Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2013 - 1 StR 633/12

bei uns veröffentlicht am21.02.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 633/12
vom
21. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 14. Mai 2012 im Strafausspruch dahin geändert, dass die Einzelstrafe im Fall II.1.c. der Urteilsgründe auf sechs Monate herabgesetzt wird. II. Die weitergehende Revision wird verworfen. III. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen, Steuerhinterziehung in drei Fällen sowie wegen falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt , deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Daneben hat es angeordnet, dass drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt mit der Sachrüge nur den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
1. Der Angeklagte war von 1993 bis Oktober 1998 Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst und der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand bezog er Versorgungsbezüge nach Maßgabe des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG). Daneben war der Angeklagte als Rechtsanwalt tätig.
4
Ab 13. Oktober 1999 bis Juli 2002 war der Angeklagte Minister der Justiz und für Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg. Vom 1. August 2002 bis 31. Juli 2004 bezog er Übergangsgeld nach Maßgabe des Brandenburgischen Ministergesetzes (BbgMinG).
5
Ab Februar 2003 erzielte der Angeklagte als anwaltlicher Berater verschiedener Unternehmen sowie aus einer Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die Betriebseinnahmen beliefen sich im Jahr 2003 auf 69.103,40 €, im Jahr 2004 auf 38.370,68 €, im Jahr 2005 auf 105.378,44 € und im Jahr 2006 auf 124.451,55 €. Die Betriebsausgaben hat das Landgericht in Anlehnung an die Angaben des Angeklagten in seinen Einkommensteuererklärungen geschätzt.
6
Im Zeitraum August 2003 bis März 2004 bezog der Angeklagte zudem monatlich Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer einer Verlagsgesellschaft mbH in Höhe von 5.000 €. Die angefallenen „Betriebsausgaben“ hat das Landgericht entsprechend den Einkünften aus selbständiger Arbeit geschätzt.
7
Dem Angeklagten war bekannt, dass dieses Erwerbseinkommen auf die Versorgungsbezüge und das Übergangsgeld anzurechnen war. Er wusste auch, dass er den Bezug und die Änderung von Erwerbseinkommen gegenüber den Versorgungsträgern des Bundes und des Landes Brandenburg anzuzeigen hatte. Dieser Verpflichtung kam er jedoch nicht ordnungsgemäß nach. Dabei beabsichtigte er, sich durch die ungekürzte Auszahlung der Versorgungsbezüge und des Übergangsgeldes eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen.
8
Dabei ging der Angeklagte wie folgt vor: Mit Schreiben vom 28. August 2003 teilte er dem als Zahlstelle fungierenden Bundesamt für Finanzen mit, dass er seit Juli 2003 als Berater und Aufsichtsratsmitglied sowie als Geschäftsführer tätig sei. Angaben zur Höhe der von ihm erzielten Einkünfte enthielt das Schreiben nicht. Die Versorgungsbezüge und das Übergangsgeld wurden daher zunächst ohne Anrechnung von Erwerbseinkommen ausgezahlt. Erst mit Schreiben vom 19. April 2004 legte der Angeklagte dem Bundesamt für Finanzen eine Aufstellung über seine monatlichen Einkünfte im Zeitraum Juli 2003 bis März 2004 vor.
9
Um weitere Überzahlungen zu vermeiden, kürzte die Oberfinanzdirektion Nürnberg als zuständige Behörde des Bundes die Versorgungsbezüge des Angeklagten mit Wirkung vom 1. Juli 2004. Um eine Anrechnung zu verhindern, teilte der Angeklagte der Oberfinanzdirektion Nürnberg mit E-Mail vom 21. Mai 2004 wahrheitswidrig mit, er verfüge seit April 2004 über kein anrechenbares Einkommen mehr. Tatsächlich erzielte der Angeklagte auch im Zeitraum April 2004 bis Dezember 2006 weiterhin Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
10
Bei der Berechnung der überzahlten Versorgungsbezüge und des überzahlten Übergangsgeldes hat das Landgericht die Anrechnung des Erwerbseinkommens jeweils im Monat des Zuflusses der Betriebseinnahmen auf den Konten des Angeklagten vorgenommen. Der Schaden zum Nachteil des Bundes beläuft sich auf insgesamt 113.261,32 € (Fälle II.1.a., II.1.c. und II.1.d.), der Schaden zum Nachteil des Landes Brandenburg auf insgesamt 9.034,69 € (Fälle II.1.b. und II.1.e.).
11
2. Der Angeklagte kam zudem in den Jahren 2003 bis 2005 seiner Verpflichtung als Unternehmer zur Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen nicht innerhalb der Abgabefrist nach.
12
Für das Jahr 2004 reichte der Angeklagte am 27. März 2006 eine Umsatzsteuerjahreserklärung erst ein, nachdem das zuständige Finanzamt am 21. Februar 2006 einen Schätzungsbescheid mit erheblicher Zahllast erlassen hatte. In dieser gab er die von ihm erzielten Umsätze nicht in voller Höhe an. Die aufgrund des geänderten Umsatzsteuerbescheids geschuldeten Umsatzsteuerbeträge entrichtete der Angeklagte. Nachdem seinem Steuerberater im April 2006 Kontrollmitteilungen über nicht in der eingereichten Erklärung enthaltene Umsätze bekannt gegeben worden waren, reichte der Angeklagte am 7. Juni 2006 eine geänderte Umsatzsteuerjahreserklärung ein. Die Umsatzsteuerhinterziehung war zu diesem Zeitpunkt bereits entdeckt, womit der Angeklagte aufgrund der Umstände - insbesondere der Bekanntgabe der Kontrollmitteilungen an seinen Steuerberater - zumindest rechnen musste. Nachdem ihm die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben worden war, reichte der Angeklagte am 26. Oktober 2007 und 2. Januar 2008 erneut geänderte Umsatzsteuerjahreserklärungen ein. Für die Jahre 2003 und 2005 wurden Umsatzsteuerjahreserklärungen erstmals nach Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens abgegeben. Wie das Landgericht näher darlegt, wurde dadurch Umsatzsteuer im Jahr 2003 in Höhe von 10.618,64 €, im Jahr 2004 in Höhe von 3.890,09 € und im Jahr 2005 in Höhe von 14.359,04 € verkürzt (Fälle II.2.a. bis II.2.c.).
13
3. Weiterhin beantragte der Angeklagte mit Schriftsatz vom 31. Mai 2005 beim Landgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verlagsgesellschaft mbH. Der Antragsgegnerin sollte untersagt werden zu behaupten, der Angeklagte habe sein Gehalt als ehemaliger Geschäftsführer der Antragsgegnerin bis einschließlich März 2004 brutto gleich netto ausgezahlt erhalten. Zur Glaubhaftmachung legte der Angeklagte eine eigene eidesstattli- che Versicherung mit folgendem Wortlaut vor: „Ich hatte als Geschäftsführer der Verlagsgesellschaft mbH einen normalen Geschäftsführeranstellungs- vertrag mit einem Gehalt von 5.000 € brutto. Ich erhielt mein Gehalt nicht netto gleich brutto. Lediglich in den ersten beiden Monaten wurde mir mein Gehalt brutto ausgezahlt. Die entsprechenden Abgaben habe ich in diesen Monaten selbst geleistet. Von August 2003 bis März 2004 erhielt ich nur das Nettogehalt. Das an mich ausgezahlte Gehalt betrug zuletzt 2.244,99 € netto monatlich.“ Tatsächlich war dem Angeklagten für die Monate August bis November 2003 das Geschäftsführergehalt brutto mit jeweils 5.000 € ausgezahlt worden. Die darauf entfallenden Steuerbeträge wurden vom Angeklagten nicht abgeführt.

II.


14
1. Die Verfahrensrüge, mit der eine Verletzung von § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO sowie des Rechts auf ein faires Verfahren geltend gemacht wird, ist bereits unzulässig, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügt.
15
Der Verfahrensrüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
16
Am ersten Hauptverhandlungstag am 20. März 2012 kam zwischen dem Landgericht und den Verfahrensbeteiligten eine Verständigung i.S.v. § 257c StPO zustande. Danach sollte gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheits- strafe verhängt werden, die ein Jahr und sechs Monate nicht übersteigt und neun Monate nicht unterschreitet. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe sollte zur Bewährung ausgesetzt werden. Bewährungsauflagen in Form von Geldzahlungen sollten nicht in Betracht kommen. Voraussetzung dafür sollte ein tragfähiges Geständnis des Angeklagten hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Taten sein.
17
Noch am selben Tag gab der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. S. namens und in Vollmacht des Angeklagten eine Erklärung zur Sache ab. Danach habe der Angeklagte aufgrund seiner Lebenssituation die mit seinen beruflichen Tätigkeiten zusammenhängenden Einnahmen nicht mehr vollständig überblickt. Es sei daher möglich, dass unzutreffende Angaben gegenüber den Versorgungsträgern gemacht wurden. Der Angeklagte habe in Kauf genommen , dass seine Angaben einen Irrtum mit daraus resultierender Überzahlung bei den Adressaten auslösen könnten. Am vierten Hauptverhandlungstag am 26. April 2012 gab der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. S. eine weitere Erklärung für den Angeklagten ab, mit der der Sachverhalt der Anklageschrift als zutreffend anerkannt wurde.
18
Am fünften Hauptverhandlungstag am 14. Mai 2012 verurteilte das Landgericht den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zu der Bemessung der Gesamtstrafe führt das Landgericht in den Urteilsgründen aus, die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe an der unteren vereinbarten Grenze sei nicht angezeigt gewesen. Die Kammer habe sich bei der Verabredung des Strafrahmens von der Erwartung tragen lassen, der Angeklagte, der um die Verständigung ersucht hatte, werde zu Beginn der Hauptverhandlung ein Beweiserhebungen im Wesentlichen entbehrlich machendes Geständnis ablegen. Die Einlassung des Angeklagten habe aber nur als „rudimentäres Teilgeständnis“ gewertet werden können, das die Anforderungen der getroffe- nen Absprache nicht erfüllte. Erst als die Beweisaufnahme annähernd abgeschlossen gewesen sei, habe der Angeklagte die Anklagevorwürfe mit knappen Worten eingeräumt, ohne zusätzliche Angaben zu machen oder Fragen der Kammer zu beantworten. Diesem späten Geständnis sei nicht mehr die strafmildernde Wirkung zugekommen, die ein solches zu Beginn der Hauptverhandlung gehabt hätte.
19
Die Revision macht geltend, entweder habe das Landgericht entgegen seiner Verpflichtung aus § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO nicht darauf hingewiesen, dass es sich im Hinblick auf die als lediglich „rudimentäres Teilgeständnis“ ge- wertete Einlassung des Angeklagten am ersten Hauptverhandlungstag, das die „Anforderungen der getroffenen Absprache nicht erfüllte“, nicht mehr an die Verständigung gebunden fühlte. Oder aber das Landgericht habe zwar an der Verständigung festgehalten, jedoch unter Verletzung des Rechts des Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK, Art. 20 Abs. 3 GG) entgegen § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO nicht mitgeteilt, dass aufgrund des Prozessverhaltens des Angeklagten eine Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe an der unteren Grenze des Strafrahmens nicht mehr in Betracht gekommen sei.
20
Es kann dahinstehen, ob es aufgrund des alternativ gestalteten Vorbringens bereits an der erforderlichen klaren Bezeichnung der Angriffsrichtung der Revision fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11 mwN). Jedenfalls erweist sich das Revisionsvorbringen in wesentlichen Punkten als unvollständig.
21
Aus der dem Revisionsführer bekannten und ohne Widerspruch gebliebenen dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden der Strafkammer ergibt sich, dass dem Angeklagten bereits an dem auf seine Einlassung folgenden zweiten Hauptverhandlungstag mitgeteilt wurde, dass die Kammer nach Beratung die vom Angeklagten abgegebene Erklärung als ein „rudimentäres Teilgeständnis“ ansehe, das die Anforderungen der getroffenen Absprache nicht erfülle. Zudem war dem Verteidiger Rechtsanwalt Dr. S. wiederholt telefonisch mitgeteilt worden, dass die Kammer dem Angeklagten die Möglichkeit der Nachbesserung seines Geständnisses einräume und sich bis auf weiteres an die getroffene Vereinbarung gebunden sehe.
22
Diese für die Beurteilung der Verfahrensrüge wesentlichen Umstände hätte der Revisionsführer mitteilen müssen.
23
2. Die Verfahrensrüge wäre zudem auch unbegründet. Zwar entsprach das Prozessverhalten des Angeklagten zunächst nicht dem Verhalten, das der Prognose des Landgerichts zugrunde gelegt worden ist. Allein dadurch entfiel die Bindung des Landgerichts an die Verständigung mit der Folge der Hinweispflicht gemäß § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO jedoch nicht. Ein Wegfall der Bindung setzt darüber hinaus voraus, dass das Gericht zu der Überzeugung gelangt, der in Aussicht gestellte Strafrahmen sei nicht mehr tat- oder schuldangemessen. Dies liegt ausweislich der Urteilsgründe und der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden fern.
24
Die Kammer war auch weder gemäß § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO noch im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens dazu verpflichtet, den Angeklagten darauf hinzuweisen, dass wegen seines späten Geständnisses die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe an der unteren Grenze des vereinbarten Strafrahmens nicht in Betracht kam.
25
Die Angabe eines Strafrahmens durch das Gericht führt nicht dazu, dass nur die Strafuntergrenze als Strafe festgesetzt werden darf. Der Angeklagte kann nur darauf vertrauen, dass die Strafe innerhalb des angegebenen Strafrahmens liegt. Er muss daher auch damit rechnen, dass die Strafe die Strafrahmenobergrenze erreicht (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 - 1 StR 345/10, BGHR StPO § 257c Abs. 3 Satz 2 Strafrahmen 1). Das Landgericht hat sich auch nicht in einer Weise unklar oder irreführend verhalten, welche den Angeklagten über Bedeutung und Folgen seines eigenen Prozessverhaltens im Unklaren ließ oder ihn zu letztlich nachteiligem Verhalten veranlasste. Die Kammer hat vielmehr den Angeklagten bereits an dem auf die Einlassung folgenden zweiten Hauptverhandlungstag darauf hingewiesen, dass das abgegebene Geständnis die Anforderungen der getroffenen Verständigung nicht erfülle, und dem Angeklagten damit die Möglichkeit gegeben, sein Verteidigungsverhalten anzupassen.

III.


26
Die materiell-rechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils führt auf die Sachrüge lediglich zu einer Herabsetzung der im Fall II.1.c. verhängten Einzelfreiheitsstrafe ; die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe hat dagegen Bestand.
27
1. Die Verurteilung wegen Betruges hält hinsichtlich des Schuldspruches rechtlicher Nachprüfung stand.
28
Die von der Strafkammer vorgenommene Würdigung des Geschehens als Betrug in fünf Fällen ist nicht zu beanstanden. Die pflichtwidrig unterbliebene Anzeige des Bezugs und der voraussichtlichen Höhe der ab Februar 2003 erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit ist als Täuschung durch Unterlas- sen der jeweiligen Entscheidungsträger der Versorgungsträger des Bundes und des Landes Brandenburg zu werten. Gleiches gilt für die ab August 2003 bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die wahrheitswidrige Behauptung des Angeklagten gegenüber der Oberfinanzdirektion Nürnberg, er beziehe ab April 2004 kein anrechenbares Erwerbseinkommen mehr, stellt eine eigenständige Täuschung durch aktives Tun dar.
29
Die vom Angeklagten erzielten Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit unterliegen nach Maßgabe des § 53 Abs. 1 BeamtVG bzw. des § 16 Abs. 2 BbgMinG i.V.m. § 15 Nr. 1 BbgMinG der Anrechnung auf die Versorgungsbezüge und das Übergangsgeld.
30
Gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG ist der Versorgungsberechtigte verpflichtet , der Regelungsbehörde oder der die Versorgungsbezüge zahlenden Kasse u.a. den Bezug und jede Änderung von Einkünften i.S.v. § 53 BeamtVG unverzüglich anzuzeigen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Regelungsbehörde von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erhält, um die einschlägigen Ruhensregelungen zur Anwendung zu bringen. Der Gesetzgeber hat dem Beamten eine besondere Verpflichtung auferlegt, die ihre Rechtfertigung in der beamtenrechtlichen Treuepflicht findet (Hessischer VGH, Urteil vom 18. April 2012 - 1 A 1522/11, NVwZ-RR 2012, 936; Leihkauff in Stegmüller/ Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, 102. Lief., BeamtVG § 62 Rn. 29). Entsprechendes gilt über § 1 Abs. 3 BbgMinG i.V.m. § 53 Landesbeamtengesetz Brandenburg aF auch für nach § 16 Abs. 2 BbgMinG auf das Übergangsgeld anrechenbares Erwerbseinkommen.
31
Die Revision meint, die Anzeigepflicht gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG entstehe erst mit Erlass des jeweiligen Einkommensteuerbescheides. Daher sei die Verpflichtung durch unverzügliche Vorlage erfüllt. Der Senat teilt diese Auffassung nicht: Durch die unverzügliche Anzeige des Bezugs und jeder Änderung von Einkünften sollen Überzahlungen verhindert werden (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 18. April 2012 - 1 A 1522/11, NVwZ-RR 2012, 936; Leihkauff in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, 102. Lief., BeamtVG § 62 Rn. 29, 44). Dies könnte nicht erreicht werden, wenn der Einkommensteuerbescheid abzuwarten wäre. Die Versorgungsbezüge bzw. das Übergangsgeld würden dann nämlich für das gesamte Jahr zunächst ungekürzt ausgezahlt und eine Korrektur würde erst nach Erlass des Einkommensteuerbescheides erfolgen. Daher sind bereits der Beginn sowie jede Änderung des Bezuges von Einkünften i.S.v. §§ 53 bis 56 BeamtVG unter Angabe der voraussichtlichen Höhe der Einkünfte anzuzeigen. So kann aufgrund dieser Angaben zunächst eine vorläufige Ruhensregelung getroffen werden. Die abschließende Entscheidung erfolgt dann nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides (vgl. Schachel in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, § 53 BeamtVG Rn. 34 ).
32
Dieser Verpflichtung aus § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG ist der Angeklagte mit seinem Schreiben an das Bundesamt für Finanzen vom 28. August 2003 nicht ausreichend nachgekommen. Die Angaben des Versorgungsempfängers müssen so konkret sein, dass die Regelungsbehörde den Sachverhalt prüfen, über die Anwendung der Ruhensregelungen entscheiden und hieran Rechtsfolgen - insbesondere die Kürzung der Versorgungsbezüge - knüpfen kann (vgl. OLG Köln, Urteil vom 11. August 2009 - 83 Ss 54/09, NStZ-RR 2010, 79 zu § 60 Abs. 1 SGB I). Davon ausgehend genügen die Angaben des Angeklagten, er sei seit Juli 2003 als Berater und Aufsichtsratsmitglied sowie als Geschäfts- führer tätig, seiner Anzeigepflicht nicht. Vielmehr ist auch die Höhe der voraussichtlichen anrechenbaren Einkünfte anzuzeigen, da andernfalls eine Anwendung der Ruhensregelungen bzw. eine Anrechnung des Erwerbseinkommens nicht möglich ist (vgl. BAG, Urteil vom 21. Oktober 2003 - 3 AZR 83/03, ZTR 2004, 386; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, BeamtVG § 62 Rn. 16 ).
33
2. Der Strafausspruch erweist sich jedoch im Fall II.1.c. der Urteilsgründe als rechtsfehlerhaft.
34
Zwar ist das Landgericht im Hinblick darauf, dass die Tat auf wiederkehrende Leistungen gerichtet war, rechtsfehlerfrei von einem gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten i.S.v. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen. Jedoch hat es aufgrund einer unzutreffenden Berechnung der überzahlten Versorgungsbezüge einen zu großen Schadensumfang zugrunde gelegt.
35
a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht bei der Berechnung der überzahlten Versorgungsbezüge von einer umfassenden Anrechnung des Erwerbseinkommens auf die Versorgungsbezüge gemäß § 53 BeamtVG ausgegangen.
36
Entgegen der Auffassung der Revision ist die Anrechnung des Erwerbseinkommens nicht nach Maßgabe der §§ 53, 53a BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Fassung durchzuführen, wonach eine Anrechnung nur auf den nicht erdienten Teil des Ruhegehalts vorzunehmen ist. Dem Angeklagten war es für die Dauer der Wahrnehmung des Ministeramtes von Oktober 1999 bis Juli 2002 gemäß Art. 95 Landesverfassung Brandenburg, § 3 Abs. 1 BbgMinG untersagt, neben dem Ministeramt einen anderen Beruf auszuüben. Die von dem Angeklagten ab Februar 2003 erzielten Einkünfte aus anwaltlicher Tätigkeit fließen damit - trotz Fortbestehens der Zulassung - nicht mehr aus einer seit dem 31. Dezember 1998 andauernden Tätigkeit i.S.v. § 69c Abs. 4 Satz 1 BeamtVG.
37
b) Das Landgericht hat jedoch bei der Ermittlung des anrechenbaren Erwerbseinkommens rechtsfehlerhaft auch hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Betriebseinnahmen beim Angeklagten abgestellt.
38
Gemäß § 53 Abs. 7 Satz 4 BeamtVG erfolgt die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens grundsätzlich monatsbezogen. Wird das Einkommen nicht in Monatsbeträgen erzielt, ist gemäß Satz 5 das Einkommen des Kalenderjahres gleichmäßig auf zwölf Monate zu verteilen. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, die naturgemäß Schwankungen in ihrer monatlichen Höhe aufweisen , werden regelmäßig nicht in Monatsbeträgen erzielt, so dass bei Anwendung der Ruhensregelungen eine Zwölftelung des Jahreseinkommens zu erfolgen hat (vgl. Kazmaier in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, 98. Lief.; § 53 Rn. 216; Schachel in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, § 53 BeamtVG Rn. 34 ; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, BeamtVG, § 53 Rn. 183 ; für Einkünfte aus Gewerbebetrieb: OVG Saarland, Beschluss vom 16. September 2009 - 1 A 435/08).
39
Die unzutreffende Berechnungsmethode hat sich lediglich im Fall II.1.c. der Urteilsgründe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Dem Angeklagten ist in den Jahren 2003 und 2004 nicht in jedem Monat Erwerbseinkommen zugeflossen , so dass sich durch die Verteilung auf zwölf Monate für einzelne Kalendermonate ein niedrigerer anzurechnender Betrag ergibt.
40
Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte Annahme eines zu großen Schadensumfangs bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall II.1.c. der Urteilsgründe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Daher hat der Senat die im Fall II.1.c. verhängte Einzelstrafe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf die Mindeststrafe von sechs Monaten herabgesetzt (vgl. § 263 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB).
41
3. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
42
Die Revision meint, die Strafkammer hätte sich mit der Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte die Umsatzsteuerjahreserklärungen ohne Vorsatz nicht fristgerecht abgegeben habe. Dies liegt jedoch fern und musste daher nicht erörtert werden. Dagegen spricht schon, dass der Angeklagte bereits in den Umsatzsteuervoranmeldungen unzutreffende Angaben gemacht hatte. Eine Aufklärungsrüge zum Beleg des von der Revision für möglich gehaltenen Sachverhalts erhebt die Revision nicht.
43
4. Auch die Verurteilung wegen falscher Versicherung an Eides Statt ist nicht zu beanstanden.
44
Umfang und Grenzen der Wahrheitspflicht bestimmen sich nach dem Verfahrensgegenstand und den Regeln, die für das Verfahren gelten, in dem die eidesstattliche Versicherung abgegeben wird. Bei - wie hier - unverlangt abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen kommt es darauf an, welches Beweisthema sich in dieser stellt. Allerdings bedeutet dies nicht, dass alles, was der Täter zu dem selbstgesetzten Beweisthema erklärt, auch der Wahrheitspflicht unterliegt. Auszuscheiden sind vielmehr nach dem Schutzzweck der Vorschrift alle Tatsachenbehauptungen, die für das konkrete Verfahren ohne jede mögliche Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1989 - 1 StR 504/89, NStZ 1990, 123, 124; Ruß in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 156 Rn. 17; Lenckner/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 156 Rn. 5).
45
Die Feststellung des Landgerichts, dem Angeklagten sei sein Geschäftsführergehalt für die Monate August bis November 2003 brutto mit jeweils 5.000 € ausgezahlt worden, wobei die darauf entfallenden Steuerbeträge auch nicht vom Angeklagten abgeführt worden seien, steht im Widerspruch zu seiner eidesstattlichen Versicherung, ihm sei das Geschäftsführergehalt lediglich für die ersten beiden Monate brutto ausgezahlt worden, woraufhin er die darauf entfallenden Abgaben selbst abgeführt habe; von August 2003 bis März 2004 habe er nur das Nettogehalt erhalten. Diese falsche Erklärung war auch für das konkrete einstweilige Verfügungsverfahren keineswegs ohne jede Bedeutung. Die eidesstattliche Versicherung hatte zu dem Beweisthema des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin untersagt werden sollte zu behaupten, der Angeklagte habe sein Geschäftsführergehalt bis einschließlich März brutto gleich netto ausgezahlt erhalten, als Mittel der Glaubhaftmachung unmittelbaren Bezug. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die falsche Versicherung an Eides Statt letztlich im Ausgang des Rechtsstreits niedergeschlagen hat oder nicht.

IV.


46
1. Die Strafzumessung ist im Übrigen nicht zu beanstanden. Gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO hat das Tatgericht im Urteil lediglich die bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte mitzuteilen. Es steht nicht zu besorgen, dass die von der Revision aufgeführten Gesichtspunkte - insbesondere soweit im Urteil dazu Feststellungen getroffen sind - von der Kammer bei der Strafzumessung außer Acht gelassen worden sind.
47
2. Die durch das Landgericht vorgenommene Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ist nicht zu beanstanden. Die Kammer hat bereits bei der Strafzumessung die lange Verfahrensdauer strafmildernd bewertet, so dass darüber hinaus nur noch deren konventionswidrige Verursachung auszugleichen war. Dies führt, von hier nicht erkennbaren Fallgestaltungen abgesehen, dazu, dass sich eine Kompensation nur noch auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken hat (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146, 147; BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11, NStZ 2012, 152; Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08).
48
3. Trotz der Herabsetzung der Einzelstrafe im Fall II.1.c. auf sechs Monate hat der Ausspruch über die Gesamtstrafe Bestand. Angesichts der Summe der Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei Festsetzung einer Einzelstrafe von sechs Monaten im Fall II.1.c. auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

V.


49
Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Beschwerdeführer von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen auch nur teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
VRiBGH Nack ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Wahl Wahl Rothfuß RiBGH Prof. Dr. Jäger ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Wahl Cirener

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Referenzen - Gesetze

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

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Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


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Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 60 Angabe von Tatsachen


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Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG | § 53 Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen


(1) Bezieht ein Versorgungsberechtigter Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen (Absatz 7), erhält er daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze. Satz 1 ist nicht auf Empfänger von Waisengeld anzuwend

Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG | § 62 Anzeigepflicht


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Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG | § 69c Übergangsregelungen für vor dem 1. Januar 1999 eingetretene Versorgungsfälle und für am 1. Januar 1999 vorhandene Beamte


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Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG | § 53a Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Altersgeld, Witwenaltersgeld oder Waisenaltersgeld


Bezieht ein Versorgungsempfänger Altersgeld, Witwenaltersgeld oder Waisenaltersgeld nach dem Altersgeldgesetz vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3386) oder eine vergleichbare Alterssicherungsleistung, ruhen seine Versorgungsbezüge nach Anwendung des § 5

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Tenor Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 5. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine an

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 45/11
vom
25. Januar 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
Zum Abrechnungsbetrug eines privatliquidierenden Arztes für nicht persönlich
erbrachte Leistungen.
BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11 - LG München I
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Januar 2012 gemäß
§ 206a Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27. August 2010 wird
a) die Verurteilung im Fall Nr. 71 der Urteilsgründe aufgehoben und das Verfahren insoweit eingestellt;
b) der Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Betruges in 128 Fällen verurteilt ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. Die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels hat der Beschwerdeführer zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 129 Fällen (jeweils in einer unterschiedlichen Anzahl tateinheitlich begangener Einzeltaten, insgesamt 2.339) zu drei Jahren und drei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und ihm verboten, für die Dauer von drei Jahren als liquidationsberechtigter Arzt oder als angestellter Arzt mit eigenem Abrechnungsrecht tätig zu werden. Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass der Angeklagte aus den Taten insgesamt Vermögen im Wert von 748.244,87 € erlangt hat, wobei auf die Taten vor dem 1. Januar 2007 ein Betrag in Höhe von 630.581,99 € und auf die Taten nach dem 1. Januar 2007 in Höhe von 117.662,88 € entfällt. Die „Fest- setzung von Wertersatz oder des Verfalls von Wertersatz“ unterbleibt, da Ansprüche geschädigter Dritter gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen.
2
Die hiergegen gerichtete, mit der Verletzung formellen und sachlichen Rechts begründete Revision hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO, nachfolgend B.), im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Revision zeigt weder einen durchgreifenden Verfahrensfehler auf (C.) noch hat die umfassende sachrechtliche Nachprüfung des Urteils im Schuldspruch (D.) oder im Rechtsfolgenausspruch (E.) einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

A.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
I. Der Angeklagte betrieb als Arzt für Allgemeinmedizin im Tatzeitraum (Oktober 2002 bis September 2007) eine mit der Erbringung von Naturheilverfahren , Homöopathie- und Osteopathieleistungen sowie Traditioneller Chinesischer Medizin beworbene Praxis, in der er grundsätzlich Privatpatienten behandelte ; eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung hatte er nicht. Zur Abrechnung gegenüber den Patienten bediente er sich der (gutgläubigen) M. GmbH, der er die - für die von ihm gewünschte Abrechnung erforderlichen - Daten übermittelte.
5
Um sich neben Honoraransprüchen „eine auf Dauer gerichtete Einnah- memöglichkeit zu verschaffen“ (UA S. 19) ließ der Angeklagte an 129 Tagen mehr als 2.300 „inhaltlich unrichtige Abrechnungen“ an seine Patienten schicken , um „unter Täuschung seiner Patienten über die Richtigkeit dieser Ab- rechnungen bei diesen Honorare für tatsächlich nicht erbrachte, tatsächlich nicht von ihm erbrachte und tatsächlich nicht so erbrachte Leistungen zu be- rechnen und entsprechende Erlöse einzunehmen“ (UA S.14). Der Angeklagte ging dabei wie folgt vor:
6
1. Der Angeklagte hat in Absprache mit sechs seiner Patienten Rechnungen , die angeblich erbrachte und erstattungsfähige Leistungen auswiesen, erstellen lassen, obwohl er keine Leistungen oder nicht erstattungsfähige Leistungen erbracht hat (Lieferung nicht erstattungsfähiger Medikamente bzw. Injektionen ; Behandlung einer nicht privat versicherten Tochter einer privatversi- cherten Patientin; fingierte Hausbesuche zur „Ersparung“ eines Selbstbehalts; fingierte Leistungen zur hälftigen Teilung des Erstattungsbetrags mit dem Patienten ). Die Patienten reichten diese Rechnungen - wovon der Angeklagte sicher ausging (UA S.112) - bei ihren jeweiligen Versicherungen, in einem Fall zusätzlich bei einer Beihilfestelle ein und erhielten so die in Rechnung gestellten Kosten des Angeklagten erstattet. Wäre den Sachbearbeitern bei den Versicherungen bzw. der Beihilfestelle der wahre Sachverhalt bekannt gewesen, wäre eine Erstattung unterblieben.
7
2. Ferner hat der Angeklagte, der Mitglied einer Laborgemeinschaft war, von dieser Laborleistungen der Klasse M II bezogen, welche er gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) selbst abrechnen konnte, wobei hierfür gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 GOÄ ein Standard-Steigerungsfaktor von 1,15 vorgesehen ist. Mit dem Hinweis auf eine „sehr umfangreiche und zeitintensive Leistung aufgrund persönlicher Befundung“ ließ der Angeklagte demgegenüber Laborleistungen der Klasse M II mit dem Höchst-Steigerungs- faktor (§ 5 Abs. 4 Satz 1 GOÄ) von 1,3 abrechnen. Der Angeklagte wusste je- doch, „dass er keine einzige Befundung im Bereich M II selbst je durchgeführt hatte, sondern sämtliche Parameter bei der Laborgemeinschaft“ bezogen hatte (UA S. 109). Die Patienten „irrten entsprechend und bezahlten“ die um die Dif- ferenz zwischen dem 1,15- und dem 1,3-fachen „überhöhten Beträge“ (UA S. 24).
8
Zudem rechnete der Angeklagte die von der Laborgemeinschaft bezogenen Untersuchungen der Klasse M II als angeblich im eigenen Labor erbrachte Leistungen der Klasse M I ab, dies wiederum teilweise mit dem - unzutreffenden - Höchststeigerungsfaktor von 1,3. „Hätten die Patienten gewusst, dass es sich in Wirklichkeit um niedriger bewertete M II Leistungen gehandelt hat, hätten sie lediglich den Preis für M II Leistungen bezahlt“ (UA S. 27).
9
3. Darüber hinaus (und vor allem) hat der Angeklagte nicht persönlich erbrachte Leistungen abrechnen lassen.
10
a) Laborleistungen der Klassen M III und M IV (Speziallaborleistungen) konnte der Angeklagte nur von einem hierzu befähigten und einzig gegenüber dem Patienten liquidationsberechtigten Laborarzt (Speziallabor) erbringen lassen. Um dennoch Gewinne aus der Erbringung von Speziallaborleistungen zu erzielen, profitierte der Angeklagte von einer von der Laborgruppe des Dr. Sch. (Augsburg) „seit vielen Jahren vielen tausend interessier- ten Ärzten im Bundesgebiet“ (UA S. 21) angebotenen Kooperation (Rahmen- vereinbarung), die sich in gleicher Weise auch bei zwei weiteren Laboren wie folgt gestaltete:
11
Der Angeklagte sandte, wenn er Untersuchungen der Klassen M III oder M IV benötigte, die dafür erforderlichen Proben an die im Urteil näher feststell- ten Labore/Laborgruppen (im Folgenden: Laborarzt), wo die Proben seinen Wünschen entsprechend fachlich und medizinisch korrekt untersucht (beprobt) wurden (UA S. 21). Die Ergebnisse wurden ihm per Datenfernübertragung übermittelt. Die erbrachten Leistungen des Laborarztes wurden von diesem „gegenüber dem Patienten nicht geltend gemacht“ (UA S. 22). Vielmehr wurden den jeweiligen Einsendeärzten - so auch dem Angeklagten - die Laborleistungen zu einem niedrigen, der Höhe nach vom Gesamtbeauftragungsumfang abhängigen Betrag in Rechnung gestellt. Der Angeklagte zahlte je nach Labor zwischen 0,32 (Rabattstufe für „gute Kunden“) und 1,0 des für die Leistung maßgeblichen jeweiligen GOÄ-Satzes. Der Angeklagte rechnete sodann gegenüber Privatpatienten die durchgeführten Untersuchungen als eigene ab, „regelmäßig unter Geltendmachung des Standard-Erhöhungsfaktors nach § 5 Abs. 4 GOÄ, d.h. mit einem Faktor von 1,15“ (UA S. 22).
12
In allen der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen waren die Laborleis- tungen „tatsächlich benötigt“ und wurden „fachlich und medizinisch korrekt“ er- bracht (UA S. 21). Nach den Feststellungen des Landgerichts wusste der An- geklagte, „dass er zur eigenen Liquidation dieser Laborleistungen nicht berech- tigt war. Hätten die Privatpatienten gewusst, dass der Angeklagte die Leistungen nicht selbst erbracht hat, zur Liquidation nicht berechtigt war, weil er nicht Inhaber der Forderung war und damit die Rechnung auch nicht erstattungsfähig war, hätten sie diese Leistung nicht auf die durch die M. GmbH erstellten Rechnungen hin auf das dort angegebene Konto bezahlt“ (UA S. 24).
13
b) Ferner ließ der Angeklagte Behandlungen als eigene abrechnen, die in seinen Praxisräumen tätige Therapeuten (ein Osteopath und ein aus China stammender Arzt für Traditionelle Chinesische Medizin) erbrachten, die im Tat- zeitraum weder approbiert noch niedergelassen waren und „daher keine Be- rechtigung hatten, selbständig Leistungen an Patienten zu erbringen und abzu- rechnen“ (UA S. 27 f.). Tatsächlich erbrachten diese an Patienten des Angeklagten „in eigener Verantwortung, ohne Aufsicht oder Kontrolle durch den Angeklagten“ (UA S. 28), aber fehlerfrei, osteopathische Leistungen und Akupunk- turleistungen. Der Angeklagte führte jeweils ein „Eingangsgespräch“ und ein „Abschlussgespräch“ mit den Patienten, er hatte aber nicht die fachlichen Kenntnisse, die Tätigkeit der Therapeuten zu überwachen. Diese erhielten vom Angeklagten zwischen 40 und 55 € für jede Behandlung. Der Angeklagte ließ diese („eingekauften“) Leistungen den Patienten sodann als selbst erbrachte ärztliche Leistung in Rechnung stellen: Leistungen des Osteopathen wurden meist mit 125,60 € berechnet, Leistungen des Akupunkteurs mit 71,17 € oder 83,76 €. Der Angeklagte verwendete zur Abrechnung jeweils eine „Kette“ ver- schiedener GOÄ-Ziffern, von denen einige Leistungen betreffen (Bsp: Injektionen gem. GOÄ-Ziffern 255 und 256), die tatsächlich nicht durchgeführt worden waren.
14
c) Des Weiteren ließ der Angeklagte bestimmte Untersuchungen der Klasse M III, die in einem Speziallabor hätten erbracht werden müssen, in der oben 2. genannten Laborgemeinschaft durchführen. Diese Laborleistungen ließ der Angeklagte sodann wie eigene Untersuchungen der Klasse M II gegenüber den Patienten abrechnen.
15
II. Die Strafkammer hat die Fälle oben 1. als mittäterschaftlich begangenen Betrug zum Nachteil der jeweiligen Versicherungen/Beihilfestellen gewertet , alle anderen Fälle als Betrugstaten zum Nachteil der jeweiligen Patienten.
16
In den Fällen oben 3.a. (Abrechnung von Speziallaborleistungen) sieht die Strafkammer einen Schaden beim Patienten darin, dass der Rechnung des Angeklagten keine durch die Zahlung erlöschende Forderung zugrunde liege.
Der Angeklagte selbst habe keine Leistung erbracht und könne auch keine Forderung des Laborarztes geltend machen. Eine im Verfahren vom Angeklagten behauptete Abtretung einer solchen Forderung im Rahmen eines FactoringGeschäfts sei mangels ausdrücklicher Einwilligung des Patienten nichtig, im Übrigen „ersichtlich vorgeschoben“ (UA S. 107); in Wahrheit handele es sich um eine gegen Art. 31 Musterberufsordnung für Ärzte verstoßende Zuwendung. Auch eine Forderung des Laborarztes werde nicht erfüllt, so dass die Gefahr einer weiteren Inanspruchnahme des Patienten durch diesen bestehe.
17
Das Erbringen der Laborleistungen stelle keine vollständige, unmittelbar mit der Verfügung des Patienten verbundene Kompensation dar. Überdies sei (1.) der Patient hinsichtlich einer Rückforderung bezahlter Beträge mit einem bereits konkretisierten Insolvenzrisiko des Angeklagten belastet, (2.) der tatsächliche Leistungserbringer, obgleich für den Patienten von besonderer Be- deutung, nicht erkennbar, was „ein zusätzliches Risiko bzw. eine Minderleistung , welches nicht kompensiert werden kann“ (UA S. 102) unter dem Ge- sichtspunkt des persönlichen Schadenseinschlages für den Patienten begründe und (3.) der Patient bei Bekanntwerden der wahren Verhältnisse dem Risiko einer von Versicherungen oder Beihilfestellen versagten Kostenerstattung oder einer Rückforderung gezahlter Beträge durch diese ausgesetzt.
18
III. Die vom Angeklagten geltend gemachte Spielsucht hat die Strafkammer - gestützt auf ein Sachverständigengutachten - als nicht krankheitswertiges Verhalten bewertet, das sich im normalpsychologischen Spektrum wie bei jedem Menschen mit einem ausgeprägten Hobby bewege, und daher uneingeschränkte Schuldfähigkeit bejaht.

B.


19
Hinsichtlich des Falles Nr. 71 der Urteilsgründe besteht ein zur Einstellung des Verfahrens führendes Verfahrenshindernis.
20
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: „Fall Nr. 71 der Urteilsgründe betrifft eine Rechnung vom 19. Juli 2005 (…). Hinsichtlich dieser Tat ist das Verfahren mit Beschluss vom 25. Juni 2010 (…) gemäß § 154 Abs. 1 Nr.1, Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden; eine Wiedereinbeziehung dieses Tatvorwurfs ist nicht erfolgt. Die Verurteilung wegen Betruges wegen dieser Tat muss daher entfallen.“
21
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Mit der Einstellung durch einen Gerichtsbeschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO entsteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, zu dessen Beseitigung ein förmlicher Wiederaufnahmebeschluss erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 18. April 2007 - 2 StR 144/07; BGH, Beschluss vom 7. März 2006 - 2 StR 534/05 mwN). Einen solchen Beschluss hat das Landgericht nicht erlassen.

C.


22
Die Revision zeigt - auch soweit sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt - keinen durchgreifenden Verfahrensfehler auf.
23
I. Mit zulässig erhobener Verfahrensrüge macht die Revision einen Verstoß gegen § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO geltend, den sie darin sieht, dass eine die einzelnen Taten auflistende (mehrere Ordner umfassende) Tabelle nicht im Anklagesatz aufgenommen und dementsprechend nicht verlesen worden war.
24
Der Rüge bleibt aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen der Erfolg versagt. Der vom Großen Senat für Strafsachen (vgl. Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10) für unerlässlich erachtete Teil des Anklagesatzes wurde in der Hauptverhandlung verlesen. Trotz der gerügten Lückenhaftigkeit des Anklagesatzes erfüllt die Anklage ihre Umgrenzungsfunktion hinreichend, wenn der Angeklagte - wie hier - die einzelnen Tatvorwürfe dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnehmen kann. Die Informationsfunktion , die der Verlesung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung zukommt, wird durch die unvollständige Fassung des Anklagesatzesebenfalls nicht berührt; die die Einzeltaten näher individualisierenden tatsächlichen Umstände müssen nicht in der Hauptverhandlung verlesen werden. Daher stellt der Umstand, dass die näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder der Einzelakte in Tabellen enthalten waren, die zwar Teil der Anklageschrift, aber nicht Teil des Anklagesatzes i.S.v. § 243 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 200 Abs. 1 StPO waren, keinen Verfahrensfehler dar, auf dem das Urteil beruht (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 260/09).
25
II. Die Rüge eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO hat keinen Erfolg. Ihr liegt folgendes prozessuales Geschehen zugrunde:
26
In der Hauptverhandlung stellte der Angeklagte einen Antrag auf Zeugenvernehmung mit den Behauptungen, dass die Patienten wegen der vom Angeklagten abgerechneten Laborleistungen der Klassen M I, M III oder M IV keinem „latenten Rückforderungsanspruch einer Beihilfestelle oder eines privaten Versicherungsunternehmens ausgesetzt“ seien, weil sie entweder dieLeis- tungen nicht bezahlt hätten, oder sie im Zeitpunkt der jeweiligen Behandlung weder beihilfeberechtigt noch privat versichert gewesen seien, oder die Laborleistungen nicht vom Versicherungstarif umfasst seien, oder die Rechnungen nicht zur Erstattung bei Versicherung oder Beihilfestelle geltend gemacht worden seien oder weil die Erstattung der Laborleistungen abgelehnt worden sei. Ferner sollte bewiesen werden, dass keiner der Patienten tatsächlich auf Rückzahlung in Anspruch genommen worden sei.
27
Dem Antrag war eine Tabelle beigefügt, in der der jeweilige Zeuge mit ladungsfähiger Anschrift sowie zugehöriger Rechnungsnummer und die jeweils ihn betreffenden GOÄ-Ziffern der Leistungsgruppen M I, M III und M IV aufgeführt waren. Nach Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit dieser Anlage, legte die Verteidigung zwei Leitzordner vor, die nunmehr als Anlage zum Beweisantrag genommen wurden. Hinsichtlich dieser wurde, ebenso wie zu einer vom nach Antragstellung gehörten Zeugen S. übergebenen Ausbuchungsliste der M. GmbH vom 2. August 2010 das Selbstleseverfahren angeordnet. Der Staatsanwalt gab eine Erklärung zum Beweisantrag ab und übergab sodann die Stellungnahme in schriftlicher Form zu den Akten (HV-Protokoll S. 58). Unter Bezugnahme auf die Aussagen des Zeugen S. erklärte der Verteidiger, eine Zeugeneinvernahme dazu „welche Rechnungen nicht bzw. nicht in voller Höhe bezahlt wurden“ werde nicht beantragt bzw. zurückgenommen (HV-Protokoll S. 59). Im Folgenden wurde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und unter Bezugnahme auf vorerwähnte Ausbuchungsliste das Verfahren durch Beschluss der Strafkammer gemäß § 154a StPO beschränkt (HV-Protokoll S. 60). Ferner wurde ein „Schriftsatz des Verteidigers vom 20.08.2010 über die bisher geltend gemachten Rückforderungsansprüche der Krankenkassen und Beihil- festellen besprochen“ (HV-Protokoll S. 62).
28
Die Strafkammer hat den Antrag sodann durch Beschluss vom 26. August 2010 „gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. StPO abgelehnt, soweit er sich nicht durch die (teilweise) Rücknahme vom 12.08.2010“ erledigt hat. Es komme nicht darauf an, ob ein Geschädigter seinen Schaden von einer Versicherung ersetzt erhalten hat. Rechtlich entscheidend für die Annahme eines vollendeten Betruges sei, ob der Patient auf eine tatsächlich nicht oder nicht in dieser Höhe bestehende Forderung des Arztes gezahlt habe; ein Ausgleich durch eine Versicherung führe nur zu einer Schadensverlagerung nach Schadenseintritt.
29
1. Die Rüge ist bereits unzulässig.
30
Gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind bei Erhebung einer Verfahrensrüge die auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen vollständig und zutreffend so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09 mwN; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99; Kuckein in KK-StPO, 6. Aufl., § 344 Rn. 38 mwN). Dem genügt der Revisionsvortrag nicht.
31
a) Der Revisionsvortrag ist unvollständig. Die Revision legt schon nicht die im mitgeteilten Beweisantrag in Bezug genommenen Anlagen in ihrer jeweiligen Fassung vor. Auch werden weder der Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Stellungnahme zum Beweisantrag, noch der Schriftsatz der Verteidigung vom 20. August 2010 mitgeteilt, auf die das Revisionsvorbringen Bezug nimmt. Ebenso wenig trägt die Revision die für die Beurteilung des Beweisbegehrens erforderliche, auch im Teileinstellungsbeschluss in Bezug genommene „Ausbuchungsliste der M. “ vor, und auch nicht den sich „durch die heutige Einvernahme des Zeugen S. “ ergebenden Umfang, in dem die Beweisaufnahme „nicht beantragt bzw. zurückgenommen“ worden war. Dem Senat wird soins- besondere nicht die Überprüfung ermöglicht, in welchem Umfang und auf welcher Grundlage über den Beweisantrag nach dessen teilweiser Rücknahme und einer erfolgten Teileinstellung des Verfahrens noch zu entscheiden war.
32
b) Die Revision bleibt durch widersprüchliches Vorbringen auch die erforderliche klare Bezeichnung der Angriffsrichtung schuldig, mithin werden die den Mangel begründenden Tatsachen nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise dargetan (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 620/09; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - 1 StR 157/10).
33
Zum einen beruft sich die Revision darauf, die von der Strafkammer erörterte Gefahr der Inanspruchnahme der Patienten auf Rückzahlung von Versicherungen geleisteter Beträge könne nicht gegeben sein, wenn - wie im Antrag behauptet - ein Versicherungsschutz nicht bestehe, so dass diese Behauptung nicht bedeutungslos sei. Zum anderen macht die Revision geltend, bei der Strafzumessung hätte berücksichtigt werden müssen, dass kein einziger Patient auf Rückzahlung in Anspruch genommen worden sei, und insinuiert damit (anderes wäre offenkundig bedeutungslos), eine Rückforderung sei trotz bestehenden Versicherungsschutzes unterblieben. Damit aber macht die Revision zum einen geltend, der Beweisantrag sei von Bedeutung, weil kein Versicherungsschutz bestehe, zum anderen sei er deswegen nicht bedeutungslos, weil trotz bestehenden Versicherungsschutzes und erfolgter Erstattungen Rückforderungsansprüche nicht geltend gemacht worden waren. Nach dem Revisionsvortrag bleiben also mehrere Möglichkeiten, warum der Beweisantrag fehlerhaft abgelehnt worden sein könnte.
34
2. Die Rüge wäre überdies auch unbegründet.
35
Die Strafkammer hat - wie auch der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt - den Antrag ohne durchgreifenden Rechtsfehler als bedeutungslos abgelehnt. Das Bestehen eines Versicherungsschutzes ist für den Schuldspruch (was auch nachfolgend noch aufgezeigt wird) ohne Bedeutung. Die nachträglichen Leistungen eines Versicherers sind für die Feststellung eines strafrechtlich relevanten Schadens bedeutungslos (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 263 Rn. 155; Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695 Fn. 9). Gleiches gilt für den Strafausspruch. Eine Erstattung des vom Patienten bereits an den Angeklagten bezahlten Betrages durch Versicherung und/oder Beihilfe führt lediglich zu einer Schadensverlagerung; sie entlastet den Angeklagten ebenso wenig, wie es einen Autodieb entlasten könnte, dass die Versicherung des Bestohlenen diesem den Schaden ersetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 20.Oktober 2010 - 1 StR 400/10 mwN).
36
Es bedarf danach keiner Entscheidung, ob der rügegenständliche Antrag nicht ohnedies lediglich als Beweisermittlungsantrag zu qualifizieren wäre. Soll eine begehrte Beweisaufnahme erst ergeben, welche der als möglich hingestellten , sich gegenseitig aber ausschließenden Tatsachen vorliegen, fehlt es an einer für einen Beweisantrag erforderlichen bestimmten Beweisbehauptung, mögen auch beide Behauptungen nach dem Willen des Antragstellers auf das gleiche Ziel gerichtet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 1997 - 1 StR 627/97). Auch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nötigte das Gericht nicht zur Einvernahme der mehr als 2.300 Zeugen zu der unklaren Fragestellung. Schon gar nicht drängte die Aufklärungspflicht zur Beweisaufnahme über im Ergebnis bedeutungslose Tatsachen.
37
III. Der Rüge eines Verstoßes „gegen § 265 Abs. 1 StPO analog“, den die Revision darin sieht, dass die Kammer den Schuldspruch ohne vorherigen Hinweis auf eine im Vergleich zur Anklage (dort „Gefährdungsschaden“) andere tatsächliche Grundlage („auch Realschaden“) gestützt habe- die Revision vermisst einen Hinweis dahingehend, dass auch in der Nichterkennbarkeit des Leistungserbringers ein Schaden liegen könne - bleibt der Erfolg versagt.
38
Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob es hier überhaupt eines ausdrücklichen Hinweises entsprechend § 265 StPO bedurft hätte (mit beachtlichen Argumenten verneinend der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ). Denn der Angeklagte konnte aus dem Gang der Hauptverhandlung die von der Kammer in den Blick genommene tatsächliche und rechtliche Bewertung in einem für sein Verteidigungsverhalten ausreichenden Umfang erkennen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 582/10, Rn. 16 mwN) in der vom Generalbundesanwalt in Bezug genommenen Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft (inhaltsgleich zu einer dienstlichen Stellungnahme des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft) wurde „die Frage des Schadensbegriffs, insbesondere die Frage des möglichen Vorliegens eines Schadens in der Form eines Gefährdungs - oder Realschadens“ von Beginn der Sitzung an „vielfach vom Gericht mit der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft erörtert und diskutiert“. Die Strafkammer hat (auch) in der Begründung des von der Revision im Rahmen vorstehender Rüge angeführten Beschlusses zur Ablehnung eines Beweisantrags unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie der Sache nach auf einen „Realschaden“abstellt (Patient zahlt auf tatsächlich nicht oder nicht in dieser Höhe bestehende Forderung). Bei dieser Sachlage kann der Senat - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - jedenfalls ausschließen , dass sich der Angeklagte, wäre der von der Revision vermisste Hin- weis ausdrücklich erteilt worden, anders, insbesondere erfolgreicher hätte verteidigen können (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 265 Rn. 48 mwN). Es kommt überdies - wie nachfolgend dargelegt wird - zur Schadensbestimmung nicht, worauf sich aber nach dem Revisionsvorbringen der Hinweis beziehen sollte, auf die Erkennbarkeit des Leistungserbringers an.

D.



39
In dem nach Teileinstellung verbleibenden Umfang hält der Schuldspruch revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die unter anderem auf dem Geständnis und einer früheren Einlassung des Angeklagten beruhenden, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen in allen Fällen sowohl einen täuschungsbedingten Irrtum (I.) und den Eintritt eines dadurch verursachten, mit dem Vorteil des Angeklagten stoffgleichen Schadens i.S.v. § 263 StGB (II.) als auch die betrugsrelevante subjektive Tatseite (III.). Die konkurrenzrechtliche Bewertung durch das Landgericht ist ebenfalls rechtsfehlerfrei (IV.).
40
I. Der Angeklagte täuschte - vermittels der nach den Feststellungen gutgläubigen Mitarbeiter der M. GmbH und teils im Zusammenwirken mit den Patienten - über Tatsachen und erregte dadurch einen entsprechenden Irrtum.
41
1. In den Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patienten unterlagen die zuständigen Sachbearbeiter der Versicherungen / der Beihilfestelle im vorliegenden Fall einem mit Wissen und Wollen des Angeklagten herbeigeführten Irrtum über das tatsächliche Vorliegen eines zur Kostenerstattung ver- pflichtenden Versicherungsfalles. Bei Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren ist nicht erforderlich, dass der jeweilige Mitarbeiter hinsichtlich jeder einzelnen geltend gemachten Position die positive Vorstellung hatte, sie sei der Höhe nach berechtigt; vielmehr genügt die stillschweigende Annahme, die ihm vorliegende Abrechnung sei insgesamt „in Ordnung”. Daher setzt ein Irrtum nicht voraus, dass tatsächlich eine Überprüfung der Abrechnungen im Einzelfall durchgeführt wurde (BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05).
42
2. In allen anderen Fällen täuschte der Angeklagte die Patienten über das Vorliegen der den geltend gemachten Zahlungsanspruch begründenden Tatsachen (a.). Eine damit zugleich behauptete Zahlungspflicht bestand indes nicht (b.). Die Patienten irrten entsprechend (c.).
43
a) Bei der hier in Rede stehenden privatärztlichen Liquidation wird dem Patienten eine gemäß § 12 GOÄ zu spezifizierende Rechnung übersandt, in der - neben dem Steigerungsfaktor, § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ - die erbrachte Leistung mit einer kurzen Bezeichnung anzugeben ist. Hierüber täuscht der Angeklagte ausdrücklich, wenn er - wie etwa im Fall nicht erbrachter Laborleistungen der Klasse M I oder im Fall der Abrechnung von Osteopathie- und Akupunkturleistungen durch tatsächliche nicht durchgeführte ärztliche Leistungen - in Rechnung gestellte Leistungen tatsächlich nicht erbracht hat. Gleiches gilt, soweit der Angeklagte zu der gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 GOÄ erforderlichen Begründung eines erhöhten Steigerungsfaktors eine in Wahrheit nie durchgeführte eigene Befundung angeben lässt (vgl. auch Freitag, Ärztlicher und zahnärztlicher Abrechnungsbetrug im deutschen Gesundheitswesen, 2008, S. 154; Hellmann/Herffs, Der ärztliche Abrechnungsbetrug, Rn. 348 - 351).
44
Auch soweit der Angeklagte - wie in den Fällen der Speziallaborleistungen sowie der Abrechnung von Osteopathie- und Akupunkturleistungen - nicht selbst erbrachte ärztliche Leistungen als eigene hat abrechnen lassen, behauptete er nicht lediglich, zu deren Abrechnung berechtigt zu sein, sondern auch (zumindest konkludent, was vom möglichen Wortsinn des § 263 Abs. 1 StGB umfasst ist, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR2500/09, 2 BvR 1857/10 Rn. 168), dass die Voraussetzungen der der Abrechnung zugrundeliegenden Rechtsvorschriften eingehalten worden seien. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung zum Abrechnungsbetrug bei Vertragsärzten (vgl. BGH, Urteil vom 1. September 1993 - 2 StR 258/93; BGH, Urteil vom 10. März 1993 - 3 StR 461/92; BGH, Urteil vom 21. Mai 1992 - 4 StR 577/91; BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 - 4 StR 420/91), für privatliquidierende Ärzte gilt nichts anderes. Wer eine Leistung einfordert, bringt damit zugleich das Bestehen des zugrunde liegenden Anspruchs (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11. Juli 1996 - 3 Ws 164/96, NStZ 1997, 130 mwN), hier also die Abrechnungsfähigkeit der in Rechnung gestellten ärztlichen Leistung zum Ausdruck (vgl. auch Schuhr in Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB Rn. 16; Schubert, ZRP 2001, 154, 155; Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 263 StGB Rn. 182 ff.). Zutreffend wird in dem von der Revision vorgelegten Rechtsgutachten darauf hingewiesen, dass der wertende Rückgriff auf die in der Abrechnung in Bezug genommene GOÄ die für den Rechnungsempfänger maßgebende Verkehrsauffassung vom Inhalt der mit der Rechnung abgegebenen Erklärung prägt (schon Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 30 mwN).
45
b) Die tatsächlichen Voraussetzungen zur Geltendmachung der behaupteten Zahlungsansprüche lagen auch in Fällen nicht persönlich erbrachter Leistungen nicht vor. Unbeschadet des jeweiligen Erklärungsgehalts der Rechnun- gen ergibt sich dies vorliegend schon daraus, dass ein Zahlungsanspruch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt bestand.
46
aa) Der Angeklagte konnte für die in Rechnung gestellten Laborleistungen der Klassen M III und M IV (Speziallaborleistungen) einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Patienten weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht geltend machen.
47
(1.) Der Angeklagte hat mit jedem seiner Patienten einen wirksamen, als Dienstleistungsvertrag zu qualifizierenden (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1986 - VI ZR 90/85; BGH, Urteil vom 18. März 1980 - VI ZR 247/78; Müller-Glöge in MüKomm-BGB, 5. Aufl., § 611 Rn. 79; OLG Stuttgart, VersR 2003, 992; Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695 jew. mwN) Behandlungsvertrag geschlossen. Dieser begründet selbst noch keine Zahlungspflicht für den Patienten ; der genaue Vertragsinhalt wird nicht im Vorhinein festgelegt, weil erst die Untersuchungen den Umfang der zu erbringenden Leistungen bestimmen (Kern, in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl., § 42 Rn. 1). Der Angeklagte wird aber berechtigt (vgl. § 612 Abs. 1, Abs. 2 BGB), die sodann erbrachten ärztlichen Leistungen gegenüber dem Patienten unabhängig vom etwaigen Bestehen eines Versicherungsschutzes abzurechnen. Grundlage hierfür ist - von hier nicht gegebenen Sonderfällen (z.B. § 85 Abs. 1 SGB V, § 18c IV BVG u.a.) abgesehen - ausschließlich und abschließend die den Honoraranspruch inhaltlich ausfüllende Gebührenordnung.
48
Nach dieser ist dem Angeklagten die Abrechnung delegierter Laborleistungen nach den Abschnitten M III und M IV versagt, die er - wie hier - nicht selbst erbracht hat (§ 4 Abs. 2 GOÄ i.V.m. Nr. 3 der Allgemeinen Bestimmungen zur Anlage M, die als Bestandteil der GOÄ an deren normativen Charakter teilnehmen; vgl. Griebau in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 2. Aufl., § 11 Rn. 81 mwN; Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Aufl., § 4 GOÄ Rn. 3). Mit der durch die 4. Änderungsverordnung zur GOÄ vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I, 1861) eingeführten Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 GOÄ sollte zielgerichtet verhindert werden, dass Ärzte Laborleistungen von darauf spezialisierten (und entsprechend preisgünstiger arbeitenden) Laborärzten beziehen und aus der Differenz zwi- schen dem Preis der „eingekauften“ Laborleistungen und den dafür nach GOÄ in Rechnung gestellten Gebühren erhebliche Gewinne erzielen. Um der damit verbundenen Ausweitung medizinisch nicht indizierter Laborleistungen entgegen zu wirken, sollte dem (Einsende)Arzt jeglicher finanzieller Anreiz im Zusammenhang mit nicht selbst erbrachten Speziallaborleistungen genommen sein (vgl. BR-Drucks. 211/94 S. 88f, 91 f, 94; BR-Drucks. 688/95; Uleer/ Miebach/Patt, aaO, GOÄ § 4 Rn. 7; Spickhoff, aaO, § 4 GOÄ Rn. 20 f.).
49
(2.) Der Angeklagte kann auch - unabhängig von der Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 GOÄ - nicht die nach den Feststellungen an die Laborärzte gezahlten Beträge als Aufwendungen geltend machen. Gemäß § 10 GOÄ abrechenbare Versand- und Portokosten sind dem Angeklagten (wie Einsendeärzten regelmäßig, vgl. Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 10 GOÄ Rn. 24) nach den Urteilsfeststellungen nicht entstanden, vielmehr wurden die „Proben mittels des Fahr- dienstes der Laborgruppe“ (UA S. 21) zum Laborarzt gebracht und die Befunde „oft per Datenfernübertragung an den Arzt übermittelt“ (UA S. 22).
50
Ein darüber hinausgehender Aufwendungsersatz besteht nicht. § 10 GOÄ regelt den Ersatz von Auslagen im Zusammenhang mit der Erbringung ärztlicher Leistungen abschließend. Die GOÄ stellt - verfassungsrechtlich unbedenklich - ein für alle Ärzte verbindliches zwingendes Preisrecht dar (BGH, Urteil vom 23. März 2006 - III ZR 223/05, Rn. 10; BGH, Urteil vom 12. Novem- ber 2009 - III ZR 110/09 Rn. 7 jew. mwN; vgl. auch Griebau, aaO, § 11 Rn. 10, 14), und regelt abschließend die berechenbaren Leistungen, die Höhe des zu entrichtenden Entgelts und die Art und Weise der Abrechnung (Griebau, aaO, § 11 Rn. 15, 41 mwN). Ein Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB, der ohnehin nur einen Ersatz erforderlicher Aufwendungen ermöglichte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Februar 2003 - 2 StR 411/02), kommt lediglich für andere als ärztliche Leistungen in Betracht (vgl. Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 3 GOÄ Rn. 1, § 10 GOÄ Rn. 4; Spickhoff, aaO, § 10 GOÄ Rn. 2; Brück u.a., Kommentar zur GOÄ, 3. Aufl., § 10 Rn. 1; Kiesecker in Prütting, Medizinrecht, § 10 GOÄ Rn. 4; Schmatz/Goetz/Matzke, GOÄ, 2. Aufl., § 10 Vorbem.). Das ist nach dem Willen des Gesetzgebers etwa der Fall, wenn „Laborleistungen von Nichtärzten“ bezogen oder Aufwendungen geltend gemacht werden, „die durch nichtärztliche Leistungen bedingt sind“ (vgl. BR-Drucks.295/82, S. 15). Daher ist für die im Rahmen des Behandlungsvertrages vom Angeklagten beauftragten und - wie hier - von einem Laborarzt erbrachten Laborleistungen kein Raum für eine Anwendung des § 670 BGB neben der GOÄ (vgl. auch Brück u.a., aaO, § 10 Rn. 1).
51
(3.) Vertragliche Ansprüche des Laborarztes gegenüber den Patienten, die der Angeklagte aus abgetretenem Recht hätte geltend machen können, bestanden hier nicht. Die von der Strafkammer vertretene Auffassung, aus den Laborleistungen könne vorliegend „eine Forderung der Gemeinschaftspraxis Dr. Sch. gegen den Patienten“ (UA S. 22) resultieren, teilt der Senat nicht. Für einen zu einer solchen Forderung führenden Vertrag zwischen Laborarzt und Patient wäre jedenfalls erforderlich gewesen, dass der Angeklagte - wie dies bei regelkonform verlaufenden Fällen vermutet werden kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - III ZR 173/09; BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - III ZR 188/09; BGH, Urteil vom 29. Juni 1999 - VI ZR 24/98 jew. mwN) - bei Beauftragung des Laborarztes als Stellvertreter des Patienten im Rahmen seiner Vertretungsmacht und mit dem Willen handelte, hierbei den Patienten zu vertreten; dies ist hier jedoch nicht der Fall. Ob darüber hinaus der Annahme eines Vertrages zwischen Patient und Laborarzt bereits das Fehlen eines Hinweises nach § 4 Abs. 5 GOÄ (Unterrichtung des Patienten über das Hinzuziehen eines seinerseits liquidationsberechtigten Dritten) entgegen steht (so die h.M., z.B. LG Düsseldorf, Urteil vom 3. November 1995 - 20 S 58/95; Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 4 GOÄ Rn. 115 mwN; Schmatz/Goetz/Matzke, aaO, § 4 Anm. 11; Brück u.a., aaO, § 4 Rn. 21; in diesem Sinn auch BGH, Urteil vom 19. Dezember 1995 - III ZR 233/94, NJW 1996, 781; a.A. Spickhoff, aaO, § 4 GOÄ Rn. 47; Griebaum, aaO, § 11 Rn. 95), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung.
52
Der Angeklagte wollte hier jedenfalls nicht als Stellvertreter des jeweiligen Patienten mit dem Laborarzt kontrahieren; es fehlt nach dem festgestellten Sachverhalt schon - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - an einem Vertretungswillen. Nach den Feststellungen der Strafkammer beruht die Beauftragung des Laborarztes nämlich in jedem Einzelfall auf einer „zur Förderung einer dauerhaften Kooperation“ (UA S. 22) geschlossenen besonde- ren „Rahmenvereinbarung“, deren wesentliches Element darin bestand, dass - wie die Revision in anderem Zusammenhang konzediert - der Laborarzt keinen eigenen Anspruch gegenüber dem Patienten soll geltend machen können (UA S. 105). Die Abrechnung der Laborleistung sollte ausschließlich im Verhältnis zwischen Laborarzt und Angeklagtem erfolgen. Gegenüber dem Patienten soll ausschließlich der vereinbarungsgemäß nach außen als Leistungserbringer in Erscheinung tretende Angeklagte abrechnen. Schon dies belegt, dass nach übereinstimmendem Willen von Angeklagtem und Laborarzt nicht der Patient berechtigt und verpflichtet werden sollte (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. März 1998 - 13 U 75/97). Dementsprechend wäre hier sogar (wie sonst üblich, vgl. Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695) eine „förmliche“ Überweisung der Patienten entbehrlich; auch liegt der von der Revision in anderem Zusammenhang gezogene Schluss nahe, Auskunfts- und Herausgabeansprüche betreffend die Laborleistungen richteten sich allenfalls gegen den Angeklagten. Der Angeklagte handelte - anders als in regelkonform verlaufenden Fällen - auch nicht im ausschließlichen Interesse der Patienten, sondern in erster Linie um sich aus dem „Weiterverkauf“ von Laborleistungen „eine auf Dauer gerich- tete Einnahmemöglichkeit“ (UA S. 19) zu verschaffen. In der Behauptung des Angeklagten, es sei ein „Factoring“ vereinbart, hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei ein lediglich „vorgeschobenes“ Argument gesehen, um eine in Wahrheit gewollte Zuwendung zu verdecken (UA S. 22, 107 f.). Daher hat der Angeklagte nach den Feststellungen die Leistungen vom Labor selbst bezogen, hierfür „Einkaufskosten“ gehabt und dann „weiterverrechnet“ (vgl. UA S. 23).
53
Der Annahme fehlenden Vertretungswillens steht nicht entgegen, dass sowohl die „Rahmenvereinbarung“ als auch jede darauf fußende Einzelbeauftragung , mit der sich der Angeklagte in Abhängigkeit zur Zuweisung von Patienten stehende Vorteile vom Laborarzt hat versprechen lassen, als Koppelungsgeschäft gegen § 31 BayBOÄ verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 - I ZR 120/87, MedR 1990, 77; OLG Koblenz, MedR 2003, 580; Wigge in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Auf., § 2 Rn. 44; Scholz in Spickhoff, Medizinrecht, § 31 MBO Rn. 4 mwN; Taupitz, MedR 1993, 365, 372) und deswegen (§ 31 BayBOÄ ist ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB, vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1986 - VIII ZR 10/85; BayObLG, Urteil vom 6. November 2000 - 1Z RR 612/98; OLG Hamm, Urteil vom 22. Oktober 1984 - 2 U 172/83; a.A. Taupitz, MedR 1992, 272) ihrem gesamten Umfang nach nichtig sind und Angeklagter und Laborarzt dies erkannten.
54
Wirtschaftlich stellt die Vereinbarung zwischen dem Angeklagten und dem Laborarzt nichts anderes dar als die Vereinbarung einer umsatzabhängi- gen „kick-back“ Zahlung. Ob die Beauftragung des Laborarztes (deswegen) sogar als nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig anzusehen ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 3. Juni 2002 - 11 W 13/02, MedR 2003, 460), bedarf keiner Entscheidung. Die Hypothese der Revision, Laborarzt und Angeklagter hätten im Zweifel einen wirksamen Honoraranspruch gewollt (§ 140 BGB), ist urteilsfremd und übersieht, dass nach den Feststellungen Zweifel am tatsächlichen Willen des Angeklagten nicht verbleiben. Für die Anwendung einer Auslegungsregel, Vertragsparteien wollen sich gesetzeskonform verhalten und nichts Unredliches anstreben (dazu BGH, Urteil vom 3. Dezember 2003 - VIII ZR 86/03, NJW 2004, 1240; BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 117/99, NJW 2000, 1333), ist kein Raum, wenn - wie hier festgestellt - Angeklagter und Laborarzt übereinkamen, unter „Verzicht auf die rechtlich gebotene Direktabrechnung“ gegenüber dem Patienten dem Laborarzt „eine stetige und möglichst umfang- reiche Weiterbeauftragung durch die Einsendeärzte, die ihrerseits an Honoraren beteiligt werden, auf die sie keinen Anspruch haben“, zu sichern (UA S. 22 f.).
55
Einer von der Revision erstrebten Umdeutung steht - abgesehen von der beiderseitigen Kenntnis der Nichtigkeit (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 140 Rn. 8) - überdies entgegen, dass jedes andere Rechtsgeschäft, das auf die Erreichung des von § 31 BayBOÄ untersagten wirtschaftlichen Ziels gerichtet ist (sei es als Forderungsabtretung im Rahmen des behaupteten „Factoring“ , sei es als Erfüllung der Patientenschuld durch Zahlung des Angeklagten mit notwendigerweise gleichzeitigem Erlassvertrag i.S.v. § 397 BGB), ebenfalls nichtig wäre. § 31 BayBOÄ missbilligt den vom Angeklagten und dem Laborarzt erstrebten Erfolg, nicht lediglich das hier gewählte Mittel zu dessen Erreichen.
Das Rechtsgeschäft kann nicht in ein solches mit einem anderen, nach den Urteilsfeststellungen tatsächlich aber nicht gewollten wirtschaftlichen Ziel (etwa dahingehend, der Angeklagte wolle eine Schuld des Patienten nur teilweise tilgen) umgedeutet werden.
56
(4.) Ebenso wenig sind sonstige Ansprüche des Laborarztes gegen die Patienten gegeben, die der Angeklagte aus abgetretenem Recht hätte geltend machen können. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB) bestehen nicht. Der Laborarzt erbrachte die Laborunterleistungen - wenngleich aufgrund eines nichtigen, als solches erkannten aber gleichwohl in seiner Durchführung gewollten Rechtsgeschäfts - ausschließlich an den Angeklagten und handelte nach den Urteilsfeststellungen - unbeschadet einer naheliegender Weise anonymisierten Übersendung des Untersuchungsmaterials - nicht mit dem Willen, ein auch dem Patienten zugutekommendes Geschäft zu besorgen (vgl. §§ 687, 684 BGB). Vielmehr sollte allein der Angeklagte als vermeintlicher Leistungserbringer auftreten können. Auch auf § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB gestützte Ansprüche - eine Nichtleistungskondiktion findet wegen deren Subsidiarität nicht statt (Schwab in MüKomm-BGB, 5. Aufl., § 812 Rn. 57 mwN) - kann der Laborarzt allenfalls (vgl. § 817 Satz 2 BGB) im Leistungsverhältnis gegenüber dem Angeklagten geltend machen; auch ein Anspruch nach § 822 BGB besteht nicht.
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(5.) Der Verstoß gegen das Verbot aus § 31 BayBOÄ, das sich - wie auch das von der Revision vorgelegte Gutachten ausführt - nach Inhalt und Zweck gleichermaßen gegen Verpflichtungs- wie Verfügungsgeschäft richtet, würde überdies zu einem Abtretungsverbot (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 134 Rn. 13; Wendtland in BeckOK-BGB, § 134 Rn. 22) und zur Unwirksamkeit der von der Revision geltend gemachten Einziehungsermächtigung führen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 - IX ZR 57/91; Bayreuther in MüKomm-BGB, 6. Aufl., § 185 Rn. 36; Grüneberg in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 398 Rn. 37).
58
(6.) Der Angeklagte kann gegen die Patienten auch keine (eigenen) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB) geltend machen. Für die im Rahmen und nicht nur gelegentlich des mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrages erbrachten Leistungen bestimmen die Regelungen der GOÄ mögliche Aufwendungsersatzansprüche wie aufgezeigt abschließend. Überdies resultieren die zur „Beschaffung“ der Laborleistungen getätigten „Aufwendungen“ allein aus einervom Gesetz verbotenen Tätigkeit. Der Angeklagte durfte sie also nicht für erforderlich i.S.v. § 670 BGB halten (gefestigte Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 48/10 mwN). Wegen grundsätzlicher Vorrangigkeit der vertraglichen Ansprüche scheiden auch bereicherungsrechtliche Ansprüche aus (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - XII ZR 253/90 mwN; Sprau in Palandt, BGB, 71. Aufl., vor § 812 Rn. 6 mwN). Überdies ist es, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt und was auch für den - hier nicht gegebenen - Fall des von der Verteidigung geltend gemachten aber unwirksamen „Factoringgeschäfts“ gilt, „nicht Aufgabe des Bereicherungsrechts, Vermögensnachteile auszugleichen, die sich Ärzte durch eine bewusst den Vorschriften der GOÄ zuwiderlaufende Abrechnungsweise selbst einhandeln.“ Die von § 4 Abs. 2 Satz 2 GOÄ und § 31 BayBOÄ dem Angeklagten untersagte Vermögensmehrung kann diesem nicht auf dem Umweg des Bereicherungsrechts zufließen (vgl. §§ 814, 817 BGB).
59
bb) Dem Angeklagten steht gegen den Patienten auch kein Zahlungsanspruch hinsichtlich der in seinen Praxisräumen erbrachten Akupunktur- und Osteopathieleistungen zu.
60
(1.) Nach den Urteilsfeststellungen haben die Patienten allein mit dem Angeklagten einen Behandlungsvertrag geschlossen. Danach ist ihm die Abrechnung der nicht selbst erbrachten Leistungen verwehrt.
61
(a.) Die Therapeuten haben ihre Leistungen „aufgrund vorheriger Ver- schreibung entsprechender Leistungen durch den Angeklagten“ erbracht (UA S. 28), teilweise habe es auch „eine Art ‚Abschlussgespräch‘ mit dem Ange- klagten nach Durchführung der empfohlenen Behandlung durch B. /D. ge- geben“ (UA S. 74). Der Angeklagte hat die „eingekauften Leistungen“als eige- ne den Patienten verkaufen wollen (UA S. 50). Schon daraus ergibt sich, dass die Patienten, die sich „über die arbeitsrechtliche Einordnung der Herren B. und D. innerhalb der Praxis des Angeklagten keine näheren Gedanken ge- macht“ haben (UA S. 74), nicht mit dem Willen handelten, mit den Therapeuten einen Vertrag abzuschließen; in der schlichten (widerspruchslosen) Hinnahme der Vertreterleistung kann ein dahingehender Rechtsgeschäftswille nicht erblickt werden (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1987, 1489; Spickhoff, aaO, § 4 GOÄ Rn. 18 mwN; Kuhla, NJW 2000, 841, 846 mwN).
62
Auch der Angeklagte handelte nach diesen Feststellungen nicht mit dem Willen, die Patienten bei einem solchen Vertragsschluss zu vertreten. Hinzu kommt, dass nach den Urteilsfeststellungen die Therapeuten nicht über eine Approbation oder Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde verfügten (UA S. 27 f.). Ohne eine solche sowohl für die Erbringung von Akupunkturleistungen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. März 2011 - 8 ME 8/11; VG Trier, Urteil vom 18. August 2010 - 5 K 221/10.TR, 5 K 221/10 ) als auch für osteopathische Behandlungen (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Dezember 2008 - 7 K 967/07) erforderliche Erlaubnis nach § 1 HeilPrG, würde im Übrigen auch die Wirksamkeit eines mit den Therapeuten geschlossenen Behandlungsvertrages durchgreifenden Bedenken begegnen (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1988, 2308; OLG München NJW 1984, 1826; Armbrüster in MüKomm-BGB, 6. Aufl. 2012, § 134 Rn. 89 mwN).
63
(b.) Umfang und Höhe des für die Akupunktur- und der Osteopathieleistungen Abrechenbaren werden - wiederum ausschließlich und abschließend - durch die Regelungen der GOÄ bestimmt. Diese finden für alle „beruflichen Leistungen der Ärzte“ i.S.v. § 1 Abs. 1 GOÄ Anwendung, also alle Tätigkeiten, die sich auf die Ausübung der Heilkunde beziehen (Diagnose und Therapie) oder die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Maßnahmen (Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, GOÄ-Kommentar, 2. Aufl., § 1 Rn. 4), wozu auch Sonderleistungen der Alternativmedizin rechnen (vgl. § 6 Abs. 2 GOÄ und Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, aaO, § 1 Rn. 16; Hoffmann, GOÄ, 3. Aufl., § 6 GOÄ Rn. 7). Die Hypothese der Revision, die Geltung der GOÄ sei hier - wenn auch nicht wirksam (§§ 125, 126 BGB) - abbedungen worden, wird von den Feststellungen nicht getragen. Vielmehr belegt das Fehlen einer sich auf konkret bestimmte einzelne Leistungen beziehenden (vgl. Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, aaO, § 2 Rn. 8), schriftlichen Honorarvereinbarung (vgl. § 2 Abs. 2 GOÄ) und die nachfolgende Abrechnung unter Bezugnahme auf die GOÄ, dass ein Rechtsgeschäftswille zum Abschluss einer gesonderten Honorarvereinbarung nicht bestand.
64
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ, der als Einschränkung der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung eng auszulegen ist (AG München, Urteil vom 9. Juni 1993 - 232 C 4391/93; Hübner in Prütting, Medizinrecht, § 4 GOÄ Rn. 4), kann der Angeklagte Gebühren (also Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis genannten ärztlichen Leistungen) für die nicht selbst erbrachten Therapieleistungen nur abrechnen, wenn sie unter seiner Aufsicht und nach fachlicher Weisung erbracht worden wären (vgl. auch Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 4 Rn. 6, 39 ff.). Nach den Feststellungen haben die Therapeuten indes ihre Leistungen „in eigener Verantwortung, ohne Aufsicht und Kontrolle durch den Angeklagten“ (UA S. 28) erbracht. Der Angeklagte hatdie Therapeuten nicht „persönlich überwacht“, teils war er ortsabwesend und auch wenn er zeitgleich mit den Therapeuten in den Praxisräumen anwesend war, hat er diesen keine Weisungen erteilt. Hierzu fehlte ihm auch „die fachliche Qualifikation“ (UA S. 51). Damit liegen die Voraussetzungen für eine Abrechenbarkeit der Thera- pieleistungen durch den Angeklagten nicht vor. Als nach „fachlicher“ Weisung erbracht können Leistungen schon nicht angesehen werden, die der Arzt selbst mangels entsprechender Ausbildung nicht fachgerecht durchführen kann (vgl. Brück u.a., aaO, Einl. u § 4; Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, aaO, § 4 Rn. 6; Uleer/ Miebach/Patt, aaO, § 4 Rn. 40; Cramer/Henkel, MedR 2004, 593, 596). Der Hinweis der Revision auf § 5 Abs. 2 GOÄ verfängt nicht. Der Angeklagte hätte die Therapieleistungen - abgesehen davon, dass er nach den Urteilsfeststellungen auch nicht delegationsfähige, vom Arzt selbst zu erbringende Kernleistungen (Untersuchung, Beratung, Entscheidung über therapeutische Maßnahmen ) den Therapeuten übertragen hat - auch nicht an die dadurch gegen § 5 HeilPrG verstoßenden Therapeuten delegieren dürfen.
65
(2.) Im Hinblick auf den wirksamen Behandlungsvertrag mit den Patienten kann der Angeklagte - in gleicher Weise wie im Zusammenhang mit den „eingekauften“ Speziallaborleistungen - auch keine anderen als vertragliche Ansprüche (aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht) geltend machen. Einem Aufwendungsersatz hinsichtlich der an die Therapeuten gezahlten Beträge steht die auch solche Ansprüche hier abschließend regelnde GOÄ entgegen. Für eine Anwendung des § 670 BGB besteht für die hier im Rahmen des Behandlungsvertrages erbrachten Osteopathie- und Akupunktur- leistungen kein Raum. Die Zahlungen des Angeklagten an die mangels Approbation oder Erlaubnis nach HeilPrG nicht zu Therapieleistungen befugten Therapeuten waren überdies wiederum nicht erforderlich i.S.v. § 670 BGB.
66
(3.) Der Angeklagte konnte auch keine von den Therapeuten abgetretenen Ansprüche, die diesen gegenüber den Patienten zustünden, geltend machen. Vertragliche Ansprüche der Therapeuten bestehen - wie aufgezeigt - nicht. Sonstige Ansprüche könnten sie - unbeschadet der Frage der Wirksamkeit der zugrunde liegenden Vereinbarung - allenfalls im Verhältnis zum Angeklagten geltend machen.
67
cc) Ein Zahlungsanspruch des Angeklagten - sei es aus eigenem oder abgetretenem Recht - besteht auch nicht hinsichtlich der als Leistungen der Klasse M II abgerechneten Laborleistungen der Klasse M III, die weder vom Angeklagten selbst noch unter seiner Aufsicht (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 GOÄ) noch von einem einzig zur Leistungserbringung und -abrechnung ermächtigten Speziallabor erbracht wurden (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anlage M zur GOÄ). Aufgrund der Gesetzwidrigkeit der Vereinbarung zwischen Laborarzt und der die Leistung tatsächlich erbringenden Laborgemeinschaft (vgl. auch LG Duisburg , Urteil vom 18. Juni 1996 - 1 O 139/96), konnte der Angeklagte in diesem Zusammenhang erbrachte Aufwendungen wiederum auch nicht für erforderlich i.S.d. § 670 BGB erachten.
68
c) Das Vorliegen eines durch die dargestellte Täuschung bei den Patienten hervorgerufenen Irrtums i.S.d. § 263 StGB - was Tatfrage ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05 mwN) - hat die Strafkammer (wie in Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patienten, siehe oben unter 1.) ohne Rechtsfehler bejaht. Nach den durch Zeugenaussagen gestützten, rechtsfehlerfreien Feststellungen unterlagen die Patienten, wie der Generalbundes- anwalt zutreffend ausführt, einer mit der Täuschung korrelierenden, der Wirklichkeit nicht entsprechenden Fehlvorstellung.
69
Ein Irrtum i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB setzt grundsätzlich nicht voraus (zu Einschränkungen vgl. Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, aaO, § 263 StGB Rn. 61), dass sich der Adressat einer auf einer Gebührenordnung basierenden (Ab)Rechnung eine konkrete Vorstellung über die Berechnung und die in Ansatz gebrachten Bemessungsgrundlagen macht. Entscheidend - aber auch ausreichend - ist das gedankliche Mitbewusstsein über die Ordnungsgemäßheit der Rechnungsstellung und sei es nur - wie es die Strafkammer hier feststellt - als „allgemein gehaltene Vorstellung, die Abrechnung sei in Ordnung“ (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 5 StR 394/08 mwN; Tiedemann in LKStGB , 11. Aufl., § 263 Rn. 79, 91 mwN; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 37 ff.; Beukelmann in BeckOK-StGB, § 263 Rn. 25).
70
Nach den Urteilsfeststellungen mussten die Patienten - soweit die Straf- kammer nicht ohnehin ausdrücklich feststellt, dass „die Patientenirrten“ (UA S. 24) - in allen Fällen mangels hinreichender eigener Fachkenntnisse („Die gebührenrechtlichen Einzelheiten waren ihnen gänzlich unbekannt“, UA S. 103) auf die sachliche Richtigkeit der Rechnungen vertrauen und haben dies auch. Sie haben „darauf vertraut, dass die Rechnungen von dem Angeklagten korrekt erstellt werden“ (UA S. 103) und „an die Rechtmäßigkeit der Abrechnung geglaubt“ (UA S.109).
71
Demzufolge trifft die Auffassung hier jedenfalls aus tatsächlichen Gründen nicht zu, in Fällen nicht oder nicht selbst erbrachter Leistungen fehle es „in aller Regel“ wegen der Erkennbarkeit des tatsächlichen Leistungsumfangs und des tatsächlichen Leistungserbringers sowie der gemäß § 12 GOÄ spezifizierten Rechnung an einem Irrtum (Dahm, MedR 2003, 268, 269; Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, aaO, § 263 StGB Rn. 185; Schuhr in Spickhoff, aaO, § 263 Rn. 25; Tsambikakis in Prütting, Medizinrecht, § 263 StGB Rn. 32).
72
Ein Patient kann nicht wissen, ob in seiner Abwesenheit vom Angeklagten - wie behauptet - Laboruntersuchungen selbst durchgeführt oder eine eigene Befundung vorgenommen werden. Patienten, denen - wie hier - die „gebüh- renrechtlichen Einzelheiten gänzlich unbekannt“ sind, kennen weder die Diffe- renzierung nach unterschiedlichen Laborleistungen, noch die Voraussetzungen, unter denen in der Praxis eines Arztes von Dritten erbrachte Leistungen (etwa bei der Blutentnahme) oder Osteopathieleistungen im Wege einer Analogbewertung gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ vom Arzt abgerechnet werden können. Auch weiß ein solcher Patient nicht, ob der Angeklagte Labor- oder sonstige ärztliche oder heilkundliche Leistungen im gebührenrechtlichen Sinn selbst erbracht hat. Soweit die Patienten von anderen als dem Angeklagten, aber in dessen Praxis und nach einer Eingangsuntersuchung durch diesen behandelt wurden, haben sie „die Fehlerhaftigkeit der Abrechnungen“ nicht erkannt (UA S. 30), sie gingen vielmehr davon aus, dass die Rechnungen „inhaltlich richtig und den Abrech- nungsvorschriften entsprechend erstellt worden waren“ (UA S. 74).
73
Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass die Patienten Zweifel an der Richtigkeit der von der M. GmbH erstellten Rechnungen gehabt haben, die ohnedies einen Irrtum grundsätzlich nicht entfallen ließen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02; BGH, Urteil vom 8. Mai 1990 - 1 StR 144/90; Satzger in SSW-StGB, § 263 Rn. 78 jew. mwN). Eine etwaige Leichtgläubigkeit der Patienten stünde der Annahme eines Irrtums ebenso wenig entgegen, wie die Erkennbarkeit der Täuschung bei hinreichend sorgfältiger Prüfung (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 1991 - 4 StR 420/91 mwN). Weiter ist unerheblich, dass oder ob der Patient die Abrechnung bereits einer Versicherung oder Beihilfestelle vorgelegt hat (Schubert, ZRP 2001, 154, 155).
74
II. Auch die Annahme eines Schadens i.S.v. § 263 StGB wird von den Feststellungen belegt.
75
1. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB - gleichermaßen wie unter Nachteil i.S.d. § 266 StGB - jede durch die Tat verursachte Vermögensminderung zu verstehen, wobei diese nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung auf Grund eines Vergleichs des Vermögensstandes vor und nach der Tat bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise festzustellen ist (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 444/10; BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98; BGH, Beschluss vom 30. Juli 1996 - 5 StR 168/96; Fischer, aaO, § 263 Rn. 110 ff. mwN). Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung von Schäden eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 1857/10 Rn. 176). Ein Schaden liegt nicht vor, wenn zugleich ein den Verlust aufwiegender Vermögenszuwachs begründet wird. Ein solcher Vermögenszuwachs tritt beispielsweise ein, soweit das Vermögen von einer Verbindlichkeit in Höhe des Verlustes befreit wird (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 444/10 mwN). Eine solche Kompensation scheidet hingegen regelmäßig dann aus, wenn sich die Vermögensmehrung nicht aus der Verfügung selbst ergibt, sondern durch eine andere, rechtlich selbständige Handlung hervorgebracht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98).
76
Maßgeblich für den Vermögensvergleich ist der Zeitpunkt der täuschungsbedingten Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögens- werts unmittelbar vor und nach der hier in der Zahlung an den Angeklagten liegenden Vermögensverfügung; spätere Entwicklungen, wie Schadensvertiefung oder Schadensausgleich, berühren den tatbestandlichen Schaden nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 2 StR 616/10; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98 jew. mwN).
77
2. Gemessen hieran hält die Annahme eines Schadens i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen revisionsrechtlicher Prüfung stand.
78
a) In Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patienten zahlten die Versicherungen / die Beihilfestelle, ohne zur Zahlung verpflichtet zu sein, ohne also durch die Zahlung eine gleichwertige Forderung des beihilfeberechtigten Versicherungsnehmers zum Erlöschen zu bringen. Das Entstehen eines Rückforderungs - oder Schadenersatzanspruchs gegenüber dem Arzt kann - wie auch sonst bei durch die Tat entstehenden Schadens- und Gewährleistungsansprüchen (vgl. Satzger in aaO, § 263 Rn. 152; Fischer, aaO, § 263 Rn. 155) - nicht zu einer schadensausschließenden Kompensation führen.
79
b) In gleicher Weise stand in allen anderen Fällen den Zahlungen der Patienten kein äquivalenter Vermögensausgleich gegenüber. Dies gilt auch in den insoweit einzig näher zu erörternden (vgl. Schuhr, aaO, § 263 StGB Rn. 43) Fällen, in denen der Angeklagte nicht selbst erbrachte Leistungen abrechnete. Durch die irrtumsbedingte Zahlung der Patienten (nach den Feststellungen zahlten die Patienten in allen Fällen jeweils unmittelbar selbst nach Erhalt der Rechnung an die zum Einzug berechtigte M. GmbH vollständig „die jeweils in den Rechnungen ersichtlichen Beträge“; UA S. 15, auch S. 24, 25, 26) wird deren Vermögen gemindert, ohne dass dem ein äquivalenter Vermö- genszufluss gegenübersteht. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zahlung war das Vermögen der Patienten - unbeschadet der Frage der Fälligkeit, vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 444/10 - nicht mit einem Zahlungsanspruch belastet; ohne diesen hat die erbrachte ärztliche Leistung hier keinen eigenen, zur Bestimmung des tatbestandlichen Schadens i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB maßgeblichen wirtschaftlichen Wert.
80
aa) Die Bewertung des Vermögens bzw. Schadens erfolgt nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Auf die subjektive Einschätzung des Patienten , ob er sich wegen der von einem anderen als dem Angeklagten erbrachten Leistung nicht geschädigt fühlt, kommt es nicht an. Maßgebend für den Vergleich von Leistung und Gegenleistung ist regelmäßig der Verkehrswert (vgl. Cramer/ Perron in Schönke/Schröder, aaO, § 263 Rn. 109 ff. mwN) oder ein an Angebot und Nachfrage orientierter Marktpreis, der auch nach dem von den Vertragsparteien vereinbarten Preis unter Berücksichtigung der für die Parteien des fraglichen Geschäfts maßgeblichen preisbildenden Faktoren bestimmt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 1 StR 245/09).
81
Für privatärztliche Leistungen, für die es weder einen Verkehrswert noch einen (objektiven) Markt oder einen von den Vertragsparteien frei zu vereinbarenden Preis gibt, bestimmen die materiell-rechtlichen Normen zur Abrechenbarkeit der Leistung, namentlich der GOÄ, zugleich deren wirtschaftlichen Wert. Ist etwa eine Behandlungsleistung zwar erbracht, gilt sie aber als mit einer anderen Leistung abgegolten (vgl. z.B. § 4 Abs. 2a GOÄ), kommt ihr kein eigener wirtschaftlicher Wert zu, mag auch der Patient, hätte er die Leistung alleine bezogen , daraus resultierende Aufwendungen gehabt haben. In dem Umfang, in dem die Rechtsordnung einer privatärztlichen Leistung die Abrechenbarkeit versagt, weil etwa die für die Abrechenbarkeit vorgesehenen Qualifikations- und Leistungsmerkmale nicht eingehalten sind, kann ihr kein für den tatbestandlichen Schaden i.S.v. § 263 StGB maßgeblicher wirtschaftlicher Wert zugesprochen werden (vgl. Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316; für wahlärztliche Leistungen: Hellmann/Herffs, aaO, Rn. 391 ff.; Freitag, aaO, S. 175 f.). Führt die erbrachte ärztliche Leistung mangels Abrechenbarkeit nicht zum Entstehen eines Zahlungsanspruchs, findet eine saldierende Kompensation nicht statt. Zahlt der in Anspruch Genommene irrtumsbedingt ein nicht geschuldetes Honorar, ist er in Höhe des zu Unrecht Gezahlten geschädigt. Wer eine Leistung unter den jeweils gegebenen Umständen unentgeltlich erlangen oder bereits dafür Geleistetes zurückfordern kann, ohne hierfür Wertersatz leisten zu müssen, ist in Höhe desjenigen Betrages geschädigt, den er täuschungsbedingt gleichwohl hierfür aufgewandt hat.
82
Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum vertragsärztlichen Abrechnungsbetrug (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02; BGH, Beschluss vom 28. September 1994 - 4 StR 280/94; BGH, Urteil vom 10. März 1993 - 3 StR 461/92; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. September 1997 - 2 BvR 2414/97), deren zugrunde liegendeWertung - unbeschadet sozialrechtlicher Besonderheiten - auf den Bereich privatärztlicher Leistungserbringung und Abrechnung übertragbar ist (vgl. auch Peickert, MedR 2000, 352, 354; a.A. Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695).
83
Für privatärztliche Leistungen bestimmt die GOÄ den Inhalt der abrechnungsfähigen ärztlichen Leistungen und deren taxmäßige (standardisierte) Honorierbarkeit abschließend. Die Anspruchsvoraussetzungen sind jeweils - dort nach Sozialrecht, hier nach den materiell-rechtlichen Vorschriften der GOÄ - fest umschrieben, eine tatbestandliche Schadenskompensation allein mit erbrachter ärztlicher Leistung ist dadurch ausgeschlossen (zutreffend Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 267). Der Leistende wird nicht von einer Verpflichtung gegenüber dem Arzt befreit, eine wirtschaftliche Vermögenssaldierung ergibt daher ein Minus (Hellmann, NStZ 1995, 232; Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316).
84
Dass der Arzt durch Leistungserbringung von einer Leistungspflicht be- freit wird, eine erneute Behandlung „wirtschaftlich unsinnig“ wäre (Gaizik, wistra 1998, 329, 332, ebenso Idler, JUS 2004, 1037, 1040; Stein, MedR 2001, 124, 127), ist für die Schadensbestimmung unbeachtlich. Auch eine von einem Laien durchgeführte und zufällig erfolgreiche Behandlung würde erneute Leistungserbringung „unsinnig“ machen (vgl. Grunst, NStZ 2004, 533, 535), ohne dass ihr ein wirtschaftlicher Wert zugesprochen werden könnte.
85
Im Bereich privatärztlicher Liquidation, bei der der behauptete Honoraranspruch nicht schon aus dem Behandlungsvertrag, sondern erst aufgrund der erbrachten Leistungen entsteht, kann eine Zahlung für die Leistungserbringung nicht kausal werden; die Zahlung ist ohne eigenen Vermögenswert, wenn nicht die Rechtsordnung durch Ansprüche eine Korrespondenzbeziehung herstellt (Schuhr, aaO, § 263 StGB, Rn. 44). Lediglich formalrechtliche „Leistungsge- währungsvoraussetzungen“, wie sie als Einschränkungen der zum Vertragsarztrecht entwickelten „streng formalen Betrachtungsweise“ diskutiert werden (vgl. Volk, NJW 2000, 3385, 3386) oder wie sie im Bereich des Subventionsbetruges zum Tragen kommen können (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 5 StR 334/05; Fischer, aaO, § 263 Rn. 142 mwN), sind der Abrechnung privatärztlicher Leistungen auf der Grundlage der an die Person des Leistungserbringers (z.B. § 4 Abs. 2 Satz 2 GOÄ) oder an die Art und Weise der Leistungserbringung (z.B. § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ) anknüpfenden GOÄ fremd; auch wenn der zahlende Patient die Art der Leistungserbringung oder die Art der Ab- rechnung genehmigen wollte, bestünde dem Grunde nach ein materieller Anspruch nicht.
86
Auch sonst bestimmt sich der wirtschaftliche Wert einer Arbeitsleistung nach deren Abrechenbarkeit; die Möglichkeit, die eigene Arbeitskraft zur Erbringung von Dienstleistungen einzusetzen, hat Vermögenswert nur, soweit sie üblicher Weise gegen Entgelt erbracht wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2001 - 4 StR 315/00 mwN zu durch Betrug erlangter Arbeitsleistung). Indes wird gesetzeswidrigen Handlungen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2008 - 2 StR 421/08; BGH, Beschluss vom 2. Mai 2001 - 2 StR 128/01) oder Leistungen , die verboten sind oder unsittlichen Zwecken dienen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 1987 - 5 StR 566/86; BGH, Beschluss vom 20. Dezember1988 - 1 StR 654/88), mögen sie auch „üblicherweise“ nur gegen Entgelt (z.B. „Killer- lohn“) erbracht werden, kein Vermögenswert zuerkannt, da sich das Strafrecht ansonsten in Widerspruch zur übrigen Rechtsordnung setzen würde, wenn es im Rahmen des Betrugstatbestandes nichtigen - weil gesetzeswidrigen - Ansprüchen Schutz gewährte (vgl. auch Eckstein JZ 2012, 101, 104). Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgedanken, wirtschaftliche Vorteile aus rechtsmissbräuchlichen Gestaltungen zu versagen (vgl. z.B. §§ 814, 817 S. 2 BGB, §§ 41, 42 AO); in Verbotenes Investiertes soll unwiederbringlich verloren sein (vgl. BT-Drucks. 11/1134, S.12 zum Verfall). Ebenso wird einer Arbeitsleistung ein wirtschaftlicher Wert abgesprochen, wenn Gesetz oder Verwaltungsvorschriften einer zu deren Entlohnung führenden Anstellung entgegenstanden, selbst wenn fachlich nicht zu beanstandende Leistungen erbracht wurden (BGH, Beschluss vom 18. Februar 1999 - 5 StR 193/98 mwN). Im Übrigen ist auch zur Frage der Rechtswidrigkeit des erlangten Vermögensvorteils allein das materiell-rechtliche Bestehen eines Anspruchs maßgeblich (vgl. BGH, Be- schluss vom 20. November 1981 - 2 StR 586/81; BayObLG, Beschluss vom 29. Juni 1994 - 2St RR 118/94).
87
Es kann nicht eingewandt werden, der Patient habe sich durch den Erhalt der Leistungen ansonsten erforderliche Aufwendungen erspart, er hätte die Leistungen auch vom Laborarzt (direkt) beziehen können und müssen. Die gegenteilige Ansicht (vgl. Gaizik, wistra 1998, 329, 331 ff. mwN, der allerdings zutreffend darauf hinweist, dass diese ersparten Aufwendungen kein unmittelbar aus der Zahlung fließendes Äquivalent darstellen) bezieht in unzulässiger Weise einen zwar anspruchsbegründenden, tatsächlich aber nicht gegebenen (und überdies nicht vorhersehbaren, vgl. Freitag, aaO, S. 139) Sachverhalt und somit hypothetische Reserveursachen ein, und überspielt damit im Wege einer Gesamtbetrachtung das Fehlen eines Anspruchs auf die durch Täuschung erlangte Leistung (zutreffend Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 267; ebenso Schuhr, aaO, § 263 StGB, Rn. 44; Fischer, aaO, § 263 Rn. 155; Grunst, NStZ 2004, 533, 537 jew. mwN).
88
bb) Dies zugrunde gelegt hat die Strafkammer im Ergebnis rechtsfehler- frei die „lege artis“ (Laborleistungen) bzw. „fehlerfrei“ (Akupunktur- undOsteo- pathieleistungen) erbrachten Leistungen nicht zur Verneinung des tatbestandlichen Schadens i.S.v. § 263 StGB herangezogen. Die erbrachten Leistungen haben das Vermögen des Patienten zum Zeitpunkt der Zahlung nicht mit einem Zahlungsanspruch in Höhe des Rechnungsbetrages belastet.
89
Wie bereits aufgezeigt, steht im Fall abgerechneter Speziallaborleistungen dem Angeklagten kein Zahlungsanspruch gegen den Patienten zu. Ebenso wenig ist das Vermögen des Patienten - wie auch die Revision in anderem Zusammenhang ausführt - mit einem Zahlungsanspruch des Laborarztes belastet.
90
Der Laborarzt, wiewohl er seine Leistung üblicherweise nur gegen Entgelt erbringt, leistet hier nicht an den Patienten, sondern erbringt seine Leistung - die Befundung, die sich in einem dem Angeklagten direkt übermittelten Datenwerk niederschlägt - ausschließlich im Verhältnis zum Angeklagten. Von diesem erhält er auch (bei „Verzicht auf die Abrechnung gegenüber dem Patienten“ ) das hierfür geforderte, der Höhe nach umsatzabhängige Entgelt. Erst aus dem Tätigwerden des Angeklagten, nämlich dessen „Weiterverkauf“ dieser Laborleistungen, erlangt der Patient etwas. Nach den abschließenden Regelungen der GOÄ erwachsen hieraus aber keine Zahlungsansprüche gegen den Patienten; der Angeklagte wird so gestellt, als habe er eine mit anderen Gebührenziffern bereits abgegoltene Leistung erbracht. Durch die materiell-rechtlichen Vorschriften der §§ 4 Abs. 2 und 10 GOÄ wird - der gesetzgeberischen Intention entsprechend - unterbunden, dass der Angeklagte aus dem Bezug erbrachter und sodann „weiterverkaufter“ Speziallaborleistungen einen wirtschaftlichen Wert schöpfen kann.
91
In gleicher Weise stehen die den taxmäßigen Wert der Akupunktur- und Osteopathieleistungen bestimmenden Regelungen der GOÄ deren Abrechnung durch den Angeklagten oder die Therapeuten entgegen. Die Leistungserbringung kann nicht zu einem das Vermögen des Patienten belastenden Zahlungsanspruch führen. Der auch mangels Approbation oder Erlaubnis nach HeilPrG nicht abrechenbaren Leistung kann ein zur Bestimmung des tatbestandsmäßigen Schadens i.S.v. § 263 StGB maßgeblicher wirtschaftlicher Wert nicht beigemessen werden. Dies gilt auch für Leistungen der nicht zur Erbringung von Laborleistungen der Klasse M III qualifizierten Laborgemeinschaft.
92
III. Die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte auch vorsätzlich gehandelt hat. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es für den Betrugsvor- satz, dass der Täter die schadensbegründenden Umstände kannte (BGH, Urteil vom 3. November 1987 - 1 StR 292/87 mwN). Entscheidend ist, ob er in der Annahme gehandelt hat, eine Zahlung in der geltend gemachten Höhe beanspruchen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 - 4 StR 420/91 mwN).
93
Nach den Urteilsfeststellungen war dem Angeklagten in allen Fällen - auch in den Fällen abgerechneter Speziallaborleistungen - bewusst, dass er zur Liquidation nicht berechtigt war und sich durch Vortäuschen eines in Wahrheit nicht bestehenden Zahlungsanspruchs zu Unrecht bereicherte. Er handelte gleichwohl.
94
Der Einlassung des Angeklagten, er habe sein „Abrechnungsverhalten überwiegend als legal angesehen“ (UA S. 51), hat die Strafkammer auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung keinen Glauben geschenkt. Die Strafkammer konnte sich dabei auch auf eine frühere Einlassung des Angeklagten stützen, in der er einräumte, dass er die Abrechnungspraxis in Kenntnis ihrer Unrechtmäßigkeit beibehielt, „weil er das Geld benötigte“ (UA S. 69). „Er sei sich des wirtschaftlichen Vorteils durchaus bewusst gewesen und habe trotz zuletzt positiver Kenntnis von der Illegalität dieser Abrechnungen bis zuletzt daran festgehalten, da ihm ansonsten der Praxisumsatz zu abrupt ein- gebrochen wäre“ (UA S. 53).
95
Dies korreliert mit den Angaben einer Außendienstmitarbeiterin eines involvierten Labors, wonach die „veränderten gesetzlichen Vorgaben in der GOÄ“ nicht nur in internen Schulungen erörtert, sondern auch „mit den Ärzten die Möglichkeiten der Gebührenordnung“ besprochen worden waren, und der Angeklagte „sehr daran interessiert gewesen“ sei, „die wirtschaftlichen Vorteile der Direktabrechnung von Laborleistungen nicht zu verlieren“ (UA S. 66); seitens des Angeklagten habe „eine gewisse Erwartungshaltung bestanden“ (UA S. 68).
96
Die Einlassung des Angeklagten, er habe in der Annahme gehandelt, den Patienten entstehe wegen der erbrachten Leistungen kein Schaden, steht der Annahme eines Vorsatzes nicht entgegen. Derjenige, der weiß, dass er sich auf Kosten eines anderen durch Vortäuschen eines in Wahrheit nicht gegebenen Zahlungsanspruchs bereichert, weiß oder nimmt zumindest billigend in Kauf, dass er trotz erbrachter Leistungen keinerlei Zahlungsanspruch hat, der Zahlende also rechtsgrundlos leistet und dadurch in Höhe des Gezahlten geschädigt ist.
97
IV. Rechtsfehlerfrei geht die Strafkammer bei Rechnungen gleichen Datums von Tateinheit aus, auch soweit dabei mittäterschaftliche Begehung - zum Nachteil der Versicherungen - und mittelbare Täterschaft - zum Nachteil der Patienten - zusammentreffen. Da der Angeklagte die zur Abrechnung erforderlichen Daten an den entsprechenden Tagen „einheitlich an die M. GmbH übermittelt“ hat (UA S.15), liegt eine zu Tateinheit führende Teilidentität der Ausführungshandlung vor (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10; BGH, Beschluss vom 24. November 2010 - 2 StR 519/10; BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09; BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - 3 StR 148/09; v. Heintschel-Heinegg in MüKomm-StGB, § 52 Rn. 86 ff. mwN).
98
V. Eines Eingehens auf die von der Strafkammer zur Begründung des Schadens zusätzlich herangezogenen weiteren Gesichtspunkte bedarf es nicht. Hierauf hatte der Generalbundesanwalt in seinem Antrag, auf den die Revision mit einem Rechtsgutachten umfassend erwidert hat, bereits zutreffend hingewiesen. Es kann hier auch dahinstehen, ob vom Revisionsgericht analog § 265 StPO ein Hinweis auf die rechtlich etwas von der Auffassung des Landgerichts abweichende Begründung des Schadens zu erteilen wäre. Denn der Senat schließt im vorliegenden konkreten Einzelfall, in dem die maßgeblichen Rechtsfragen auch von der Verteidigung erörtert worden sind, aus, dass sich der Angeklagte anders, insbesondere erfolgreicher gegen den ihm gemachten Vorwurf hätte verteidigen können.

E.



99
Die Nachprüfung des Urteils hat auch hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
100
I. Der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
101
1. Die Strafkammer legt der Strafzumessung einen jeweils zutreffenden Strafrahmen zugrunde.
102
a) Das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 21, 20 StGB „bei Begehung der Tat“ hat die insoweit sachkundig beratene Strafkammer rechtsfehler- frei verneint (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 1 StR 122/11).
103
b) Die Strafkammer musste auch - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - ungeachtet der Annahme eines „überschießenden Geständ- nisses“ (UA S. 115) in den Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patien- ten den - hier bereits anwendbaren - § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht aus- drücklich erörtern. Denn durch die Benennung der an den Taten beteiligten Patienten deckt der Angeklagte keine Katalogtat i.S.d. § 46b Abs. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 StPO auf.
104
Die vom Angeklagten benannten Patienten handelten weder selbst gewerbsmäßig , noch kann ihnen die Gewerbsmäßigkeit im Handeln des Angeklagten , ein strafschärfendes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 2 StGB, zugerechnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2008 - 3 StR 193/08 (zu § 260 StGB); BGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 - 1 StR 547/04 (zu § 152a Abs. 2 StGB); BGH, Beschluss vom 21. September 1995 - 1 StR 316/95 (zu § 243 Abs. 2 StGB); Kudlich in BeckOK-StGB, § 28 Rn. 24). Sie können also „nur“ wegen Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) bestraft werden.
105
Für eine Anwendbarkeit des § 46b Abs. 1 StGB reicht indes nicht aus, dass lediglich eine Nichtkatalogtat aufgedeckt wird, mag diese auch - wie hier - mit einer Katalogtat im Zusammenhang stehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 46b Abs. 1 Satz 3 StGB. Der Täter einer Katalogtat soll nicht durch die Offenbarung einer Bagatelltat (nachgeordnete Beihilfehandlung zu einer vom Täter mitverwirklichten geringeren Tat) in den Genuss einer Strafrahmenverschiebung kommen können. Andernfalls würde sich überdies ein Wertungswiderspruch zu Fällen ergeben, in denen die offenbarte Tat als eigenständiges Delikt verfolgbar wäre, und in denen demzufolge eine Strafmilderung nur bei Aufdeckung einer als Katalogtat verfolgbaren Tat in Betracht kommt.
106
c) Grundsätzlich rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen, wonach der Angeklagte rund 30 % seines gesamten Praxisumsatzes mit den ihm zur Last liegenden (und nicht gemäß §§ 154, 154a StPO ausgeschiedenen) manipulierten Abrechnungen erwirtschaftete , sowohl das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB (Ge- werbsmäßigkeit) als auch des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB (große Anzahl) bejaht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - 1 StR 343/11). Ohne Erfolg rügt die Revision in diesem Zusammenhang, die Strafkammer habe in den Fällen mit festgestellten Schadenssummen unter 50 € (Fälle 16, 42, 66, 71, 108 und 117 der Urteilsgründe) die Regelung des § 263 Abs. 4 i.V.m. § 243 Abs. 2 StGB verkannt. Denn die Strafkammer geht in diesen, wie in allen Fällen mit Schadensbeträgen bis 2.500 € vom Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB aus, so dass es auf die Verwirklichung der Regelbeispiele insoweit nicht ankommt. Dass sie in allen anderen Fällen die Anwendung des erhöhten Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB unter anderem mit der Verwirklichung zweier Regelbeispiele bejaht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl. Rn. 401).
107
2. Die Bemessung der Strafe innerhalb des rechtsfehlerfrei bestimmten Strafrahmens ist ebenfalls frei von den Angeklagten belastenden Rechtsfehlern.
108
In den unter Verstoß gegen § 5 HeilPrG erbrachten Osteopathie- und Akupunkturleistungen, zu denen der Angeklagte angestiftet hat, musste die Strafkammer ebenso wenig einen bestimmenden Milderungsgrund sehen, wie in dem Umstand, dass die Laborleistungen bei einem anderen als dem tatsächlichen - also hypothetischen - Sachverhalt anders hätten abgerechnet werden können.
109
Ob darüber hinaus bei der Strafzumessung in Fällen zu Unrecht abgerechneter ärztlicher Leistungen der Umstand tatsächlich erbrachter Leistungen und hierzu entstandener Aufwendungen strafmildernd berücksichtigt werden muss (vgl. für vertragsärztliche Abrechnungen BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02; BGH, Beschluss vom 28. September 1994 - 4 StR 280/94), oder ob - wozu der Senat neigt - sich dies im Bereich privatärztlicher Liquidation schon deswegen verbietet, weil hier die “Bereicherung” des Opfers dessen Schaden gerade nicht kompensiert und der Täter eigenmächtig und auf strafbare Weise den Ausgleich, den er materiell-rechtlich nicht beanspruchen kann, herbeiführt (vgl. Hellmann NStZ 1995, 232, 233), bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
110
Nach der ausdrücklichen Hervorhebung in den Urteilsgründen ist nicht zu besorgen, die Strafkammer könnte bei der Strafzumessung nicht auch im Blick gehabt haben, dass die Speziallaborleistungen - nach der allgemeinen Handhabe und ohne dass dies für jeden Einzelfall festgestellt wurde - „tatsächlich benötigt“ und von einem dazu befähigten Laborarzt „fachlich und medizinisch korrekt“ erbracht wurden (UA S. 21). Auf UA S. 110 werden die Untersuchungsergebnisse erneut als „medizinisch korrekt“ bezeichnet und auf UA S. 122 wird generell festgestellt, dass die „Patienten mit der ärztlichen Leistung des Angeklagten ganz überwiegend sehr zufrieden waren“. Dass in den Straf- zumessungsgründen eine Erwägung nicht ausdrücklich wiederholt wird, lässt nicht ohne weiteres den Schluss zu, das Tatgericht habe sie bei der Zumessung der Strafe übersehen (BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - 3 StR 413/11 mwN). Dies gilt gleichermaßen für den Umstand, dass eine fehlerhafte Behandlung durch die nicht abrechnungsbefugten Leistungserbringer nicht bekannt geworden sind (UA S. 28) und dass der Angeklagte zu deren „Beschaffung“ jeweils eigene, von der Strafkammer zu den jeweiligen Fallgruppen spezifizierte Aufwendungen hatte. Beleg für eine entsprechende Berücksichtigung sind auch die Annahme eines besonders schweren Falles erst ab Rechnungsbeträgen über 2.500 € und die gemessen an der von der Strafkammer festgestellten kriminellen Energie des Angeklagten und dem gesamten Tatbild geringen Einzelstrafen sowie die ebenfalls milde Gesamtfreiheitsstrafe.
111
3. Die Gesamtstrafe hat ebenfalls Bestand. Soweit die Teileinstellung des Verfahrens (oben B.) zum Wegfall der bezüglich Fall Nr. 71 der Urteils- gründe verhängten Einzelgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 € führt, schließt der Senat in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts angesichts der Vielzahl der verbleibenden Fälle und der dafür verhängten Einzelstrafen bis zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe aus, dass die Strafkammer auf eine noch mildere als die verhängte Gesamtfreiheitstrafe erkannt hätte.
112
II. Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen das auf die Ausübung als selbständig liquidierender oder liquidationsberechtigter Arzt beschränkte Berufsverbot (§ 70 Abs. 1 StGB) auf eine Gesamtwürdigung des Angeklagten und der Taten gestützt (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2011 - 2 StR 609/10; BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 - 3 StR 59/89) und ebenso ohne Rechtsfehler im Rahmen ihres Ermessens (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2007 - 1 StR 164/07) die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bejaht.
113
Es kann dahinstehen, ob das Verhalten eines Angeklagten nach der Tat stets im Rahmen der für § 70 Abs. 1 StGB erforderlichen Gefahrprognose zu berücksichtigen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. August 2009 - 5 StR 248/09). Denn hier hätte sich dabei ungeachtet der festgestellten Teilschadenswiedergutmachung Günstiges für den Angeklagten deswegen nicht ergeben können, da er - wie das Landgericht ebenfalls feststellt - nach der Durchsuchung seiner Praxisräume in diesem Verfahren weiterhin gegen § 31 BayBOÄ verstoßen hat, indem er nunmehr mit einem anderen Labor Beraterverträge abschloss, die ihm zukünftig umsatzabhängige (Rück)Vergütungen sichern sollten (UA S. 108).
114
III. Der vom Generalbundesanwalt angeregten Berichtigung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 StPO bedarf es nicht.
115
Zwar hat für vor dem 1. Januar 2007 beendete Taten ein Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO zu unterbleiben. Einer Anwendung der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Regelung des § 111i Abs. 2 StPO auf bereits zuvor beendete Taten steht § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB entgegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - 4 StR 502/07 mwN). Letzteres hat die Strafkammer indes gesehen und auch ausgeführt (UA S. 114), so dass nicht zu besorgen ist, ein Auffangrechtserwerb nach § 111i Abs. 5 StPO sollte oder könnte auf den im Tenor für Taten vor dem 1. Januar 2007 festgestellten Betrag erstreckt werden.
116
Durch die vom Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigte, rechtsfehlerhafte Annahme eines vorzeitigen Beendigungszeitpunktes und daraus resultierend einer zu geringen Bemessung des nach dem 1. Januar 2007 Erlangten ist der Angeklagte gerade nicht beschwert.
117
IV. Anhaltspunkte für eine - zu Kompensation nötigende, von der Verteidigung aber ohnehin nicht mit einer entsprechenden Verfahrensrüge geltend gemachte - rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung liegen nicht vor. Gemessen an Umfang, Bedeutung (vgl. Graf in BeckOK-StPO, § 198 GVG Rn. 8) und Schwierigkeit der Sache (Beleg hierfür ist u.a. das von der Revision in Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts nachgereichte weitere Rechtsgutachten) wurde das Verfahren insgesamt innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 EMRK) abgeschlossen; dies gilt auch für das Revisionsverfahren , in dem die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zur Veröffentlichung vorgesehen ist.
Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Graf

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 345/10
vom
27. Juli 2010
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: nein
Veröffentlichung: ja
____________________
Gibt das Gericht gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO eine Ober- und Untergrenze
der Strafe an, ist es nicht gehindert, die angegebene Obergrenze als Strafe
zu verhängen.
BGH, Beschl. vom 27. Juli 2010 - 1 StR 345/10 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juli 2010 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Januar 2010 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Der Senat merkt an: Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass bei einer Verständigung gemäß § 257c StPO das Gericht nicht gehindert ist, die gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO angegebene Obergrenze der Strafe als Strafe zu verhängen. Gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO kann das Gericht unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Vereinbarung einer bestimmten Strafe ("Punktstrafe"; vgl. hierzu BGHSt 51, 84, 86) bleibt nach wie vor unzulässig. Das Gericht kann im Einverständnis mit den Verfahrensbeteiligten nur einen Strafrahmen, nicht aber eine bestimmte Strafe vereinbaren. Hierbei darf der Angeklagte aber nicht mit einer weit geöffneten "Sanktionsschere" unter Druck gesetzt werden. Die Angabe eines Strafrahmens entspricht dem Grundsatz, dass das Gericht bei der Bemessung der schuldangemessenen Strafe einen Beurteilungsspielraum hat, der nur eingeschränkt vom Revisionsgericht überprüft werden kann. Die Angabe eines Strafrahmens durch das Gericht führt aber nicht dazu, dass es nur die Strafuntergrenze als Strafe festsetzen darf. Einen derartigen Vertrauenstatbestand hat das Gericht nicht geschaffen (a.A. Meyer-Goßner StPO, 53. Aufl., § 257c Rdn. 20 ff.; derselbe ZRP 2009, 107, 109). Die Entscheidung über die konkrete Strafe bleibt der abschließenden Beratung durch das Gericht vorbehalten. Der Angeklagte kann nur darauf vertrauen, dass die Strafe innerhalb des angegebenen Strafrahmens liegt. Er muss daher auch damit rechnen, dass die Strafe die Strafrahmenobergrenze erreicht. Nack Wahl Rothfuß Jäger Sander

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Bezieht ein Versorgungsberechtigter Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen (Absatz 7), erhält er daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze. Satz 1 ist nicht auf Empfänger von Waisengeld anzuwenden.

(2) Als Höchstgrenze gelten

1.
für Ruhestandsbeamte und Witwen die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, mindestens ein Betrag in Höhe des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4, zuzüglich des jeweils zustehenden Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1,
2.
(weggefallen)
3.
für Ruhestandsbeamte, die wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, oder nach § 52 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes in den Ruhestand getreten sind, bis zum Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes erreicht wird, 71,75 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, mindestens ein Betrag in Höhe von 71,75 Prozent des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4, zuzüglich des jeweils zustehenden Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 sowie eines Betrages von monatlich 525 Euro.

(3) (weggefallen)

(4) (weggefallen)

(5) Dem Versorgungsberechtigten ist mindestens ein Betrag in Höhe von 20 Prozent seines jeweiligen Versorgungsbezuges (§ 2) zu belassen. Satz 1 gilt nicht beim Bezug von Verwendungseinkommen, das mindestens aus derselben Besoldungsgruppe oder einer vergleichbaren Entgeltgruppe berechnet wird, aus der sich auch die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge bestimmen. Für sonstiges in der Höhe vergleichbares Verwendungseinkommen gelten Satz 2 und Absatz 7 Satz 4 entsprechend.

(6) Bei der Ruhensberechnung für einen früheren Beamten oder früheren Ruhestandsbeamten, der Anspruch auf Versorgung nach § 38 hat, ist mindestens ein Betrag als Versorgung zu belassen, der unter Berücksichtigung seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge des Dienstunfalles dem Unfallausgleich entspricht. Dies gilt nicht, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit weniger als 25 Prozent beträgt oder wegen desselben Unfalls Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zusteht.

(7) Erwerbseinkommen sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einschließlich Abfindungen, aus selbständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb und aus Land- und Forstwirtschaft. Nicht als Erwerbseinkommen gelten

1.
Aufwandsentschädigungen,
2.
im Rahmen der Einkunftsarten nach Satz 1 anerkannte Betriebsausgaben und Werbungskosten nach dem Einkommensteuergesetz,
3.
Jubiläumszuwendungen,
4.
ein Unfallausgleich nach § 35,
5.
steuerfreie Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 3 Nummer 36 des Einkommensteuergesetzes,
6.
Einkünfte aus Tätigkeiten, die nach Art und Umfang Nebentätigkeiten im Sinne des § 100 Absatz 1 Nummer 2 des Bundesbeamtengesetzes entsprechen,
7.
als Einmalzahlung gewährte Leistungsbezüge im Sinne der Bundesleistungsbesoldungsverordnung und des § 18 (Bund) des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst und vergleichbare Leistungen aus einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst sowie
8.
Bezüge nach den §§ 52 bis 56 des Bundesbesoldungsgesetzes, wenn ein Versorgungsberechtigter auf Grund seiner Verwendung außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes ein Einkommen nach Absatz 8 bezieht.
Erwerbsersatzeinkommen sind Leistungen, die auf Grund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften kurzfristig erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen werden in den Monaten des Zusammentreffens mit Versorgungsbezügen mit einem Zwölftel des im Kalenderjahr erzielten Einkommens angerechnet.

(8) Nach Ablauf des Monats, in dem der Versorgungsberechtigte die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes erreicht, gelten die Absätze 1 bis 7 nur für Erwerbseinkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst (Verwendungseinkommen). Dies ist jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des deutschen öffentlichen Rechts oder ihrer Verbände; ausgenommen ist die Beschäftigung bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden. Der Verwendung im öffentlichen Dienst steht gleich die Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung, an der eine Körperschaft oder ein Verband im Sinne des Satzes 2 durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Ob die Voraussetzungen zutreffen, entscheidet auf Antrag der zuständigen Stelle oder des Versorgungsberechtigten das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.

(9) Bezieht ein Wahlbeamter auf Zeit im Ruhestand neben seinen Versorgungsbezügen Verwendungseinkommen nach Absatz 8, findet an Stelle der Absätze 1 bis 8 § 53 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung Anwendung. Satz 1 gilt entsprechend für Hinterbliebene.

(10) Bezieht ein Beamter im einstweiligen Ruhestand Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen nach Absatz 7, das nicht Verwendungseinkommen nach Absatz 8 ist, ruhen die Versorgungsbezüge um fünfzig Prozent des Betrages, um den sie und das Einkommen die Höchstgrenze übersteigen.

(1) Die Beschäftigungsstelle hat der die Versorgungsbezüge anweisenden Stelle (Regelungsbehörde) jede Verwendung eines Versorgungsberechtigten unter Angabe der gewährten Bezüge, ebenso jede spätere Änderung der Bezüge oder die Zahlungseinstellung sowie die Gewährung einer Versorgung unverzüglich anzuzeigen.

(2) Der Versorgungsberechtigte ist verpflichtet, der Regelungsbehörde

1.
die Verlegung des Wohnsitzes,
2.
den Bezug und jede Änderung von Einkünften nach den §§ 10, 14 Abs. 5, §§ 14a, 22 Abs. 1 Satz 2 und §§ 47, 47a sowie den §§ 53 bis 56 und 61 Abs. 2,
3.
die Witwe auch die Heirat (§ 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) sowie im Falle der Auflösung dieser Ehe den Erwerb und jede Änderung eines neuen Versorgungs-, Unterhalts- oder Rentenanspruchs (§ 61 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz),
4.
die Begründung eines neuen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses oder eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst in den Fällen des § 47 Abs. 5 und des § 47a,
5.
die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
unverzüglich anzuzeigen. Auf Verlangen der Regelungsbehörde ist der Versorgungsberechtigte verpflichtet, Nachweise vorzulegen oder der Erteilung erforderlicher Nachweise oder Auskünfte, die für die Versorgungsbezüge erheblich sind, durch Dritte zuzustimmen. Die Regelungsbehörde oder die für das Bezügezahlungsverfahren zuständige Stelle darf diejenigen Daten übermitteln, die für Datenübermittlungen nach § 69 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 151 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erforderlich sind.

(2a) Wer Dienstunfallfürsorgeleistungen nach Abschnitt 5 beantragt oder erhält, hat gegenüber der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Kommt ein Versorgungsberechtigter der ihm nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 auferlegten Verpflichtung schuldhaft nicht nach, so kann ihm die Versorgung ganz oder teilweise auf Zeit oder Dauer entzogen werden. Beim Vorliegen besonderer Verhältnisse kann die Versorgung ganz oder teilweise wieder zuerkannt werden. Die Entscheidung trifft die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle.

(4) Solange ein Versorgungsberechtigter der Verpflichtung nach Absatz 2 Nummer 1 schuldhaft nicht nachkommt, kann die Auszahlung der Versorgungsbezüge vorübergehend ausgesetzt werden.

(1) Bezieht ein Versorgungsberechtigter Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen (Absatz 7), erhält er daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze. Satz 1 ist nicht auf Empfänger von Waisengeld anzuwenden.

(2) Als Höchstgrenze gelten

1.
für Ruhestandsbeamte und Witwen die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, mindestens ein Betrag in Höhe des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4, zuzüglich des jeweils zustehenden Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1,
2.
(weggefallen)
3.
für Ruhestandsbeamte, die wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, oder nach § 52 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes in den Ruhestand getreten sind, bis zum Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes erreicht wird, 71,75 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, mindestens ein Betrag in Höhe von 71,75 Prozent des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4, zuzüglich des jeweils zustehenden Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 sowie eines Betrages von monatlich 525 Euro.

(3) (weggefallen)

(4) (weggefallen)

(5) Dem Versorgungsberechtigten ist mindestens ein Betrag in Höhe von 20 Prozent seines jeweiligen Versorgungsbezuges (§ 2) zu belassen. Satz 1 gilt nicht beim Bezug von Verwendungseinkommen, das mindestens aus derselben Besoldungsgruppe oder einer vergleichbaren Entgeltgruppe berechnet wird, aus der sich auch die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge bestimmen. Für sonstiges in der Höhe vergleichbares Verwendungseinkommen gelten Satz 2 und Absatz 7 Satz 4 entsprechend.

(6) Bei der Ruhensberechnung für einen früheren Beamten oder früheren Ruhestandsbeamten, der Anspruch auf Versorgung nach § 38 hat, ist mindestens ein Betrag als Versorgung zu belassen, der unter Berücksichtigung seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge des Dienstunfalles dem Unfallausgleich entspricht. Dies gilt nicht, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit weniger als 25 Prozent beträgt oder wegen desselben Unfalls Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zusteht.

(7) Erwerbseinkommen sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einschließlich Abfindungen, aus selbständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb und aus Land- und Forstwirtschaft. Nicht als Erwerbseinkommen gelten

1.
Aufwandsentschädigungen,
2.
im Rahmen der Einkunftsarten nach Satz 1 anerkannte Betriebsausgaben und Werbungskosten nach dem Einkommensteuergesetz,
3.
Jubiläumszuwendungen,
4.
ein Unfallausgleich nach § 35,
5.
steuerfreie Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 3 Nummer 36 des Einkommensteuergesetzes,
6.
Einkünfte aus Tätigkeiten, die nach Art und Umfang Nebentätigkeiten im Sinne des § 100 Absatz 1 Nummer 2 des Bundesbeamtengesetzes entsprechen,
7.
als Einmalzahlung gewährte Leistungsbezüge im Sinne der Bundesleistungsbesoldungsverordnung und des § 18 (Bund) des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst und vergleichbare Leistungen aus einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst sowie
8.
Bezüge nach den §§ 52 bis 56 des Bundesbesoldungsgesetzes, wenn ein Versorgungsberechtigter auf Grund seiner Verwendung außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes ein Einkommen nach Absatz 8 bezieht.
Erwerbsersatzeinkommen sind Leistungen, die auf Grund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften kurzfristig erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen werden in den Monaten des Zusammentreffens mit Versorgungsbezügen mit einem Zwölftel des im Kalenderjahr erzielten Einkommens angerechnet.

(8) Nach Ablauf des Monats, in dem der Versorgungsberechtigte die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes erreicht, gelten die Absätze 1 bis 7 nur für Erwerbseinkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst (Verwendungseinkommen). Dies ist jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des deutschen öffentlichen Rechts oder ihrer Verbände; ausgenommen ist die Beschäftigung bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden. Der Verwendung im öffentlichen Dienst steht gleich die Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung, an der eine Körperschaft oder ein Verband im Sinne des Satzes 2 durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Ob die Voraussetzungen zutreffen, entscheidet auf Antrag der zuständigen Stelle oder des Versorgungsberechtigten das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.

(9) Bezieht ein Wahlbeamter auf Zeit im Ruhestand neben seinen Versorgungsbezügen Verwendungseinkommen nach Absatz 8, findet an Stelle der Absätze 1 bis 8 § 53 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung Anwendung. Satz 1 gilt entsprechend für Hinterbliebene.

(10) Bezieht ein Beamter im einstweiligen Ruhestand Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen nach Absatz 7, das nicht Verwendungseinkommen nach Absatz 8 ist, ruhen die Versorgungsbezüge um fünfzig Prozent des Betrages, um den sie und das Einkommen die Höchstgrenze übersteigen.

(1) Die Beschäftigungsstelle hat der die Versorgungsbezüge anweisenden Stelle (Regelungsbehörde) jede Verwendung eines Versorgungsberechtigten unter Angabe der gewährten Bezüge, ebenso jede spätere Änderung der Bezüge oder die Zahlungseinstellung sowie die Gewährung einer Versorgung unverzüglich anzuzeigen.

(2) Der Versorgungsberechtigte ist verpflichtet, der Regelungsbehörde

1.
die Verlegung des Wohnsitzes,
2.
den Bezug und jede Änderung von Einkünften nach den §§ 10, 14 Abs. 5, §§ 14a, 22 Abs. 1 Satz 2 und §§ 47, 47a sowie den §§ 53 bis 56 und 61 Abs. 2,
3.
die Witwe auch die Heirat (§ 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) sowie im Falle der Auflösung dieser Ehe den Erwerb und jede Änderung eines neuen Versorgungs-, Unterhalts- oder Rentenanspruchs (§ 61 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz),
4.
die Begründung eines neuen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses oder eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst in den Fällen des § 47 Abs. 5 und des § 47a,
5.
die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
unverzüglich anzuzeigen. Auf Verlangen der Regelungsbehörde ist der Versorgungsberechtigte verpflichtet, Nachweise vorzulegen oder der Erteilung erforderlicher Nachweise oder Auskünfte, die für die Versorgungsbezüge erheblich sind, durch Dritte zuzustimmen. Die Regelungsbehörde oder die für das Bezügezahlungsverfahren zuständige Stelle darf diejenigen Daten übermitteln, die für Datenübermittlungen nach § 69 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 151 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erforderlich sind.

(2a) Wer Dienstunfallfürsorgeleistungen nach Abschnitt 5 beantragt oder erhält, hat gegenüber der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Kommt ein Versorgungsberechtigter der ihm nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 auferlegten Verpflichtung schuldhaft nicht nach, so kann ihm die Versorgung ganz oder teilweise auf Zeit oder Dauer entzogen werden. Beim Vorliegen besonderer Verhältnisse kann die Versorgung ganz oder teilweise wieder zuerkannt werden. Die Entscheidung trifft die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle.

(4) Solange ein Versorgungsberechtigter der Verpflichtung nach Absatz 2 Nummer 1 schuldhaft nicht nachkommt, kann die Auszahlung der Versorgungsbezüge vorübergehend ausgesetzt werden.

(1) Bezieht ein Versorgungsberechtigter Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen (Absatz 7), erhält er daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze. Satz 1 ist nicht auf Empfänger von Waisengeld anzuwenden.

(2) Als Höchstgrenze gelten

1.
für Ruhestandsbeamte und Witwen die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, mindestens ein Betrag in Höhe des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4, zuzüglich des jeweils zustehenden Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1,
2.
(weggefallen)
3.
für Ruhestandsbeamte, die wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, oder nach § 52 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes in den Ruhestand getreten sind, bis zum Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes erreicht wird, 71,75 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, mindestens ein Betrag in Höhe von 71,75 Prozent des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4, zuzüglich des jeweils zustehenden Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 sowie eines Betrages von monatlich 525 Euro.

(3) (weggefallen)

(4) (weggefallen)

(5) Dem Versorgungsberechtigten ist mindestens ein Betrag in Höhe von 20 Prozent seines jeweiligen Versorgungsbezuges (§ 2) zu belassen. Satz 1 gilt nicht beim Bezug von Verwendungseinkommen, das mindestens aus derselben Besoldungsgruppe oder einer vergleichbaren Entgeltgruppe berechnet wird, aus der sich auch die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge bestimmen. Für sonstiges in der Höhe vergleichbares Verwendungseinkommen gelten Satz 2 und Absatz 7 Satz 4 entsprechend.

(6) Bei der Ruhensberechnung für einen früheren Beamten oder früheren Ruhestandsbeamten, der Anspruch auf Versorgung nach § 38 hat, ist mindestens ein Betrag als Versorgung zu belassen, der unter Berücksichtigung seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge des Dienstunfalles dem Unfallausgleich entspricht. Dies gilt nicht, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit weniger als 25 Prozent beträgt oder wegen desselben Unfalls Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zusteht.

(7) Erwerbseinkommen sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einschließlich Abfindungen, aus selbständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb und aus Land- und Forstwirtschaft. Nicht als Erwerbseinkommen gelten

1.
Aufwandsentschädigungen,
2.
im Rahmen der Einkunftsarten nach Satz 1 anerkannte Betriebsausgaben und Werbungskosten nach dem Einkommensteuergesetz,
3.
Jubiläumszuwendungen,
4.
ein Unfallausgleich nach § 35,
5.
steuerfreie Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 3 Nummer 36 des Einkommensteuergesetzes,
6.
Einkünfte aus Tätigkeiten, die nach Art und Umfang Nebentätigkeiten im Sinne des § 100 Absatz 1 Nummer 2 des Bundesbeamtengesetzes entsprechen,
7.
als Einmalzahlung gewährte Leistungsbezüge im Sinne der Bundesleistungsbesoldungsverordnung und des § 18 (Bund) des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst und vergleichbare Leistungen aus einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst sowie
8.
Bezüge nach den §§ 52 bis 56 des Bundesbesoldungsgesetzes, wenn ein Versorgungsberechtigter auf Grund seiner Verwendung außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes ein Einkommen nach Absatz 8 bezieht.
Erwerbsersatzeinkommen sind Leistungen, die auf Grund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften kurzfristig erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen werden in den Monaten des Zusammentreffens mit Versorgungsbezügen mit einem Zwölftel des im Kalenderjahr erzielten Einkommens angerechnet.

(8) Nach Ablauf des Monats, in dem der Versorgungsberechtigte die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes erreicht, gelten die Absätze 1 bis 7 nur für Erwerbseinkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst (Verwendungseinkommen). Dies ist jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des deutschen öffentlichen Rechts oder ihrer Verbände; ausgenommen ist die Beschäftigung bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden. Der Verwendung im öffentlichen Dienst steht gleich die Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung, an der eine Körperschaft oder ein Verband im Sinne des Satzes 2 durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Ob die Voraussetzungen zutreffen, entscheidet auf Antrag der zuständigen Stelle oder des Versorgungsberechtigten das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.

(9) Bezieht ein Wahlbeamter auf Zeit im Ruhestand neben seinen Versorgungsbezügen Verwendungseinkommen nach Absatz 8, findet an Stelle der Absätze 1 bis 8 § 53 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung Anwendung. Satz 1 gilt entsprechend für Hinterbliebene.

(10) Bezieht ein Beamter im einstweiligen Ruhestand Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen nach Absatz 7, das nicht Verwendungseinkommen nach Absatz 8 ist, ruhen die Versorgungsbezüge um fünfzig Prozent des Betrages, um den sie und das Einkommen die Höchstgrenze übersteigen.

(1) Die Beschäftigungsstelle hat der die Versorgungsbezüge anweisenden Stelle (Regelungsbehörde) jede Verwendung eines Versorgungsberechtigten unter Angabe der gewährten Bezüge, ebenso jede spätere Änderung der Bezüge oder die Zahlungseinstellung sowie die Gewährung einer Versorgung unverzüglich anzuzeigen.

(2) Der Versorgungsberechtigte ist verpflichtet, der Regelungsbehörde

1.
die Verlegung des Wohnsitzes,
2.
den Bezug und jede Änderung von Einkünften nach den §§ 10, 14 Abs. 5, §§ 14a, 22 Abs. 1 Satz 2 und §§ 47, 47a sowie den §§ 53 bis 56 und 61 Abs. 2,
3.
die Witwe auch die Heirat (§ 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) sowie im Falle der Auflösung dieser Ehe den Erwerb und jede Änderung eines neuen Versorgungs-, Unterhalts- oder Rentenanspruchs (§ 61 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz),
4.
die Begründung eines neuen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses oder eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst in den Fällen des § 47 Abs. 5 und des § 47a,
5.
die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
unverzüglich anzuzeigen. Auf Verlangen der Regelungsbehörde ist der Versorgungsberechtigte verpflichtet, Nachweise vorzulegen oder der Erteilung erforderlicher Nachweise oder Auskünfte, die für die Versorgungsbezüge erheblich sind, durch Dritte zuzustimmen. Die Regelungsbehörde oder die für das Bezügezahlungsverfahren zuständige Stelle darf diejenigen Daten übermitteln, die für Datenübermittlungen nach § 69 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 151 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erforderlich sind.

(2a) Wer Dienstunfallfürsorgeleistungen nach Abschnitt 5 beantragt oder erhält, hat gegenüber der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Kommt ein Versorgungsberechtigter der ihm nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 auferlegten Verpflichtung schuldhaft nicht nach, so kann ihm die Versorgung ganz oder teilweise auf Zeit oder Dauer entzogen werden. Beim Vorliegen besonderer Verhältnisse kann die Versorgung ganz oder teilweise wieder zuerkannt werden. Die Entscheidung trifft die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle.

(4) Solange ein Versorgungsberechtigter der Verpflichtung nach Absatz 2 Nummer 1 schuldhaft nicht nachkommt, kann die Auszahlung der Versorgungsbezüge vorübergehend ausgesetzt werden.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Die Beschäftigungsstelle hat der die Versorgungsbezüge anweisenden Stelle (Regelungsbehörde) jede Verwendung eines Versorgungsberechtigten unter Angabe der gewährten Bezüge, ebenso jede spätere Änderung der Bezüge oder die Zahlungseinstellung sowie die Gewährung einer Versorgung unverzüglich anzuzeigen.

(2) Der Versorgungsberechtigte ist verpflichtet, der Regelungsbehörde

1.
die Verlegung des Wohnsitzes,
2.
den Bezug und jede Änderung von Einkünften nach den §§ 10, 14 Abs. 5, §§ 14a, 22 Abs. 1 Satz 2 und §§ 47, 47a sowie den §§ 53 bis 56 und 61 Abs. 2,
3.
die Witwe auch die Heirat (§ 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) sowie im Falle der Auflösung dieser Ehe den Erwerb und jede Änderung eines neuen Versorgungs-, Unterhalts- oder Rentenanspruchs (§ 61 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz),
4.
die Begründung eines neuen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses oder eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst in den Fällen des § 47 Abs. 5 und des § 47a,
5.
die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
unverzüglich anzuzeigen. Auf Verlangen der Regelungsbehörde ist der Versorgungsberechtigte verpflichtet, Nachweise vorzulegen oder der Erteilung erforderlicher Nachweise oder Auskünfte, die für die Versorgungsbezüge erheblich sind, durch Dritte zuzustimmen. Die Regelungsbehörde oder die für das Bezügezahlungsverfahren zuständige Stelle darf diejenigen Daten übermitteln, die für Datenübermittlungen nach § 69 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 151 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erforderlich sind.

(2a) Wer Dienstunfallfürsorgeleistungen nach Abschnitt 5 beantragt oder erhält, hat gegenüber der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Kommt ein Versorgungsberechtigter der ihm nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 auferlegten Verpflichtung schuldhaft nicht nach, so kann ihm die Versorgung ganz oder teilweise auf Zeit oder Dauer entzogen werden. Beim Vorliegen besonderer Verhältnisse kann die Versorgung ganz oder teilweise wieder zuerkannt werden. Die Entscheidung trifft die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle.

(4) Solange ein Versorgungsberechtigter der Verpflichtung nach Absatz 2 Nummer 1 schuldhaft nicht nachkommt, kann die Auszahlung der Versorgungsbezüge vorübergehend ausgesetzt werden.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Bezieht ein Versorgungsberechtigter Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen (Absatz 7), erhält er daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze. Satz 1 ist nicht auf Empfänger von Waisengeld anzuwenden.

(2) Als Höchstgrenze gelten

1.
für Ruhestandsbeamte und Witwen die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, mindestens ein Betrag in Höhe des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4, zuzüglich des jeweils zustehenden Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1,
2.
(weggefallen)
3.
für Ruhestandsbeamte, die wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, oder nach § 52 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes in den Ruhestand getreten sind, bis zum Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes erreicht wird, 71,75 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, mindestens ein Betrag in Höhe von 71,75 Prozent des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4, zuzüglich des jeweils zustehenden Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 sowie eines Betrages von monatlich 525 Euro.

(3) (weggefallen)

(4) (weggefallen)

(5) Dem Versorgungsberechtigten ist mindestens ein Betrag in Höhe von 20 Prozent seines jeweiligen Versorgungsbezuges (§ 2) zu belassen. Satz 1 gilt nicht beim Bezug von Verwendungseinkommen, das mindestens aus derselben Besoldungsgruppe oder einer vergleichbaren Entgeltgruppe berechnet wird, aus der sich auch die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge bestimmen. Für sonstiges in der Höhe vergleichbares Verwendungseinkommen gelten Satz 2 und Absatz 7 Satz 4 entsprechend.

(6) Bei der Ruhensberechnung für einen früheren Beamten oder früheren Ruhestandsbeamten, der Anspruch auf Versorgung nach § 38 hat, ist mindestens ein Betrag als Versorgung zu belassen, der unter Berücksichtigung seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge des Dienstunfalles dem Unfallausgleich entspricht. Dies gilt nicht, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit weniger als 25 Prozent beträgt oder wegen desselben Unfalls Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zusteht.

(7) Erwerbseinkommen sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einschließlich Abfindungen, aus selbständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb und aus Land- und Forstwirtschaft. Nicht als Erwerbseinkommen gelten

1.
Aufwandsentschädigungen,
2.
im Rahmen der Einkunftsarten nach Satz 1 anerkannte Betriebsausgaben und Werbungskosten nach dem Einkommensteuergesetz,
3.
Jubiläumszuwendungen,
4.
ein Unfallausgleich nach § 35,
5.
steuerfreie Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 3 Nummer 36 des Einkommensteuergesetzes,
6.
Einkünfte aus Tätigkeiten, die nach Art und Umfang Nebentätigkeiten im Sinne des § 100 Absatz 1 Nummer 2 des Bundesbeamtengesetzes entsprechen,
7.
als Einmalzahlung gewährte Leistungsbezüge im Sinne der Bundesleistungsbesoldungsverordnung und des § 18 (Bund) des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst und vergleichbare Leistungen aus einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst sowie
8.
Bezüge nach den §§ 52 bis 56 des Bundesbesoldungsgesetzes, wenn ein Versorgungsberechtigter auf Grund seiner Verwendung außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes ein Einkommen nach Absatz 8 bezieht.
Erwerbsersatzeinkommen sind Leistungen, die auf Grund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften kurzfristig erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen werden in den Monaten des Zusammentreffens mit Versorgungsbezügen mit einem Zwölftel des im Kalenderjahr erzielten Einkommens angerechnet.

(8) Nach Ablauf des Monats, in dem der Versorgungsberechtigte die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes erreicht, gelten die Absätze 1 bis 7 nur für Erwerbseinkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst (Verwendungseinkommen). Dies ist jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des deutschen öffentlichen Rechts oder ihrer Verbände; ausgenommen ist die Beschäftigung bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden. Der Verwendung im öffentlichen Dienst steht gleich die Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung, an der eine Körperschaft oder ein Verband im Sinne des Satzes 2 durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Ob die Voraussetzungen zutreffen, entscheidet auf Antrag der zuständigen Stelle oder des Versorgungsberechtigten das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.

(9) Bezieht ein Wahlbeamter auf Zeit im Ruhestand neben seinen Versorgungsbezügen Verwendungseinkommen nach Absatz 8, findet an Stelle der Absätze 1 bis 8 § 53 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung Anwendung. Satz 1 gilt entsprechend für Hinterbliebene.

(10) Bezieht ein Beamter im einstweiligen Ruhestand Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen nach Absatz 7, das nicht Verwendungseinkommen nach Absatz 8 ist, ruhen die Versorgungsbezüge um fünfzig Prozent des Betrages, um den sie und das Einkommen die Höchstgrenze übersteigen.

Bezieht ein Versorgungsempfänger Altersgeld, Witwenaltersgeld oder Waisenaltersgeld nach dem Altersgeldgesetz vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3386) oder eine vergleichbare Alterssicherungsleistung, ruhen seine Versorgungsbezüge nach Anwendung des § 55 in Höhe des jeweiligen Betrages des Altersgelds, Witwenaltersgelds oder Waisenaltersgelds. Satz 1 gilt nicht beim Bezug einer Mindestversorgung nach § 14 Absatz 4. Beim Zusammentreffen von Ruhegehalt mit Witwenaltersgeld wird mindestens ein Betrag in Höhe des Ruhegehalts zuzüglich 20 Prozent des Witwenaltersgelds gezahlt. Beim Zusammentreffen von Witwen- oder Witwergeld mit Altersgeld wird mindestens ein Betrag in Höhe des Altersgelds zuzüglich 20 Prozent des Witwen- oder Witwergelds gezahlt.

(1) Für Versorgungsfälle, die vor dem 1. Januar 1999 eingetreten sind, finden § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 3 bis 5, die §§ 7, 14 Abs. 6 sowie die §§ 43 und 66 Abs. 6 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung Anwendung. Satz 1 gilt entsprechend für künftige Hinterbliebene eines vor dem 1. Januar 1999 vorhandenen Versorgungsempfängers.

(2) Für Beamte, die vor dem 1. Januar 2001 befördert worden sind oder denen ein anderes Amt mit höherem Endgrundgehalt verliehen worden ist, findet § 5 Abs. 3 bis 5 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung Anwendung.

(3) Für Beamte, denen erstmals vor dem 1. Januar 1999 ein Amt im Sinne des § 36 des Bundesbeamtengesetzes in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung oder des entsprechenden Landesrechts übertragen worden war, finden § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, die §§ 7 und 14 Abs. 6 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung Anwendung.

(4) Die §§ 53 und 53a in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung finden, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger ist, längstens für weitere sieben Jahre vom 1. Januar 1999 an, Anwendung, solange eine am 31. Dezember 1998 über diesen Zeitpunkt hinaus ausgeübte Beschäftigung oder Tätigkeit des Versorgungsempfängers andauert. Im Falle des Satzes 1 sind ebenfalls anzuwenden § 2 Abs. 5 Satz 4, Abs. 7 und 8 des Gesetzes zur Übernahme der Beamten und Arbeitnehmer der Bundesanstalt für Flugsicherung vom 23. Juli 1992 (BGBl. I S. 1370, 1376) in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung sowie § 2 Abs. 3 des Bundeswehrbeamtenanpassungsgesetzes vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2378) in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung und § 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur in der Bundeszollverwaltung vom 11. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2682, 2690) in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung.

(1) Bezieht ein Versorgungsberechtigter Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen (Absatz 7), erhält er daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze. Satz 1 ist nicht auf Empfänger von Waisengeld anzuwenden.

(2) Als Höchstgrenze gelten

1.
für Ruhestandsbeamte und Witwen die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, mindestens ein Betrag in Höhe des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4, zuzüglich des jeweils zustehenden Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1,
2.
(weggefallen)
3.
für Ruhestandsbeamte, die wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, oder nach § 52 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes in den Ruhestand getreten sind, bis zum Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes erreicht wird, 71,75 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet, mindestens ein Betrag in Höhe von 71,75 Prozent des Eineinhalbfachen der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4, zuzüglich des jeweils zustehenden Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 sowie eines Betrages von monatlich 525 Euro.

(3) (weggefallen)

(4) (weggefallen)

(5) Dem Versorgungsberechtigten ist mindestens ein Betrag in Höhe von 20 Prozent seines jeweiligen Versorgungsbezuges (§ 2) zu belassen. Satz 1 gilt nicht beim Bezug von Verwendungseinkommen, das mindestens aus derselben Besoldungsgruppe oder einer vergleichbaren Entgeltgruppe berechnet wird, aus der sich auch die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge bestimmen. Für sonstiges in der Höhe vergleichbares Verwendungseinkommen gelten Satz 2 und Absatz 7 Satz 4 entsprechend.

(6) Bei der Ruhensberechnung für einen früheren Beamten oder früheren Ruhestandsbeamten, der Anspruch auf Versorgung nach § 38 hat, ist mindestens ein Betrag als Versorgung zu belassen, der unter Berücksichtigung seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge des Dienstunfalles dem Unfallausgleich entspricht. Dies gilt nicht, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit weniger als 25 Prozent beträgt oder wegen desselben Unfalls Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zusteht.

(7) Erwerbseinkommen sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einschließlich Abfindungen, aus selbständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb und aus Land- und Forstwirtschaft. Nicht als Erwerbseinkommen gelten

1.
Aufwandsentschädigungen,
2.
im Rahmen der Einkunftsarten nach Satz 1 anerkannte Betriebsausgaben und Werbungskosten nach dem Einkommensteuergesetz,
3.
Jubiläumszuwendungen,
4.
ein Unfallausgleich nach § 35,
5.
steuerfreie Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 3 Nummer 36 des Einkommensteuergesetzes,
6.
Einkünfte aus Tätigkeiten, die nach Art und Umfang Nebentätigkeiten im Sinne des § 100 Absatz 1 Nummer 2 des Bundesbeamtengesetzes entsprechen,
7.
als Einmalzahlung gewährte Leistungsbezüge im Sinne der Bundesleistungsbesoldungsverordnung und des § 18 (Bund) des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst und vergleichbare Leistungen aus einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst sowie
8.
Bezüge nach den §§ 52 bis 56 des Bundesbesoldungsgesetzes, wenn ein Versorgungsberechtigter auf Grund seiner Verwendung außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes ein Einkommen nach Absatz 8 bezieht.
Erwerbsersatzeinkommen sind Leistungen, die auf Grund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften kurzfristig erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen werden in den Monaten des Zusammentreffens mit Versorgungsbezügen mit einem Zwölftel des im Kalenderjahr erzielten Einkommens angerechnet.

(8) Nach Ablauf des Monats, in dem der Versorgungsberechtigte die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes erreicht, gelten die Absätze 1 bis 7 nur für Erwerbseinkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst (Verwendungseinkommen). Dies ist jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des deutschen öffentlichen Rechts oder ihrer Verbände; ausgenommen ist die Beschäftigung bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden. Der Verwendung im öffentlichen Dienst steht gleich die Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung, an der eine Körperschaft oder ein Verband im Sinne des Satzes 2 durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Ob die Voraussetzungen zutreffen, entscheidet auf Antrag der zuständigen Stelle oder des Versorgungsberechtigten das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.

(9) Bezieht ein Wahlbeamter auf Zeit im Ruhestand neben seinen Versorgungsbezügen Verwendungseinkommen nach Absatz 8, findet an Stelle der Absätze 1 bis 8 § 53 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung Anwendung. Satz 1 gilt entsprechend für Hinterbliebene.

(10) Bezieht ein Beamter im einstweiligen Ruhestand Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen nach Absatz 7, das nicht Verwendungseinkommen nach Absatz 8 ist, ruhen die Versorgungsbezüge um fünfzig Prozent des Betrages, um den sie und das Einkommen die Höchstgrenze übersteigen.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14. Oktober 2008 - 3 K 282/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 19.890,39 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Rückforderung von Versorgungsbezügen in Höhe von 19.890,39 EUR betreffend den Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum 31.12.2004 unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide, seinen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erlassenen Beschluss vom 23.11.2006 - 3 F 31/06 - und den Beschluss des Senats vom 9.3.2007 - 1 W 58/06 - abgewiesen und bekräftigt, dass zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG auch die Gewinnanteile einer Gesellschaft zählen, wobei Erwerbseinkommen des Kalenderjahres der steuerliche - in der Einkommensteuerveranlagung des jeweiligen Jahres ausgewiesene - Gewinn sei und im Einkommensteuerrecht vortragsfähige Verlustabzüge aus früheren Jahren infolge erheblicher Investitionen in den Aufbau des Gewerbes bei der Ruhensberechnung im Rahmen des § 53 BeamtVG keine Berücksichtigung finden könnten. Insbesondere sei die Rechtsposition des Klägers, der im fraglichen Zeitraum Inhaber und damit für die Geschäftsführung des Gewerbebetriebs verantwortlich gewesen sei, nicht mit derjenigen eines Kommanditisten vergleichbar, weswegen die erzielten Gewinne nicht mit der Folge ihrer Nichtberücksichtigung bei der Ruhensberechnung mit Einkünften aus einer Kapitalanlage gleichgestellt werden könnten.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 17.12.2008 gibt keine Veranlassung, das Urteil des Verwaltungsgerichts einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Es sind weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) beziehungsweise eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) aufgezeigt.

1. Der Kläger meint zunächst, die in den Einkommensteuerbescheiden der streitgegenständlichen Jahre ausgewiesenen Gewinne unterfielen nicht den Ruhensregelungen des § 53 BeamtVG.

So sei die Berücksichtigung von Erwerbseinkommen nach § 53 Abs. 7 BeamtVG nach den Vorstellungen des Gesetzgebers und der Auslegung durch die Gerichte auf den Fall zugeschnitten, dass dem Versorgungsberechtigten gerade infolge seiner vorzeitigen Ruhestandsversetzung die Möglichkeit eröffnet werde, durch eine anderweitige Erwerbstätigkeit ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Er hingegen habe sein Gewerbe schon zur Zeit seiner aktiven Beamtentätigkeit als genehmigte Nebentätigkeit betrieben, so dass die Vorschrift schon mangels Ursächlichkeit der Ruhestandsversetzung nicht zur Anwendung gelangen könne (1.1). Seit Ende der 90er Jahre sei er zudem dienstunfallbedingt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen, sich selbst um den Betrieb zu kümmern, sondern habe insoweit die Wahrnehmung aller organisatorischen Aufgaben seinem Sohn überlassen müssen, so dass es an einer eigenen Erwerbstätigkeit, die von § 53 Abs. 7 BeamtVG vorausgesetzt werde, gefehlt habe und die erwirtschafteten Gewinne sich mithin für ihn - vergleichbar der Stellung eines Aktionärs oder Kommanditisten - als der Ertrag einer Kapitalanlage dargestellt hätten (1.2). Diesen rechtlichen Ansätzen kann nicht gefolgt werden.

1.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Nichtzulassungsbeschluss vom 23.7.2009 (BVerwG, Beschluss vom 23.7.2009 - 2 B 53.09 -, juris) klargestellt, dass sich aus seiner Rechtsprechung zum Grundsatz des Vorteilsausgleichs (zuletzt zusammenfassend Urteil vom 17.12.2008 - 2 C 26.07 -, ZBR 2009, 203, 204) ergebe, dass für die Anwendung dieses Grundsatzes erforderlich, aber auch ausreichend sei, dass das Gegenseitigkeitsverhältnis von Alimentation und Dienstleistung aufgrund des vorzeitigen Wegfalls der Dienstleistungspflicht gestört sei. Der Beamte, der vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze in den Ruhestand getreten sei, müsse die Anrechnung des im vorzeitigen Ruhestand erzielten Erwerbseinkommens schon deshalb hinnehmen, weil er vorzeitig keinen Dienst mehr leiste. Die Anrechnung sei gerechtfertigt, weil dem Dienstherrn die Arbeitskraft des Beamten nicht mehr zur Verfügung stehe, obwohl das zeitliche Verhältnis von Dienstzeit und Ruhestand nicht ausgewogen sei. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, von der Anwendung des Grundsatzes des Vorteilsausgleichs abzusehen, wenn Beamte von einer gesetzlichen Möglichkeit des vorzeitigen Ausscheidens aus dem aktiven Dienst Gebrauch machten. Hieraus folge, dass die Anrechnung von Einkünften nach § 53 BeamtVG auch dann dem Zweck des Vorteilsausgleichs entspreche, wenn sie durch Erwerbstätigkeiten erzielt würden, die ihrer Art nach Tätigkeiten entsprächen, die der Beamte im aktiven Dienst außerhalb der Dienstzeiten als genehmigte Nebentätigkeiten ausgeübt habe. (BVerwG, Beschluss vom 23.7.2009, a. a. O.)

Damit ist die klägerseits aufgeworfene Frage, ob § 53 Abs. 7 BeamtVG nach der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift voraussetzt, dass der Versorgungsempfänger die Einkünfte nur erzielen kann, weil seine Verpflichtung zur Dienstleistung vorzeitig entfallen ist und er dadurch zeitliche Freiräume gewonnen hat, höchstrichterlich in dem Sinne geklärt, dass ein derart einschränkendes Verständnis mit dem Grundsatz des Vorteilsausgleichs nicht vereinbar ist. Nicht anders hat dies das Oberverwaltungsgericht Münster in seinem Urteil vom 5.3.2009 (OVG Münster, Urteil vom 5.3.2009 - 1 A 2560/07 -, juris) gesehen, das Gegenstand der vom Bundesverwaltungsgericht durch den zitierten Beschluss zurückgewiesenen Nichtzulassungsbeschwerde war. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat argumentiert, eine Unterscheidung danach, ob eine Nebentätigkeit erstmals nach Eintritt in den Ruhestand oder bereits während des aktiven Dienstes aufgenommen wird, verbiete sich sowohl angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlautes als auch mit Blick auf den Willen des Gesetzgebers, der ausweislich der Gesetzesbegründung zur Einführung der Anrechnung privatwirtschaftlicher Erwerbseinkommen zum Ausdruck gebracht habe, dass deren Anrechnung ebenso wie bei den Verwendungseinkommen - für die Tz 53.1.1 der Verwaltungsvorschriften zu § 53 BeamtVG a.F. eine Differenzierung danach ,ob die Tätigkeit vor oder nach Ruhestandsbeginn aufgenommen wurde, ausschließe -, auch dann zu erfolgen habe, wenn die Beschäftigung oder Tätigkeit bereits vor Beginn des Ruhestands ausgeübt wurde. (BT-Drs 11/5136, S. 25) Auch diese Argumentation überzeugt.

1.2. Der Einwand des Klägers, eine Anrechnung der erzielten Gewinne scheide fallbezogen aus, da er faktisch keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, steht der Anwendung der Ruhensregelung ebenfalls nicht entgegen. Der Kläger trägt vor, er sei in den streitgegenständlichen Jahren infolge seiner (dienstunfallbedingten) psychischen Probleme nicht in der Lage gewesen, sich um den Betrieb zu kümmern und in diesem erwerbswirtschaftlich tätig zu sein, weswegen seine Rechtsposition de facto derjenigen eines Aktionärs bzw. Kommanditisten vergleichbar gewesen sei, deren Einkünfte aus Kapitalanlage der Ruhensregelung nicht unterlägen.

Zunächst ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass das Oberverwaltungsgericht Münster in der von ihm zitierten Entscheidung (OVG Münster, Urteil vom 20.6.2007 - 21 A 2664/05 -, IÖD 2007, 213; ebenso VG München, Urteil vom 20.6.2006 - M 5 K 05.3015 -, juris) mit überzeugender Begründung dargelegt hat, dass der Begriff der „Einkünfte“ infolge der unterschiedlichen Regelungsmaterien des Steuerrechts und des Beamtenversorgungsrechts in den jeweiligen Vorschriften nicht inhaltsgleich zu verstehen sei und es daher gerechtfertigt sein könne, Einkünfte, die von der Finanzverwaltung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb veranlagt worden sind, versorgungsrechtlich wie Einkünfte aus einer Kapitalanlage zu behandeln. Eine solche Fallgestaltung sei anzunehmen, wenn feststehe, dass ein Kommanditist, der von der Finanzverwaltung als Mitunternehmer angesehen und daher zu Einkünften aus Gewerbebetrieb veranlagt wird, keinerlei Geschäftstätigkeit - weder als Mitarbeiter noch in anderer Art und Weise - für die Kommanditgesellschaft entfalte, wegen der geringen Größe des (geerbten) Kommanditanteils in der Gesellschaftsversammlung nicht eigenständig vertretungsberechtigt ist und keinem Organ der Gesellschaft angehöre. Unter derartigen Voraussetzungen sei sein Gewinnanteil versorgungsrechtlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandeln. Eine solche Handhabung rechtfertigende Konstellation ist indes auch unter Zugrundelegung des Sachvortrags des Klägers fallbezogen auszuschließen.

Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Senat angesichts der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen und sonstigen Unterlagen keinen Grund zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit der Behauptung des Klägers sieht, dieser habe die Wahrnehmung aller organisatorischen Tätigkeiten im streitgegenständlichen Zeitraum wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen seinem Sohn überlassen. Denn allein der Umstand, dass der Kläger sich aus gesundheitlichen Gründen aus der laufenden Geschäftstätigkeit zurückgezogen und deren Vornahme seinem Sohn überlassen hat, ändert nichts daran, dass er nach wie vor derjenige war, auf dessen unternehmerisches Risiko und in dessen Verantwortung die gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wurde. Seine Rechtsstellung als Betriebsinhaber zeichnete sich dadurch aus, dass er jederzeit auf die Führung des Betriebs Einfluss nehmen konnte. Dies hebt ihn im Rahmen der nach § 53 Abs 7 BeamtVG vorzunehmenden, an objektiven Kriterien zu orientierenden Würdigung signifikant von einem bloßen Kapitalanleger ab.

Ausweislich der Gewerbeabmeldung zum 31.5.2006 (Bl. 82 der Akte des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens) war der Gewerbebetrieb in der Rechtsform „natürl. Person“ gemeldet; als Betriebsinhaber war der Kläger benannt.

Als Inhaber des Betriebs war der Kläger mithin gerade auch im Verhältnis zu seinem in dem Betrieb beschäftigten Sohn derjenige, der Kraft seiner Rechtsstellung den notwendigen Einfluss zu nehmen vermochte, auch wenn er den Sohn rein tatsächlich die Geschäfte betreiben ließ. (vgl. hierzu auch: Verwaltungsvorschrift vom 6.12.1991 (BMI-Rundschreiben) zu § 53 a BeamtVG - D III 4 - 223 311 - 3/1, Nr. 8.5.1, textlich wiedergegeben in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Kommentar, Hauptband II, 86. Aktualisierung, April 2009, Erl. 13 b zu § 53 BeamtVG Anm. 3, wo es heißt: Selbständig erwerbstätig ist, wer in einem Betrieb die erforderlichen Willensentscheidungen eigenverantwortlich und persönlich unabhängig trifft und vom wirtschaftlichen Ergebnis den unmittelbaren Vor- oder Nachteil hat, d. h. die Tätigkeit muss auf eigene Rechnung (Unternehmerrisiko) und auf eigene Verantwortung (Unternehmerinitiative) ausgeübt werden. Selbständig erwerbstätig ist damit auch, wer kraft seiner Stellung in dem Betrieb den notwendigen Einfluss zu nehmen vermag, auch wenn er das Geschäft andere betreiben lässt.) Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu der Stellung eines Kommanditisten, der - wie in dem vom Oberverwaltungsgericht Münster entschiedenen Fall - nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich keinen Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens genommen hat beziehungsweise nehmen konnte. Ob einem solchen Kommanditisten Gewinne zufließen oder nicht, hängt ausschließlich von den von ihm nicht beeinflussbaren unternehmerischen Entscheidungen anderer ab.

Der Kläger war hingegen als Betriebsinhaber im streitigen Zeitraum rechtlich derjenige, der die unternehmerischen Entscheidungen zu treffen und zu verantworten und vom wirtschaftlichen Ergebnis den unmittelbaren Vor- oder Nachteil hatte. Ob er von seinen Gestaltungsmöglichkeiten im alltäglichen Geschäftsbetrieb Gebrauch machte oder ob er sich aus freier Entscheidung oder wegen gesundheitlicher Zwänge ganz oder teilweise auf seinen Sohn verließ, kann im Rahmen der Auslegung des § 53 Abs. 7 BeamtVG keine entscheidende Rolle spielen, da anerkanntermaßen (vgl. die in den in Bezug genommene Verwaltungsvorschriften vom 6.12.1991 vorgegebenen Kriterien) selbständig erwerbstätig ist, wer kraft seiner Stellung in dem Betrieb den notwendigen Einfluss zu vernehmen vermag, auch wenn er das Geschäft andere betreiben lässt. Dass der Kläger der verantwortliche Unternehmer geblieben ist, wird mithin nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Sohn alle organisatorischen Tätigkeiten wahrgenommen hat und im Übrigen dadurch bestätigt, dass - wie sich an Hand der Darlehensverträge zeigt - im Außenverhältnis jedenfalls hinsichtlich Verträgen, die über die laufende Geschäftsführung hinausgingen, der Kläger tätig werden musste. Damit steht nach dem unstreitigen Sachverhalt fest, dass sich im Fall des Klägers die Annahme verbietet, die ihm in den streitgegenständlichen Jahren zugeflossenen Gewinne unterfielen nicht dem Begriff der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 53 Abs. 7 BeamtVG, sondern seien als - im Rahmen der Ruhensregelung nicht berücksichtigungsfähige - Einkünfte aus Kapitalanlage zu behandeln. Der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf es in diesem Zusammenhang nicht.

2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Der Kläger macht insoweit geltend, die Frage, ob und inwieweit negative Einkünfte aus Vorjahren im Rahmen der Ruhensregelung Berücksichtigung finden können und müssen, sei entscheidungsrelevant, von über den Einzelfall hinausgehendem allgemeinen Interesse und höchstrichterlich noch nicht geklärt.

In materiell-rechtlicher Hinsicht wird zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit negativer Einkünfte aus Vorjahren vollinhaltlich Bezug genommen auf die Ausführungen des Senats in seinem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 9.3.2007 - 1 W 58/06 -, juris) . Einer sich aus dem Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung ergebenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache steht entgegen, dass die Beantwortung der als klärungsbedürftig bezeichneten Frage sich letztlich bereits aus dem Gesetz ergibt.

So ist in § 53 Abs. 7 Satz 4 und Satz 5 BeamtVG geregelt, dass die Berücksichtigung des Erwerbs- und des Erwerbsersatzeinkommens monatsbezogen erfolgt und dass in Fällen, in denen das Einkommen nicht in Monatsbeträgen erzielt wird, das Einkommen des Kalenderjahres, geteilt durch zwölf Kalendermonate, anzusetzen ist. Durch letztere Regelung (Satz 5) ist für Einkünfte aus Gewerbebetrieben, die typischerweise nicht monatsbezogen erzielt, sondern im jährlichen Steuerbescheid als Jahreseinkünfte festgesetzt werden, kraft Gesetzes vorgesehen, dass diese Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit - seien sie positiver oder negativer Natur - jahresbezogen ermittelt werden und im Rahmen der Ruhensberechnung verteilt auf die zwölf Kalendermonate des jeweiligen Jahres in Ansatz zu bringen sind. Diese gesetzlich vorgegebene Handhabung schließt eine den Gewinn eines bestimmten Geschäftsjahres mindernde Berücksichtigung von Verlusten aus vorangegangenen Geschäftsjahren aus, was schon deshalb als sachangemessen zu erachten ist, weil - wie der Senat bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeführt hat - in einem früheren Geschäftsjahr angefallene negative Einkünfte (Verluste) naturgemäß bereits in diesem Geschäftsjahr gewinnmindernd berücksichtigt worden sind. Waren die Verluste in der Vergangenheit - wie nach dem Vortrag des Klägers im vorliegenden Fall - über mehrere Jahre hinweg höher als die Gewinne, so dass der Versorgungsempfänger die hierdurch bedingten negativen Einkünfte aus seinem Gewerbebetrieb aus seinen laufenden Versorgungsbezügen abdecken musste, so rechtfertigen verbliebene Verbindlichkeiten keine dem Versorgungsempfänger günstigere Sichtweise. Dem Dienstherrn obliegt die Gewährleistung einer amtsangemessenen Alimentation, ohne dass er Einfluss darauf hat, für welche Zwecke der Versorgungsempfänger seine Bezüge verwendet. Zudem unterfällt es dem alleinigen Verantwortungsbereich des selbständig erwerbstätigen Versorgungsempfängers, welche unternehmerischen Entscheidungen er bei anhaltenden Verlusten trifft. Entscheidet er sich trotz jahrelanger Verluste für eine Geschäftsfortführung, so liegt es außerhalb des Pflichtenkreises des Dienstherrn, den Versorgungsempfänger im Rahmen der Ruhensberechnung durch Verminderung aktueller Gewinne um die Verluste früherer Geschäftsjahre zu entlasten und sich damit letztendlich an dem unternehmerischen Risiko zu beteiligen. Ergibt sich mithin unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 53 Abs. 7 Satz 5 BeamtVG, dass für die Ruhensberechnung die positiven oder negativen Einkünfte des jeweiligen Kalenderjahres maßgeblich sind, und bestehen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung keine Bedenken an der Systemgerechtigkeit einer solchen gesetzlichen Vorgabe (vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 31.3.2000 - 2 B 67.99 -, Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 10, und Urteil vom 12.6.1975 - II C 45.73 -, Buchholz 238.41 § 53 SVG Nr. 1) , so besteht in diesem Zusammenhang kein höchstrichterlicher Klärungsbedarf.

3. Schließlich überzeugt die Argumentation des Klägers, die Rückforderung der überzahlten Versorgungsbezüge leide mangels einer Billigkeitsentscheidung nach Maßgabe des § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG an einem Ermessensfehler, nicht. Auch insoweit bedarf es weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens.

In dem Widerspruchsbescheid heißt es diesbezüglich, ein (teilweiser) Erlass der Rückforderung sei nicht in Betracht gekommen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts habe die Billigkeitsentscheidung die Aufgabe, eine den Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Bereicherten tragbare Lösung zu finden, bei der Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielten. Vorliegend sei die Rückforderung - wie bereits im Ausgangsbescheid ausgeführt - allein auf eine gröbliche Verletzung der Anzeigepflichten des Klägers zurückzuführen. Aus dem Ausgangsbescheid ergibt sich des Weiteren, dass der Beklagte seine Rückforderungsentscheidung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers getroffen und diese zum Anlass genommen hat, dem Kläger eine Rückzahlung in Raten zuzubilligen. Vom Kläger anlässlich seines Widerspruchs geltend gemachte Belastungen wurden im Rahmen der Widerspruchsentscheidung ratenmindernd berücksichtigt. Aus welchen Gründen der Beklagte darüber hinaus fallbezogen Veranlassung gehabt haben sollte, ganz oder teilweise auf die Rückforderung der überzahlten Versorgungsbezüge zu verzichten, zeigt der Kläger in seinem Zulassungsantrag nicht auf. Soweit er im einstweiligen Rechtsschutzverfahren 3 F 31/06 im Rahmen der Antragsbegründung die Auffassung vertreten hat, die Rückzahlungen der zur Geschäftsgründung aufgenommenen Kredite müssten selbstverständlich im Rahmen der Billigkeitsentscheidung berücksichtigt werden, kann dem - soweit ein (Teil-) Erlass gefordert wird - nicht gefolgt werden. Die Darlehensrückzahlungen mindern als Betriebsausgaben ohnehin die Gewinne und damit die im Rahmen der Ruhensberechnung in Ansatz zu bringenden Einkünfte, finden also bereits von Gesetzes wegen Berücksichtigung. Für die behauptete Notwendigkeit einer zusätzlichen und damit doppelten Berücksichtigung im Rahmen der Entscheidung über die Rückforderung bietet der Gesichtspunkt der Billigkeit keine Grundlage.

Nach alledem unterliegt der Zulassungsantrag der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung rechtfertigt sich aus den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3, 47 Abs. 3 und Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 1/07
vom
17. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert
worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter
näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist anstelle
der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen,
dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil
der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 - Landgericht Oldenburg
wegen besonders schwerer Brandstiftung u. a.
Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof
Basdorf, die Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Dr. Miebach,
Dr. Wahl, Dr. Bode, Prof. Dr. Kuckein, die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Gerhardt sowie die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz und Becker am
17. Januar 2008 beschlossen:
Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist anstelle der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.

Gründe:


I.

1
Die Vorlage des 3. Strafsenats betrifft die Frage, in welcher Weise es im Rechtsfolgenausspruch zu berücksichtigen ist, wenn Strafverfolgungsbehörden das Verfahren gegen den Angeklagten in rechtsstaatswidriger Weise verzögert haben.
2
1. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Strafsache gegen F. (3 StR 50/07) über die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Re- vision der Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Mit ihrem Rechtsmittel beanstandet es die Revisionsführerin als sachlichrechtlichen Mangel, dass das Landgericht zum Ausgleich für eine von ihm zu verantwortende Verzögerung des Verfahrens gegen den Angeklagten auf eine Strafe erkannt hat, die das gesetzliche Mindestmaß unterschreitet.
3
Der Angeklagte hatte einen im Eigentum seiner Mutter stehenden, aber maßgeblich von ihm geleiteten Landgasthof in Brand gesetzt, um Leistungen aus der von seiner Mutter für den Betrieb abgeschlossenen Gebäude-, Inventar - und Ertragsausfallversicherung zu erlangen. Er hatte den Schadensfall der Versicherung gemeldet, diese hatte jedoch keine Zahlungen geleistet.
4
Wegen dieses Sachverhalts hat das Landgericht Oldenburg den Angeklagten der besonders schweren Brandstiftung (§ 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) und des versuchten Betruges (§ 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 StGB) schuldig gesprochen und auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren erkannt. Im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs hat das Landgericht zunächst festgestellt, dass das Verfahren in einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden Weise verzögert worden sei, weil zwischen dem Eingang der Anklageschrift am 5. Oktober 2004 und dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses am 24. Mai 2006 ein unvertretbar langer Zeitraum gelegen habe. Es hat sodann dargelegt, dass ohne Berücksichtigung dieser Verfahrensverzögerung zur Ahndung der besonders schweren Brandstiftung die in § 306 b Abs. 2 StGB vorgesehene Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe angemessen sei. Da § 306 b StGB keinen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle vorsehe, sei ein Ausgleich für die Verfahrensverzögerung innerhalb des gesetzlich eröffneten Strafrahmens nicht möglich. Daher sei, um dem Angeklagten die verfassungsrechtlich gebotene Kompensation für die Verletzung des Beschleunigungsgebots zu gewähren, eine Strafrahmenverschiebung in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen. Das Landgericht hat demgemäß den Strafrahmen des § 306 b Abs. 2 StGB nach den Maßstäben des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, Nr. 3 StGB gemildert und sodann zur Kompensation der Verfahrensverzögerung statt der an sich verwirkten Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren eine solche von drei Jahren und zehn Monaten festgesetzt.
5
Für den versuchten Betrug hat es an sich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für angemessen erachtet, wegen der überlangen Verfahrensdauer jedoch auf eine solche von sechs Monaten erkannt. Unter Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren und zehn Monaten hat es sodann eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt; ohne die jeweiligen Strafabschläge hätte es eine solche von fünf Jahren und sechs Monaten gebildet.
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2. Diese Strafzumessung hält der 3. Strafsenat für rechtsfehlerhaft. Er beabsichtigt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil im gesamten Strafausspruch aufzuheben.
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a) Hierbei will er es allerdings im Ausgangspunkt nicht beanstanden, dass das Landgericht im Hinblick auf die zwischen der Anklageerhebung und dem Eröffnungsbeschluss verstrichene Zeit einen von der Justiz zu verantwortenden Verstoß gegen das Gebot der Verfahrensbeschleunigung angenommen und die sich hieraus ergebende Verzögerung des Verfahrens - wenn auch nicht ausdrücklich ziffernmäßig, so doch nach dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen - auf etwa ein Jahr und sechs Monate bemessen hat. Auch sieht er keinen Verstoß gegen Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung dadurch begründet, dass das Landgericht als Ausgleich für diese Verfahrensverzögerung die für den versuchten Betrug eigentlich als angemessen erachtete Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr um die Hälfte reduziert und auf sechs Monate festgesetzt hat. Ebensowenig liege ein revisibler Bewertungsfehler des Landge- richts darin, dass dieses für das Brandstiftungsdelikt ohne Berücksichtigung der Verzögerung auf die Mindeststrafe von fünf Jahren erkannt hätte.
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Als berechtigt erachtet der 3. Strafsenat dagegen die Rüge der Revision, das Landgericht habe zur Gewährleistung eines Ausgleichs für die eingetretene Verfahrensverzögerung nicht das gesetzliche Mindestmaß der für das Brandstiftungsdelikt angedrohten Freiheitsstrafe unterschreiten dürfen. Die vom Landgericht vorgenommene entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB hält er für rechtlich nicht zulässig. Er vertritt die Auffassung, die gebotene Kompensation für den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei insoweit vielmehr in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB in der Weise vorzunehmen , dass auf die Mindeststrafe als angemessene Strafe zu erkennen und in der Urteilsformel gleichzeitig auszusprechen sei, dass ein bestimmter Teil der Strafe, der dem gebotenen Ausmaß der Kompensation entspricht, als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung).
9
b) Hinsichtlich der Einzelstrafe für die besonders schwere Brandstiftung in dieser Weise zu entscheiden, sieht sich der 3. Strafsenat weder durch Rechtsprechung anderer Strafsenate des Bundesgerichtshofs noch durch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts gehindert. Ob es möglich wäre, aus der reduzierten Einzelstrafe für den versuchten Betrug und einer teilweise für vollstreckt erklärten Einzelstrafe für das Brandstiftungsdelikt in stimmiger Weise eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, hat der 3. Strafsenat offen gelassen. Denn er ist der Auffassung, dass die durch vorliegende Sonderkonstellation aufgeworfenen Rechtsfragen und das von ihm zu deren Lösung befürwortete Modell Anlass zu einer generellen Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung geben. Diese Prüfung ergebe, dass sich die Vollstreckungslösung allgemein stimmiger in das Rechtsfolgensystem des Strafgesetzbuchs einfüge und der an sich angemessenen Strafe die Funktion belasse, die ihr in daran anknüpfenden Folge- regelungen inner- und außerhalb des Strafrechts zukomme. Er möchte daher dieses Modell generell anwenden und demgemäß auch den Einzelstrafausspruch wegen des versuchten Betruges aufheben. Daher beabsichtigt er zu entscheiden: Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist der Angeklagte gleichwohl zu der nach § 46 StGB angemessenen Strafe zu verurteilen; zugleich ist in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.
10
Da hiermit eine Abkehr von einer bisher einhelligen Rechtsprechung verbunden wäre, hat er dem Großen Senat für Strafsachen die Rechtsfrage wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Fortbildung des Rechts zur Entscheidung vorgelegt (BGH NJW 2007, 3294).
11
3. Der Generalbundesanwalt hat sich der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats angeschlossen.

II.

12
Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 132 Abs. 4 GVG sind gegeben.
13
Die vorgelegte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Die Ansicht des 3. Strafsenats, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht es für erforderlich erachtet habe, die Verzögerung des Verfahrens zwischen Anklageerhebung und Eröffnungsbeschluss auf der Rechtsfolgenseite zugunsten des Angeklagten auszugleichen, und hierfür hinsichtlich des Brandstiftungsdelikts innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens keine hinreichende Möglichkeit gesehen habe, ist vertretbar. Auf dieser Grundlage hängt die Revisionsentscheidung davon ab, wie die vorgelegte Rechtsfrage zu beantworten ist. Diese hat auch grundsätzliche Bedeutung. Verstöße der Strafverfolgungsorgane gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung sind in zunehmendem Maße festzustellen ; die Gründe hierfür hat der Große Senat an dieser Stelle nicht zu erörtern. Die Frage, welche Folgen aus derartigen Verstößen zu ziehen sind, ist regelmäßig Gegenstand tatrichterlicher und revisionsgerichtlicher Entscheidungen. Eine einheitliche Handhabung durch entsprechende Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher geboten. Vor diesem Hintergrund erstrebt die Vorlage eine Fortbildung des Rechts; denn sie zielt auf die Festlegung neuer Auslegungsgrundsätze, als deren Folge sich ein von der bisherigen Handhabung abweichendes rechtliches Modell für die Kompensation von Verstößen gegen das Beschleunigungsgebot im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs ergäbe.

III.

14
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die ihm unterbreitete Rechtsfrage im Ergebnis im Sinne des Vorlegungsbeschlusses.
15
Zwar führt das bisher in der Rechtsprechung praktizierte Modell, dem Angeklagten als Ausgleich für einen rechtsstaatswidrigen Verstoß gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung einen bezifferten Abschlag auf die an sich verwirkte Strafe zu gewähren, im Regelfall zu einer Kompensation dieses Verstoßes , die nicht nur mit den Vorgaben des Grundgesetzes und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (MRK), sondern auch mit dem nationalen deutschen Straf- und Strafprozess- recht in Einklang steht. Jedoch stößt dieses Modell in besonders gelagerten Fällen an gesetzliche Grenzen. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann die Gewährung der verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Kompensation durch Strafabschlag zu Ergebnissen führen, die den einfachgesetzlichen Rahmen des Strafzumessungsrechts sprengen. Hierdurch wird jedoch die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) berührt, die durch das StGB vorgegebene Grenzen der Strafenfindung zu achten haben. Deren Überschreitung könnte aus übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten nur dann gerechtfertigt werden, wenn keine andere Möglichkeit der Kompensation zur Verfügung stünde , die die Grundsätze des Strafzumessungsrechts des StGB unberührt lässt. Eine solche liegt mit der Vollstreckungslösung indes vor. Der Große Senat hält daher einen Wechsel zu diesem Modell für geboten. Dies gilt auch deshalb, weil diese Form der Entschädigung gemäß den Vorgaben der MRK, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) präzisiert worden sind, im Gegensatz zur bisherigen Verfahrensweise in allen Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung eine Kompensation ermöglicht. Die Vollstreckungslösung genügt auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
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Unabhängig hiervon hat die Vollstreckungslösung gegenüber dem Strafabschlagsmodell weitere Vorzüge, die für die Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen einen Systemwechsel angezeigt erscheinen lassen. Durch die Trennung von Strafzumessung und Entschädigung belässt sie der unrechts- und schuldangemessenen Strafe die ihr in strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Folgebestimmungen beigelegte Funktion. Darüber hinaus vereinfacht sie die Rechtsfolgenbestimmung.
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Im Einzelnen:
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1. Weder die Strafprozessordnung noch das Strafgesetzbuch enthalten Regelungen dazu, welche Rechtsfolgen es nach sich zieht, wenn ein Strafverfahren aus Gründen verzögert wird, die im Verantwortungsbereich des Staates liegen. Dies beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Nach dessen Auffassung war eine gesetzliche Verankerung des Beschleunigungsgebots in der Strafprozessordnung entbehrlich, weil bereits Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK die Strafverfolgungsorgane hinreichend zu einer zügigen Durchführung von Ermittlungs- und Strafverfahren verpflichte. Der Beschleunigungsgrundsatz sei daher dem deutschen Strafverfahrensrecht auch ohne ausdrückliche Regelung immanent. Das in Art. 20 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip sowie die Pflicht zur Achtung der Menschenwürde ließen es ebenfalls nicht zu, den Beschuldigten länger als unvermeidbar in der Drucksituation des Strafverfahrens zu belassen. Wie der Grundsatz zügiger Verfahrenserledigung inhaltlich näher zu präzisieren sei und welche Folgen an seine Verletzung anzuknüpfen seien, müsse der Klärung durch Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen werden (vgl. den Entwurf der Bundesregierung vom 2. Mai 1973 für das 1. StVRG, BT-Drucks. 7/551 S. 36 f.).
19
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Hinzu tritt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 MRK, wonach jede Person, die aus Anlass eines gegen sie geführten Strafverfahrens von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist hat; wird dieser Anspruch verletzt, so kann sie verlangen, während des Verfahrens (aus der Haft) entlassen zu werden. Regelungen darüber , welche sonstigen Konsequenzen aus einer Verletzung des Rechts auf Verhandlung und Urteil innerhalb angemessener Frist zu ziehen sind, enthält die MRK nicht. Jedoch bestimmt Art. 13 MRK, dass jede Person, die in ihren in der Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht hat, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben , auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.
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2. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof zunächst die Auffassung vertreten, die Verletzung des Anspruchs des Angeklagten aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auf zügige Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens begründe zwar kein Verfahrenshindernis, sei jedoch bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Der Spielraum, den das Gesetz insoweit gewähre , reiche aus, um den Belastungen, denen der Angeklagte durch das unangemessen zögerlich geführte Verfahren ausgesetzt gewesen sei, in hinreichender Weise Rechnung zu tragen (BGHSt 24, 239, 242; 27, 274, 275 f.; BGH NStZ 1982, 291, 292 m. w. N.). Dies könne in den gesetzlich vorgesehenen Fällen bis zum Absehen von Strafe, bei Verfahren wegen Vergehen aber auch zur deren Einstellung gemäß § 153 StPO führen; auch ein Gnadenerweis sei in Betracht zu ziehen (BGHSt 24, 239, 242 f.).
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Danach war es ausreichend, den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK als bestimmenden Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) bei der Abwägung der sonstigen strafmildernden und -schärfenden Aspekte selbständig , auch neben dem schon für sich mildernden Umstand eines langen Zeitraums zwischen Tat und Urteil, zu berücksichtigen (vgl. BGH NStZ 1983, 167; 1986, 217, 218; 1987, 232 f.; 1988, 552; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 2).
22
Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof später im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts modifiziert.
23
a) Der EGMR hat in seinem Urteil vom 15. Juli 1982 (E. ./. Bundesrepublik Deutschland - EuGRZ 1983, 371 ff. m. Anm. Kühne) in zwei gegen die dortigen Beschwerdeführer durchgeführten Strafverfahren eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden festgestellt. Hieran anknüpfend hat er es in dem einen der beanstandeten Verfahren nicht als hinreichenden Ausgleich zugunsten der Beschwerdeführer erachtet , dass diesen die Verzögerungen bei der Strafzumessung des landgerichtlichen Urteils ausdrücklich strafmildernd zugute gehalten worden waren; dies sei nicht geeignet, den Beschwerdeführern ihre Opfereigenschaft im Sinne des Art. 25 MRK aF (= Art. 34 MRK nF) zu nehmen, da das Urteil keine hinreichenden Hinweise enthalte, die eine Überprüfung der Berücksichtigung der Verfahrensdauer unter dem Gesichtspunkt der Konvention erlaubten (EGMR EuGRZ 1983, 371, 381). In dem anderen Verfahren gelte das Gleiche, soweit dieses schließlich gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei; denn der Einstellungsbeschluss enthalte keinen Hinweis auf eine Berücksichtigung der Verfahrensverzögerungen (aaO S. 382). Zu der Frage, wie die vermissten "Hinweise" hätten ausgestaltet sein müssen und welche inhaltlichen Anforderungen an die den Beschwerdeführern zu gewährende Kompensation zu stellen gewesen wären, um den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK noch im Rahmen des nationalen Rechts auszugleichen, äußert sich die Entscheidung nicht.
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b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verletzt eine von den Justizbehörden zu verantwortende erhebliche Verzögerung des Strafverfahrens den Beschuldigten auch in seinem verfassungsmäßigen Recht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie - wenn sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet - in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Ein Strafverfahren von überlanger Dauer könne den Beschuldigten - insbesondere dann, wenn die Dauer durch vermeidbare Verzögerungen seitens der Justizorgane bedingt sei - zusätzlichen fühlbaren Belastungen aussetzen, die in ihren Auswirkungen der Sanktion selbst gleich kämen. Mit zunehmender Verzögerung des Verfahrens gerieten sie in Widerstreit zu dem aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleiteten Grundsatz, dass die Strafe verhältnismäßig sein und in einem gerechten Verhältnis zum Verschulden des Täters stehen müsse (BVerfG - Kammer - NJW 1993, 3254, 3255; 1995, 1277 f.; NStZ 2006, 680, 681 = JR 2007, 251 m. Anm. Gaede; vgl. auch BVerfG - Kammer - NJW 1992, 2472, 2473 für das Ordnungswidrigkeitenverfahren). So, wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allgemein dazu anhalte, in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel der Strafverfolgung und der Bestrafung unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen, verpflichte er im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens zur Prüfung, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) strafrechtlich vorgehen kann (BVerfG - Kammer - NJW 2003, 2225; 2003, 2897; BVerfGK 2, 239, 247; vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2005, 3485 zum weiteren Vollzug der Untersuchungshaft).
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Solange es an einer gesetzlichen Regelung fehle, seien die verfassungsrechtlich gebotenen Konsequenzen zunächst in Anwendung des Straf- und Strafverfahrensrechts zu ziehen. Komme eine angemessene Reaktion auf solche Verfahrensverzögerungen mit vorhandenen prozessualen Mitteln (§§ 153, 153 a, 154, 154 a StPO) nicht in Frage, so sei eine sachgerechte, angemessene Berücksichtigung im Rechtsfolgenausspruch, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglicherweise durch Absehen von Strafe oder Verwarnung mit Strafvorbehalt, jenseits davon bei der Strafzumessung wie auch gegebenenfalls bei der Strafaussetzung zur Bewährung und bei der Frage der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung regelmäßig verfassungsrechtlich gefordert , aber auch ausreichend (BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967). Die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung müsse sich bei der Strafzumessung auswirken, wenn sie nicht im Extrembereich zum Vorliegen eines unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot herzuleitenden Verfahrenshindernisses führe. Dabei liege es schon im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und dessen Auslegung durch den EGMR nahe, erscheine aber auch mit Blick auf die Bedeutung der vom Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes geforderten Verfahrensbeschleunigung angezeigt, dass die Fachgerichte der Strafgerichtsbarkeit, wenn sie die gebotenen Folgen aus einer Verfahrensverzögerung ziehen, dabei die Verletzung des Beschleunigungsgebots ausdrücklich feststellen und das Ausmaß der Berücksichtigung dieses Umstands näher bestimmen (BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967; BVerfG - Kammer - 1993, 3254, 3255; 1995, 1277 f.; 2003, 2225 f.; 2003, 2897; BVerfGK 2, 239, 247 f.).
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Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht dahin präzisiert , dass es nicht genüge, die Verletzung des Beschleunigungsgebots als eigenständigen Strafmilderungsgrund festzustellen und zu berücksichtigen. Vielmehr sei das Ausmaß der vorgenommenen Herabsetzung der Strafe durch Vergleich mit der ohne Berücksichtigung der Verzögerung angemessenen Strafe exakt zu bestimmen (BVerfG - Kammer - NStZ 1997, 591).
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c) An diese Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts anknüpfend haben die Strafsenate des Bundesgerichtshofs ihre ursprüngliche Spruchpraxis geändert: Ist ein Strafverfahren unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und rechtsstaatliche Grundsätze durch die Strafverfolgungsorgane verzögert worden, so hat der Tatrichter nach der neueren Rechtsprechung zunächst stets Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursache konkret festzustellen und - falls dies zum Ausgleich der vom Beschuldigten erlittenen Belastungen nicht ausreichend ist und andere rechtliche Folgen (Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen oder wegen eines Verfahrenshindernisses ) nicht in Betracht kommen - in einem zweiten Schritt das Maß der Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret zu bestimmen (s. etwa BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7, 12; BGH NJW 1999, 1198, 1199; NStZ-RR 2000, 343; StV 1998, 377; 2002, 598; wistra 1997, 347; 2001, 177; 2002, 420; StraFo 2003, 247). Dies gilt bei der Bildung einer Gesamtstrafe (§ 54 Abs. 1 StGB) nicht nur für diese, sondern auch für alle zugrunde liegenden Einzelstrafen, soweit das Verfahren hinsichtlich der entsprechenden Taten verzögert worden ist (vgl. BGH NStZ 2002, 589). Der Tatrichter hat somit in den Urteilsgründen für jede Einzeltat zwei Strafen auszuweisen, was sich aus Gründen der Klarheit auch für die Gesamtstrafe empfiehlt (vgl. BGH NStZ 2003, 601). In die Urteilsformel ist allein die reduzierte Strafe aufzunehmen. In welchem Umfang sich dabei der Konventionsverstoß auf das Verfahrensergebnis auswirken muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich auch nach dem - durch die Belastungen des verzögerten Verfahrens geminderten - Maß der Schuld des Angeklagten (vgl. BGHSt 46, 159, 174; s. auch BGH NStZ 1996, 506; 1997, 543, 544; StV 2002, 598).
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3. An dieser Rechtsprechung wird nicht festgehalten.
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a) Der Bundesgerichtshof hat im Hinblick auf die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) stets - ausdrücklich oder jedenfalls der Sache nach - daran festgehalten, dass die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung mit den Mitteln vorzunehmen ist, die das Straf- oder Strafverfahrensrecht dem Rechtsanwender zur Verfügung stellen. So kommt beispielsweise die Verfahrenseinstellung nach §§ 153, 153 a StPO nur in Betracht , wenn sich der Angeklagte keines Verbrechens schuldig gemacht hat (vgl. BGHSt 24, 239, 242). Ebenso ist ein Ausgleich für die Verfahrensverzögerung durch Strafreduzierung, Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) oder Absehen von Strafe (§ 60 StGB) nur in den Grenzen zulässig, die das Strafgesetzbuch insoweit jeweils setzt (s. BGHSt 27, 274 zu § 59 StGB). Von der ge- setzlich vorgeschriebenen Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe kann aus Kompensationsgründen nicht abgesehen werden (BGH NJW 2006, 1529, 1535; ob hiervon in extremen Fällen Ausnahmen denkbar sind, ist dort offen gelassen worden). All dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967; BVerfG - Kammer - 1993, 3254, 3256; 2003, 2897, 2899; NStZ 2006, 680, 681).
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In Fällen, in denen eine Kompensation nur durch eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindeststrafen möglich wäre, gerät die bisher von der Rechtsprechung angewandte Strafabschlagslösung jedoch an ihre Grenzen und läuft Gefahr, das Rechtsfolgensystem des StGB in Frage zu stellen. Dieser Konflikt zwischen Straf- und Strafprozessrecht auf der einen und verfassungs- sowie konventionsrechtlichen Vorgaben auf der anderen Seite muss in einer Weise aufgelöst werden, welche die Bindung der Gerichte an die einfachgesetzlichen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung so weit wie möglich respektiert. Im Bereich der Strafzumessung bedeutet dies, dass die gesetzliche Untergrenze der angedrohten Strafe nur dann unterschritten werden darf, wenn keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, das vom Angeklagten erlittene Verfahrensunrecht in einer nach den Maßstäben des Grundgesetzes und der MRK hinreichenden Weise auszugleichen.
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Diese Möglichkeit ist mit dem Vollstreckungsmodell jedoch vorhanden, das seine rechtlichen Grundlagen in den Bestimmungen der MRK und deren Entschädigungsprinzip findet sowie den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB fruchtbar macht (s. unten). Indem es die Kompensation für die von staatlichen Stellen verursachten Verfahrensverzögerungen in einem gesonderten Schritt nach der eigentlichen Strafzumessung vornimmt, respektiert es im Ausgangspunkt die im Gesetz vorgegebenen Mindeststrafen, die nach der Bewertung des Gesetzgebers auch im denkbar mildesten Fall noch einen angemessenen Schuldausgleich gewährleisten (vgl. Kutzner StV 2002, 277, 278). Gleichzeitig eröffnet es die Möglichkeit, die gebotene Entschädigung des Angeklagten für das von ihm erlittene Verfahrensunrecht dennoch zu leisten. Dies gilt selbst im Falle einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Sollte hier ausnahmsweise eine Kompensation einmal geboten sein (vgl. BGH NJW 2006, 1529, 1535), so könnte sie durch Anrechnung auf die Mindestverbüßungsdauer im Sinne des § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgenommen werden. Die Vollstreckungslösung erübrigt damit von vornherein Überlegungen, ob für besondere Ausnahmefälle ein Unterschreiten der gesetzlichen Mindeststrafe oder gar ein Absehen von der gesetzlich vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe (vgl. BGH StV 2002, 598; NJW 2006, 1529, 1535) in Betracht gezogen werden muss, sei es in der Form eines „Härteausgleichs“ (s. für den Fall der nicht - mehr - möglichen Gesamtstrafenbildung BGHSt 31, 102, 104 m. Anm. Loos NStZ 1983, 260; vgl. auch BGHSt 36, 270, 275 f.), sei es durch eine Strafrahmenverschiebung in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 oder 2 StGB (s. Krehl ZIS 2006, 168, 178 f.; StV 2006, 408, 412; Hoffmann-Holland ZIS 2006, 539 f.), wie dies der Bundesgerichtshof in Ausnahmefällen für zulässig erachtet hat, wenn die Verhängung der von § 211 StGB vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe aus anderen Gründen mit dem Übermaßverbot in Widerstreit gerät (vgl. BGHSt 30, 105).
32
b) Die bisher praktizierte Strafabschlagslösung ist aber auch deshalb durch das Vollstreckungsmodell zu ersetzen, weil dieses sich inhaltlich in vollem Umfang an den Kriterien ausrichtet, die nach der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 13, 34 MRK für den Ausgleich rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen maßgeblich sind.
33
aa) Die MRK ist durch das Zustimmungsgesetz (Art. 59 Abs. 2 GG) vom 7. August 1952 (BGBl II 685; ber. 953) unmittelbar geltendes nationales Recht im Range eines einfachen Bundesgesetzes geworden (vgl. etwa BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 323 f.; BGHSt 45, 321, 329; 46, 178, 186). Ihre Gewährleistungen sind daher durch die deutschen Gerichte wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 323). Hierbei ist auch das Verständnis zu berücksichtigen , das sie in der Rechtsprechung des EGMR gefunden haben. Auf dieser Grundlage ist das nationale Recht unabhängig von dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens nach Möglichkeit im Einklang mit der MRK zu interpretieren (vgl. BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 324).
34
Nach welchen Kriterien, in welcher Weise und in welchem Umfang eine Verletzung des Anspruchs auf zügige Verfahrenserledigung aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zu kompensieren ist, um dem Betroffenen seine Opferstellung im Sinne des Art. 34 MRK zu nehmen und damit den jeweiligen Vertragsstaat vor einer Verurteilung zu bewahren, ist in der MRK nicht geregelt und daher vom EGMR den nationalen Fachgerichten nach Maßgabe der jeweiligen Rechtsordnung zur Entscheidung überlassen worden (vgl. EGMR EuGRZ 1983, 371, 382 m. Anm. Kühne; NJW 2001, 2694, 2700, Zf. 159; Pfeiffer in Festschrift Baumann S. 329, 338; Trurnit/Schroth StraFo 2005, 358, 361). Jedoch hat die Rechtsprechung des EGMR hierzu konkretisierende Maßstäbe entwickelt; ihr lassen sich auch deutliche Hinweise dazu entnehmen, welche Formen der Kompensation im Einzelfall eine hinreichende Wiedergutmachung des Konventionsverstoßes bewirken können.
35
Nach dem Konzept der MRK - in der Auslegung des EGMR - dient die Kompensation für eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung allein dem Ausgleich eines durch die Verletzung eines Menschenrechts entstandenen objektiven Verfahrensunrechts (Demko HRRS 2005, 283, 295; Krehl ZIS 2006, 168, 178; StV 2006, 408, 412; vgl. Gaede wistra 2004, 166, 168; JR 2007, 254 f.). Sie ist Wiedergutmachung und soll eine Verurteilung des jeweiligen Vertragsstaates wegen der Verletzung des Rechts aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verhindern (Krehl ZIS 2006, 168, 178; s. auch BGH NStZ 1988, 552). Auf diese Wiedergutmachung hat der Betroffene gemäß Art. 13 MRK Anspruch, wenn die Konventionsverletzung nicht präventiv hat verhindert werden können (vgl. EGMR NJW 2001, 2694, 2698 ff., insbes. Zf. 159; Demko HRRS 2005, 403 ff.; Gaede wistra 2004, 166, 171; JR 2007, 254; Meyer-Ladewig MRK 2. Aufl. Art. 13 Rdn. 10, 22). Ist sie geleistet, so entfällt die Opfereigenschaft des Betroffenen im Sinne des Art. 34 MRK (vgl. EGMR StV 2006, 474, 477 f., Zf. 83). Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld sind dabei als solche weder für die Frage relevant, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist (zu den maßgeblichen Kriterien in der Rechtsprechung des EGMR s. Kühne StV 2001, 529, 530 f. m. Nachw.; Demko HRRS 2005, 283, 289 ff.), noch spielen diese Umstände für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (Demko HRRS 2005, 283, 294 f.; Krehl ZIS 2006, 168, 178; StV 2006, 408, 412; vgl. auch Kutzner StV 2002, 277, 283). Diese ist vielmehr allein an der Intensität der Beeinträchtigung des subjektiven Rechts des Betroffenen aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auszurichten. Durch die Kompensation wird danach eine Art Staatshaftungsanspruch erfüllt, der dem von einem überlangen Strafverfahren betroffenen Angeklagten in gleicher Weise erwachsen kann wie der Partei eines vom Gericht schleppend geführten Zivilprozesses oder einem Bürger , der an einem verzögerten Verwaltungsrechtsstreit beteiligt ist. Dieser Anspruch entsteht auch dann, wenn der Angeklagte freigesprochen wird. Ein unmittelbarer Bezug zu dem vom Angeklagten schuldhaft verwirklichten Unrecht oder sonstigen Strafzumessungskriterien besteht daher nicht.
36
Die Kompensation durch Gewährung eines bezifferten Abschlags auf die an sich verwirkte Strafe knüpft somit nach den Maßstäben der MRK im Ausgangspunkt an ein eher sachfernes Bewertungskriterium an, mag sie auch im Großteil der Fälle dazu führen, dass der gebotene Ausgleich geschaffen wird und damit die Opferstellung des Angeklagten entfällt. Demgegenüber koppelt das Vollstreckungsmodell den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht von vornherein von Fragen des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Damit entspricht es nicht nur den Vorgaben der MRK, sondern es vermeidet gleichzeitig die Komplikationen, die sich für die Strafabschlagslösung aus der Bindung des Gerichts an die gesetzlich vorgegebenen Strafuntergrenzen ergeben (s. oben a).
37
bb) Die Vollstreckungslösung genügt auch den inhaltlichen und formellen Anforderungen, die die Art. 13, 34 MRK an eine hinreichende Kompensation stellen.
38
Nach der Rechtsprechung des EGMR verlangt ein angemessener Ausgleich zumindest die ausdrückliche oder jedenfalls sinngemäße Anerkennung des Konventionsverstoßes. Diese kann je nach den Umständen als Kompensation hinreichen; denn der EGMR hat in etlichen Fällen, in denen erst er selbst den Verstoß eines Mitgliedstaats gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ausdrücklich festgestellt hat, diese Feststellung als Ausgleich genügen lassen und dem Betroffenen keine Geldentschädigung nach Art. 41 MRK für immaterielle Einbußen zugesprochen (vgl. EGMR NJW 1984, 2749, 2751 - Ver-waltungsrechtsstreit; 2001, 213, 214 - Zivilrechtsstreit; StV 2005, 475, 477 m. Anm. Pauly - Strafverfahren ). Dies legt es nahe, dass aus der Sicht des EGMR insoweit - das heißt ohne Berücksichtigung etwaiger materieller Schäden - die Opferstellung des Betroffenen bereits durch die nationalen Gerichte aufgehoben worden wäre, wenn sie die entsprechende Feststellung selbst getroffen hätten.
39
Der EGMR hat weiterhin deutlich gemacht, dass die "innerstaatlichen Behörden" durch eine eindeutige und messbare Minderung der Strafe angemessene Wiedergutmachung leisten können (s. - je m. w. Nachw. - EGMR StV 2006, 474, 479 m. Anm. Pauly; Urteil vom 26. Oktober 2006 - Nr. 65655/01, Zf. 24, juris). Dies gelte auch, soweit eine Verletzung des Art. 5 Abs. 3 MRK auszugleichen sei; jedoch müsse dieser Verstoß gesondert anerkannt werden und zu einer selbständigen messbaren Strafmilderung führen (vgl. EGMR StV 2006, 474, 478 m. Anm. Pauly).
40
Zu Weiterem verhält sich der EGMR nicht näher. Nach den in seinen Entscheidungen entwickelten Maßstäben sind aber auch die in der deutschen Rechtsprechung neben der Strafreduktion in Betracht gezogenen Konsequenzen (Annahme eines Verfahrenshindernisses, Strafaussetzung zur Bewährung, Absehen von Maßregeln der Besserung und Sicherung, völlige oder teilweise Verfahrenseinstellung nach strafprozessualen Opportunitätsgrundsätzen) je nach den Umständen erkennbar als hinreichende Wiedergutmachung tauglich. Notwendig ist lediglich der ausdrückliche Hinweis, dass die jeweilige Maßnahme des materiellen oder prozessualen Rechts gerade zur Kompensation des Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot getroffen worden ist (vgl. zu § 154 StPO: EGMR EuGRZ 1983, 371, 382).
41
Nicht ausgeschlossen ist nach den Vorgaben des EGMR auch eine Wiedergutmachung durch Zahlung einer Geldentschädigung (s. dazu etwa Kühne EuGRZ 1983, 392, 383; Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren S. 267 ff.; Wohlers JR 1994, 138, 142 f.; Kraatz JR 2006, 403, 407 ff.). Die Rechtsordnungen anderer Vertragsstaaten der MRK enthalten hierzu ausdrückliche Regelungen (etwa Spanien: s. näher Paeffgen StV 2007, 487, 494; Italien: s. näher Ress in Festschrift Müller-Dietz S. 627, 628; Frankreich: s. Kraatz JR 2006, 2003, 2006). Mit den einschlägigen Vorschriften des französischen Rechts hat der EGMR sich bereits mit Blick auf Art. 13 MRK befasst. Er hat dabei eine derartige Form der Wiedergutmachung nicht generell für unzureichend erachtet. Er hat es vielmehr nur nicht für hinreichend belegt angesehen, dass die Bestimmungen nach ihrer inhaltlichen Ausgestaltung und ihrer konkreten Handhabung in dem zu beurteilenden Fall ein wirksames innerstaatliches Rechtsmittel im Sinne des Art. 13 MRK zur Erlangung einer angemessenen Entschädigung darstellen (Entscheidung vom 26. März 2002, Nr. 48215/99, Zf. 20; s. Kraatz aaO). Das deutsche Recht enthält demgegenüber keine Regelungen , die es den Strafgerichten ermöglichten, eine Geldentschädigung zuzuerkennen. Die Bestimmungen des StrEG können nicht entsprechend herangezogen werden; sie haben abschließenden Charakter. Eine entsprechende Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO gäbe keinen ausreichenden Entscheidungsspielraum. Es wäre Sache des Gesetzgebers, eine eindeutige rechtliche Grundlage zu schaffen.
42
Es kann nicht zweifelhaft sein, dass nach den genannten Kriterien auch das Modell, einen angemessenen Teil der Strafe als vollstreckt anzurechnen, den Anforderungen an eine ausreichende Entschädigung gerecht wird. Es zieht neben dem Entschädigungsprinzip der MRK auch den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB heran; denn ähnlich wie bei der Untersuchungshaft handelt es sich bei den Belastungen, denen der Angeklagte durch die rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens ausgesetzt ist, in erster Linie um immaterielle Nachteile, die allein in der Durchführung des Verfahrens wurzeln. Dies rechtfertigt es, diese Nachteile ähnlich wie die Auswirkungen der Untersuchungshaft durch Anrechnung auf die Strafe auszugleichen (vgl. Kraatz JR 2006, 204, 206; s. auch Theune in LK 12. Aufl. § 46 Rdn. 244; zu § 60 StGB: Jeschek/Weigend, StGB AT 5. Aufl. S. 863; dazu auch Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren, S. 224 ff.). Die Kompensation ist jedoch auch nach dem Vollstreckungsmodell bereits im Erkenntnisverfahren vorzu- nehmen. Sie kann nicht den Strafvollstreckungsbehörden überlassen werden; denn da die Entschädigung nicht durch schematische Anrechnung der jeweiligen Verzögerungsdauer auf die Strafe vorzunehmen, sondern aufgrund einer wertenden Betrachtung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu bemessen ist (s. unten IV. 1.), muss sie dem Tatrichter vorbehalten bleiben, dem schon die Feststellung dieser Umstände obliegt (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB).
43
4. Neben all dem sprechen weitere gewichtige Gründe für einen Übergang vom Strafabschlags- auf das Vollstreckungsmodell.
44
a) Da die im Wege der Anrechnung vorgenommene Kompensation einen an dem Entschädigungsgedanken orientierten eigenen rechtlichen Weg neben der Strafzumessung im engeren Sinn darstellt, behält die nach den Maßstäben des § 46 StGB zugemessene und im Urteilstenor auszusprechende Strafe die Funktion, die ihr in anderen strafrechtlichen Bestimmungen, aber auch in außerstrafrechtlichen Regelungen zugewiesen ist. So bleibt - wie nach der gesetzlichen Konzeption des StGB vorgesehen - die dem Unrecht und der Schuld angemessene und nicht eine aus Entschädigungsgründen reduzierte Strafe maßgeblich etwa für die Fragen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann (§ 56 Abs. 1 bis 3 StGB), ob die formellen Voraussetzungen für die Verhängung der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 1 bis 3 StGB), deren Vorbehalt (§ 66 a Abs. 1 StGB) oder deren nachträgliche Anordnung (§ 66 b StGB) erfüllt sind, ob der Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts eintritt (§ 45 StGB), ob Führungsaufsicht angeordnet werden kann (§ 68 Abs. 1 StGB), ob Verwarnung mit Strafvorbehalt in Betracht kommt (§ 59 Abs. 1 StGB) oder ob von Strafe abgesehen werden kann (§ 60 StGB) und wann Vollstreckungsverjährung eintritt (§ 79 StGB). Darüber hinaus behält sie die Bedeutung, die ihr in beamtenrechtlichen (§ 24 BRRG; für Richter s. § 24 DRiG) und ausländerrechtlichen (§§ 53, 54 AufenthG) Folgeregelungen beigelegt wird, sowie auch für die Tilgungsfristen nach dem BZRG (s. etwa § 46 BZRG) oder die Eintragungsvoraussetzungen in das Gewerbezentralregister (§ 149 Abs. 2 Nr. 4 GewO).
45
Hierdurch wird der überlangen Verfahrensdauer andererseits jedoch nicht ihre Bedeutung als Strafzumessungsgrund genommen. Sie bleibt als solcher zunächst bedeutsam deswegen, weil allein schon durch einen besonders langen Zeitraum, der zwischen der Tat und dem Urteil liegt, das Strafbedürfnis allgemein abnimmt. Sie behält - unbeschadet der insoweit zutreffenden dogmatischen Einordnung (zum Meinungsstreit s. Paeffgen StV 2007, 487, 490 Fn. 27) - ihre Relevanz aber gerade auch wegen der konkreten Belastungen, die für den Angeklagten mit dem gegen ihn geführten Verfahren verbunden sind und die sich generell um so stärker mildernd auswirken, je mehr Zeit zwischen dem Zeitpunkt, in dem er von den gegen ihn laufenden Ermittlungen erfährt, und dem Verfahrensabschluss verstreicht; diese sind bei der Straffindung unabhängig davon zu berücksichtigen, ob die Verfahrensdauer durch eine rechtsstaatswidrige Verzögerung mitbedingt ist (vgl. BGH NJW 1999, 1198; NStZ 1988, 552; 1992, 229, 230; NStZ-RR 1998, 108). Lediglich der hiermit zwar faktisch eng verschränkte, rechtlich jedoch gesondert zu bewertende und zu entschädigende Gesichtspunkt, dass eine überlange Verfahrensdauer (teilweise) auf einem konventions- und rechtsstaatswidrigen Verhalten der Strafverfolgungsbehörden beruht, wird aus dem Vorgang der Strafzumessung, dem er wesensfremd ist, herausgelöst und durch die bezifferte Anrechnung auf die im Sinne des § 46 StGB angemessene Strafe gesondert ausgeglichen.
46
b) Durch den Übergang zur Vollstreckungslösung wird die Strafenbildung von der Notwendigkeit befreit, einen einzelnen Zumessungsaspekt in mathematisierender Weise durch bezifferten Strafabschlag - gegebenenfalls gesondert für Einzelstrafen und Gesamtstrafe - auszuweisen. Gerade diese rechnerische Vorgehensweise ist zu Recht kritisiert worden (Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 443; ders. in Festschrift Tondorf S. 351, 357 f.; s. auch Gaede JR 2007, 254, 256). Selbst in Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ist sie als Fremdkörper in der Strafzumessung (BGH NStZ-RR 2006, 201, 202) sowie systemwidrig (BGH NStZ 2005, 465, 466) bezeichnet und es ist für wünschenswert erachtet worden, diese - ansonsten als rechtlich verfehlt erachtete (BGH NStZ-RR 1999, 101, 102; 2000, 43; 2006, 270, 271; NStZ 2007, 28) - Mathematisierung der Strafenfindung zu überdenken (BGH, Beschl. v. 23. Juni 2006 - 1 ARs 5/04; BGH wistra 2004, 470).
47
Zwar kann die durch Anrechung vorgenommene Kompensation den Rechtsfolgenausspruch - schon wegen der entsprechenden Vorgaben des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts - nicht von jeder Mathematisierung freihalten. Jedoch verlagert sie durch ihre Anlehnung an § 51 StGB die Bezifferung der Entschädigung zumindest in einen Bereich, der schon nach der gesetzlichen Konzeption derartigen Berechnungen offen steht und in diesem Rahmen auch eine zahlenmäßige Bewertung verfahrensbedingt erlittener Nachteile kennt (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB). Die eigentliche Strafzumessung wird demgegenüber nicht mehr mit ihr wesensfremden Anforderungen belastet. Dies ist insbesondere auch deswegen bedeutsam, weil es nach der neueren Rechtsprechung des EGMR (StV 2006, 474, 478 m. Anm. Pauly) notwendig werden kann, künftig den durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkten Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 MRK neben demjenigen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK gesondert zu kompensieren; dies würde nach dem Strafabschlagsmodell in letzter Konsequenz dazu führen, dass die Strafzumessung mit zwei Rechenwerken befrachtet werden müßte, im Falle einer Gesamtstrafenbildung auch noch gesondert für jede Einzelstrafe und - unter Vermeidung einer Doppelkompensation - für die Gesamtstrafe.
48
Demgegenüber knüpft das Vollstreckungsmodell die Kompensation ausschließlich an die - für die Vollstreckung allein relevante - Gesamtstrafe an und vereinfacht hierdurch die Rechtsfolgenentscheidung erheblich.
49
5. Die Kompensation durch Anrechnung steht nicht in Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Vorgaben. Allerdings findet sich auch in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Aussage, dass die Belastungen, denen der Angeklagte durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ausgesetzt ist, den aus der Verwirklichung des Straftatbestandes abzuleitenden Unrechtsgehalt abmilderten, der dem Angeklagten als Tatschuld angelastet werde, und daher „grundsätzlich“ als Strafmilderungsgrund bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien (s. insb. BVerfG - Kammer - NStZ 2006, 680, 681; vgl. auch BVerfGK 2, 239, 247). Dem kann jedoch nicht entnommen werden, dass die nach der Rechtsprechung des EGMR gebotene Entschädigung des Angeklagten nach den Vorgaben des Grundgesetzes ausschließlich in der Form einer - zusätzlichen - bezifferten Strafmilderung zulässig wäre (vgl. dagegen I. Roxin StV 2008, 14, 16). Anliegen des Bundesverfassungsgerichts ist es nicht, eine bestimmte dogmatische Sichtweise des einfachgesetzlichen Rechts über die unrechts- und schuldmildernde Wirkung rechtsstaatswidrig verursachter Verfahrenshärten als verfassungsrechtlich allein zulässige festzuschreiben. Ebensowenig will es ersichtlich ein bestimmtes Modell der konventionsrechtlich geforderten Kompensation zum verfassungsrechtlich allein statthaften erklären. Vielmehr geht es dem Bundesverfassungsgericht, wie sich seinen einschlägigen Entscheidungen deutlich entnehmen lässt, allein um die Beachtung des in der Verfassung verankerten Übermaßverbots. In welcher Form die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs durch die Fachgerichte in Anwendung des Straf- oder Strafprozessrechts gewährleistet wird, ist demgegenüber in der Verfassung nicht vorgegeben. Anders wäre es auch kaum erklärbar, dass das Bundesverfassungs- gericht eine kompensierende Berücksichtigung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auch bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung oder die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung für möglich erachtet. Wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs in der Weise Rechnung getragen, dass die Belastungen, denen der Angeklagte durch das überlange Verfahren ausgesetzt war, zunächst allgemein mildernd in die Strafzumessung einfließen und sodann der besondere Aspekt, dass sie (teilweise) auf rechtsstaatswidrige Verzögerungen seitens der Strafverfolgungsbehörden zurückzuführen sind, im Urteil dadurch Berücksichtigung findet, dass als Entschädigung hierfür ein Teil der Strafe als bereits vollstreckt gilt, so ist damit in gleicher Weise dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot Genüge getan wie durch die bezifferte Reduzierung der Strafe.
50
6. Die Vollstreckungslösung kann nicht nur - sachgerechte - gesetzliche Folgen haben, die sich im Vergleich zur Strafabschlagslösung zum Nachteil des Angeklagten auswirken (s. 4. a), sondern auch solche, die ihm zum Vorteil gereichen ; denn durch die Anrechnung werden bei der Strafzeitberechnung die Halbstrafe und der Zwei-Drittel-Zeitpunkt regelmäßig schneller erreicht, so dass es früher als bisher möglich ist, einen Strafrest zur Bewährung auszusetzen (§ 57 Abs. 1, 2 und 4 StGB). Auch dies ist eine systemgerechte Konsequenz des neuen Modells.
51
Wird die Freiheitsstrafe, die zur Wiedergutmachung teilweise als vollstreckt erklärt wird, von vornherein zur Bewährung ausgesetzt, so ergeben sich keine grundsätzlichen Unterschiede zur bisherigen Rechtslage. Nach beiden Kompensationsmodellen wird die Entschädigung faktisch erst dann wirksam, wenn die Strafe nach einem Bewährungswiderruf vollstreckt werden muss. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzö- gerung neben der Anrechnung auf die Strafe aktuell wirksam auch dadurch auszugleichen, dass im Bewährungsbeschluss ausdrücklich auf Auflagen im Sinne des § 56b Abs. 2 Nr. 2 bis 4 StGB verzichtet wird.
52
Auch sonst ergeben sich durch die Vollstreckungslösung keine bedeutsamen Unterschiede: Kommt nur die Verhängung einer Geldstrafe in Betracht, so ist diese wegen der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht mehr um einen bezifferten Abschlag zu ermäßigen, sondern die schuldangemessene Geldstrafe in der Urteilsformel auszusprechen und zugleich festzusetzen, dass ein bezifferter Teil der zugemessenen Tagessätze als bereits vollstreckt gilt. In Fällen, in denen das gebotene Maß der Kompensation die schuldangemessene (Einzel-)Strafe erreicht oder übersteigt, ist - wie bisher - die Anwendung der §§ 59, 60 StGB oder die (teilweise) Einstellung des Verfahrens nach Opportunitätsgrundsätzen zu erwägen (§§ 153, 153a, 154, 154a StPO); gegebenenfalls ist zu prüfen, ob ein aus der Verfassung abzuleitendes Verfahrenshindernis der Fortsetzung des Verfahrens entgegensteht.
53
Die im Bereich des Jugendstrafrechts bestehenden besonderen Probleme werden durch das Vollstreckungsmodell weder beseitigt noch verstärkt. Während sich bisher die Frage stellte, ob von der aus Erziehungsgründen erforderlichen Strafe zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ein bezifferter Abschlag vorgenommen werden darf (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 15), ist nunmehr danach zu fragen, ob es dem Erziehungsgedanken widerstreitet, einen Teil der Strafe als Entschädigung für vollstreckt zu erklären (s. § 52a JGG, ferner § 88 JGG mit größerer Flexibilität für die Reststrafenaussetzung).

IV.

54
Die Strafgerichte haben die erforderliche Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nach dem Vollstreckungsmodell somit an folgenden Grundsätzen auszurichten:
55
1. Wie bisher sind zunächst Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Diese Feststellung dient zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. Der Tatrichter hat insofern in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es nicht.
56
Hieran anschließend ist zu prüfen, ob vor diesem Hintergrund zur Kompensation die ausdrückliche Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt; ist dies der Fall, so muss diese Feststellung in den Urteilsgründen klar hervortreten. Reicht sie dagegen als Entschädigung nicht aus, so hat das Gericht festzulegen, welcher bezifferte Teil der Strafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt. Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sich nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss es stets im Auge behalten werden, wenn die Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen Belastun- gen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht. Dies schließt es aus, etwa den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen; vielmehr wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben.
57
In die Urteilsformel ist die nach den Kriterien des § 46 StGB zugemessene Strafe aufzunehmen; gleichzeitig ist dort auszusprechen, welcher bezifferte Teil dieser Strafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gilt.
58
2. Stehen mehrere Straftaten des Angeklagten zur Aburteilung an, so ist - wie bisher - zunächst zu prüfen, ob und in welchem Umfang das Verfahren bei der Verfolgung aller dieser Delikte rechtsstaatswidrig verzögert worden ist; gegebenenfalls sind insoweit differenzierte Feststellungen zu treffen und der Abstand zwischen Tatzeitpunkt und Urteil sowie die Belastungen des Angeklagten durch die Verfahrensdauer nur bei einigen der festzusetzenden Einzelstrafen mildernd zu berücksichtigen. Allein auf die durch Zusammenfassung der Einzelstrafen gebildete und in der Urteilsformel ausgesprochene Gesamtstrafe ist die Anrechnung vorzunehmen, indem ein bezifferter Teil hiervon im Wege der Kompensation für vollstreckt erklärt wird; denn allein die Gesamtstrafe ist Grundlage der Vollstreckung.
59
Wird die Gesamtstrafe nachträglich aufgelöst, so hat das Gericht, das unter Einbeziehung der dieser zugrunde liegenden Einzelstrafen eine neue Gesamtstrafe zu bilden hat, auch festzusetzen, welcher bezifferte Teil dieser neuen Gesamtstrafe aus Kompensationsgründen als vollstreckt anzurechnen ist.
Hierdurch darf der, wie rechtskräftig festgestellt, von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung betroffene Verurteilte nicht nachträglich schlechter gestellt werden (vgl. § 51 Abs. 2 StGB). Dies gilt entsprechend, wenn die Einzelstrafen des ursprünglichen Urteils in mehrere neu zu bildende Gesamtstrafen einzubeziehen sind. Das zur Entscheidung berufene Gericht hat dann festzulegen , in welchem Umfang die neu auszusprechenden Gesamtstrafen anteilig als vollstreckt gelten. Dabei hat es sich daran zu orientieren, in welchem Umfang in die jeweilige neue Gesamtstrafe Einzelstrafen einfließen, die ursprünglich nach einem rechtsstaatswidrig verzögerten Verfahren festgesetzt worden waren. In der Summe dürfen die für vollstreckt erklärten Teile der neuen Gesamtstrafen nicht hinter der ursprünglich ausgesprochenen Anrechnung zurückbleiben. Hirsch Rissing-vanSaan Basdorf Maatz Miebach Wahl Bode Kuckein Gerhardt Kolz Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 153/11
vom
23. August 2011
BGHSt: ja zu A II. 3. a
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 34
Nach Übernahme eines Ermittlungsverfahrens durch die Bundesrepublik
Deutsch-land ist eine in dem abgebenden Vertragsstaat der MRK bereits eingetretene
rechts- staatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu kompensieren.
BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11 - LG Ravensburg
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 2.: gefährlicher Körperverletzung
zu 3.: vorsätzlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. August 2011 beschlossen
:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 10. November 2010 werden als unbegründet
verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.
2. Die Revisionen des Nebenklägers gegen das vorbezeichnete
Urteil werden
hinsichtlich des Angeklagten C. als unzulässig (§ 349
Abs. 1 StPO),
hinsichtlich der Angeklagten A. und T. als unbegründet
verworfen.
Der Nebenkläger hat die Kosten seiner Rechtsmittel und die
den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.

Gründe:


1
Die Jugendkammer hat festgestellt:
2
Die Angeklagten waren mit Freunden und Bekannten am Karsamstag 2008 in einer Diskothek in Hard (Österreich), ebenso der Nebenkläger M. . Dieser wollte eine schon abflauende Auseinandersetzung, an der der Angeklagte C. beteiligt war, schlichten. C. schlug ihn mit der Faust ins Gesicht, es entstand eine aggressive Stimmung. Nunmehr wollten die Angeklagten A. und T. , die zuvor mit C. zusammen am Tisch gewesen waren, C. helfen, der allerdings bald die Diskothek verließ. M. erhielt, auch von A. und T. , Schläge und Tritte, ging zu Boden, konnte sich zunächst aber wieder aufrichten. Es gab weitere, namentlich nicht ermittelte Beteiligte an der Auseinandersetzung. Es flogen Flaschen, eine davon traf auch A. , der seinerseits eine Flasche nahm und sie „in Bauchhöhe“ gegen M. warf. Eine Flasche traf M. so heftig am Kopf, dass er „k.o. ging und völlig hilflos zu Boden sackte“. Dass A. d i e s e Flasche geworfen hatte, steht nicht fest. Er trat aber gemeinsam mit anderen - darunter auch T. - auf den bewusstlos am Boden liegenden M. ein. M. wurde dabei auch gegen den Kopf getreten, ohne dass einem der Beteiligten einzelne Tritte genau zugeordnet werden konnten. M. zog sich sehr schwere Verletzungen zu, z.B. Brüche im Bereich des Jochbeins, der Augenhöhle und des Kiefers. Wegen der Gefahr, Blut einzuatmen, hätte er ohne fremde Hilfe ersticken können. Durch das Gesamtgeschehen wurde er auf einem Auge blind und kann, zu 40% erwerbsgemindert , seinen Beruf nicht mehr ausüben. Auch muss er lebenslang eine Platte im Gesicht tragen.
3
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde C. wegen Körperverletzung (§ 223 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Hinsichtlich der beiden anderen, heranwachsenden Angeklagten konnte sich die Jugendkammer nicht von den in der Anklage noch enthaltenen Vorwürfen des versuchten Totschlags, hinsichtlich A. auch der schweren Körperverletzung (Verlust eines Auges) überzeugen, und verurteilte sie wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) wegen der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) jeweils zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe, A. zu zehn Monaten, T. zu einem Jahr.
4
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten und des Nebenklägers. Sämtliche Rechtsmittel bleiben erfolglos.

A.

5
Die Revisionen der Angeklagten
6
Sämtliche Revisionen erheben die Sachrüge, die der Angeklagten A. und T. führen sie näher aus. Die Revision des Angeklagten A. ist zusätzlich noch auf Verfahrensrügen gestützt.

I.

7
Die Verfahrensrügen des Angeklagten A. wenden sich gegen die Verwertung der Angaben, die er am 24. März 2009 gegenüber KHK H. gemacht hatte; dieser hatte ihn als Beschuldigten vernommen, nachdem die österreichischen Behörden das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft Ravensburg abgegeben hatten. Schon in der Hauptverhandlung war ein Widerspruch gegen die Zeugenvernehmung von KHK H. , gestützt auf die Vernehmungsniederschrift , (u.a.) damit begründet worden, er habe ihn nur über sein Schweigerecht, aber nicht über sein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt und seinen Wunsch nach Unterrichtung des von ihm benannten Verteidigers abgelehnt.
8
Außerdem habe er ihn durch die in der Vernehmungsniederschrift dokumentierten Vorhalte
9
„Du weißt doch genau, dass der M. durch diese [von A. gewor- fene] Flasche das Auge verloren hat“ und später
10
„Laut bisherigen Ermittlungen ist klar, dass durch deinen Flaschenwurf die schweren Verletzungen am linken Auge des M. entstanden sind“ i.S.d. § 136a StPO über den bisherigen Stand der Ermittlungen getäuscht, da er, wie näher dargelegt, gewusst habe, dass es keine den Angeklagten konkret belastenden Erkenntnisse über das Zustandekommen der Augenverletzung gäbe.
11
Zu alledem befragt, erinnerte sich KHK H. genau, A. auch über sein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt zu haben, was er aber versehentlich nicht protokolliert habe. A. habe erklärt, seine Rechte aus einem früheren Verfahren - ein 2006 gemäß § 45 Abs. 1 JGG behandeltes Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs - zu kennen, jedoch nicht den Wunsch nach Kontakt mit (s)einem Rechtsanwalt geäußert. Außerdem erläuterte KHK H. seine damaligen Kenntnisse vom Ermittlungsstand. Die Jugendkammer hielt sei- ne Angaben für „uneingeschränkt überzeugend“, wies den Widerspruch mit nä- her begründetem Beschluss zurück und vernahm ihn zur Sache.
12
Hieran knüpft die Revision an. Sie hält sowohl § 136 StPO als auch § 136a StPO für verletzt.
13
1. Ein Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO liege vor, weil der Angeklagte keinen Kontakt mit seinem Verteidiger aufnehmen durfte; das Urteil begründe die Verwertbarkeit der Aussage von KHK H. nicht konkret. Seine Angaben seien wegen der entgegen Nr. 45 Abs. 1 RiStBV nicht dokumentierten Belehrung unglaubhaft, zumal er - so die Revision - erklärt habe, er dokumentiere die Beschuldigtenbelehrung nie in einem gesonderten Formular. Daher ergebe die Prüfung des Vernehmungsablaufs hier „ausschließlich“ das Ergebnis, „dass die Belehrung … nicht stattgefunden hat“. Die Behauptung von KHK H. , der Angeklagte habe geäußert, seine Rechte aus einem früheren Verfahren zu kennen, werde den Gegebenheiten nicht gerecht. Da insgesamt genügende Hinweise auf eine Belehrung fehlten, seien die Angaben des Angeklagten unverwertbar.
14
a) Im Urteil ist die Verwertbarkeit der Aussage von KHK H. nicht konkret begründet. Ob dies als eigenständiger Rechtsfehler gerügt sein soll, mag dahinstehen. Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln im Urteil sind rechtlich nicht geboten und würden es nur überfrachten (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613 mwN).
15
b) Im Übrigen sprechen die genannten ineinander übergehend beide Gesichtspunkte ansprechenden Ausführungen der Revision dafür, dass Grundlage eines Beweisverwertungsverbots offenbar sowohl die unterbliebene Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172, 173 f.), als auch die Verhinderung der ausdrücklich gewünschten Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 126/92, BGHSt 38, 372, 374; vgl. auch Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK; hierzu Schädler in KK-StPO 6. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 50 mwN) sein soll. Unbeschadet der Frage nach der gebotenen Klarheit der „Angriffsrichtung“ dieser Rüge (vgl. BGH,Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 620/09, NStZ 2010, 403, 404 mwN) in tatsächlicher Hinsicht, erscheint zweifelhaft, ob, wie für eine zulässige Verfahrensrüge stets erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - 1 StR 157/10, StV 2011, 399; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2005 - 1 StR 117/05, NStZ-RR 2006, 181, 182 mwN), der Vortrag widerspruchsfrei ist. Einerseits sei der Hinweis von KHK H. auf die bei der Vernehmung aktuelle Kenntnis des Angeklagten von seinem Recht auf Verteidigerkonsultation - sie stünde trotz unterbliebener Belehrung einem Verwertungsverbot entgegen (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172, 174) - unzutreffend, andererseits habe der Angeklagte Kontakt mit seinem Verteidiger verlangt. Wie es miteinander vereinbar ist, dass ein Recht unbekannt ist, aber dennoch geltend gemacht wird, liegt nicht auf der Hand.
16
c) Letztlich kann dies aber auf sich beruhen, da der Senat das tatsächliche Vorbringen der Revision, hinsichtlich der unterbliebenen Belehrung ebenso wie hinsichtlich der verwehrten Kontaktaufnahme, nicht für bewiesen hält (zum Maßstab vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1997 - 2 StR 130/97, StV 1999, 354). Er hat keinen Grund, die Angaben von KHK H. hierzu anders zu bewerten als die Jugendkammer. Er teilt nicht die Auffassung, dass wegen einer entgegen Nr. 45 Abs. 1 RiStBV teilweise unterbliebenen Protokollierung einer Belehrung bei Gericht „ausschließlich“ oder nahe liegend Lügen des hierfür verantwortli- chen Polizeibeamten zum Vernehmungsablauf zu erwarten seien. Auch konkret spricht hier für diese Möglichkeit nichts.
17
d) Die Belastung des Verfahrens durch unsorgfältige Protokollierung wäre leicht bei Verwendung eines entsprechenden Formulars vermieden worden.
18
Macht im Übrigen, wie hier, ein Angeklagter in der Hauptverhandlung keine Angaben, oder sagt er - erfahrungsgemäß ebenfalls nicht ungewöhnlich - dort anders aus als im Ermittlungsverfahren, können seine früheren Angaben sehr bedeutsam werden. Da hinsichtlich dieser Angaben hier keine ordnungsgemäße Belehrung aktenkundig war, stand das Verbot ihrer Verwertung dann im Raum, wenn die Belehrung und nicht nur deren Dokumentation unzulänglich war. Diese anhand der Akten nicht klärbare Frage hätte bereits vor der Hauptverhandlung überprüft werden können, auch schon von der Staatsanwaltschaft. Deren Gesamtverantwortung für ein rechtmäßiges Ermittlungsverfahren - auch soweit von der Polizei geführt - verlangt auch hinsichtlich etwaiger Beweisverwertungsverbote effektiv ausgeübte Leitungs- und Kontrollbefugnisse, damit gegebenenfalls gebotene Maßnahmen ergriffen werden können, wo nötig in Form allgemeiner Weisungen. Dies gilt in allen Verfahren, hat aber in Kapitalsachen (versuchter Totschlag) besonderes Gewicht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613 mwN).
19
2. Eine Täuschung des Angeklagten über den Ermittlungsstand (§ 136a StPO) liegt nicht vor. Als der Angeklagte, der auch schon zuvor erklärt hatte, er wisse nicht, wo die von ihm geworfene Flasche getroffen habe, erneut auch auf den ersten als Beleg für eine Täuschung genannten Vorhalt „Du weißt doch genau …“ (oben A. I. vor 1.)nicht bestätigte, M. am Auge getroffen zu haben , hielt ihm KHK H. als nächstes vor: „Aber es ist in der Gruppe bekannt, dass deine Flasche den M. am Auge getroffen hat“, worauf der Angeklagte erwiderte: „Man sagt das deswegen, weil man gesehen hat, dass ich die eine Flasche geworfen habe“. Es gab also - vom Angeklagten sogar als richtig bestä- tigte - polizeiliche Erkenntnisse, dass mehrere bei dem Vorfall anwesende Personen (die „Gruppe“) - unabhängig von Angaben bei der Polizei - geäußert hatten , der Angeklagte habe M. mit der Flasche am Auge verletzt. Schon deshalb hat die Annahme einer Täuschung durch KHK H. keine Grundlage. Außerdem hat die Jugendkammer lediglich festgestellt, dass der Angeklagte - wie von vielen Anwesenden gesehen und auch von ihm schon vor der angeblichen Täuschung eingeräumt - eine Flasche geworfen, aber nicht, dass sie M. am Auge getroffen hat. Selbst wenn, was nicht so ist, eine Täuschung vorläge, hätte sie sich schon nicht auf die Aussagen des Angeklagten bei der Polizei und erst Recht nicht auf das Urteil ausgewirkt.

II.

20
Die auf Grund der von allen Angeklagten erhobenen Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil eines Angeklagten ergeben. Ergänzend bemerkt der Senat:
21
1. Zum Schuldspruch:
22
a) Vorbringen für den Angeklagten A. :
23
(1) Die Behauptung, die Jugendkammer habe nur Feststellungen zum Flaschenwurf getroffen und nichts festgestellt, was die Beteiligung des Angeklagten an den vorangegangenen Gewalttätigkeiten belege, widerspricht den Urteilsgründen. Danach hatte sich C. unmittelbar vor Beginn seiner Auseinandersetzung mit M. „an den Nachbartisch zu … A. und T. begeben“. M. hat bekundet, nachdem ihn C. geschlagen hatte, seien dessen „Begleiter oder Freunde … aufgestanden und hätten auf ihn eingeschlagen“. Zweifel an der Glaubwürdigkeit M. s hatte die Jugendkammer nicht, Gründe , warum sie sie hätte haben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
24
(2) Weite Teile des sonstigen Vorbringens gegen die Feststellungen zum Tatgeschehen erschöpfen sich in Überlegungen zu alternativen Geschehensabläufen (der Angeklagte könne nach dem Flaschenwurf den Tatort alsbald verlassen oder dort nur zur Beobachtung des weiteren Geschehens „verweilt“ haben), die in den Urteilsgründen keine Anknüpfungspunkte finden. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, wistra 2010, 310, 312 mwN). Dementsprechend braucht das Urteil bloß theoretische Möglichkeiten auch nicht zu erörtern (BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 1 StR 20/11). Eine auf den Beleg der Richtigkeit ihrer Vermutungen gerichtete Aufklärungsrüge hat die Revision nicht erhoben.
25
(3) Nach den Feststellungen der Jugendkammer traten „umstehende Per- sonen“ aufden am Boden liegenden M. „mit Füßen … ein. ... Hieran waren auch die Angeklagten A. und T. beteiligt“. Angesichts dessen ist die Annahme der Revision, zur Art der Beteiligung des Angeklagten sei nichts festgestellt, nicht nachvollziehbar.
26
b) Vorbringen für den Angeklagten T. :
27
Die Revision verkennt, dass weder die Sach- noch eine Verfahrensrüge auf einen Abgleich der Urteilsgründe mit dem Akteninhalt gestützt werden kann (st. Rspr.; zuletzt BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 1 StR 20/11; vgl. zusammenfassend Wahl in NJW-SH f. G. Schäfer, 2002, 73 mwN). Deshalb ist auch für die von ihr angeregte Anhörung eines Zeugen durch den Senat kein Raum. Sollte ein Zeuge im weiteren Verlauf wegen eines Aussagedelikts rechtskräftig verurteilt werden, könnte dies Grundlage einer Wiederaufnahme des Verfahrens sein (§ 359 Nr. 2 StPO). Soweit die Revision darüber hinaus im Rahmen der Begrün- dung der Sachrüge wegen der Ablehnung des „Beweisantrag(s) Anlage 8“ eine Verletzung der Aufklärungspflicht sieht, kommt eine Umdeutung in eine Verfahrensrüge nicht in Betracht, da das Vorbringen den Anforderungen von § 344 Abs. 2 StPO nicht genügt. Weder der Antrag noch der Beschluss sind mitgeteilt.
28
2. Zum Strafausspruch:
29
a) Ausführungen zum Strafausspruch enthält nur die Revisionsbegründung für den Angeklagten A. . Soweit sich fehlende Feststellungen zur Art der Tatbeteiligung auf den Strafausspruch ausgewirkt haben sollen, gilt nichts anderes als hinsichtlich des Schuldspruchs (vgl. A. II. 1. a (3)). Das übrige Vorbringen erschöpft sich in dem im Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch, Bewertungen, die die dem Tatrichter hierbei gezogenen Grenzen an keiner Stelle zum Nachteil des Angeklagten überschreiten, durch eigene zu ersetzen. Zu Unrecht ist die Jugendkammer allerdings davon ausgegangen, der Angeklagte sei „nicht strafrechtlich vorbelastet“ gewesen. Tatsächlich ist er schon 2006 wegen Landfriedensbruchs in Erscheinung getreten (vgl. A. I. vor 1.). Auch wenn nähere Feststellungen hierzu fehlen, handelt es sich dabei jedenfalls um ein Delikt, bei dem es, ähnlich wie hier, um Gewalttätigkeiten aus einer wegen etlicher Beteiligter unübersichtlichen Situation heraus geht. Die unterbliebene Erörterung dieses Gesichtspunkts hat sich jedoch nur zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt.
30
b) Auch sonst sind bei der Strafzumessung Rechtsfehler weder zum Nachteil des Angeklagten A. noch zum Nachteil der übrigen Angeklagten ersichtlich.
31
3. Zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensdauer:
32
Die Jugendkammer hat die Verfahrensdauer nicht nur als bedeutsamen Strafmilderungsgrund angesehen, sondern insoweit auch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt, weil - bis zur Abgabe des zunächst in Österreich anhängigen Ermittlungsverfahrens an die Staatsanwaltschaft Ravensburg „in erster Linie durch die zögerliche Behandlung bzw. Nichtbehandlung der Ermittlungen seitens der österreichischen Ermittlungsbehörden schon neun Monate ins Land gegangen“ sind; und - wegen vieler vorrangiger Haftsachen zwischen Eingang der Anklage und Urteil zwölf Monate gelegen haben.
33
In beiden Abschnitten sei das Verfahren in einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zuwiderlaufenden Weise für die Dauer von je neun Monaten verzögert worden, was mit je drei Monaten zu kompensieren sei.
34
Dementsprechend wurden von der gegen den Angeklagten C. verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate (im Urteilstenor) für vollstreckt erklärt.
35
Anders sei, so die Jugendkammer in den Urteilsgründen, demgegenüber hinsichtlich der Angeklagten A. und T. zu verfahren. Da gegen sie Jugendstrafe verhängt sei, sei nicht ein Teil der Strafe für vollstreckt zu erklären, sondern ein Abschlag von der an sich für angemessen gehaltenen Strafe vorzunehmen. Dementsprechend wurde eine Jugendstrafe von einem Jahr statt von einem Jahr und sechs Monaten gegen T. und von zehn Monaten statt von einem Jahr und vier Monaten gegen A. verhängt.
36
Der Senat bemerkt:
37
a) Die Dauer eines Strafverfahrens kann unabhängig von ihren Gründen für die Strafzumessung bedeutsam sein (BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 - 1 StR 538/01, StV 2002, 598 mwN). Der Senat ist jedoch nicht der Auffassung, dass eine (von der Jugendkammer nur knapp geschilderte, nach ihrer Auffassung ) mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK unvereinbare Verfahrensverzögerung durch österreichische Behörden hier darüber hinaus auch als konventionswidrig zu kompensieren ist. Eine solche Kompensation ist Wiedergutmachung. Sie soll die „Opferstellung“ eines Betroffenen (Art. 34 MRK) beenden und so den jeweiligen Vertragsstaat (hier die Bundesrepublik Deutschland) vor einer möglichen Verurteilung durch den EGMR auf Grund einer Individualbeschwerde wegen Verletzung der MRK bewahren (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 137). Letztlich wird durch eine solche Kompensation eine „im Verantwortungsbereich des Staates“ (BGH aaO 129; vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 5 StR 253/09, NStZ 2010, 230 mwN) entstandene „Art Staatshaftungsanspruch“ erfüllt (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138). Dem entspricht, dass Individualbeschwerden gemäß Art. 35 Abs. 3 MRK zurückgewiesen werden, wenn die gerügten Handlungen oder Unterlassungen dem beklagten Staat nicht zuzurechnen wären (vgl. EGMR, Entscheidung vom 15. Juni 1999, Nr. 18360/91; EKMR, Entscheidung vom 14. April 1998, Nr. 20652/92). Dies spricht dagegen, dass ein (etwa) konventionswidriger Verfahrensgang in einem Mitgliedsstaat der MRK einem anderen Mitgliedsstaat, der hierauf keinen Einfluss nehmen konnte, gleichwohl zuzurechnen und von ihm zu kompensieren ist, wenn seine Ermittlungsbehörden das Ermittlungsverfahren erst nach Eintritt der Verzögerung übernommen haben (so in vergleichbarem Sinne, wenn auch anderen prozessualen Zusammenhängen, BGH, Beschluss vom 17. März 2010 - 2 StR 397/09, BGHSt 55, 70, 77 f. [mögliche Verletzung des Konfrontationsrechts durch einen anderen Staat im Rahmen von Rechtshilfe] und OLG Rostock, NStZ-RR 2010, 340 [mögliche konventionswidrige Verfahrensverzögerung durch einen anderen Staat bei einer hier zur Vollstreckung übernommenen Verurteilung] jew. mwN).
38
b) Der Senat kann auf der Grundlage der hierzu ebenfalls knappen Feststellungen nicht beurteilen, ob und gegebenenfalls wie lange das Verfahren durch die Jugendkammer konventionswidrig verzögert wurde (vgl. zu hierfür we- sentlichen Punkten BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2453 f.). Jedenfalls handelt es sich hier um eine „Jugendschwurgerichtssache“ (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 JGG) gegen (ursprünglich) fünf nicht inhaftierte Angeklagte. Diesen lagen, hinsichtlich der einzelnen Angeklagten differenziert, unterschiedliche Delikte teilweise sehr erheblichen Gewichts (gefährliche Körperverletzung , schwere Körperverletzung, versuchter Totschlag) zum Nachteil des am Verfahren als Nebenkläger beteiligten Geschädigten zur Last. Sämtliche Taten sollten die nicht geständigen Angeklagten im Rahmen eines tumultartigen und daher schwer klärbaren Geschehens begangen haben, wobei einige Zeugen der im Ausland begangenen Tat(en) im Ausland wohnten. Der Senat hält es danach jedenfalls nicht für menschenrechtswidrig, dass hier nicht schon etwa drei Monate nach Eingang der Anklage ein Urteil erging.
39
c) Außerdem ist bei der Prüfung einer etwaigen konventionswidrigen Verfahrensverzögerung stets die Dauer des gesamten Verfahrens in den Blick zu nehmen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08, wistra 2009, 147, 148 mwN). Es ist daher kein zutreffender Ansatz, nach jeweils nur isolierter Bewertung für mehrere Verfahrensabschnitte jeweils gesonderte Kompensationen zu bestimmen und diese dann zu addieren.
40
d) Eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung kann gegebenenfalls schon durch ihre Feststellung genügend kompensiert sein (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 5 StR 330/10, StraFo 2011, 56, 57 mwN). Jedenfalls hätte die Jugendkammer, die diese hier nahe liegende Möglichkeit nicht geprüft hat, bei der Bemessung der Kompensation aber erkennbar zu erwägen gehabt, dass sie, wie dargelegt, schon bei der Strafzumessung die Verfahrensdauer strafmildernd bewertet hat, sodass darüber hinaus nur noch deren konventionswidrige Verursachung auszugleichen ist. Dies wird, von hier nicht erkennbaren besonderen Fallgestaltungen abgesehen, vielfach dazu führen, dass sich eine Kompensation nur noch auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken hat (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146, 147; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08, wistra aaO mwN). Die Jugendkammer hat demgegenüber zwischen einem Drittel und der Hälfte der von ihr für angemessen gehaltenen Strafen für vollstreckt erklärt bzw. nicht ausgesprochen. Bei der Bemessung der Höhe einer Kompensation ist jedoch auch in den Blick zu nehmen, dass eine überzogene Berücksichtigung des Zeitfaktors als Ausgleich für Justiz und Ermittlungsbehörden anzulastenden Mängeln den Zielen effektiver Verteidigung der Rechtsordnung zuwider läuft (BGH, Beschluss vom 17. November 2010 - 1 StR 145/10, wistra 2011, 115, 116 mwN).
41
e) Einer abschließenden Entscheidung der aufgezeigten Gesichtspunkte hinsichtlich der Verfahrensverzögerung bedarf es hier aber nicht, da sie sich ersichtlich nur zu Gunsten der Angeklagten ausgewirkt haben.
42
f) Im Übrigen ist die Umsetzung der von der Jugendkammer für erforderlich gehaltenen Kompensation nur hinsichtlich des Angeklagten C. („Voll- streckungsmodell“) rechtsfehlerfrei.
43
Die Annahme, bei Verhängung von Jugendstrafe sei demgegenüber nicht das Vollstreckungsmodell anzuwenden, sondern ein Strafabschlag vorzunehmen , entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, jedenfalls, wenn die Jugendstrafe, wie jeweils hier, allein auf eine Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) gestützt ist (BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 5 StR 330/10, StraFo 2011, 56, 57; Urteil vom 9. Mai 2010 - 2 StR 278/09 jew. mwN). Die Angeklagten sind dadurch jedoch nicht beschwert. Ein Angeklagter kann schon generell ohnehin allenfalls unter sehr ungewöhnlichen Umständen beschwert sein, wenn eine niedrigere statt einer höheren - sei es auch teilweise als vollstreckt geltenden - Strafe ausgesprochen wird (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2454; vgl. auch Pohlit in FS Rissing-van Saan, 453, 457). Hier kommt hinzu, dass der Strafabschlag dazu führte, dass die Jugendstrafen schon nach Maßgabe von § 21 Abs. 1 JGG zur Bewährung ausgesetzt werden konnten und nicht wie die von der Jugendkammer an sich für angemessen gehaltenen Strafen nur unter den demgegenüber (schon ausweislich des Gesetzeswortlauts) engeren Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 JGG (vgl. hierzu Brunner/Dölling JGG 11. Aufl., § 21 Rn. 11, 11a; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 54/08, StV 2008, 400 zum strukturell identischen Fall, dass der Strafabschlag § 56 Abs. 1 StGB anwendbar macht, während bei dem Vollstreckungsmodell nur § 56 Abs. 2 StGB anwendbar wäre).

B.

44
Die Revisionen des Nebenklägers

I.

45
Revision zum Nachteil des Angeklagten C. :
46
1. Die Revision wurde uneingeschränkt in der „Strafsache gegen A. u.a.“ eingelegt. Ebenso uneingeschränkt ist im Rahmen der Revisionsbegründung beantragt (§ 344 Abs.1 StPO), das Urteil aufzuheben. Die auf die Sachrüge gestützte Begründung erwähnt den Angeklagten C. nicht, sondern legt ausschließlich dar, warum das Urteil hinsichtlich der Angeklagten A. und T. rechtsfehlerhaft ist. Zur Begründung herangezogen sind ausschließlich Feststellungen zum Geschehen, das sich ereignete, nachdem C. die Diskothek verlassen hatte.
47
2. Der Senat hatte daher zu prüfen, ob das Urteil auch zum Nachteil des Angeklagten C. angefochten ist. Die Revisionseinlegungsschrift spricht eher dafür, da sich die Nebenklage auch gegen den auch wegen eines nebenklagefähigen Delikts verurteilten Angeklagten C. richtete. Gleiches gilt im Ergebnis für den Revisionsantrag. Gegen eine Revision zum Nachteil des Angeklagten C. spricht die Revisionsbegründung, die ihn weder erwähnt, noch sich auf die ihm zur Last gelegte Tat bezieht. Der Senat hat erwogen, ob hier, wie auch sonst bei Zweifeln über den Umfang einer Revision, deren Begründung maßgeblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - 3 StR 122/09; BGH, Urteil vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118 mwN). Dies hat er verneint. Wird, sei es auch in nur einem Schriftsatz, ein gegen mehrere Angeklagte ergangenes Urteil uneingeschränkt angefochten, gilt dies regelmäßig hinsichtlich jedes Angeklagten. Es liegen der Sache nach mehrere, voneinander unabhängige Rechtsmittel vor. Dann kann aber nicht allein der späteren Begründung des Rechtsmittels zum Nachteil eines Angeklagten inzident entnommen werden, dass zum Nachteil eines anderen Angeklagten doch kein Rechtsmittel eingelegt sein soll. Die Frage nach dem Umfang eines Rechtsmittels ist von anderer Art als die Frage, ob überhaupt ein Rechtsmittel eingelegt ist. Insoweit kommt es allein auf die Einlegungsschrift an.
48
3. Die danach (auch) zum Nachteil des Angeklagten C. eingelegte Revision ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), da mangels konkreter Begründung nicht erkennbar ist, dass sie ein von einer Nebenklägerrevision erreichbares Ziel (§ 400 Abs. 1 StPO) verfolgte.

II.

49
Revisionen zum Nachteil der Angeklagten A. und T. :
50
Insoweit hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung(en) gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler ergeben, der diesen Revisionen des Nebenklägers zum Erfolg verhelfen könnte.
51
1. Die Annahme, dass insbesondere bei Tritten gegen den Kopf eines am Boden liegenden Menschen ein Tötungsvorsatz in Betracht kommen kann, liegt im Grundsatz nicht fern (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2005 - 1 StR 288/05, NStZ-RR 2006, 10, 11; Beschluss vom 28. Juni 2005 - 1 StR 178/05). Die insoweit freilich sehr knappen Ausführungen der Jugendkammer ergeben im Kontext mit den sonstigen Urteilsgründen, dass der Jugendkammer auch im Blick auf ein eher spontanes, sich rasch intensivierendes Geschehen Zweifel an einem solchen Vorsatz verblieben. Dies gilt auch, soweit die Jugendkammer angesichts des in seiner ständigen Bewegung schnell wechselnden und nur begrenzt zuverlässig zu rekonstruierenden tumultartigen Geschehens keine Handlungen der Angeklagten festzustellen vermochte, die die Annahme eines Tötungsvorsatzes aufdrängten. Vergleichbares gilt hinsichtlich des beim Nebenkläger eingetretenen Verlusts des Auges und der sonstigen schweren Verletzungen , von deren Verursachung durch die Angeklagten sich die Jugendkammer ebenfalls nicht zweifelsfrei überzeugen konnte. All dies liegt auch unter Berücksichtigung des hiergegen gerichteten Revisionsvorbringens noch im Rahmen möglicher tatrichterlicher Beweiswürdigung, sodass es nicht darauf ankommt, ob auch eine andere Würdigung vertretbar erschiene.
52
2. Näher noch als die Annahme eines versuchten Totschlags und/oder einer schweren Körperverletzung hätte die Annahme einer Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB, zweite Alternative) gelegen, da die Angeklagten sich gemeinsam mit anderen an einem u.a. auch durch Flaschenwürfe begangenen Angriff auf M. beteiligten, durch den dieser ein Auge verlor, ohne dass es darauf ankäme, welche konkrete Handlungen ihnen im Blick auf die hier, wie in solchen Fällen typisch, vorliegende Beweisnot zugerechnet werden können (vgl. zusammenfassend Fischer StGB 58. Aufl., § 231 Rn. 1, 2, 4 ff. mwN). Näher nachzugehen braucht der Senat dem aber nicht, weil § 231 StGB kein zur Nebenklage berechtigendes Delikt ist; ein nur hierauf bezogener etwaiger Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten kann einer hinsichtlich der Anwendung von Nebenklagedelikten erfolglosen Nebenklägerrevision nicht zum Erfolg verhelfen (BGH, Urteil vom 21. August 2008 - 3 StR 236/08, NStZ-RR 2009, 24, 25; BGH, Urteil vom 12. März 1997 - 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403 jew. mwN). Gleiches gilt im Ergebnis insoweit, als die Jugendkammer nicht geprüft hat, ob eine nur nach ihrer einzelfallbezogen abstrakten Gefährlichkeit, nicht nach ihren konkreten Folgen zu beurteilende lebensgefährdende Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB (vgl. Fischer aaO § 224 Rn. 12 mwN) vorliegt, oder ob im Blick auf bei den Tritten nahe liegend von den Angeklagten getragene Schuhe gefährliche Werkzeuge gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2009 - 4 StR 347/09, NStZ 2010, 151 mwN) verwendet wurden. Das Hinzutreten weiterer Tatbestandsalternativen eines ohnehin abgeurteilten Delikts betrifft den Schuldumfang und daher den Strafausspruch (BGH, Urteil vom 21. April 1999 - 5 StR 714/98, NJW 1999, 2449; BGH, Beschluss vom 3. Juli 1997 - 4 StR 266/97, NStZ-RR 1997, 371 jew. mwN) und kann daher einer Nebenklägerrevision ebenso wenig zum Erfolg verhelfen wie sonstige nur den Strafausspruch betreffende Rechtsfehler (§ 400 StPO). Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 238/08
vom
9. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 5. November 2007 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, soweit es die Angeklagte betrifft, aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die - im Übrigen freigesprochene - Angeklagte wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte, wirksam auf den Strafausspruch und die zugehörigen Feststellungen - soweit es die Angeklagte betrifft - beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Revision beanstandet insbesondere die von der Kammer angenommene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung sowie das Maß der darauf beruhenden Kompensation. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.

I.


2
Die vom Landgericht für die Verletzung des Gebots einer zügigen Verfahrenserledigung gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG vorgenommene Kompensation begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
1. Die Strafkammer hat an sich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten als verwirkt angesehen. Sie hat sodann zum Ausgleich für eine von ihr bejahte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von vier Monaten von der eigentlich als schuldangemessen erachteten Freiheitsstrafe einen bezifferten Strafabschlag von sechs Monaten vorgenommen und gegen die zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens inhaftierte Angeklagte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt.
4
2. Dies hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Landgericht der Kompensation in rechtsfehlerhafter Weise nur unzureichende Feststellungen zu Grunde gelegt hat. Der Senat kann offenlassen, ob ein sachlich-rechtlicher Fehler schon allein darin liegt, dass das Landgericht bei der Frage, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt, auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 19. Dezember 2006 verwiesen hat, der eine Entscheidung über die weitere Haftfortdauer betreffend den früheren Mitangeklagten K. W. zum Gegenstand hat. Jedenfalls genügt diese bloße Bezugnahme hier nicht, weil das Landgericht bei der Beurteilung des Vorliegens einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung einen anderen Maßstab anzulegen und eine andere Abwägung zu treffen hatte als das Oberlandesgericht. http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=30&S=225 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=30&S=225&I=227 - 5 -
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a) Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung sind als Grundlage der Kompensation Art, Ausmaß und Ursachen der Verfahrensverzögerung zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Diese Feststellungen dienen zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. Insofern hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen die Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Festsetzung der Strafe mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Strafzumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen, § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (st. Rspr.; vgl. nur BGH - GS - NJW 2008, 860, 866; BGH, Beschl. vom 9. April 2008 - 3 StR 71/08; Beschl. vom 11. März 2008 - 3 StR 54/08). Dabei muss grundsätzlich jedes Strafurteil aus sich heraus verständlich sein (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 30, 225, 227; BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Bezugnahme 1; BGH NStZ-RR 2007, 22). Gebotene eigene Urteilsfeststellungen oder Würdigungen dürfen deshalb in der Regel nicht durch Bezugnahmen ersetzt werden, da es ansonsten sachlichrechtlich an der Möglichkeit einer Nachprüfung durch das Revisionsgericht fehlt (BGH NStZ-RR 2007, 22 m.w.N.).
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b) Gemessen an diesen Maßstäben erscheinen die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils nicht unbedenklich. Die Kammer führt lediglich pauschal aus, ohne nähere Einzelheiten zu den jeweiligen Verfahrensschritten festzustellen , die Tat liege vier Jahre zurück, die Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft und die Anklage datierten vom 20. Oktober 2005. Am 2. März 2006 habe die Kammer über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden, die Hauptverhandlung habe am 4. Oktober 2006 begonnen und über ein Jahr gedauert. Weiter legt sie dar, dass „nach den Feststellungen des OLG Bamberg im Beschluss vom 19.12.2006“ (in dem wiederum auf den hinsichtlich des frü- heren Mitangeklagten K. W. ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Oktober 2006, StV 2007, 254, verwiesen wird) „es zu einer vermeidbaren Verfahrensverzögerung von 4 Monaten gekommen“ sei, „da der ursprünglich bestimmte Hauptverhandlungstermin vom 17.05.2006 aufgehoben“ worden sei (UA S. 82/83).
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aa) Damit beschränkt sich das Landgericht auf die bloße Aneinanderreihung der zeitlichen Abläufe und die Wiedergabe einer wertenden Beurteilung eines anderen Gerichts in einer Entscheidung über die weitere Haftfortdauer betreffend den früheren Mitangeklagten K. W. . Die gebotenen konkreten Feststellungen zum Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung in Bezug auf die Angeklagte H. W. hat es damit jedoch nicht getroffen.
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(1) Insbesondere hat die Strafkammer weder die Gründe für die Neuterminierung mitgeteilt, noch die zur Vorbereitung und Terminierung des neuen, zudem nach einem Wechsel des Kammervorsitzes und des Berichterstatters in neuer Gerichtsbesetzung stattfindenden Hauptverhandlungstermins erforderlichen Zeitspannen erkennbar berücksichtigt (vgl. BGH, Beschl. vom 6. März 2008 - 3 StR 514/07). Es wäre aber festzustellen gewesen, welcher Zeitraum bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung für die Erledigung der entsprechenden Maßnahmen in der vorliegenden umfangreichen Wirtschaftstrafsache, die wegen mehrerer Tatkomplexe gegen zwei Angeklagte geführt wurde, beansprucht werden durfte. Denn dieser ist bei der Berechnung der Dauer der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht einzubeziehen (vgl. BGH, Beschl. vom 27. Mai 2008 - 3 StR 157/08; zur Vorbereitung und Terminierung in Wirtschaftsstrafsachen vgl. BGH NJW 2008, 2451, 2453 f.).
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(2) Außerdem hat sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt, dass der Umstand, dass das Strafverfahren während eines einzelnen Verfahrensabschnitts verzögert betrieben wurde, für sich allein keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK begründet, wenn das Strafverfahren insgesamt in angemessener Zeit abgeschlossen wurde (BGH NStZ 2004, 504; NStZ-RR 2007, 150, 151; vgl. auch EGMR, Urt. vom 15. Juli 2005 - 57019/00). Bei der Prüfung, ob eine Strafsache insgesamt in angemessener Frist (im verbindlichen englischen Originaltext „…within a reasonable time…“) i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verhandelt worden ist, sind neben der gesamten Dauer von dem Zeitpunkt an, in dem die Beschuldigte von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wurde, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens die Art und die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrens, die Art und Weise der Ermittlungen, das Verhalten der Beschuldigten sowie das Ausmaß der mit dem andauernden Verfahren verbundenen Belastungen für die Beschuldigte als maßgebende Kriterien festzustellen und zu berücksichtigen (BGH NStZ 2004, 504).
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bb) Der Senat lässt - wie oben dargelegt - offen, ob für die Beurteilung dieser an sich notwendigen eigenen Darlegungen im Urteil der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg, auf den das landgerichtliche Urteil verweist, und der dort enthaltene Hinweis auf die veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG StV 2007, 254) ergänzend herangezogen werden können. Die bloße Bezugnahme auf diese Entscheidungen verbietet sich vorliegend jedenfalls deshalb, weil das Tatgericht bei der Bewertung des Bestehens einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung einen anderen Maßstab anzulegen und eine andere Abwägung zu treffen hatte, als dies im Rahmen der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Oberlandes- gerichts betreffend die Haftfortdauer des früheren Mitangeklagten K. W. der Fall war.
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(1) Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG garantieren das Recht eines jeden Angeklagten auf gerichtliche Entscheidung innerhalb angemessener Frist. Dieser Grundsatz gilt für die gesamte Dauer des Strafverfahrens vom Zeitpunkt der Kenntnis des Beschuldigten von den gegen ihn gerichteten Ermittlungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens (BGH StV 2002, 598; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 80 ff. m.w.N.). Unabhängig davon besteht der Anspruch des aus Gründen der Prozesssicherheit inhaftierten Angeklagten „auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung“ aus der Haft, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 MRK, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Der für die Beurteilung der insoweit angemessenen Dauer maßgebende Fristbeginn ist hierbei zunächst der tatsächliche Beginn der Freiheitsentziehung, das maßgebliche Fristende der Erlass des erstinstanzlichen Urteils (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Art. 5 MRK Rdn. 116, 117).
12
(2) Die „angemessene Frist“ für die Untersuchungshaft ist dabei wesentlich kürzer bemessen und unterliegt strengeren Anforderungen als die Frist, binnen der das Strafverfahren durchgeführt sein muss. Während für die Unangemessenheit der Verfahrensdauer als Maßstab der Zeitraum gilt, der für die sachgerechte Erledigung des jeweiligen Verfahrens bei ordnungsgemäßer Bearbeitung im normalen Verfahrensbetrieb notwendig ist, ist bei der Frage der weiteren Haftfortdauer regelmäßig nur die bei größtmöglicher Beschleunigung erreichbare Minimaldauer hinnehmbar (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Art. 5 MRK Rdn. 114; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl. Rdn. 828). Damit können die Fristen für die Verfahrenserledigung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG länger sein als die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 MRK, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gesetzten , in denen über eine Freiheitsentziehung zu entscheiden ist.
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(3) Hinzukommt, dass - anders als bei der Frage der Angemessenheit der Dauer des gesamten Strafverfahrens - die Angemessenheit der Dauer der Haft nicht rückblickend zu beurteilen ist, sondern ex ante von der jeweils gegebenen , aktuellen Verfahrenslage aus (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Art. 5 MRK Rdn. 115).
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(4) Eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 MRK, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist demnach nicht zwangsweise zugleich auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (so bereits EGMR, Matznetter/Österreich, Urt. vom 10. November 1969 - 2178/64; vgl. auch Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 76; Paeffgen in SK-StPO 57. Lfg. Art. 5 MRK Rdn. 61). Dies gilt erst recht in einem Verfahren , das - wie gegenständlich - gegen mehrere Angeklagte geführt wird: Während ein bestimmter Verfahrensablauf für einen, noch dazu inhaftierten Mitangeklagten einen Verstoß gegen das in Haftsachen gebotene Beschleunigungsgebot darstellen kann, muss dies für die andere, nicht in Haft befindliche Angeklagte keineswegs zwangsläufig eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK begründen. Ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt ist vielmehr nach den individuellen Umständen des Einzelfalles - insbesondere unter Berücksichtigung der persönlichen Auswirkungen der Verfahrensdauer für den jeweiligen Betroffenen - für jeden Angeklagten eigenständig zu beurteilen (vgl. BGH, Beschl. vom 21. Juli 2005 - 1 StR 78/05). Dies hat die Strafkammer verkannt.
15
3. Die verhängte Freiheitsstrafe kann aber auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht für die von ihm angenommene Verfahrensverzögerung von vier Monaten einen Strafabschlag von sechs Monaten gewährt hat. Dies überschreitet die Grenzen des dem Tatrichter insoweit zuzubilligenden Beurteilungsspielraums und erweist sich daher als rechtsfehlerhaft.
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a) Allgemeine Kriterien für die Festlegung der für erforderlich erachteten Kompensation lassen sich zwar nicht aufstellen. Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles. Jedoch ist im Auge zu behalten, dass die Verfahrensdauer als solche sowie die damit verbundenen Belastungen der Angeklagten - wie auch vorliegend - bereits strafmildernd in die Strafzumessung eingeflossen sind. In diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung geht es daher nur mehr um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Verzögerung. Dies schließt es regelmäßig aus, etwa den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen. Vielmehr wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben (BGH - GS - NJW 2008, 860, 866; BGH, Beschl. vom 6. März 2008 - 3 StR 50/07; Beschl. vom 11. März 2008 - 3 StR 54/08).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte liegt die vom Landgericht vorgenommene Reduzierung der ohne die angenommene Verfahrensverzögerung von vier Monaten als verwirkt erachteten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten um sechs Monate nicht mehr im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Das Landgericht hat damit nicht nur eine Anrechnung entsprechend dem Maßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB vorgenommen, sondern eine solche in Höhe des eineinhalbfachen der von ihm bejahten Verzögerung und somit einen Abschlag von einem Drittel der eigentlich als tat- und schuld- angemessen angesehenen Freiheitsstrafe gewährt. Damit hat das Landgericht der Angeklagten eine Strafreduzierung zugebilligt, die zu einer Verkürzung der gegebenenfalls noch zu vollstreckenden Strafe in einem Umfang führt, der nicht einmal durch eine viermonatige inländische Untersuchungshaft hätte erreicht werden können (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB; BGH StV 2008, 299). Ein derart hohes Maß an Kompensation könnte nur ausnahmsweise durch deutlich gravierendere individuelle Belastungen der zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens inhaftierten Angeklagten infolge der Verfahrensverzögerung als der hier festgestellten gerechtfertigt sein (vgl. BGH StV 2007, 461, 462).
18
4. Schließlich entspricht das vom Landgericht angewandte Kompensationsverfahren („Strafabschlagslösung“) nicht der - nach dem angefochtenen Urteil - geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kompensation des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK („Vollstreckungsmodell“; vgl. BGH - GS - NJW 2008, 860 ff.).

II.


19
Der Strafausspruch sowie die zugehörigen Feststellungen waren deshalb - soweit es die Angeklagte betrifft - aufzuheben, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, insoweit einheitlich neue, ausreichend konkrete Feststellungen zu treffen. Damit entfällt auch die Grundlage der Entscheidung des Landgerichts über die Strafaussetzung zur Bewährung.

III.


20
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
21
1. Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wird die für eine mögliche Verletzung des Gebots einer zügigen Verfahrenserledigung maßgeblichen Umstände als gerichtskundige Tatsachen zu behandeln haben und sich diese Kundigkeit im Freibeweisverfahren verschaffen können (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 11).
22
2. Es wird zu bedenken haben, dass nicht jede geringfügige Verzögerung - zumal in einer komplexen Wirtschaftsstrafsache mit nicht nur einer Angeklagten - bereits unangemessen und rechtsstaatswidrig ist (vgl. BGH, Beschl. vom 23. Juli 2008 - 2 StR 283/08). Insbesondere führt ein lediglich vorübergehender Engpass in der Arbeits- und Verhandlungskapazität der Strafverfolgungsbehörden nicht zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK (BGH StraFo 2005, 24).
23
3. Für den Fall, dass auch das neue Tatgericht nach den neu zu treffenden Feststellungen zu der Überzeugung gelangt, dass ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK vorliegt, so erscheint eine durch die Neuterminierung eingetretene Verfahrensverzögerung von - wie bisher festgestellt - vier Monaten jedoch denkbar gering. Insofern wird auch der Umstand Bedeutung erlangen, dass nach dem Vortrag der Revision als (Mit-)Ursache für die lange Dauer der Hauptverhandlung das Prozessverhalten der Angeklagten (vgl. RB S. 11) ebenfalls in Betracht kommt. Bei diesen Gegebenheiten ist zu berücksichtigen, dass zur Kompensation der eingetretenen Verfahrensverzögerung die bloße ausdrückliche Feststellung des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ausreichen kann und ein darüber hinaus gehender Ausgleich nach der „Vollstreckungslösung“ nicht in jedem Fall geboten ist (vgl. BGH - GS - NJW 2008, 860, 866; BGH, Beschl. vom 21. Februar 2008 - 4 StR 666/07). Dies gilt umso mehr, als dem Abstand zwischen Tat und Aburteilung sowie dem wegen der Verfah- rensdauer vom Landgericht angenommenen - an sich aber fern liegenden und jedenfalls konkret nicht belegten - psychischen Druck auf die nicht inhaftierte Angeklagte bereits im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist.
Nack Wahl Elf Graf Sander

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.