Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2017 - 1 StR 362/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:230217B1STR362.16.0
bei uns veröffentlicht am23.02.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 362/16
vom
23. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:230217B1STR362.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 23. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 10. März 2016 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in Teil 2, Fall A.IV. der Urteilsgründe verurteilt worden ist und
b) mit den zugrundeliegenden Feststellungen im gesamten Rechtsfolgenausspruch. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zahlreicher Fälle des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern, überwiegend begangen in Tateinheit mit weiteren Delikten wie Vergewaltigung, Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, gefährlicher Körperverletzung, Entziehung Minderjähriger, Sichverschaffen von kinderpornographischen Schriften mit Realitätsgehalt sowie Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, und in einem weiteren Fall wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Entziehung Minderjähriger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet und ihm für immer verboten, den Beruf des Arztes auszuüben. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
3
1. Der Angeklagte ist Arzt. Im Jahr 2007 wurde ihm das Recht zum Füh- ren der Facharztbezeichnung „Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin“ verlie- hen. Seit Juli 2010 war er an der Klinik für Kinder und Jugendliche des Klinikums A. beschäftigt. Daneben war er ab März 2009 Chefarzt des Bayerischen Roten Kreuzes im Kreisverband A. . Im September 2013 wechselte der Angeklagte als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin an die Medizinische Hochschule H. .
4
Seit einer kurzzeitigen Beziehung mit einer Studentin während seines Studiums hatte der Angeklagte keine nennenswerten sexuellen Kontakte zu erwachsenen Personen mehr. Wenn sich Möglichkeiten ergaben, altersadäquate partnerschaftliche und sexuelle Beziehungen aufzubauen, wahrte er stets Distanz und lehnte eine engere Bindung ab. Andererseits wurde sein sexuelles Interesse an Kindern immer größer. Im Alter von 20 oder 21 Jahren unternahm der Angeklagte erste Versuche, Kinder anzusprechen, um sexuelle Handlungen an oder mit ihnen durchzuführen. Mit Ausnahme eines Falles in der Anfangszeit , in dem er ein Mädchen angesprochen hatte, handelte es sich ausschließlich um Jungen. Der sexuelle Drang nach Kindern und auch der zeitliche Umfang der Beschäftigung mit kinderpornographischem Material nahmen insbesondere nach dem Umzug des Angeklagten nach H. und der damit einhergehenden beruflichen und persönlichen Veränderung zu.
5
2. Ab dem Jahr 1998 fanden die verfahrensgegenständlichen sexuellen Übergriffe auf Jungen statt, die jeweils unter vierzehn Jahre alt waren.
6
a) Im Zeitraum von September 1998 bis September 2004 kam es bei Übernachtungen, Urlauben oder Ausflügen zu regelmäßigen sexuellen Übergriffen auf den am 1. November 1990 geborenen R. . Dessen alleinerziehende Mutter hatte der Angeklagte im Jahr 1995 kennengelernt und wurde in der Folge zum Ersatzvater des Geschädigten. Die sexuellen Übergriffe liefen als Art Einschlafritual so ab, dass der Angeklagte im jeweils gleichen Bett wie der Geschädigte schlief, diesen am Penis streichelte und in vielen Fällen auch den Oralverkehr am Geschädigten ausführte.
7
b) Im August 2007 sprach der Angeklagte auf einem Spielplatz zwei im Jahr 2001 geborene Jungen an, die er in eine Tiefgarage führte. Dort übergab er den Kindern eine Geldmünze und forderte sie auf, ihre Hosen herunterzuziehen. Er übte sodann an beiden Jungen den Oralverkehr aus.
8
c) Im Jahr 2008 kam es zu sexuellen Übergriffen auf den im Jahr 1997 geborenen S. , mit dessen alleinerziehender Mutter der Angeklagte eine platonische Beziehung führte und der ihn als Ersatzvater ansah. Die Taten fanden bei zwei Hotelaufenthalten statt, bei denen sich der Angeklagte jeweils mit dem Geschädigten ein Doppelzimmer teilte. Um an dem schlafenden Kind sexuelle Handlungen vornehmen zu können, holte er jeweils aus dem von ihm mitgeführten Medikamentenkoffer eine Schmelztablette des den Wirkstoff Lorazepam enthaltenden Medikaments Tavor und legte es dem Kind in die Backentasche. Sodann führte er sexuelle Handlungen an dem widerstandsunfähigen Kind durch; dabei führte er jeweils seinen erigierten Penis in den After des bewusstlosen Kindes ein. Von seinen Handlungen fertigte er jeweils Lichtbilder und speicherte sie ab.
9
d) Im Juni 2013 veranlasste der Angeklagte in A. zwei auf der Straße spielende fünf- bzw. sechsjährige Jungen mit dem Versprechen, ihnen Geld zu geben, zum Mitkommen. Nachdem er sie in einen Keller geführt hatte, ließ er sie ihre Hosen und Unterhosen herunterziehen und entblößte seinen eigenen erigierten Penis. Sodann fertigte er Fotos von den beiden Kindern, die sich zuvor auf dem Kellerboden auf den Rücken zu legen, die Beine anzuziehen und mit den Händen das entblößte Gesäß zu spreizen hatten. Sein Vorhaben , zu erreichen, dass die Kinder zunächst seinen Penis in den Mund nehmen und anschließend er ihre Penisse in seinen Mund nehmen kann, scheiterte trotz mehrerer Überredungsversuche und Geschenkangebote an der Ablehnung der Kinder.
10
e) Im Mai 2014 sprach der Angeklagte abermals zwei in A. auf der Straße spielende Brüder im Alter von fünf bzw. acht Jahren an und erklärte ihnen, dass er ihnen Spielzeug schenken würde, wenn sie mit ihm in ein Versteck gehen würden und Fotos von sich anfertigen ließen. Er forderte die Jungen auf, in einen auf der Straße abgestellten Mietwagen einzusteigen. Während sich der fünfjährige O. daraufhin auf die Rücksitzbank setzte, lehnte es sein älterer Bruder D. ab, in das Fahrzeug zu steigen. Da- raufhin packte ihn der Angeklagte und schob den Jungen gegen dessen Willen und Widerstand in das Fahrzeug. Er schloss die Fahrzeugtür und fuhr mit den Jungen zu einem nicht näher feststellbaren Haus in der W. straße in A. , wo er sie in den Keller führte. Seiner Aufforderung, ihre Hosen herunterzuziehen , kamen die Kinder nach. Nachdem sie jeweils ihre Unterhose und ihren Bauch entblößt hatten, fertigte der Angeklagte hiervon Lichtbilder. Als der Angeklagte sie aufforderte, auch noch ihre Unterhosen auszuziehen, lehnten die Jungen dies ab. Daraufhin verließen der Angeklagte und die Kinder das Anwesen. Der gesamte Vorgang von der Mitnahme der Geschädigten im Fahrzeug bis zum Entfernen des Angeklagten dauerte etwa 30 bis 45 Minuten. Anschließend liefen die Kinder allein nach Hause (Teil 2, Fall A.IV. der Urteilsgründe

).


11
f) Im Juli und August 2014 folgten noch weitere Taten in A. , bei denen der Angeklagte jeweils spielende Jungen auf der Straße ansprach, sie anschließend in einen Keller führte und dort sexuelle Handlungen an bzw. vor ihnen vornahm. An zwei der Kinder führte er den Oralverkehr aus.
12
g) Ähnliche Taten, bei denen der Angeklagte zudem jeweils Lichtbilder von den Kindern fertigte, beging der Angeklagte im Juni 2012 und Mai 2014 auch in M. und im Januar und August 2014 in bzw. im Umkreis von H. .
13
In einem Fall veranlasste der Angeklagte in G. einen fünfjährigen Jungen mit dem Versprechen, ihm ein Geschenk zu geben, dazu, zu ihm in sein Fahrzeug einzusteigen. Der Angeklagte brachte den Jungen in seine Wohnung in H. und flößte ihm dort ein Glas Eistee ein, in dem er zuvor eine Tablette des den Wirkstoff Midazolam enthaltenden Medikaments Dormi- cum aufgelöst hatte, um anschließend ungestört sexuelle Handlungen an dem Kind vornehmen zu können (UA S. 17). Wie der Angeklagte als Arzt wusste, wird dieser Wirkstoff in der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin bei Kurznarkosen und in der Analgosedierung eingesetzt. Er sediert bzw. induziert Schlaf, wirkt angstlösend, das Bewusstsein dämpfend und krampflösend. Zudem ruft Midazolam anterograde Amnesien, d.h. Erinnerungstrübungen und -ausfälle hervor. Da der Junge das Teeglas wegen des bitteren Geschmacks des Getränks nicht austrinken wollte, überwand der Angeklagte den Widerstand des Jungen, indem er ihm das Glas fest an den Mund hielt. Anschließend nahm er sexuelle Handlungen, darunter Oralverkehr, an dem Kind vor und fertigte hiervon Lichtbilder, die er abspeicherte. Zudem onanierte er vor den Augen des Kindes bis zum Samenerguss. Anschließend fuhr er den Jungen, an einen anderen Ort im Stadtgebiet von H. und ließ ihn – etwa zwei Stunden nachdem er ihn angesprochen hatte – benommen an einer Häuserwand zurück und fuhr weg. Der aufgrund des Einflusses des Wirkstoffs Midazolam unter Gleichgewichtsstörungen leidende Geschädigte stürzte anschließend zu Boden.
14
h) Unter dem Vorwand, das Bayerische Rote Kreuz organisiere kostenlose Kinderausflüge mit Übernachtung für Jungen im Grundschulalter, die aus sozial benachteiligtem Umfeld stammten oder gesundheitlich eingeschränkt seien, nahm der Angeklagte in den Jahren 2013 und 2014 Kontakt zu mehreren Grundschulen in A. auf. Er trat dabei jeweils als „Dr. med. H. , Klinikum A. “ oder in seiner Funktion als Chefarzt des Kreis- verbandes A. des Bayerischen Roten Kreuzes auf, wobei er dessen offizielles Logo verwendete (UA S. 18). Tatsächlich handelte es sich um von ihm in Eigenregie organisierte, finanzierte und durchgeführte Kinderausflüge , an denen die vorgeschobenen Organisationen nicht beteiligt waren und au- ßer ihm keine weiteren Personen und Gruppen mehr teilnahmen. Bereits bei der Planung und Organisation hatte der Angeklagte das Ziel, die Kinder während der Kinderausflüge selbst zu missbrauchen (UA S. 19).
15
Im Rahmen von drei im November 2013 sowie Februar und Juni 2014 durchgeführten Ausflügen, bei denen die Übernachtung jeweils in einer Pension stattfand, führte der Angeklagte an den teilnehmenden Jungen sexuelle Handlungen durch, wobei er insbesondere deren Penisse streichelte. In einem Fall spreizte er unter gezielter Ausnutzung der Bewusstlosigkeit eines auf dem Rücken schlafenden Kindes dessen Beine so weit auseinander, dass dessen After und Penis präsentiert wurden. Hiervon fertigte er mit seinem Mobiltelefon zwei Videos, die er abspeicherte. In einem anderen Fall führte der Angeklagte den an einem Kinderausflug teilnehmenden Jungen zudem auf seinem Laptop kinderpornographische Videos vor, auf denen zu sehen war, wie Jungen unter 14 Jahren den Oralverkehr an anderen Jungen ausüben. Hierbei erklärte der An- geklagte den Jungen, dass „das Weiße Sperma“ sei (UA S. 20).

II.


16
Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung überwiegend stand.
17
1. Keinen Bestand hat allerdings die Verurteilung des Angeklagten in Teil 2, Fall A.IV. der Urteilsgründe wegen Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Entziehung Minderjähriger (§ 235 Abs. 1 StGB) in zwei tateinheitlichen Fällen. Sie weist hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Entziehung Minderjähriger einen durchgreifenden Darlegungsmangel auf.

18
a) Ein Entziehen im Sinne des § 235 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn der Täter den wesentlichen Inhalt des Rechts auf Personensorge, nämlich Pflege, Erziehung und Aufenthaltsbestimmung (§ 1631 BGB) durch räumliche Trennung von gewisser Dauer beeinträchtigt (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 235 Rn. 6 mwN). Den Eltern „entzogen“ ist ein Minderjähriger dabei schon dann, wenn das Recht zur Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenthaltsbestimmung durch räumliche Trennung für eine gewisse, nicht ganz vorübergehende Dauer so beeinträchtigt wird, dass es nicht ausgeübt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 1951 – 1 StR 202/51, BGHSt 1, 199, 200; vom 13. September 1957 – 1 StR 269/57, BGHSt 10, 376, 378 und vom 21. April 1961 – 4 StR 20/61, BGHSt 16, 58, 61).
19
aa) Zur Erfüllung des Tatbestands reicht jede Handlung aus, durch welche die Sorgeberechtigten faktisch gehindert werden, ihr Obhutsrecht zu verwirklichen (vgl. Krehl in LK-StGB, 12. Aufl., § 235 Rn. 43 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts). Ein Entziehen kann selbst dann gegeben sein, wenn der Sorgeberechtigte sein Obhutsrecht im Tatzeitpunkt tatsächlich nicht ausübt. Auch muss die Tat nicht im Herrschaftsbereich des Berechtigten seinen Ausgang nehmen; sie kann vielmehr auch an einem Kind begangen werden, das unbeaufsichtigt auf der Straße spielt (vgl. BGH aaO, BGHSt 16, 58, 61 f.; Urteil vom 23. April 1963 – 1 StR 90/63, NJW 1963, 1412, 1413; Krehl aaO Rn. 47; Eser/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 235 Rn. 6).
20
bb) Wann die Dauer einer Entziehung so erheblich ist, dass sie dem Tatbestand unterfällt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und des Zwecks der Strafvorschrift zu entscheiden, also Tatfrage (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1996 – 4 StR 35/96, BGHR § 235 Abs. 1 Entziehung 1; BGH aaO, BGHSt 16, 58, 61 und BGHSt 10, 376, 378). Maßgeblich sind dafür auch das Alter des Kindes, seine Schutz- und Zuwendungsbedürftigkeit sowie Aufsichtserfordernisse und die Intensität des Eingriffs (vgl. Schluckebier in SSWStGB , 3. Aufl., § 235 Rn. 6 mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann daher bei einem vierjährigen Kind auch bereits eine Dauer von zehn Minuten für ein Entziehen genügen (BGH aaO, BGHSt 16, 58). Für die Beurteilung im Einzelfall, ob das Sorgerecht durch die Trennung erheblich beeinträchtigt worden ist, ist auch von Bedeutung, ob der Minderjährige durch die Tat Nachteile erlitten hat, insbesondere, ob er in körperlicher oder geistiger Hinsicht gefährdet worden ist (vgl. Krehl aaO, Rn. 54; Wieck-Noodt in MüKoStGB , 2. Aufl., § 235 Rn. 44). Lässt sich feststellen, dass es schon in kurzen Zeiträumen zu konkreten Gefahren für das körperliche oder geistige Wohl des Kindes gekommen ist, können auch kleinere Zeiteinheiten genügen (vgl. Krehl aaO, Rn. 56).
21
b) Den sich hieraus für das Vorliegen eines Entziehens ergebenen Darstellungsanforderungen genügen die Urteilsgründe nicht.
22
In den Urteilsgründen wird schon die Dauer der räumlichen Trennung nicht mitgeteilt. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass der Vorgang von der Mitnahme der Geschädigten im Fahrzeug bis zum Entfernen des Angeklagten etwa 30 bis 45 Minuten dauerte. Anschließend liefen die Kinder allein nach Hause zurück. Die Urteilsgründe enthalten jedoch keine Feststellungen dazu, wann die Kinder dort eingetroffen sind, wie lange sie für den Rückweg gebraucht haben, ob der weg gefährlich oder ungefährlich war und ob die Kinder den weg schnell oder nur unter Schwierigkeiten gefunden haben. Auch verhält sich das Urteil nicht dazu, ob die beiden Kinder aus der Tat Nachteile erlitten haben. Angesichts der möglicherweise nur sehr kurzen Trennung der Kinder von den sorgeberechtigten Eltern hätte es hierzu jedoch Feststellungen bedurft.
23
Zwar kommt es für das Vorliegen eines Entziehens nicht auf die Frage an, ob die Sorgeberechtigten zur Tatzeit wissen, wo sich ihre Kinder aufhalten und ob sie durch die Tat faktisch gehindert werden, ihre elterliche Sorge auszuüben (vgl. Krehl aaO Rn. 43). Allerdings wurden hier die beiden Kinder an einen Ort gebracht, der den Erziehungsberechtigten unbekannt war, so dass sie ihre Kinder überhaupt nicht erreichen konnten (vgl. dazu BGH aaO, BGHSt 1, 199, 200 und BGHSt 10, 376, 378 f.). Andererseits war die Zeit des Kontakts des Angeklagten mit den beiden Kindern von möglicherweise nur 30 Minuten sehr kurz; von sexuellen Handlungen nahm der Angeklagte Abstand, als die Kinder dies ablehnten. Jedenfalls waren beide in der Lage, allein wieder nach Hause zurückzukehren.
24
Im Hinblick auf diese Umstände durfte das Landgericht nicht unerörtert lassen, wie lange die räumliche Trennung insgesamt dauerte, ob die Rückkehr nach Hause für die Kinder gefährlich war und welche psychischen oder physischen Folgen diese Trennung bei den Kindern hatte. Eine lediglich dreißigminütige räumliche Trennung von den Sorgeberechtigten allein kann die Würdigung als Entziehen im Sinne des § 235 Abs. 1 StGB nicht rechtfertigen. Damit entfällt auch die – an sich fehlerfreie – tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberaubung.
25
c) Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese im Hinblick auf die erforderlichen Darlegungen nur lücken-, aber nicht rechtsfehlerhaft sind. Der neue Tatrichter wird ergänzende Feststellungen zu treffen haben, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
26
2. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
27
Auch soweit das Landgericht den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen (§ 179 StGB) verurteilt hat, hält das angefochtene Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar wurde diese Vorschrift durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. 2016 I, 2460) mit Wirkung vom 10. November 2016 aufgehoben, was gemäß § 354a StPO i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB auch im Revisionsverfahren zu beachten ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Oktober 1964 – 1 StR 358/64, BGHSt 20, 74). Jedoch ist mit dem Änderungsgesetz gleichzeitig der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 177 StGB erweitert worden, so dass das bei Tatbegehung nach § 179 StGB strafbare Verhalten des Angeklagten nun von § 177 StGB erfasst wird (vgl. BT-Drucks. 18/9097 S. 23 f.). Diese Vorschrift stellt damit im Sinne der für eine fortbestehende Strafbarkeit erforderlichen Unrechtskontinuität (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 1993 – 2 BvR 292/93, NStZ 1993, 432) eine Nachfolgeregelung zu § 179 StGB dar. Sowohl das Schutzgut als auch die inkriminierte Angriffsrichtung werden nun von § 177 StGB erfasst. Da die nun geltende Strafvorschrift kein milderes Gesetz darstellt (§ 2 Abs. 3 StGB), ist die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB rechtsfehlerfrei.

III.


28
Der Rechtsfolgenausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
29
1. Der gesamte Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand; denn die Ausführungen, mit denen das Landgericht die Annahme voller Schuldfähigkeit begründet hat, sind nicht rechtsfehlerfrei.
30
a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45 mwN). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO). Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann, ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteile vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45 und vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244).
31
b) Sachverständig beraten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten eine Paraphilie in Form einer ausschließlich homophilen pädophilen Störung und damit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB gegeben ist. Das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung hat das Landgericht dagegen abgelehnt. Es ist der Auffassung, dass sich die Einschränkungen des Angeklagten im Wesentlichen nur auf sein Sexualleben beziehen. Ansonsten sei er in der Lage gewesen, sowohl ein erfolgreiches Berufsleben zu führen als auch umfangreiche soziale Kontakte aufrecht zu erhalten.
32
Das Landgericht folgt dem Sachverständigen Dr. Gr. auch in der Wertung, dass der Angeklagte bei der Begehung der Taten die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstkontrolle besessen habe. Trotz der „quantitativen Progredienz der Taten“ bestünden keine Anhaltspunkte für eine Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB. Insbesondere lägen keine abrupten impulshaften Tatabläufe vor. Vielmehr habe der Angeklagte die Taten zumindest teilweise von langer Hand geplant und sich stets solange beherrschen können, bis er die von ihm gewünschte Tatsituation herbeigeführt habe. Er sei auch in der Lage gewesen, die Taten bei Stopp-Signalen der Kinder zu beenden. Schließlich bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kinderarzt Missbrauchstaten begangen oder sich auch nur distanzloses Verhalten erlaubt habe (UA S. 40 f.).

33
c) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
34
aa) Indem das Landgericht – insoweit beiden Sachverständigen folgend – eine Störung angenommen hat, deren Schweregrad ausreichend ist, um sie unter das Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit des § 20 StGB zu fassen, musste es davon ausgehen, dass die Störung Symptome aufweist , die in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen, wie krankhafte seelische Störungen (vgl. hierzu nur BGH, Beschluss vom 27. Januar 2017 – 1 StR 532/16 mwN). Wird aber eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt wegen der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens nahe (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 43 sowie Beschlüsse vom 16. Mai 1991 – 4 StR 204/91, BGHR StGB Seelische Abartigkeit 20 und vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 31).
35
bb) Dies hat das Landgericht nicht beachtet. Angesichts dessen, dass die Einschränkungen durch die pädophile Störung des Angeklagten schwer genug sein müssen, um zur Annahme eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu führen, kommt der Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte sei in der Lage gewesen, ein erfolgreiches Berufsleben zu führen und umfangreiche soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, nur geringe Aussagekraft zu. Die Erwägung, der Angeklagte sei stets in der Lage gewesen, sich so lange zu beherrschen, bis die gewünschte Tatsituation eingetreten sei, steht zudem in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis mit anderen Urteilsfeststellungen. So hat das Landgericht die Annahme, der Angeklagte habe einen Hang zu er- heblichen Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB auch damit begründet , dass er bei einigen der Taten ein hohes Entdeckungsrisiko in Kauf genommen habe (UA S. 56), was – jedenfalls ohne weitere Erörterungen – darauf schließen lässt, dass die gewünschten Tatsituationen nicht mehr uneingeschränkt abgewartet werden konnten (UA S. 40). Zudem sind die Ausführungen des Landgerichts zum Teil auch widersprüchlich. Während es einerseits davon ausgeht, der Angeklagte sei in der Lage gewesen, ein erfolgreiches Berufsleben zu führen und umfangreiche soziale Kontakte aufrechtzuerhalten (UA S. 40), nimmt es andererseits an, dass „die Häufung der Delikte in den Jahren 2013 und 2014 sowie seine zunehmende Beschäftigung mit kinderpornographi- schem Material gepaart mit dem Abbruch sozialer Kontakte“ zeigten, dass sich die Verhaltensmuster des Angeklagten immer weiter verfestigten (UA S. 60). Dies sei so weit gegangen, dass der Angeklagte sich selbst bei der Arbeit mit kinderpornographischem Material beschäftigt habe und auch sein gesamter sonstiger Alltag hiervon geprägt gewesen sei (UA S. 60). Schließlich habe der Angeklagte, dem es stets wichtig gewesen sei, dass sich seine Pädophilie nicht auf die Berufsausübung als Kinderarzt auswirkt, diese Trennung nicht mehr bewerkstelligen können (UA S. 61).
36
d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung jedenfalls für einen Teil der abgeurteilten Taten eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten (§ 21 StGB) anzunehmen oder jedenfalls nicht auszuschließen ist. Eine festgestellte Pädophilie kann im Einzelfall nicht nur die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit , sondern auch einer hierdurch erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit rechtfertigen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements beim Vorgehen und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 43 sowie Beschlüsse vom 10. September 2013 – 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8, 9; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; vom 20. Mai 2010 – 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170 und vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337). Insoweit könnten entgegen der Auffassung des Landgerichts eine gedankliche Einengung des Angeklagten auf sexuelle Handlungen mit Kindern und eine Progredienz der lange andauernden Fehlentwicklung festzustellen sein, die zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB geführt haben.
37
Ob und in welchem zeitlichen Umfang dies der Fall ist, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weshalb er den Strafausspruch im Ganzen aufhebt. Die Sache bedarf insoweit – naheliegender Weise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen – neuer Verhandlung und Entscheidung. Demgegenüber lässt der Rechtsfehler den verbliebenen Schuldspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten vollständig aufgehoben war.
38
2. Die Aufhebung im Strafausspruch zieht die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) nach sich.
39
3. Die Aufhebung des Strafausspruchs führt auch zur Aufhebung des Berufsverbots (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1993 – 5 StR 263/93, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 5). Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat insoweit auf Folgendes hin:
40
a) Ein Missbrauch von Beruf oder Gewerbe im Sinne des § 70 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter unter bewusster Missachtung der ihm gerade durch seinen Beruf oder sein Gewerbe gestellten Aufgaben seine Tätigkeit ausnutzt, um einen diesen Aufgaben zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Dazu genügt ein bloß äußerer Zusammenhang in dem Sinne, dass der Beruf dem Täter lediglich die Möglichkeit gibt, Straftaten zu begehen, nicht. Die strafbare Handlung muss vielmehr Ausfluss der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit sein und einen berufstypischen Zusammenhang erkennen lassen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 1968 – 2 StR 220/68, BGHSt 22, 144 und vom 6. Juni 2003 – 3 StR 188/03, wistra 2003, 423 mwN); sie muss symptomatisch für die Unzuverlässigkeit des Täters im Beruf erscheinen (BGH, Urteil vom 9. März 2011 – 2 StR 609/10, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 8). Einen solchen Zusammenhang hat das Landgericht bislang nicht festgestellt. Nach den Urteilsfeststellungen beging der Angeklagte die Straftaten nicht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Arzt.
41
b) Eine Verletzung der mit dem Beruf oder Gewerbe verbundenen Pflichten im Sinne des § 70 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter bei Tatbegehung gegen eine der speziellen Pflichten, die ihm bei der Ausübung seines Berufs oder Gewerbes auferlegt sind, verstößt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2 StR 182/07, StV 2008, 80 sowie Hanack in LK-StGB, 12. Aufl., § 70 Rn. 23). Auch dafür bedarf es eines berufstypischen Zusammenhangs der Tat zu der beruflichen Tätigkeit, der beim Angeklagten bislang nicht festgestellt wurde. Hierfür genügt es nicht, dass der Angeklagte bei einigen der Taten zur Betäubung der Opfer Medikamente eingesetzt hat, auf die er möglicherweise als Arzt Zugriff hatte (vgl. BGH aaO für die Berufspflichten eines Krankenpflegers ). Insoweit besteht lediglich ein äußerer Bezug zur Tätigkeit des Angeklagten als Arzt. Auch ließe sich durch ein Berufsverbot die Ausnutzung der medizinischen Kenntnisse des Angeklagten zu Straftaten außerhalb seines beruflichen Umfelds nicht verhindern. Raum Graf Jäger Cirener Fischer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2017 - 1 StR 362/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2017 - 1 StR 362/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der
Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2017 - 1 StR 362/16 zitiert 15 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


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Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

Strafgesetzbuch - StGB | § 239 Freiheitsberaubung


(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1631 Inhalt und Grenzen der Personensorge


(1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. (2) Das Kind hat ein Recht auf Pflege und Erziehung unter Ausschluss von Gewalt, körperl

Strafgesetzbuch - StGB | § 235 Entziehung Minderjähriger


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List oder2. ein Kind, ohne dessen Angehöriger zu sein,den Eltern,

Strafgesetzbuch - StGB | § 70 Anordnung des Berufsverbots


(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigke

Strafprozeßordnung - StPO | § 354a Entscheidung bei Gesetzesänderung


Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2017 - 1 StR 362/16 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2015 - 2 StR 409/14

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Bundesgerichtshof Urteil, 26. Mai 2010 - 2 StR 48/10

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2000 - 1 StR 420/00

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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2017 - 1 StR 532/16

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 684/18 vom 26. März 2019 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags ECLI:DE:BGH:2019:260319B1STR684.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des General

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2019 - 4 StR 538/18

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Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 2 StR 414/17

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List oder
2.
ein Kind, ohne dessen Angehöriger zu sein,
den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger entzieht oder vorenthält.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger

1.
entzieht, um es in das Ausland zu verbringen, oder
2.
im Ausland vorenthält, nachdem es dorthin verbracht worden ist oder es sich dorthin begeben hat.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und des Absatzes 2 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt oder
2.
die Tat gegen Entgelt oder in der Absicht begeht, sich oder einen Dritten zu bereichern.

(5) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(6) In minder schweren Fällen des Absatzes 4 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 5 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(7) Die Entziehung Minderjähriger wird in den Fällen der Absätze 1 bis 3 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.

(2) Das Kind hat ein Recht auf Pflege und Erziehung unter Ausschluss von Gewalt, körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen.

(3) Das Familiengericht hat die Eltern auf Antrag bei der Ausübung der Personensorge in geeigneten Fällen zu unterstützen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List oder
2.
ein Kind, ohne dessen Angehöriger zu sein,
den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger entzieht oder vorenthält.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger

1.
entzieht, um es in das Ausland zu verbringen, oder
2.
im Ausland vorenthält, nachdem es dorthin verbracht worden ist oder es sich dorthin begeben hat.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und des Absatzes 2 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt oder
2.
die Tat gegen Entgelt oder in der Absicht begeht, sich oder einen Dritten zu bereichern.

(5) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(6) In minder schweren Fällen des Absatzes 4 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 5 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(7) Die Entziehung Minderjähriger wird in den Fällen der Absätze 1 bis 3 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 526/15
vom
15. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Schriften u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:150316U1STR526.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. März 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 1. Juni 2015 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sichverschaffens von kinderpornographischen Schriften in Tateinheit mit Besitzverschaffen von jugendpornographischen Schriften sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz von jugendpornographischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem ist seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden.
2
Sein auf Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts nutzte der Angeklagte spätestens seit Juni 2012 unter verschiedenen Benutzernamen das filesharingNetzwerk Gigatribe. Dies ermöglicht u.a. den Austausch von Dateien zwischen den Nutzern des Netzwerks im Wege einer peer-to-peer-Verbindung. Kenntnisnahme der ausgetauschten Dateien sowie das Mitlesen der Inhalte des über das Netzwerk ebenfalls möglichen Chatverkehrs sind für Außenstehende nicht möglich. Die für die Nutzung des Netzwerks erforderliche Software hatte der Angeklagte auf einem von ihm genutzten Laptop installiert.
4
Der Verurteilung liegen folgende Taten zugrunde:
5
1. Am Nachmittag des Tattages stellte der Angeklagte unter einem seiner Benutzernamen des Netzwerks Gigatribe über dieses einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten eine im Urteil näher bezeichnete Videodatei zum Download zur Verfügung. Die Datei hat Oralverkehr zwischen 14 bis 16Jahre alten, unbekleideten Jugendlichen zum Inhalt. Dabei kam es dem Angeklagten darauf an, den Polizeibeamten zur Freigabe kinder- und jugendpornographischer Dateien über das Netzwerk zu bewegen. Der Polizeibeamte begann kurze Zeit später mit dem Download.
6
Im Gegenzug fing der Angeklagte damit an, eine von dem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten zum Download bereit gestellte, mit typisch kinder- pornographischen Begrifflichkeiten (etwa „…Kinderficker Rape Little Girls for Daddy …“) versehene Dummydatei herunter zu laden. Nach rund 20 Minuten beendete der Angeklagte die peer-to-peer-Verbindung, weil ihm die Ladevorgänge zu lange dauerten (II.2. Fall 1 der Urteilsgründe).
7
2. Am Tattag der zweiten Tat befanden sich auf dem in seiner Wohnung befindlichen, von ihm genutzten Laptop sowie auf einem USB-Stick insgesamt 727 Bilddateien mit kinderpornographischen Inhalten, 198 jugendpornographische Bilddateien sowie 78 kinderpornographische und 18 jugendpornographische Videodateien. Die Inhalte der fraglichen, dem Angeklagten bekannten Dateien hat das Landgericht näher festgestellt (II.2. Fall 2 der Urteilsgründe).
8
3. Sachverständig beraten hat das Landgericht bei beiden Taten eine aus einer Pädophilie herrührende erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten angenommen.

II.

9
1. Der Schuldspruch wird von den auf einer insoweit rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen.
10
Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit und erst recht eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit kommen von vornherein nach den zur Person des Angeklagten und seinen sexuellen Präferenzen getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.
11
2. Die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
Die insbesondere auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gestützte Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei den Taten sicher jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) gehandelt, findet in den erhobenen Beweisen keine ausreichende Grundlage. Angesichts dessen bedarf es keiner Entscheidung, ob die Annahme sicher verminderter Schuldfähigkeit schon deshalb rechtsfehlerhaft wäre, weil das Landgericht die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie an einer Stelle des Urteils dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuordnet (UA S. 20), an anderer Stelle – was allein in Betracht käme – dagegen der schweren anderen seelischen Abartigkeit (UA S. 23).
13
a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 und vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304 f.; BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688 f.; BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 9). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen , Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO).
14
Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 sowie Rosenau/Schreiber in Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., S. 106).
15
b) Diesen Anforderungen an die auf eine entsprechende Beweiswürdigung gestützte Feststellung der schweren anderen seelischen Abartigkeit und der dadurch bedingten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit genügt das angefochtene Urteil nicht.
16
Nach den dort wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen habe der Angeklagte seine sexuelle Präferenz durch den Konsum von kinderpornographischen Bildern und Videos befriedigt und „hierbei deutlich suchtartiges Verhalten gezeigt“ (UA S. 19).Das Suchtartige des Verhaltens stützt der Sachverständige ausweislich der Urteilsgründe darauf, dass der Angeklagte in „zunehmenden Maße“ bis zu vierStunden täglich kinderpornographische Medien konsumiert und „zuletzt sein (nahezu) komplettes Freizeitverhalten auf den Konsum kinderpornographischer Medien ausgerichtet“ hat (UA S. 19 und UA S. 23). Anhaltspunkte für den suchtartigen Charakter des Konsums sieht das dem Sachverständigen folgende Landgericht zudem darin, dass auch eine einschlägige Bewährungsstrafe und eine parallel durchgeführte Therapie den Angeklagten nicht von weiterem Konsum hätten abhalten kön- nen. Es zeigten sich bei ihm „eine progrediente Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse, die zunehmend das Erleben beherrschen“ und den Angeklagten zur Umsetzung auf der Verhaltensebene (dem Konsum) drängen würden. Die Pädophilie habe an seiner Sexualstruktur einen sehr hohen Anteil, die paraphilen Verhaltensweisen seien in das Persönlichkeitsgefüge integriert; trotz der genannten Bewährungsstrafe und der Therapie sei er nicht zur Kontrolle seiner paraphilen Impulse in der Lage gewesen (UA S. 19 und

23).

17
Die vorstehend genannten Umstände können zwar grundsätzlich eine aus der Pädophilie abgeleitete schwere andere seelische Abartigkeit und daraus resultierend eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit begründen. Allerdings enthält das angefochtene Urteil selbst in seinem Gesamtzusammenhang beweiswürdigend keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen , aus denen die vom Tatgericht geteilte Einschätzung des Sachverständigen des suchtartigen Verhaltens des Angeklagten, des progredienten Verlaufs seiner sexuellen Ausrichtung und der fehlenden Kontrolle der paraphilen Impulse abgleitet werden können.
18
Worauf die Annahme eines nahezu ausschließlich auf das den Konsum kinder- bzw. jugendpornographischer Medien ausgerichteten Freizeitverhaltens beruht, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Die familiäre Situation wird über den Umstand einer derzeitigen Trennung und der noch offenen Frage einer Fortführung der Ehe in Bezug auf die Tatzeiträume nicht näher dargestellt. Den auszugsweisen Wiedergaben des vom Angeklagten geführten Chat-Verkehrs lässt sich entnehmen, dass er eine solche in den späten Abendstunden geführte Kommunikation mit dem Hinweis darauf abbrach, er müsse jetzt ins Bett, weil seine „bessere Hälfte“ misstrauisch werde (UA S. 12). Derartige Verhaltenswei- sen können jedenfalls ein suchtartiges Konsumverhalten und einen Verlust der Fähigkeit, sexuelle Impulse zu kontrollieren, nicht tatsachengestützt unterlegen. Nähere Darlegungen über die konkrete Zeitgestaltung des Angeklagten außerhalb seiner in Vollzeit ausgeübten beruflichen Tätigkeit fehlen. Anknüpfungstatsachen für einen progredienten Verlauf des Konsums kinder- und jugendpornographischer Medien enthält das Urteil ebenfalls nicht in einer die erforderlichen Feststellungen belegenden Weise. Auch aus dem Gesamtzusammenhang lassen sich solche nicht entnehmen. Die Wiedergabe der vom Amtsgericht im früheren, gegen den Angeklagten u.a. wegen Sichverschaffens und Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften ergangenen Urteil getroffenen Feststellungen vermag das suchtartige Verhalten nicht zu tragen. Die dort ermittelten zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Downloads (UA S. 4 und 5) ließen rechtfehlerfrei einen solchen Schluss im Rahmen der Beweiswürdigung nicht zu. Mangels näherer Ausführungen im hier angefochtenen Urteil finden sich auch keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen, die als Grundlage für die Feststellung einer „progredienten Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse“ herangezogen werden könnten.
19
Die vom Landgericht ohne Rechtsfehler berücksichtigten Umstände, dass der Angeklagte trotz seiner einschlägigen Vorstrafe mit bewährungsweiser Aussetzung der Vollstreckung und laufender Therapie nicht in der Lage gewesen ist, seine paraphilen Impulse zu kontrollieren, allein können die Anforderungen des auf einer Pädophilie beruhenden Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit angesichts der erforderlichen Voraussetzungen (Rn. 13 und 14) nicht tragen.
20
c) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) war daher bereits wegen der beweiswürdigend nicht belegten Annahme sicher erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) aufzuheben. Auf die allein die Voraussetzungen des § 63 StGB betreffenden Verfahrensbeanstandungen, die im Übrigen nicht in § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügender Weise erhoben sind, kommt es wegen des Erfolgs der Sachrüge nicht mehr an.
21
d) Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO) und den Maßregelausspruch entfallen lassen.
22
Nach den bislang getroffenen Feststellungen kommt eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus durchaus in Betracht, sollte sich auf der Grundlage einer umfassenden Beweiswürdigung eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten feststellen lassen. Die weiteren Anforderungen der Unterbringung sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Wie das Landgericht – im rechtlichen Ansatz zutreffend – zugrunde gelegt hat, kommt es für die Gefährlichkeitsprognose im Rahmen von § 63 StGB darauf an, dass die zukünftig zu erwartenden Straftaten eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen. Die den Anlass der Unterbringung bildenden verfahrensgegenständlichen Taten müssen dabei selbst nicht erheblich sein (BGH, Beschlüsse vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f. und vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Allerdings müssen nach geltendem Recht die zukünftig zu erwartenden Straftaten, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (st. Rspr.; siehe BGH jeweils aaO mwN). Das ist bei Taten wie dem Besitz und dem Verbreiten von Kinderpornographie der Fall (BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 220/13, NStZ-RR 2013, 339, 340; BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Für die vom Landgericht ebenfalls als zukünftig drohend prognosti- zierten „hands-on-Delikte“ (also zumindest§ 176 StGB) zu Lasten von Kindern gilt das erst recht.
23
3. Der auf die Annahme sicher erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bezogene Rechtsfehler führt zur Aufhebung sämtlicher die Voraussetzungen der Maßregel des § 63 StGB insgesamt betreffenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). So werden dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen hinsichtlich aller für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlichen Umstände ermöglicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 f. und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76, 77).
24
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Rechtsfehler bei der Beurteilung der (erheblich eingeschränkten) Schuldfähigkeit trotz deren Doppelrelevanz für den Strafausspruch und den Maßregelausspruch (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475) nicht nur den Schuldspruch, sondern auch den Strafausspruch unberührt lassen, wenn – wie hier (Rn. 10) – eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit von vornherein ausscheidet (BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337, 338; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. April 2006 – 4 StR 60/06, StraFo 2006, 295, 296).
25
b) Ob dem angesichts der Doppelrelevanz der die Voraussetzungen des § 21 StGB betreffenden Feststellungen und der hier vom Tatrichter hergestellten Verknüpfung zwischen der Strafhöhe und der Anordnung der Maßregel (UA S. 21) selbst bei einer allein vom Angeklagten eingelegten Revision uneingeschränkt zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch bei Aufhebung des Strafausspruchs wegen der rechtsfehlerhaften, aber insoweit ausschließlich zugunsten des Angeklagten wirkenden Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit stünde das Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung einer höheren Gesamtstrafe selbst bei Wegfall der Anordnung der Maßregel des § 63 StGB entgegen. § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO erfasst lediglich die Auswechselung einer isoliert – im Fall der Schuldunfähigkeit – verhängten Maßregel gemäß § 63 oder § 64 StGB gegen eine Verurteilung zur Strafe, wenn sich im neuen Verfahren die schuldhafte Begehung der Tat ergibt.
26
4. Der Strafausspruch enthält keinerlei zu Lasten des Angeklagten wirkende Rechtsfehler.
27
a) Die Annahme des § 21 StGB und die deshalb erfolgte Strafrahmenverschiebung beschwert den Angeklagten hinsichtlich der Strafzumessung nicht.
28
Da das Landgericht bei der Bemessung der Strafen innerhalb des jeweils ohnehin gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens die parallele Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zu dessen Gunsten berücksichtigt hat (UA S. 21), schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zu niedrigeren Strafen gelangt wäre. Allerdings war eine solche mildernde Berücksichtigung der neben Freiheitsstrafe(n) angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtlich nicht geboten (anders offenbar Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 71). Die Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen Strafe (§ 46 Abs. 1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden sich kategorial. Die Vollstreckung der Strafe dient zudem dem Schuldausgleich, der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr zukünftiger Gefährlichkeit des Täters. Wechselwirkungen zwischen beiden betreffen lediglich die Ebene der Vollstreckung (etwa § 67 Abs. 1 und Abs. 4 StGB).
29
b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Die vor allem auf den Bewährungsbruch aus einer einschlägigen vorangegangenen Verurteilung und die bewusst unwahren Angaben des Angeklagten gegenüber seinem Therapeuten gestützte negative Kriminalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) hält sich nicht nur innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten weiten Wertungsspielraums (siehe nur BGH, Beschluss vom 6. Mai 2015 – 4 StR 89/15, StV 2015, 564), sondern liegt angesichts der insoweit rechtsfeh- lerfrei getroffenen Feststellungen besonders nahe.

III.

30
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
31
Sollte der neue Tatrichter die Voraussetzungen einer eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei den Taten wiederum feststellen können, wird er im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose in den Blick nehmen, dass es – wie im angefochtenen Urteil insoweit im rechtlichen Ausgangspunkt zutref- fend erfolgt – auf eine individuelle Prognose auf der Grundlage einer differenzierten Einzelfallanalyse ankommt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 StR 469/15 Rn. 2 mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 12 mwN). Dabei ist es bei entsprechenden Anknüpfungstatsachen möglich, individualprognostisch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten anzunehmen, die den Anlasstaten nicht entsprechen, sondern – wie Sexualdelikte zu Lasten von Kindern mit körperlichem Kontakt (hands-on-Delikte) – über diese im Unrechtsschweregrad hinausgehen. Graf Jäger Cirener Radtke Bär

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 48/10
vom
26. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Mai 2010,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Cierniak,
Prof. Dr. Schmitt,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. September 2009 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass für die Tat II.5 der Urteilsgründe eine Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5 Euro festgesetzt wird. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in jeweils vier Fällen, wegen Freiheitsberaubung in zwei Fällen sowie wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und dessen Laptop nebst externer Festplatte eingezogen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Nichtverurteilung des Angeklagten auch wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften, den Strafausspruch sowie die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Nachholung eines unterbliebenen Einzelstrafausspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der heute 24jährige nicht vorbestrafte Angeklagte vor seinem 18. Lebensjahr alterstypische, mit Geschlechtsverkehr einhergehende Beziehungen zu geringfügig jüngeren Mädchen. Von Oktober 2003 bis Juni 2008 lebte er in einer festen Beziehung mit der gleichaltrigen H. . Im Anschluss hatte er ein sexuelles Verhältnis mit einem 17jährigen Mädchen. Während des Zusammenlebens mit H. war es zu Spannungen gekommen, weil der Angeklagte pornographisches, zum Teil kinderpornographisches Bildmaterial konsumiert hatte und sich zu jüngeren Mädchen, auch unter 14 Jahren, hingezogen fühlte.
3
a) Im November 2007 führte der damals 22jährige Angeklagte mit einem 13 Jahre und zehn Monate alten, sexuell noch unerfahrenen Mädchen, das er bereits seit längerem kannte, einvernehmlich Geschlechtsverkehr durch.
4
b) Im Frühjahr 2008 steigerten sich die Spannungen zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin und mündeten bei vier Gelegenheiten in körperlichen Auseinandersetzungen. Während dieses Zeitraums lud der Angeklagte zwei Bilddateien mit kinderpornographischen Darstellungen aus dem Internet auf seinen Rechner. In zwei Fällen schloss der Angeklagte seine Lebensgefährtin nach Streitigkeiten in der Wohnung ein.
5
c) Im Frühjahr 2009 schließlich führte der Angeklagte mit einem sexuell bereits erfahrenen, 13 Jahre und zwei Monate alten Mädchen, das er seit ca. einem halben Jahr kannte, bei drei Gelegenheiten jeweils einverständlich Geschlechtsverkehr durch.
6
2. In Übereinstimmung mit dem gehörten psychiatrischen Sachverständigen stellte die Strafkammer bei dem geständigen, sein Verhalten bedauernden Angeklagten pädophile Neigungen fest, zu denen dieser sich auch bekennt. Die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie sei jedoch - anders als der Sachverständige meine - nicht von solchem Ausmaß, dass sie als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB zu werten sei. Vielmehr handele es sich um eine allgemeine Störung der Persönlichkeit, die keinen Einfluss auf die strafrechtliche Verantwortung i.S.d. §§ 20, 21 StGB habe.

II.

7
1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen seine Aufklärungs- und Fürsorgepflicht verstoßen, in dem es ohne vorherigen Hinweis dem Sachverständigen hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB nicht gefolgt sei, ist unbegründet. Das Gericht war unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gehalten, die Prozessbeteiligten über die vorläufige Bewertung von Beweismitteln - hier des Sachverständigengutachtens - zu informieren. Erst in der Urteilsberatung hat der Tatrichter darüber zu befinden, wie er die erhobenen Beweise einschätzt. Ein Zwischenverfahren , in dem sich das Gericht zu Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen erklären müsste, ist nicht vorgesehen (vgl. BGHSt 43, 212, 214; BGH NStZ-RR 2008, 180).
8
2. Auch die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler des Urteils zum Vorteil des Angeklagten auf.
9
a) Der Schuldspruch ist nicht zu beanstanden. Die im Fall II.8 der Urteilsgründe zwar erfüllte Tatbestandsalternative des Besitzes kinderpornogra- phischer Schriften gemäß § 184 b Abs. 4 Satz 2 StGB ist ein Auffangtatbestand , der - was die Revision verkennt - hinter dem hier ausgeurteilten Tatbestand des Sichverschaffens dieser Schriften gemäß § 184 b Abs. 4 Satz 1 StGB zurücktritt (BGH NStZ 2009, 208; Fischer, StGB 57. Aufl. § 184 b Rdn. 28).
10
b) Ebenso wenig ist der Rechtsfolgenausspruch zu beanstanden. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Angeklagten die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorlagen, womit die Verhängung einer Maßregel nach § 63 StGB ausgeschlossen war. Es ist dem Sachverständigen in dessen Einschätzung gefolgt, dass bei dem Angeklagten pädophile Neigungen vorliegen. Ob dieses Störungsbild unter eines der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB zu subsumieren ist und dadurch die Schuldfähigkeit des Angeklagten erheblich eingeschränkt ist, entscheidet nach sachverständiger Beratung das Gericht (BGH NStZ-RR 2006, 73). Bei seiner Beurteilung ist der Tatrichter nicht gehindert, von dem Gutachten eines vernommenen Sachverständigen abzuweichen. Dabei ist er - wie vorliegend geschehen - gehalten, sich mit dessen Darlegungen in einer Weise auseinanderzusetzen , die erkennen lässt, dass er mit Recht eigene Sachkunde in Anspruch genommen hat (BGH NStZ 2007, 114). Hier hat das Landgericht die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen in nachprüfbarer Weise wiedergegeben , sich damit auseinandergesetzt und seine abweichende Auffassung nachvollziehbar begründet. Da nicht jede Devianz in Form einer Pädophilie ohne Weiteres gleichzusetzen ist mit einer schweren anderen seelischen Abhängigkeit (BGH StV 2005, 20), war aufgrund einer Gesamtschau von Täterpersönlichkeit und Taten darauf abzustellen, ob seine Neigungen den Angeklagten im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt. Eine solche Prüfung hat die Strafkammer vorgenommen und im Einzelnen begründet, weshalb sie bei dem Angeklagten eine zwanghafte gedankliche Einengung auf Sexualver- kehr mit Kindern ebenso wenig zu erkennen vermochte wie eine süchtige Entwicklung bzw. einen Ausbau des Raffinements zur Erlangung ungestörter Kontakte mit Kindern. Vielmehr sei der Angeklagte in der Lage, seine pädophilen Neigungen zu beherrschen. Diese gut und nachvollziehbar begründete Einschätzung ist möglich und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die dagegen und gegen die Strafzumessung im Übrigen erhobenen Einwände der Revision erschöpfen sich in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch, eine eigene Beweiswürdigung - teils sogar auf urteilsfremder Grundlage - an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen.
11
c) Die fehlende Festsetzung der Einzelstrafe im Fall II.5 der Urteilsgründe war vom Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO nachzuholen. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der Nachholung der Festsetzung nicht entgegen (BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 10 m.w.N.). Auf Antrag des Generalbundesanwalts verhängt der Senat mit Blick auf die in jeder Hinsicht vergleichbaren Fälle II.2 bis 4 der Urteilsgründe im Fall II.5 ebenfalls eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5 Euro. Fischer Roggenbuck Appl Cierniak Schmitt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 420/00
vom
10. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2000 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Heilbronn vom 13. Juni 2000 im gesamten Rechtsfolgenausspruch
mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen sowie wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat im Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Rüge der Verletzung der Vorschriften über die Mitteilung der Gerichtsbesetzung (§§ 220a, 338 Nr. 1 StPO) ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2
StPO). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend darlegt, hätte es der Behauptung der unrichtigen Besetzung des Gerichts bedurft und nicht nur des Vortrags, dieses habe die Mitteilung einer Ä nderung der Besetzung unterlassen (BGH, Beschl. v. 25. November 1997 - 1 StR 675/97; Beschl. v. 16. Dezember 1994 - 2 StR 652/94).
2. Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3. Dagegen kann der gesamte Rechtsfolgenausspruch nicht bestehen bleiben, weil die Urteilsgründe dem Senat nicht die Nachprüfung ermöglichen, ob das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB in rechtlich zutreffender Weise ausgeschlossen hat. Dadurch ist der Angeklagte beschwert, denn bei Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit könnte die Tatschuld geringer zu bewerten sein und es könnte eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB in Betracht kommen.

a) Das Landgericht ist, die Ergebnisse des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen referierend, zu der sicheren Überzeugung gelangt, bei dem Angeklagten sei zwar eine sexuelle Devianz im Sinne einer “Pädophilie” gegeben. Es handele sich aber nicht um eine suchtartige Einengung des sexuellen Verhaltens. Es seien durchaus auch dissoziale Persönlichkeitszüge vorhanden, ohne daß jedoch das Vollbild einer dissozialen Persönlichkeitsstörung im Sinne des aktuellen psychiatrischen Klassifikationssystems ICD 10 F 65. 4 (vgl. Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Dilling /Mombour/Schmidt (Hrsg.) 3. Aufl. [1999]) vorliege.
Die Jugendkammer hat zur Entwicklung des abweichenden Sexualverhaltens des jetzt 58jährigen Angeklagten folgendes festgestellt: Bereits im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren traten die ersten sexuellen Impulse auf. Mit vierzehn Jahren kam es zu gelegentlichen sexuellen Kontakten zu Jungen. Im 18. Lebensjahr hatte der Angeklagte wiederum sexuelle Kontakte zu einem gleichaltrigen Jungen und im selben Jahr den ersten heterosexuellen Geschlechtsverkehr mit einer etwa zehn Jahre älteren Frau. Etwa zu dieser Zeit hatte der Angeklagte einen ersten pädophilen Kontakt zu zwei sechs- und siebenjährigen Nachbarsmädchen und einem siebenjährigen Jungen. 1959, 1963, 1976 und 1991 wurde er jeweils wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern verurteilt. Nachdem sein Sexualverhalten in der Zeit von Dezember 1992 bis April 1993 darin gipfelte, daß er sich an seiner leiblichen Tochter verging, unterzog er sich – zunächst freiwillig und dann im Rahmen einer gerichtlichen Weisung – einer Sexualtherapie. Im Rahmen dieser Therapie wurde auch ein sexualdämpfendes Medikament mit antiandrogener Wirkung (Androcur) verabreicht. Diese medikamentöse Behandlung wurde in Form von vierzehntägigen Depotspritzen bis 1996 fortgeführt. Aufgrund der mehrjährigen Einnahme des Medikaments kam es beim Angeklagten zu einer erektilen Dysfunktion, die dazu führte, daß sexuelle Kontakte zu seiner langjährigen Bekannten erfolglos blieben. Da er jedoch weiterhin einen starken Sexualtrieb verspürte, kam etwa ab Mitte 1999 seine pädophile Neigung wieder stärker zum Ausbruch. An eine Wiederaufnahme der Sexualtherapie einschließlich der Medikation dachte der Angeklagte nicht.
Diese Feststellungen hätten dazu drängen müssen, in einer Gesamtschau von Täterpersönlichkeit und Taten der Frage besonders kritisch nachzugehen , ob die “Pädophilie” aufgrund der bereits lang andauernden pathologi-
schen Entwicklung beim Angeklagten nicht zu Symptomen geführt hat, die zunehmend seine Persönlichkeit besetzt, d.h. “führend” geworden sind, oder sogar bei ihm zu einer schweren und umfassenden Persönlichkeitsdeformierung geführt haben (Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 279). Dann liegen in der Regel die psychiatrischen Voraussetzungen für eine schwere andere seelische Abartigkeit vor, die auch strafrechtlich die Beeinträchtigung seiner Verantwortlichkeit nahe legt (Rasch, Die psychiatrisch-psychologische Beurteilung der sogenannten schweren anderen seelischen Abartigkeit, StV 1991, 126, 131).

b) Allerdings ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten in Form einer “Pädophilie” ohne weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichzusetzen , die als Merkmal des § 20 StGB einer schweren anderen seelischen Abartigkeit zuzuordnen ist und zu einer Schuldmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen muß (BGH NStZ 1999, 126 mit Anm. Winckler/Foerster). Liegt ausreichendes Anknüpfungsmaterial für ein umfassendes Persönlichkeitsbild vor, kann aus psychiatrischer Sicht auch der Schluß gerechtfertigt sein, daß nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegt, die als eine allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung kein krankheitswertiges Ausmaß aufweist und damit keinen Einfluß auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten hat.
Dagegen kann die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt sein, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone werden, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. [2000] S. 165, 168).
Der vom Landgericht verwendete psychiatrische Begriff “Pädophilie” ist dabei nur eine Sammelbezeichnung, die alle sexuell betonten Neigungen zu Kindern umfaßt (Nedopil aaO S. 165). Eine Einordnung in die für die Begutachtung übliche Typologie nach Schorsch, Sexualstraftäter [1971], ist nicht erfolgt. Damit bleibt offen, ob die aktuellen strafbaren sexuellen Handlungen auf Verhaltensmustern beruhen, die sich bereits im jugendlichen Alter verfestigt haben, ob sie Folge einer Destabilisierung und sozialen Desintegration im mittleren Lebensbereich oder ob sie bereits Ausdruck einer beginnenden Alterspädophilie sind (vgl. zur Typologie Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung , 3. Aufl. S. 254 f.). Wichtiger als die Feststellung der Art der sexuellen Deviation sind allerdings Ausführungen über die Verlaufsformen des sexuellen Verlangens beim Angeklagten. Das Urteil enthält keine näheren Darlegungen darüber, ob die Wünsche und das Verlangen nach pädophilen Kontakten krisenhaft entstanden und über welche Möglichkeiten der inneren Auseinandersetzung mit seiner Deviation der Angeklagte verfügte. Damit fehlt auch das Ergebnis der sachverständigen Beurteilung des Maßes der Determiniertheit der sexuellen Handlungen (Venzlaff/Foerster aaO S. 252; vgl. auch die Anm. von Winckler/Foerster zu BGH NStZ 1999, 126, 128). Schließlich fehlt die Wiedergabe der Beurteilung dafür, welchen Einfluß die langjährige Behandlung mit Androcur und das Absetzen des Medikaments auf die aktuellen Verlaufsformen der sexuellen Deviation und den Entschluß des Angeklagten zur erneuten Begehung strafbarer Handlungen des sexuellen Mißbrauchs an Kindern gehabt hat.
Erst auf der Grundlage einer angesichts der Gesamtumstände gebotenen ausführlichen psychiatrischen Diagnose kann der Tatrichter im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung die Wertung treffen, ob die von der Norm abwei-
chende sexuelle Präferenz den Täter - nicht anders als bei den sonstigen Persönlichkeitsstörungen – in seiner Persönlichkeit so nachhaltig verändert hat, daß er selbst bei Aufbietung aller ihm eigenen Willenskräfte dem Trieb nicht ausreichend zu widerstehen vermag oder ob sie - in Folge seiner Abartigkeit – den Täter in seiner gesamten inneren Grundlage und damit im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert, daß er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt (BGH NStZ 1998, 30, 31; 1996, 401, 402; Jähnke in LK StGB 11. Aufl. § 20 Rdn. 64). Steht fest, daß der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat und drohen weitere erhebliche Straftaten, hat der Tatrichter zu prüfen, ob eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus notwendig ist (BGHSt 42, 385, 388).

d) Eine solche Gesamtbetrachtung der Taten und der Persönlichkeit des Täters fehlt hier. Die Darlegungen des Landgerichts zum bisherigen Werdegang des Angeklagten und zu seinem abweichenden Sexualverhalten legen es eher nahe, daß er seine pädophile Neigung nicht beherrschen kann. Dem Urteil ist zu entnehmen, daß der Angeklagte bereits seit vielen Jahren immer wieder in einschlägiger Weise in Erscheinung getreten ist und daß er zumindest in den Jahren von 1993 bis 1996 Hilfe in der Medikation mit Androcur gesucht hat. Die mitgeteilten Beziehungen zu erwachsenen Frauen legen nahe, daß erhebliche Schwierigkeiten bei normalen Sexualkontakten bestanden haben. Die Wiederaufnahme von pädophilen Sexualkontakten nach dem Scheitern der letzten Beziehung, der Ausbau des Raffinements zur Erlangung ungestörter Kontakte zu den Kindern und die Hinwendung zu drei Tatopfern während der Zeit von Juli bis Ende November 1999 deuten auf eine sich steigernde Frequenz der Sexualkontakte und damit auf eine süchtige Entwicklung hin (BGH
NJW 1982, 2009; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 22 m.w.N.). Dies erfordert eine vertiefte Auseinandersetzung damit, ob der Angeklagte infolge seiner pädophilen Veranlagung in seiner Persönlichkeit derart beeinträchtigt ist, daß er die Anforderungen an normgemäßes Verhalten nicht oder nur in erheblich geringerem Maße erfüllen konnte als andere Menschen (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 23, 28). Weshalb der vom Landgericht gehörte Sachverständige davon ausgegangen ist, “es handele sich dabei aber nicht um eine suchtartige Verengung des sexuellen Verhaltens gerade auf diesen Sektor sexueller Betätigung” , ist für den Senat aus den Urteilsgründen nicht nachzuvollziehen. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil der Sachverständige zur Begründung der für die Sicherungsverwahrung erforderliche Feststellung eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausgeführt hat, beim Angeklagten sei ein erheblicher Mangel an Empathie und Frustrationstoleranz festzustellen. Diese Merkmale hätten sich beim Angeklagten so verfestigt, daß die Taten “allesamt dasselbe Verhaltensmuster zeigen und auf eine fest verwurzelte Neigung schließen lassen”.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß der Tatrichter seiner Aufgabe, sich eine eigene Überzeugung über den Zustand des Angeklagten zu bilden, grundsätzlich nicht dadurch gerecht wird, daß er lediglich die Befunde des Sachverständigen wiedergibt, ohne sich mit diesen auseinanderzusetzen (BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 17).
Jedenfalls müssen, wenn der Tatrichter dem Ergebnis eines Sachverständigengutachtens ohne Angaben eigener Erwägungen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH NStZ 1999, 610, 611).
Schäfer Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 526/15
vom
15. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Schriften u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:150316U1STR526.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. März 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 1. Juni 2015 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sichverschaffens von kinderpornographischen Schriften in Tateinheit mit Besitzverschaffen von jugendpornographischen Schriften sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz von jugendpornographischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem ist seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden.
2
Sein auf Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts nutzte der Angeklagte spätestens seit Juni 2012 unter verschiedenen Benutzernamen das filesharingNetzwerk Gigatribe. Dies ermöglicht u.a. den Austausch von Dateien zwischen den Nutzern des Netzwerks im Wege einer peer-to-peer-Verbindung. Kenntnisnahme der ausgetauschten Dateien sowie das Mitlesen der Inhalte des über das Netzwerk ebenfalls möglichen Chatverkehrs sind für Außenstehende nicht möglich. Die für die Nutzung des Netzwerks erforderliche Software hatte der Angeklagte auf einem von ihm genutzten Laptop installiert.
4
Der Verurteilung liegen folgende Taten zugrunde:
5
1. Am Nachmittag des Tattages stellte der Angeklagte unter einem seiner Benutzernamen des Netzwerks Gigatribe über dieses einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten eine im Urteil näher bezeichnete Videodatei zum Download zur Verfügung. Die Datei hat Oralverkehr zwischen 14 bis 16Jahre alten, unbekleideten Jugendlichen zum Inhalt. Dabei kam es dem Angeklagten darauf an, den Polizeibeamten zur Freigabe kinder- und jugendpornographischer Dateien über das Netzwerk zu bewegen. Der Polizeibeamte begann kurze Zeit später mit dem Download.
6
Im Gegenzug fing der Angeklagte damit an, eine von dem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten zum Download bereit gestellte, mit typisch kinder- pornographischen Begrifflichkeiten (etwa „…Kinderficker Rape Little Girls for Daddy …“) versehene Dummydatei herunter zu laden. Nach rund 20 Minuten beendete der Angeklagte die peer-to-peer-Verbindung, weil ihm die Ladevorgänge zu lange dauerten (II.2. Fall 1 der Urteilsgründe).
7
2. Am Tattag der zweiten Tat befanden sich auf dem in seiner Wohnung befindlichen, von ihm genutzten Laptop sowie auf einem USB-Stick insgesamt 727 Bilddateien mit kinderpornographischen Inhalten, 198 jugendpornographische Bilddateien sowie 78 kinderpornographische und 18 jugendpornographische Videodateien. Die Inhalte der fraglichen, dem Angeklagten bekannten Dateien hat das Landgericht näher festgestellt (II.2. Fall 2 der Urteilsgründe).
8
3. Sachverständig beraten hat das Landgericht bei beiden Taten eine aus einer Pädophilie herrührende erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten angenommen.

II.

9
1. Der Schuldspruch wird von den auf einer insoweit rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen.
10
Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit und erst recht eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit kommen von vornherein nach den zur Person des Angeklagten und seinen sexuellen Präferenzen getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.
11
2. Die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
Die insbesondere auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gestützte Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei den Taten sicher jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) gehandelt, findet in den erhobenen Beweisen keine ausreichende Grundlage. Angesichts dessen bedarf es keiner Entscheidung, ob die Annahme sicher verminderter Schuldfähigkeit schon deshalb rechtsfehlerhaft wäre, weil das Landgericht die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie an einer Stelle des Urteils dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuordnet (UA S. 20), an anderer Stelle – was allein in Betracht käme – dagegen der schweren anderen seelischen Abartigkeit (UA S. 23).
13
a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 und vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304 f.; BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688 f.; BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 9). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen , Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO).
14
Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 sowie Rosenau/Schreiber in Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., S. 106).
15
b) Diesen Anforderungen an die auf eine entsprechende Beweiswürdigung gestützte Feststellung der schweren anderen seelischen Abartigkeit und der dadurch bedingten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit genügt das angefochtene Urteil nicht.
16
Nach den dort wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen habe der Angeklagte seine sexuelle Präferenz durch den Konsum von kinderpornographischen Bildern und Videos befriedigt und „hierbei deutlich suchtartiges Verhalten gezeigt“ (UA S. 19).Das Suchtartige des Verhaltens stützt der Sachverständige ausweislich der Urteilsgründe darauf, dass der Angeklagte in „zunehmenden Maße“ bis zu vierStunden täglich kinderpornographische Medien konsumiert und „zuletzt sein (nahezu) komplettes Freizeitverhalten auf den Konsum kinderpornographischer Medien ausgerichtet“ hat (UA S. 19 und UA S. 23). Anhaltspunkte für den suchtartigen Charakter des Konsums sieht das dem Sachverständigen folgende Landgericht zudem darin, dass auch eine einschlägige Bewährungsstrafe und eine parallel durchgeführte Therapie den Angeklagten nicht von weiterem Konsum hätten abhalten kön- nen. Es zeigten sich bei ihm „eine progrediente Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse, die zunehmend das Erleben beherrschen“ und den Angeklagten zur Umsetzung auf der Verhaltensebene (dem Konsum) drängen würden. Die Pädophilie habe an seiner Sexualstruktur einen sehr hohen Anteil, die paraphilen Verhaltensweisen seien in das Persönlichkeitsgefüge integriert; trotz der genannten Bewährungsstrafe und der Therapie sei er nicht zur Kontrolle seiner paraphilen Impulse in der Lage gewesen (UA S. 19 und

23).

17
Die vorstehend genannten Umstände können zwar grundsätzlich eine aus der Pädophilie abgeleitete schwere andere seelische Abartigkeit und daraus resultierend eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit begründen. Allerdings enthält das angefochtene Urteil selbst in seinem Gesamtzusammenhang beweiswürdigend keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen , aus denen die vom Tatgericht geteilte Einschätzung des Sachverständigen des suchtartigen Verhaltens des Angeklagten, des progredienten Verlaufs seiner sexuellen Ausrichtung und der fehlenden Kontrolle der paraphilen Impulse abgleitet werden können.
18
Worauf die Annahme eines nahezu ausschließlich auf das den Konsum kinder- bzw. jugendpornographischer Medien ausgerichteten Freizeitverhaltens beruht, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Die familiäre Situation wird über den Umstand einer derzeitigen Trennung und der noch offenen Frage einer Fortführung der Ehe in Bezug auf die Tatzeiträume nicht näher dargestellt. Den auszugsweisen Wiedergaben des vom Angeklagten geführten Chat-Verkehrs lässt sich entnehmen, dass er eine solche in den späten Abendstunden geführte Kommunikation mit dem Hinweis darauf abbrach, er müsse jetzt ins Bett, weil seine „bessere Hälfte“ misstrauisch werde (UA S. 12). Derartige Verhaltenswei- sen können jedenfalls ein suchtartiges Konsumverhalten und einen Verlust der Fähigkeit, sexuelle Impulse zu kontrollieren, nicht tatsachengestützt unterlegen. Nähere Darlegungen über die konkrete Zeitgestaltung des Angeklagten außerhalb seiner in Vollzeit ausgeübten beruflichen Tätigkeit fehlen. Anknüpfungstatsachen für einen progredienten Verlauf des Konsums kinder- und jugendpornographischer Medien enthält das Urteil ebenfalls nicht in einer die erforderlichen Feststellungen belegenden Weise. Auch aus dem Gesamtzusammenhang lassen sich solche nicht entnehmen. Die Wiedergabe der vom Amtsgericht im früheren, gegen den Angeklagten u.a. wegen Sichverschaffens und Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften ergangenen Urteil getroffenen Feststellungen vermag das suchtartige Verhalten nicht zu tragen. Die dort ermittelten zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Downloads (UA S. 4 und 5) ließen rechtfehlerfrei einen solchen Schluss im Rahmen der Beweiswürdigung nicht zu. Mangels näherer Ausführungen im hier angefochtenen Urteil finden sich auch keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen, die als Grundlage für die Feststellung einer „progredienten Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse“ herangezogen werden könnten.
19
Die vom Landgericht ohne Rechtsfehler berücksichtigten Umstände, dass der Angeklagte trotz seiner einschlägigen Vorstrafe mit bewährungsweiser Aussetzung der Vollstreckung und laufender Therapie nicht in der Lage gewesen ist, seine paraphilen Impulse zu kontrollieren, allein können die Anforderungen des auf einer Pädophilie beruhenden Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit angesichts der erforderlichen Voraussetzungen (Rn. 13 und 14) nicht tragen.
20
c) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) war daher bereits wegen der beweiswürdigend nicht belegten Annahme sicher erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) aufzuheben. Auf die allein die Voraussetzungen des § 63 StGB betreffenden Verfahrensbeanstandungen, die im Übrigen nicht in § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügender Weise erhoben sind, kommt es wegen des Erfolgs der Sachrüge nicht mehr an.
21
d) Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO) und den Maßregelausspruch entfallen lassen.
22
Nach den bislang getroffenen Feststellungen kommt eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus durchaus in Betracht, sollte sich auf der Grundlage einer umfassenden Beweiswürdigung eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten feststellen lassen. Die weiteren Anforderungen der Unterbringung sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Wie das Landgericht – im rechtlichen Ansatz zutreffend – zugrunde gelegt hat, kommt es für die Gefährlichkeitsprognose im Rahmen von § 63 StGB darauf an, dass die zukünftig zu erwartenden Straftaten eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen. Die den Anlass der Unterbringung bildenden verfahrensgegenständlichen Taten müssen dabei selbst nicht erheblich sein (BGH, Beschlüsse vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f. und vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Allerdings müssen nach geltendem Recht die zukünftig zu erwartenden Straftaten, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (st. Rspr.; siehe BGH jeweils aaO mwN). Das ist bei Taten wie dem Besitz und dem Verbreiten von Kinderpornographie der Fall (BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 220/13, NStZ-RR 2013, 339, 340; BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Für die vom Landgericht ebenfalls als zukünftig drohend prognosti- zierten „hands-on-Delikte“ (also zumindest§ 176 StGB) zu Lasten von Kindern gilt das erst recht.
23
3. Der auf die Annahme sicher erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bezogene Rechtsfehler führt zur Aufhebung sämtlicher die Voraussetzungen der Maßregel des § 63 StGB insgesamt betreffenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). So werden dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen hinsichtlich aller für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlichen Umstände ermöglicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 f. und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76, 77).
24
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Rechtsfehler bei der Beurteilung der (erheblich eingeschränkten) Schuldfähigkeit trotz deren Doppelrelevanz für den Strafausspruch und den Maßregelausspruch (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475) nicht nur den Schuldspruch, sondern auch den Strafausspruch unberührt lassen, wenn – wie hier (Rn. 10) – eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit von vornherein ausscheidet (BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337, 338; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. April 2006 – 4 StR 60/06, StraFo 2006, 295, 296).
25
b) Ob dem angesichts der Doppelrelevanz der die Voraussetzungen des § 21 StGB betreffenden Feststellungen und der hier vom Tatrichter hergestellten Verknüpfung zwischen der Strafhöhe und der Anordnung der Maßregel (UA S. 21) selbst bei einer allein vom Angeklagten eingelegten Revision uneingeschränkt zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch bei Aufhebung des Strafausspruchs wegen der rechtsfehlerhaften, aber insoweit ausschließlich zugunsten des Angeklagten wirkenden Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit stünde das Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung einer höheren Gesamtstrafe selbst bei Wegfall der Anordnung der Maßregel des § 63 StGB entgegen. § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO erfasst lediglich die Auswechselung einer isoliert – im Fall der Schuldunfähigkeit – verhängten Maßregel gemäß § 63 oder § 64 StGB gegen eine Verurteilung zur Strafe, wenn sich im neuen Verfahren die schuldhafte Begehung der Tat ergibt.
26
4. Der Strafausspruch enthält keinerlei zu Lasten des Angeklagten wirkende Rechtsfehler.
27
a) Die Annahme des § 21 StGB und die deshalb erfolgte Strafrahmenverschiebung beschwert den Angeklagten hinsichtlich der Strafzumessung nicht.
28
Da das Landgericht bei der Bemessung der Strafen innerhalb des jeweils ohnehin gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens die parallele Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zu dessen Gunsten berücksichtigt hat (UA S. 21), schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zu niedrigeren Strafen gelangt wäre. Allerdings war eine solche mildernde Berücksichtigung der neben Freiheitsstrafe(n) angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtlich nicht geboten (anders offenbar Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 71). Die Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen Strafe (§ 46 Abs. 1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden sich kategorial. Die Vollstreckung der Strafe dient zudem dem Schuldausgleich, der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr zukünftiger Gefährlichkeit des Täters. Wechselwirkungen zwischen beiden betreffen lediglich die Ebene der Vollstreckung (etwa § 67 Abs. 1 und Abs. 4 StGB).
29
b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Die vor allem auf den Bewährungsbruch aus einer einschlägigen vorangegangenen Verurteilung und die bewusst unwahren Angaben des Angeklagten gegenüber seinem Therapeuten gestützte negative Kriminalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) hält sich nicht nur innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten weiten Wertungsspielraums (siehe nur BGH, Beschluss vom 6. Mai 2015 – 4 StR 89/15, StV 2015, 564), sondern liegt angesichts der insoweit rechtsfeh- lerfrei getroffenen Feststellungen besonders nahe.

III.

30
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
31
Sollte der neue Tatrichter die Voraussetzungen einer eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei den Taten wiederum feststellen können, wird er im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose in den Blick nehmen, dass es – wie im angefochtenen Urteil insoweit im rechtlichen Ausgangspunkt zutref- fend erfolgt – auf eine individuelle Prognose auf der Grundlage einer differenzierten Einzelfallanalyse ankommt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 StR 469/15 Rn. 2 mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 12 mwN). Dabei ist es bei entsprechenden Anknüpfungstatsachen möglich, individualprognostisch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten anzunehmen, die den Anlasstaten nicht entsprechen, sondern – wie Sexualdelikte zu Lasten von Kindern mit körperlichem Kontakt (hands-on-Delikte) – über diese im Unrechtsschweregrad hinausgehen. Graf Jäger Cirener Radtke Bär

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 48/10
vom
26. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Mai 2010,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Cierniak,
Prof. Dr. Schmitt,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. September 2009 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass für die Tat II.5 der Urteilsgründe eine Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5 Euro festgesetzt wird. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in jeweils vier Fällen, wegen Freiheitsberaubung in zwei Fällen sowie wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und dessen Laptop nebst externer Festplatte eingezogen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Nichtverurteilung des Angeklagten auch wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften, den Strafausspruch sowie die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Nachholung eines unterbliebenen Einzelstrafausspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der heute 24jährige nicht vorbestrafte Angeklagte vor seinem 18. Lebensjahr alterstypische, mit Geschlechtsverkehr einhergehende Beziehungen zu geringfügig jüngeren Mädchen. Von Oktober 2003 bis Juni 2008 lebte er in einer festen Beziehung mit der gleichaltrigen H. . Im Anschluss hatte er ein sexuelles Verhältnis mit einem 17jährigen Mädchen. Während des Zusammenlebens mit H. war es zu Spannungen gekommen, weil der Angeklagte pornographisches, zum Teil kinderpornographisches Bildmaterial konsumiert hatte und sich zu jüngeren Mädchen, auch unter 14 Jahren, hingezogen fühlte.
3
a) Im November 2007 führte der damals 22jährige Angeklagte mit einem 13 Jahre und zehn Monate alten, sexuell noch unerfahrenen Mädchen, das er bereits seit längerem kannte, einvernehmlich Geschlechtsverkehr durch.
4
b) Im Frühjahr 2008 steigerten sich die Spannungen zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin und mündeten bei vier Gelegenheiten in körperlichen Auseinandersetzungen. Während dieses Zeitraums lud der Angeklagte zwei Bilddateien mit kinderpornographischen Darstellungen aus dem Internet auf seinen Rechner. In zwei Fällen schloss der Angeklagte seine Lebensgefährtin nach Streitigkeiten in der Wohnung ein.
5
c) Im Frühjahr 2009 schließlich führte der Angeklagte mit einem sexuell bereits erfahrenen, 13 Jahre und zwei Monate alten Mädchen, das er seit ca. einem halben Jahr kannte, bei drei Gelegenheiten jeweils einverständlich Geschlechtsverkehr durch.
6
2. In Übereinstimmung mit dem gehörten psychiatrischen Sachverständigen stellte die Strafkammer bei dem geständigen, sein Verhalten bedauernden Angeklagten pädophile Neigungen fest, zu denen dieser sich auch bekennt. Die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie sei jedoch - anders als der Sachverständige meine - nicht von solchem Ausmaß, dass sie als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB zu werten sei. Vielmehr handele es sich um eine allgemeine Störung der Persönlichkeit, die keinen Einfluss auf die strafrechtliche Verantwortung i.S.d. §§ 20, 21 StGB habe.

II.

7
1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen seine Aufklärungs- und Fürsorgepflicht verstoßen, in dem es ohne vorherigen Hinweis dem Sachverständigen hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB nicht gefolgt sei, ist unbegründet. Das Gericht war unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gehalten, die Prozessbeteiligten über die vorläufige Bewertung von Beweismitteln - hier des Sachverständigengutachtens - zu informieren. Erst in der Urteilsberatung hat der Tatrichter darüber zu befinden, wie er die erhobenen Beweise einschätzt. Ein Zwischenverfahren , in dem sich das Gericht zu Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen erklären müsste, ist nicht vorgesehen (vgl. BGHSt 43, 212, 214; BGH NStZ-RR 2008, 180).
8
2. Auch die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler des Urteils zum Vorteil des Angeklagten auf.
9
a) Der Schuldspruch ist nicht zu beanstanden. Die im Fall II.8 der Urteilsgründe zwar erfüllte Tatbestandsalternative des Besitzes kinderpornogra- phischer Schriften gemäß § 184 b Abs. 4 Satz 2 StGB ist ein Auffangtatbestand , der - was die Revision verkennt - hinter dem hier ausgeurteilten Tatbestand des Sichverschaffens dieser Schriften gemäß § 184 b Abs. 4 Satz 1 StGB zurücktritt (BGH NStZ 2009, 208; Fischer, StGB 57. Aufl. § 184 b Rdn. 28).
10
b) Ebenso wenig ist der Rechtsfolgenausspruch zu beanstanden. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Angeklagten die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorlagen, womit die Verhängung einer Maßregel nach § 63 StGB ausgeschlossen war. Es ist dem Sachverständigen in dessen Einschätzung gefolgt, dass bei dem Angeklagten pädophile Neigungen vorliegen. Ob dieses Störungsbild unter eines der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB zu subsumieren ist und dadurch die Schuldfähigkeit des Angeklagten erheblich eingeschränkt ist, entscheidet nach sachverständiger Beratung das Gericht (BGH NStZ-RR 2006, 73). Bei seiner Beurteilung ist der Tatrichter nicht gehindert, von dem Gutachten eines vernommenen Sachverständigen abzuweichen. Dabei ist er - wie vorliegend geschehen - gehalten, sich mit dessen Darlegungen in einer Weise auseinanderzusetzen , die erkennen lässt, dass er mit Recht eigene Sachkunde in Anspruch genommen hat (BGH NStZ 2007, 114). Hier hat das Landgericht die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen in nachprüfbarer Weise wiedergegeben , sich damit auseinandergesetzt und seine abweichende Auffassung nachvollziehbar begründet. Da nicht jede Devianz in Form einer Pädophilie ohne Weiteres gleichzusetzen ist mit einer schweren anderen seelischen Abhängigkeit (BGH StV 2005, 20), war aufgrund einer Gesamtschau von Täterpersönlichkeit und Taten darauf abzustellen, ob seine Neigungen den Angeklagten im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt. Eine solche Prüfung hat die Strafkammer vorgenommen und im Einzelnen begründet, weshalb sie bei dem Angeklagten eine zwanghafte gedankliche Einengung auf Sexualver- kehr mit Kindern ebenso wenig zu erkennen vermochte wie eine süchtige Entwicklung bzw. einen Ausbau des Raffinements zur Erlangung ungestörter Kontakte mit Kindern. Vielmehr sei der Angeklagte in der Lage, seine pädophilen Neigungen zu beherrschen. Diese gut und nachvollziehbar begründete Einschätzung ist möglich und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die dagegen und gegen die Strafzumessung im Übrigen erhobenen Einwände der Revision erschöpfen sich in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch, eine eigene Beweiswürdigung - teils sogar auf urteilsfremder Grundlage - an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen.
11
c) Die fehlende Festsetzung der Einzelstrafe im Fall II.5 der Urteilsgründe war vom Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO nachzuholen. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der Nachholung der Festsetzung nicht entgegen (BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 10 m.w.N.). Auf Antrag des Generalbundesanwalts verhängt der Senat mit Blick auf die in jeder Hinsicht vergleichbaren Fälle II.2 bis 4 der Urteilsgründe im Fall II.5 ebenfalls eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5 Euro. Fischer Roggenbuck Appl Cierniak Schmitt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 420/00
vom
10. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2000 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Heilbronn vom 13. Juni 2000 im gesamten Rechtsfolgenausspruch
mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen sowie wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat im Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Rüge der Verletzung der Vorschriften über die Mitteilung der Gerichtsbesetzung (§§ 220a, 338 Nr. 1 StPO) ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2
StPO). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend darlegt, hätte es der Behauptung der unrichtigen Besetzung des Gerichts bedurft und nicht nur des Vortrags, dieses habe die Mitteilung einer Ä nderung der Besetzung unterlassen (BGH, Beschl. v. 25. November 1997 - 1 StR 675/97; Beschl. v. 16. Dezember 1994 - 2 StR 652/94).
2. Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3. Dagegen kann der gesamte Rechtsfolgenausspruch nicht bestehen bleiben, weil die Urteilsgründe dem Senat nicht die Nachprüfung ermöglichen, ob das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB in rechtlich zutreffender Weise ausgeschlossen hat. Dadurch ist der Angeklagte beschwert, denn bei Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit könnte die Tatschuld geringer zu bewerten sein und es könnte eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB in Betracht kommen.

a) Das Landgericht ist, die Ergebnisse des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen referierend, zu der sicheren Überzeugung gelangt, bei dem Angeklagten sei zwar eine sexuelle Devianz im Sinne einer “Pädophilie” gegeben. Es handele sich aber nicht um eine suchtartige Einengung des sexuellen Verhaltens. Es seien durchaus auch dissoziale Persönlichkeitszüge vorhanden, ohne daß jedoch das Vollbild einer dissozialen Persönlichkeitsstörung im Sinne des aktuellen psychiatrischen Klassifikationssystems ICD 10 F 65. 4 (vgl. Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Dilling /Mombour/Schmidt (Hrsg.) 3. Aufl. [1999]) vorliege.
Die Jugendkammer hat zur Entwicklung des abweichenden Sexualverhaltens des jetzt 58jährigen Angeklagten folgendes festgestellt: Bereits im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren traten die ersten sexuellen Impulse auf. Mit vierzehn Jahren kam es zu gelegentlichen sexuellen Kontakten zu Jungen. Im 18. Lebensjahr hatte der Angeklagte wiederum sexuelle Kontakte zu einem gleichaltrigen Jungen und im selben Jahr den ersten heterosexuellen Geschlechtsverkehr mit einer etwa zehn Jahre älteren Frau. Etwa zu dieser Zeit hatte der Angeklagte einen ersten pädophilen Kontakt zu zwei sechs- und siebenjährigen Nachbarsmädchen und einem siebenjährigen Jungen. 1959, 1963, 1976 und 1991 wurde er jeweils wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern verurteilt. Nachdem sein Sexualverhalten in der Zeit von Dezember 1992 bis April 1993 darin gipfelte, daß er sich an seiner leiblichen Tochter verging, unterzog er sich – zunächst freiwillig und dann im Rahmen einer gerichtlichen Weisung – einer Sexualtherapie. Im Rahmen dieser Therapie wurde auch ein sexualdämpfendes Medikament mit antiandrogener Wirkung (Androcur) verabreicht. Diese medikamentöse Behandlung wurde in Form von vierzehntägigen Depotspritzen bis 1996 fortgeführt. Aufgrund der mehrjährigen Einnahme des Medikaments kam es beim Angeklagten zu einer erektilen Dysfunktion, die dazu führte, daß sexuelle Kontakte zu seiner langjährigen Bekannten erfolglos blieben. Da er jedoch weiterhin einen starken Sexualtrieb verspürte, kam etwa ab Mitte 1999 seine pädophile Neigung wieder stärker zum Ausbruch. An eine Wiederaufnahme der Sexualtherapie einschließlich der Medikation dachte der Angeklagte nicht.
Diese Feststellungen hätten dazu drängen müssen, in einer Gesamtschau von Täterpersönlichkeit und Taten der Frage besonders kritisch nachzugehen , ob die “Pädophilie” aufgrund der bereits lang andauernden pathologi-
schen Entwicklung beim Angeklagten nicht zu Symptomen geführt hat, die zunehmend seine Persönlichkeit besetzt, d.h. “führend” geworden sind, oder sogar bei ihm zu einer schweren und umfassenden Persönlichkeitsdeformierung geführt haben (Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 279). Dann liegen in der Regel die psychiatrischen Voraussetzungen für eine schwere andere seelische Abartigkeit vor, die auch strafrechtlich die Beeinträchtigung seiner Verantwortlichkeit nahe legt (Rasch, Die psychiatrisch-psychologische Beurteilung der sogenannten schweren anderen seelischen Abartigkeit, StV 1991, 126, 131).

b) Allerdings ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten in Form einer “Pädophilie” ohne weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichzusetzen , die als Merkmal des § 20 StGB einer schweren anderen seelischen Abartigkeit zuzuordnen ist und zu einer Schuldmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen muß (BGH NStZ 1999, 126 mit Anm. Winckler/Foerster). Liegt ausreichendes Anknüpfungsmaterial für ein umfassendes Persönlichkeitsbild vor, kann aus psychiatrischer Sicht auch der Schluß gerechtfertigt sein, daß nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegt, die als eine allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung kein krankheitswertiges Ausmaß aufweist und damit keinen Einfluß auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten hat.
Dagegen kann die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt sein, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone werden, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. [2000] S. 165, 168).
Der vom Landgericht verwendete psychiatrische Begriff “Pädophilie” ist dabei nur eine Sammelbezeichnung, die alle sexuell betonten Neigungen zu Kindern umfaßt (Nedopil aaO S. 165). Eine Einordnung in die für die Begutachtung übliche Typologie nach Schorsch, Sexualstraftäter [1971], ist nicht erfolgt. Damit bleibt offen, ob die aktuellen strafbaren sexuellen Handlungen auf Verhaltensmustern beruhen, die sich bereits im jugendlichen Alter verfestigt haben, ob sie Folge einer Destabilisierung und sozialen Desintegration im mittleren Lebensbereich oder ob sie bereits Ausdruck einer beginnenden Alterspädophilie sind (vgl. zur Typologie Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung , 3. Aufl. S. 254 f.). Wichtiger als die Feststellung der Art der sexuellen Deviation sind allerdings Ausführungen über die Verlaufsformen des sexuellen Verlangens beim Angeklagten. Das Urteil enthält keine näheren Darlegungen darüber, ob die Wünsche und das Verlangen nach pädophilen Kontakten krisenhaft entstanden und über welche Möglichkeiten der inneren Auseinandersetzung mit seiner Deviation der Angeklagte verfügte. Damit fehlt auch das Ergebnis der sachverständigen Beurteilung des Maßes der Determiniertheit der sexuellen Handlungen (Venzlaff/Foerster aaO S. 252; vgl. auch die Anm. von Winckler/Foerster zu BGH NStZ 1999, 126, 128). Schließlich fehlt die Wiedergabe der Beurteilung dafür, welchen Einfluß die langjährige Behandlung mit Androcur und das Absetzen des Medikaments auf die aktuellen Verlaufsformen der sexuellen Deviation und den Entschluß des Angeklagten zur erneuten Begehung strafbarer Handlungen des sexuellen Mißbrauchs an Kindern gehabt hat.
Erst auf der Grundlage einer angesichts der Gesamtumstände gebotenen ausführlichen psychiatrischen Diagnose kann der Tatrichter im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung die Wertung treffen, ob die von der Norm abwei-
chende sexuelle Präferenz den Täter - nicht anders als bei den sonstigen Persönlichkeitsstörungen – in seiner Persönlichkeit so nachhaltig verändert hat, daß er selbst bei Aufbietung aller ihm eigenen Willenskräfte dem Trieb nicht ausreichend zu widerstehen vermag oder ob sie - in Folge seiner Abartigkeit – den Täter in seiner gesamten inneren Grundlage und damit im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert, daß er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt (BGH NStZ 1998, 30, 31; 1996, 401, 402; Jähnke in LK StGB 11. Aufl. § 20 Rdn. 64). Steht fest, daß der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat und drohen weitere erhebliche Straftaten, hat der Tatrichter zu prüfen, ob eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus notwendig ist (BGHSt 42, 385, 388).

d) Eine solche Gesamtbetrachtung der Taten und der Persönlichkeit des Täters fehlt hier. Die Darlegungen des Landgerichts zum bisherigen Werdegang des Angeklagten und zu seinem abweichenden Sexualverhalten legen es eher nahe, daß er seine pädophile Neigung nicht beherrschen kann. Dem Urteil ist zu entnehmen, daß der Angeklagte bereits seit vielen Jahren immer wieder in einschlägiger Weise in Erscheinung getreten ist und daß er zumindest in den Jahren von 1993 bis 1996 Hilfe in der Medikation mit Androcur gesucht hat. Die mitgeteilten Beziehungen zu erwachsenen Frauen legen nahe, daß erhebliche Schwierigkeiten bei normalen Sexualkontakten bestanden haben. Die Wiederaufnahme von pädophilen Sexualkontakten nach dem Scheitern der letzten Beziehung, der Ausbau des Raffinements zur Erlangung ungestörter Kontakte zu den Kindern und die Hinwendung zu drei Tatopfern während der Zeit von Juli bis Ende November 1999 deuten auf eine sich steigernde Frequenz der Sexualkontakte und damit auf eine süchtige Entwicklung hin (BGH
NJW 1982, 2009; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 22 m.w.N.). Dies erfordert eine vertiefte Auseinandersetzung damit, ob der Angeklagte infolge seiner pädophilen Veranlagung in seiner Persönlichkeit derart beeinträchtigt ist, daß er die Anforderungen an normgemäßes Verhalten nicht oder nur in erheblich geringerem Maße erfüllen konnte als andere Menschen (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 23, 28). Weshalb der vom Landgericht gehörte Sachverständige davon ausgegangen ist, “es handele sich dabei aber nicht um eine suchtartige Verengung des sexuellen Verhaltens gerade auf diesen Sektor sexueller Betätigung” , ist für den Senat aus den Urteilsgründen nicht nachzuvollziehen. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil der Sachverständige zur Begründung der für die Sicherungsverwahrung erforderliche Feststellung eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausgeführt hat, beim Angeklagten sei ein erheblicher Mangel an Empathie und Frustrationstoleranz festzustellen. Diese Merkmale hätten sich beim Angeklagten so verfestigt, daß die Taten “allesamt dasselbe Verhaltensmuster zeigen und auf eine fest verwurzelte Neigung schließen lassen”.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß der Tatrichter seiner Aufgabe, sich eine eigene Überzeugung über den Zustand des Angeklagten zu bilden, grundsätzlich nicht dadurch gerecht wird, daß er lediglich die Befunde des Sachverständigen wiedergibt, ohne sich mit diesen auseinanderzusetzen (BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 17).
Jedenfalls müssen, wenn der Tatrichter dem Ergebnis eines Sachverständigengutachtens ohne Angaben eigener Erwägungen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH NStZ 1999, 610, 611).
Schäfer Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 532/16
vom
27. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:270117B1STR532.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2017 nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 18. Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt worden ist (Tat 5. der Urteilsgründe ), hiervon ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, die bestehen bleiben,
b) im gesamten Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung , Vergewaltigung, Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung sowie Bedrohung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung von Verfah- rensrecht und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, ist aber im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte und die Geschädigte K. begannen in der Silvesternacht 2015/2016 eine Liebesbeziehung. Nachdem es zwischen ihnen zahlreiche Male zum Geschlechtsverkehr gekommen war, wollte die Geschädigte in den frühen Morgenstunden des 3. Januar 2016 wegen Schmerzen keinen weiteren Vaginalverkehr mehr. Dies wollte der Angeklagte nicht hinnehmen , beleidigte die Geschädigte und beschloss seinen diesbezüglichen Willen mit Gewalt durchzusetzen. Er legte sich auf die Geschädigte, hielt ihre Arme fest und drückte ihre Beine auseinander, um sodann den ungeschützten Vaginalverkehr mit ihr zu vollziehen. Sowohl den entgegenstehenden Willen als auch ihre ersichtlichen Schmerzen ignorierend, äußerte er, er wisse, dass es wehtue, aber er müsse sie „so rannehmen“. Anschließend setzte er sich mit seinen Beinen auf ihre Oberarme und würgte sie mit beiden Händen. Er forderte von ihr die Durchführung des Oralverkehrs. Auf ihre Bitten aufzuhören, ließ er von ihr ab.
4
2. Nach dem Geschehen umwarb der Angeklagte die Geschädigte und gelobte inständig, sich zu bessern. Die Geschädigte ging hierauf ein und beide setzten die Beziehung fort. Der Angeklagte reagierte zunehmend eifersüchtig auf Kontakte der Geschädigten zu anderen Männern. Als sie am 13. Januar 2016 einen Anruf erhielt, riss der Angeklagte ihr das Telefon aus der Hand. Er stieß sie auf die Couch, warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf sie und zog sie aus. Die Geschädigte wehrte sich durch Tritte dagegen, konnte aber gegen die körperliche Übermacht des Angeklagten nichts ausrichten. Er ergriff ihre Arme, drückte mit seinen Beinen ihre Beine auseinander und führte sein Glied in ihre Scheide ein. Sie bat ihn, damit aufzuhören. Da ihn ihr Flehen störte , ergriff er ein neben der Couch liegendes Küchenmesser und drückte es ihr an den Hals. Er sagte zu ihr, sie wolle „das“ doch auch, sie liebe ihn und wolle mit ihm zwei Kinder, deren Namen er nannte. Er drückte ihr die Klingenspitze gegen die Wange und drohte, er werde ihr „Gesicht kaputt schneiden“, damit sie nur noch bei ihm bleibe.
5
3. Am Abend dieses Tages geriet der Angeklagte mit der Geschädigten wegen des Geschehens zu 2. in Streit. Sie erklärte ihm, ein solches Verhalten nicht mehr hinnehmen zu wollen. Er holte daraufhin ein Tapeziermesser und hielt es der Geschädigten vor das Gesicht. Hierbei schrie er, er werde sie umbringen und sodann sich selbst töten. Sodann versetzte er ihr fünf Schläge mit seinem Ledergürtel.
6
4. In den folgenden Tagen bemühte sich der Angeklagte intensiv um die Geschädigte und gelobte Besserung. Er bat sie flehentlich, ihn nicht allein zu lassen. Als die Geschädigte mit ihren Freundinnen am 23. Januar 2016 einen Ausflug nach Würzburg unternehmen wollte, drängte er sich mit in das Fahrzeug. Da er Angst hatte, dass sich die Geschädigte mit anderen Männern treffen werde, war er verärgert, als die Geschädigte ihm in Würzburg entkommen war. Auf der Rückfahrt saß er neben der Geschädigten auf dem Rücksitz und flüsterte ihr zu, er habe ein Messer dabei, damit werde er ihr Gesicht aufschlitzen. An einem Halt zerrte er sie aus dem Auto, hielt ihr das Messer an den Hals und vor ihr Gesicht, um seine Ankündigung zu unterstreichen. Er beschimpfte sie, ließ aber schließlich von ihr ab, als die Freundinnen drohten, die Polizei zu rufen und ein Passant dazwischentrat.
7
5. In den folgenden Tagen söhnte sich die Geschädigte mit dem Angeklagten aus und setzte die Beziehung mit ihm gegen den Rat ihrer Eltern fort. Darüber war ihre Mutter sehr verärgert und verwies sie der von der Geschädigten bewohnten Wohnung. Daraufhin beschloss die Geschädigte vorübergehend bei dem Angeklagten zu übernachten. Zwei Tage später erzählte sie ihm von ihrem Plan, zu ihrer Freundin nach Frankfurt zu ziehen und sich sodann dort eine eigene Wohnung zu suchen. Der Angeklagte befürchtete, seinen Einfluss auf die Geschädigte zu verlieren und verbot ihr den Umzug. Die Geschädigte schloss sich aus Angst vor Übergriffen im Bad ein. Der Angeklagte verließ kurz die Wohnung, schloss bei seiner Rückkehr von ihr unbemerkt die Wohnungstür von innen ab und nahm den Schlüssel an sich, um die vollständige Herrschaft über die Geschädigte zu erlangen. Deswegen hatte er nunmehr auch eine Pistole bei sich. Er wollte ihr damit drohen, damit sie unter dem Eindruck der Drohung , ihren Plan nach Frankfurt zu ziehen, aufgibt. Auf seine Aufforderung öffnete sie die Badezimmertür, er richtete die Waffe auf sie und sagte, er bringe sie jetzt um. Er drückte ihr die Pistole an verschiedene Stellen des Kopfes, um seine Macht über sie auszukosten. Er gab mit der Pistole zweimal einen Schuss ab. Als die Geschädigte fliehen wollte, bemerkte sie die verschlossene Wohnungstür. Der Angeklagte schrie, er werde sie nicht gehen lassen. Als die Geschädigte überlegte, ob sie aus dem Fenster springen sollte, zog er sie vom Fenster weg, hielt ihr die Pistole vor das Gesicht und schrie: „Friedhof oder Frankfurt?“. Erwusste, dass ihm die Geschädigte hilflos ausgeliefert war und wollte dies nutzen, damit sie von ihren Umzugsplänen Abstand nimmt. Er rief eine Bekannte von ihm an, um diese um die Vermittlung einer Wohnung zu bitten. Sodann brachte er die Geschädigte durch die vorgehaltene Pistole dazu, dieser Bekannten gegenüber am Telefon zu bestätigen, mit dem Angeklagten zusammen sein und eine gemeinsame Wohnung mit ihm haben zu wollen. Anschließend zog er sie in das Schlafzimmer, stieß sie auf das Bett und versetzte ihr mit seiner beringten Faust einen Schlag in das Gesicht. Als die Geschädigte schrie, ließ er von ihr ab und öffnete nach etwa 45 Minuten die Wohnungstür.

II.


8
1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgezeigten Gründen der Erfolg versagt.
9
2. Während der Schuldspruch wegen besonders schwerer Vergewaltigung (Tat 2.), Vergewaltigung (Tat 1.) und Bedrohung in zwei Fällen (Taten 3. und 4.) keinen Rechtsfehler aufzeigt, kann die Verurteilung wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung (Tat 5.) keinen Bestand haben.
10
Zutreffend ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte der Geschädigten bemächtigt und sie mit dem Tode bedroht hatte. Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass der Angeklagte sich der Geschädigten bemächtigt hatte, um die von ihm geschaffene Lage zu einer Nötigung auszunutzen. Zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Nötigung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang in der Weise bestehen , dass der Täter das Opfer während der Dauer der Zwangslage nötigen will und die abgenötigte Handlung während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 1 StR 444/14, StV 2015, 765 mwN; Beschluss vom 12. September 2013 – 2 StR 236/13, BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 2). Soweit der Angeklagte also die Absicht verfolgte, die Zeugin durch die Bemächtigungssituation und die qualifizierte Drohung dazu zu bestimmen, erst nach Beendigung der Zwangslage ihre Umzugspläne aufzugeben, wäre der Tatbestand nicht erfüllt.
11
Ob der erforderliche funktionale Zusammenhang angenommen werden könnte, weil der Angeklagte nach seiner Vorstellung mit dem während der Bemächtigungslage erzwungenen Telefonat der Geschädigten einen Teilerfolg erreichen wollte, der mit Blick auf das erstrebte Endziel vorbereitend wirken sollte (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 – 1 StR 444/14, StV 2015, 765 und vom 20. September 2005 – 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36), lässt sich dem Urteil nicht hinreichend sicher entnehmen. Es fehlt an tragfähigen Feststellungen dazu, ob das telefonische Bekenntnis zu Plänen für eine gemeinsame Wohnung nach der Vorstellung des Angeklagten eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Endzwecks darstellen sollte (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 20. September 2005 – 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36 und vom 14. Januar 1997 – 1 StR 507/96, BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 1; Beschluss vom 2. Oktober 1996 – 3 StR 378/96, BGHR StGB § 239b Entführen 4). Das Landgericht stellt – tragfähig belegt durch die Äußerung „Friedhof oder Frankfurt“ – mehrfach darauf ab,dass der Angeklagte von der Geschädigten die Aufgabe der Umzugspläne, mithin ein auf die Zukunft bezogenes Unterlassen erreichen wollte. Hierzu passt auch, dass es die Voraussetzungen des § 239b Abs. 2, § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB, mithin einen Verzicht auf die erstrebte Leistung angenommen hat. Ob der Angeklagte in dem Bekenntnis der Geschädigten gegenüber seiner Bekannten, nämlich mit dem Angeklagten zu- sammen sein und eine gemeinsame Wohnung mit ihm haben zu wollen, eine eigenständig bedeutsame Vorstufe mit einer gesteigerten Verbindlichkeit für dieses Ziel gesehen hat, hat das Landgericht weder erwogen noch lässt es sich aus dem Gesamtzusammenhang entnehmen. Dagegen spricht bereits die Annahme der Voraussetzungen des § 239b Abs. 2, § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB. Allein durch die – zudem beweiswürdigend nicht unterlegte – Feststellung, der Angeklagte habe dies getan, um „sicher zu erreichen, dass K. ihre Umzugspläne aufgibt“, wirddies nicht tragfähig belegt. Denn es versteht sich nicht von selbst, dass der Angeklagte davon ausging, durch die Bekräftigung der Pläne für eine gemeinsame Wohnung gegenüber seiner Bekannten, würde sich die Geschädigte verlässlich gebunden fühlen.
12
Dies führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs hinsichtlich Tat 5. der Urteilsgründe; erfasst wird auch die – konkurrenzrechtlich ohnehin im Hinblick auf den Einsatz der Todesdrohungen zur Erreichung des Endzieles bedenkliche (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322) – tateinheitliche Verurteilung wegen Bedrohung. Der Aufhebung von Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bedurfte es nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen sind.
13
3. Der gesamte Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn die Ausführungen, mit denen das Landgericht die Annahme voller Schuldfähigkeit begründet hat, sind nicht rechtsfehlerfrei.
14
a) Sachverständig beraten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ mit deutlichen Borderline-Zügen leide, die den Schweregrad des Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB erfülle. Die Störung zeige sich in der Neigung zu impulsivem Handeln ohne die Folgen des Handelns in den Blick zu nehmen und Verlassensängsten. Insbesondere bei affektiven Einbrüchen komme es zu einer defizitären Impulskontrolle. Zudem liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Trotz des Vorliegens des Eingangsmerkmals sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei den Taten nicht beeinträchtigt gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen , dass sich der Tatzeitraum über einen Monat hingezogen habe und der Angeklagte während dieses Zeitraums zu einem geregelten Alltagsleben in der Lage gewesen sei. Unbeeinflusst von akuten Erregungsmomenten habe ausreichend Zeit zur Reflexion bestanden; schließlich sei es ihm auch immer wieder gelungen, sich in diesem Zeitraum gegenüber der Geschädigten fürsorglich zu zeigen und keine Gewalt auszuüben.
15
b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
16
aa) Indem das Landgericht – dem Sachverständigen folgend – eine Störung angenommen hat, deren Schweregrad ausreichend ist, um sie unter das Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit des § 20 StGB zu fassen , musste es davon ausgehen, dass die Störung Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (vgl. hierzu nur BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 – 4 StR 498/14, NStZ-RR 2015, 137 und vom 21. September 2004 – 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; Beschluss vom 21. Oktober 1998 – 3 StR 416/98, NStZ-RR 1999, 136 mwN). Denn für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist es maßgebend , ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f. mwN).
17
Angesichts dessen, dass die Einschränkungen durch die Persönlichkeitsstörung einerseits schwer genug sein sollen, um zur Annahme eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu führen, kommt der – hiermit zudem in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis stehenden – Erwägung, der Angeklagte sei zu einem geregelten Alltagsleben in der Lage gewesen, keine relevante Aussagekraft zu.
18
bb) Zudem lassen die mehrmaligen Bezugnahmen auf den Zeitraum eines Monats besorgen, dass das Landgericht für die Frage, ob die festgestellte schwere andere seelische Abartigkeit zu einer relevanten Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit geführt hat, den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung verfehlt hat. Maßgebend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit ist die Begehung der Tat (§ 20 StGB), bei aktivem Tun mithin die Zeit, zu welcher der Täter gehandelt hat(§ 8 Satz 1 StGB; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2015 – 4StR 196/15, NStZ-RR 2015, 275). Danach war hier auf die jeweilige Tathandlung , die nicht mehr als eine Stunde betragen hat, abzustellen und nicht auf den gesamten Zeitraum, in dem der Angeklagte verschiedene Delikte begangen hat. Ob der Angeklagte in den Zeiträumen zwischen den Taten zu fürsorglichem Handeln und Unrechtsreflektion in der Lage war, kommt daher keine maßgebliche Bedeutung zu.
19
cc) Eine Erörterung, ob sich die Symptome der den Grad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreichenden Persönlichkeitsstörung, nämlich eine defizitäre Impulskontrolle bei affektiven Einbrüchen und Verlassensängsten , bei den jeweiligen Tatbegehungen ausgewirkt haben könnten, lässt sich dem Urteil hingegen nicht entnehmen. Hierzu hätte aber insbesondere deswegen Anlass bestanden, da diese Taten ausweislich der Feststellungen durch impulsives Verhalten und Verlassensängste beeinflusst waren.
20
c) Der Rechtsfehler lässt den verbleibenden Schuldspruch unberührt, der Senat kann ausschließen, dass die Schuldfähigkeit bei Begehung der Taten vollständig aufgehoben war. Er führt aber zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugrunde liegenden Feststellungen. Die Sache bedarf auch insoweit – naheliegender Weise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen – neuer Verhandlung und Entscheidung.
Raum Graf Jäger Cirener Fischer

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 0 9 / 1 4
vom
25. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. März
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerinnen O. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin W. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. ,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 17. Februar 2014 1. im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon - in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, - in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und - in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon - in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger, - in sieben Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und des Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig ist, 2. im Straf- und Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in zwei Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, ferner wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in neun Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen , außerdem wegen Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und anschließender Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt. Außerdem hat es ausgesprochen , dass der Angeklagte allen Nebenklägerinnen jeweils ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro nebst "5 % Zinsen über dem Basiszinssatz" zu zahlen hat, für die Nebenklägerinnen A. und S. O. ab dem 29. Januar 2014, für die Nebenklägerinnen W. und Or. ab dem 14. Februar 2014. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte an einer sexuellen Deviation im Sinne einer Kernpädophilie. Seit Anfang der 1980er Jahre empfindet er sexuelles Interesse an Mädchen im vorpubertären Alter. Im Herbst 1980 kam es zu einem ersten sexuellen Übergriff auf die damals fünf oder sechs Jahre alte Schwester seiner Freundin. Es folgte eine Vielzahl sexueller Übergriffe auf Mädchen aus dem Umfeld des Angeklagten.
3
Im Zeitraum von 1994 bis 1996 beging der Angeklagte mehrfach sexuellen Missbrauch der Nebenklägerin D. dadurch, dass er das Kind an der Scheide streichelte. Ab 1998 missbrauchte er die Nebenklägerin Or. , indem er das Kind an der Scheide streichelte, es dazu veranlasste, an seinem Glied zu reiben oder versuchte, mit seinem Glied einzudringen. Ab 2003 beging er ähnliche Taten zum Nachteil der Nebenklägerin W. , wobei er in einem Teil der Fälle mit seinem Glied oder mit einem Finger in sie eindrang und in einer Reihe von Fällen den Missbrauch beging, während sich das Kind schlafend stellte. Von 2007 bis 2013 missbrauchte der Angeklagte die Nebenklägerin A. O. und von 2009 bis 2013 auch die Nebenklägerin S. O. . Einige der Vorfälle filmte er mit einer Kamera.
4
Vom 5. April 2011 bis zum 31. Juli 2012 machte der Angeklagte kinderpornographische Filmdateien über eine Internettauschbörse anderen Internetnutzern zugänglich. Weil der Angeklagte seinen Computer über ein bis zwei Wochen hinweg durchgängig laufen ließ, hat das Landgericht sieben selbständige Handlungen des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften angenommen.
5
Der Angeklagte verfügte zurzeit der Durchsuchung seiner Wohnung über mindestens 2.000 kinderpornographische Dateien.

II.

6
Die Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.
7
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. Oktober 2014 genannten Gründen ohne Erfolg.
8
2. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen den Schuldspruch richtet, führt sie nur zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs, weil das Landgericht übersehen hat, dass § 201a StGB erst nach Begehung der Taten in den Fällen 59 bis 61 in Kraft getreten ist. Insoweit muss die tateinheitliche Verurteilung wegen dieses Tatbestands in diesen Fällen entfallen.
9
3. Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand.
10
a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei keiner der Taten gemäß § 21 StGB in seiner Unrechtseinsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war.
11
Die Strafkammer hat sich bei ihrer Einschätzung auf den gerichtlichen Sachverständigen gestützt. Dieser ist zunächst davon ausgegangen, eine schwere andere seelische Abartigkeit des Angeklagten sei nicht anzunehmen. Zu den Auswirkungen der festgestellten Pädophilie hat er später angemerkt, es sei nicht auszuschließen, dass die sexuelle Deviation das Ausmaß einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreicht habe; jedoch sei nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auszugehen. Daraus hat das Landgericht entnommen, selbst wenn man die Pädophilie "als schwere andere seelische Abartigkeit einstufe", habe diese "keine Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit" des Angeklagten gehabt.
12
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bei der Begehung der jeweiligen Tat erheblich vermindert war, besteht in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2013 - 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Die anschließende Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens ist eine Rechtsfrage, die das Tatgericht selbst zu beantworten hat, nicht der Sachverständige (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 77; Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53).
13
Wird im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt wegen der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens gemäß § 21 StGB nahe (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 1991 - 4 StR 204/91, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 20; Beschluss vom 6. Mai 1997 - 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 31; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 21 Rn. 8). Dies hat das Landgericht nicht bedacht , als es die Frage nach dem Vorliegen eines Eingangsmerkmals offen gelassen und die Frage der Erheblichkeit einer hieraus gegebenenfalls resultierenden Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit verneint hat.
14
Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung jedenfalls für einen Teil der abgeurteilten Taten eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten anzunehmen ist. Eine festgestellte Pädophilie kann im Einzelfall die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit und einer hierdurch erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit rechtfertigen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements beim Vorgehen und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170; Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; Beschluss vom 10. September 2013 - 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8, 9). Insoweit könnten entgegen der Auffassung des Landgerichts eine gedankliche Einengung des Angeklagten auf sexuelle Handlungen mit Kindern und eine Progredienz der lange andauernden Fehlentwicklung festzustellen sein, die in den letzten Jahren, in denen der Angeklagte zur gleichen Zeit sexuelle Handlungen an mehreren sehr jungen Kindern vornahm und auch nicht mehr mit seiner Ehe- frau sexuell verkehrte, zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB geführt haben. Ob und in welchem zeitlichen Umfang dies der Fall ist, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weshalb er den Strafausspruch im Ganzen aufhebt.
15
b) Es ist nicht auszuschließen, dass der Rechtsfehler bei der Prüfung von § 21 StGB auch Auswirkungen auf die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat, die gemäß § 66 Abs. 2 StGB eine Ermessensentscheidung anhand aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls erfordert. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls zu erwägen haben, ob der Angeklagte bei Eingreifen von § 21 StGB gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170).
16
4. Der Ausspruch über die Adhäsionsanträge bleibt von der Aufhebung des strafrechtlichen Rechtsfolgenausspruchs unberührt. Über seine Aufhebung ist vom neuen Tatrichter auf der Grundlage der Ergebnisse der neuen Hauptverhandlung zu entscheiden (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, StV 2015, 292, 293).
17
Der Senat weist darauf hin, dass er mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 (ZfSch 2015, 203 ff.) bei den anderen Strafsenaten und bei dem Großen Senat des Bundegerichtshofs für Zivilsachen gemäß § 132 GVG angefragt hat, ob an Rechtsprechung festgehalten wird, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Berücksichtigung der Vermö- gensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem fordert. Der Senat beabsichtigt , diese Rechtsprechung, von der das Landgericht ausgegangen ist, aufzugeben. Nach seiner Ansicht kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer für die Bemessung des Schmerzensgeldes nicht an. RiBGH Dr. Appl ist Krehl Eschelbach an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl Ott RiBGH Zeng ist an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 0 9 / 1 4
vom
25. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. März
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerinnen O. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin W. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. ,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 17. Februar 2014 1. im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon - in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, - in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und - in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon - in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger, - in sieben Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und des Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig ist, 2. im Straf- und Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in zwei Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, ferner wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in neun Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen , außerdem wegen Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und anschließender Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt. Außerdem hat es ausgesprochen , dass der Angeklagte allen Nebenklägerinnen jeweils ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro nebst "5 % Zinsen über dem Basiszinssatz" zu zahlen hat, für die Nebenklägerinnen A. und S. O. ab dem 29. Januar 2014, für die Nebenklägerinnen W. und Or. ab dem 14. Februar 2014. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte an einer sexuellen Deviation im Sinne einer Kernpädophilie. Seit Anfang der 1980er Jahre empfindet er sexuelles Interesse an Mädchen im vorpubertären Alter. Im Herbst 1980 kam es zu einem ersten sexuellen Übergriff auf die damals fünf oder sechs Jahre alte Schwester seiner Freundin. Es folgte eine Vielzahl sexueller Übergriffe auf Mädchen aus dem Umfeld des Angeklagten.
3
Im Zeitraum von 1994 bis 1996 beging der Angeklagte mehrfach sexuellen Missbrauch der Nebenklägerin D. dadurch, dass er das Kind an der Scheide streichelte. Ab 1998 missbrauchte er die Nebenklägerin Or. , indem er das Kind an der Scheide streichelte, es dazu veranlasste, an seinem Glied zu reiben oder versuchte, mit seinem Glied einzudringen. Ab 2003 beging er ähnliche Taten zum Nachteil der Nebenklägerin W. , wobei er in einem Teil der Fälle mit seinem Glied oder mit einem Finger in sie eindrang und in einer Reihe von Fällen den Missbrauch beging, während sich das Kind schlafend stellte. Von 2007 bis 2013 missbrauchte der Angeklagte die Nebenklägerin A. O. und von 2009 bis 2013 auch die Nebenklägerin S. O. . Einige der Vorfälle filmte er mit einer Kamera.
4
Vom 5. April 2011 bis zum 31. Juli 2012 machte der Angeklagte kinderpornographische Filmdateien über eine Internettauschbörse anderen Internetnutzern zugänglich. Weil der Angeklagte seinen Computer über ein bis zwei Wochen hinweg durchgängig laufen ließ, hat das Landgericht sieben selbständige Handlungen des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften angenommen.
5
Der Angeklagte verfügte zurzeit der Durchsuchung seiner Wohnung über mindestens 2.000 kinderpornographische Dateien.

II.

6
Die Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.
7
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. Oktober 2014 genannten Gründen ohne Erfolg.
8
2. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen den Schuldspruch richtet, führt sie nur zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs, weil das Landgericht übersehen hat, dass § 201a StGB erst nach Begehung der Taten in den Fällen 59 bis 61 in Kraft getreten ist. Insoweit muss die tateinheitliche Verurteilung wegen dieses Tatbestands in diesen Fällen entfallen.
9
3. Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand.
10
a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei keiner der Taten gemäß § 21 StGB in seiner Unrechtseinsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war.
11
Die Strafkammer hat sich bei ihrer Einschätzung auf den gerichtlichen Sachverständigen gestützt. Dieser ist zunächst davon ausgegangen, eine schwere andere seelische Abartigkeit des Angeklagten sei nicht anzunehmen. Zu den Auswirkungen der festgestellten Pädophilie hat er später angemerkt, es sei nicht auszuschließen, dass die sexuelle Deviation das Ausmaß einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreicht habe; jedoch sei nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auszugehen. Daraus hat das Landgericht entnommen, selbst wenn man die Pädophilie "als schwere andere seelische Abartigkeit einstufe", habe diese "keine Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit" des Angeklagten gehabt.
12
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bei der Begehung der jeweiligen Tat erheblich vermindert war, besteht in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2013 - 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Die anschließende Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens ist eine Rechtsfrage, die das Tatgericht selbst zu beantworten hat, nicht der Sachverständige (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 77; Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53).
13
Wird im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt wegen der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens gemäß § 21 StGB nahe (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 1991 - 4 StR 204/91, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 20; Beschluss vom 6. Mai 1997 - 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 31; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 21 Rn. 8). Dies hat das Landgericht nicht bedacht , als es die Frage nach dem Vorliegen eines Eingangsmerkmals offen gelassen und die Frage der Erheblichkeit einer hieraus gegebenenfalls resultierenden Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit verneint hat.
14
Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung jedenfalls für einen Teil der abgeurteilten Taten eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten anzunehmen ist. Eine festgestellte Pädophilie kann im Einzelfall die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit und einer hierdurch erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit rechtfertigen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements beim Vorgehen und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170; Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; Beschluss vom 10. September 2013 - 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8, 9). Insoweit könnten entgegen der Auffassung des Landgerichts eine gedankliche Einengung des Angeklagten auf sexuelle Handlungen mit Kindern und eine Progredienz der lange andauernden Fehlentwicklung festzustellen sein, die in den letzten Jahren, in denen der Angeklagte zur gleichen Zeit sexuelle Handlungen an mehreren sehr jungen Kindern vornahm und auch nicht mehr mit seiner Ehe- frau sexuell verkehrte, zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB geführt haben. Ob und in welchem zeitlichen Umfang dies der Fall ist, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weshalb er den Strafausspruch im Ganzen aufhebt.
15
b) Es ist nicht auszuschließen, dass der Rechtsfehler bei der Prüfung von § 21 StGB auch Auswirkungen auf die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat, die gemäß § 66 Abs. 2 StGB eine Ermessensentscheidung anhand aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls erfordert. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls zu erwägen haben, ob der Angeklagte bei Eingreifen von § 21 StGB gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170).
16
4. Der Ausspruch über die Adhäsionsanträge bleibt von der Aufhebung des strafrechtlichen Rechtsfolgenausspruchs unberührt. Über seine Aufhebung ist vom neuen Tatrichter auf der Grundlage der Ergebnisse der neuen Hauptverhandlung zu entscheiden (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, StV 2015, 292, 293).
17
Der Senat weist darauf hin, dass er mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 (ZfSch 2015, 203 ff.) bei den anderen Strafsenaten und bei dem Großen Senat des Bundegerichtshofs für Zivilsachen gemäß § 132 GVG angefragt hat, ob an Rechtsprechung festgehalten wird, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Berücksichtigung der Vermö- gensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem fordert. Der Senat beabsichtigt , diese Rechtsprechung, von der das Landgericht ausgegangen ist, aufzugeben. Nach seiner Ansicht kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer für die Bemessung des Schmerzensgeldes nicht an. RiBGH Dr. Appl ist Krehl Eschelbach an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl Ott RiBGH Zeng ist an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 242/07
vom
17. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 14. Dezember 2006 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 23 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung , sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
2
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit die Urteilsfeststellungen hinsichtlich der Tatzeiten wi- dersprüchlich erscheinen (Tat II 2 im Verhältnis zu den Taten II 3-7, 18-25), beruht das Urteil nicht darauf, weil sich die Reihenfolge dieser Taten dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lässt. Der Maßregelausspruch hat hingegen keinen Bestand.
3
Das Landgericht hat - den Ausführungen der Sachverständigen folgend - angenommen, dass der Angeklagte die Taten zum Nachteil seiner Nichten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit infolge einer "schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, ängstlich-vermeidenden, passivaggressiven , unreifen und haltlosen Anteilen" begangen habe, "auf deren Grundlage er eine verfestigte Pädophilie entwickelt habe". Das pädophile Fehlverhalten habe sich "eingeschliffen und habituiert"; "Sexualität sei für den Angeklagten ohne deviante Verhaltensweisen nur noch eingeschränkt erlebbar".
4
Die Ausführungen des Landgerichts zur - für eine Anordnung nach § 63 StGB positiv festzustellenden - verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge einer schweren anderen seelischen Abartigkeit halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Sie belegen nicht, dass die Störung den Angeklagten so nachhaltig in seiner Persönlichkeit geprägt hat, dass er im Zeitpunkt der Begehung der Taten aus einem starken, mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat. Steht, wie hier, für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eine von der Norm abweichende sexuelle Präferenz im Vordergrund, muss diese den Täter im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 33, 37 und § 63 Zustand 23). Daher ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten, auch nicht eine Devianz in Form einer Pädophilie (zum Begriff: Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 F 65.4; Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 4.
Aufl. S. 289 f.), die zwangsläufig nur unter Verletzung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter verwirklicht werden kann, ohne Weiteres gleichzusetzen mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Vielmehr kann auch nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegen, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Hingegen kann die Steuerungsfähigkeit etwa dann beeinträchtigt sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 168).
5
Den dargelegten Anforderungen an die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte im Tatzeitraum auch Sexualkontakte zu erwachsenen Frauen. Bis Ende Juli 2003 lebte er mit seiner - mittlerweile wieder von ihm geschiedenen - Ehefrau zusammen, mit der er eine im Juni 2001 geborene Tochter hat. Mit seiner Lebensgefährtin, die er im August 2003 kennen gelernt und mit der er von Februar 2004 bis zu seiner Festnahme im Jahre 2006 zusammengelebt hatte, kam es annähernd täglich, auf seinen Wunsch mitunter auch mehrfach zum Sexualkontakt, wobei sie neben vaginalem Geschlechtsverkehr auch Oral- und Analverkehr vollzogen. Dieses Sexualverhalten hätte zu der Erörterung gedrängt, weshalb der Angeklagte im Tatzeitraum nur erheblich eingeschränkt in der Lage gewesen sein soll, seinen pädophilen Neigungen zu widerstehen. In Anbetracht der intensiven Sexualkontakte zu erwachsenen Frauen ist auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Angeklagte während des Zusammenlebens mit seiner Ehefrau ein spezielles Inte- resse an kinderpornografischen Darstellungen gezeigt hatte [UA 38], eine Einengung auf ein deviantes Sexualverhalten in Gestalt einer schuldrelevanten süchtigen Entwicklung nicht dargetan. Über den Maßregelausspruch ist daher umfassend neu zu befinden.
6
Der aufgezeigte Rechtsfehler bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung lässt den Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils unberührt, da eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit hier von vornherein ausscheidet. Durch die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB bei der Strafzumessung ist der Angeklagte nicht beschwert.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Sost-Scheible

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht.

(2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen.

(4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 609/10
vom
9. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. März 2011,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach und
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwalt als Gruppenleiter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 7. Mai 2010, soweit es den Angeklagten K. betrifft, im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Von der Verhängung eines Berufsverbots hat es abgesehen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zuungunsten des Angeklagten K. eingelegten Revision gegen den Strafausspruch und Nichtanordnung der Maßregel. Das auf die Sachbeschwerde gestützte Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen der Strafkammer war der Angeklagte K. ab dem 4. Quartal des Jahres 2003 als Rechtsanwalt für die Firma D. GmbH sowie für die einzelnen Mitglieder der für das Unternehmen handelnden Familie tätig. Gesellschafter und Geschäftsführer dieses Unternehmens , das Luxusfahrzeuge zum Verkauf anbot, waren die anderweitig rechtskräftig verurteilte A. D. und deren Sohn M. M. . An den Tätigkeiten im Unternehmen beteiligte sich auch ihr Sohn A. M. . Daneben trat namentlich bei Kaufvertragsverhandlungen der Mitangeklagte R. M. für das Unternehmen auf, der sich gegenüber Kunden als Herr D. , P. oder R. vorzustellen pflegte. Dieser bahnte meist die Kaufverträge an, forderte die Kunden zur Leistung einer Anzahlung auf, die von der Familie zur Finanzierung eines aufwändigen Lebensstils verbraucht wurde. Das Unternehmen war weder zur Lieferung der bestellten Luxusfahrzeuge noch zur Rückzahlung der Vorschussleistungen im Fall der Rückabwicklung des jeweiligen Vertrages in der Lage. Alle Familienmitglieder waren aber damit einverstanden und nahmen die Nichterfüllung der Verträge sowie die Nichterstattung der Anzahlungen im Fall des Rücktritts der Kunden zumindest billigend in Kauf. Nach einer Strafanzeige gegen M. M. wurde dieser am 27. Mai 2004 in der Schweiz verhaftet. Der Angeklagte K. bewirkte durch Zahlung einer Kaution seine Verschonung vom Vollzug der Untersuchungshaft. Spätestens hiernach war auch dem Angeklagten K. bekannt, dass es bei weiteren Vertragsabschlüssen und Vorschusszahlungen zu einer Schädigung von Fahrzeugkäufern kommen würde. Er war aber unter Billigung und Inkaufnahme dieser Folgen bereit, an der Anbahnung oder Durchführung solcher Verträge mitzuwirken, um die Firma D. GmbH "als lukrative Mandantin nicht zu verlieren".
3
Im Juni 2004 kaufte die Firma E. GmbH durch den Geschäftsführer C. bei der D. GmbH einen Pkw Porsche Carrera und zehn Pkws Porsche Cayenne. C. kannte den Angeklagten K. , der ihn früher anwaltlich beraten hatte, und fragte diesen, was er von der D. GmbH halte. Der Angeklagte K. teilte ihm mit, dass er mit diesem Unternehmen noch keine schlechten Erfahrungen gemacht habe. Danach zahlte C. einen Vorschuss auf den Gesamtkaufpreis von insgesamt 40.000 Euro in bar zu Händen des Angeklagten K. an die Firma D. GmbH. Der Angeklagte K. leitete davon mindestens 20.000 Euro an das Unternehmen weiter. Nachdem die Lieferung der Fahrzeuge ausblieb, trat die E. GmbH von den Kaufverträgen zurück und verlangte die Erstattung des geleisteten Geldbetrages, die ebenfalls nicht erfolgte (Fall 1). Ferner wurden acht Fahrzeuge des Typs Mercedes SLK 200 RHD, die C. im Juli 2004 bei der D. GmbH bestellt hatte, nicht geliefert. Der hierfür an den Angeklagten K. übergebene und von diesem an die D. GmbH weitergeleitete Vorschuss von 20.000 Euro wurde wiederum nicht erstattet (Fall 2). Im September 2004 schloss der Angeklagte K. mit dem Kraftfahrzeughändler N. einen Kaufvertrag für die D. GmbH über die Lieferung eines Pkws Ferrari F430, wofür er von N. "im Vertrauen auf die Seriosität eines Rechtsanwaltes" Vorschusszahlungen in Höhe von 20.000 Euro erhielt, die er zur Hälfte an die D. GmbH weitergab und im Übrigen mit Honoraransprüchen verrechnete. Auch in diesem Fall wurden weder der Kaufvertrag erfüllt noch nach dem Rücktritt des Käufers vom Vertrag die Vorschusszahlung erstattet (Fall 3).
4
Das Landgericht hat den Angeklagten K. als Mittäter wegen Betruges in drei Fällen verurteilt und den Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB angewendet. Von der Heranziehung des Sonderstrafrahmens für besonders schwere Fälle des Betruges hat es abgesehen und ausgeführt, aufgrund "der geringen Zahl der Fälle" habe es die Gewerbsmäßigkeit des Handelns (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 - 1. Alt. - StGB) verneint. Ein Berufsverbot gegen den Angeklagten K. hat es nicht verhängt, weil dieser nicht spezielle "durch seinen Beruf eröffnete Befugnisse zur Tatbegehung ausgenutzt" habe. Dieselben Tatbeiträge hätten auch durch einen Mittäter, der nicht Rechtsanwalt sei, geleistet werden können.
5
Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zuungunsten des Angeklagten K. eingelegten und auf den Strafausspruch sowie die Nichtanordnung der Maßregel beschränkten Revision.

II.

6
Die auf die Sachbeschwerde gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
7
1. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anwendung des Sonderstrafrahmens gemäß § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB abgelehnt hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
Ein besonders schwerer Fall des Betruges liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 - 1. Alt. - StGB). Von Gewerbsmäßigkeit ist auszugehen, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Es ist nicht erforderlich, dass der Täter seinen Lebensunterhalt allein oder auch nur überwiegend durch die Begehung von Straftaten bestreiten will. Liegt ein Gewinnstreben in diesem Sinne vor, dann ist schon die Erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig anzusehen (vgl. BGH, NStZ 2004, 265). Der Hinweis des Land- gerichts auf die geringe Zahl der abgeurteilten Betrugstaten lässt besorgen, dass es diesen Maßstab verkannt hat.
9
2. Auch die Nichtanordnung eines Berufsverbots gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB ist rechtlich zu beanstanden. Das Landgericht ist insoweit von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen.
10
Ein Missbrauch des Berufs liegt vor, wenn der Täter die ihm dadurch gegebenen Möglichkeiten bewusst zur Begehung von Straftaten ausnutzt. Es ist allerdings nicht ausreichend, dass er nur allgemein für den Beruf erworbene Kenntnisse oder Fähigkeiten verwertet oder nur anlässlich der Berufsausübung sich ergebende äußere Gelegenheiten ausnutzt (vgl. Senat, NJW 1983, 2099). Die strafbare Handlung muss vielmehr einen inneren Zusammenhang mit dem Beruf erkennen lassen (vgl. BGHSt 22, 144, 146; Senat, StV 2008, 80, 81); sie muss symptomatisch für die Unzuverlässigkeit des Täters im Beruf erscheinen (vgl. Senat, NJW 1983, 2099). Das liegt hier jedoch nahe. Der Angeklagte K. ist in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt aufgetreten und hat berufsspezifisches Vertrauen in Anspruch genommen.
11
3. Die Feststellungen des Landgerichts bleiben von den genannten Rechtsfehlern unberührt und können aufrecht erhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht.

(2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen.

(4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.