Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2017 - 1 StR 395/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:251017B1STR395.17.0
bei uns veröffentlicht am25.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 395/17
vom
25. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:251017B1STR395.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 25. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 5. April 2017 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz von jugendpornographischen Schriften zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Der Schuldspruch wird von den auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen. Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit (oder der Einsichtsfähigkeit) kommt nach den Feststellungen nicht in Betracht.
4
2. Die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Das Landgericht hat – den Ausführungen der beiden psychiatrischen Sachverständigen folgend – angenommen, dass der Angeklagte die Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen hat.
6
Bei ihm liege das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB vor. Die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten beruhe im Wesentlichen auf einer Kombination von Pädophilie nach ICD-10 F 65.4 und einer Intelligenzminderung „im Grad“ der Lernbehinderung bei gleichzeitigem Vorliegen einzelner Merkmale einer histrionischen Persönlichkeit und weise Symptome auf, die in ihrer Gesamtheit sein Leben vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen, wie krankhafte seelische Störungen.
7
Der Angeklagte sei bereits seit seiner Pubertät sexuell auf Kinder fixiert. Bereits im Alter von 15 oder 16 Jahren sei es zu einem ersten sexuellen Übergriff auf ein neunjähriges Mädchen gekommen. Ein weiterer Übergriff auf ein vierjähriges Kind habe sich im Jahr 2000 ereignet, obwohl der Angeklagte zwischenzeitlich für etwa drei Jahre stationär in einer heilpädagogischen Wohneinrichtung untergebracht gewesen sei. Trotz der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten und einer mehrjährigen Gesprächstherapie sei der Angeklagte in der Bewährungszeit im Jahr 2005 eine heimliche sexuelle Beziehung zu einem gerade vierzehnjährigen Mädchen eingegangen. Von 2011 bis 2015 habe er sich wiederholt kinder- und jugendpornographische Schriften verschafft. In den letzten Jahren habe er dann über die sozialen Medien nach realen Kontakten mit Mädchen, auch unter 14 Jahren, gesucht. Trotz drohender Konsequenzen habe er sich, wie es dem typischen Bild einer Sucht entspreche, nicht abschrecken lassen. So sei er nicht in der Lage gewesen, die auf seinem Mobiltelefon gespeicherten (kinderpornographischen) Bilder vor der Übergabe des Telefons zur Reparatur zu löschen und habe ein Treffen mit einer möglicherweise erst dreizehnjährigen Heimbewohnerin trotz Kenntnis ihrer angeblichen Betreuer weiterverfolgt. Um sexuelle Treffen oder Beziehungen mit erwachsenen Frauen habe er sich nicht ernsthaft bemüht. Im Hinblick auf seine bevorzugte sexuelle Zielgruppe sei er nicht in der Lage, von strafbaren Handlungen Abstand zu nehmen, wobei ihm seine Intelligenzminderung das Finden und Umsetzen von Lösungsstrategien zusätzlich erschwere. Der Angeklagte nutze mittlerweile nicht mehr nur zufällige Gelegenheiten zum sexuellen Kontakt mit Kindern, sondern bemühe sich aktiv um entsprechende Kontakte über die sozialen Netzwerke. Die Tatausführung finde auch in sozial sehr stark kontrollierten Situationen statt.
8
Hierin liege eine eingeschliffene Praxis und eine gedankliche Einengung auf ein deviantes Sexualverhalten bei gleichzeitiger Steigerung der Beschaffungsbemühungen , mithin eine schuldrelevante suchtartige Entwicklung. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei deshalb bei Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten erheblich vermindert gewesen.
9
b) Diese Ausführungen des Landgerichts halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Sie belegen nicht, dass die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten diesen so nachhaltig in seiner Persönlichkeit geprägt hat, dass sie den für die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit erforderlichen Schweregrad erreicht hat. Die von der Strafkammer genannten Umstände können zwar an sich eine aus der Pädophilie abgeleitete schwere andere seelische Abartigkeit und daraus resultierend eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit begründen. Allerdings enthält das Urteil keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen , aus denen ein suchtartiges Verhalten des Angeklagten, ein progredienter Verlauf seiner sexuellen Ausrichtung und eine fehlende Kontrolle der pädophilen Impulse abgeleitet werden können.
10
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45 Rn. 13 mwN) kann ein abweichendes Sexualverhalten nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden. Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen.
11
Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen solchen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann, ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen. Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben , dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45 Rn. 14 mwN).
12
Nach den Urteilsfeststellungen arbeitete der Angeklagte in „Vollzeit“ und „jobbte“ zusätzlich jeweils sonntags als Spüler in einer Gaststätte. In seiner Freizeit kümmerte er sich neben dem Haushalt um seine beiden Katzen, fuhr Fahrrad, unternahm Wanderungen, ging zum Schwimmen und traf sich mehrmals wöchentlich zu gemeinsamen Besorgungen mit einem Bekannten. Die Verurteilung vom 10. September 2001 wegen sexuellen Missbrauchs eines vierjährigen Mädchens zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten , deren Vollstreckung (wie auch die Unterbringung nach § 63 StGB) zur Bewährung ausgesetzt worden war, ist die letzte Eintragung in seinem Bundeszentralregisterauszug. Die zeitlichen Abstände zwischen den verfahrensgegen- ständlichen neun „downloads“, die sich über einen Zeitraum vom 3. Dezember 2011 bis zum 9. März 2012 erstrecken, belegen kein suchtartiges Verhalten.
13
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) war wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers im Zusammenhang mit der Prüfung des § 21 StGB aufzuheben. Der Rechtsfehler lässt allerdings den Schuldspruch unberührt, da eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit hier von vornherein ausscheidet.
14
Der Strafausspruch enthält keine Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten. Durch die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB bei der Strafzumessung und die deshalb erfolgte Strafrahmenverschiebung ist der Angeklagte nicht beschwert.
15
Der auf die Annahme sicher erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bezogene Rechtsfehler führt zur Aufhebung sämtlicher die Voraussetzungen der Maßregel des § 63 StGB betreffenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Dies ermöglicht dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen hinsichtlich aller für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatri- schen Krankenhaus erforderlichen Umstände zu treffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 f. und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76, 77).
16
4. Rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht die Vollstreckung der verhängten Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt hat.
17
Die auf die erfolglose pädagogische Maßnahme in seiner Jugend, die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern im Jahr 2001 mit Durchlaufen einer – im Ergebnis ebenfalls erfolglosen – Therapie und die für ihn spürbare soziale Ächtung in seinem Wohnumfeld gestützte negative Kriminalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) hält sich innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten weiten Wertungsspielraums (siehe nur BGH, Beschluss vom 6. Mai 2015 – 4 StR 89/15, StV 2015, 564). Die negative Kriminalprognose wird nach den Ausführungen der Strafkammer zusätzlich unterlegt durch eine seit den Taten ausgebliebene Veränderung in der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten und die Ablehnung therapeutischer Angebote im Rahmen der einstweiligen Unterbringung seit Herbst 2016 durch den – hinsichtlich des abgeurteilten Tatvorwurfs geständigen – Angeklagten (UA S. 16, 38).
18
5. Es dürfte sich empfehlen, für die erforderliche Begutachtung des Angeklagten (§ 246a StPO) einen weiteren Sachverständigen hinzuzuziehen.
Raum Jäger Bellay Cirener Fischer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2017 - 1 StR 395/17

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 526/15
vom
15. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Schriften u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:150316U1STR526.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. März 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 1. Juni 2015 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sichverschaffens von kinderpornographischen Schriften in Tateinheit mit Besitzverschaffen von jugendpornographischen Schriften sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz von jugendpornographischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem ist seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden.
2
Sein auf Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts nutzte der Angeklagte spätestens seit Juni 2012 unter verschiedenen Benutzernamen das filesharingNetzwerk Gigatribe. Dies ermöglicht u.a. den Austausch von Dateien zwischen den Nutzern des Netzwerks im Wege einer peer-to-peer-Verbindung. Kenntnisnahme der ausgetauschten Dateien sowie das Mitlesen der Inhalte des über das Netzwerk ebenfalls möglichen Chatverkehrs sind für Außenstehende nicht möglich. Die für die Nutzung des Netzwerks erforderliche Software hatte der Angeklagte auf einem von ihm genutzten Laptop installiert.
4
Der Verurteilung liegen folgende Taten zugrunde:
5
1. Am Nachmittag des Tattages stellte der Angeklagte unter einem seiner Benutzernamen des Netzwerks Gigatribe über dieses einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten eine im Urteil näher bezeichnete Videodatei zum Download zur Verfügung. Die Datei hat Oralverkehr zwischen 14 bis 16Jahre alten, unbekleideten Jugendlichen zum Inhalt. Dabei kam es dem Angeklagten darauf an, den Polizeibeamten zur Freigabe kinder- und jugendpornographischer Dateien über das Netzwerk zu bewegen. Der Polizeibeamte begann kurze Zeit später mit dem Download.
6
Im Gegenzug fing der Angeklagte damit an, eine von dem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten zum Download bereit gestellte, mit typisch kinder- pornographischen Begrifflichkeiten (etwa „…Kinderficker Rape Little Girls for Daddy …“) versehene Dummydatei herunter zu laden. Nach rund 20 Minuten beendete der Angeklagte die peer-to-peer-Verbindung, weil ihm die Ladevorgänge zu lange dauerten (II.2. Fall 1 der Urteilsgründe).
7
2. Am Tattag der zweiten Tat befanden sich auf dem in seiner Wohnung befindlichen, von ihm genutzten Laptop sowie auf einem USB-Stick insgesamt 727 Bilddateien mit kinderpornographischen Inhalten, 198 jugendpornographische Bilddateien sowie 78 kinderpornographische und 18 jugendpornographische Videodateien. Die Inhalte der fraglichen, dem Angeklagten bekannten Dateien hat das Landgericht näher festgestellt (II.2. Fall 2 der Urteilsgründe).
8
3. Sachverständig beraten hat das Landgericht bei beiden Taten eine aus einer Pädophilie herrührende erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten angenommen.

II.

9
1. Der Schuldspruch wird von den auf einer insoweit rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen.
10
Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit und erst recht eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit kommen von vornherein nach den zur Person des Angeklagten und seinen sexuellen Präferenzen getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.
11
2. Die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
Die insbesondere auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gestützte Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei den Taten sicher jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) gehandelt, findet in den erhobenen Beweisen keine ausreichende Grundlage. Angesichts dessen bedarf es keiner Entscheidung, ob die Annahme sicher verminderter Schuldfähigkeit schon deshalb rechtsfehlerhaft wäre, weil das Landgericht die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie an einer Stelle des Urteils dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuordnet (UA S. 20), an anderer Stelle – was allein in Betracht käme – dagegen der schweren anderen seelischen Abartigkeit (UA S. 23).
13
a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 und vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304 f.; BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688 f.; BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 9). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen , Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO).
14
Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 sowie Rosenau/Schreiber in Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., S. 106).
15
b) Diesen Anforderungen an die auf eine entsprechende Beweiswürdigung gestützte Feststellung der schweren anderen seelischen Abartigkeit und der dadurch bedingten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit genügt das angefochtene Urteil nicht.
16
Nach den dort wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen habe der Angeklagte seine sexuelle Präferenz durch den Konsum von kinderpornographischen Bildern und Videos befriedigt und „hierbei deutlich suchtartiges Verhalten gezeigt“ (UA S. 19).Das Suchtartige des Verhaltens stützt der Sachverständige ausweislich der Urteilsgründe darauf, dass der Angeklagte in „zunehmenden Maße“ bis zu vierStunden täglich kinderpornographische Medien konsumiert und „zuletzt sein (nahezu) komplettes Freizeitverhalten auf den Konsum kinderpornographischer Medien ausgerichtet“ hat (UA S. 19 und UA S. 23). Anhaltspunkte für den suchtartigen Charakter des Konsums sieht das dem Sachverständigen folgende Landgericht zudem darin, dass auch eine einschlägige Bewährungsstrafe und eine parallel durchgeführte Therapie den Angeklagten nicht von weiterem Konsum hätten abhalten kön- nen. Es zeigten sich bei ihm „eine progrediente Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse, die zunehmend das Erleben beherrschen“ und den Angeklagten zur Umsetzung auf der Verhaltensebene (dem Konsum) drängen würden. Die Pädophilie habe an seiner Sexualstruktur einen sehr hohen Anteil, die paraphilen Verhaltensweisen seien in das Persönlichkeitsgefüge integriert; trotz der genannten Bewährungsstrafe und der Therapie sei er nicht zur Kontrolle seiner paraphilen Impulse in der Lage gewesen (UA S. 19 und

23).

17
Die vorstehend genannten Umstände können zwar grundsätzlich eine aus der Pädophilie abgeleitete schwere andere seelische Abartigkeit und daraus resultierend eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit begründen. Allerdings enthält das angefochtene Urteil selbst in seinem Gesamtzusammenhang beweiswürdigend keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen , aus denen die vom Tatgericht geteilte Einschätzung des Sachverständigen des suchtartigen Verhaltens des Angeklagten, des progredienten Verlaufs seiner sexuellen Ausrichtung und der fehlenden Kontrolle der paraphilen Impulse abgleitet werden können.
18
Worauf die Annahme eines nahezu ausschließlich auf das den Konsum kinder- bzw. jugendpornographischer Medien ausgerichteten Freizeitverhaltens beruht, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Die familiäre Situation wird über den Umstand einer derzeitigen Trennung und der noch offenen Frage einer Fortführung der Ehe in Bezug auf die Tatzeiträume nicht näher dargestellt. Den auszugsweisen Wiedergaben des vom Angeklagten geführten Chat-Verkehrs lässt sich entnehmen, dass er eine solche in den späten Abendstunden geführte Kommunikation mit dem Hinweis darauf abbrach, er müsse jetzt ins Bett, weil seine „bessere Hälfte“ misstrauisch werde (UA S. 12). Derartige Verhaltenswei- sen können jedenfalls ein suchtartiges Konsumverhalten und einen Verlust der Fähigkeit, sexuelle Impulse zu kontrollieren, nicht tatsachengestützt unterlegen. Nähere Darlegungen über die konkrete Zeitgestaltung des Angeklagten außerhalb seiner in Vollzeit ausgeübten beruflichen Tätigkeit fehlen. Anknüpfungstatsachen für einen progredienten Verlauf des Konsums kinder- und jugendpornographischer Medien enthält das Urteil ebenfalls nicht in einer die erforderlichen Feststellungen belegenden Weise. Auch aus dem Gesamtzusammenhang lassen sich solche nicht entnehmen. Die Wiedergabe der vom Amtsgericht im früheren, gegen den Angeklagten u.a. wegen Sichverschaffens und Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften ergangenen Urteil getroffenen Feststellungen vermag das suchtartige Verhalten nicht zu tragen. Die dort ermittelten zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Downloads (UA S. 4 und 5) ließen rechtfehlerfrei einen solchen Schluss im Rahmen der Beweiswürdigung nicht zu. Mangels näherer Ausführungen im hier angefochtenen Urteil finden sich auch keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen, die als Grundlage für die Feststellung einer „progredienten Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse“ herangezogen werden könnten.
19
Die vom Landgericht ohne Rechtsfehler berücksichtigten Umstände, dass der Angeklagte trotz seiner einschlägigen Vorstrafe mit bewährungsweiser Aussetzung der Vollstreckung und laufender Therapie nicht in der Lage gewesen ist, seine paraphilen Impulse zu kontrollieren, allein können die Anforderungen des auf einer Pädophilie beruhenden Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit angesichts der erforderlichen Voraussetzungen (Rn. 13 und 14) nicht tragen.
20
c) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) war daher bereits wegen der beweiswürdigend nicht belegten Annahme sicher erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) aufzuheben. Auf die allein die Voraussetzungen des § 63 StGB betreffenden Verfahrensbeanstandungen, die im Übrigen nicht in § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügender Weise erhoben sind, kommt es wegen des Erfolgs der Sachrüge nicht mehr an.
21
d) Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO) und den Maßregelausspruch entfallen lassen.
22
Nach den bislang getroffenen Feststellungen kommt eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus durchaus in Betracht, sollte sich auf der Grundlage einer umfassenden Beweiswürdigung eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten feststellen lassen. Die weiteren Anforderungen der Unterbringung sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Wie das Landgericht – im rechtlichen Ansatz zutreffend – zugrunde gelegt hat, kommt es für die Gefährlichkeitsprognose im Rahmen von § 63 StGB darauf an, dass die zukünftig zu erwartenden Straftaten eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen. Die den Anlass der Unterbringung bildenden verfahrensgegenständlichen Taten müssen dabei selbst nicht erheblich sein (BGH, Beschlüsse vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f. und vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Allerdings müssen nach geltendem Recht die zukünftig zu erwartenden Straftaten, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (st. Rspr.; siehe BGH jeweils aaO mwN). Das ist bei Taten wie dem Besitz und dem Verbreiten von Kinderpornographie der Fall (BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 220/13, NStZ-RR 2013, 339, 340; BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Für die vom Landgericht ebenfalls als zukünftig drohend prognosti- zierten „hands-on-Delikte“ (also zumindest§ 176 StGB) zu Lasten von Kindern gilt das erst recht.
23
3. Der auf die Annahme sicher erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bezogene Rechtsfehler führt zur Aufhebung sämtlicher die Voraussetzungen der Maßregel des § 63 StGB insgesamt betreffenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). So werden dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen hinsichtlich aller für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlichen Umstände ermöglicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 f. und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76, 77).
24
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Rechtsfehler bei der Beurteilung der (erheblich eingeschränkten) Schuldfähigkeit trotz deren Doppelrelevanz für den Strafausspruch und den Maßregelausspruch (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475) nicht nur den Schuldspruch, sondern auch den Strafausspruch unberührt lassen, wenn – wie hier (Rn. 10) – eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit von vornherein ausscheidet (BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337, 338; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. April 2006 – 4 StR 60/06, StraFo 2006, 295, 296).
25
b) Ob dem angesichts der Doppelrelevanz der die Voraussetzungen des § 21 StGB betreffenden Feststellungen und der hier vom Tatrichter hergestellten Verknüpfung zwischen der Strafhöhe und der Anordnung der Maßregel (UA S. 21) selbst bei einer allein vom Angeklagten eingelegten Revision uneingeschränkt zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch bei Aufhebung des Strafausspruchs wegen der rechtsfehlerhaften, aber insoweit ausschließlich zugunsten des Angeklagten wirkenden Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit stünde das Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung einer höheren Gesamtstrafe selbst bei Wegfall der Anordnung der Maßregel des § 63 StGB entgegen. § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO erfasst lediglich die Auswechselung einer isoliert – im Fall der Schuldunfähigkeit – verhängten Maßregel gemäß § 63 oder § 64 StGB gegen eine Verurteilung zur Strafe, wenn sich im neuen Verfahren die schuldhafte Begehung der Tat ergibt.
26
4. Der Strafausspruch enthält keinerlei zu Lasten des Angeklagten wirkende Rechtsfehler.
27
a) Die Annahme des § 21 StGB und die deshalb erfolgte Strafrahmenverschiebung beschwert den Angeklagten hinsichtlich der Strafzumessung nicht.
28
Da das Landgericht bei der Bemessung der Strafen innerhalb des jeweils ohnehin gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens die parallele Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zu dessen Gunsten berücksichtigt hat (UA S. 21), schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zu niedrigeren Strafen gelangt wäre. Allerdings war eine solche mildernde Berücksichtigung der neben Freiheitsstrafe(n) angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtlich nicht geboten (anders offenbar Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 71). Die Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen Strafe (§ 46 Abs. 1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden sich kategorial. Die Vollstreckung der Strafe dient zudem dem Schuldausgleich, der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr zukünftiger Gefährlichkeit des Täters. Wechselwirkungen zwischen beiden betreffen lediglich die Ebene der Vollstreckung (etwa § 67 Abs. 1 und Abs. 4 StGB).
29
b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Die vor allem auf den Bewährungsbruch aus einer einschlägigen vorangegangenen Verurteilung und die bewusst unwahren Angaben des Angeklagten gegenüber seinem Therapeuten gestützte negative Kriminalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) hält sich nicht nur innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten weiten Wertungsspielraums (siehe nur BGH, Beschluss vom 6. Mai 2015 – 4 StR 89/15, StV 2015, 564), sondern liegt angesichts der insoweit rechtsfeh- lerfrei getroffenen Feststellungen besonders nahe.

III.

30
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
31
Sollte der neue Tatrichter die Voraussetzungen einer eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei den Taten wiederum feststellen können, wird er im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose in den Blick nehmen, dass es – wie im angefochtenen Urteil insoweit im rechtlichen Ausgangspunkt zutref- fend erfolgt – auf eine individuelle Prognose auf der Grundlage einer differenzierten Einzelfallanalyse ankommt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 StR 469/15 Rn. 2 mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 12 mwN). Dabei ist es bei entsprechenden Anknüpfungstatsachen möglich, individualprognostisch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten anzunehmen, die den Anlasstaten nicht entsprechen, sondern – wie Sexualdelikte zu Lasten von Kindern mit körperlichem Kontakt (hands-on-Delikte) – über diese im Unrechtsschweregrad hinausgehen. Graf Jäger Cirener Radtke Bär

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 5 5 / 1 5
vom
3. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. September 2015 gemäß
§ 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 22. Dezember 2014 wird
a) dieses im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Sich-Verschaffens von kinderpornographischen Schriften in elf Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Sich-Verschaffen von jugendpornographischen Schriften, sowie des Sich-Verschaffens von jugendpornographischen Schriften in 15 Fällen schuldig ist;
b) der Vorwurf der „Änderung“ einerVideodatei mit jugendpornographischem Inhalt am 27. Februar 2013 (Fall A.I.30. der Urteilsgründe) von der Verfolgung ausgenommen;
c) dieses im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendschutzkammer tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in 24 Fällen und wegen Besitzes jugendpornographischer Schriften in 68 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet und ein vom Angeklagten genutztes – näher bezeichnetes – Laptop eingezogen.
2
Seine dagegen gerichtete, auf eine Verfahrensrüge und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte war 1985 wegen verschiedener Sexualstraftaten zu einer mehrjährigen Gesamtfreiheitstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Nach Verbüßung der Freiheitsstrafe wurde seit 1988 die Maßregel vollzogen, bis der Vollzug durch eine auf Unverhältnismäßigkeit gestützte Erledigungserklärung am 19. November 2013 beendet wurde.
5
2. Die ersten hier verfahrensgegenständlichen Taten beging der Angeklagte in einer Lockerungsphase während laufenden Maßregelvollzugs. Er befand sich ab August 2012 in einer betreuten Einrichtung zum Zweck des Probewohnens. In dieser Zeit gelangte er in den Besitz eines Laptops, den er entgegen den Lockerungsbedingungen des Maßregelvollzugs der Vollzugseinrichtung nicht anzeigte. In dem Zeitraum zwischen dem 15. und dem 27. Februar 2013 verschaffte sich der Angeklagte 29 Bild- und drei Videodateien, die jeweils im Einzelnen festgestellte jugendpornographische Inhalte hatten (Fälle A.I. der Urteilsgründe). Die Dateien speicherte er auf der Festplatte des von ihm genutzten Laptops.
6
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten jeweils als Besitz jugendpornographischer Schriften gemäß § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 2 StGB gewertet und ihn deshalb insoweit wegen 32 Fällen dieses Delikts schuldig gesprochen.
7
3. Nach der Beendigung des Maßregelvollzugs verschaffte sich der Angeklagte im Zeitraum zwischen dem 24. November 2013 und dem 23. März 2014 insgesamt 21 Bild- und drei Videodateien mit kinderpornographischen Abbildungen sowie sechs Bild- und 30 Videodateien mit jugendpornographischen Darstellungen, deren Inhalte das Tatgericht jeweils näher festgestellt hat. Die Dateien speicherte er auf verschiedenen Speichermedien, wie etwa der Festplatte eines Laptops aber auch auf externen Speichermedien wie USBSticks (Fälle A.II. der Urteilsgründe). Insoweit erfolgte eine Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 4 Satz 2 StGB) in 24 Fällen und wegen Besitzes jugendpornographischer Schriften (§ 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 2 StGB) in 36 Fällen.
8
4. Sachverständig beraten hat das Landgericht bei dem Angeklagten eine sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vornehmlich schizoiden, selbstunsicheren und schizotypen Zügen festgestellt, die es als „schwere andere seelische Abartigkeit“ i.S.v. § 20 StGB gewertet hat. Aufgrund dieser Störungen sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei den Taten sicher erheblich beeinträchtigt, nicht jedoch aufgehoben gewesen.

II.


9
1. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. Juni 2015 zutreffend aufgezeigt hat, tragen die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zu den Tatgeschehen getroffenen Feststellungen deren rechtliche Bewertung durch das Landgericht nicht.
10
a) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte sämtliche der verfahrensgegenständlichen Bild- und Videodateien durch Herunterladen und Speichern auf verschiedenen internen oder externen Speichermedien selbst verschafft und dadurch den Tatbestand von § 184b Abs. 4 Satz 1 bzw. § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB verwirklicht. Gegenüber dem Sich-Verschaffen gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB tritt der vom Landgericht dem Schuldspruch u.a. zugrunde gelegte Besitztatbestand gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB als subsidiärer Auffangtatbestand zurück (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2008 – 3 StR 215/08, NStZ 2009, 208; vom 4. August 2009 – 3 StR 174/09 Rn. 25, StV 2010, 294; vom 8. Februar 2012 – 4 StR 657/11 Rn. 3, StV 2012, 540). Für den in der tatbestandlichen Struktur und der Schutzrichtung weitgehend übereinstimmenden § 184c Abs. 4 Satz 1 StGB gilt im Verhältnis des Sich-Verschaffens (§ 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB) zu dem Besitz (§ 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 2 StGB) jugendpornographischer Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) nichts anderes. Der Angeklagte war daher jeweils wegen SichVerschaffens von kinder- bzw. jugendpornographischen Schriften zu verurteilen (zur Bezeichnung dieses verwirklichten Tatbestandes in der Entscheidungsformel siehe BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 4 StR 657/11 Rn. 4, StV 2012, 540).
11
b) Wegen des Wertungsfehlers bei der Bestimmung des verwirklichten Straftatbestandes tragen die Feststellungen auch die vom Landgericht angenommene Anzahl der Taten im materiell-rechtlichen Sinne nicht. Lädt der Täter im Verlaufe einer Internetsitzung jeweils mehrere Dateien mit kinderpornographischem Inhalt auf seinen Computer herunter, handelt es sich aufgrund natürlicher Handlungseinheit jeweils lediglich um eine Tat des Sich-Verschaffens im Sinne von § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 – 3StR 215/08, NStZ 2009, 208; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13 Rn. 14; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 4 StR 342/14 Rn. 8; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Juli 2014 – 2 StR 166/14 Rn. 4). Entsprechendes gilt für § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB.
12
Soweit das Landgericht – zudem bezogen auf den jeweiligen Besitztatbestand – die Annahme jeweils einzelner Taten pro Bild- bzw. Videodatei mit jeweils „gesonderten Tatentschlüssen“ begründen will (UA S. 3), wird diese Feststellung nicht tragfähig belegt. Aus den im Einzelnen mitgeteilten Daten der Erzeugung der entsprechenden Dateien ergibt sich, dass bei nahezu allen Sitzungen zwischen dem Herunterladen mehrerer Dateien jeweils lediglich Sekunden oder Minuten lagen. Das deutet nicht auf jeweils neue Tatentschlüsse hin. Weitere Umstände, auf die sich die entsprechende Feststellung des Land- gerichts stützen könnte, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Da sich weitere Feststellungen insoweit auch nicht treffen lassen werden, ist unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes von lediglich einer Tat des Sich-Verschaffens pro einheitlicher Internetsitzung auszugehen (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 4 StR 342/14 Rn. 8 mwN).
13
c) Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen über die konkreten Erzeugungsdaten der fraglichen Dateien und der sich daraus ergebenden Anzahl der einzelnen einheitlichen Internetsitzungen hat der Senat den Schuldspruch nach Maßgabe der detaillierten Aufstellung in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts wie aus der Beschlussformel ersichtlich geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich weder im Hinblick auf die rechtliche Bewertung der Taten noch deren Anzahl erfolgreicher als geschehen verteidigen können.
14
2. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts hat der Senat den Vorwurf im Fall A.I.30. der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen. Das Landgericht hat insoweit – abweichend von den übrigen verfahrensgegenständlichen Fällen – lediglich ein Datum der Änderung (27. Februar 2013 – 17:46:34 Uhr) und nicht der Erzeugung der betroffenen Videodatei feststellen können (UA S. 5). Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem bereits ein Sich-Verschaffen im Sinne von § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB bezüglich einer verfahrensgegenständlichen Tat vorausgegangen ist. Eine weitere Aufklärung ist verfahrensökonomisch nicht veranlasst; eine für diesen Tatteil in Frage kommende Strafe fiele neben den für die sonstigen verfahrensgegenständlichen Taten zu verhängenden Strafen nicht beträchtlich ins Gewicht (§ 154a Abs. 1 Satz 1 StPO).

III.


15
1. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
16
2. Im Hinblick auf die erhebliche Änderung der Anzahl der Anlasstaten hebt der Senat auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auf.
17
a) Eine Unterbringung gemäß § 63 StGB darf lediglich dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustandes in der Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f. mwN; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 63 Rn. 15 und 16 mwN). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist im Rahmen einer Gefährlichkeitsprognose auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu beurteilen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 28. Januar 2015 – 4 StR 514/14, NStZ-RR 2015, 169 f. mwN).
18
Für die Erwartung zukünftiger Straftaten, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen, brauchen zwar die verfahrensgegenständlichen Anlasstaten selbst nicht erheblich zu sein (BGH, Beschluss vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f.). Die zu erwartenden Taten müssen aber, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (BGH aaO sowie BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2008 – 2 StR 161/08; vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; vom 6. März 2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 jeweils mwN; siehe auch BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241). Erreichen die Anlasstaten ihrem Gewicht nach nicht einmal diesen Bereich, ist eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht von vornherein ausgeschlossen; das Tatgericht muss in solchen Fällen allerdings die erforderliche Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältig darlegen (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschlüsse vom 6. März 2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.; vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f.). Dazu ist regelmäßig eine besonders eingehende Würdigung der Person des bzw. der Beschuldigten, vor allem der Krankheitsgeschichte sowie der Anlasstaten, notwendig (BGH jeweils aaO).
19
b) Wegen der vorstehend dargelegten Bedeutung der Anlasstaten im Rahmen der der Gefährlichkeitsprognose zugrunde liegenden Gesamtwürdigung bedarf es angesichts der gravierenden Änderung der Anzahl der Anlasstaten trotz des unveränderten Tatbildes unter den Verhältnissen des konkreten Einzelfalls einer Aufhebung auch des Maßregelausspruchs. Da die Anlasstaten selbst in der modifizierten rechtlichen Bewertung allenfalls knapp den Bereich der mittleren Kriminalität erreichen, muss dem neuen Tatrichter die Möglichkeit eröffnet werden, die in solchen Konstellationen erforderliche besonders umfassende und sorgfältige Gefährlichkeitsprognose eigenständig vornehmen zu können.
20
c) Das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen des § 63 StGB ist nach den zu den Tatgeschehen und zur Person des Angeklagten getroffenen Feststellungen auch nicht von vornherein ausgeschlossen.
21
aa) Soweit das sachverständig beratene Landgericht sicher eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) aufgrund einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angenommen hat,die es auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (hier nach ICD-10: F61.9) und Pädophilie (ICD-10: F65.4) gestützt hat, wäre dies entgegen der Auffassung der Revision im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar nicht jede Form sexueller Devianz, wie etwa Pädophilie, ohne weiteres das Eingangsmerkmal der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ ausfüllen. Die Störung kann aber im Einzelfall den Schwere- grad des Eingangsmerkmals erreichen; eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit kann insbesondere dann gegeben sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung der Praktiken auszeichnen (BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 4StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10 Rn. 4). Das kann bei dem Angeklagten in Betracht kommen.
22
bb) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62 StGB) stünde einer Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ebenfalls nicht zwingend entgegen. Anders als der Generalbundesanwalt meint, kommt jedenfalls dem Umstand, dass der frühere Vollzug der 1985 angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB wegen Unverhältnismäßigkeit beendet worden ist, grundsätzlich keine unmittelbare Bedeutung für die Voraussetzungen der Unterbringung wegen der Begehung der jetzigen Anlasstaten zu. Ob die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB im gegenständlichen Verfahren verhältnismäßig wäre, bestimmt sich nach der Bedeutung der jetzigen Anlasstaten sowie derjenigen der zu erwartenden Taten und dem von dem Täter ausgehenden Grad der Gefährlichkeit (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 62 Rn. 3 – 5). Bei der Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 Satz 1 Var. 2 StGB wegen Un- verhältnismäßigkeit des (weiteren) Vollzugs einer angeordneten Maßregel kommt es als Abwägungsfaktor zwar auch auf Grad und Art der zukünftigen Gefährlichkeit des Untergebrachten an. Maßgebend ist im Rahmen der Erledigungserklärung gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 Var. 2 StGB jedoch vor allem, dass bei langandauernden Unterbringungen der Freiheitsanspruch des Untergebrachten zunehmendes Gewicht erhält (siehe etwa BVerfGE 70, 297, 315; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 19. November2012 – 2 BvR 193/12, StV 2014, 148, 150 sowie Veh in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 2, § 67d Rn. 21 mwN). Gerade dieser Aspekt ist für die Verhältnismäßigkeit der erneuten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen neuer Anlasstaten dagegen nicht von Bedeutung.
23
3. Der Senat hebt auch die an sich rechtsfehlerfreie Einziehungsentscheidung auf. Wird dem Angeklagten im Wege der Einziehung ein werthaltiger Gegenstand entzogen, ist dies regelmäßig für die Strafzumessung und im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller den Angeklagten treffenden Rechtsfolgen von Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 3 StR 470/11, NStZ-RR 2012, 169 mwN). Die Aufhebung der Einziehungsentscheidung gestattet dem neuen Tatrichter eine solche Gesamtbetrachtung sämtlicher in Frage kommenden Rechtsfolgen.
24
4. Um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu sämtlichen Voraussetzungen des § 63 StGB zu ermöglichen, hebt der Senat die Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Wegen der Doppelrelevanz erfasst dies die Feststellungen zur eingeschränkten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) als Strafzumessungsgesichtspunkt für die Anlasstaten ebenfalls. Wegen der Verknüpfung der Strafzumessung mit der Einziehung von Tatmitteln war die Aufhebung auch auf die die Einziehungsentscheidung betreffenden Feststellungen zu beziehen.
25
5. Angesichts der Aufhebung der Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch aufgrund der Sachrüge kommt es auf die erhobene Verfahrensrüge nicht mehr an. Diese betraf allein die Frage der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten.

IV.


26
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
27
Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht bei der Neufestsetzung der Einzelstrafen für die geringere Anzahl von materiellrechtlichen Taten einer Erhöhung der höchsten im ersten Rechtsgang für die Taten verhängten Einzelstrafen nicht entgegen. Allerdings darf die Summe der neuen Einzelstrafen ebenso wenig zum Nachteil des Angeklagten verändert werden, wie die neu zu bestimmende Gesamtstrafe (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 4 StR 342/14 Rn. 13 mwN).
Vorsitzender Richter am Richter am BundesgerichtsBundesgerichtshof Dr. Raum hof Prof. Dr. Graf ist wegen ist wegen Urlaubsabwesenheit Urlaubsabwesenheit an der an der Unterschrift gehindert. Unterschrift gehindert. Rothfuß Rothfuß Rothfuß Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 265/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:101115B1STR265.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 26. März 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des Diebstahls in acht Fällen, davon in einem Fall versucht, in Tatmehrheit mit Computerbetrug in 16 tatmehrheitlichen Fällen, davon in drei Fällen versucht, unter Einbeziehung weiterer Strafen zu den Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten und von zehn Monaten verurteilt. Zudem hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Landgerichts leidet der Angeklagte an „einer schizophrenen Psychose vom paranoid- halluzinatorischen Typ mit einer Wahn- und Residualsymptomatik, welche sein seelisches Gefüge tiefgreifend veränderte, die Sinngesetzlichkeit seiner seelischen Vorgänge und Handlungsabläufe zerriss und die Wirksamkeit seiner normalen rationalen Kontrollmechanismen aufhob“ (UA S. 4). Aufgrund dieser seit 2001 bekannten Erkrankung befand sich der Angeklagte regelmäßig in psychiatrischer Behandlung; er nimmt Medikamente ein. Alkohol konsumierte der Angeklagte bis zu seiner Inhaftierung gelegentlich und „spielte an Automaten , wenn er Geld zur Verfügung hatte“ (UA S. 4).
3
Im Zeitraum von März 2012 bis Juni 2014 entwendete der Angeklagte in sechs Fällen die Geldbörsen älterer Damen in Supermärkten und nahm anschließend mit den darin enthaltenen EC-Karten unter Verwendung der zugehörigen PIN-Nummer Abhebungen an nahegelegenen Geldautomaten vor oder versuchte dies. Feststellungen zum Zustand des Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten hat das Landgericht nicht getroffen, in den Gründen des Urteils aber ausgeführt, dass „zwar kein Zusammenhang zwischen der Wahnsympto- matik und den Taten besteht, jedoch aufgrund der chronischen Residualsymptomatik der Schizophrenie die allgemeine Lebensbewältigung des Angeklagten stark eingeschränkt ist, was sich in allgemeiner Unbekümmertheit, Ziel- und Haltlosigkeit und mangelnder Kontrolle des Angeklagten über seine Handlun- gen auswirkt“ (UA S. 11). Vor diesem Hintergrund sei die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten erhalten, seine Steuerungsfähigkeit jedoch erheblich vermindert gewesen.

II.


4
Gegen diese Bewertung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung deshalb nicht stand.
5
1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie setzt zunächst voraus, dass zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. Hierfür muss vom Tatrichter im Einzelnen dargelegt werden, wie sich die festgestellte, einem Merkmal von §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts - oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden psychischen Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15; Beschlüsse vom 2. September 2015 – 2 StR 239/15; vom 28. Januar 2015 – 4 StR 514/14, NStZ-RR 2015, 169, 170; vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 76 und vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Insoweit ist insbesondere zu untersuchen, ob in der Person des Angeklagten oder in seinen Taten letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 2015 – 2 StR 420/14; vom 15. Juli 1997 – 4 StR 303/97, BGHR StGB § 63 Zustand 26; Urteil vom 2. April 1997 – 2 StR 53/97, NStZ 1997, 383).
6
Dem werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht. Das Landgericht hat zwar dargelegt, dass der Angeklagte an einem unter die Eingangsmerkmale des § 20 StGB fallenden krankhaften Zustand von einiger Dauer leidet. Das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Wahnsymptomatik und den Anlasstaten hat es jedoch abgelehnt und die bei dem Angeklagten krankheitsbedingt eingetretene Grundbeeinträchtigung in seiner Lebensführung als ausreichend für die Anordnung der Maßregel gehalten. Dies ist rechtsfehlerhaft (vgl. zu den Darlegungsanforderungen bei Psychosen aus dem Formenkreis der Schizophrenie etwa BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306; vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142 und vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZRR 2012, 306, 307 jeweils mwN).
7
Das Landgericht war zur Begründung der Unterbringung gehalten, in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise zu erörtern, dass und weshalb zwischen dem Zustand des Angeklagten und den abgeurteilten Taten ein symptomatischer Zusammenhang besteht. Hierauf konnte angesichts der äußeren Umstände des Falles nicht verzichtet werden. Anhand des Tatbilds ist nicht erkennbar , dass den Handlungen eine schizophrene Psychose vom paranoidhalluzinatorischen Typ zugrunde lag. Denn der Angeklagte lebte in beengten finanziellen Verhältnissen und verwendete das durch die Taten erlangte Geld zur Bestreitung seines Lebensunterhalts. Er war nach den getroffenen Feststellungen über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg in der Lage, zu seinem Tatmuster passende Opfer sorgfältig auszuwählen und die jeweilige Tathandlung zielorientiert und unbemerkt auszuführen. In den Urteilsgründen des Landgerichts bleibt unklar, weshalb die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Begehung der rechtswidrigen Taten erheblich vermindert gewesen sein soll. Schließlich lässt auch die Feststellung, der Angeklagte habe an Spielautomaten gespielt, sobald er Geld zur Verfügung gehabt habe, eine rechtsfehlerhafte Anwendung des anzulegenden Maßstabs besorgen. Die Prüfung, ob in der Person und den Taten des Angeklagten letztlich nur Eigenschaften hervorgetreten sind, die sich im Rahmen des bei schuldfähigen Menschen regelmäßig anzutreffenden Ursachenspektrums für die Begehung von Straftaten halten oder ob die Taten auf einen psychischen Defekt zurückzuführen sind, ist dem Senat anhand der Urteilsgründe nicht möglich.
8
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insbesondere der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Soweit das Landgericht in für das Revisionsgericht nicht nachprüfbarer Weise die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht und unter Anwendung des vertypten Strafmilderungsgrundes alle Einzelstrafen den jeweils gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gesenkten Strafrahmen der § 242 Abs. 1 StGB und § 263a Abs. 1 StGB entnommen hat, ist der Angeklagte hierdurch nicht beschwert (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 – 4 StR 498/14, NStZ-RR 2015, 137, 138 und vom 23. Oktober 2007 – 4 StR 358/07, insoweit in NStZ-RR 2008, 70 nicht abgedr.). Dass ohne die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eine niedrigere Strafe verhängt worden wäre, vermag der Senat auszuschließen.

9
3. Der Senat hebt den Maßregelausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter eigene, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter wird sich unter Heranziehung eines Sachverständigen erneut mit der Erkrankung des Angeklagten und ihren Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit bei der Begehung der Taten auseinanderzusetzen haben.
Graf Jäger Mosbacher
RinBGH Dr. Fischer ist erkrankt und daher an einer Unterschriftsleistung gehindert. Graf Bär

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR89/15
vom
6. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2015 nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 5. November 2014 insoweit aufgehoben, als eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden ist.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verbreitung pornographischer Schriften in 27 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
Die Begründung, mit der die Strafkammer eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt hat, hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
3
1. Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ist ebenso wie die Strafzumessung Aufgabe des Tatrichters. Ihm kommt bei der Beurteilung der Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB ein weiter Beurteilungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – 4 StR 699/10, Rn. 11 mwN).
4
Im vorliegenden Fall weist die Begründung der Strafkammer jedoch einen durchgreifenden Erörterungsmangel auf, weil sie sich nicht mit der Frage befasst hat, ob die Weisung, sich einer sexualtherapeutischen Therapie zu unterziehen (§ 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB), zu einer noch ausreichenden positiven Sozialprognose führen kann. Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung bereit erklärt, eine Therapie zu machen, und hat in der Justizvollzugsanstalt an einer Gesprächsgruppe teilgenommen. Die Strafkam- mer hat demgegenüber „den Eindruck gewonnen, dass es nicht zu einer ge- danklichen Auseinandersetzung mit den Taten und ihren Ursachen beim Angeklagten gekommen ist und eine ernsthafte Motivation zum Beginn einer thera- peutischen Aufarbeitung nicht besteht“. Es kann dahinstehen, ob dieser Ein- druck des Tatrichters ausreichend mit Tatsachen belegt ist. Denn auch in diesem Fall hätte die Strafkammer in Betracht ziehen müssen, die Zusage des Angeklagten , sich einer Therapie zu unterziehen, durch eine Weisung nach § 56c Abs. 3 StGB abzusichern. Gerade angesichts seines von der Kammer unterstellten taktischen Verhaltens wäre zu erörtern gewesen, ob der Angeklagte unter dem Druck der Möglichkeit eines Bewährungswiderrufs (§ 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB) zur Durchführung einer Therapie bewogen werden und damit der Rückfallgefahr hinreichend begegnet werden kann.
5
2. Schließlich begegnet auch die Begründung, mit welcher besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB verneint wurden, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
Das Landgericht hat lediglich ausgeführt, „nach Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten liegen besondere Umstände schon aufgrund des längeren Tatzeitraums und der Vielzahl der begangenen Taten nicht vor“. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Begründung den Anforde- rungen, die an die gebotene Gesamtschau von Tat und Täterpersönlichkeit zu stellen sind, in einem Fall wie dem vorliegenden grundsätzlich noch gerecht wird. Das Landgericht hat zwar auf eine Strafe erkannt, welche die Grenze möglicher Strafaussetzung erreicht und bei der die Begründungsanforderungen an die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 2 StGB regelmäßig geringer sind (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2003 – 4 StR 389/03, StV 2004, 479). Bei der Beurteilung ist jedoch auch von Bedeutung, ob erwartet werden kann, der Angeklagte werde sich künftig straffrei führen (BGH, Beschluss vom 21. September 2006 – 4 StR 323/06, NStZ-RR 2006, 375, 376 mwN). Da die Strafkammer hier schon die ungünstige Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet hat, ist auch die Verneinung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB mit einem Mangel behaftet.
7
Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht; sie dürfen durch solche, die ihnen nicht widersprechen, ergänzt werden.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.