Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2017 - 1 StR 436/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:190917B1STR436.17.0
bei uns veröffentlicht am19.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 436/17
vom
19. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:190917B1STR436.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 19. September 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 7. April 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt; zudem hat es das bei der Tat verwendete Keramikhaushaltsmesser eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet die Angeklagte an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Subtypus. Sie erlebt intensiv Stimmungen, die sehr wechselnd, launenhaft sein können. Sie wird schnell traurig oder wütend, ist leicht reizbar und handelt häufig „aus dem Bauch heraus“, ohne über die Konsequenzen ihres Tuns nachzudenken. Zu- dem ist sie nur schwer in der Lage, mit Kritik an ihrer Person oder ihren Handlungsweisen umzugehen, was häufig zu Streit führt. Ihr Verhalten ist stark belohnungsabhängig mit der Neigung, nicht unmittelbar belohnte Handlungen aufzugeben, so dass es ihr schwer fällt, schwierige Zeiten um eines übergeordneten Zieles willen durchzustehen. Diese psychische Störung führte letztlich dazu, dass die Angeklagte keine Berufsausbildung absolvierte, Beschäftigungsverhältnisse nur von kurzer Dauer und auch Beziehungen instabil und nicht längerfristig waren. Sie stand unter einem erheblichen Leidensdruck, den sie mit einem riskanten Alkoholkonsum zu kompensieren versuchte. Eine Alkoholabhängigkeit ist bei der Angeklagten allerdings nicht gegeben.
3
Im Jahre 2012 lernte sie den 21 Jahre älteren späteren Geschädigten kennen und ging mit ihm 2014 eine Liebesbeziehung ein. Beide Partner behielten jedoch jeweils ihre Wohnungen. Nach einer in der Anfangszeit sehr harmonischen Beziehung führte insbesondere eine schwere Krebserkrankung der Mutter der Angeklagten dazu, dass sich der Geschädigte vernachlässigt fühlte und zunehmend eifersüchtig wurde, ohne dass die Angeklagte ihm hierzu einen Anlass gegeben hatte. Er machte ihr immer wieder Vorhaltungen und drohte mehrfach, sich das Leben zu nehmen, wobei er sich jeweils ein Messer an den Hals hielt. Er beabsichtigte dabei nicht ernstlich, sich das Leben zu nehmen, sondern versuchte lediglich, die Angeklagte unter Druck zu setzen. Aufgrund von Streitigkeiten kam es mehrfach dazu, dass die Angeklagte dem Geschädigten den Wohnungsschlüssel zu ihrer Wohnung entzog.
4
Im Frühjahr des Jahres 2016 gerieten beide wiederum in einen heftigen Streit, wobei der Geschädigte der Angeklagten erstmals eine Ohrfeige gab, die sie damit beantwortete, dass sie ihm ebenfalls eine Ohrfeige gab und ihn aus ihrer Wohnung verwies. Die Schwierigkeiten verschärften sich, als die Ange- klagte Ende August 2016 mit ihrer Mutter während einer Pause in deren Chemotherapie eine Reise unternahm. Während dieser Reise „bombardierte“ der grundlos eifersüchtige Geschädigte die Angeklagte mit „WhatsApp“- Nachrichten und Vorwürfen. Die Angeklagte stand unter einem erheblichen emotionalen Druck und war erschöpft. Auch nach ihrer Rückkehr am 1. September 2016 war die Stimmung zwischen ihr und dem Geschädigten äußerst angespannt. Sie machte dem Geschädigten deshalb klar, dass sie zunächst Abstand brauche und er in seiner Wohnung übernachten müsse, was dieser auch akzeptierte.
5
Am Abend des 5. September 2016 befanden sich die Angeklagte und der Geschädigte in der Wohnung der Angeklagten. Sie ärgerte sich zunehmend darüber, dass sie auch für den Geschädigten arbeitete, obwohl sie müde war. Er gewann entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten den Eindruck, dass die Angeklagte mit anderen Männern über das Smartphone Kontakte knüpfte, und steigerte sich weiter in seine Eifersucht hinein. Gegen 23.30 Uhr kam der Geschädigte aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer und versetzte der am Wohnzimmertisch sitzenden Angeklagten völlig unvermittelt und ohne ein Wort zu sagen eine heftige Ohrfeige, worauf sie nach rechts mit dem Stuhl auf den Boden kippte. Als sie versuchte, nach ihm zu treten, versetzte er ihr noch eine Ohrfeige. Durch die Ohrfeigen erlitt die Angeklagte u.a. eine Verletzung an der Lippe sowie Schürfungen und Rötungen. Die nunmehr völlig aufgebrachte Angeklagte stand daraufhin auf, gab dem Geschädigten ebenfalls eine Ohrfeige und verwies ihn der Wohnung. Aus Wut und um ihrer Forderung, er solle die Wohnung verlassen, Nachdruck zu verleihen, warf sie eine befüllte Bonbonschale aus Glas in Richtung des Geschädigten. Die Schale schlug am Boden auf und zersplitterte. Der Geschädigte machte gleichwohl keine Anstalten, die Wohnung zu verlassen.
6
Die Angeklagte blieb zunächst in der Küche, um abzuwarten, dass der Geschädigte ihrer Aufforderung nachkommen werde. Sie schaute dann aus der Küche heraus und forderte den Geschädigten mehrfach auf, die Wohnung zu verlassen, ohne dass dieser dem nachkam. Als sie ein weiteres Mal aus der Küche herausblickte, sah sie den Geschädigten, ein kleines Küchenmesser in der Hand haltend, im Flur stehen. Sie fragte ihn, ob er nun „wieder damit anfange“ , da sie befürchtete, er werde nunmehr wieder damit drohen, sich in ihrer Wohnung das Leben zu nehmen. Auch hegte sie die Befürchtung, er könne ihr das Gesicht zerschneiden, wie er es bereits einmal angekündigt hatte. Sie wollte unbedingt Distanz zu dem Geschädigten bekommen, musste aber erkennen, dass er dies ignorierte. Dies steigerte ihre Wut darüber, dass er ihrer mehrfachen Aufforderung, die Wohnung zu verlassen, keine Folge leistete, nochmals erheblich. Daher wollte sie dieser Aufforderung Nachdruck verleihen. Sie nahm in der Küche aus einer Plastikbox ein 32,5 cm langes Küchenmesser und trat damit dem Geschädigten, der seinerseits das zuvor von ihm in der Hand gehaltene Messer wieder abgelegt hatte, entgegen. Sie forderte ihn schreiend nochmals auf, die Wohnung zu verlassen. Sie hielt das Messer in Hüfthöhe vor sich, trat auf ihn zu und stach ihm mit einem mit mäßigem Kraftaufwand geführten Stich von vorne in den linken Oberbauch. Dabei nahm sie billigend in Kauf, dass der von ihr zur Erreichung ihres Ziels geführte Stich, den Geschädigten aus der Wohnung zu verweisen, diesen töten könnte. Die hierbei verursachte Stichverletzung führte in kürzester Zeit zum Tod des Geschädigten. Er schlug mit einem dumpfen Schlag mit dem Hinterkopf auf den Boden und verstarb. Nach der Wertung des Landgerichts war die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten bei der Tat wegen ihrer Alkoholisierung mit einer Blutalkoholkonzentration von maximal 1,64 Promille in Kombination mit ihrer Persönlichkeitsstörung im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert.
7
2. Das Landgericht hat die Tat als Totschlag gemäß § 212 Abs. 1 StGB gewertet. Im Rahmen der Strafzumessung hat es das Vorliegen eines minder schweren Falls nach § 213 1. Alt. StGB verneint, weil der finale Bauchstich nicht auf das Vorgeschehen zurückzuführen sei. Auf dieses habe die Angeklagte mit dem Tritt in die Richtung des Geschädigten, einer Ohrfeige, seines Verweises aus der Wohnung und dem in seine Richtung gezielten Wurf einer gläsernen Bonboniere abschließend reagiert. Auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung und unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes der eingeschränkten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) hat das Landgericht jedoch einen sonstigen minder schweren Fall (§ 213 2. Alt. StGB) angenommen.

II.


8
Die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Feststellungen des Landgerichts beruhen auf einer lückenhaften und deshalb durchgreifend rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.
9
1. Bereits die Beweiswürdigung zum Tathergang hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Damit fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für eine Verurteilung der Angeklagten wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts.
10
a) An die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 1995 – 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Dabei sind entlastende Angaben des Angeklagten nicht schon deshalb als unwiderlegbar hinzunehmen, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Auch im Übrigen hat das Tatgericht aufgrund einer Gesamtwür- digung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Beweisergebnisses zu bilden (st. Rspr.; vgl. nur BGH aaO BGHR Einlassung 6 sowie Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 261 StPO Rn. 57 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
11
b) Diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht stand. Die Urteilsausführungen lassen eine umfassende Würdigung der Einlassung der Angeklagten vermissen.
12
aa) Das Landgericht hat den Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Wesentlichen die Angaben der Angeklagten in der Hauptverhandlung zugrunde gelegt. Abweichend von ihrer Einlassung hat es sich jedoch davon überzeugt, dass die Angeklagte das Tatmesser nicht etwa zufällig im Rahmen von Arbeiten beim Kochen in der Hand gehabt habe, sondern dieses bewusst aus einer Box herausgenommen habe. Diese Überzeugung stützt das Landgericht auf entsprechende Angaben der Angeklagten bei einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung.
13
Zudem ist das Landgericht abweichend von der Einlassung der Angeklagten zu der Überzeugung gelangt, dass sie den tödlichen Stich bewusst ausgeführt habe. Das Landgericht hat dabei in den Blick genommen, dass sich die Angeklagte in der Hauptverhandlung eingelassen hatte, sie habe lediglich mit dem Messer vor dem Geschädigten „herum gefuchtelt“, um ihrer Forderung, er solle die Wohnung verlassen, Nachdruck zu verleihen. Da der Geschädigte sich auf sie zubewegt habe, habe sie befürchtet, dass er ihr nochmals eine Ohrfeige versetzen oder sie packen würde. Bei diesem Herumfuchteln müsse sie den Geschädigten mit dem Messer verletzt haben. Sie habe ihn aber überhaupt nicht verletzen und schon gar nicht umbringen wollen. Sie habe nur ge- wollt, dass er gehe. Das Landgericht hält die Einlassung der Angeklagten auch insoweit für widerlegt, zumal sie mit früheren Angaben in Widerspruch stehe. So habe die Angeklagte nicht nur in ihrer polizeilichen Vernehmung angegeben , das Messer nach vorne gehalten zu haben. Gegenüber den am Tatort eintreffenden Polizeibeamten habe sie sogar spontan geäußert, sie habe nur einmal zugestochen.
14
bb) Ausgehend hiervon hätte das Landgericht auch die übrigen Angaben der Angeklagten nicht ohne weiteres den Feststellungen zugrunde legen dürfen. Vielmehr hätte es erörtern müssen, ob über die vom Landgericht für widerlegt angesehenen Angaben hinaus auch die weiteren Angaben der Angeklagten nicht der Wahrheit entsprachen. Denn entlastende Angaben des Angeklagten sind nicht schon deshalb als unwiderlegbar hinzunehmen, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. August 1995 – 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Das Landgericht hätte daher insbesondere erörtern müssen, ob die Einlassung der Angeklagten auch insoweit unwahr war, als sie behauptete, der Geschädigte habe ihr völlig unvermittelt und ohne ein Wort zu sagen eine Ohrfeige gegeben, woraufhin sie mit dem Stuhl auf den Boden gekippt sei.
15
cc) Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich dieser Beweiswürdigungsmangel nicht nur zum Vorteil, sondern auch zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt hat. Da mithin die Feststellungen zum Tatablauf insgesamt keinen Bestand haben können, fehlt auch dem Schuldspruch eine tragfähige Grundlage. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
16
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat zum Tatbestands- merkmal „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ in § 2131. Alt. StGB auf Folgendes hin:
17
Für dieses Merkmal ist nicht entscheidend, ob sich die Tat als „Spontan- tat“ darstellt. Vielmehr kommt es darauf an, ob der durch eine schwere Provo- kation, die in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls auch in Ohrfeigen liegen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 – 1 StR 581/15, StraFo 2016, 167), hervorgerufene Zorn noch angehalten und als nicht durch rationale Abwägung unterbrochene Gefühlsaufwallung fortgewirkt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 2007 – 5 StR 134/07, NStZ-RR 2007, 200 und vom 28. September 2010 – 5 StR 358/10, NStZ-RR 2011, 10). Entscheidend ist, ob ein motivationspsychologischer Zusammenhang zwischen der Misshandlung oder Beleidigung durch das Opfer und der Körperverletzungshandlung des Täters besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1999 – 2 StR 384/99, NStZ-RR 2000, 80). Das kann auch noch nach mehreren Stunden der Fall sein (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 – 3 StR 443/83, NStZ 1984, 216; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 213 Rn. 9a). Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe auf die beiden Ohrfeigen des Geschädigten am Tatabend mit dem Tritt in die Richtung des Geschädigten, eine ihm gegebene Ohrfeige, seines Verweises aus der Wohnung und dem in seine Richtung gezielten Wurf einer Bonboniere abschließend reagiert, genügte angesichts der Feststellungen zum weiteren Tatablauf und zur Persönlichkeit der Angeklagten diesen Maßstäben nicht. In diesem Zusammenhang könnte gegebenenfalls die beharrliche Weigerung des Geschädigten, die Wohnung zu verlassen, Gewicht erlangen.
Raum Jäger Bellay Fischer Hohoff

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2017 - 1 StR 436/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2017 - 1 StR 436/17

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2017 - 1 StR 436/17 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Referenzen - Urteile

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 581/15
vom
13. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:130116B1STR581.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Januar 2016 beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 30. Juli 2015 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
2
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge und mehrere Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. November 2015 ausgeführt hat, unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

II.

3
Die Prüfung der Voraussetzungen eines minder schweren Falls des Totschlags gemäß § 213 StGB durch das Landgericht erweist sich als rechtsfehlerhaft.
4
Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB hat das Schwurgericht lediglich ausgeführt, dass "schon keine 'schwere Beleidigung' und auch 'keine Misshandlung' des Opfers" vorlag. Dies entspricht aber nicht den Feststellungen, wonach der Geschädigte nach einer kurzen "verbalen Auseinandersetzung dem Angeklagten nicht ausschließbar zwei Ohrfeigen" versetzte (UA S. 19). Ohrfeigen sind regelmäßig mit der Zufügung von Schmerzen verbunden (BGH, Urteile vom 8. März 1990 - 2 StR 615/89, NJW 1990, 315 und vom 22. November 1991 - 2 StR 225/91, MDR 1992, 320). Insoweit hat das Landgericht auch keine Feststellungen getroffen, wonach das Wohlbefinden des Angeklagten durch die Ohrfeigen allenfalls in unerheblichem Maße beeinträchtigt worden sei (vgl. hierzu Joecks in MüKo-StGB, 2. Aufl. 2012, § 223 Rn. 12 ff.; Fischer, 63. Aufl. 2016, § 223 Rn. 6). Dagegen würde zudem sprechen, dass der Angeklagte nach den Ohrfeigen Blut in seinem Gesicht bemerkte (UA S. 19).
5
Danach kann der Senat nicht ausschließen, dass es sich bei den zwei Ohrfeigen lediglich um nicht geringfügige Eingriffe in die körperliche oder seelische Unversehrtheit des Täters handelte und diese die für eine Misshandlung im Sinne des § 223 StGB erforderliche Erheblichkeit erreicht haben (dazu näher Senat, Urteil vom 26. Februar 2015 - 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582 f.).
6
Auf diesem Rechtsfehler beruht der Strafausspruch. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei vollständiger Würdigung aller maßgeblichen Strafzumessungsumstände einen minder schweren Fall angenommen hätte und zu einer geringeren Strafe gelangt wäre.
7
Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer kann ergänzende Feststellungen zum Strafausspruch treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen. Raum Graf Jäger Cirener Fischer
5 StR 134/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 16. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. April 2007 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 4. Dezember 2006 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO im gesamten Rechtsfolgenausspruch
aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung – auch über die Kosten des
Rechtsmittels – an eine andere Schwurgerichtskammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung
und wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten
verurteilt. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der allein erhobenen
Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg. Das weitergehende
Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2 Generalbundesanwalt Der hat in seiner Antragsschrift vom
22. März 2007 zur Strafzumessung des Landgerichts ausgeführt:
3 „Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben.
4 Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass das Schwurgericht es bei der
Festsetzung der Einsatzstrafe unterlassen hat, die erste Alternative des
§ 213 StGB zu erörtern. Dies war hier aus Rechtsgründen unerlässlich (vgl.
BGH NStZ 1995, 83 Nr. 10; BGH NStZ-RR 2000, 80 Nr. 3; Senat, Beschlüsse
vom 12. Juni 2002 – 5 StR 221/02 – und vom 11. Dezember 2006
5 StR 457/06 –).
5 Der genannte Rechtsfehler berührt zwar die andere Einzelstrafe nicht. Da
indes nicht auszuschließen ist, dass diese von der Bemessung der Einsatzstrafe
beeinflusst ist, und um dem neuen Tatrichter eine umfassende Bewertung
zu ermöglichen, sollten alle Strafaussprüche in dessen Beurteilung gestellt
werden.
6 Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht. Neue, die nicht in Widerspruch
zu den bisherigen stehen, können getroffen werden.“
7 Dem kann sich der Senat auch nicht vor dem Hintergrund der durchaus
maßvollen Bestrafung des Angeklagten verschließen, zumal das Landgericht
nach sachverständiger Beratung auch hinsichtlich des versuchten
Totschlags noch von einer psychischen Beeinträchtigung des Angeklagten
ausgegangen ist, die durch die Aufregung des Angeklagten infolge der von
K. hervorgerufenen Verletzungen mitverursacht worden ist (UA S. 20). Es
liegt deshalb nahe, dass der durch die Kränkung hervorgerufene Zorn des
Angeklagten noch angehalten und als nicht durch rationale Erwägung unterbrochene
Gefühlsaufwallung fortgewirkt hat (vgl. Tröndle/Fischer, StGB
54. Aufl. § 213 Rdn. 9a m.w.N.).
8 Solches wird der neu berufene Tatrichter zu prüfen haben, der bei
dem ersichtlich alkoholkranken Angeklagten (UA S. 4) auch die Verhängung
einer Maßregel gemäß § 64 StGB in seine Würdigung einbeziehen wird. Um
dies zu ermöglichen, hat der Senat den gesamten Rechtsfolgenausspruch
aufgehoben.
Basdorf Gerhardt Raum
Brause Jäger
5 StR 358/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2010

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Februar 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbeziehung der Strafen aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und zwei Wochen verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts im Umfang der Beschlussformel Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der 33-jährige Angeklagte hatte die später Getötete, die 27 Jahre alte L. , kurz vor der Tat kennengelernt und sofort Gefallen an ihr gefunden. Seine Annäherungsversuche wies sie mehrfach deutlich zurück. Am Tag und Abend vor der Tat hatten der Angeklagte und L. mit dem Zeugen W. in dessen Wohnung einige Biere, etwas Wein und eine von L. gegen Mitternacht an einem nahe gelegenen Imbiss gekaufte Flasche Wodka getrunken. Als der Zeuge W. das Zusammensein beenden und schlafen gehen wollte, kam es zu einer Auseinandersetzung. Deswegen ging L. gemeinsam mit dem Angeklagten in dessen im selben „Plattenbau“ gelegene Wohnung. Dort entwickelte sich kurz darauf ein Streit zwischen dem Angeklagten und der „unter Alkoholeinfluss rasch wütend werdenden“ L. , weil diese eine finanzielle Beteiligung an der von ihr bezahlten, gemeinsam genossenen Flasche Wodka forderte. Obgleich der Angeklagte ihr „eine Art Schuldschein“ über den geforderten Betrag ausstellte, beruhigte sich L. nicht. Sie schlug dem Angeklagten im Verlaufe des weiteren Streits zunächst ins Gesicht, woraufhin dieser sie kräftig zu Boden stieß; später versetzte sie ihm einen Tritt in den Unterleib. „In der Folge beschloss der Angeklagte spontan, L. zu töten. Er packte sie mit beiden Händen am Hals und würgte sie bis zur Bewusstlosigkeit“ (UA S. 9). Dann schleifte er die noch schwach atmende Frau ins Badezimmer , holte ein Küchenmesser aus dem Wohnzimmer und stach es ihr dreimal „wuchtig bis zum Anschlag“ ins Herz. Anschließend versuchte er, die Leiche mit einem Messer in kleinere Stücke zu zerteilen, um ihren Abtransport in ein Versteck zu erleichtern. Dies gelang ihm letztlich nicht. Später verbarg er die Leiche in einem Heizungsschacht im Keller des von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses. Dort wurde sie zwölf Tage später gefunden.
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Das Schwurgericht hat angenommen, dass der Angeklagte bei der Tat „zwar alkoholisch enthemmt [war], deutlich angetrunken oder gar betrunken war er jedoch nicht“ (UA S. 8).
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2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Schuldspruch ergeben. Indes hält der Strafausspruch im Einklang mit dem Antrag des Generalbundesanwalts letztlich materiellrechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Zunächst ist die Begründung, mit der das Schwurgericht eine Anwendbarkeit des § 213 StGB verneint, nicht rechtsfehlerfrei. Soweit es zu Lasten des Angeklagten darauf abstellt, er habe die Tat „aus nichtigem Anlass“ (UA S. 21) begangen, wird erst im Rahmen der Ausführungen zur Strafzumessung deutlich, dass das Gericht als solchen sowohl den angegebenen Streit wegen der Bezahlung der letzten Flasche Wodka als auch eine „denkbare“ Zurückweisung durch das Opfer nach einem Annäherungsversuch des Angeklagten sieht. Unmittelbarer Anlass der Tat waren indes die von der Getöteten ausgehenden Gewalttätigkeiten gegen den Angeklagten, die geeignet waren, ihn in besonderem Maße zu demütigen (Tritt in den Unterleib ). Dass diese wiederum durch sexuelle Annäherungsversuche des Angeklagten veranlasst wurden, hat das Schwurgericht nicht festzustellen vermocht (UA S. 8).
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Darüber hinaus ist – im Einklang mit der Stellungnahme des Generalbundesanwalts – zu besorgen, dass das Schwurgericht einen falschen Maßstab für die Prüfung des Merkmals „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ angewendet hat. Es hat entscheidend darauf abgestellt, dass die letztlich zum Tode führende Handlung − die Messerstiche − erst nach dem Verbringen des Opfers in das Bad erfolgt sei und mithin keine unmittelbare Reaktion auf die Provokation darstelle. Maßgebend ist indes nicht, ob sich die Tat als „Spontantat“ darstellt; vielmehr kommt es darauf an, ob der durch die Provokation hervorgerufene Zorn noch angehalten und den Angeklagten zu seiner Tat hingerissen hat (vgl. BGHR StGB § 213 Alt. 1 Hingerissen 1). Das liegt hier nicht gänzlich fern, zumal das Schwurgericht das festgestellte Tatgeschehen als einen einheitlichen Vorgang gewertet hat.
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b) Auch die Erwägungen, mit denen das Schwurgericht zu der Annahme gelangt, dass der Angeklagte bei der Tat uneingeschränkt schuldfähig gewesen sei, sind nicht rechtsfehlerfrei.
9
Die in den Feststellungen genannte Trinkmenge („einige Biere, etwas Wein und den am Imbiss gekauften Wodka“ gemeinsam mit den übrigen Beteiligten ) findet in der Beweiswürdigung keine Stütze. Sie entspricht nicht der vom Schwurgericht ausdrücklich als glaubhaft gewerteten Angabe des Zeugen W. in seiner Beschuldigtenvernehmung (Konsum von einer Flasche Korn und dem gekauften Wodka durch den Angeklagten und L. ), sondern deckt sich noch am ehesten mit den Angaben des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung am 25. Juni 2009 (UA S. 17). Diese hält das Gericht jedoch ebenso für unglaubhaft wie seine weitergehenden Angaben in der Vernehmung am 26. Juni 2009 (UA aaO).
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Seine Beurteilung stützt das Schwurgericht darauf, dass sich unter Zugrundelegung dieser Trinkmengen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen für die Tatzeit jeweils ein Blutalkoholwert im Bereich von 4,0 Promille ergebe, der jedoch auch bei dem trinkgewohnten Angeklagten nicht mit seinem festgestellten Verhalten zu vereinbaren sei. Die Grundlagen für diese Berechnung des Sachverständigen werden nicht mitgeteilt , sie ist darüber hinaus hinsichtlich der eigenen Angaben des Beschuldigten am 25. Juni 2009 auch nicht plausibel. Widerlegte Trinkmengenangaben widerlegen zudem nicht zugleich die Möglichkeit zwar geringerer, aber immer noch im Sinne des § 21 StGB erheblicher alkoholischer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit.
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Das Schwurgericht hat allerdings im Rahmen der von ihm vorgenommen Gesamtwürdigung Indizien festgestellt, die das gefundene Ergebnis – Verneinung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB – grundsätzlich auch unabhängig von einer Berechnung der Blutalkoholkonzentration tragen könnten (vgl. BGHSt 43, 66, 69 ff.). Dazu zählen die Alkoholgewohnheiten des Angeklagten und seine körperliche Konstitution ebenso wie eher differenzierte Handlungsabläufe vor, während und nach der Tat (vgl. UA S. 21), die insgesamt einen komplexen Geschehensablauf belegen, der mit der Notwendigkeit situativer Anpassungsleistungen und reflektierender Auseinanderset- zung mit dem aktuellen Geschehen einherging und damit in besonderem Maße auf eine erhalten gebliebene Steuerungsfähigkeit schließen lässt. Hinzu kommt die detailreiche Erinnerung des Angeklagten an die Tat (vgl. dazu Kröber NStZ 1996, 569, 575). Sie hat erhebliches Gewicht gegenüber der – ohnehin wenig zuverlässigen (vgl. Kröber aaO S. 574) – Berechnung der Blutalkolkonzentration aus geschätzten Trinkmengenangaben.
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3. Sollte das neue Tatgericht gleichwohl zur Bejahung der Voraussetzungen des § 213 StGB, 1. Alternative, wie des § 21 StGB gelangen, wird eine nochmalige Verschiebung des Strafrahmens aus § 213 StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit Blick auf das Tatbild und den engen Zusammenhang zwischen Enthemmung und Jähtat nicht nahe liegen. Gegebenenfalls wird auch § 64 StGB in die tatgerichtliche Prüfung einzubeziehen sein.
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