des Klägers beruht auf der Entscheidung der Schuldnerin, in der Abteilung Fahrversuch die Anzahl der Tests zu reduzieren. Mit Arbeitnehmern außerhalb dieser Abteilung, insbesondere mit den Versuchsfahrern im LKW-Bereich, ist der Kläger nicht verglichen worden. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass dies nicht grob fehlerhaft gewesen sei, weil der seit 1997 als Versuchsfahrer tätige Kläger keine Fahrerlaubnis der Klasse C besitze und seine langjährige Tätigkeit als Versuchsfahrer eine fehlende Austauschbarkeit im Sinne einer alsbaldigen Substituierbarkeit indiziert habe. Der Kläger habe nicht näher dargelegt, warum diese Indizierung unzutreffend sei. Die Sozialauswahl ist auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellungen und darauf beruhenden Würdigungen des Landesarbeitsgerichts, gegen die der Kläger keine Gegenrügen erhoben hat, nicht grob fehlerhaft iSv. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG.

36

4. Schließlich kann auch im Verfahren nach § 1 Abs. 5 KSchG die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbunden werden(vgl. BAG 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - zu B II 2 b der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10). Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts, wonach dies geschehen sei und dem Betriebsrat dabei ausreichend verdeutlicht worden sei, dass mit seiner Zustimmung zum Interessenausgleich mit Namensliste auch das Verfahren nach § 102 BetrVG abgeschlossen sei, greift der Kläger ebenfalls nicht mit Gegenrügen an.

37

D. Das Landesarbeitsgericht hat richtig erkannt, dass die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 das Arbeitsverhältnis gleichwohl deshalb nicht aufgelöst hat, weil der Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009 entgegen der gesetzlichen Anordnung in § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt war und auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht erfüllt waren.

38

I. Die von der Schuldnerin am 25. Februar 2009 mit Zustimmung des Beklagten erstattete Massenentlassungsanzeige hätte nach Insolvenzeröffnung zugunsten des Beklagten weiter gewirkt, bis die angezeigten Kündigungen erklärt worden sind, wenn sie ordnungsgemäß erfolgt wäre (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 15 f., BAGE 134, 176).

39

II. Die Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009 war jedoch fehlerhaft.

40

1. Die am 25. Februar 2009 angezeigte Maßnahme war nach § 17 KSchG anzeigepflichtig.

41

a) Für die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Entlassungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ausschlaggebend. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dabei dem der §§ 1, 4 BetrVG(st. Rspr., zuletzt BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 73 f.). Maßgeblich für die Berechnung des Schwellenwerts war damit die im Betrieb der Schuldnerin in L, in dem der Kläger tätig war, beschäftigte Anzahl von Arbeitnehmern. Von den 445 Arbeitnehmern dieses Betriebs sollten 44 Arbeitnehmer entlassen werden.

42

b) Allerdings hat der Beklagte nur dem Kläger und einer weiteren Arbeitnehmerin gekündigt. 38 der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer sind zu einer Transfergesellschaft gewechselt. Zumindest die 35 Arbeitnehmer, die erst nach der Erstattung der Massenentlassungsanzeige zu der Transfergesellschaft gewechselt sind, waren jedoch vorliegend bei der Berechnung des Schwellenwerts zu berücksichtigen. Damit war der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG überschritten.

43

aa) Ob Arbeitnehmer, die zu einer Transfergesellschaft wechseln und damit den Arbeitsmarkt - wenn überhaupt - nur verzögert belasten, bei der Berechnung des Schwellenwerts nach § 17 KSchG mitzuzählen sind, ist streitig(bejahend unter Hinweis auf den klaren Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG: ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 12; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 29; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 914; verneinend: v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 24).

44

bb) Nach dem Sinn und Zweck des § 17 KSchG, der die sozioökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen auffangen und deshalb ua. der Agentur für Arbeit die Möglichkeit geben soll, Maßnahmen zur Vermeidung oder Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45, ZIP 2012, 1193; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 21, ZIP 2012, 1259), sind jedenfalls die Arbeitnehmer, bei denen im Zeitpunkt der Massenentlassungsanzeige noch nicht feststeht, dass sie in eine Transfergesellschaft wechseln werden, bei der Berechnung des Schwellenwerts mitzuzählen. Für die Arbeitsverwaltung ist im Zeitpunkt der Erstattung der Massenentlassungsanzeige noch nicht absehbar, ob und wann die zu diesem Personenkreis gehörenden Arbeitnehmer den Arbeitsmarkt belasten werden.

45

cc) Danach waren jedenfalls die 35 Arbeitnehmer der Schuldnerin, die erst nach dem 26. Februar 2009 zur BQG gewechselt sind, bei der Berechnung des Schwellenwerts des § 17 KSchG zu berücksichtigen. Zwar hat der Beklagte angegeben, der zuständigen Agentur für Arbeit seien durch die BQG sog. „Profilinganträge“ zugeleitet worden. Dadurch sei der Arbeitsverwaltung bekannt gewesen, welche Arbeitnehmer von Kündigungen bedroht und zu „Profilinggesprächen“ eingeladen worden seien, um anschließend die Möglichkeit zu erhalten, in die BQG zu wechseln. Ungeachtet dessen stand am 26. Februar 2009 noch nicht fest, ob und welche der Arbeitnehmer, für die ein Wechsel in die Transfergesellschaft in Betracht kam, von dem Angebot des Abschlusses eines dreiseitigen Aufhebungsvertrags Gebrauch machen wollten und würden. Die dreiseitigen Verträge zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Schuldnerin einerseits und zur Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit der BQG andererseits waren auch nach dem Vortrag des Beklagten noch nicht geschlossen. Mit den 35 Arbeitnehmern der Schuldnerin, die erst nach dem 26. Februar 2009 zur BQG gewechselt sind, war der Schwellenwert des § 17 KSchG überschritten.

46

2. Soweit in der Massenentlassungsanzeige vom 25. Februar 2009 die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer zumindest um die vier Arbeitnehmer, die durch Eigenkündigungen ausgeschieden sind, zu niedrig angesetzt war, hat sich dieser Fehler auf die dem Kläger erklärte Kündigung nicht ausgewirkt.

47

a) Bei der gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 iVm. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KSchG zwingend erforderlichen Angabe der Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG, der Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL) umsetzt, auch die Arbeitnehmer mitzuzählen, deren Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers endet. Eine Veranlassung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zu verstehen gibt, dass er, der Arbeitgeber, anderenfalls das Arbeitsverhältnis beenden werde, weil nach Durchführung der Betriebsänderung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestehe.

48

b) Ausgehend vom Zweck des § 17 KSchG, der ua. der Agentur für Arbeit die Möglichkeit geben soll, Maßnahmen zur Vermeidung oder Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45, ZIP 2012, 1193; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 21, ZIP 2012, 1259), kommt es nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage das Arbeitsverhältnis beendet wird. Maßgeblich ist allein, dass das Arbeitsverhältnis im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsänderung, die zu der Freisetzung von Arbeitnehmern im von § 17 KSchG gezogenen Rahmen führt, auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet wird. Kommt der Arbeitnehmer durch eine Eigenkündigung oder den Abschluss des Aufhebungsvertrags einer sonst erforderlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung zuvor, ist er bei der Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer grundsätzlich zu berücksichtigen (vgl. BAG 6. Dezember 1973 - 2 AZR 10/73 - BAGE 25, 430; vgl. für die Veranlassung von Eigenkündigungen oder Aufhebungsverträgen als Voraussetzung für den Anspruch auf eine Sozialplanabfindung BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 30, BAGE 121, 168; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 31 ff.; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 39, 43; aA: ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 14, wonach Eigenkündigungen generell nicht mitzuzählen seien, weil es allein auf die Willenserklärung des Arbeitgebers ankomme).

49

c) Gegen die inzidente Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass die vier Arbeitnehmer, die vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige eine Eigenkündigung erklärt hatten, auf Veranlassung der Schuldnerin aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, erhebt die Revision keine Verfahrensrügen. Diese Arbeitnehmer waren damit grundsätzlich in der Massenentlassungsanzeige anzuführen. Ob Arbeitnehmer, die bereits vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige eine Eigenkündigung erklärt haben, jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber Kenntnis davon hat, dass diese Arbeitnehmer bereits ein neues Arbeitsverhältnis begründet haben, bei der Angabe der Zahl der zu Entlassenden außer Acht bleiben können, kann dahinstehen. Das Landesarbeitsgericht hat keine entsprechenden Feststellungen getroffen. Verfahrensrügen erhebt die Revision insoweit ebenfalls nicht.

50

d) Nach allgemeiner Ansicht sollen Fehler bei den „Muss-Angaben“ nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG, zu denen auch die Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer gehört, zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige führen(APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 100; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 29; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 83; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 84). Das Landesarbeitsgericht hat aber zu Recht angenommen, dass sich nur die Arbeitnehmer, die von der Massenentlassungsanzeige nicht erfasst sind, auf die zu niedrige Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer berufen können. Die Prüfungs- und Reaktionsmöglichkeiten der Arbeitsverwaltung sind hinsichtlich der Arbeitnehmer, deren Entlassung ihr angezeigt worden ist, weder positiv noch negativ durch die zu niedrige Anzahl angezeigter Entlassungen beeinflusst worden. Dieser Fehler der Massenentlassungsanzeige ist deshalb für die Entlassung des Klägers ohne Bedeutung (noch offengelassen von BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 36 f., ZIP 2012, 1193; APS/Moll aaO Rn. 132a; ErfK/Kiel aaO; KR/Weigand aaO; vgl. für die zu geringe Angabe zu entlassender Arbeitnehmer wegen der Beschränkung der Angaben auf einen Zweigbetrieb BAG 22. März 2001 - 8 AZR 565/00 - zu B II 10 b der Gründe, AP GG Art. 101 Nr. 59 = EzA GG Art. 101 Nr. 5). Mit dem Zweck der Massenentlassungsanzeige stünde es nicht im Einklang, wenn die fehlende Angabe einer einzigen Entlassung die Auflösung der Arbeitsverhältnisse auch aller anderen von der Massenentlassungsanzeige erfassten Arbeitnehmer hindern würde.

51

3. Der Massenentlassungsanzeige war entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt. Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erfüllt waren. Das Arbeitsverhältnis der Parteien konnte deshalb durch die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2009 nicht aufgelöst werden.

52

a) Die Beifügung der Stellungnahme ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige (BAG 2. Februar 1984 - 2 AZR 392/82 - zu C I 2 der Gründe; vgl. für § 15 KSchG aF BAG 21. Mai 1970 - 2 AZR 294/69 - zu II 1 der Gründe, BAGE 22, 336). Ob und unter welchen Voraussetzungen eine ordnungsgemäße Anzeige vorliegt, wenn der Betriebsrat seine Stellungnahme unmittelbar an die Agentur für Arbeit schickt (dazu APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 113, KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 91a; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 92; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 142 Rn. 24), kann dahinstehen. Entgegen der Ansicht der Revision genügte nämlich das an die Agentur für Arbeit gerichtete Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 den an eine Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG zu stellenden Anforderungen nicht.

53

aa) Zwar enthält § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine expliziten Aussagen zum erforderlichen Inhalt der Stellungnahme des Betriebsrats. Auch weist die Revision zutreffend darauf hin, dass der Arbeitgeber den Inhalt der Stellungnahme nicht beeinflussen kann. Daraus folgt jedoch entgegen der Annahme der Revision nicht, dass jede Äußerung des Betriebsrats gegenüber der Arbeitsverwaltung unabhängig von ihrem Inhalt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt. Zum Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen sollen Massenentlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern sowie die Unterrichtung der Arbeitsverwaltung vorangehen, um es so der Arbeitsverwaltung zu ermöglichen, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, BAGE 134, 176). Ausgehend von diesem Zweck soll die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Arbeitsverwaltung belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und dass soziale Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind. Außerdem soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber eine ihm ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats der Arbeitsverwaltung nicht verschweigen kann (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45, ZIP 2012, 1193; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22, ZIP 2012, 1259). Auch die Revision räumt ein, dass die Beifügung der Stellungnahme der Beurteilung der Arbeitsverwaltung dient, ob die Betriebsparteien tatsächlich über die Massenentlassung und insbesondere die Vermeidung einer solchen beraten hätten. Eine solche Beurteilung setzt voraus, dass sich die der Massenentlassungsanzeige beigefügte Stellungnahme des Betriebsrats auf die angezeigten Kündigungen bezieht und eine abschließende Meinungsäußerung des Betriebsrats zu diesen Kündigungen enthält (vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 22, 33, aaO), wobei auch die eindeutige Äußerung, keine Stellung nehmen zu wollen, ausreichend ist.

54

bb) Entgegen der Auffassung der Revision wird mit dieser Auslegung dem Betriebsrat nicht die Möglichkeit gegeben, die Wirksamkeit jeder Kündigung im Rahmen von Massenentlassungen zu verhindern oder auch nur wesentlich zu behindern.

55

(1) Kommt es im Zusammenhang mit der vom Arbeitgeber beabsichtigten Massenentlassung zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste und legt der Arbeitgeber seiner Massenentlassungsanzeige diesen Interessenausgleich bei, ersetzt dies gemäß § 125 Abs. 2 InsO bzw. § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG die Stellungnahme des Betriebsrats auch dann, wenn dieser im Interessenausgleich nicht ausdrücklich Stellung zu den beabsichtigten Entlassungen nimmt(BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 15, ZIP 2012, 1259).

56

(2) Auch eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats genügt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG, wenn der Betriebsrat damit zur beabsichtigten Massenentlassung abschließend Stellung genommen hat(BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 14 ff., ZIP 2012, 1259).

57

(3) Schließlich gibt § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG dem Arbeitgeber ein Verfahren an die Hand, mit dem er verhindern kann, dass der Betriebsrat durch die Verweigerung einer Stellungnahme die Kündigungen erheblich verzögert. Macht der Arbeitgeber glaubhaft, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige unter Beachtung der Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet hat, und legt er den Stand der Beratungen dar, kann er rechtssicher und rechtswirksam unter Beachtung der Anforderungen des Massenentlassungsschutzes ohne weitere Zeitverzögerung kündigen(APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 117; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 94; vgl. auch BT-Drucks. 8/1041 S. 5 und BR-Drucks. 400/77 S. 7 f.). Unter Berücksichtigung der Anforderungen an eine ausreichende Unterrichtung des Betriebsrats, die es diesem ermöglichen soll, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung der Massenentlassungen zu machen (vgl. dazu BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 36, ZIP 2012, 1193; vgl. auch Reinhard RdA 2007, 207, 213), wird durch die Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG in der Mehrzahl der Fälle keine erhebliche Verzögerung eintreten, wenn die Unterrichtung des Betriebsrats - wie vom Gerichtshof der Europäischen Union angenommen und verlangt - ernsthaft die Möglichkeit der Vermeidung von Massenentlassungen zum Ziel hat.

58

(4) Auch wenn der Betriebsrat - bewusst oder unbewusst - eine den gesetzlichen Anforderungen nicht genügende Stellungnahme abgibt, wird dadurch dem Arbeitgeber die Abgabe einer wirksamen Massenentlassungsanzeige nicht unmöglich gemacht. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erfasst nicht nur den Fall des gänzlichen Fehlens der Stellungnahme des Betriebsrats, sondern auch den einer ungenügenden Stellungnahme. Der Arbeitgeber kann auch in letzterem Fall die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige verhindern, indem er ihr nicht nur die unzureichende Stellungnahme des Betriebsrats beifügt, sondern zusätzlich nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG verfährt.

59

cc) Das Schreiben des Betriebsrats vom 26. Februar 2009 genügte den gesetzlichen Anforderungen nicht. Der Betriebsrat hat damit nur mitgeteilt, er sei darüber informiert worden, dass ein Antrag auf Entlassungen gemäß § 17 KSchG an die Agentur für Arbeit gesendet worden sei. Dieser Erklärung ließ sich nicht einmal entnehmen, ob er Kenntnis vom Umfang der angezeigten Entlassungen hatte. Erst recht fehlte jede Äußerung, der sich entnehmen ließe, dass er - sei es positiv, sei es negativ - zu der Notwendigkeit dieser Entlassungen Stellung nehmen wolle. Das Schreiben ist eine bloße Wissensmitteilung (man habe Kenntnis von der Übersendung einer Massenentlassungsanzeige unbestimmten Inhalts), nicht aber eine Stellungnahme (man sei mit den konkret angezeigten Kündigungen einverstanden, lehne sie ab oder wolle sich nicht weiter äußern).

60

b) Die Stellungnahme ist auch nicht gemäß § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG durch die Übersendung eines Interessenausgleichs mit Namensliste ersetzt worden. Der Agentur für Arbeit ist weder am 26. Februar 2009 noch später vor der Erklärung der Kündigung vom 11. März 2009 der am 24. Februar 2009 zwischen der Schuldnerin und dem bei dieser gebildeten Betriebsrat vereinbarte Interessenausgleich mit Namensliste zugeleitet worden. Der tatsächlich übersandte Interessenausgleich einer anderen Konzerntochter konnte die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG nicht bewirken.

61

c) Auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG sind nicht dargelegt.

62

4. Die Revision reklamiert für sich ohne Erfolg, die Arbeitsverwaltung habe die Massenentlassungsanzeige nicht beanstandet, sondern im Hinblick auf die erteilten Informationen eine Entlassungssperre festgesetzt. Der Bescheid der Agentur für Arbeit nach § 18 Abs. 1, § 20 KSchG hindert die Feststellung der Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige durch die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht.

63

a) Es ist umstritten, ob die Arbeitsgerichtsbarkeit durch einen bestandskräftigen, nicht offensichtlich unwirksamen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung, der die Zulässigkeit der Entlassungen zu einem bestimmten Zeitpunkt feststellt, gehindert ist, im Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige anzunehmen, ob also Fehler, die dem Arbeitgeber bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige unterlaufen sind, durch einen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung nach §§ 18, 20 KSchG geheilt werden(für eine Heilung: BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 84, 267; 22. Januar 1998 - 2 AZR 266/97 - zu II 5 der Gründe; 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - zu II 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99; 13. April 2000 - 2 AZR 215/99 - zu B III 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 = EzA KSchG § 17 Nr. 9; 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - Rn. 63, AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20; KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 92 und § 20 KSchG Rn. 72 f.; Mückl Anm. EWiR 2011, 165; offenlassend: BAG 18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 107, 318; gegen eine Heilung: Reinhard RdA 2007, 207, 214; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 20 KSchG Rn. 6; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 150 ff.; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 918; Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. § 125 Rn. 124; differenzierend v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 18 Rn. 17: keine Heilung bei Verstößen, die nicht zur Unwirksamkeit der Anzeige führen; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 136 ff.: Bindung der Arbeitsgerichtsbarkeit, aber Unterrichtung der Arbeitsverwaltung über aus Sicht der Arbeitsgerichtsbarkeit bestehende Rücknahmegründe und Aussetzung bis zur Bescheidung).

64

b) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist das Schreiben der zuständigen Agentur für Arbeit vom 26. Februar 2009 kein Verwaltungsakt und konnte bereits deshalb keine Heilungswirkung entfalten. Bei diesem Schreiben handelt es sich lediglich um eine Sachstandsmitteilung und Eingangsbestätigung.

65

aa) Nach der Legaldefinition des § 35 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ob ein behördliches Schreiben eine verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt enthält und welchen Inhalt dieser hat, ist durch Auslegung nach den insoweit entsprechend anwendbaren Grundsätzen des § 133 BGB zu ermitteln. Maßgebend ist bei der Auslegung behördlicher Schreiben danach nicht der innere Wille der Behörde, sondern deren erklärter Wille, wie ihn der Empfänger bei objektivierter Würdigung verstehen konnte, wobei Unklarheiten zulasten der Verwaltung gehen (BVerwG 22. März 2012 - 1 C 3.11 - Rn. 24 mwN; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 35 Rn. 71).

66

bb) Nach diesen Grundsätzen genügt das Schreiben der zuständigen Agentur für Arbeit vom 26. Februar 2009 nicht den Anforderungen an einen Verwaltungsakt.

67

(1) Dem steht schon entgegen, dass Entscheidungen nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG gemäß § 20 KSchG ausdrücklich und ausschließlich den dort genannten Entscheidungsträgern übertragen sind. Bevor die gesetzlichen Entscheidungsträger tätig geworden sind, fehlt der Agentur für Arbeit die Regelungsbefugnis (sog. „VA-Befugnis“). Fehlt aber offensichtlich eine Regelungsbefugnis, kann nicht unterstellt werden, dass gleichwohl ein Verwaltungsakt habe erlassen werden sollen (U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 35 Rn. 72, 25). Die auf Anfrage des Arbeitgebers erteilte bloße (telefonische) Auskunft „des Arbeitsamts“ hat das Bundesarbeitsgericht daher für eine Heilungswirkung bzw. einen Vertrauensschutz nicht ausreichen lassen (BAG 21. Mai 1970 - 2 AZR 294/69 - zu II 2 der Gründe, BAGE 22, 336). Erst die Entscheidung der nach § 20 KSchG zuständigen Entscheidungsträger über den Antrag nach § 18 KSchG ist ein Verwaltungsakt(vgl. BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 84, 267; 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - zu II 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99).

68

Das Schreiben vom 26. Februar 2009 war deutlich erkennbar von einem Sachbearbeiter vor Entscheidung der nach § 20 Abs. 1 KSchG zuständigen Entscheidungsträger verfasst. Bereits vom Zeitablauf her konnten diese vor Erstellung dieses Schreibens offensichtlich nicht tätig geworden sein. Tatsächlich hat der Sachbearbeiter im Schreiben vom 26. Februar 2009 auch keinerlei Entscheidung des zuständigen Entscheidungsträgers mitgeteilt, sondern nur auf dessen Entscheidungskompetenzen hingewiesen („der Entscheidungsträger kann bestimmen“) und dessen Entscheidung angekündigt („über Ihren Antrag auf Abkürzung der Frist wird noch entschieden“).

69

(2) Soweit das Schreiben im ersten Absatz Aussagen zur Sperrfrist enthält, erschöpft es sich in der Wiederholung des Gesetzeswortlauts und trifft keinerlei eigenständige Regelung, durch die Rechte des Arbeitgebers begründet, aufgehoben, geändert, verbindlich festgestellt oder verneint werden sollten. Damit fehlt es insoweit auch an einer auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichteten Regelung als weiterer Voraussetzung eines Verwaltungsakts (vgl. U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 35 Rn. 141).

70

c) Der später ergangene Bescheid der Arbeitsverwaltung gemäß § 18 Abs. 1 KSchG über die Abkürzung der Sperrfrist hindert die Arbeitsgerichtsbarkeit an der Feststellung der Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst dann nicht, wenn zugunsten des Beklagten unterstellt wird, dass dieser Bescheid bestandskräftig geworden ist. Der Fehler, der der Schuldnerin bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige unterlaufen ist, ist durch diesen Verwaltungsakt nicht geheilt worden.

71

aa) Gegenüber dem Kläger entfaltet ein solcher Bescheid keine materielle Bestandskraft (auch als Tatbestandswirkung, Drittbindungswirkung oder Abweichungsverbot bezeichnet, zu den Begrifflichkeiten Sachs in Stelkens/Bonk/ Sachs VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 105 ff.). Gemäß § 43 VwVfG wirkt ein Verwaltungsakt nur gegenüber den Adressaten und den Betroffenen, denen er bekannt gegeben ist. Dazu gehören die Arbeitnehmer nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts werden die Arbeitnehmer durch das Verfahren nach §§ 17 ff. KSchG nur mittelbar betroffen, so dass sie daran nicht beteiligt sind und gegen die darin ergehenden Verwaltungsakte nicht vorgehen können (BSG 30. Oktober 1959 - 7 RAr 19/57 - BSGE 11, 14; 14. August 1980 - 7 RAr 68/79 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 2; vgl. LSG Baden-Württemberg 8. Januar 2007 - L 8 AL 3242/06 AK-A - Rn. 13 ff., NJW 2007, 1839, wonach auch bei richtlinienkonformer Auslegung in Ansehung der Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] den §§ 17 ff. KSchG kein Recht der Arbeitnehmer entnommen werden kann, gerichtlich gegen Entscheidungen der Agentur für Arbeit nach § 18 KSchG vorzugehen). Gegenüber nur mittelbar Betroffenen entfaltet ein Verwaltungsakt keine Bindungswirkung (Sachs in Stelkens/ Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 92).

72

bb) Auch gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit entfaltet ein solcher Bescheid entgegen der Annahme der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der dieser folgenden Literatur keine materielle Bestandskraft. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen und wird zudem vom unionsrechtlichen Grundsatz des effet utile verlangt.

73

(1) Die Bindungswirkung des Bescheids der Agentur für Arbeit nach § 20 KSchG umfasst nur den eigentlichen Inhalt dieses Bescheids, also die Dauer der Sperrfrist und den Zeitpunkt ihres Ablaufs oder die Genehmigung, Entlassungen vor Ablauf der Sperrfrist vorzunehmen, nicht aber die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst(Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 154 f.; Reinhard RdA 2007, 207, 214).

74

(a) Von der Bestandskraft eines Verwaltungsakts wird nur dessen Entscheidungsgegenstand erfasst, also die im Verwaltungsakt verbindlich mit Wirkung nach außen getroffene Regelung (BVerwG 4. Juli 1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315, 320; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 56). Dagegen entfalten die im Verwaltungsverfahren ermittelten und dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände sowie deren rechtliche Beurteilung keine Bindungswirkung. Das Ergebnis solcher Vorfragen bildet lediglich den Grund für die Verwaltungsentscheidung, gehört jedoch nicht zu ihrem Regelungsinhalt (BVerwG 19. April 1994 - 9 C 20.93 - BVerwGE 95, 311, 318 f.; 21. November 1994 - 1 B 143.94 - NVwZ-RR 1995, 540; vgl. auch BAG 3. August 1989 - 8 AZR 335/87 - BAGE 62, 288; BGH 4. Februar 2004 - XII ZR 301/01 - BGHZ 158, 19; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 151 ff.; vgl. zu hier nicht interessierenden Ausnahmen von diesem Grundsatz Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs aaO Rn. 59). Die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts reicht also nur so weit, wie über den Anspruch entschieden ist. Begründungselemente erwachsen auch dann nicht in Bestandskraft, wenn sie tragend sind (BSG 8. Dezember 1994 - 11 RAr 41/94 - zu 1 a der Gründe, BSGE 75, 235).

75

(b) Nach diesen Grundsätzen wird die Frage, ob der Arbeitgeber bei der Massenentlassungsanzeige den Anforderungen des § 17 KSchG genügt hat, von der Bindungswirkung des Bescheids der Arbeitsverwaltung nach § 18 KSchG nicht umfasst. Die Arbeitsverwaltung entscheidet damit nur über die Dauer der Sperrfrist und bei entsprechendem Antrag über die Entbindung des Arbeitgebers von der Sperrfrist. Einen weiter gehenden Inhalt hat der Bescheid nicht. Die Einhaltung der formalen Anforderungen des § 17 KSchG ist nur Vorfrage des Bescheids nach § 20 KSchG und gehört damit nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht zum Regelungsinhalt des Bescheids. Dies berücksichtigt die Gegenmeinung nicht, wenn sie darauf abstellt, die Arbeitsverwaltung prüfe, ob die Anzeige wirksam gestellt worden sei, und bescheide im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Ordnungsgemäßheit der Anzeige bzw. regele die Entlassungsfrist (APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 136a f.). Zwar gilt im Verfahren nach § 20 KSchG der Amtsermittlungsgrundsatz. Die Agentur für Arbeit hat von Amts wegen festzustellen, ob die formellen Voraussetzungen der Massenentlassungsanzeige erfüllt sind (BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 27, ZIP 2012, 1259). Das ändert aber nichts daran, dass hinsichtlich der Bindungswirkung eines im Verwaltungsverfahren ergangenen Bescheids zwischen Vorfragen und Regelungsinhalt zu unterscheiden ist.

76

(2) Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 6 der MERL, der den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz des effet utile besonders hervorhebt, Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von der MERL vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Die den Mitgliedstaaten überlassene Ausgestaltung dieser Bestimmung darf der MERL nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen (EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 34, 36, Slg. 2009, I-6653). Diese Verpflichtung steht einer Auslegung der §§ 17 ff. KSchG durch die nationale Arbeitsgerichtsbarkeit entgegen, die eine Bindungswirkung eines Bescheids der Arbeitsverwaltung nach §§ 18, 20 KSchG über den eigentlichen Regelungsgehalt eines solchen Bescheids hinaus annimmt.

77

(a) Weder die Arbeitnehmer noch der Betriebsrat sind am Verwaltungsverfahren beteiligt. Der Klageweg gegen Bescheide der Arbeitsverwaltung steht ihnen deshalb, wie ausgeführt, nicht offen. Würde gleichwohl ein Bescheid nach §§ 18, 20 KSchG dem Arbeitnehmer die Möglichkeit abschneiden, sich im Kündigungsschutzprozess auf Formfehler bei den Anforderungen des § 17 Abs. 3 KSchG zu berufen, wäre das von Art. 6 geforderte Schutzniveau der MERL unterschritten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zur Wahrung dieses Schutzniveaus schon hinsichtlich der Einhaltung der in Art. 2 der MERL(entsprechend § 17 Abs. 2 KSchG) vorgesehenen Verpflichtungen zur Information und Konsultation der Arbeitnehmervertreter, die kollektiver Natur sind, ein zumindest eingeschränktes Klagerecht der Arbeitnehmervertreter verlangt (EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42 f., Slg. 2009, I-6653). Erst recht muss hinsichtlich der Einhaltung der in § 17 Abs. 3 KSchG geregelten Formalien, die die Arbeitnehmer vor den Folgen der Massenentlassung schützen sollen und es der Arbeitsverwaltung ermöglichen sollen, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen(BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 20, BAGE 134, 176), die also auch eine individualschützende Komponente haben, eine effektive Möglichkeit bestehen, Verletzungen der Anforderungen des § 17 Abs. 3 KSchG geltend zu machen. Dies kann nur dadurch geschehen, dass Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess Fehler im Verfahren der Massenentlassungsanzeige erfolgreich rügen können, ohne dass ein bestandskräftiger Bescheid nach § 18 KSchG dem entgegenstünde(vgl. ErfK/Kiel 12. Aufl. § 20 KSchG Rn. 6; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 918; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 156 ff.).

78

(b) Dem kann, anders als die Revision annimmt, nicht mit dem Argument begegnet werden, dass die Arbeitsverwaltung ihr Informationsbedürfnis selbst definiere. Auch wenn die Arbeitsverwaltung von den ihr von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 der MERL iVm. § 18 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG eingeräumten Entscheidungsmöglichkeiten auf der Grundlage der ihr vom Arbeitgeber erteilten Informationen Gebrauch gemacht und die ihr von Art. 4 Abs. 2 der MERL angesonnenen Lösungsmöglichkeiten als erschöpft angesehen hat, muss es aufgrund der Verpflichtung aus Art. 6 der MERL wirksame Möglichkeiten geben, überprüfen zu lassen, ob die diesen Entscheidungen als Vorfrage zugrunde liegende Einschätzung der Arbeitsverwaltung, die Massenentlassungsanzeige genüge den gesetzlichen Anforderungen, zutrifft. Die Anforderungen des § 17 KSchG an eine Massenentlassungsanzeige unterliegen nicht der unüberprüfbaren Disposition durch die Arbeitsverwaltung, insbesondere nicht, soweit dadurch die Verpflichtungen der MERL umgesetzt werden.

79

5. Entgegen der Anregung des Beklagten im Berufungsrechtszug bedarf es zur Klärung der Auswirkungen der Mitteilung der Arbeitsverwaltung, dass die Massenentlassungsanzeige vollständig und deren Informationsbedürfnis genügt sei, auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 29. Mai 2012 - 1 BvR 3201/11 -; 21. Dezember 2010 - 1 BvR 3461/08 - CR 2011, 88) keines Vorabentscheidungsersuchens des Senats nach § 267 Abs. 3 AEUV. Abgesehen davon, dass die insoweit maßgeblichen Fragen bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union waren, verbietet sich, wie ausgeführt, bereits auf der Grundlage nationalen Verwaltungsverfahrensrechts die Annahme einer Heilungswirkung, so dass keine entscheidungserhebliche unionsrechtliche Fragestellung vorliegt.

80

III. Eine Vorlage an den Großen Senat nach § 45 ArbGG bzw. in deren Vorfeld eine Anfrage beim Zweiten und Achten Senat im Hinblick auf die Rechtsprechung dieser Senate zur Heilungswirkung von Verwaltungsakten der Agentur für Arbeit ist nicht erforderlich.

81

1. Die Rechtsfrage, ob und inwieweit die Bescheide der Arbeitsverwaltung im Verfahren nach § 20 KSchG Heilungswirkung entfalten, stellt sich im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union seit seiner Entscheidung vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - [Junk] Slg. 2005, I-885), die eine Zäsur im Verständnis des § 17 KSchG darstellt(ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 2), neu. Die rechtliche Grundlage der früheren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ist damit entfallen (vgl. BVerfG 2. Juli 1992 - 2 BvR 972/92 - NStZ 1993, 90). Deshalb fehlt es an der für eine Anrufung des Großen Senats erforderlichen Identität der Rechtslage (vgl. BGH 10. Dezember 2002 - X ARZ 208/02 - BGHZ 153, 173).

82

2. Das gilt auch für die Entscheidung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Mai 2009 (- 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20). Die Ausführungen in dieser Entscheidung zur Heilungswirkung der Entscheidung der Agentur für Arbeit beruhen auf der Annahme, die Vorschriften der §§ 17 ff. KSchG verfolgten (ausschließlich) einen arbeitsmarktpolitischen Zweck. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinen nach der Entscheidung des Achten Senats ergangenen Urteilen vom 10. Dezember 2009 (- C-323/08 - [Rodríguez Mayor] Rn. 43 f., Slg. 2009, I-11621) und vom 3. März 2011 (- C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337) das Hauptziel der MERL darin gesehen, Massenentlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern und die Unterrichtung der zuständigen Behörde vorangehen zu lassen. Dabei soll sich insbesondere die Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern auf die Möglichkeit erstrecken, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern. Ausgehend von diesen von ihm angenommenen Zielen der MERL hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem ebenfalls nach der Entscheidung des Achten Senats ergangenen Urteil vom 16. Juli 2009 (- C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42, Slg. 2009, I-6653) den Arbeitnehmern ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation im Vorfeld einer Massenentlassung zugebilligt und zu seiner Wahrung ein zumindest eingeschränktes Klagerecht der Arbeitnehmervertreter verlangt. Diese neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die der MERL auch eine individualschützende Komponente zuerkennt, schließt es aus, den Zweck des diese Richtlinie umsetzenden § 17 KSchG noch ausschließlich als arbeitsmarktpolitischen anzusehen. Auch der Entscheidung des Achten Senats vom 28. Mai 2009 ist damit der Boden entzogen.

83

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Jerchel    

        

    Hoffmann    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 18. Mai 2010 - 14 Sa 14/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 13. Januar 2010 - 13 Ca 59/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer aufgrund eines Interessenausgleichs ohne Namensliste erklärten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Der Kläger war seit dem 1. September 1975 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Mannheim - Insolvenzgericht - vom 1. Oktober 2009 (- 4 IN 353/09 -) wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser informierte den bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat noch am selben Tag über die geplante Entlassung der zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten 96 Arbeitnehmer. Am 8. Oktober 2009 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich ohne Namensliste ab. Dessen § 4 Abs. 3 hält fest:

        

„Die gemäß § 17 Abs. (2) KSchG erforderlichen Auskünfte wurden dem Betriebsrat am 01.10.2009 von dem Insolvenzverwalter erteilt. Der Betriebsrat sieht abschließend keine Möglichkeiten, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden. Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. (2) KSchG ist somit abgeschlossen.“

3

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 erstattete der Beklagte gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit Massenentlassungsanzeige. Er wies sowohl in dieser Anzeige als auch im Anschreiben an die Agentur für Arbeit auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hin. Diesem Anschreiben fügte er ua. das Formular der Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG bei. Nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 12. Oktober 2009 zum 31. Januar 2010.

4

Mit seiner am 21. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht Mannheim eingegangenen Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung. Im Hinblick auf eine von der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin abgegebene Rückkehrgarantie hat er der Rechtsvorgängerin den Streit verkündet. Diese ist durch Schriftsatz vom 1. Dezember 2009 dem Rechtsstreit aufseiten des Klägers beigetreten. Der Kläger strebt in einem weiteren, gegen die Streithelferin geführten Verfahren eine Wiedereinstellung durch diese an. Zwischenzeitlich hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteilen vom 14. März 2012 (- 7 AZR 147 bis 149/11 -) in Parallelverfahren den dortigen Klägern einen Wiedereinstellungsanspruch zugebilligt.

5

Der Kläger hat bestritten, dass der Massenentlassungsanzeige vom 8. Oktober 2009 der Interessenausgleich vom selben Tag beigefügt gewesen sei. Er hat die Auffassung vertreten, die Übersendung einer Stellungnahme des Betriebsrats in einem Interessenausgleich ohne Namensliste an die Agentur für Arbeit genüge auch nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Beifügung einer Stellungnahme bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige. Ein Interessenausgleich sei ein zweiseitiger Vertrag, nicht aber eine einseitige Stellungnahme des Betriebsrats. Erforderlich sei vielmehr eine Stellungnahme, die sich erkennbar auf die konkret anzuzeigenden Entlassungen beziehe. Dafür reiche es nicht aus, wenn die Verlautbarungen des Betriebsrats aus anderen rechtlichen Zusammenhängen herrührten. Jedenfalls habe die Kündigungsfrist erst mit Ablauf der Sperrfrist zu laufen begonnen.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der C GmbH durch die mit Schreiben des Beklagten vom 12. Oktober 2009 - zugegangen am 14. Oktober 2009 - ausgesprochene Kündigung zum 31. Januar 2010, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, nicht aufgelöst ist.

7

Der Beklagte hat zur Begründung seines Begehrens auf Klageabweisung die Auffassung vertreten, die Übersendung der in den Interessenausgleich integrierten Stellungnahme des Betriebsrats an die Agentur für Arbeit habe den gesetzlichen Anforderungen genügt. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG schreibe für die Stellungnahme keine besondere Form vor. Einer gesonderten Stellungnahme habe es deshalb nicht bedurft.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Beklagten ist begründet. Seine Kündigung vom 12. Oktober 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31. Januar 2010 beendet.

10

I. Der Umstand, dass der Kläger die Wiedereinstellung durch die Streitverkündete erstrebt, steht der Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage nicht entgegen. Das dafür erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich bereits daraus, dass der unter das Kündigungsschutzgesetz fallende Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage nach § 4 Satz 1 KSchG erheben muss, um den Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG zu verhindern(BAG 11. Februar 1981 - 7 AZR 12/79 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 8 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 20).

11

II. § 17 KSchG steht der Kündigung nicht entgegen. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft einen Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG angenommen.

12

1. Eine Verletzung der Konsultationspflicht gemäß § 17 Abs. 2 KSchG hat der Kläger nicht gerügt(vgl. zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das ordnungsgemäße Verfahren nach § 17 KSchG BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 31).

13

2. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 KSchG, die uneingeschränkt auch für den Insolvenzverwalter gilt(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 29), als solche liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat bindend festgestellt, dass der Beklagte der örtlichen Agentur für Arbeit mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 die Massenentlassung angezeigt hat und dieses Schreiben dort spätestens am 12. Oktober 2009 vor Erklärung der streitbefangenen Kündigung eingegangen ist.

14

3. Der Beklagte hat der Anzeige auch - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt. Dafür genügte die Beifügung des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009, in dem der Betriebsrat unter § 4 Abs. 3 zur beabsichtigten Massenentlassung abschließend Stellung genommen hatte.

15

a) Hat der Betriebsrat eine Stellungnahme zu dem Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem Arbeitgeber geführten Beratungen abgegeben, ist diese gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG der Anzeige der Massenentlassung gegenüber der örtlichen Agentur für Arbeit beizufügen. Haben Betriebsrat und Arbeitgeber einen Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen, ersetzt dieser gemäß § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats. In einem solchen Fall genügt also die Beifügung des Interessenausgleichs mit Namensliste den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Dies gilt selbst dann, wenn im Interessenausgleich keine Bekundungen des Betriebsrats zu den Beratungen mit dem Arbeitgeber enthalten sind.

16

b) Ein Interessenausgleich ohne Namensliste, wie er im vorliegenden Fall vereinbart worden ist, kann zwar mangels gesetzlicher Anordnung die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzen. Die Stellungnahme des Betriebsrats wird nur in den Fällen des § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG und des § 125 Abs. 2 InsO durch die Betriebsratsbeteiligung in anderen Zusammenhängen ersetzt(APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 112). Mit Ausnahme dieser Fälle gibt der Betriebsrat eine Stellungnahme iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG durch die Ausübung anderer betriebsverfassungsrechtlicher oder sonstiger Rechte nicht ab. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts geht es im vorliegenden Fall aber nicht um die Ersetzung der Stellungnahme durch einen Interessenausgleich ohne Namensliste, sondern darum, ob eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt oder ob dafür eine separate Stellungnahme des Betriebsrats in einem eigenständigen Dokument erforderlich ist.

17

c) § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt keine Stellungnahme des Betriebsrats in einem eigenständigen Dokument.

18

aa) Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ergibt sich allerdings nicht, welche Anforderungen an die beizufügende Stellungnahme des Betriebsrats zu stellen sind. Dem Wort „Beifügung“ lässt sich nur entnehmen, dass es sich um eine verkörperte Erklärung handeln muss, nicht jedoch, ob diese in einem eigenständigen Dokument erfolgen muss.

19

bb) Aus Sinn und Zweck des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG folgt, dass eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats den gesetzlichen Anforderungen genügt.

20

(1) Welchem Zweck die gesetzliche Anordnung, der Massenentlassungsanzeige die Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen, dient, lässt sich nur in der Zusammenschau mit den Zwecken der Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG und zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG ermitteln.

21

(a) § 17 KSchG dient in Umsetzung der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - MERL - dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen von Massenentlassungen. Hauptziel der MERL ist im Hinblick auf die sozioökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen, solchen Entlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern und die Unterrichtung der zuständigen Behörde vorangehen zu lassen (vgl. EuGH 15. Februar 2007 - C-270/05 - [Athinaïki Chartopoiïa] Rn. 28, Slg. 2007, I-1499; 10. Dezember 2009 - C-323/08 - [Rodríguez Mayor] Rn. 44, Slg. 2009, I-11621). Die Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern erstreckt sich auf die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern (vgl. EuGH 10. Dezember 2009 - C-323/08 - [Rodríguez Mayor] Rn. 43, aaO; 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337). Die Agentur für Arbeit soll die Möglichkeit haben, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarkts einzuleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen zu sorgen (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45).

22

(b) Ausgehend von diesen Zielen soll die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zur Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden. Sie soll zugleich belegen, dass soziale Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45). Schließlich soll das Beifügungserfordernis verhindern, dass der Arbeitgeber eine für ihn ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit verschweigt, um eine für ihn günstige Entscheidung der Behörde zu erwirken (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 111).

23

(2) Diesen Zwecken genügt eine in den Interessenausgleich integrierte abschließende Stellungnahme des Betriebsrats, die erkennen lässt, dass sie sich auf die angezeigten Kündigungen bezieht (vgl. Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2; Grau/Sittard BB 2011, 1845, 1850; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32; jeweils mit Formulierungsvorschlag: Krieger/Ludwig NZA 2010, 919, 921; Mückl ArbRAktuell 2011, 238, 239 f.; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1073). Das gilt umso mehr, als die Unterrichtungspflichten nach § 111 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG weitgehend übereinstimmen. Die Verfahrensregelungen der §§ 111 ff. BetrVG gewährleisten eine umfangreiche Information des Betriebsrats und ernsthafte Beratungen über Alternativlösungen iSd. MERL (vgl. BAG 18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III 1 b der Gründe, BAGE 107, 318; 30. März 2004 - 1 AZR 7/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 110, 122; ausführlich Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 166 bis 169; vgl. auch Krieger/Ludwig aaO; Mückl aaO; Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 915; Schramm/Kuhnke aaO). Mit seiner Unterschrift unter einen solchen Interessenausgleich dokumentiert der Betriebsrat seine Meinung zu der anstehenden Massenentlassung abschließend und bringt zum Ausdruck, dass er das Konsultationsverfahren als abgeschlossen ansieht. Verlangte man vom Arbeitgeber, sich für die Massenentlassungsanzeige vom Betriebsrat zusätzlich zu dessen bereits in den Interessenausgleich aufgenommener Stellungnahme diese in einem gesonderten Schreiben wiederholen zu lassen oder die Stellungnahme aus dem Interessenausgleich herauszukopieren und auf einem Extrablatt auszudrucken, wäre dies ein überflüssiger Formalismus. Ein größerer Erkenntniswert oder Informationsgewinn für die Agentur für Arbeit wäre damit nicht verbunden (in diesem Sinn auch Bissels aaO).

24

(3) Dem lässt sich, anders als der Kläger meint, nicht entgegenhalten, dass der Betriebsrat im Interessenausgleich, der einen zweiseitigen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat darstelle, nicht die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte einseitige Stellungnahme abgeben könne. Beim Interessenausgleich handelt es sich nicht um einen zweiseitigen Vertrag, sondern um eine kollektive Vereinbarung besonderer Art, deren Rechtsqualität nicht abschließend geklärt ist (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 15/05 - Rn. 27, BAGE 118, 131). In dieser Vereinbarung kann jede der Betriebsparteien einseitige Erklärungen abgeben, sei es der Arbeitgeber zu den Gründen der Betriebsänderung, sei es der Betriebsrat in Form der Stellungnahme zu der Anhörung nach § 102 BetrVG(vgl. APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 117a) oder zu der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG.

25

cc) Das Argument des Landesarbeitsgerichts, dass es nicht Sache der Agentur für Arbeit sei, vom Arbeitgeber der Anzeige beigefügte, beliebige Unterlagen mit Erklärungen der Betriebspartner wie etwa einen Interessenausgleich daraufhin zu untersuchen, ob sich hieraus im Wege der Auslegung eine Stellungnahme des Betriebsrats iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ableiten lasse, überzeugt nicht.

26

(1) Zum einen berücksichtigt das Landesarbeitsgericht nicht, dass der Beklagte sowohl in der Massenentlassungsanzeige als auch im Begleitschreiben an die Agentur für Arbeit ausdrücklich auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hingewiesen und den Inhalt von § 4 des Interessenausgleichs im Anschreiben wörtlich wiedergegeben hatte. Die Agentur für Arbeit musste deshalb keineswegs die eingereichten Unterlagen auf eine ggf. darin enthaltene Stellungnahme des Betriebsrats untersuchen und erst recht nicht die Stellungnahme im Wege der Auslegung aus den eingereichten Unterlagen ableiten. Sie musste lediglich § 4 des als Anlage 4 der Anzeige beigefügten Interessenausgleichs berücksichtigen. Hätte der Beklagte als Anlage 5 der Massenentlassungsanzeige eine gesonderte Stellungnahme des Betriebsrats zur beabsichtigten Massenentlassung beigefügt, wäre der Agentur für Arbeit kein geringerer Aufwand entstanden (vgl. Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2).

27

(2) Zum anderen gilt für die Entscheidung der Agentur für Arbeit über die Massenentlassungsanzeige nicht, wie das Landesarbeitsgericht anzunehmen scheint, der Beibringungsgrundsatz. Vielmehr unterliegt das dabei einzuhaltende Verfahren neben den Regelungen des § 20 KSchG den allgemeinen sozialverfahrens- und verwaltungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere den Bestimmungen des SGB X(vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 20 KSchG Rn. 19). Gemäß § 20 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Die Agentur für Arbeit hat also von Amts wegen festzustellen, ob die formellen Voraussetzungen der Anzeige erfüllt sind. Dazu gehört auch die Prüfung, ob der Anzeige - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt ist. Bei Zweifeln muss die Agentur für Arbeit beim Arbeitgeber gemäß § 20 Abs. 3 KSchG rückfragen(vgl. Mückl ArbRAktuell 2011, 238, 240).

28

Entsprechend diesen gesetzlichen Anforderungen stellt die Agentur für Arbeit selbst in ihrer Praxis keine hohen Anforderungen an die Form der Stellungnahme (vgl. Nr. 17.33 der Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Dritten und Vierten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes Stand Juli 2005 zu § 17 Abs. 3).

29

d) Die in § 4 des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009 abgegebene Stellungnahme des Betriebsrats genügt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG.

30

aa) Der Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 war der an die Agentur für Arbeit übersandten Massenentlassungsanzeige beigefügt. Dies hat zwar das Landesarbeitsgericht nicht bindend iSv. § 559 Abs. 2 ZPO festgestellt. Diese Behauptung des Beklagten ist jedoch gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig geworden und daher der Entscheidung zugrunde zu legen.

31

(1) Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen grundsätzlich davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - zu II 2 b aa der Gründe, NJW 1999, 1404).

32

(2) Der Kläger hat die Beifügung des Interessenausgleichs zunächst zulässig mit Nichtwissen bestritten. Im Hinblick auf das daraufhin vom Beklagten vorgelegte Telefaxprotokoll seines Schreibens an die Agentur für Arbeit wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, seinen Sachvortrag insoweit zu substantiieren. Da er dies nicht getan hat, ist die Übersendung des Interessenausgleichs an die Agentur für Arbeit unstreitig geworden.

33

bb) Der Betriebsrat hat im Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 eine eindeutige und abschließende Stellungnahme abgegeben. Der Erklärung in § 4 Abs. 3 des Interessenausgleichs, dass dem Betriebsrat die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderlichen Auskünfte erteilt worden seien, dieser abschließend keine Möglichkeiten sehe, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden, und das Konsultationsverfahren somit abgeschlossen sei, lassen sich drei Aussagen entnehmen. Erstens wird zum Ausdruck gebracht, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht. Zweitens enthält § 4 Abs. 3 des Interessenausgleichs eine eindeutige Meinungsäußerung des Betriebsrats zu den beabsichtigten Entlassungen(für eine Auslegung in diesem Sinn auch: Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2). Drittens wird ausdrücklich erklärt, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme handelt. Mehr ist von einer Stellungnahme iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht zu verlangen.

34

4. Die zu II 3 c bb dargestellten Grundsätze zum Verständnis der MERL sind durch die angeführte jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, so dass ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV nicht erforderlich war(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151). Der Senat ist auch nicht gehalten, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV die Frage vorzulegen, ob die der Anzeige der Massenentlassung beizufügende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung auch in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integriert sein kann oder in einem separaten Dokument enthalten sein muss. Diese Frage bedarf keiner Beantwortung durch den Gerichtshof der Europäischen Union am Maßstab des Unionsrechts. Die MERL enthält selbst keine Regelung, in welcher Form die Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung zu erfolgen hat. Die im vorliegenden Rechtsstreit zu beantwortende Frage betrifft damit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern ausschließlich die Anwendung nationalen Rechts (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 48; zur Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte bei der Auslegung von Unionsrecht vgl. BVerfG 7. Juni 2011 - 1 BvR 2109/09 - Rn. 18 ff., ZLR 2011, 608; 24. Oktober 2011 - 2 BvR 1969/09 - Rn. 25 ff.).

35

III. Weitere Gründe, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könnten, hat der Kläger nicht mehr geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

36

IV. Die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende aus § 113 Satz 2 InsO ist eingehalten. Die Kündigungsfrist hat entgegen der Auffassung des Klägers mit dem Zugang der Kündigungserklärung und nicht erst mit dem Ende der Sperrfrist zu laufen begonnen (vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 27 ff., BAGE 128, 256).

37

V. Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Döpfert    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Dezember 2010 - 6 Sa 1344/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Insolvenzverwalter auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste erklärten Kündigung und über Ansprüche auf Annahmeverzugsentgelt.

2

Die im September 1956 geborene, verheiratete Klägerin war seit 1986 bei der Schuldnerin, der Q GmbH, beschäftigt. Sie war als Verkaufsberaterin im Bereich Flächenmanagement des Betriebs „Zentrale N“ im Vertriebsaußendienst tätig, zuletzt im Bereich H gegen eine Vergütung von 3.600,00 Euro brutto. Die Schuldnerin beschäftigte mehrere Tausend Arbeitnehmer. Am 1. September 2009 wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

3

Am 22. September 2009 schloss der Beklagte mit dem im Unternehmen der Schuldnerin gebildeten Gesamtbetriebsrat einen ersten Interessenausgleich, aufgrund dessen die Tätigkeit mehrerer Betriebe der Schuldnerin eingeschränkt werden sollte.

4

Nach einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation schloss der Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat am 15. Oktober 2009 einen Interessenausgleich für die Arbeitnehmer der Betriebe „Zentrale N“, „Küchenvertrieb L“ und „Küchenvertrieb Mitte“. Der Gesamtbetriebsrat war dazu und zu der Ausübung der damit in Zusammenhang stehenden Beteiligungsrechte von den drei örtlichen Betriebsräten „Zentrale N“, „Küchenvertrieb L“ und „Küchenvertrieb Mitte“ nach § 50 Abs. 2 BetrVG beauftragt worden. Der Interessenausgleich sah vor, dass der Geschäftsbetrieb der sog. Q-Shops einschließlich der Betriebsteile des Vertriebsaußen- und Vertriebsinnendienstes, die zum Betrieb „Zentrale N“ gehörten, bis spätestens 31. Januar 2010 vollständig eingestellt werden sollte. Mit dem Interessenausgleich wurde eine seitens des Insolvenzverwalters und des Gesamtbetriebsrats unterschriebene Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer verleimt. In der Liste ist der Name der Klägerin aufgeführt. Der Interessenausgleich nennt die Gründe für die geplanten Kündigungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu kündigenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollten, und die Kriterien für die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer. Der von beiden Seiten unterzeichnete Interessenausgleich lautet in Auszügen wörtlich:

        

„§ 5   

        

Mitteilung des Gesamtbetriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 KSchG

        

Im Hinblick auf die erforderlich werdenden betriebsbedingten Kündigungen besteht zwischen den Parteien ferner Einigkeit darüber, dass der Gesamtbetriebsrat noch im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen umfassend gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet und beteiligt worden ist. Ihm sind insbesondere die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, der Zeitraum, in dem die Entlassungen, die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien vorgenommen werden sollen sowie die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer mitgeteilt worden. Der Arbeitgeber und der Gesamtbetriebsrat haben insbesondere auch die Möglichkeiten beraten, Entlassungen zu vermeiden oder zumindest einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Die Parteien sehen das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG damit als abgeschlossen an.

        

       

        

§ 13   

        

Schlussbestimmungen

        

Die vorstehenden Maßnahmen treten mit beiderseitiger Unterzeichnung des Interessenausgleichs in Kraft. Die Parteien stimmen überein, dass mit den vorstehenden Bestimmungen der Interessenausgleich gemäß §§ 111, 112 BetrVG, 121 ff. InsO abschließend geregelt ist.“

5

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 hörte der Insolvenzverwalter den örtlichen Betriebsrat der „Zentrale N“ zu den in diesem Betrieb beabsichtigten Kündigungen - ua. des Arbeitsverhältnisses der Klägerin - an. In diesem Betrieb waren 201 Arbeitnehmer von den geplanten Kündigungen betroffen. Unter dem 15. Oktober 2009 teilte der örtliche Betriebsrat mit, er nehme die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis und werde keine Stellungnahme abgeben. Er gehe davon aus, dass die Anhörungen mit dem Inhalt des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 und den dort vereinbarten Namenslisten übereinstimmten. Die Stellungnahme sei abschließend.

6

Der Beklagte erstattete mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 Massenentlassungsanzeige, die der Agentur für Arbeit am 16. Oktober 2009 zuging. Er teilte ua. mit, von den zum Zeitpunkt der Anzeige beschäftigten 3.040 Arbeitnehmern sollten insgesamt 433 Arbeitnehmer entlassen werden. Der Anzeige war eine „Bestätigung des Gesamtbetriebsrats der Q GmbH gemäß § 17 Abs. 2 KSchG“ vom 14. Oktober 2009 beigefügt, die inhaltlich § 5 des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 entsprach. Außerdem lag der Massenentlassungsanzeige dieser Interessenausgleich bei. Die Agentur für Arbeit teilte unter dem 16. Oktober 2009 mit, die Frist des § 18 Abs. 1 KSchG beginne am 17. Oktober 2009 und ende am 16. November 2009. Da die Arbeitsverhältnisse nicht in dieser Frist enden sollten, könnten die Kündigungen ausgesprochen werden.

7

Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 ordentlich zum 31. Januar 2010. Der Vertrieb wurde zum 31. Januar 2010 eingestellt. Die Betriebe wurden am 28. Februar 2010 vollständig stillgelegt.

8

Mit ihrer am 6. November 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt und Ansprüche auf Annahmeverzugsentgelt für Februar und März 2010 erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil der Beklagte das Konsultationsverfahren vor der Anzeige der Massenentlassung nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe. Er habe seine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht erfüllt und der Agentur für Arbeit deshalb entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG auch keine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zugeleitet. Das Schriftformerfordernis des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG sei nicht disponibel und von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG (MERL) vorgegeben.

9

Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem beklagten Insolvenzverwalter durch die Kündigung vom 16. Oktober 2009, ihr zugegangen am 17. Oktober 2009, noch nicht aufgelöst ist;

        

2.    

festzustellen, dass ihr eine Masseverbindlichkeit in Höhe von 5.927,06 Euro brutto zusteht, die gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu berichtigen ist.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, die Anforderungen des § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG seien gewahrt. Er habe dem Gesamtbetriebsrat bereits im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen alle Auskünfte erteilt, die § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verlange. Jedenfalls komme dem Bescheid der Agentur für Arbeit vom 16. Oktober 2009 Bindungswirkung zu.

11

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Sie verlangt zudem hilfsweise anstelle des Feststellungsantrags zu 2. Vergütung für Februar und März 2010 von 5.927,06 Euro brutto.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters vom 16. Oktober 2009 beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31. Januar 2010. Der Klägerin steht daher keine Vergütung für Februar und März 2010 zu.

13

A. Die Kündigung vom 16. Oktober 2009 ist nicht sozialwidrig iSv. § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG.

14

I. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen. Die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ist nicht widerlegt.

15

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO sind erfüllt.

16

a) Die Kündigung beruht auf einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG.

17

aa) Um eine Betriebsänderung handelt es sich auch bei einem bloßen Personalabbau, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind(vgl. für die st. Rspr. BAG 20. September 2012 - 6 AZR 253/11 - Rn. 46 mwN). Ausschlaggebend ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Kündigungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dem der §§ 1, 4 BetrVG(st. Rspr., vgl. zB BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 41 mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

18

bb) Der Personalabbau überschritt die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Maßgeblich für die Berechnung des Schwellenwerts war die im Beschäftigungsbetrieb der Klägerin „Zentrale N“ eingesetzte Zahl von Arbeitnehmern. In diesem Betrieb waren 201 Arbeitnehmer von den beabsichtigten Kündigungen betroffen, wie sich aus der schriftlichen Anhörung des örtlichen Betriebsrats vom 15. Oktober 2009 ergibt. Obwohl die Zahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer nicht festgestellt ist, ergibt sich aus der Zahl der geplanten Kündigungen zugleich, dass die Mindestbeschäftigtenzahl von 60 Arbeitnehmern erreicht und damit der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG von mehr als 25 zu Kündigenden erreicht ist. Sollten im Betrieb „Zentrale N“ über 500 Arbeitnehmer beschäftigt worden sein, wäre die Mindestzahl von 30 beabsichtigten Kündigungen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG deutlich überschritten.

19

b) Die vonseiten des beklagten Insolvenzverwalters und des Gesamtbetriebsrats unterzeichnete Namensliste weist den Namen der Klägerin aus und war mit dem Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 fest verbunden.

20

2. Die Klägerin hat die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegt. Der Vertrieb der Schuldnerin wurde zum 31. Januar 2010 nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten vollständig eingestellt.

21

II. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3 KSchG, § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, ob und welche weiterbeschäftigten Arbeitnehmer sie mit sich selbst für vergleichbar hält. Die Arbeitsverhältnisse der mit ihr tätigkeitsbezogen vergleichbaren Arbeitnehmer wurden zum selben Zeitpunkt wie das Arbeitsverhältnis der Klägerin gekündigt, weil der Vertriebsinnen- und Vertriebsaußendienst zum 31. Januar 2010 eingestellt wurde.

22

B. Der Beklagte hörte den örtlichen Betriebsrat der „Zentrale N“ vor Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 ordnungsgemäß und mit detaillierter Begründung iSv. § 102 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG an. Er musste die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht wahren, weil der Betriebsrat unter dem 15. Oktober 2009 abschließend zu den beabsichtigten Kündigungen Stellung genommen hatte. Dafür genügte die eindeutige Äußerung des Betriebsrats, zu den Kündigungen keine Stellung nehmen zu wollen.

23

C. Die Kündigung vom 16. Oktober 2009 verstößt nicht gegen die Anzeigepflicht aus § 17 KSchG. Der Senat kann offenlassen, ob es sich bei den gerügten Verletzungen von § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG um mögliche Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung handelt. Er braucht ferner nicht darüber zu befinden, ob die Klägerin Verstöße gegen diese beiden Bestimmungen entweder bereits in erster Instanz beanstandet hat oder das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht aus § 6 Satz 2 KSchG verletzt und die Klägerin die Rügen im zweiten Rechtszug wirksam nachgeholt hat(vgl. dazu BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 11 ff., EzA KSchG § 6 Nr. 4). Der Beklagte wurde seinen Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG gerecht.

24

I. Die Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 KSchG gilt uneingeschränkt auch für den Insolvenzverwalter(vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 13, EzA KSchG § 17 Nr. 25; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 29 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4; siehe auch EuGH 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 53, NZA 2011, 337 ).

25

II. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Revision der Klägerin nicht schon deswegen unbegründet, weil die Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige vom 15. Oktober 2009 nicht beanstandete. Der auf der Grundlage von § 18 Abs. 1, § 20 KSchG ergangene Bescheid der Agentur für Arbeit vom 16. Oktober 2009 hindert die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht daran, die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige festzustellen. Er heilt mögliche Fehler der Massenentlassungsanzeige nicht (vgl. detailliert BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 70 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

26

1. Gegenüber der durch das Verfahren nach §§ 17 ff. KSchG nur mittelbar betroffenen Klägerin kann ein solcher Bescheid keine materielle Bestandskraft entfalten. Sie hätte gegen ihn nicht vorgehen können (vgl. im Einzelnen BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 71 mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

27

2. Auch gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit kommt einem derartigen Bescheid keine materielle Bestandskraft zu. Das ergibt sich aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen und wird vom unionsrechtlichen Grundsatz des sog. effet utile verlangt.

28

a) Die Bindungswirkung eines Bescheids der Agentur für Arbeit nach § 20 KSchG umfasst nur den eigentlichen Inhalt dieses Bescheids, also die Dauer der Sperrfrist und den Zeitpunkt ihres Ablaufs oder die Genehmigung, Entlassungen vor Ablauf der Sperrfrist vorzunehmen, nicht aber die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst(vgl. Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 154 f.; Reinhard RdA 2007, 207, 214). Die Einhaltung der formalen Anforderungen des § 17 KSchG ist lediglich eine Vorfrage des Bescheids nach § 20 KSchG und gehört damit nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht zum Regelungsinhalt des Bescheids(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 73 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

29

b) Die Mitgliedstaaten müssen zudem nach Art. 6 MERL Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie 98/59/EG vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Die den Mitgliedstaaten überlassene Ausgestaltung dieser Bestimmung darf der MERL nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 34 und 36, Slg. 2009, I-6653). Diese Verpflichtung steht einer Auslegung der §§ 17 ff. KSchG durch die nationale Arbeitsgerichtsbarkeit entgegen, die die Bindungswirkung eines Bescheids der Arbeitsverwaltung nach §§ 18, 20 KSchG über seinen eigentlichen Regelungsgehalt hinaus annimmt. Weder die Arbeitnehmer noch der (Gesamt-)Betriebsrat sind am Verwaltungsverfahren beteiligt. Würde ein Bescheid nach §§ 18, 20 KSchG dem Arbeitnehmer dennoch die Möglichkeit nehmen, sich im Kündigungsschutzprozess auf Formfehler bei den Anforderungen des § 17 Abs. 3 KSchG zu berufen, wäre das von Art. 6 MERL geforderte Schutzniveau unterschritten(vgl. näher BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 76 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).

30

III. Der Wirksamkeit der Kündigung vom 16. Oktober 2009 steht nicht entgegen, dass der Beklagte seiner Anzeige keine Stellungnahme des örtlichen Betriebsrats der „Zentrale N“ beifügte.

31

1. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt, dass der Arbeitgeber bei Entlassungen, die der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG anzuzeigen sind, die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beifügt.

32

2. Der Beklagte musste der Massenentlassungsanzeige vom 15. Oktober 2009 aber keine Stellungnahme des örtlichen Betriebsrats der „Zentrale N“ beifügen. Es genügte, dass er der Anzeige die Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats vom 14. Oktober 2009 und den Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 beifügte. Der mit dem originär zuständigen Gesamtbetriebsrat geschlossene Interessenausgleich ersetzte nach § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des „Betriebsrats“ iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG(vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 18 ff., AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3).

33

a) § 125 Abs. 2 InsO besagt zwar nicht ausdrücklich, dass auch ein mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt. Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des § 125 Abs. 2 InsO sprechen jedoch für ein solches Verständnis.

34

aa) Die Formulierung „Der Interessenausgleich nach Absatz 1 ersetzt …“ in § 125 Abs. 2 InsO erfasst jeden qualifizierten Interessenausgleich mit Namensliste unabhängig davon, ob der Interessenausgleich mit dem Betriebsrat oder dem Gesamtbetriebsrat zustande kommt.

35

bb) Nach § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.

36

(1) Es muss sich um eine Angelegenheit handeln, die mehrere Betriebe betrifft. Darüber hinaus muss objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung bestehen. Ob ein solches zwingendes Erfordernis besteht, bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands (vgl. BAG 19. Juni 2012 - 1 ABR 19/11 - Rn. 21 mwN).

37

(2) Wird ein geplanter Personalabbau - wie hier - auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt und sind mehrere Betriebe von der Betriebsänderung betroffen, ist der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig für den Abschluss eines betriebsübergreifenden Interessenausgleichs mit Namensliste. Dann kann nur auf dieser überbetrieblichen Ebene geklärt werden, welche Arbeitnehmer gekündigt und welche Arbeitnehmer in welchem Betrieb weiterbeschäftigt werden. In einem solchen Fall haben nicht die örtlichen Betriebsräte gegenüber der Agentur für Arbeit zu den geplanten Kündigungen Stellung nehmen. Der mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommene Interessenausgleich mit Namensliste ersetzt dessen Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG( vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 24 f. mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3 ).

38

b) Sinn und Zweck sowohl des § 125 Abs. 2 InsO als auch des § 17 KSchG bestätigen dieses Verständnis.

39

aa) § 125 Abs. 2 InsO will möglichst schnelle Sanierungen ermöglichen und Verzögerungen bei der Abwicklung der Rechtsverhältnisse des Schuldners vermeiden(vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 149). Dieses Vereinfachungs- und Beschleunigungsziel würde bei betriebsübergreifenden Betriebsänderungen zur Sanierung von Unternehmen verfehlt, wenn ein mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzte( vgl. im Einzelnen BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 22 mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3 ).

40

bb) Auch der Zweck des § 17 KSchG spricht für eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für betriebsübergreifende Massenentlassungen. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarkts einleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen sorgen können. Dazu ist den Arbeitnehmern mit Art. 2 MERL und der Umsetzung dieser Bestimmung in nationales Recht durch § 17 KSchG ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation eingeräumt(vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 27 mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3 unter Hinweis auf EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 42, Slg. 2009, I-6653). Dieser Zweck erfordert es nicht, dass nur ein örtlicher Betriebsrat als Arbeitnehmervertretung verstanden wird und daher lediglich ein vom örtlichen Betriebsrat mit dem Insolvenzverwalter geschlossener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt. Erforderliche Kenntnisse des Gesamtbetriebsrats über die betrieblichen und regionalen Verhältnisse sind dadurch gewährleistet, dass jeder örtliche Betriebsrat mindestens ein Mitglied in den Gesamtbetriebsrat entsendet ( vgl. BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 28, aaO ).

41

3. Das Erfordernis der beizufügenden Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG wurde demnach mit dem beigefügten qualifizierten Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009, den der Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossen hatte, gewahrt. Aufgrund der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss des Interessenausgleichs kommt es nicht darauf an, dass die örtlichen Betriebsräte ihn hier ausdrücklich nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BetrVG mit der Stellungnahme und der Ausübung der zugehörigen Beteiligungsrechte beauftragt hatten. Selbst die in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats hätte den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt, wenn der Gesamtbetriebsrat abschließend zu der beabsichtigten Massenentlassung Stellung genommen hätte(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 56, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3; 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 14 ff. und 34, EzA KSchG § 17 Nr. 25 ).

42

IV. Der Beklagte verletzte auch nicht seine Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG.

43

1. Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und die vorgesehenen Kriterien für die Berechnung etwaiger Abfindungen. Der Arbeitgeber hat der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 KSchG gleichzeitig eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten. Sie muss nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG zumindest die in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 5 KSchG enthaltenen Angaben enthalten.

44

2. Mit §§ 5 und 13 des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 und mit seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2009 erklärte der Gesamtbetriebsrat, rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden zu sein. Das allein genügt zum Nachweis der Erfüllung der Konsultationspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG allerdings noch nicht. Die Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste ersetzt nur die Stellungnahme des Betriebsrats oder Gesamtbetriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit. Erforderlich ist daneben noch die vorherige schriftliche Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG(vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 33 und 39 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4).

45

a) Unschädlich ist, dass der Beklagte seiner Unterrichtungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG mithilfe der Angaben im Interessenausgleich gerecht werden wollte.

46

aa) Die Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der Erfüllung der Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist zulässig.

47

(1) Soweit die gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflichten aus § 111 BetrVG mit denen aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen(vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 23, EzA KSchG § 17 Nr. 25 ). Dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollen, muss dabei hinreichend klargestellt werden (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 34 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4 ).

48

(2) Aus § 5 Satz 1 und Satz 2 des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2009 geht ausdrücklich hervor, dass mit dem Interessenausgleich zugleich die Unterrichtungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllt werden sollte.

49

bb) Die Verbindung des Verfahrens nach § 111 BetrVG mit der Unterrichtung des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verletzt keine unionsrechtlichen Vorgaben. Insoweit ist kein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erforderlich. Die Frage ist durch den Gerichtshof der Europäischen Union auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. dazu zB BVerfG 29. Mai 2012 - 1 BvR 3201/11 - Rn. 20 ff., ZIP 2012, 1876; 21. Dezember 2010 - 1 BvR 3461/08 - Rn. 5 ff., CR 2011, 88; siehe auch BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 33 ff., ZIP 2012, 1927).

50

(1) § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG setzt Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL um. Es handelt sich um ein von dieser Richtlinienvorgabe gewährleistetes kollektives Informationsrecht der Arbeitnehmervertretung, nicht um ein individuelles Recht der einzelnen Arbeitnehmer (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 38 ff., Slg. 2009, I-6653). Nach Art. 6 der Richtlinie 98/59/EG sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Verfahren einzurichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie 98/59/EG vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Da die Richtlinie die Verpflichtung aber nicht weiter ausformt, ist die Ausgestaltung dieser teilharmonisierten Verfahren Sache der Mitgliedstaaten. Die Verfahrensausgestaltung darf den Bestimmungen der Richtlinie jedoch nicht ihre praktische Wirksamkeit iSd. Effektivitäts- und Äquivalenzprinzips nehmen (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 33 ff. und 59 ff., aaO).

51

(2) Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass die Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der schriftlichen Unterrichtung des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG richtlinienkonform ist.

52

(a) Der Entwurf des Interessenausgleichs dokumentiert gegenüber dem (Gesamt-)Betriebsrat die Bemühungen des Arbeitgebers, Massenentlassungen zumindest zu beschränken (vgl. dazu EuGH 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337; 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 64, Slg. 2009, I-8163 ).

53

(b) Dem widerspricht die Vorgabe in Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 MERL nicht, wonach der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung rechtzeitig unterrichten muss. Der Wortlaut der Richtlinienvorgabe bringt klar zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber der Arbeitnehmervertretung die betreffenden Auskünfte rechtzeitig im Verlauf der Konsultationen erteilen muss, damit die Arbeitnehmervertreter konstruktive Vorschläge unterbreiten können (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51, Slg. 2009, I-8163). Daraus folgt, dass diese Auskünfte im Verlauf und nicht unbedingt im Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen zu erteilen sind. Der Arbeitgeber hat der Arbeitnehmervertretung nach dem Grundgedanken der Richtlinienvorgabe während der gesamten Konsultationen die relevanten Informationen zu geben. Eine flexible Handhabung ist erforderlich, weil die Auskünfte zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Konsultationsprozesses zur Verfügung stehen können. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit und die Pflicht hat, die Auskünfte im Lauf des Verfahrens zu vervollständigen (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 52 ff., aaO). Dieser Prozess kann gegenüber dem Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat deshalb unmittelbar vor Schluss der Konsultation nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG schriftlich dokumentiert werden.

54

(c) Die Annahme einer rechtlich zulässigen Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der Information des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG entspricht damit auch dem Erfordernis unionsrechtskonformer Auslegung(vgl. für die st. Rspr. des EuGH etwa 5. September 2012 - C-42/11 - [Lopes Da Silva Jorge] Rn. 53 ff.; 24. Mai 2012 - C-97/11 - [Amia] Rn. 27 ff., EurUP 2012, 210; 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 23 ff., AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 7 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 8).

55

b) Es kann ferner auf sich beruhen, ob § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG gesetzliche Schriftform iSv. § 126 Abs. 1 BGB verlangt. Sollte das zutreffen, ist der Schriftformverstoß durch die abschließende Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats in § 5 des Interessenausgleichs geheilt, die die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erfüllt.

56

aa) Im Streitfall ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass der Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 zuerst durch den Bevollmächtigten des beklagten Insolvenzverwalters unterzeichnet wurde. Demnach steht bisher nicht fest, dass der Beklagte den Gesamtbetriebsrat vor Abschluss des Konsultationsverfahrens in einer Weise unterrichtete, die der gesetzlichen Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB entsprach.

57

bb) Eine Verletzung des etwaigen gesetzlichen Schriftformerfordernisses ist hier aber jedenfalls geheilt. Der Betriebsrat machte mit seiner abschließenden Stellungnahme deutlich, dass er sich für ausreichend unterrichtet hielt und die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht ausschöpfen wollte.

58

(1) Der Senat hat bisher offengelassen, ob für die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG die gesetzliche Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB einzuhalten ist(vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 40, EzA KSchG § 6 Nr. 4 ). Weite Teile des Schrifttums nehmen an, dass sie zu wahren ist (so v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 56; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 20 und 28; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 70; Schrader in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 17 Rn. 52; Stahlhacke/Vossen 10. Aufl. Rn. 1653; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56; Thüsing/Laux/Lembke/Lembke/Oberwinter KSchG 2. Aufl. § 17 Rn. 82 lassen demgegenüber eine Unterrichtung per Telefax oder E-Mail genügen).

59

(2) Die Frage braucht auch in diesem Fall nicht beantwortet zu werden. Es kann auf sich beruhen, ob der Vertreter des Insolvenzverwalters den Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 erst nach dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats unterschrieb.

60

(a) Jedenfalls dann, wenn die von § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verlangten Angaben gegenüber dem (Gesamt-)Betriebsrat in einem schriftlichen, wenn auch nicht unterzeichneten Text dokumentiert wurden, genügt die abschließende Stellungnahme des (Gesamt-)Betriebsrats, um einen eventuellen Schriftformverstoß zu heilen(weiter gehend LAG Hamm 6. Juni 1986 - 16 Sa 2188/86 - LAGE KSchG § 17 Nr. 2; HaKo/Pfeiffer 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 54; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 65, die eine mündliche Unterrichtung bei abschließender Stellungnahme des Betriebsrats für ausreichend halten; offengelassen von APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 76). Dafür spricht der Zweck des Unterrichtungserfordernisses. Die Arbeitnehmervertretung soll konstruktive Vorschläge unterbreiten können, um die Massenentlassung zu verhindern oder einzuschränken (vgl. zu Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51 und 64, Slg. 2009, I-8163). Bringt das Gremium, dem die Angaben nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG in einem schriftlich abgefassten Text deutlich vor Augen geführt wurden, selbst zum Ausdruck, dass es sich für ausreichend unterrichtet hält, drückt es damit zugleich aus, dass es keine weiteren Vorschläge unterbreiten kann oder will(vgl. BAG 21. März 2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 23, EzA KSchG § 17 Nr. 25 ). Die Arbeitnehmervertretung will in einem solchen Fall gerade nicht die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ausschöpfen.

61

(b) Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass eine solche Heilungsmöglichkeit durch eine abschließende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung der von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL vorgegebenen Pflicht zur schriftlichen Mitteilung genügt. Wie bereits ausgeführt, gewährleistet die Richtlinienvorgabe ein kollektives Informationsrecht der Arbeitnehmervertretung, kein individuelles Recht der einzelnen Arbeitnehmer (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 38 ff., Slg. 2009, I-6653). Die Ausgestaltung des Verfahrens zur Durchsetzung der Verpflichtungen des Arbeitgebers ist nach Art. 6 MERL Sache der Mitgliedstaaten. Die Verfahrensausgestaltung darf aber nicht dazu führen, dass der Richtlinie ihre praktische Wirksamkeit genommen wird (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 33 ff. und 59 ff., aaO). Dem sog. effet utile ist nach dem Zweck der Richtlinienvorgabe jedenfalls bei einem schriftlich abgefassten, wenn auch nicht unterschriebenen Unterrichtungstext genügt. Führt die Arbeitnehmervertretung ohne einschränkende oder weiterführende Zusätze selbst aus, sie sei ausreichend unterrichtet, will sie keine weiteren Vorschläge unterbreiten, um die Massenentlassung abzuwenden oder zu beschränken (vgl. zum Zweck von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL EuGH 10. September 2009 - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51, Slg. 2009, I-8163; zu der Heilung einer anderen im Richtlinienrecht verbürgten Schriftform [für Kreditverträge] auch BGH 6. Dezember 2005 - XI ZR 139/05 - Rn. 29 ff., BGHZ 165, 213). Die Heilung eines etwaigen Schriftformverstoßes verringert die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL gewährleistet, unter diesen Voraussetzungen nicht (vgl. zu der nötigen Aufrechterhaltung des Pflichtenniveaus EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 65, aaO).

62

3. Der Beklagte wurde auch seiner Pflicht gegenüber der Agentur für Arbeit aus § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG gerecht, indem er der Massenentlassungsanzeige den Interessenausgleich vom 15. Oktober 2009 beifügte. Die Agentur für Arbeit konnte dem Interessenausgleich, der den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG entsprach, die ordnungsgemäße Unterrichtung des Gesamtbetriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG entnehmen. Der Gesamtbetriebsrat hatte mit § 5 des Interessenausgleichs deutlich gemacht, dass er annahm, der Beklagte habe seine Pflichten aus §§ 111, 112 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllt. Daraus konnte die Agentur für Arbeit ersehen, dass ein etwaiger Schriftformverstoß jedenfalls durch die abschließende Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats geheilt war. Mit dieser Stellungnahme belegte der Gesamtbetriebsrat zugleich, dass Kündigungen in dem aus dem Interessenausgleich ersichtlichen Umfang auch nach seiner Auffassung unvermeidlich waren und soziale Maßnahmen beraten worden waren (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4).

63

D. Die dreimonatige Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO ist eingehalten. Die der Klägerin am 17. Oktober 2009 zugegangene Kündigung wirkte zum 31. Januar 2010.

64

E. Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2010 auflöste, steht der Klägerin keine Vergütung für Februar und März 2010 zu.

65

F. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

        

    Schäferkord    

        

    Reiner Koch    

                 

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, kann vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluß des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Kündigt der Verwalter, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.

(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.