Bundesfinanzhof Beschluss, 17. Mai 2011 - V B 73/10

bei uns veröffentlicht am17.05.2011

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Rechtsanwaltssozietät. Nachdem Rechtsanwalt N für die Klägerin eine Beratung mit einem sehr hohen Streitwert durchgeführt hatte, die zu einem Anwaltshonorar von 526.315,20 DM zuzüglich Umsatzsteuer geführt hatte, und der Auftraggeber das Honorar nicht zahlen konnte, schlossen die Beteiligten am 4. November 1999 eine Vereinbarung, wonach ein Betrag von 50.000 DM sofort und zusätzlich auf Lebenszeit von Rechtsanwalt N eine monatliche Zahlung von 3.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer geleistet werden sollte. Nachdem bei dem Auftraggeber gleichwohl die Überschuldung drohte, wurde am 5. November 2000 die Zahlungsverpflichtung "bis auf weiteres" wieder aufgehoben und am 4. Oktober 2005 ein neuer Vertrag geschlossen, wonach "vor dem Hintergrund des offenen Honorarvolumens als Vergütung für die Tätigkeit" von Rechtsanwalt N eine lebenslange Leibrente vereinbart wurde. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) versteuerte die im Streitjahr 2006 gezahlten Rentenbeträge, während die Klägerin die Zahlungen als nicht steuerbaren Schadensersatz ansah. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Rentenbeträge stünden im unmittelbaren Zusammenhang mit den zuvor geleisteten anwaltlichen Beratungsleistungen, ohne die der Auftraggeber die Rentenvereinbarung nicht getroffen hätte. Die zwischenzeitlich mit Rücksicht auf die Vermeidung einer Überschuldung des Auftraggebers getroffene Vereinbarung über den zeitweisen Erlass der Forderung führe nicht dazu, die vereinbarte Rente als steuerfreie Schadensersatzleistung anzusehen.

Entscheidungsgründe

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II. Die auf Verfahrensfehler und Divergenz gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

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1. Das FG hat nicht verfahrensfehlerhaft das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) verletzt, weil es "unter Verletzung verfassungsrechtlich geschützter Grundsätze des Dt. Schadensersatzrechts sowie der verfassungsrechtlich geschützten Vertragsfreiheit unter Verstoß gegen allgemeine Denk- und Erfahrungssätze willkürlich und greifbar gesetzwidrig, dabei zugleich in Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des Bundesfinanzhofs (zum Umsatzsteuerrecht) als auch des Bundesgerichtshofes (zum Schadensrecht) entschieden und damit zugleich --wie bereits der VIII. Senat des BFH in den Beschlüssen zum ertragssteuerlichen Rechtsstreit in der Sache VIII S 2/10 (BFH/NV 2010, 1298)-- das Vertrauen der Allgemeinheit in die Justiz gefährdet" hat.

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a) Zwar umfasst der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht nur das Recht der Beteiligten, sich hinreichend zur Sache äußern zu können, sondern auch die Pflicht des Gerichts, das Vorbringen der Klägerin zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. April 1995 I B 166/94, BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532; vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474, 1475; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 96 Rz 60 ff., m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10, 10a, m.w.N.). Allerdings geht diese Pflicht des Gerichts nicht so weit, dass es sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Dezember 2000 I B 103/00, BFH/NV 2001, 631) und die Gewährung des rechtlichen Gehörs bedeutet insbesondere nicht, dass es die Klägerin "erhört", sich also ihren rechtlichen Ansichten oder ihrer Sachverhaltswürdigung anschließt (BFH-Beschluss vom 13. April 2007 V B 122/05, BFH/NV 2007, 1517). Der schlüssige Vortrag der Verletzung des rechtlichen Gehörs setzt somit voraus, dass besondere Umstände vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, dass das Gericht dem Vortrag der Klägerin nicht nur nicht gefolgt, sondern ihn nicht zur Kenntnis genommen hat. Daran fehlt es.

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b) Aus dem Tatbestand (Seite 4) und den Gründen des FG-Urteils ergibt sich, dass es den Vortrag der Klägerin, wonach es sich bei den Rentenzahlungen um nicht steuerbaren Schadensersatz handeln soll, weil durch den aufgehobenen Honoraranspruch Rechtsanwalt N wegen fehlender Geldmittel am Aufbau seiner Altersversorgung gehindert sei und die Einräumung des Rentenstammrechts der Beseitigung eines Schadens diene, zur Kenntnis genommen, jedoch --entgegen der Auffassung der Klägerin-- gleichwohl den für die Steuerbarkeit einer Leistung erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bejaht hat, weil ein anderer Rechtsgrund als die Erbringung der Beratungsleistung für die Einräumung eines Rentenstammrechts nicht ersichtlich sei und keine Schadensersatzpflicht bestehe.

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2. Die Revision ist auch nicht wegen eines schwerwiegenden Rechtsfehlers, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, zuzulassen. Das Vorliegen eines derart schwerwiegenden Fehlers nimmt der BFH in ständiger Rechtsprechung dann an, wenn die angefochtene FG-Entscheidung objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25). Dies ist nicht der Fall. Die Entscheidung des FG, einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Beratungsleistung und der Rentenzahlung anzunehmen, ist angesichts des Inhalts der Ergänzungsvereinbarung vom 1./5. September 2000 und der Vorbemerkung im Vertrag vom 26. September/4. Oktober 2005 naheliegend. Denn für diesen Zusammenhang ist es unerheblich, wenn die wirtschaftliche Belastung eines in Zahlungsschwierigkeiten befindlichen Schuldners durch eine sofort fällige Geldschuld nicht nur betragsmäßig gemindert (§ 17 des Umsatzsteuergesetzes), sondern durch Gewährung eines Rentenstammrechts zeitlich gestreckt wird. In beiden Fällen handelt es sich lediglich um eine modifizierte Erfüllung der Hauptverbindlichkeit (vgl. BFH-Urteile vom 17. Dezember 2009 V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869; vom 7. Juli 2005 V R 34/03, BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66 zur Auflösung eines Beratervertrages gegen "Schadensersatz"), die den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Leistung und der Gegenleistung nicht entfallen lässt. Auch darauf, ob es sich nach nationalem Zivilrecht um eine Schadensersatzleistung handelt oder nicht, kommt es für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung nicht an (BFH-Urteil vom 6. Mai 2004 V R 40/02, BFHE 205, 535, BStBl II 2004, 854; BFH-Beschluss vom 18. November 2010 XI B 28/10, BFH/NV 2011, 204). Von einer Willkürentscheidung des FG kann somit nicht die Rede sein.

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3. Da es auf die Einordnung nach nationalem Zivilrecht als Schadensersatz nicht ankommt, war es nicht verfahrensfehlerhaft, wenn das FG weitere Beweise dazu, ob sich nach Beweisaufnahme ergeben hätte, dass sich ein Schadensersatzanspruch "nicht nur nach Gesetz, sondern auch aus Vertrag" ergeben hätte (Bl. 24), nicht erhoben hat. Auch eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs "zum Schadensrecht" führte damit nicht zur Zulassung der Revision.

8

4. Wird das Übergehen eines Beweisantrages gerügt, gehört --da zu den verzichtbaren Mängeln u.a. das Übergehen eines Beweisantrages gehört (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. Mai 2010 X B 207/09, BFH/NV 2010, 1649, m.w.N.)-- zur ordnungsmäßigen Bezeichnung des Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung --in der im Streitfall die Klägerin durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war-- gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 9. Juli 1998 V R 68/96, BFHE 186, 161, BStBl II 1998, 637; BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2003 VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217). Schon daran fehlt es. Davon abgesehen ist die Nichterhebung eines Beweises nur dann ein erheblicher Verfahrensmangel, wenn die erstrebten Beweisergebnisse für die Entscheidung des FG nach dessen maßgeblicher materiell-rechtlicher Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Bedeutung haben könnten (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23. März 2005 VI B 137/04, BFH/NV 2005, 1296, m.w.N.). Dies trifft vorliegend nicht zu. Insbesondere geht das FG mit dem --durch Vernehmung des H als Zeugen unter Beweis gestellten-- Vortrag der Klägerin davon aus, dass die im Vertrag vom 26. September/ 4. Oktober 2005 vereinbarten Zahlungen nicht im Zusammenhang mit einer zukünftigen Tätigkeit des N an den Verband stehen. Im Übrigen hat das FG einen unmittelbaren Zusammenhang der Zahlung mit der Honorarforderung aufgrund des Vertragsinhalts --dem Hinweis auf die Vorbemerkung auf das offene Honorar und der Bezugnahme hierauf in § 2 Abs. 3 des Vertrages vom 29. September/4. Oktober 2005-- bejaht und geht weiter aufgrund der Umstände des Falles davon aus, der Verband habe nicht dafür einstehen müssen, dass N, dem lediglich nach dem im Innenverhältnis der Sozietät die Forderung zugestanden habe, seine Altersversicherung nicht weiter habe aufbauen können. Da es auf die beabsichtigte Verwendung der Zahlung nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des FG daher nicht ankam, musste das FG den Zeugen H zum "eigentlichen Grund" der Vereinbarung nicht anhören.

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5. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Für eine schlüssige Divergenzrüge ist überdies weiterhin auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, unter 2.a und b, m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt der Vortrag der Klägerin nicht.

Urteilsbesprechung zu Bundesfinanzhof Beschluss, 17. Mai 2011 - V B 73/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesfinanzhof Beschluss, 17. Mai 2011 - V B 73/10

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 17 Änderung der Bemessungsgrundlage


(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzu
Bundesfinanzhof Beschluss, 17. Mai 2011 - V B 73/10 zitiert 4 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 17 Änderung der Bemessungsgrundlage


(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzu

Referenzen - Urteile

Bundesfinanzhof Beschluss, 17. Mai 2011 - V B 73/10 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesfinanzhof Beschluss, 17. Mai 2011 - V B 73/10 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Beschluss, 18. Nov. 2010 - XI B 28/10

bei uns veröffentlicht am 18.11.2010

Gründe 1 Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

Bundesfinanzhof Beschluss, 25. Mai 2010 - X B 207/09

bei uns veröffentlicht am 25.05.2010

Gründe 1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in seiner Beschwerdebegründung geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 N
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesfinanzhof Beschluss, 17. Mai 2011 - V B 73/10.

Bundesfinanzhof Beschluss, 29. Sept. 2011 - V B 23/10

bei uns veröffentlicht am 29.09.2011

Gründe 1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg und ist daher zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der von der Klägerin und Beschwerdeführer

Referenzen

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

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1. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Streitfall eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Ebenso wenig liegt ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

3

a) Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für ihre Beurteilung maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dies ist nur der Fall, wenn die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist.

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Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage, ob ein Steuerpflichtiger als Geschäftsführer einer GmbH für deren Umsatzsteuerschulden in Haftung genommen werden könne, wenn die zugrunde liegende Umsatzsteuerschuld aufgrund eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Vertragspartner der GmbH und den Finanzbehörden entstanden sei, ist im Streitfall nicht klärbar. Denn dass ein derartiges kollusives Zusammenwirken vorliegt, hat das Finanzgericht (FG) nicht festgestellt. Rechtsfragen, die von einem Sachverhalt ausgehen, den das FG nicht festgestellt hat, können eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht rechtfertigen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2006 V B 58/06, BFH/NV 2007, 743, m.w.N.; vom 22. April 2009 I B 196/08, BFH/NV 2009, 1588).

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b) Im Streitfall erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH weder unter dem Gesichtspunkt der Divergenz noch zur Korrektur einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit.

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aa) Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz setzt eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung der angefochtenen Entscheidung voraus. Diese ist dann gegeben, wenn das FG bei vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der BFH oder ein anderes FG (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2009 III B 6/08, BFH/NV 2010, 176, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 53, m.w.N.). Das FG muss seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt.

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(1) Wie der Kläger unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BFH vorbringt, ist die nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung zu ermittelnde Haftungsquote unter Berücksichtigung der Mittelverwendung während des gesamten Haftungszeitraums überschlägig zu ermitteln (vgl. Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 69 Rz 63, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Von diesem Rechtsgrundsatz weicht das FG in der angefochtenen Entscheidung nicht ab. Es bezieht sich zur Ermittlung der Haftungsquote des Klägers auf die bei der Gesellschaft, für deren Umsatzsteuerschulden er in Haftung genommen wurde, gegenüber dem Vater des Klägers bilanziell ausgewiesenen Forderungen und hält den Einwand, ein Vorgehen gegen diesen sei nicht möglich gewesen, für nicht überzeugend. Der Kläger mag die Feststellung des FG, dass diese Forderungen werthaltig gewesen seien und dem Kläger somit ausreichend Mittel zur Verfügung gestanden hätten, die Umsatzsteuer der Gesellschaft aus den von ihm verwalteten Mitteln zu entrichten, für rechtsfehlerhaft halten. Die Rechtseinheit wird jedoch nicht schon durch jede rechtsfehlerhafte Entscheidung eines Einzelfalls gefährdet, sondern nur durch die Nichtübereinstimmung verschiedener Gerichte im Grundsätzlichen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. Mai 2008 III B 37/07, BFH/NV 2008, 1533, m.w.N.; vom 17. Februar 2005 X B 185/03, BFH/NV 2005, 1060, m.w.N.).

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(2) Mit dem angefochtenen Urteil weicht das FG ferner nicht in einer identischen Rechtsfrage von dem vom Kläger bezeichneten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. März 2009 I ZR 42/06 (nicht veröffentlicht, juris) ab. Der BGH hatte dort über die Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu entscheiden. Das FG hatte demgegenüber die umsatzsteuerrechtliche Einordnung der Zahlung an die GmbH zu prüfen, um im Streitfall nicht steuerbaren Schadensersatz von steuerbaren Umsätzen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) abzugrenzen. Die Beurteilung, ob nicht steuerbarer Schadensersatz oder steuerbarer Leistungsaustausch vorliegt, ist ausschließlich nach umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu bestimmen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Mai 2004 V R 40/02, BFHE 205, 535, BStBl II 2004, 854, m.w.N.; Schlosser-Zeuner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 1 Rz 28, m.w.N.). Eine Divergenz zu der Entscheidung des BGH, auf die der Kläger in seiner Beschwerdebegründung abstellt, liegt demnach nicht vor.

9

(3) Soweit der Kläger vorbringt, das FG prüfe trotz ausdrücklichen Hinweises im Klageverfahren nicht, ob die Voraussetzungen eines Steuersatzes in Höhe von 7 % gegeben seien, und hierdurch das BFH-Urteil vom 25. November 2004 V R 25, 26/04 (BFHE 208, 479, BStBl II 2005, 419) nicht anwende, ist dies nicht zutreffend. Das FG hatte in Bezug auf den angewandten Steuersatz keine Zweifel. Nach seiner Feststellung bestand nach der getroffenen Vereinbarung unter anderem die Verpflichtung, das ausschließliche Vertriebsrecht für die Softwareprogramme zu übertragen. Die Würdigung, was Hauptbestandteil der Gesamtleistung und mithin bestimmend für den Steuersatz ist, ist eine Einzelfallentscheidung, die selbst dann nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO rechtfertigt, wenn sie, wie der Kläger meint, unzutreffend sein sollte.

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(4) Auch das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der Berücksichtigung eines möglichen Mitverschuldens des Steuergläubigers vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann die Berücksichtigung eines etwaigen finanzbehördlichen Fehlverhaltens nur in den Fällen überhaupt in Betracht kommen, in denen es ein solch erhebliches Ausmaß annimmt, dass demgegenüber das Verschulden des Haftungsschuldners nicht entscheidend ins Gewicht fällt (vgl. BFH-Urteil vom 30. August 2005 VII R 61/04, BFH/NV 2006, 232, m.w.N.). Es stellt keine Abweichung von der Rechtsprechung des BFH dar, wenn das FG die Auszahlung von Steuerguthaben nicht als ein nach § 191 der Abgabenordnung bei der Bemessung der Haftungsquote zu berücksichtigendes Mitverschulden des Steuergläubigers wertet.

11

bb) Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Sicherung der Rechtseinheit auch zuzulassen, wenn das angefochtene Urteil an einem Rechtsfehler leidet, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 43, m.w.N.). Dies ist bei einem offensichtlichen materiellen oder formellen Rechtsfehler von erheblichem Gewicht, der die Entscheidung der Vorinstanz als willkürlich oder greifbar gesetzwidrig erscheinen lässt, der Fall (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 IX B 169/03, BFH/NV 2005, 1057, m.w.N.).

12

Dem Vorbringen des Klägers, ein gravierender Rechtsfehler sei darin zu sehen, dass das FG nicht den Unterschied zwischen Beleihung und Besicherung kenne, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Selbst wenn das FG, wie der Kläger meint, zwischen Besicherung und Beleihung rechtsfehlerhaft nicht differenziert, wäre dies als bloßer Fehler der Rechtsanwendung, nicht aber als offensichtlicher Rechtsfehler von erheblichem Gewicht zu würdigen, der die angegriffene Entscheidung als willkürlich oder greifbar gesetzwidrig erscheinen lassen würde und geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO rechtfertigt dies jedenfalls nicht.

13

c) Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.

14

Der Kläger beanstandet, das FG habe die angebotenen Zeugen nicht gehört. Mit diesem Vorbringen rügt er einen Verstoß des FG gegen die Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 76 Abs. 1 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2008 VIII B 20-22/08, BFH/NV 2009, 183).

15

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Rüge der mangelnden Sachaufklärung wegen übergangener entscheidungserheblicher Beweisanträge voraus, dass der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darlegt, (1.) die ermittlungsbedürftigen Tatsachen, (2.) die angebotenen Beweismittel und die dazu angegebenen Beweisthemen, (3.) die genauen Fundstellen, in denen die Beweisthemen angeführt worden sind, (4.) das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme und (5.) inwiefern das angefochtene Urteil des FG aufgrund dessen materiell-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 183, m.w.N.).

16

Im Streitfall genügt die Beschwerdeschrift diesen Anforderungen nicht. Es fehlt bereits an der Darlegung der ermittlungsbedürftigen Tatsachen und der Bezeichnung des Beweisthemas. Der Kläger führt in seiner Beschwerdeschrift unter dem Punkt "Beweisthema" jeweils auf, was die Zeugen voraussichtlich ausgesagt hätten, ohne jedoch die ermittlungsbedürftige Tatsache oder das Beweisthema selbst zu bezeichnen. Das jeweilige Vorbringen unter dem Punkt "Entscheidungserheblichkeit" bezeichnet ebenso wenig weder eine ermittlungsbedürftige Tatsache noch ein Beweisthema.

17

bb) Die Revision ist darüber hinaus nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Urteil bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre. Dabei kommt es auf den materiell-rechtlichen Standpunkt des FG an (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 8. April 2010 V B 20/08, BFH/NV 2010, 1616, m.w.N.; vom 7. Februar 1995 V B 62/94, BFH/NV 1995, 861, m.w.N.).

18

Das angefochtene Urteil kann aber nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler der mangelnden Sachaufklärung i.S. des § 76 Abs. 1 FGO beruhen. Die übergangenen Beweisangebote waren nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG nicht entscheidungserheblich.

19

Eine Einvernahme von Zeugen zur Frage der Abgrenzung eines steuerfreien Schadensersatzes von einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbaren Leistungsaustausch war nicht erforderlich. Der vereinnahmte Betrag war, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, in Erfüllung der dem FG vorliegenden Vereinbarung geleistet worden. Die Würdigung dieser Vereinbarung ist Sache des Gerichts. Nach Würdigung des FG im Streitfall war Gegenstand dieser Vereinbarung, auf deren Grundlage die Zahlung erfolgte, ein Leistungsaustausch, kein Schadensersatz.

20

Das FG ist zutreffend der Auffassung, die Beurteilung der Umsatzsteuerpflicht des leistenden Unternehmers hänge nicht davon ab, ob der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug zu Recht in Anspruch genommen habe. Auf eine Befragung von Zeugen konnte es daher insoweit verzichten.

21

Auch auf die Befragung von Zeugen hinsichtlich einer etwaigen Tilgungsquote konnte das FG verzichten. Im Haftungszeitraum standen der Gesellschaft, für deren Umsatzsteuerschulden der Kläger in Haftung genommen wird, nach den Feststellungen des FG gegenüber dem Vater des Klägers Forderungen in einer Höhe zu, die die Steuerschulden weit überstiegen. Auf die Einvernahme von Zeugen wie etwa zum Umsatzrückgang und der betriebswirtschaftlichen Lage der Gesellschaft konnte das FG daher verzichten. Ob der Vater des Klägers im Haftungszeitraum an die Gesellschaft freiwillig Zahlungen geleistet hätte und die Beleihung seiner Grundstückshälfte zur Rückführung seiner Verbindlichkeiten möglich gewesen wäre, ist für die Entscheidung des FG nicht erheblich. Zeugen waren hierzu nicht zu vernehmen. Der Kläger hätte gegen seinen Vater und Vorgängergeschäftsführer gerichtlich vorgehen und notfalls aus einem vollstreckbaren Titel auch vollstrecken müssen.

22

d) Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage stellt, rügt er die aus seiner Sicht fehlerhafte Rechtsanwendung, also materiell-rechtliche Fehler. Einen Revisionszulassungsgrund begründet dies jedoch nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2008 IX B 249/07, BFH/NV 2008, 1512, m.w.N.).

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2. Die vom Kläger beantragte Anordnung des Ruhens des Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung kommt nicht in Betracht. Weder liegen hierzu übereinstimmende Anträge der Beteiligten vor, da der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) dem Antrag des Klägers nicht zugestimmt hat, noch erscheint die Anordnung der Verfahrensruhe zweckmäßig, da nach Mitteilung des FA keine weiteren Verhandlungen über eine außergerichtliche Einigung stattfinden.

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3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in seiner Beschwerdebegründung geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen nicht vor.

2

1. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) liegt vor, wenn das Finanzgericht (FG) seiner Überzeugungsbildung nicht den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde legt, insbesondere ist der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Kein Verfahrensmangel, sondern ein grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führender Verstoß gegen das materielle Recht ist hingegen gegeben, wenn das FG das tatsächliche Vorbringen oder Beweise unzutreffend würdigt (Senatsbeschluss vom 31. März 2009 X B 146/08, BFH/NV 2009, 1134).

3

Der Kläger macht geltend, er habe im Klageverfahren umfangreich vorgetragen, aus welchen Gründen die Einordnung des zu beurteilenden Raums als häusliches Arbeitszimmer den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht werde. Dies folge aus der Größe und der Gesamtinfrastruktur, der teilweise sieben Meter hohen Räume, der Ausstattung als Tonstudio und Medienarchiv. Der Arbeitsraum habe keine Wohnatmosphäre. Er sei räumlich getrennt und entfernt vom separaten Erdgeschoß. Gleichwohl habe das FG im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen des Urteils den zu dem Arbeitsraum führenden Flur als Wohnflur bezeichnet und zudem ausgeführt, der Arbeitsraum sei in die häusliche Sphäre eingebunden. Er sei von den Wohnräumen über einen zur Wohnung gehörenden Stichflur zu erreichen.

4

Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das FG hat im Tatbestand (Seite 4 Abs. 4 des angefochtenen Urteils) das vorstehend geschilderte Vorbringen des Klägers in wesentlichen Teilen wiedergegeben. Bei dieser Sachlage ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen bei seiner Entscheidungsfindung in Erwägung gezogen hat (Senatsbeschluss vom 10. Februar 2009 X B 165/08, BFH/NV 2009, 781). Soweit der Kläger rügt, das FG habe entgegen seinem Vorbringen den fraglichen Raum dem Wohnbereich zugerechnet, macht er im Ergebnis geltend, es habe die tatsächlichen Gegebenheiten unzutreffend gewürdigt. Dies ist --aber wie oben dargelegt-- kein Verfahrensmangel.

5

2. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und eine Verletzung von § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt zudem vor, wenn das FG einen Beweisantrag zu Unrecht übergeht. Ein solcher Verfahrensmangel ist ebenfalls nicht gegeben.

6

Die Verpflichtung zur Sachaufklärung gehört zu den Verfahrensvorschriften, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Bei verzichtbaren Mängeln, wie hier das Übergehen eines Beweisantrags, geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge, ein Verzichtswille ist nicht erforderlich (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 1. September 2008 IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung durch eine rechtskundige Person vertreten und für diese das Übergehen des Beweisantrags erkennbar war.

7

So ist es im Streitfall. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens waren in der mündlichen Verhandlung keine Umstände gegeben, aus denen der rechtskundig vertretene Kläger hätte annehmen können, das FG werde seinem bereits in der Klageschrift gestellten Antrag, sein Wohngebäude in Augenschein zu nehmen, entsprechen. Er war daher gehalten, vorsorglich das Übergehen dieses Beweisantrags zu rügen. Gegenteiliges ergibt sich nicht daraus, dass nach den Ausführungen in der weiteren Beschwerdebegründung vom 4. März 2010, deren Relevanz im Hinblick auf die abgelaufene Begründungsfrist zumindest zweifelhaft ist, in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 29. Oktober 2009 andere Fragen im Vordergrund der Erörterung standen. Hieraus konnte der Kläger nicht den Schluss ziehen, das FG gehe davon aus, der zu beurteilende Raum sei kein Arbeitszimmer, oder es werde einen Beschluss fassen, wonach ein Augenscheinsbeweis erhoben werde. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, der Vorsitzende habe im Rahmen der Darstellung des Sach- und Streitstands den Begriff häusliches Arbeitszimmer verwendet und nach einem Hinweis des klägerischen Prozessvertreters sinngemäß geäußert, er habe das so nicht gemeint, weil genau diese Frage ja erst noch einmal zu klären sei.

8

Ausweislich des Protokolls über die genannte mündliche Verhandlung hat der rechtskundig vertretene Kläger das Übergehen des Beweisantrags nicht gerügt und daher sein Rügerecht verloren. Er hat auch keinen Sachverhalt geschildert, aufgrund dessen sich dem FG eine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen.