Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2016 - 1 StR 254/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:290616B1STR254.16.0
bei uns veröffentlicht am29.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 254/16
vom
29. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:290616B1STR254.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 5. auf dessen Antrag – am 29. Juni 2016 gemäß § 44 Satz 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 1. Februar 2016 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. 2. Der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 7. April 2016, mit dem die Revision als unzulässig verworfen worden ist, ist gegenstandslos. 3. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Maßregelausspruch aufgehoben. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 5. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen, weil seine Steuerungsfähigkeit bei Begehung der ihm vorgeworfenen Tat sicher erheblich beeinträchtigt und nicht ausschließbar vollständig aufgehoben war. Er ist durch das angefochtene Urteil aber wegen einer als versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewerteten Anlasstat in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden.
2
Der Angeklagte begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist. Mit der auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision wendet er sich u.a. gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes bei der Anlasstat sowie gegen diejenige der Voraussetzungen des § 63 StGB.

I.


3
Die Wiedereinsetzung war auf den zulässig erhobenen Antrag (§ 45 StPO) zu gewähren, weil der Angeklagte nach seinem noch ausreichend glaubhaft gemachten Vorbringen ohne sein Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO) gehindert war, die Frist des § 345 Abs. 1 StPO zur Begründung der Revision einzuhalten. Die Fristversäumung beruht auf dem für den Angeklagten unverschuldeten Umstand einer mit Arbeitsunfähigkeit einhergehenden Erkrankung seines Verteidigers am letzten Tag der Rechtsmittelbegründungsfrist.
4
Durch die Wiedereinsetzung ist der die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO verwerfende Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 7. April 2016 gegenstandslos (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 1 StR 435/15, wistra 2016, 163).

II.


5
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
6
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte seit mindestens drei Jahren an einer dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB zugeordneten anhaltenden wahnhaften Störung (ICD-10: F22.8). Diese zeigt sich u.a. darin, dass er Stimmen aus dem Radio wahrnimmt, die schlecht über ihn sprechen und ihn beleidigen. Seit wenigstens einem Jahr vor Begehung der Anlasstat glaubt der Angeklagte krankheitsbedingt zudem, von anderen Personen häufig beschimpft und beleidigt zu werden. Zu den Personen, von denen solche vermeintlichen Kränkungen ausgehen, gehört nach den krankheitsbedingten Wahrnehmungen des Angeklagten auch der Nebenkläger, ein in seiner Nachbarschaft wohnender und arbeitender Mann, zu dem der Angeklagte früher einen guten Kontakt hatte. Außer der wahnhaften Störung hat die sachverständig beratene Strafkammer bei dem Angeklagten eine langjährig andauernde Alkoholerkrankung festgestellt. In alkoholisiertem Zustand verstärke sich seine Aggressivität gegenüber denjenigen Personen, von denen er sich aufgrund seiner wahnhaften bzw. psychotischen Wahrnehmungen beschimpft und beleidigt fühlt.
7
Bei Begehung der Anlasstat war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund der anhaltenden wahnhaften Störung im Zusammenwirken mit der akuten Alkoholisierung von maximal 2,8 Promille BAK (UA S. 25) sicher erheblich vermindert und – bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit – nicht ausschließbar vollständig aufgehoben.
8
2. Diese Feststellungen tragen die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) nicht in jeder Hinsicht. Zwar ist sowohl die Annahme der rechtswidrigen Anlasstat als auch diejenige deren Begehung im Zustand wenigstens erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat aber nicht erkennbar in den Blick genommen, dass bei dem Angeklagten aufgrund der Alkoholabhängigkeit , die sich bei der Begehung der Anlasstat ausgewirkt hat, auch die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB in Betracht kamen. Hätte die Strafkammer dies bedacht, lässt sich im Rahmen von § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB die Anordnung ausschließlich der Maßregel des § 64 StGB durch das Landgericht nicht völlig sicher ausschließen.
9
a) Die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB setzt voraus, dass der Ausschluss (§ 20 StGB) oder die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) auf einem länger andauernden psychischen Defekt des Täters beruht. Ein solcher Zustand kann auch dann vorliegen, wenn die für die Maßregelanordnung erforderliche, sicher zumindest erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit auf einem Zusammenwirken einer länger andauernden geistigseelischen Störung und dem Konsum von Alkohol beruht (BGH, Urteile vom 17. Februar 1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 374 f. und vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341, 342; siehe auch BGH, Beschlüsse vom 1. April 2014 – 2 StR 602/13, NStZ-RR 2014, 207 und vom 6. Oktober 2009 – 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42). Insoweit genügt, dass bei länger andauernden Störungen im Sinne von §§ 20, 21 StGB bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dieses getan haben (BGH jeweils aaO).
10
Diese Voraussetzungen sind festgestellt. Das Zusammenwirken der seit mehreren Jahren durchgängig auftretenden „anhaltenden wahnhaften Störung“ (ICD-10: F22.8) und des am Tattag konsumierten Alkohols ist der Grund für die wenigstens erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Ausführung des Messerstichs gegen den Oberkörper des Nebenklägers. Die mit der wahnhaften Störung einhergehende (verbale und körperliche ) Aggressivität des Angeklagten gegenüber den Personen, von denen er sich beschimpft und beleidigt wähnt, wird – wie auch in der konkreten Tatsituation – durch den Konsum von Alkohol gesteigert.
11
b) Das angefochtene Urteil belegt zudem in einer die revisionsgerichtlichen Überprüfung genügend ermöglichenden Weise (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341, 342 mwN) die Auswirkungen der vorhandenen wahnhaften Störung des Angeklagten auf dessen Steuerungsfähigkeit in der konkreten Tatsituation und warum die Anlasstat auf den festgestellten psychischen Zustand zurückzuführen ist.
12
c) Die Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält dennoch rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sich das Landgericht nicht zu den Voraussetzungen von § 72 Abs. 1 und 2 StGB verhält, obwohl die getroffenen Feststellungen dies geboten.
13
aa) § 72 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StGB gestatten, mehrere Maßregeln nebeneinander anzuordnen, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Das gilt auch für die Maßregeln gemäß § 63 StGB und § 64 StGB (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1997 – 2 StR 283/97, StV 1998, 72; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 72 Rn. 3 und 5; Hanack in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 72 Rn. 21). Allerdings darf die parallele Anordnung lediglich dann erfolgen, wenn von mehreren zur Erreichung des Maßregelzwecks gleich ge- eigneten Maßregeln nicht bereits die Anordnung einer von ihnen zur Zweckerreichung genügt (§ 72 Abs. 1 Satz 1 StGB). In diesem Fall verlangt § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allein die Maßregel anzuordnen, die mit dem geringeren Eingriff in die Rechte des Betroffenen verbunden ist. Im Verhältnis der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und der in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist dies bereits wegen der gesetzlichen Begrenzung der zulässigen Vollzugsdauer Letztgenannte (vgl. BGH aaO mwN; Fischer aaO § 72 Rn. 5; Hanack in Leipziger Kommentar zum StGB, aaO § 72 Rn. 21; Stree/Kinzig in Schönke/ Schröder, StGB, 29. Aufl., § 72 Rn. 4c).
14
bb) Im Hinblick auf die festgestellten Gesamtumstände zu der Person des Angeklagten und der begangenen Anlasstaten hätte das Tatgericht die Voraussetzungen von § 72 Abs. 1 und 2 StGB erörtern müssen. Denn außer der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus kam auch eine solche in einer Entziehungsanstalt in Betracht.
15
(1) Nach den Feststellungen des Landgerichts besteht bei dem Angeklagten ein Alkoholabhängigkeitssyndrom (UA S. 7 und 8). Der Konsum von Alkohol verstärkt seine wahnhaften Wahrnehmungen und steigert vor allem seine Aggressivität gegenüber Personen, die ihn vermeintlich beschimpfen und beleidigen (UA S. 9). Auf die Begehung der Anlasstat haben sich Abhängigkeit und die akute mittelgradige Alkoholisierung von maximal 2,8 Promille ausgewirkt , weil Letztere im Zusammenwirken mit der anhaltenden wahnhaften Störung die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sicher erheblich beeinträchtigt und nicht ausschließbar vollständig aufgehoben hat. Damit liegt der für die Anordnung der Maßregel des § 64 StGB erforderliche symptomatische Zusammenhang vor. Denn dieser ist bereits dann gegeben, wenn der Hang – gege- benenfalls neben anderen Ursachen – dazu beigetragen hat, dass der Täter die Tat begangen hat (BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – 4 StR 586/15 Rn. 3, NStZ-RR 2016, 173; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15 Rn. 8 mwN). Angesichts der die krankheitsbedingte Aggressivi- tät verstärkenden Wirkung des übermäßigen Alkoholkonsums kann nicht von vornherein eine (auch) auf die Alkoholabhängigkeit zurückgehende zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten verneint werden.
16
Der Senat vermag nicht völlig sicher auszuschließen, dass das Landgericht auch eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg (§ 64 Satz 2 StGB) angenommen hätte, wenn es die Möglichkeit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt des Angeklagten in den Blick genommen hätte. Zwar könnten die offenbar weitgehend fehlenden deutschen Sprachkenntnisse (UA S. 9) des seit 1968 im Inland lebenden Angeklagten einer Anordnung der Maßregel des § 64 StGB entgegenstehen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 411/07, StV 2008, 138 f.; siehe aber auch BGH, Urteil vom 22. Januar 2013 – 5 StR 378/12, NStZ-RR 2013, 171; Beschluss vom 10. Juli 2012 – 2 StR 85/12, NStZ 2012, 689 f.; näher dazu auch van Gemmeren in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 71 und 80 mwN). Ebenso könnte die vorhandene anhaltende wahnhafte Störung ein der hinreichenden Aussicht eines Therapieerfolges entgegenstehender Umstand sein (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21. August 2014 – 3 StR 341/14, NStZ 2015, 539 f. sowie BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315 f.). Da das Landgericht jedoch ungeachtet dessen § 64 StGB trotz festgestellter Alkoholabhängigkeit des Angeklagten gar nicht erörtert hat, vermag eine Anordnung dieser Maßregel durch den Tatrichter seitens des Senats nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen zu werden.
17
(2) Dies entzieht wegen der Regelung in § 72 Abs. 1 StGB der alleinigen Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) die Grundlage. Zwar wird der Angeklagte durch die unterbliebene zusätzliche Maßregel gemäß § 64 StGB nicht beschwert; vielmehr bedeutete eine kumulative Anordnung des § 64 StGB eine zusätzliche Beschwer (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 3 StR 6/16, NStZ-RR 2016, 169 f.). Der Senat kann aber wiederum nicht völlig sicher ausschließen, dass das Tatgericht in Anwendung von § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB den Angeklagten allein gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt untergebracht hätte, wenn es die Voraussetzung dieser Maßregel erörtert und zudem die Regelungen in § 72 Abs. 1 StGB bedacht hätte. Da dies zum Wegfall der den Angeklagten im Verhältnis zu § 64 StGB stärker beschwerenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1997 – 2 StR 283/97, StV 1998, 72; Fischer aaO § 72 Rn. 5; Hanack in Leipziger Kommentar zum StGB, aaO § 72 Rn. 21; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder aaO § 72 Rn. 4c) hätte führen können , ist der Angeklagte aber insoweit durch die unterbliebene Erörterung von § 64 StGB beschwert.
18
cc) Einer Aufhebung des Freispruchs im Hinblick auf die Wertung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO bedarf es vorliegend nicht, weil die den Freispruch tragenden Feststellungen zur Schuldunfähigkeit des Angeklagten ebenso rechtsfehlerfrei sind wie diejenigen zu den Voraussetzungen des § 63 StGB und lediglich noch zu prüfen ist, ob gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB anstelle der Maßregel des § 63 StGB eine solche nach § 64 StGB angeordnet wird.
19
dd) Der Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Der Rechtsfehler besteht lediglich in einer unzureichenden Erörterung der in Frage kommenden Rechtsfolgen der Anlasstat. Insbesondere zu den Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt werden ergänzende Feststellungen, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen dürfen, getroffen werden müssen. Da die besondere funktionelle Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer nicht mehr gegeben ist, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2015 – 3 StR 444/15 Rn. 10).

III.


20
Der neue Tatrichter wird bei der Entscheidung über die Anordnungvon Maßregeln nicht aus dem Blick verlieren, dass die Anlasstat ihre Wurzel in der anhaltenden wahnhaften Störung des Angeklagten hat, bei der es sich nicht um eine durch den Alkoholmissbrauch hervorgerufene Psychose handelt (UA S. 24). Angesichts der Feststellungen zur Gefährlichkeitsprognose dürfte es auch nicht naheliegen, dass die Gefährlichkeit des Angeklagten allein durch eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beseitigt werden könnte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 3 StR 6/16, NStZ-RR 2016, 169 f.; siehe auch Grünebaum R&P 2004, 187, 188 f.). Seine Alkoholabhängigkeit wird zudem regelmäßig im Vollzug der Maßregel des § 63 StGB mitbehandelt werden können (BGH, Beschluss vom 21. August 2014 – 3 StR 341/14, NStZ 2015, 539 f.). Sollte sich im Verlauf des Vollzugs der eventuell erneut angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ergeben, dass der Vollzug der Maßregel aus § 64 StGB geeigneter ist, kommt regelmäßig § 67a Abs. 1 StGB zur Anwendung.
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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2018 - 2 StR 14/18

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 14/18 vom 25. April 2018 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2018:250418U2STR14.18.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Apr

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Dez. 2017 - 1 StR 416/17

bei uns veröffentlicht am 05.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 416/17 vom 5. Dezember 2017 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:051217U1STR416.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vo

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War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 435/15
vom
11. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
hier: Wiedereinsetzungsgesuch
ECLI:DE:BGH:2016:110116B1STR435.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 44 Satz 1, § 46 Abs. 1 StPO am 11. Januar 2016 beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. Mai 2015 auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. 2. Der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 30. Juli 2015, mit dem es die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen hat, ist gegenstandslos.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil hat er Revision eingelegt und begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Begründung der Revision. Auf seinen Antrag hin war ihm gemäß § 44 Satz 1 StPO Wiedereinsetzung zu gewähren.
3
1. Dem Wiedereinsetzungsantrag liegt folgendes Geschehen zugrunde:
4
Der Angeklagte hatte durch seinen Verteidiger form- und fristgerecht Revision gegen das Urteil des Landgerichts vom 18. Mai 2015 eingelegt. Dieses wurde dem Verteidiger am 26. Juni 2015 zugestellt. Nachdem bis zum Fristablauf am Montag, den 27. Juli 2015 keine Rechtsmittelbegründung bei dem Landgericht eingegangen war, verwarf dieses die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO mit Beschluss vom 30. Juli 2015.
5
Die Zustellung dieses Beschlusses an den Verteidiger erfolgte am 6. August 2015. Mit Schriftsatz vom selben Tage beantragte dieser für den Angeklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete zugleich die Revision mit der Verletzung materiellen Rechts. In diesem Schriftsatz legte der Verteidiger u.a. dar, dass er am 13. Juli 2015, also noch während des Laufs der Rechtsmittelbegründungsfrist, den Angeklagten darüber unterrichtet hatte, keine Verfahrensbeanstandungen gefunden zu haben und der Bundesgerichtshof nunmehr aufgrund der materiell-rechtlichen Rüge das Urteil überprüfen müsse. Dabei habe er, der Verteidiger, übersehen, entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten und wie es seinem Antrag entsprochen hätte, das Rechtsmittel nicht sogleich mit der Einlegung mit der Verletzung materiellen Rechts begründet zu haben. Sein Fehler sei ihm erst durch die Zustellung des Verwerfungsbeschlusses aufgefallen. Den Angeklagten habe er noch am selben Tage davon unterrichtet. Dieser habe ihn mit dem Wiedereinsetzungsgesuch beauftragt.
6
2. Die Wiedereinsetzung war auf den zulässig erhobenen Antrag (§ 45 StPO) zu gewähren, weil der Angeklagte nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen ohne sein Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO) daran gehindert war, die Revision innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO zu begründen.
7
Das Verschulden seines Verteidigers an der Fristversäumnis ist dem Angeklagten nicht zuzurechnen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 44 Rn. 18 mwN). Nachdem der mit der Begründung des Rechtsmittels beauftragte Verteidiger den Angeklagten unterrichtet hatte, der Bundesgerichtshof habe auf die (vermeintlich) bereits erhobene Sachrüge das Urteil in materiell-rechtlicher Hinsicht zu überprüfen, durfte er auf das Vorliegen einer fristgemäß erfolgten Rechtsmittelbegründung durch seinen Verteidiger vertrauen. Zu einer Überwachung seines Verteidigers ist ein Angeklagter grundsätzlich nicht verpflichtet (BGH, Beschluss vom 23. Februar 1989 – 4 StR 67/89, BGHR StPO § 44 Satz 1 Verhinderung 6). Anhaltspunkte dafür, dass er sich auf die weitere ordnungsgemäße Behandlung des Rechtsmittels durch seinen Verteidiger nicht hätte verlassen dürfen, sind nicht ersichtlich.
8
3. Durch die Wiedereinsetzung ist der gemäß § 346 Abs. 1 StPO erfolgte Verwerfungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 30. Juli 2015 gegenstandslos.
Raum Graf Cirener Radtke Bär

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 2 8 7 / 1 5
vom
29. September 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. September
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 2. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB angeordnet. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer unbeschränkten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, insgesamt die Verletzung materiellen Rechts, wobei sie die Anordnung der vom Landgericht abgelehnten Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB anstrebt.
2
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat weitgehend Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Der Beschuldigte, der bereits sieben Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, davon auch zweimal wegen Körperverletzungsdelikten und zweimal wegen Bedrohung, wobei eine der Bedrohungen mit einem gefährlichen Gegenstand vorgenommen wurde, leidet an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung des impulsiven Typs (ICD-10: F60.30) und erheblichem Alkoholmissbrauch.
5
Am 3. Juni 2014 konsumierte er nach einem für ihn enttäuschenden Gang zum Arbeitsamt unbekannte Mengen an Bier und Schnaps. Als seine Ehefrau ihm gegen 16.00 Uhr begegnete, beschimpfte der erheblich alkoholi- sierte Beschuldigte sie als „Schlampe“ und dass sie mit anderen Männern schlafe, und folgte ihr auf ihrem Weg zur Bank. Hierbei passierte er den Biergarten eines Spielcenters, in dem sich die Gäste unterhielten und lachten. Der Beschuldigte war der Ansicht, die besagten Biergartengäste würden über ihn lachen, und ging nach Hause, um ein Samuraischwert (Gesamtlänge 98,5 cm, Klingenlänge 69,5 cm) und eine Machete (Gesamtlänge 49 cm, Klingenlänge 36,5 cm) zu holen. Hiermit fuchtelnd stellte er sich gegen 17.00 Uhr vor den Biergarten und rief den circa fünf bis sieben Metern entfernten Biergartengäs- ten, die seines Erachtens zuvor über ihn gelacht hatten, zu: „Dein Kopf gehört mir“ sowie „Rufts die Polizei“. Der Beschuldigte wollte sichmit dieser Drohung rächen, jedoch niemandem wirklich den Kopf abschlagen. Die Geschädigten verließen hierauf den Biergarten und riefen um 17.02 Uhr die Polizei, während der Beschuldigte in seine benachbarte Wohnung zurückkehrte und eine Langwaffe , Modell Carcano 1891, 6,5 mm Kaliber, bei der das Patronenlager ver- schlossen war, so dass die Waffe nicht mehr zum Verschießen von Munition geeignet war, holte.
6
Wieder am Biergarten angekommen richtete der Beschuldigte die Waffe auf die dort ermittelnden Polizeibeamten, PHM R. , PK W. und POK S. , und rief diesen zu, dass es sich um eine scharfe Waffe handele , die geladen sei, und er auch mit dieser umgehen könne. Daraufhin gingen die Polizeibeamten in Deckung und konnten ihre Ermittlungen nicht fortsetzen. Der Beschuldigte legte die Langwaffe ab und nahm erneut das Samuraischwert und die Machete zur Hand, ging mit diesen zur nächsten Kreuzung und forderte mit dem Samuraischwert und der Machete fuchtelnd wiederholt die Polizeibeamten auf, ihn zu erschießen. Dabei ging er zunächst aggressiv auf PHM R. zu, der rückwärts wich und den Beschuldigten aufforderte, die Messer wegzulegen. Als der Beschuldigte sich kurzzeitig neben dem Polizeibus niederkniete , erweckte er den Eindruck, er würde aufgeben, stand dann jedoch wieder auf und ging - erneut mit Samuraischwert und Machete in der Hand - diesmal auf POK S. mit der Forderung zu, ihn zu erschießen. POK S. wich circa 15 Meter mit gezückter Waffe zurück, aber der Beschuldigte schloss immer weiter auf. Auch PHM R. , PHM A. und PK W. hatten jeweils die Dienstwaffe gezückt und waren schussbereit. Als der Beschuldigte nur noch circa zwei Meter von POK S. entfernt war, feuerte PHM R. auf den Beschuldigten. Das Projektil ging durch den rechten Oberschenkel des Beschuldigten und schlug letztlich im linken Knie ein. Da der Beschuldigte nicht direkt zu Boden ging, folgten zwei weitere Schüsse, bis der Beschuldigte überwältigt werden konnte.
7
Der Beschuldigte hatte nach den Feststellungen des Landgerichts nicht vor, einen der Polizeibeamten zu verletzen und erachtete dies, da er die Messer zuletzt nach unten gerichtet hielt, auch nicht für möglich. Er wollte mit sei- nem Vorgehen ausschließlich die vier Polizeibeamten zur Schussabgabe auf ihn zwingen. Eine Blutprobe des Beschuldigten ergab im Wege der Rückrechnung eine maximale BAK von 2,6 Promille zum Tatzeitpunkt. Die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten war bei der Tat aufgrund einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen sowie eines leicht- bis mittelgradigen Rauschzustands mit kognitiven Funktionseinbußen wie Stimmungslabilität und deutlichen Aufmerksamkeitsstörungen sicher erheblich vermindert (§ 21 StGB) und nicht ausschließbar aufgehoben (§ 20 StGB).
8
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB hat das Landgericht abgelehnt.

II.

9
Das Urteil hält materiell-rechtlicher Nachprüfung weitgehend nicht stand.
10
1. Die Ablehnung der Maßregelanordnung nach § 63 StGB weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
11
a) Das sachverständig beratene Landgericht hat festgestellt, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei den am 3. Juni 2014 begangenen Taten in Folge einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen sowie eines leicht- bis mittelgradigen Rauschzustands mit kognitiven Funktionseinbußen wie Stimmungslabilität und deutlichen Aufmerksamkeitsstörungen sicher erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB und nicht ausschließbar sogar aufgehoben im Sinne des § 20 StGB war. Hierbei teilt das landgerichtliche Urteil jedoch nicht mit (wie aber erforderlich, vgl. u.a. BGH, Be- schluss vom 21. Juli 2015 - 2 StR 163/15), welches Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB vorliegend erfüllt ist und ob es sich dabei nur um eine vorübergehende Störung oder einen länger andauernden Defektzustand gehandelt hat. Dabei muss vom Tatgericht im Einzelnen dargelegt werden, wie sich die festgestellte , einem Merkmal von §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden psychischen Zustand zurückzuführen sind (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 18.November 2013 - 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 76 mwN). Dies kann schon deshalb nicht offen bleiben, weil die im Rahmen des § 63 StGB zu erstellende Gefährlichkeitsprognose maßgeblich an den Zustand des Betroffenen anknüpft (BGH, Beschluss vom 18. November 2013 - 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 77) und eine Unterbringung nach § 63 StGB nur in Betracht kommt, wenn eine länger andauernde Beeinträchtigung der geistigen oder seelischen Gesundheit vorliegt. Vorübergehende Defekte genügen nicht (BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 2 StR 209/05, NStZ-RR 2005, 370, 371; van Gemmeren in MüKoStGB, 2. Aufl., § 63 Rn. 31; Schöch in Leipziger Kommentar, 12. Aufl., § 63 Rn. 8). Auch bei Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und Alkoholkonsum kann eine Unterbringung nach § 63 StGB angebracht sein, wenn der Beschuldigte an einer krankhaften Alkoholsucht leidet, in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist oder an einer länger andauernden geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 1. April 2014 - 2 StR 602/13, NStZ-RR 2014, 207). Die Ausführungen des Landgerichts hierzu ermöglichen jedoch keine abschließende Beurteilung, ob ein solcher Fall hier gegeben ist.
12
b) Bei der Prüfung der Maßregelanordnung führt das Landgericht weiter aus, der Beschuldigte habe zwar im Zustand sicher verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) rechtswidrige Taten begangen, nämlich Bedrohungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Nötigung und versuchte Nötigungen, und es müsse bei dem Beschuldigten auch künftig mit vergleichbaren Taten gerechnet werden. Gleichwohl lehnt es die Maßregelanordnung ab, weil es - sich dem Sachverständigen diesbezüglich anschließend - keine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür erkenne, dass der Beschuldigte künftig eine versuchte oder vollendete Körperverletzung begehen werde. Unter Berücksichtigung der Vorstrafen des Beschuldigten und der hiesigen Tatbegehung, die ebenfalls nicht auf eine Körperverletzung, sondern nur auf Bedrohungs-, Nötigungs- und Widerstandshandlungen abzielte, sei auch für die Zukunft mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades nur mit Bedrohungs- und Nötigungsdelikten zu rechnen.
13
Zutreffend hat das Landgericht zwar erkannt, dass die Anlasstat selber nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB sein muss. Maßgeblich ist vielmehr, welche Taten künftig von dem Täter infolge seines Zustands zu erwarten sind und ob diese erheblich sind (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 15. August 2013 - 4 StR 179/13). Die Ausführungen des Landgerichts zur Gefährlichkeitsprognose lassen jedoch besorgen, dass es einen zu strengen Maßstab angelegt und verkannt hat, dass es nicht zwingend einer Körperverletzung als künftig zu erwartender Straftat bedarf. Bereits der erneut zu erwartende Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, bei dem jedenfalls von einem unbenannten besonders schweren Fall gemäß § 113 Abs. 2 Satz 1 StGB auszugehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 1972 - 2 StR 264/72), kann als mittlere Kriminalität gewertet werden. Ohnehin müssen die zu erwartenden Taten zwar grundsätzlich im Bereich mittlerer Kriminalität liegen, jedoch ist eine Unterbringung nach § 63 StGB auch unter dieser Schwelle nicht völlig ausgeschlossen. Dann ist allerdings eine besonders sorgfältige Darlegung der Gefährlichkeitsprognose und der konkreten Ausgestaltung der Taten erforderlich (BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2014 - 4 StR 111/14, NStZ 2014, 571, 573; vom 18. November 2013 - 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75 und vom 6. März 2013 - 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.). Auch Todesdrohungen können eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Rechtsfriedens darstellen, insbesondere wenn diese unter Einsatz gefährlicher Gegenstände ausgesprochen werden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. November 2013 - 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 77) und den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden beeinträchtigen , da die Bedrohung aus Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (BGH, Urteil vom 21. Mai 2014 - 1 StR 116/14; Beschlüsse vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338; vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 271, 272 und vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, StraFo 2008, 300, 301).
14
Vorliegend hat sich das Landgericht weder mit der Tatsache, dass sich der Beschuldigte mit einem Samuraischwert und einer Machete bis auf zwei Meter POK S. näherte und mit diesen Gegenständen bereits zuvor die Gäste des Biergartens mit einem derart massiven Auftreten bedroht hatte, dass diese sich ins Gebäude in Sicherheit brachten, noch mit dem Umstand, dass der Beschuldigte zwischenzeitlich eine für die Betroffenen nicht erkennbar funktionsunfähige Langwaffe zur Unterstreichung seiner Drohungen verwendete , auseinandergesetzt. Auch die Vorstrafen des Beschuldigten, unter anderem wegen Körperverletzungsdelikten und Bedrohungen mit gefährlichen Gegenständen , bleiben in diesem Zusammenhang unerörtert. Dies genügt nicht den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Ablehnung der Unterbringung nach § 63 StGB.
15
Das Übermaßverbot nach § 62 StGB würde hier einer Anordnung gemäß § 63 StGB nicht grundsätzlich entgegenstehen. Bei einer Abwägung der Gefahr für die Allgemeinheit aufgrund der vom Beschuldigten begangenen und zu erwartenden Taten gegenüber willkürlichen Opfern und des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht der von der Maßregel nach § 63 StGB Betroffenen stünde dieser Eingriff nicht von vorneherein außer Verhältnis (vgl. auch BGH, Urteil vom 30. November 2011 - 1 StR 341/11).
16
Die Ablehnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB ist auch nicht deshalb hinzunehmen, weil eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet worden ist. Da das Landgericht sich nicht dazu verhält, ob in erster Linie die Behandlung der Persönlichkeitsstörung oder des Alkoholmissbrauchs oder beider Phänomene erforderlich ist, können die Voraussetzungen des § 72 StGB ebenfalls nicht überprüft werden.
17
2. Die Anordnung der Unterbringung in einer Enziehungsanstalt nach § 64 StGB ist ohnehin nicht frei von Rechtsfehlern. Die Bejahung einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB begegnet rechtlichen Bedenken. Das Landgericht setzt sich insoweit über den Sachver- ständigen hinweg, der „Zweifel geäussert (hat), ob der Beschuldigte kognitiv und intellektuell in der Lage sei, eine Entziehungsbehandlung erfolgreich durchzustehen“ (UA S. 15). Genauere Ausführungen zu den wesentlichen An- knüpfungspunkten und Ausführungen des Sachverständigen lässt das landgerichtliche Urteil jedoch vermissen und verhält sich auch nicht zu der vom Sachverständigen für erforderlich gehaltenen testpsychologischen Zusatzuntersuchung. Zwar darf das Landgericht von der Einschätzung des Sachverständigen abweichen, doch hätte es sich dafür erschöpfend mit dessen Ausführungen auseinandersetzen und diese im Einzelnen darlegen müssen, da andernfalls dem Revisionsgericht eine Prüfung nicht möglich ist, ob der Tatrichter das Gut- achten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat sowie woher sich sein besseres Fachwissen ergibt, nachdem er zuvor glaubte, sachverständiger Beratung zu bedürfen (BGH, Urteile vom 12. Juni 2001 - 1 StR 190/01 und vom 10. Dezember 2009 - 4 StR 435/09, NStZ-RR 2010, 105, 106; BGH, Beschluss vom 25. April 2006 - 1 StR 579/05, NStZ-RR 2006, 242, 243). Dem genügt der bloße Verweis auf die Ernüchterung des Beschuldigten durch die eigenen Verletzungen als Tatfolgen und die dadurch bedingte Therapiebereitschaft nicht.
18
Ohne eine Bestimmung des Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB einerseits und nähere Ausführungen zur Therapierbarkeit der Persönlichkeitsstörung und des Alkoholmissbrauchs andererseits ist die erforderliche Grundlage für die Beurteilung der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht nicht gegeben (vgl. z.B. auch BGH, Urteil vom 11. August 2011 - 4 StR 267/11).
19
3. Das angefochtene Urteil war daher (sowohl als die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet als auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt worden war) aufzuheben.
20
Die Sache war zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass erneut eine Unterbringung des Beschuldigten angeordnet wird.
21
4. Von der Aufhebung nicht betroffen sind jedoch die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, die deshalb bestehen bleiben. Denn die diesen Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung weist keinen Rechtsfehler auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Insoweit war die Revision zu verwerfen. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Rothfuß Jäger Cirener Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 0 2 / 1 3
vom
1. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. April 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 2. August 2013
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung und Freiheitsberaubung schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und jeweils in Tateinheit hierzu schwerer sexueller Nötigung und Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Berichtigung des Schuldspruchs und der Aufhebung der Maßregel; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die Nebenklägerin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben der Nebenklägerin sowie dieser nahe stehender Personen zur Duldung einer dem Beischlaf ähnlichen Handlung - Eindringen mit dem Finger in die Scheide (BGH Urteil vom 28. Januar 2004 - 2 StR 351/03 - NStZ 2004, 440, 441) - genötigt, die diese besonders erniedrigte. Da somit das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllt war, war die Tat im Urteilstenor nicht als "schwere sexuelle Nötigung", sondern als "Vergewaltigung" zu bezeichnen (siehe nur BGH Beschluss vom 11. Oktober 2012 - 2 StR 161/12).
4
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) unterliegt der Aufhebung. Die Maßregel setzt u.a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (vgl. nur BGHSt 42, 385). Das Vorliegen eines solchen länger andauernden Zustands ist hier nicht belegt.
5
Die Kammer begründet ihn damit, dass der Angeklagte eine rechtswidrige Tat im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit begangen habe. Nach den Feststellungen war bei der Tat infolge einer Kombination aus Minderbegabung, kombinierter Persönlichkeitsstörung und erheblichem Alkoholkonsum die Steue- rungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert. Diese Ausführungen legen es - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - nahe, dass Minderbegabung und Persönlichkeitsstörung nicht alleine, sondern nur im Zusammentreffen mit der vorübergehenden Alkoholisierung zur Annahme des § 21 StGB geführt haben. Ist die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aber auf ein Zusammenwirken zwischen Persönlichkeitsstörung und Alkoholkonsum zurückzuführen, kann ein die Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigender Zustand nur angenommen werden, wenn der Angeklagte an einer krankhaften Alkoholsucht leidet, in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist oder an einer länger andauernden geistigen-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (siehe nur BGHSt 44, 369, 374 ff.; BGH NStZ-RR 2010, 170). Hierzu enthält das angefochtene Urteil jedoch keine Ausführungen; entsprechende Feststellungen in der neuen Hauptverhandlung erscheinen allerdings möglich.
6
Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat schließt mit Rücksicht auf das in den Feststellungen zum Ausdruck kommende Tatbild sowie die darauf Bezug nehmenden Ausführungen zur Strafzumessung aus, dass das Landgericht eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte, wenn die Anordnung der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus unterblieben wäre. Fischer Appl Schmitt RiBGH Dr. Ott ist aus Krehl tatsächlichen Gründen an der Unterschrift gehindert. Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 376/09
vom
6. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. Oktober
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 11. Mai 2009 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schwerer Brandstiftung und wegen Diebstahls in vier Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge im Rechtsfolgenausspruch Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
I. Nach den Feststellungen zur schweren Brandstiftung trank der Angeklagte am Tattag ab etwa 18.00 Uhr 12 bis 13 Flaschen Bier. Gegen 23.30 Uhr betrat er die in einem Mehrfamilienhaus gelegene Dachwohnung seiner früheren Freundin Nadine K. , zündete an der Garderobe und am Schlafzimmerschrank hängende Kleidungsstücke an und verließ die Wohnung. Dabei hielt er es für möglich und nahm es billigend in Kauf, dass das Feuer das Haus erfassen werde. Das Haus geriet in Brand und die Wohnungen wurden unbewohnbar. Es entstand ein Schaden in Höhe von 139.000 €.
3
II. Der gesamte Strafausspruch hat keinen Bestand.
4
1. Die sachverständig beratene Jugendkammer hat bei der schweren Brandstiftung eine verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten bejaht und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Der Angeklagte leide an einer schweren Borderline-Persönlichkeitsstörung impulsiven Typs bei durchgängig bestehender Störung der Impulskontrolle. Da seine Affektregulation deutlich herabgesetzt sei, äußerten sich Wutausbrüche in Körperverletzungen, Sachbeschädigungen , Autoaggressionen und in Brandstiftungen. Zerstörerische Taten zum Nachteil von Personen, mit denen er eine Beziehung gehabt habe, hätten Symptomcharakter für die Persönlichkeitsstörung. Bei dieser handele es sich nach ihrem Gewicht um eine schwere andere seelische Abartigkeit, weil durch sie das Selbstwertgefühl, die Beziehungsgestaltung, die Affektregulation und damit insgesamt die Lebensführung des Angeklagten in erheblichem Maße beeinträchtigt seien. Infolge der Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit der Alkoholisierung sei von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit auszugehen.
5
Das Landgericht hat auf die verfahrensgegenständlichen Taten, die der Angeklagte zum Teil als Heranwachsender beging, gemäß § 32 JGG Erwach- senenstrafrecht angewendet. Es hat einen minder schweren Fall der schweren Brandstiftung verneint, den Strafrahmen des § 306 a Abs. 1 StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert und eine Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten festgesetzt. Aus dieser Strafe sowie den Einzelstrafen für die jeweils zwei Fälle des vollendeten und des versuchten Diebstahls von einmal fünf, zweimal drei und einmal zwei Monaten Freiheitsstrafe hat es dann eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gebildet.
6
2. Gegen die Begründung, mit der die Jugendkammer einen minder schweren Fall der schweren Brandstiftung abgelehnt hat, bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.
7
Sie hat nicht erkennbar geprüft, ob wegen der zu Gunsten des Angeklagten angeführten Strafzumessungserwägungen und der verminderten Steuerungsfähigkeit infolge der Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit der Alkoholisierung ein minder schwerer Fall der schweren Brandstiftung bejaht werden kann (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 86; § 50 Rdn. 4). Die Jugendkammer hat lediglich darauf abgestellt, dass die Alkoholisierung nicht ohne weiteres die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigt, und zwar selbst dann nicht, wenn infolge der Alkoholisierung die Voraussetzungen des § 21 StGB vorliegen sollten (UA S. 27). Damit hat sie weder die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten noch den vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB, den sie wegen der Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit dem Alkoholkonsum als gegeben angenommen hat, in ihre Abwägung einbezogen.
8
Weiterhin hat die Jugendkammer bei der Ablehnung des minder schweren Falles und der konkreten Strafzumessung rechtsfehlerhaft zu Lasten des Angeklagten gewertet, die Brandstiftung aus Wut darüber, dass sich die Geschädigte K. einem anderen Mann zugewandt habe, stelle sich als Aus- druck eines krassen, nicht mehr nachvollziehbaren Besitzdenkens und damit eines besonders verachtenswerten Motivs dar. Diese Formulierung lässt besorgen , dass das Landgericht dem Angeklagten diese Tatmotivation uneingeschränkt vorgeworfen hat, obwohl sie ihre Ursache in der festgestellten Persönlichkeitsstörung hat (vgl. BGHR StGB § 21 Strafzumessung 5; Fischer aaO § 46 Rdn. 28).
9
Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass sich die dargestellten Rechtsfehler bei der Bemessung der für die schwere Brandstiftung verhängten Einzelstrafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben.
10
3. Die Aufhebung der wegen der schweren Brandstiftung verhängten Einzelstrafe führt zum Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat hat auch die Einzelstrafen für die jeweils zwei Fälle des Diebstahls und des versuchten Diebstahls aufgehoben, um dem neuen Tatrichter eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, zumal dieser wiederum zu prüfen haben wird, ob auf alle Taten Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Außerdem kann bei der Anwendung von Jugendstrafrecht unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 JGG von einer Jugendstrafe abgesehen werden.
11
III. Die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) kann ebenfalls nicht bestehen bleiben.
12
Diese Maßregel setzt die positive Feststellung eines länger andauernden , nicht nur vorübergehenden Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 26 f.; 42, 385 f.). Sie bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt.
13
Das Vorliegen eines länger andauernden Zustandes im Sinne des § 63 StGB beim Angeklagten ist nicht belegt. Vielmehr ist zu besorgen, dass die Jugendkammer rechtsfehlerhaft den Zustand mit der erheblich verminderten Schuldfähigkeit gleichgesetzt hat (vgl. Fischer aaO § 63 Rdn. 6). Nach den Feststellungen war der Angeklagte bei der schweren Brandstiftung, die entscheidend für die Unterbringungsanordnung war, als Folge der Persönlichkeitsstörung in Kombination mit der Alkoholisierung, die regelmäßig nur vorübergehender Natur ist, in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert. Diese Ausführungen legen es nahe, dass die Persönlichkeitsstörung allein die verminderte Schuldfähigkeit nicht bewirkte. In einem Fall, in dem die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf das Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und Alkoholkonsum zurückzuführen ist, liegt ein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigender Zustand nur vor, wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet, in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 9 und 30) oder eine länger andauernde geistig-seelische Störung hat, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGHSt 44, 369, 373 ff.). Dazu verhält sich das Urteil nicht.
14
IV. Wegen der dargestellten Rechtsfehler hebt der Senat den Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen zur Schuldfähigkeitsbeurteilung und zu den Voraussetzungen des § 63 StGB auf. Der Schuldspruch kann bestehen bleiben, weil eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei allen Taten sicher auszuschließen ist. Sollte der neue Tatrichter die Voraussetzungen des § 21 StGB auch aufgrund einer Alkoholisierung bejahen und wiederum feststellen , dass vom Angeklagten auch künftig erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, so wird er zu prüfen haben, ob dieser Gefahr schon durch die we- niger beschwerende Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ausreichend begegnet werden kann (vgl. Fischer aaO § 72 Rdn. 5).
Becker Pfister von Lienen
Sost-Scheible Schäfer

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 2 8 7 / 1 5
vom
29. September 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. September
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 2. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB angeordnet. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer unbeschränkten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, insgesamt die Verletzung materiellen Rechts, wobei sie die Anordnung der vom Landgericht abgelehnten Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB anstrebt.
2
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat weitgehend Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Der Beschuldigte, der bereits sieben Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, davon auch zweimal wegen Körperverletzungsdelikten und zweimal wegen Bedrohung, wobei eine der Bedrohungen mit einem gefährlichen Gegenstand vorgenommen wurde, leidet an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung des impulsiven Typs (ICD-10: F60.30) und erheblichem Alkoholmissbrauch.
5
Am 3. Juni 2014 konsumierte er nach einem für ihn enttäuschenden Gang zum Arbeitsamt unbekannte Mengen an Bier und Schnaps. Als seine Ehefrau ihm gegen 16.00 Uhr begegnete, beschimpfte der erheblich alkoholi- sierte Beschuldigte sie als „Schlampe“ und dass sie mit anderen Männern schlafe, und folgte ihr auf ihrem Weg zur Bank. Hierbei passierte er den Biergarten eines Spielcenters, in dem sich die Gäste unterhielten und lachten. Der Beschuldigte war der Ansicht, die besagten Biergartengäste würden über ihn lachen, und ging nach Hause, um ein Samuraischwert (Gesamtlänge 98,5 cm, Klingenlänge 69,5 cm) und eine Machete (Gesamtlänge 49 cm, Klingenlänge 36,5 cm) zu holen. Hiermit fuchtelnd stellte er sich gegen 17.00 Uhr vor den Biergarten und rief den circa fünf bis sieben Metern entfernten Biergartengäs- ten, die seines Erachtens zuvor über ihn gelacht hatten, zu: „Dein Kopf gehört mir“ sowie „Rufts die Polizei“. Der Beschuldigte wollte sichmit dieser Drohung rächen, jedoch niemandem wirklich den Kopf abschlagen. Die Geschädigten verließen hierauf den Biergarten und riefen um 17.02 Uhr die Polizei, während der Beschuldigte in seine benachbarte Wohnung zurückkehrte und eine Langwaffe , Modell Carcano 1891, 6,5 mm Kaliber, bei der das Patronenlager ver- schlossen war, so dass die Waffe nicht mehr zum Verschießen von Munition geeignet war, holte.
6
Wieder am Biergarten angekommen richtete der Beschuldigte die Waffe auf die dort ermittelnden Polizeibeamten, PHM R. , PK W. und POK S. , und rief diesen zu, dass es sich um eine scharfe Waffe handele , die geladen sei, und er auch mit dieser umgehen könne. Daraufhin gingen die Polizeibeamten in Deckung und konnten ihre Ermittlungen nicht fortsetzen. Der Beschuldigte legte die Langwaffe ab und nahm erneut das Samuraischwert und die Machete zur Hand, ging mit diesen zur nächsten Kreuzung und forderte mit dem Samuraischwert und der Machete fuchtelnd wiederholt die Polizeibeamten auf, ihn zu erschießen. Dabei ging er zunächst aggressiv auf PHM R. zu, der rückwärts wich und den Beschuldigten aufforderte, die Messer wegzulegen. Als der Beschuldigte sich kurzzeitig neben dem Polizeibus niederkniete , erweckte er den Eindruck, er würde aufgeben, stand dann jedoch wieder auf und ging - erneut mit Samuraischwert und Machete in der Hand - diesmal auf POK S. mit der Forderung zu, ihn zu erschießen. POK S. wich circa 15 Meter mit gezückter Waffe zurück, aber der Beschuldigte schloss immer weiter auf. Auch PHM R. , PHM A. und PK W. hatten jeweils die Dienstwaffe gezückt und waren schussbereit. Als der Beschuldigte nur noch circa zwei Meter von POK S. entfernt war, feuerte PHM R. auf den Beschuldigten. Das Projektil ging durch den rechten Oberschenkel des Beschuldigten und schlug letztlich im linken Knie ein. Da der Beschuldigte nicht direkt zu Boden ging, folgten zwei weitere Schüsse, bis der Beschuldigte überwältigt werden konnte.
7
Der Beschuldigte hatte nach den Feststellungen des Landgerichts nicht vor, einen der Polizeibeamten zu verletzen und erachtete dies, da er die Messer zuletzt nach unten gerichtet hielt, auch nicht für möglich. Er wollte mit sei- nem Vorgehen ausschließlich die vier Polizeibeamten zur Schussabgabe auf ihn zwingen. Eine Blutprobe des Beschuldigten ergab im Wege der Rückrechnung eine maximale BAK von 2,6 Promille zum Tatzeitpunkt. Die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten war bei der Tat aufgrund einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen sowie eines leicht- bis mittelgradigen Rauschzustands mit kognitiven Funktionseinbußen wie Stimmungslabilität und deutlichen Aufmerksamkeitsstörungen sicher erheblich vermindert (§ 21 StGB) und nicht ausschließbar aufgehoben (§ 20 StGB).
8
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB hat das Landgericht abgelehnt.

II.

9
Das Urteil hält materiell-rechtlicher Nachprüfung weitgehend nicht stand.
10
1. Die Ablehnung der Maßregelanordnung nach § 63 StGB weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
11
a) Das sachverständig beratene Landgericht hat festgestellt, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei den am 3. Juni 2014 begangenen Taten in Folge einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen sowie eines leicht- bis mittelgradigen Rauschzustands mit kognitiven Funktionseinbußen wie Stimmungslabilität und deutlichen Aufmerksamkeitsstörungen sicher erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB und nicht ausschließbar sogar aufgehoben im Sinne des § 20 StGB war. Hierbei teilt das landgerichtliche Urteil jedoch nicht mit (wie aber erforderlich, vgl. u.a. BGH, Be- schluss vom 21. Juli 2015 - 2 StR 163/15), welches Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB vorliegend erfüllt ist und ob es sich dabei nur um eine vorübergehende Störung oder einen länger andauernden Defektzustand gehandelt hat. Dabei muss vom Tatgericht im Einzelnen dargelegt werden, wie sich die festgestellte , einem Merkmal von §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden psychischen Zustand zurückzuführen sind (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 18.November 2013 - 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 76 mwN). Dies kann schon deshalb nicht offen bleiben, weil die im Rahmen des § 63 StGB zu erstellende Gefährlichkeitsprognose maßgeblich an den Zustand des Betroffenen anknüpft (BGH, Beschluss vom 18. November 2013 - 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 77) und eine Unterbringung nach § 63 StGB nur in Betracht kommt, wenn eine länger andauernde Beeinträchtigung der geistigen oder seelischen Gesundheit vorliegt. Vorübergehende Defekte genügen nicht (BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 2 StR 209/05, NStZ-RR 2005, 370, 371; van Gemmeren in MüKoStGB, 2. Aufl., § 63 Rn. 31; Schöch in Leipziger Kommentar, 12. Aufl., § 63 Rn. 8). Auch bei Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und Alkoholkonsum kann eine Unterbringung nach § 63 StGB angebracht sein, wenn der Beschuldigte an einer krankhaften Alkoholsucht leidet, in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist oder an einer länger andauernden geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 1. April 2014 - 2 StR 602/13, NStZ-RR 2014, 207). Die Ausführungen des Landgerichts hierzu ermöglichen jedoch keine abschließende Beurteilung, ob ein solcher Fall hier gegeben ist.
12
b) Bei der Prüfung der Maßregelanordnung führt das Landgericht weiter aus, der Beschuldigte habe zwar im Zustand sicher verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) rechtswidrige Taten begangen, nämlich Bedrohungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Nötigung und versuchte Nötigungen, und es müsse bei dem Beschuldigten auch künftig mit vergleichbaren Taten gerechnet werden. Gleichwohl lehnt es die Maßregelanordnung ab, weil es - sich dem Sachverständigen diesbezüglich anschließend - keine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür erkenne, dass der Beschuldigte künftig eine versuchte oder vollendete Körperverletzung begehen werde. Unter Berücksichtigung der Vorstrafen des Beschuldigten und der hiesigen Tatbegehung, die ebenfalls nicht auf eine Körperverletzung, sondern nur auf Bedrohungs-, Nötigungs- und Widerstandshandlungen abzielte, sei auch für die Zukunft mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades nur mit Bedrohungs- und Nötigungsdelikten zu rechnen.
13
Zutreffend hat das Landgericht zwar erkannt, dass die Anlasstat selber nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB sein muss. Maßgeblich ist vielmehr, welche Taten künftig von dem Täter infolge seines Zustands zu erwarten sind und ob diese erheblich sind (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 15. August 2013 - 4 StR 179/13). Die Ausführungen des Landgerichts zur Gefährlichkeitsprognose lassen jedoch besorgen, dass es einen zu strengen Maßstab angelegt und verkannt hat, dass es nicht zwingend einer Körperverletzung als künftig zu erwartender Straftat bedarf. Bereits der erneut zu erwartende Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, bei dem jedenfalls von einem unbenannten besonders schweren Fall gemäß § 113 Abs. 2 Satz 1 StGB auszugehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 1972 - 2 StR 264/72), kann als mittlere Kriminalität gewertet werden. Ohnehin müssen die zu erwartenden Taten zwar grundsätzlich im Bereich mittlerer Kriminalität liegen, jedoch ist eine Unterbringung nach § 63 StGB auch unter dieser Schwelle nicht völlig ausgeschlossen. Dann ist allerdings eine besonders sorgfältige Darlegung der Gefährlichkeitsprognose und der konkreten Ausgestaltung der Taten erforderlich (BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2014 - 4 StR 111/14, NStZ 2014, 571, 573; vom 18. November 2013 - 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75 und vom 6. März 2013 - 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.). Auch Todesdrohungen können eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Rechtsfriedens darstellen, insbesondere wenn diese unter Einsatz gefährlicher Gegenstände ausgesprochen werden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. November 2013 - 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 77) und den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden beeinträchtigen , da die Bedrohung aus Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (BGH, Urteil vom 21. Mai 2014 - 1 StR 116/14; Beschlüsse vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338; vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 271, 272 und vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, StraFo 2008, 300, 301).
14
Vorliegend hat sich das Landgericht weder mit der Tatsache, dass sich der Beschuldigte mit einem Samuraischwert und einer Machete bis auf zwei Meter POK S. näherte und mit diesen Gegenständen bereits zuvor die Gäste des Biergartens mit einem derart massiven Auftreten bedroht hatte, dass diese sich ins Gebäude in Sicherheit brachten, noch mit dem Umstand, dass der Beschuldigte zwischenzeitlich eine für die Betroffenen nicht erkennbar funktionsunfähige Langwaffe zur Unterstreichung seiner Drohungen verwendete , auseinandergesetzt. Auch die Vorstrafen des Beschuldigten, unter anderem wegen Körperverletzungsdelikten und Bedrohungen mit gefährlichen Gegenständen , bleiben in diesem Zusammenhang unerörtert. Dies genügt nicht den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Ablehnung der Unterbringung nach § 63 StGB.
15
Das Übermaßverbot nach § 62 StGB würde hier einer Anordnung gemäß § 63 StGB nicht grundsätzlich entgegenstehen. Bei einer Abwägung der Gefahr für die Allgemeinheit aufgrund der vom Beschuldigten begangenen und zu erwartenden Taten gegenüber willkürlichen Opfern und des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht der von der Maßregel nach § 63 StGB Betroffenen stünde dieser Eingriff nicht von vorneherein außer Verhältnis (vgl. auch BGH, Urteil vom 30. November 2011 - 1 StR 341/11).
16
Die Ablehnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB ist auch nicht deshalb hinzunehmen, weil eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet worden ist. Da das Landgericht sich nicht dazu verhält, ob in erster Linie die Behandlung der Persönlichkeitsstörung oder des Alkoholmissbrauchs oder beider Phänomene erforderlich ist, können die Voraussetzungen des § 72 StGB ebenfalls nicht überprüft werden.
17
2. Die Anordnung der Unterbringung in einer Enziehungsanstalt nach § 64 StGB ist ohnehin nicht frei von Rechtsfehlern. Die Bejahung einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB begegnet rechtlichen Bedenken. Das Landgericht setzt sich insoweit über den Sachver- ständigen hinweg, der „Zweifel geäussert (hat), ob der Beschuldigte kognitiv und intellektuell in der Lage sei, eine Entziehungsbehandlung erfolgreich durchzustehen“ (UA S. 15). Genauere Ausführungen zu den wesentlichen An- knüpfungspunkten und Ausführungen des Sachverständigen lässt das landgerichtliche Urteil jedoch vermissen und verhält sich auch nicht zu der vom Sachverständigen für erforderlich gehaltenen testpsychologischen Zusatzuntersuchung. Zwar darf das Landgericht von der Einschätzung des Sachverständigen abweichen, doch hätte es sich dafür erschöpfend mit dessen Ausführungen auseinandersetzen und diese im Einzelnen darlegen müssen, da andernfalls dem Revisionsgericht eine Prüfung nicht möglich ist, ob der Tatrichter das Gut- achten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat sowie woher sich sein besseres Fachwissen ergibt, nachdem er zuvor glaubte, sachverständiger Beratung zu bedürfen (BGH, Urteile vom 12. Juni 2001 - 1 StR 190/01 und vom 10. Dezember 2009 - 4 StR 435/09, NStZ-RR 2010, 105, 106; BGH, Beschluss vom 25. April 2006 - 1 StR 579/05, NStZ-RR 2006, 242, 243). Dem genügt der bloße Verweis auf die Ernüchterung des Beschuldigten durch die eigenen Verletzungen als Tatfolgen und die dadurch bedingte Therapiebereitschaft nicht.
18
Ohne eine Bestimmung des Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB einerseits und nähere Ausführungen zur Therapierbarkeit der Persönlichkeitsstörung und des Alkoholmissbrauchs andererseits ist die erforderliche Grundlage für die Beurteilung der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht nicht gegeben (vgl. z.B. auch BGH, Urteil vom 11. August 2011 - 4 StR 267/11).
19
3. Das angefochtene Urteil war daher (sowohl als die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet als auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt worden war) aufzuheben.
20
Die Sache war zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass erneut eine Unterbringung des Beschuldigten angeordnet wird.
21
4. Von der Aufhebung nicht betroffen sind jedoch die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, die deshalb bestehen bleiben. Denn die diesen Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung weist keinen Rechtsfehler auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Insoweit war die Revision zu verwerfen. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Rothfuß Jäger Cirener Radtke Fischer

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

3
2. Zur Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat der Generalbundesanwalt Folgendes ausgeführt: „Die Ablehnung der Anordnung einer Unterbringungdes Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB [hält] rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat festgestellt, dass bei dem drogenabhängigen Angeklagten ein Hang zur Einnahme von berauschenden Mitteln im Übermaß vorliegt. Es hat gleichwohl von der Unterbringung abgesehen , weil sich ein symptomatischer Zusammenhang zwischen diesem Hang und den Taten nicht feststellen lasse. Der Angeklagte sei erst im Zusammenhang mit der ersten Tat wieder zum Konsum von Amphetamin und später auch Kokain gelangt. Der Drogenhandel habe in erster Linie zur Finanzierung seines gehobenen Lebensstandards gedient.
8
Ein symptomatischer Zusammenhang liegt vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 6. No- vember 2013 – 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Das mag zwar im Einzelfall dennoch auszuschließen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2003 – 1 StR 406/03, NStZ-RR 2004, 39), hier hat das Landgericht hingegen mehrmals im Urteil dargelegt, dass der Hang des Angeklagten die Wurzel zu seiner Straffälligkeit bildet.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 411/07
vom
18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 17. April 2007 dahin geändert, dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere beanstandet sie zuungunsten des Angeklagten die von der Strafkammer angenommene erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB und die damit begründete Strafrahmenverschiebung. Diese beruhe auf einem unzureichenden psychiatrischen Sachverständigengutachten. Außerdem lägen die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht vor. Insoweit wirkt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu- gunsten des Angeklagten (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO), was allerdings entgegen Nr. 147 Abs. 3 Satz 2 RiStBV nicht zum Ausdruck gebracht wurde. Das Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt nur insoweit vertreten, als es sich gegen die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt richtet. In diesem Umfang hat das Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
1. Der Angeklagte, ein italienischer Staatsangehöriger, ist seit seinem 15. Lebensjahr Haschischkonsument. Mit 18 Jahren schnupfte er daneben auch Kokain. Ab dem 19. Lebensjahr trank er auch gelegentlich Alkohol. Das Geld für den Drogenkonsum verdiente er sich durch Gelegenheitsarbeiten. Er lebte überwiegend bei seiner Adoptivmutter in Neapel. Nachdem ihn seine Adoptivmutter bei der Polizei angezeigt hatte, verbrachte er statt der Verbüßung einer an sich verwirkten Freiheitsstrafe die Zeit von November 2002 bis April 2006 in verschiedenen Therapiegemeinschaften der italienischen Drogenhilfeeinrichtung SAMAN. Anfang Mai 2006 wurde er aus dem Programm entlassen und kehrte nach Neapel zurück. Nach seiner Rückkehr stand er vor dem Nichts, da seine Adoptivmutter in der Zwischenzeit verstorben war und ihm jeglicher sozialer Empfangsraum fehlte. Er bekam Depressionen, entwickelte Ängste und trank wieder vermehrt Alkohol. Wegen seiner depressiven Verstimmungen wurde er vom 19. bis 24. Mai 2006 in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses in Neapel stationär behandelt. Nach nur fünf Tagen wurde er dort auf eigenen Wunsch entlassen. Nach seiner Entlassung begab sich der Angeklagte am 26. Mai 2006 nach München, um sich eine Arbeit als Küchenhilfe zu suchen. Er bekam in der Nähe von München eine Stelle in einer Pizzeria, wo er zur Probe arbeiten durfte. Wegen seiner langsamen Arbeitsweise und seiner Trägheit war der Betreiber der Pizzeria nicht mit seiner Arbeitsleistung zufrieden und eröffnete ihm am 29. Mai 2006 nach Auszahlung eines Arbeitsentgelts von 100 €, dass er nicht eingestellt werde.
4
2. Den Vormittag des Tattages, des 29. Mai 2006, verbrachte der Angeklagte damit, Alkohol zu trinken sowie mit dem vergeblichen Versuch, bei der Post an Geld heranzukommen, das ihm seine Schwester aus Italien überweisen sollte. Eine freundliche 72 Jahre alte Postkundin bot ihm an, sich für ihn von ihrer Wohnung aus telefonisch um eine Übernachtungsmöglichkeit zu bemühen. Während die Frau telefonierte, nahm er in der Küche ihren dort abgelegten Geldbeutel an sich, in dem sich 35 € Bargeld und zwei EC-Karten befanden. Danach verhielt sich der Angeklagte zunächst weiter plan- und ziellos, trank Alkohol und spielte an Automaten.
5
Gegen 17.00 Uhr erwarb er in einem Supermarkt ein ca. 29 cm langes, vorne spitz zulaufendes Küchenmesser mit der Absicht, dieses bei einer Straftat einzusetzen. Er begab sich auf den Kunden-Parkplatz des Supermarktes, wo eine Kundin gemeinsam mit ihrer neunjährigen Tochter dabei war, die eingekauften Gegenstände in ihrem Pkw zu verstauen. Die Geschädigte und ihre Tochter waren gerade eingestiegen, um nach Hause zu fahren, als der Angeklagte mit der linken Hand die Fahrertür aufriss und die Geschädigte unter Bedrohung mit dem Messer aufforderte, den Pkw zu verlassen. Er hielt ihr das Küchenmesser mit der rechten Hand vor den Unterleib und deutete mit dem Messer auch in Richtung auf das Kind. Dadurch veranlasste er beide, den Pkw zu verlassen. Diese verstanden die in italienischer Sprache gemachten Aufforderungen nicht, empfanden aber die Gesamtsituation als bedrohlich. Der Angeklagte setzte sich ans Steuer, verlor aber nach kurzer Fahrt die Kontrolle über den Pkw und blieb im Gartenzaun eines nahe gelegenen Grundstücks hängen. An dem Pkw entstand Totalschaden. Er flüchtete zu Fuß und wurde gegen 19.00 Uhr schlafend angetroffen und festgenommen. Ihm wurde um 19.26 Uhr und um 19.51 Uhr Blut entnommen. Es wurde eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,94 o/oo und von 1,85 o/oo festgestellt. Die Strafkammer ist, sachverständig beraten, von einer auf den Tatzeitpunkt zurückgerechneten maximalen BAK von 2,8 o/oo bei der ersten Tat und 2,6 o/oo bei der zweiten Tat ausgegangen.

II.


6
Die Revision ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
7
1. Die Strafzumessung ist rechtsfehlerfrei. Der Senat kann den für das Revisionsverfahren allein maßgeblichen Urteilsgründen entnehmen, dass die Strafkammer - die sich sowohl von einem Rechtsmediziner als auch von einer forensisch-psychiatrischen Sachverständigen hat beraten lassen - bei der Annahme der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist. Soweit die Beschwerdeführerin, die die Diagnosen der Sachverständigen selbst nicht in Frage stellt, eigene methodenkritische Ausführungen zum vorläufigen schriftlichen Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen macht, ist dem Senat die inhaltliche Prüfung schon deshalb verwehrt, weil die Staatsanwaltschaft – unabhängig von der Frage, ob nicht ohnehin eine Verfahrensrüge zu erheben gewesen wäre - das schriftliche Gutachten nicht mitgeteilt hat.
8
a) Bezogen auf den Einfluss von Alkohol auf die Steuerungsfähigkeit ist die Kammer mit dem rechtsmedizinischen Sachverständigen rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass bezogen auf die Tatzeit kein eindeutiges durch die Einnahme von Alkohol beeinflusstes Leistungsdefizitbild, sondern nur ein Mischbild vorliegt. Die Kammer hat die maßgeblichen Anknüpfungstatsachen ausführlich dargelegt und unter Zugrundelegung der maximalen BAK und dem gezeigten Verhalten (motorische Auffälligkeiten, eigengefährdende Handlungsweise , Enthemmung, fehlende Zielgerichtetheit) Hinweise auf eine Rauschbeeinflussung festgestellt. Sie hat aber ebenso mit dem Sachverständigen angenommen , dass die planvolle Verknüpfung von Kauf und Einsatz des Messers, das ruhige Halten des Messers in der Bedrohungssituation, die sinnhafte Reaktion auf das unverhofft angetroffene Kind und das Fehlen sprachlicher Auffälligkeiten gegen die Annahme eines Rausches sprachen. Die Strafkammer hat somit ihre Entscheidung über die Verminderung der Steuerungsfähigkeit auch nicht allein auf die Intoxikation durch Alkohol zur Tatzeit gestützt. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Kammer habe sich nicht ausreichend mit der Möglichkeit eines Nachtrunks auseinandergesetzt, zeigt sie selbst keine tragfähigen Anhaltspunkte auf, die auf mehr als die bloße Möglichkeit der späteren Einnahme weiteren Alkohols hinweisen.
9
b) Die Strafkammer hat zusätzlich die bisherige Lebensgeschichte des Angeklagten in den Blick genommen, die durch einen multiplen Substanzgebrauch sowie darauf beruhenden Verhaltensauffälligkeiten geprägt war. Rechtsfehlerfrei ist die Strafkammer der psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, dass beim Angeklagten eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung nach den Eingangskriterien DSM-IV 304.80 sowie psychische Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen nach ICD-10 F 19.20 vorliegen. Sie hat dabei beachtet, dass das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung für sich genommen nicht ausreicht, das vierte Merkmal des § 20 StGB, die schwere andere seelische Abartigkeit, anzunehmen (BGHSt 49, 45, 54 f. m.w.N.). Sie hat für die Bestimmung des Schweregrads einer anderen seelischen Abartigkeit noch weitere Umstände herangezogen. Danach befand sich der Angeklagte zur Tatzeit in einer akuten Lebenskrise bei abnormer Erlebnisverarbeitung, die nach ICD-10 F 43.25 als pathologische Trauerreaktion bewertet werden. Der Angeklagte hat seine unbewältigte Lebenskrise durch einen unvorbereiteten fluchtartigen Wechsel nach Deutschland zu lösen versucht. Die Strafkammer durfte der Sachverständigen darin folgen, dass das schnelle berufliche Scheitern in der Pizzeria zu noch größerer Vereinsamung und wegen der Sprachschwierigkeiten zu noch größerer Isolierung geführt hat. Diese Umstände konnte die Kammer für ihre Bewertung der Störung als „schwer“ heranziehen, weil die von ihr festgestellte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Angeklagten am Tattag durch die Summierung der pathologischen Verhaltensmuster in ihren Auswirkungen denen einer krankhaften seelischer Störungen gleichstanden (vgl. Kröber NStZ 1998, 80 f.).
10
c) Letztlich hat die Strafkammer die ihr obliegende Entscheidung über die Rechtsfrage der Erheblichkeit der Verminderung auf eine Gesamtwürdigung aller auch von beiden Sachverständigen für die Beurteilung maßgeblichen Umstände gestützt, die den Zustand des Angeklagten bei Begehung der Tat geprägt haben. Vor dem Hintergrund der festgestellten Persönlichkeitsstörung hat sie maßgeblich auf die Wechselwirkung zwischen der zugespitzten Belastungssituation und dem zur Tatzeit wirksamen Alkohol abgestellt und diese nach eigenständiger Prüfung zur Grundlage ihrer rechtlichen Bewertung gemacht. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, dass die Kammer die von beiden Sachverständigen übereinstimmend getragene Diagnose einer vorübergehenden „krankhaften“ seelischen Störung - im Sinne des ersten Merkmals des § 20 StGB – nach eigenständiger Prüfung übernommen hat und daraus rechtlich eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB angenommen hat.
11
2. Der Maßregelausspruch hat hingegen keinen Bestand. Nach der landgerichtlichen Entscheidung ist das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) in Kraft getreten. Nach der Gesetzesbegründung soll dieses Gesetz dazu beitragen, die vorhandenen Kapazitäten des Maßregelvollzugs besser und zielgerichteter zu nutzen und zu verhindern, dass Personen in den Maßregelvollzug gelangen, deren Unterbringung aus therapeutischen oder rechtlichen Gründen problematisch ist (BTDrucks. 16/1110 S. 9). Deshalb wurden § 64 Satz 1 StGB in eine Sollvorschrift umgestaltet und die Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge nach § 67 Abs. 2 StGB zur Sicherung des Rehabilitationsinteresses des Verurteilten flexibler gestaltet. Da der Angeklagte durch die Anordnung der Maßregel beschwert ist, hat der Senat die geänderte Rechtslage nach § 354a StPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
12
a) Unverändert geblieben ist in § 64 StGB als erste Voraussetzung das Vorliegen eines Hanges, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht , immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss (vgl. nur BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; Hanack in LK-StGB 11. Aufl. § 64 Rdn. 40).
„Im Übermaß“ bedeutet regelmäßig, dass der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (BGH NStZ-RR 2004, 39,

40).

13
Die Urteilsfeststellungen zu der seit dem 15. Lebensjahr von ständigem Drogenkonsum beeinflussten Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten und zu seinen langjährigen Aufenthalten in therapeutischen Einrichtungen legen nahe, dass der Angeklagte schon bisher Betäubungsmittel und auch Alkohol im Übermaß konsumiert hat. Den Urteilsgründen ist auch ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten und den Straftaten zu entnehmen , da er nur wenige Tage nach der Entlassung aus der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses in Neapel rückfällig geworden ist und die beiden Taten in alkoholisiertem Zustand zur Lösung der zugespitzten Belastungssituation begangen hat.
14
b) Dagegen halten die Gründe, mit denen die Strafkammer die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht für eine Behandlung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt bejaht hat, revisionsrechtlicher Überprüfung - gemessen am Maßstab des neuen § 64 Satz 2 StGB - nicht stand.
15
Die Neuregelung des § 64 Satz 2 StGB bestimmt, dass die Anordnung der Unterbringung nur dann ergehen darf, wenn eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht besteht, die untergebrachte Person zu heilen oder über eine nicht unerhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen (BTDrucks. 16/1110 S. 10 und 13). Die Anordnung dieser beschweren den Maßregel ist demnach nur dann vorgesehen, wenn sie geeignet ist, den Schutzzweck gerade durch eine Behandlung zu erreichen (vgl. BVerfGE 91, 1, 28 f.).
16
Anlass für die Umgestaltung des § 64 StGB zu einer „Soll-Vorschrift“ war auch, dass nach bisherigem Recht an den Aufwand der Maßregelvollzugseinrichtungen , einen Behandlungserfolg zu erreichen, unter Hinweis auf den zwingenden Charakter der Vorschrift teilweise zu hohe Anforderungen gestellt wurden. Von den Verantwortlichen des Maßregelvollzugs war beklagt worden, dass die Kapazitäten der Anstalten durch eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von in Anbetracht des Heilungszwecks weniger geeigneten Personen blockiert würden.
17
Therapeutische Maßnahmen würden insbesondere dann an die Grenzen stoßen, wenn eine Verständigung mit dem Probanden nicht oder nur über einen Dolmetscher möglich sei (vgl. die Begründung des im Gesetzgebungsverfahren mit beratenen Entwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt , BRDrucks. 455/04 S. 20 f.). Im Zusammenhang mit den Erfolgsaussichten therapeutischer Behandlung im Maßregelvollzug nach § 64 StGB hätten sich bisher Fälle als problematisch erwiesen, in denen der deutschen Sprache nicht mächtige Personen sich – wie z.B. die durchreisenden Rauschgiftkuriere – nur kurze Zeit in Deutschland aufgehalten haben und bei denen eine spätere Entlassung und Integration in Deutschland wegen der überwiegenden Bindungen an das Heimatland kaum zu erwarten war. In diesen Fällen bestünden kulturelle und sprachliche Barrieren, die eine Einbeziehung in das therapeutische Angebot schwierig machten und häufig zu Therapieabbrüchen führten. Zusätzlich bestünde nicht selten das Problem, dass Erprobungen und Lockerungen im Hinblick auf die erhöhte Fluchtgefahr nicht gewährt werden können und die Therapieaussichten von vornherein eingeschränkt sind (BTDrucks. 16/1110 S. 15 zu den neuen Anforderungen an die Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge im Fall des Bestehens einer rechtskräftigen Ausweisungsverfügung nach § 67 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 5 StGB).
18
Soweit die Strafkammer unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt hat, mangelhafte oder fehlende Sprachkenntnisse des Angeklagten hätten bei der Unterbringungsanordnung außer Betracht zu bleiben (BGHSt 36, 199; BGH NStZ-RR 2002, 7), wird diese Rechtsprechung in dieser Allgemeinheit unter der Geltung des neuen Rechts nicht aufrecht zu erhalten sein. Die Neufassung des § 64 StGB ermöglicht es nunmehr , in den Fällen, in denen die Ausgangsbedingungen sehr ungünstig sind, von der Anordnung der Unterbringung Abstand zu nehmen und dadurch den Maßregelvollzug von einem faktisch nicht zu leistenden Therapieaufwand zu entlasten, der für die aussichtsreichen Fälle die knappen Ressourcen entzieht (BRDrucks. 455/04 S. 21).
19
c) Die Anwendung der nunmehr für § 64 Satz 2 StGB geltenden Maßstäbe ergibt (§ 354a StPO), dass hier keine hinreichend konkrete Behandlungsprognose gestellt werden kann. Bei einem Angeklagten, der nach jahrelangen Therapieversuchen in Italien seine unbewältigte Lebenskrise durch einen unvorbereiteten fluchtartigen Wechsel nach Deutschland zu lösen versuchte und wegen seines erneuten beruflichen Misserfolgs und der Sprachschwierigkeiten in noch größere Isolierung geriet, besteht keine konkrete Chance für einen Behandlungserfolg in Deutschland. Die Anordnung der Maßregel muss daher entfallen. Der Senat schließt aus, dass eine neue Verhandlung Erkenntnisse ergeben könnte, die eine Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB rechtfertigen würden.
Nack Wahl Boetticher Kolz Elf
5 StR 378/12

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Januar
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt I.
als Verteidiger für den Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt H.
als Verteidiger für den Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin E.
als Nebenklägervertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 20. April 2012 aufgehoben, soweit dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das vorgenannte Urteil hinsichtlich des Angeklagten K. mit den Feststellungen aufgehoben.
Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorgenannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten des (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, den Angeklagten B.
darüber hinaus des damit tateinheitlich verwirklichten versuchten Mordes und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen. Jeweils unter Anrechnung erlittener Auslieferungshaft hat es gegen den Angeklagten B. eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und vier Monaten und gegen den Angeklagten K. eine solche von sechs Jahren und sechs Monaten verhängt. Gegen die Verurteilung richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Mit gleichfalls auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen erstreben die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger die Verurteilung des Angeklagten K. auch wegen versuchten Mordes. Während die Rechtsmittel der Angeklagten jeweils einen Teilerfolg erzielen, führen die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers zur umfassenden Aufhebung des Urteils zum Nachteil des Angeklagten K. .
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Am 25. April 2011 überquerten die Angeklagten zu Fuß die deutschtschechische Grenze. Sie wollten in Deutschland ein Auto aufbrechen. Gegen 18.00 Uhr trafen sie an einem Garagenkomplex in Ebersbach ein. Der 67 Jahre alte Nebenkläger belud dort gerade seinen VW Golf mit Sommerreifen , die er am nächsten Tag aufziehen lassen wollte. Die Angeklagten beschlossen , den Golf notfalls unter Einsatz von Gewalt zu entwenden. B. sprach den Nebenkläger an. Als dieser sich umdrehte, versetzte er ihm einen Faustschlag ins Gesicht, worauf der Nebenkläger zu Boden stürzte. B. zerrte ihn in die Garage neben den Wagen. K. schloss absprachegemäß von außen die Garagentore, damit etwaige Hilfeschreie nicht gehört werden könnten. In der Garage schlug B. auf den rücklings auf dem Boden liegenden Nebenkläger ein. Dessen Kleidung durchsuchte er nach dem Autoschlüssel. Nachdem er den Schlüssel gefunden hatte, wollte er in den Wagen einsteigen. Der Nebenkläger versuchte, dies zu verhindern. Um sich in den Besitz des Autos zu bringen, trat B. den Nebenkläger mit seinem mit fester Sohle beschuhten Fuß von oben heftig so lange gegen den Kopf und ins Gesicht, bis dieser besinnungslos wurde. Dann stieg er in den Wagen ein und startete den Motor.
4
K. hatte während des Geschehens draußen gewartet. Die Schläge und die Schmerzensschreie des Nebenklägers hatte er gehört. Er öffnete das Garagentor. B. fuhr rückwärts aus der Garage, K. setzte sich auf den Beifahrersitz. Die Angeklagten fuhren nach Tschechien. B. hatte wahrgenommen, dass der Nebenkläger lebensbedrohende Verletzungen erlitten hatte. K. wusste davon nichts. Den Golf verkaufte B. an einen Hehler. Den Erlös von 25.000 tschechischen Kronen (etwa 1.000 €) teilten die Angeklagten untereinander auf.
5
Der Nebenkläger erlitt schwerste multiple Knochenbrüche im Gesicht und am Schädel. Sein rechtes Auge löste sich ab und trat aus dem Schädel hervor. Zwar konnte das Gesicht nach zahlreichen Operationen wieder vollständig hergestellt werden. Jedoch verblieben irreversible Beeinträchtigungen des Sehvermögens.
6
2. Die Revision des Angeklagten B. führt zur Aufhebung des Urteils, soweit die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) betroffen ist. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keine durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem Nachteil aufgedeckt.
7
a) Der Schuldspruch wird von den Feststellungen getragen. Das Landgericht hat die Verurteilung auch wegen versuchten Mordes maßgebend auf das weitgehende Geständnis dieses Angeklagten gestützt, das in der Spurenlage und dem rechtsmedizinischen Gutachten unter anderem zu ausschließlich von diesem verursachten DNA-Spuren an der Kleidung des Nebenklägers seine Bestätigung gefunden hat. Die Einlassung des Angeklagten , er habe die schweren Verletzungen versehentlich verursacht, hat es – sachverständig beraten – schlüssig widerlegt. Durch Beweiswürdigungs- fehler in Bezug auf den Angeklagten K. wird der Bestand der Verurteilung demgemäß nicht in Frage gestellt.
8
b) Der Strafausspruch hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Einen die Schuldfähigkeit relevant beeinträchtigenden Defekt des Angeklagten aufgrund akuter Drogenintoxikation hat die Schwurgerichtskammer zutreffend ausgeschlossen. Anhaltspunkte für eine Verminderung der Schuldfähigkeit wegen der Auswirkungen eines Entzugssyndroms des nicht schwerstabhängigen Angeklagten (vgl. hierzu Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 11a mit zahlreichen Nachweisen) bieten die Urteilsgründe nicht. Dass das Landgericht irrtümlich eine hypothetische Gesamtstrafenlage mit Blick auf vor der verfahrensgegenständlichen Tat erfolgte Verurteilungen des Angeklagten in Tschechien angenommen und die an sich verwirkte Strafe deshalb um acht Monate vermindert hat, wirkt sich zu dessen Vorteil aus.
9
c) Zutreffend verweist der Generalbundesanwalt hingegen darauf, dass es die Schwurgerichtskammer rechtsfehlerhaft versäumt hat, die Voraussetzungen des § 64 StGB zu erörtern. Nach den Feststellungen missbraucht der Angeklagte B. seit seinem 15. Lebensjahr vor allem Cannabis und Crystal; mehrere Entzugsmaßnahmen sind ohne Erfolg geblieben (UA S. 4 f.). Die Tat wurde begangen, weil die Angeklagten Geld zur Beschaffung von Drogen benötigten (UA S. 16), wofür ein Teil des Erlöses dann auch eingesetzt wurde (UA S. 18). Unter solchen Vorzeichen war das Landgericht gehalten, sich mit der Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Einzelnen auseinanderzusetzen. Zwar bietet das Urteil Anhaltspunkte dafür , dass eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nicht besteht (namentlich mehrere erfolglose Behandlungen), sowie dafür, dass das Ermessen unter Umständen im negativen Sinne ausgeübt werden kann (womöglich fehlende deutsche Sprachkenntnisse des nicht in Deutschland wohnenden Angeklagten; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – 5 StR 255/11, StV 2012, 281 Rn. 10 f., sowie Basdorf/Schneider /König in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 59, 62 ff.). Jedoch ver- mag der Senat die erforderliche Prüfung nicht selbst durchzuführen. Das neue Tatgericht wird die Prüfung mithin unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) nachzuholen haben. Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es insoweit nicht; das neue Tatgericht wird die erforderlichen ergänzenden Feststellungen zu treffen haben. Dass die Strafe geringer ausgefallen wäre, wenn das Landgericht die Maßregel angeordnet hätte, schließt der Senat aus.
10
3. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers beanstanden im Ergebnis mit Recht die beweiswürdigenden Erwägungen des Landgerichts, derentwegen der Angeklagte K. nur wegen eines Raubund Körperverletzungsdelikts verurteilt worden ist. Zwar ist entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft schon wegen der weitgehenden Geständnisse der Angeklagten in Verbindung mit der Spurenlage keine Aussage-gegenAussage -Konstellation mit den dafür geltenden strengen Darlegungsanforderungen gegeben. Jedoch begegnen die sehr knappen Ausführungen der Schwurgerichtskammer betreffend die Beteiligung dieses Angeklagten an dem unmittelbar durch B. begangenen Mordversuch auch eingedenk des insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes durchgreifenden Rechtsbedenken.
11
a) Das Landgericht hat dem Angeklagten B. nicht geglaubt, dass sein Mittäter während der Tat in der Garage hinter dem VW Golf stand und im Kofferraum nach dem Fahrzeugschlüssel suchte. Zur Begründung stützt es sich maßgebend auf die Überlegung, die Anwesenheit des K. am Kofferraum ergebe keinen Sinn, weil von dort aus kein Zugriff auf den Schlüssel möglich gewesen sei; dass der Nebenkläger während des Beladens im Kofferraum den Schlüssel abgelegt habe, sei nicht lebensnah, weil er dann die Reifen wieder hätte herausholen müssen, um an den Schlüssel zu gelangen (UA S. 29).
12
Diese Ausführungen entbehren einer tatsächlichen Grundlage. Weder widerspricht es den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass Autoschlüssel während dort ausgeführter Arbeiten im Kofferraum abgelegt werden, noch wird der Kofferraum durch Reifen so weit abgedeckt, dass die Wiederaufnahme eines Schlüssels deren vorherige Entfernung erfordern würde. Darüber hinaus bezieht die Schwurgerichtskammer einen weiteren nachvollziehbaren Grund für den Standort des K. hinter dem Fahrzeug an dieser Stelle nicht hinreichend ein. Nach der Einlassung des Angeklagten B. zog K. die Garagentür von innen zu, weil der Nebenkläger um Hilfe gerufen hatte (UA S. 20). Dass sie zugezogen wurde, um die Schreie des Nebenklägers nicht nach draußen dringen zu lassen, nimmt auch die Schwurgerichtskammer an. Vor diesem Hintergrund ist zugleich der ausschließlich kriminalistischen Hypothese des Landgerichts, die „Verbrechervernunft“ lasse ein „Schmierestehen“ des – solches freilichbestreitenden – K. sinnvoll erscheinen, eine ebenso gut denkbare Sachverhaltsalternative gegenübergestellt , die eingehenderer Würdigung bedurft hätte.
13
b) Die Schwurgerichtskammer hat ferner nicht erkennbar bedacht, dass alle von ihr angesprochenen tatsachenfundierten Umstände (an den Seiten enge Garage, keine Spuren des K. am Opfer und in der Garage , Bekundung der Nichtanwesenheit schon im Rahmen der ersten Vernehmung des K. ) mit den Angaben des Angeklagten B. ohne Weiteres vereinbar und demzufolge nicht geeignet sind, deren Glaubhaftigkeit zu erschüttern. Hinzu kommt, dass K. nach eigener Einlassung im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung in einem zentralen Punkt gelogen hatte, indem er behauptete, er sei nicht mit B. nach Tschechien zurückgefahren, sondern zu Fuß gegangen. Schließlich lassen die Urteilsgründe eine Erörterung vermissen, aus welchem Grund der seinen Mittäter keiner eigenhändigen Beteiligung an den Gewalttätigkeiten bezichtigende Angeklagte B. dessen Anwesenheit in der Garage statt eines nach Auffassung der Schwurge- richtskammer tatsächlich erfolgten „Schmierestehens“ behaupten sollte.
14
c) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung , und zwar ungeachtet dessen, dass ein mittäterschaftlicher Tötungsvorsatz des nicht selbst Gewalt anwendenden Angeklagten K. nicht überaus nahe liegt; dies gilt sogar für ein Erfassen der Schwere der Verletzungen des Nebenklägers bei Verlassen des Tatortes, das eine Handlungspflicht K. s ausgelöst und dessen Verurteilung wegen versuchten Mordes durch Unterlassen zur Folge hätte haben können.
15
Obgleich die Verurteilung des Angeklagten K. wegen besonders schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung letztlich frei von durchgreifenden Rechtsfehlern wäre (dazu Ziffer 4 Buchst. a), muss der Schuldspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben werden. Denn es steht eine natürliche Handlungseinheit in Frage, wobei die neue Hauptverhandlung in Bezug auf den Beitrag des Angeklagten K. einen anderen als den durch die Schwurgerichtskammer festgestellten Sachverhalt ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; siehe auch BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2012 – 4 StR 392/12 mwN). Dem neuen Tatgericht muss eine Beurteilung auf widerspruchsfreier Grundlage ermöglicht werden.
16
4. Die Revision des Angeklagten K. hat nur zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.
17
a) Der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
18
aa) Die Annahme des Landgerichts, die Ausübung körperlicher Gewalt sei Bestandteil des gemeinsamen Tatplans gewesen, ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht stellt darauf ab, dass beide Angeklagten nicht mit einer freiwilligen Herausgabe des Schlüssels rechnen konnten, zumal sie nicht wussten, wo sich jener befand. Deswegen habe (auch) der Angeklagte K. zumindest damit gerechnet, dass der Schlüssel womöglich nur durch direkte Gewaltanwendung erlangt werden könne. Dies hält sich im Rahmen zulässiger tatgerichtlicher Beurteilung.
19
bb) Dahingestellt bleiben kann, ob die Feststellungen für die Annahme des Qualifikationstatbestands der Verursachung einer Lebensgefahr (§ 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b StGB) in subjektiver Hinsicht hinreichen würden. Denn das Landgericht hat sich vom Qualifikationstatbestand der schweren körperlichen Misshandlung nach § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB aufgrund der eigenen Einlassung des Angeklagten K. überzeugt, er habe die durch B. vollführten Schläge und das Jammern des Nebenklägers gehört. Deren Billigung ergibt sich spätestens aus dem gemeinsamen Wegfahren des geraubten VW Golf und der danach erfolgenden hälftigen Aufteilung der Beute. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
20
cc) Die Angriffe der Verteidigung gegen eine Heranziehung belastender Bekundungen des Angeklagten B. betreffend das angenommene „Schmierestehen“ gehen fehl. Zwar ist die Darlegung beider Einlassungen im angefochtenen Urteil denkbar knapp ausgefallen. Indessen hat die Schwurgerichtskammer die – zu eigenen Gewalthandlungen in Teilen widerlegte – Einlassung des Angeklagten B. nicht maßgebend zum Nachteil des Angeklagten K. verwertet. Vielmehr hat sie sich tragend auf die Angaben des Angeklagten K. selbst in Verbindung mit den äußeren Umständen gestützt und auf dieser Grundlage die durch diesen Angeklagten erhobene Behauptung eines „unbeteiligten“ Verweilens vor der Garage nachvollziehbar widerlegt. Der Wertungsfehler zum Ausschluss der Anwesenheit des K. in der Garage (Ziffer 3) wirkt sich dabei nicht zu dessen Nachteil aus.
21
b) Hingegen verfällt der Rechtsfolgenausspruch der Aufhebung. Entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts hat die Schwurgerichtskammer trotz von ihr angenommener Aufklärungshilfe (UA S. 40) die sich danach aufdrängenden Voraussetzungen des § 46b StGB nicht erörtert.
Ferner war auch für den Angeklagten K. aus im Wesentlichen gleichen Gründen wie beim Angeklagten B. die Prüfung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unabdingbar. Die Feststellungen betreffend K. sind auf die Revision der Staatsanwaltschaft ohnehin umfassend aufgehoben.
Basdorf Raum Schneider Dölp König

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 85/12
vom
10. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 10. Juli 2012 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 19. September 2011,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte B. wegen bewaffneter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Angeklagte F. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie in weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt sind,
b) im Ausspruch über die Freiheitsstrafen und, soweit von der Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen wurde, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
c) im Ausspruch über die Einziehung dahin ergänzt, dass 984,9 Gramm Heroin und ein Kilogramm Streckmittel eingezogen sind.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten, den Angeklagten F. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es die "sichergestellten Betäubungsmittel und Streckmittel (Ziffern 1 - 6) sowie das sichergestellte Reizstoffsprühgerät (Ziffer 9 des Sicherstellungsverzeichnisses vom 27.01.2011)" eingezogen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachbeschwerde. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagten im Auftrag eines unbekannt gebliebenen Drogenhändlers Heroin aus den Niederlanden nach S. bringen wollten. Dafür sollten sie 1.000 Euro erhalten. Der Angeklag- te B. führte bei der Transportfahrt ein Reizstoffsprühgerät griffbereit in seinem Auto mit; der Angeklagte F. wusste nicht davon. Die Angeklagten übernahmen am 26. Januar 2011 in R. 984,9 Gramm Heroin und ein Kilogramm Streckmittel, das sie unter der Rückbank des Fahrzeugs versteckten. Auf der Rückfahrt durch Deutschland wurden sie an der Autobahnraststätte M. kontrolliert, wobei das Heroin entdeckt wurde. Zu dieser Zeit führte der Angeklagte F. das Fahrzeug, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Bei der Begehung der Tat war das Hemmungsvermögen der drogenabhängigen Angeklagten erheblich vermindert.

II.

3
1. Der Schuldspruch begegnet rechtlichen Bedenken.
4
a) Bei dem Angeklagten B. wurde der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der im Rahmen der rechtlichen Würdigung in den Urteilsgründen zutreffend bejaht wurde, nicht in die Urteilsformel aufgenommen. Das kann der Senat aufgrund der vom Landgericht getroffenen Feststellungen nachholen. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bezieht sich beim Zusammentreffen von unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf den Einfuhrtatbestand "ohne Handel zu treiben" (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Februar 2008 - 2 StR 593/07, StraFo 2008, 254).
5
b) Die vom Landgericht angenommene Mittäterschaft der Angeklagten bei dem tateinheitlich begangenen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist in den Urteilsgründen nicht erläutert worden. Die rechtsfehlerfrei und abschließend getroffenen Feststellungen ergeben dem- gegenüber indes nur Beihilfe der Angeklagten zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
6
Eine bloße Kuriertätigkeit ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln anzusehen, nicht als täterschaftliches Handeln (vgl. Senat , Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 221 ff.). Das gilt auch in Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 - 4 StR 230/08). Die Einfuhr ist kein unselbständiger Teilakt eines - täterschaftlichen - Handeltreibens. Weder der Umstand, dass der Kurier für seine Transportleistung eine Entlohnung erhalten soll, noch die Tatsache, dass er gewisse Gestaltungsmöglichkeiten beim Transport des Rauschgiftes hat, reichen aus, um Handeltreiben als Mittäter zu begründen (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Februar 2008 - 2 StR 593/07, aaO). Anders liegt es nur dann, wenn ein Rauschgiftkurier auch in den Erwerb oder den späteren Absatz der Betäubungsmittel eingebunden ist. Dies ist bei den beiden Angeklagten aber nicht der Fall.
7
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
8
2. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben.
9
a) Das Landgericht hat bei dem Angeklagten B. angenommen, der Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG, zu dem es zunächst rechtsfehlerfrei gelangt ist, werde durch die Sperrwirkung von § 30 Abs. 1 BtMG bei der Strafrahmenuntergrenze dahin geändert, dass die Mindeststrafe zwei Jahre betrage, weil ein minder schwerer Fall gemäß § 30 Abs. 2 BtMG "unter Würdigung der bereits genannten Umstände nicht in Betracht" komme. Diese Überlegung trägt aber nicht.
10
Die Sperrwirkung höherer Mindeststrafen aus verdrängten Tatbeständen ist - was das Landgericht zunächst nicht verkannt hat - nur zu beachten, wenn nicht auch insoweit ein minder schwerer Fall gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2003 - 3 StR 369/01, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 Abgabe 1; Beschluss vom 1. April 2009 - 1 StR 79/09, NStZ-RR 2009, 214). Warum dies hier aber gerade unter denselben Gesichtspunkten, die bei § 30a BtMG zur Annahme eines minder schweren Falles (§ 30a Abs. 3 BtMG) führen, nicht auch im Sinne des § 30 Abs. 2 BtMG der Fall sein soll, ist nicht nachzuvollziehen. Zumindest wäre im Hinblick auf den verdrängten Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG aber hypothetisch der vertypte Milderungsgrund gemäß § 21 StGB anzuwenden, der die Strafrahmenuntergrenze der verdrängten Norm ebenso reduzieren würde (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 zweite Alternative StGB). § 30 Abs. 1 BtMG entfaltet deshalb hier keine Sperrwirkung.
11
Beträgt aber die Strafrahmenuntergrenze nicht, wie das Landgericht angenommen hat, zwei Jahre Freiheitsstrafe (§ 30 Abs. 1 BtMG), sondern nur sechs Monate Freiheitsstrafe (§ 30a Abs. 3 BtMG; § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB), so kann der Senat nicht ausschließen, dass die verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten auf der rechtsfehlerhaften Annahme einer Sperrwirkung der verdrängten Strafnorm beruht.
12
b) Bei der Strafzumessung für den Angeklagten F. ist das Landgericht davon ausgegangen, dass kein minder schwerer Fall der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 2 BtMG vorliege. Dem hat es aber nur gleichartige Strafzumessungserwägungen zu Grunde gelegt, wie sie bei dem Angeklagten B. genannt wurden, dem - ohne spezifische Bewertung der weitergehenden Qualifikation seiner Tat durch Mitführen einer Waffe (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) - ein minder schwerer Fall seiner Tat (§ 30a Abs. 3 BtMG) zu Gute gehalten wurde. Die höhere Vorstrafenbelastung des Angeklagten F. in Frankreich hat die Strafkammer nicht bewertet. Dann ist jedoch nicht nachzuvollziehen, warum das Landgericht - ungeachtet des Vorliegens eines vertypten Milderungsgrundes nach § 21 StGB - nicht zur Anwendung des Sonderstrafrahmens nach § 30 Abs. 2 BtMG auf den Fall des Angeklagten F. gelangt ist. Dies gilt auch deshalb, weil dieser Angeklagte durch langjährigen Heroinkonsum erheblich schwerer gesundheitlich beeinträchtigt ist als der Mitangeklagte B. .
13
3. Schließlich kann die Ermessensentscheidung des Landgerichts dahin, dass die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht angeordnet wird, weil keine hinreichend konkrete Aussicht bestehe, sie dadurch zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen (§ 64 Satz 2 StGB), nicht aufrecht erhalten bleiben.
14
Einer Therapieunwilligkeit der Angeklagten, deren Heroinkonsum auch bisher schon zeitweise mit Methadon substituiert wird, kann im Maßregelvollzug entgegengewirkt werden, worauf dieser abzielt (§ 137 StVollzG). Die Therapieunwilligkeit steht der Maßregelanordnung daher nicht notwendig entgegen (vgl. BT-Drucks. 16/1110 S. 13; BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 - 3 StR 502/09, NStZ-RR 2010, 141; Beschluss vom 25. Mai 2011 - 4 StR 27/11, NStZRR 2011, 30).
15
An fehlenden Sprachkenntnissen ausländischer Beschuldigter soll die Maßregelanordnung im Allgemeinen nicht scheitern (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Oktober 1996 - 2 StR 528/96, StV 1998, 74 f.; BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 StR 209/01, NStZ-RR 2002, 7), zumal eine Überstellung des Verurteilten in sein Heimatland zum Maßregelvollzug in Betracht kommt (s. § 70 IRG, Art. 68 SDÜ), sofern dort entsprechende Einrichtungen existieren. Die Überlegung , dass fehlende Sprachkenntnisse der Maßregelanordnung nicht entgegenstehen , wird zwar durch die Umgestaltung von § 64 StGB zur Sollvorschrift abgeschwächt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 411/07, StV 2008, 138, 139). Sie besitzt jedoch weiterhin gewisse Aussagekraft. Dies gilt insbesondere für den Angeklagten B. wegen seiner prinzipiellen Bereitschaft , in Frankreich eine Therapie zu absolvieren.
16
Schließlich ist die Erwägung des Landgerichts, dass die für erforderlich gehaltene Nachsorge nicht gewährleistet sei, wenn die Angeklagten in den Bereich ihres bisherigen Wohngebiets zurückkehren, bei dem es sich um einen sozialen Brennpunkt handelt, der sie zum Rückfall in den Drogenkonsum verleiten kann, kein tragfähiger Grund für die Nichtanordnung der Maßregel.
17
Danach erweist sich die Ermessensentscheidung des Landgerichts als rechtsfehlerhaft.
18
4. Der Ausspruch über die Einziehung ist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 1. März 2012 genannten Gründen zu ergänzen. Becker Fischer Krehl Ri'inBGH Dr. Ott befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Eschelbach Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 4 1 / 1 4
vom
21. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
21. August 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 17. März 2014 im Ausspruch über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und der Körperverletzung freigesprochen, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet und bestimmt, dass die Unterbringung nach § 64 StGB zuerst zu vollstrecken ist. Es hat außerdem eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Angeklagte der Nebenklägerin, die ihm auf dem Fahrrad fahrend entgegenkam, eine Jutetasche mit leeren Bierflaschen derart an den Kopf, dass diese zwei jeweils zwei Zentimeter lange Platzwunden im Bereich der linken Augenbraue sowie eine Halswirbelverstauchung und in der Folge eine dauerhaft sichtbare Narbe oberhalb der Augenbraue erlitt. Einige Tage vorher schon hatte der Angeklagte einer unbekannt gebliebenen älteren Dame ebenfalls auf offener Straße mit seinem Ellenbogen gezielt ins Gesicht geschlagen, wodurch die Frau zu Boden stürzte und vor Schmerzen weinte. Bei beiden Taten war der Angeklagte alkoholisiert und befand sich in einem subakuten Schub einer paranoidhalluzinatorischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie, die zu inhaltlichen und formalen Denkstörungen sowie zu aggressiven Impulsdurchbrüchen führte. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war deshalb mit Sicherheit erheblich vermindert, nicht ausschließbar sogar ausgeschlossen. In vergleichbarer Weise war der Angeklagte, der aufgrund einer Enttäuschung in einer lang zurückliegenden Beziehung einen Hass gegenüber Frauen entwickelt hatte, sowohl in der Vergangenheit als auch noch kurze Zeit nach den verfahrensgegenständlichen Taten gegenüber Frauen gewalttätig geworden und hatte dabei bei seinen Opfern teilweise erhebliche gesundheitliche Schäden verursacht.
3
Sachverständig beraten hat die Strafkammer die Überzeugung gewonnen , dass bei dem Angeklagten ein "100%iges Rückfallrisiko in Bezug auf Gewalttaten gegenüber Frauen" besteht, dessen Ursache in erster Linie in der psychischen Erkrankung zu sehen ist und durch den Alkohol- und Drogenmissbrauch des Angeklagten sowie das völlige Fehlen eines stabilisierenden Umfelds verstärkt wird.
4
2. Während die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) keinen Rechtsfehler aufweist, kann die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) nicht bestehen bleiben. Das Landgericht war entgegen der Auffassung des gehörten Sachverständigen der Auffassung, beim Angeklagten sei die zur Anordnung der Maßregel erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB gegeben. Zwar ist ein Gericht nicht gehindert, von dem Gutachten eines vernommenen Sachverständigen abzuweichen, da dieses stets nur Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein kann; insbesondere kann ihm das erstattete Gutachten die erforderliche Sachkunde verschafft haben, um die zu klärende Beweisfrage eigenständig und auch im Gegensatz zum Sachverständigen zu beantworten. Will es jedoch eine Frage, für deren Beantwortung es sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen musste, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten, muss es die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Revisionsgericht die Nachprüfung erlaubt, ob es das Gutachten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat. Hierzu bedarf es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit den Darlegungen des Sachverständigen , insbesondere zu den Gesichtspunkten, auf welche das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2001 - 3 StR 333/01, NStZ-RR 2002, 259 bei Becker; Urteil vom 10. Dezember 2009 - 4 StR 435/09, NStZ-RR 2010, 105, 106 jeweils mwN). Dies lässt die angefochtene Entscheidung vermissen. Das Landgericht referiert zwar den gehörten Sachverständigen dahingehend, dass eine Alkohol- und Drogenentwöhnungstherapie solange keinen Sinn mache, wie der Angeklagte nicht hinsichtlich seiner schizophrenen Erkrankung einsichtig und therapiewillig sei. Die eigene Auffassung rechtfertigt es im Anschluss daran allein mit der Überlegung, der Angeklagte sei hinsichtlich einer Unterbringung in der Entziehungsanstalt therapiewillig und habe bislang eine solche Therapie noch nicht absolviert. Dies reicht vorliegend nicht aus, um das Abweichen von der Einschätzung des Sachverständigen über die hinreichende Erfolgsaussicht zu rechtfertigen. Die Strafkammer hat zudem außer Betracht gelassen, dass das Suchtproblem des Angeklagten auch im Rahmen der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus behandelt werden kann und zudem im Verlauf der Maßregel - nachdem eine Therapie der Psychose begonnen worden ist - die Möglichkeit besteht, den Angeklagten in den Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB zu überweisen (vgl. § 67a StGB).
5
Über die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB muss deshalb erneut entschieden werden.
6
3. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten nach § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB zur Zahlung eines Schmerzensgelds an die Nebenklägerin verurteilt, obwohl es sich von dessen strafrechtlicher Schuld nicht hat überzeugen können, sondern ihn wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit zum Tatzeitpunkt freigesprochen hat. Hierzu im Einzelnen:
7
a) Nach § 827 BGB ist für den Schaden derjenige nicht verantwortlich, der im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt. Für eine wegen dieser Umstände ausnahmsweise eingetretene Deliktsunfähigkeit trägt der Schädiger die Beweislast. Diese Beweislastregel (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1987 - IVa ZR 160/86, BGHZ 102, 227, 230) gilt auch im Adhäsionsverfahren. Dabei handelt es sich zwar um ein dem Strafverfahren anhängendes Verfahren, bei dem die strafprozessualen Regeln für die Ermittlung des Sachverhalts und die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten gelten (KMR-Stöckel 66. EL § 404 Rn. 11 ff.). Für die sich daraus ergebenden vermögensrechtlichen Ansprüche gelten indes die Vorschriften des Zivilrechts. Ansonsten stünde der Schädiger im Adhäsionsverfahren günstiger als im Zivilprozess (Reichold in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 827 Rn. 9; LG Berlin, Urteil vom 1. Dezember 2005 - (515) 93 Js 3567/04 KLs (13/05), NZV 2006, 389, 390).
8
b) Danach ist die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat nicht beweisen können, dass er zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war. Dem Sachverständigen folgend hat das Landgericht dies lediglich nicht ausschließen können. Die sichere Feststellung einer Schuldunfähigkeit war hingegen nach den Darlegungen im Urteil, die von der Revision nicht angegriffen werden, nicht möglich.
Becker Pfister Hubert
Mayer Spaniol
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Therapiedauer und konkrete Erfolgsaussicht.
BGH, Urteil vom 10. April 2014 5 StR 37/14
LG Braunschweig
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 37/14
vom
10. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. April
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. September 2013 dahin abgeändert, dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.
Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen einer Reihe von Vergehen nach dem Betäubungsmittel- und dem Arzneimittelgesetz sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt im Ergebnis vertretene Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel.

2
1. Das Landgericht hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der 34-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14. Lebensjahr Cannabis sowie seit dem 17. Lebensjahr Kokain und ist in diesem Zusammenhang vielfach unter anderem mit Raubdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Erstmals 2005 nahm er eine stationäre Therapie auf, aus der er jedoch wegen eines Drogenrückfalls entlassen werden musste. Eine kurze Zeit später begonnene erneute stationäre Behandlung brach er ab. Aus zwei ambulanten Therapien im November 2005 und im August 2006 wurde er wegen Drogenrückfällen entlassen. Im Frühjahr 2007 scheiterte eine weitere Behandlung in einer Therapieeinrichtung , da sich Mitarbeiter und Patienten von ihm bedroht fühlten. Erstmals im Februar 2008 schloss er eine rund viermonatige ambulante Therapie regulär ab; im selben Jahr kam es jedoch wieder zu einem Rückfall. Nach einer erneuten ambulanten Therapie war er von Ende 2010 bis Anfang 2012 abstinent. Wegen des Verlusts seines Arbeitsplatzes begann er dann jedoch abermals mit dem täglichen Konsum von Kokain und Cannabis. Auch seine Festnahme im vorliegenden Verfahren und die spätere Außervollzugsetzung des Haftbefehls hielten ihn nicht davon ab, weiterhin Betäubungsmittel zu konsumieren und zu deren Beschaffung wiederum Straftaten zu begehen (UA S. 29).
4
b) Sachverständig beraten hat die Strafkammer die Voraussetzungen des § 64 Satz 1 StGB bejaht. Auch eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) sei gegeben. Der Angeklagte sei therapiemotiviert. Er sehe für sich selber das Erfordernis professioneller Unterstützung und habe als Therapieaufträge die Bearbeitung seiner Biografie und das Erreichen von Langzeit- lebenszielen wie das Fortführen seiner Ehe und das Erlangen eines Arbeitsplatzes formuliert. Trotz der Schwere einer bei ihm bestehenden dissozialen Persönlichkeitsstörung erscheine der Aufbau einer therapeutischen Beziehung „noch möglich“. Polytoxikomanie sowie hirnorganische Folgen des Drogen- missbrauchs seien nicht feststellbar. Die vom Sachverständigen prognostizierte Therapiedauer von „etwa vier bis fünf Jahren“ stehe der Annahme hinreichend konkreter Erfolgsaussicht nicht entgegen, weil dem Gesetz nicht zu entnehmen sei, dass Therapien von über zwei Jahren generell als aussichtslos einzustufen seien (UA S. 36 ff.).
5
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür, dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich nicht.
6
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen nicht die Annahme des Landgerichts, es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
7
a) Bei dem seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierenden Angeklagten ist eine Vielzahl von Therapieabbrüchen bzw. Rückfällen nach Absolvierung von Therapien zu verzeichnen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 1996 – 4 StR 473/96, NStZ-RR 1997, 131, 132; vom 21. Januar 2014 – 2 StR 650/13). Neben anderen Risikofaktoren (vgl. Schalast in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 3, S. 341) kommt als weiterer sehr ungünstiger Umstand hinzu, dass bei dem An- geklagten „primär“ eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und (nur) „sekundär“ eine Abhängigkeit von Kokain und Cannabis besteht (UA S. 30), was die Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung weiter vermindert (vgl. Nedopil /Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 158; Querengässer u.a., RuP 2014, 21). Jedenfalls bei derart ungünstigen Ausgangsbedingungen besteht bei einer durch den Sachverständigen und ihm folgend die Strafkammer prognostizierten Therapiedauer von „etwa vier bis fünf Jahren, einschließlich einer Adaptationsphase“ (UA S. 36) keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht, deren Unsicherheit sich im Übrigen aus den Urteilsausführungen selbst (UA S. 37) erschließt. Einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung lässt unter solchen Vorzeichen nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz 2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen. Hinzu kommt, dass es angesichts der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und der Dauer der anzurechnenden Untersuchungshaft kaum möglich wäre, die Therapie innerhalb der verlängerten Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu beenden (vgl. zu deren Berechnung van Gemmeren in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 9). Hierzu haben die Prozessbeteiligten in der Revisionshauptverhandlung Stellung genommen; der Vertreter der Bundesanwaltschaft hat hierauf seinen Antrag maßgeblich gestützt.
8
b) Da eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB auf der Grundlage der Feststellungen sicher ausscheidet, führt die – gegen eine zusätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§ 296 Abs. 2 StPO) – Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel (vgl. zur Kostenfolge § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 473 Rn. 16).

9
4. Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob es an einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB im vorliegenden Fall bereits allein deshalb fehlt, weil die prognostizierte Therapiedauer zwei Jahre überschreitet (in diesem Sinne BGH, Urteile vom 11. März 2010 – 3 StR 538/09, JR 2010, 500; vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 377/12, StV 2013, 698; vom 27. März 2013 – 2 StR 384/12, StV 2013, 698; vom 16. Januar 2014 – 4 StR 496/13; Beschlüsse vom 17. April 2012 – 3StR 65/12, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1; vom 17. Juli 2012 – 4 StR 223/12, StraFo 2012, 413; vom 8. August 2012 – 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7). Der Senat hält jedoch an seiner gegenteiligen Auffassung (BGH, Beschluss vom 6. Februar 1996 – 5 StR 16/96) fest; danach steht eine Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren einer konkreten Erfolgsaussicht jedenfalls nicht grundsätzlich entgegen. Eine strikte Begrenzung der Unterbringungsdauer auf zwei Jahre mit der Folge der generellen Aussichtslosigkeit bei absehbar eine längere Dauer erfordernden Unterbringungen lässt sich dem Gesetzwortlaut nicht entnehmen (vgl. van Gemmeren aaO Rn. 73 mwN). § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB enthält gerade keine starre Beschränkung der Unterbringungsdauer; die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu sehen, der ausdrücklich eine Verlängerung der Zweijahresfrist vorsieht. Eine solche Begrenzung lässt sich auch nicht mit systematischen Erwägungen begründen, findet in den Gesetzesmaterialien keinen Niederschlag (vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 218, siehe auch BT-Drucks. V/4095, S. 33) und widerstreitet dem Gesetzeszweck, die Allgemeinheit bei Bedarf auch durch im Einzelfall zwei Jahre übersteigende Therapie vor gefährlichen Tätern zu schützen (vgl. dazu auch Trenckmann, JR 2010, 501). Insbesondere ergäben sich im Vorfeld und in Konkurrenz zu schwereren freiheitsentziehenden Maßregeln (§§ 63, 66 StGB) prinzipielle Sperren gegen unter Umständen konkret aussichtsreiche längere Entzugstherapien. Diese wären – gerade auch im Blick auf § 72 StGB – mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schwerlich vereinbar und widersprächen in Fällen der Sicherungsverwahrung dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 128, 326) initiierten gesetzlichen Konzept, Sicherungsverwahrung durch individuelle und intensive Therapie vermeidbar zu machen (vgl. § 66c Abs. 2 StGB).
Basdorf Sander Schneider
Dölp König

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 6/16
vom
25. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:250216B3STR6.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Jugendkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 7. Oktober 2015 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist; diese entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten, dem unter anderem gefährliche Körperverletzung und schwere Brandstiftung vorgeworfen worden waren, freigesprochen; zugleich hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug der Unterbringung in der Entziehungsanstalt angeordnet. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten hat auf die Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2
Während die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) keinen rechtlichen Bedenken unterliegt, hält die daneben angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat die sachverständig beratene Kammer rechtsfehlerfrei damit begründet, dass dieser an einer wahnhaften Psychose leide und beide ihm zur Last gelegten Taten im Zustand krankheitsbedingter Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangen habe; tatauslösend seien jeweils akute wahnhafte Vorstellungen des Angeklagten gewesen, die möglicherweise schon seine Unrechtseinsichtsfähigkeit , in jedem Fall aber seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben hätten. Die daneben angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat die Kammer darauf gestützt, dass der Angeklagte zudem den Hang habe, berauschende Mittel, insbesondere Alkohol, Cannabis und Amphetamine, im Übermaß zu sich zu nehmen, und beide Taten im Rausch begangen habe. Das trägt die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht.
4
Hat der Täter den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, so kommt die Anordnung der Maßregel nach § 64 Satz 1 StGB nur in Betracht, wenn er eine rechtswidrige Tat im Rausch begangen hat oder sie auf seinen Hang zurückgeht. Dabei ist die erste Alternative nur ein Unterfall der zweiten, so dass diese den Oberbegriff darstellt. In beiden Fällen muss zwischen der Tat und dem Hang ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dieser Zusammenhang liegt vor, wenn die Tat in dem Hang ihre Wurzel findet. Sie muss also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Rauschmitteln haben, indem sich in ihr seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert (BGH, Urteil vom 11. September 1990 - 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; Beschluss vom 9. März 2006 - 4 StR 472/05, NStZ-RR 2006, 204). Daran fehlt es hier.
5
Nach den Feststellungen waren jeweils die akuten wahnhaften Vorstellungen des Angeklagten tatauslösend, während weder seine Betäubungsmittelbzw. Alkoholabhängigkeit noch seine - mehr oder weniger tragfähig festgestellte - aktuelle Intoxikation zu den Tatzeiten als konstellativer Faktor für die Aufhebung seiner Schuldfähigkeit bedeutsam waren. Die Taten fanden ihre Wurzel jeweils in der Psychose des Angeklagten, die unabhängig vom Betäubungsmittel - und Alkoholmissbrauch besteht, sich vielmehr losgelöst vom Drogen- und Alkoholkonsum verselbständigt oder sogar bereits vor dem Beginn des Konsums vorgelegen und ihrerseits die Drogensucht zur Folge gehabt hat.
6
Auch die vom Landgericht angenommene hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen (§ 64 Satz 2 StGB), findet in den Feststellungen keine Grundlage. Der Sachverständige vermochte die konkreten Erfolgsaussichten einer Entziehungsbehandlung nicht einzuschätzen. Demgegenüber erschöpfen sich die Erwägungen, auf die das Landgericht seine positive Prognose gründet, darin, dass der marokkanische Angeklagte mehrfach seine Therapiebereitschaft geäußert habe und "bei optimalem Verlauf" binnen zwei Jahren in der Entziehungsanstalt verbesserte Kenntnisse der deutschen Sprache erlangen und stärker sozialisiert werden könne. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie der Therapieerfolg trotz der psychotischen Erkrankung des Angeklagten erreichbar sein könnte, lassen die Urteilsgründe in diesem Zusammenhang vermissen.
7
Letztlich geht die Strafkammer selbst nicht davon aus, dass sich die Gefährlichkeit des Angeklagten allein durch seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beseitigen lässt, sondern stützt die kumulative Anordnung der Maßregeln nach § 63 StGB und § 64 StGB auf die Erwägung, dass der Angeklagte dadurch weniger belastet werde als durch die alleinige Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB. Dabei verkennt sie indes, dass die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB neben derjenigen nach § 63 StGB eine zusätzliche Beschwer für den Angeklagten bedeutet.
8
Da nicht ersichtlich ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen möglich sind, die die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigen könnten, lässt der Senat diese Anordnung entfallen (§ 354 Abs. 1 analog StPO). Die Alkohol- und Betäubungsmittelsucht des Angeklagten ist in der Unterbringung nach § 63 StGB mitzubehandeln.
9
Der verhältnismäßig geringe Teilerfolg des unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels gebietet es nicht, den Angeklagten aus Billigkeitsgründen auch nur teilweise von der Belastung mit Kosten und notwendigen Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Becker Hubert Mayer Gericke Tiemann

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

10
IV. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung der neuen Verhandlung und Entscheidung. Nachdem sich das Verfahren nunmehr nurnoch gegen Erwachsene richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück (§ 354 Abs. 3 StPO analog). Einer Aufhebung der ge- troffenen Feststellungen bedurfte es nicht, da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Weitergehende Feststellungen, die zu den bislang getroffenen nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 6/16
vom
25. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:250216B3STR6.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Jugendkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 7. Oktober 2015 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist; diese entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten, dem unter anderem gefährliche Körperverletzung und schwere Brandstiftung vorgeworfen worden waren, freigesprochen; zugleich hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug der Unterbringung in der Entziehungsanstalt angeordnet. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten hat auf die Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2
Während die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) keinen rechtlichen Bedenken unterliegt, hält die daneben angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat die sachverständig beratene Kammer rechtsfehlerfrei damit begründet, dass dieser an einer wahnhaften Psychose leide und beide ihm zur Last gelegten Taten im Zustand krankheitsbedingter Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangen habe; tatauslösend seien jeweils akute wahnhafte Vorstellungen des Angeklagten gewesen, die möglicherweise schon seine Unrechtseinsichtsfähigkeit , in jedem Fall aber seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben hätten. Die daneben angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat die Kammer darauf gestützt, dass der Angeklagte zudem den Hang habe, berauschende Mittel, insbesondere Alkohol, Cannabis und Amphetamine, im Übermaß zu sich zu nehmen, und beide Taten im Rausch begangen habe. Das trägt die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht.
4
Hat der Täter den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, so kommt die Anordnung der Maßregel nach § 64 Satz 1 StGB nur in Betracht, wenn er eine rechtswidrige Tat im Rausch begangen hat oder sie auf seinen Hang zurückgeht. Dabei ist die erste Alternative nur ein Unterfall der zweiten, so dass diese den Oberbegriff darstellt. In beiden Fällen muss zwischen der Tat und dem Hang ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dieser Zusammenhang liegt vor, wenn die Tat in dem Hang ihre Wurzel findet. Sie muss also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Rauschmitteln haben, indem sich in ihr seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert (BGH, Urteil vom 11. September 1990 - 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; Beschluss vom 9. März 2006 - 4 StR 472/05, NStZ-RR 2006, 204). Daran fehlt es hier.
5
Nach den Feststellungen waren jeweils die akuten wahnhaften Vorstellungen des Angeklagten tatauslösend, während weder seine Betäubungsmittelbzw. Alkoholabhängigkeit noch seine - mehr oder weniger tragfähig festgestellte - aktuelle Intoxikation zu den Tatzeiten als konstellativer Faktor für die Aufhebung seiner Schuldfähigkeit bedeutsam waren. Die Taten fanden ihre Wurzel jeweils in der Psychose des Angeklagten, die unabhängig vom Betäubungsmittel - und Alkoholmissbrauch besteht, sich vielmehr losgelöst vom Drogen- und Alkoholkonsum verselbständigt oder sogar bereits vor dem Beginn des Konsums vorgelegen und ihrerseits die Drogensucht zur Folge gehabt hat.
6
Auch die vom Landgericht angenommene hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen (§ 64 Satz 2 StGB), findet in den Feststellungen keine Grundlage. Der Sachverständige vermochte die konkreten Erfolgsaussichten einer Entziehungsbehandlung nicht einzuschätzen. Demgegenüber erschöpfen sich die Erwägungen, auf die das Landgericht seine positive Prognose gründet, darin, dass der marokkanische Angeklagte mehrfach seine Therapiebereitschaft geäußert habe und "bei optimalem Verlauf" binnen zwei Jahren in der Entziehungsanstalt verbesserte Kenntnisse der deutschen Sprache erlangen und stärker sozialisiert werden könne. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie der Therapieerfolg trotz der psychotischen Erkrankung des Angeklagten erreichbar sein könnte, lassen die Urteilsgründe in diesem Zusammenhang vermissen.
7
Letztlich geht die Strafkammer selbst nicht davon aus, dass sich die Gefährlichkeit des Angeklagten allein durch seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beseitigen lässt, sondern stützt die kumulative Anordnung der Maßregeln nach § 63 StGB und § 64 StGB auf die Erwägung, dass der Angeklagte dadurch weniger belastet werde als durch die alleinige Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB. Dabei verkennt sie indes, dass die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB neben derjenigen nach § 63 StGB eine zusätzliche Beschwer für den Angeklagten bedeutet.
8
Da nicht ersichtlich ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen möglich sind, die die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigen könnten, lässt der Senat diese Anordnung entfallen (§ 354 Abs. 1 analog StPO). Die Alkohol- und Betäubungsmittelsucht des Angeklagten ist in der Unterbringung nach § 63 StGB mitzubehandeln.
9
Der verhältnismäßig geringe Teilerfolg des unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels gebietet es nicht, den Angeklagten aus Billigkeitsgründen auch nur teilweise von der Belastung mit Kosten und notwendigen Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Becker Hubert Mayer Gericke Tiemann

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 4 1 / 1 4
vom
21. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
21. August 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 17. März 2014 im Ausspruch über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und der Körperverletzung freigesprochen, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet und bestimmt, dass die Unterbringung nach § 64 StGB zuerst zu vollstrecken ist. Es hat außerdem eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Angeklagte der Nebenklägerin, die ihm auf dem Fahrrad fahrend entgegenkam, eine Jutetasche mit leeren Bierflaschen derart an den Kopf, dass diese zwei jeweils zwei Zentimeter lange Platzwunden im Bereich der linken Augenbraue sowie eine Halswirbelverstauchung und in der Folge eine dauerhaft sichtbare Narbe oberhalb der Augenbraue erlitt. Einige Tage vorher schon hatte der Angeklagte einer unbekannt gebliebenen älteren Dame ebenfalls auf offener Straße mit seinem Ellenbogen gezielt ins Gesicht geschlagen, wodurch die Frau zu Boden stürzte und vor Schmerzen weinte. Bei beiden Taten war der Angeklagte alkoholisiert und befand sich in einem subakuten Schub einer paranoidhalluzinatorischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie, die zu inhaltlichen und formalen Denkstörungen sowie zu aggressiven Impulsdurchbrüchen führte. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war deshalb mit Sicherheit erheblich vermindert, nicht ausschließbar sogar ausgeschlossen. In vergleichbarer Weise war der Angeklagte, der aufgrund einer Enttäuschung in einer lang zurückliegenden Beziehung einen Hass gegenüber Frauen entwickelt hatte, sowohl in der Vergangenheit als auch noch kurze Zeit nach den verfahrensgegenständlichen Taten gegenüber Frauen gewalttätig geworden und hatte dabei bei seinen Opfern teilweise erhebliche gesundheitliche Schäden verursacht.
3
Sachverständig beraten hat die Strafkammer die Überzeugung gewonnen , dass bei dem Angeklagten ein "100%iges Rückfallrisiko in Bezug auf Gewalttaten gegenüber Frauen" besteht, dessen Ursache in erster Linie in der psychischen Erkrankung zu sehen ist und durch den Alkohol- und Drogenmissbrauch des Angeklagten sowie das völlige Fehlen eines stabilisierenden Umfelds verstärkt wird.
4
2. Während die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) keinen Rechtsfehler aufweist, kann die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) nicht bestehen bleiben. Das Landgericht war entgegen der Auffassung des gehörten Sachverständigen der Auffassung, beim Angeklagten sei die zur Anordnung der Maßregel erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB gegeben. Zwar ist ein Gericht nicht gehindert, von dem Gutachten eines vernommenen Sachverständigen abzuweichen, da dieses stets nur Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein kann; insbesondere kann ihm das erstattete Gutachten die erforderliche Sachkunde verschafft haben, um die zu klärende Beweisfrage eigenständig und auch im Gegensatz zum Sachverständigen zu beantworten. Will es jedoch eine Frage, für deren Beantwortung es sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen musste, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten, muss es die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Revisionsgericht die Nachprüfung erlaubt, ob es das Gutachten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat. Hierzu bedarf es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit den Darlegungen des Sachverständigen , insbesondere zu den Gesichtspunkten, auf welche das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2001 - 3 StR 333/01, NStZ-RR 2002, 259 bei Becker; Urteil vom 10. Dezember 2009 - 4 StR 435/09, NStZ-RR 2010, 105, 106 jeweils mwN). Dies lässt die angefochtene Entscheidung vermissen. Das Landgericht referiert zwar den gehörten Sachverständigen dahingehend, dass eine Alkohol- und Drogenentwöhnungstherapie solange keinen Sinn mache, wie der Angeklagte nicht hinsichtlich seiner schizophrenen Erkrankung einsichtig und therapiewillig sei. Die eigene Auffassung rechtfertigt es im Anschluss daran allein mit der Überlegung, der Angeklagte sei hinsichtlich einer Unterbringung in der Entziehungsanstalt therapiewillig und habe bislang eine solche Therapie noch nicht absolviert. Dies reicht vorliegend nicht aus, um das Abweichen von der Einschätzung des Sachverständigen über die hinreichende Erfolgsaussicht zu rechtfertigen. Die Strafkammer hat zudem außer Betracht gelassen, dass das Suchtproblem des Angeklagten auch im Rahmen der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus behandelt werden kann und zudem im Verlauf der Maßregel - nachdem eine Therapie der Psychose begonnen worden ist - die Möglichkeit besteht, den Angeklagten in den Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB zu überweisen (vgl. § 67a StGB).
5
Über die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB muss deshalb erneut entschieden werden.
6
3. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten nach § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB zur Zahlung eines Schmerzensgelds an die Nebenklägerin verurteilt, obwohl es sich von dessen strafrechtlicher Schuld nicht hat überzeugen können, sondern ihn wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit zum Tatzeitpunkt freigesprochen hat. Hierzu im Einzelnen:
7
a) Nach § 827 BGB ist für den Schaden derjenige nicht verantwortlich, der im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt. Für eine wegen dieser Umstände ausnahmsweise eingetretene Deliktsunfähigkeit trägt der Schädiger die Beweislast. Diese Beweislastregel (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1987 - IVa ZR 160/86, BGHZ 102, 227, 230) gilt auch im Adhäsionsverfahren. Dabei handelt es sich zwar um ein dem Strafverfahren anhängendes Verfahren, bei dem die strafprozessualen Regeln für die Ermittlung des Sachverhalts und die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten gelten (KMR-Stöckel 66. EL § 404 Rn. 11 ff.). Für die sich daraus ergebenden vermögensrechtlichen Ansprüche gelten indes die Vorschriften des Zivilrechts. Ansonsten stünde der Schädiger im Adhäsionsverfahren günstiger als im Zivilprozess (Reichold in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 827 Rn. 9; LG Berlin, Urteil vom 1. Dezember 2005 - (515) 93 Js 3567/04 KLs (13/05), NZV 2006, 389, 390).
8
b) Danach ist die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat nicht beweisen können, dass er zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war. Dem Sachverständigen folgend hat das Landgericht dies lediglich nicht ausschließen können. Die sichere Feststellung einer Schuldunfähigkeit war hingegen nach den Darlegungen im Urteil, die von der Revision nicht angegriffen werden, nicht möglich.
Becker Pfister Hubert
Mayer Spaniol

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, so kann das Gericht die untergebrachte Person nachträglich in den Vollzug der anderen Maßregel überweisen, wenn ihre Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann das Gericht nachträglich auch eine Person, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, in den Vollzug einer der in Absatz 1 genannten Maßregeln überweisen. Die Möglichkeit einer nachträglichen Überweisung besteht, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die Überweisung zur Durchführung einer Heilbehandlung oder Entziehungskur angezeigt ist, auch bei einer Person, die sich noch im Strafvollzug befindet und deren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten worden ist.

(3) Das Gericht kann eine Entscheidung nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass die Resozialisierung der untergebrachten Person dadurch besser gefördert werden kann. Eine Entscheidung nach Absatz 2 kann das Gericht ferner aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass mit dem Vollzug der in Absatz 1 genannten Maßregeln kein Erfolg erzielt werden kann.

(4) Die Fristen für die Dauer der Unterbringung und die Überprüfung richten sich nach den Vorschriften, die für die im Urteil angeordnete Unterbringung gelten. Im Falle des Absatzes 2 Satz 2 hat das Gericht bis zum Beginn der Vollstreckung der Unterbringung jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Absatz 3 Satz 2 vorliegen.