Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2013 - 2 StR 110/13

bei uns veröffentlicht am01.08.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 110/13
vom
1. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. August 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 16. November 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Eschweiler vom 15. September 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen - geringfügigen - Erfolg. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat den Angeklagten in allen drei ausgeurteilten Fällen rechtsfehlerhaft (auch) des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen schuldig gesprochen. Der Eintritt der Verfolgungsverjährung stand insoweit einer Verurteilung entgegen, § 78 Abs. 1 StPO: Die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 2 Nr. 4 StGB) für den Tatbestand des § 174 StGB endete unter Zugrundelegung des für den Angeklagten günstigsten Tatzeitpunkts - des 6. Juni 1998 (UA S. 9 f.) - mit Ablauf des 5. Juni 2003. Bis zu diesem Zeitpunkt war weder eine Unterbrechungshandlung vorgenommen worden noch das Ruhen der Verjährung, insbesondere gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB, eingetreten. Der Tatbestand des § 174 StGB wurde erst mit Wirkung zum 1. April 2004, mithin nach Ablauf der Verjährungsfrist, durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27. Dezember 2003 in den Katalog dieser Bestimmung aufgenommen. Auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits verjährten Taten ist die Vorschrift nicht anwendbar (BGH, Beschl. v. 14. Mai 2009 - 3 StR 170/09 m.w.N.). Nach Ablauf des 6. Juni 2003 konnte die Tat daher unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nicht mehr verfolgt werden. Der Verjährung steht auch nicht entgegen, dass das Vergehen tateinheitlich mit sexuellem Missbrauch von Kindern zusammentrifft. Auch bei Tateinheit unterliegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. August 2003 - 2 StR 235/03 - und vom 10. Juni 2008 - 5 StR 132/08)."
4
Dem schließt sich der Senat an.
5
2. Trotz der Änderung des Schuldspruchs haben die festgesetzten Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe Bestand. Zwar hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten auch die tateinheitliche Verwirklichung des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen gewertet. Jedoch ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, eine Tatbegehungsmodalität des § 174 StGB, auch wenn insoweit Verjährung eingetreten ist, bei einer Verurteilung nach § 176 StGB strafschärfend zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2007 - 2 StR 441/07 - NStZ 2008, 146). Außerdem lassen die Urteilsgründe erkennen, dass die Strafkammer der Verwirklichung des § 174 StGB kein entscheidendes Gewicht bei der Zumessung der jeweiligen Einzelstrafen beigemessen hat. Der Senat kann daher - auch mit Blick auf die weiteren erheblichen Strafschärfungsgründe sowie die maßvollen Einzelstrafen - ausschließen, dass die Kammer bei Berücksichtigung der Verjährung auf niedrigere Einzelfreiheitsstrafen und eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
6
3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Fischer Appl Schmitt RiBGH Prof. Dr. Krehl ist Ott an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2013 - 2 StR 110/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2013 - 2 StR 110/13

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d

Strafgesetzbuch - StGB | § 78 Verjährungsfrist


(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht. (3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjäh

Strafgesetzbuch - StGB | § 174 Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen


(1) Wer sexuelle Handlungen 1. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsver
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Strafgesetzbuch - StGB | § 78b Ruhen


(1) Die Verjährung ruht 1. bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 182, 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 2, §§ 225, 226a und 237,2. solange nach dem Gesetz d

Strafprozeßordnung - StPO | § 78 Richterliche Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen


Der Richter hat, soweit ihm dies erforderlich erscheint, die Tätigkeit der Sachverständigen zu leiten.

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Der Richter hat, soweit ihm dies erforderlich erscheint, die Tätigkeit der Sachverständigen zu leiten.

(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.

(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist

1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind,
3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind,
4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind,
5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Die Verjährung ruht

1.
bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 182, 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 2, §§ 225, 226a und 237,
2.
solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann; dies gilt nicht, wenn die Tat nur deshalb nicht verfolgt werden kann, weil Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen.

(2) Steht der Verfolgung entgegen, daß der Täter Mitglied des Bundestages oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes ist, so beginnt die Verjährung erst mit Ablauf des Tages zu ruhen, an dem

1.
die Staatsanwaltschaft oder eine Behörde oder ein Beamter des Polizeidienstes von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt oder
2.
eine Strafanzeige oder ein Strafantrag gegen den Täter angebracht wird (§ 158 der Strafprozeßordnung).

(3) Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen, so läuft die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

(4) Droht das Gesetz strafschärfend für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren an und ist das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet worden, so ruht die Verjährung in den Fällen des § 78 Abs. 3 Nr. 4 ab Eröffnung des Hauptverfahrens, höchstens jedoch für einen Zeitraum von fünf Jahren; Absatz 3 bleibt unberührt.

(5) Hält sich der Täter in einem ausländischen Staat auf und stellt die zuständige Behörde ein förmliches Auslieferungsersuchen an diesen Staat, ruht die Verjährung ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat

1.
bis zur Übergabe des Täters an die deutschen Behörden,
2.
bis der Täter das Hoheitsgebiet des ersuchten Staates auf andere Weise verlassen hat,
3.
bis zum Eingang der Ablehnung dieses Ersuchens durch den ausländischen Staat bei den deutschen Behörden oder
4.
bis zur Rücknahme dieses Ersuchens.
Lässt sich das Datum des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat nicht ermitteln, gilt das Ersuchen nach Ablauf von einem Monat seit der Absendung oder Übergabe an den ausländischen Staat als zugegangen, sofern nicht die ersuchende Behörde Kenntnis davon erlangt, dass das Ersuchen dem ausländischen Staat tatsächlich nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Satz 1 gilt nicht für ein Auslieferungsersuchen, für das im ersuchten Staat auf Grund des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 S. 1) oder auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarung eine § 83c des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vergleichbare Fristenregelung besteht.

(6) In den Fällen des § 78 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 ruht die Verjährung ab der Übergabe der Person an den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat bis zu ihrer Rückgabe an die deutschen Behörden oder bis zu ihrer Freilassung durch den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 170/09
vom
14. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 14. Mai
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 26. November 2008 im Schuldspruch dahin geändert, dass im Fall II. 1 der Urteilsgründe die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen (Fälle II. 4 und 6 der Urteilsgründe) sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in sechs Fällen (Fälle II. 1, 2, 3 und 5) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich des Falles II. 1 der Urteilsgründe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Fall II. 1 der Urteilsgründe bedarf der Schuldspruch der Änderung dahin, dass der Angeklagte lediglich des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig ist. Die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB) muss entfallen , weil insoweit Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Die erste die Verjährung unterbrechende Handlung (erste Vernehmung des Beschuldigten) erfolgte am 24. April 2008. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten, weil zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen ist, dass er die Tat schon Mitte 1998 begangen hatte. Dass der Vorwurf mit dem nicht verjährten schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit steht, steht der Annahme von Verjährung nicht entgegen; denn die Verjährung bestimmt sich bei tateinheitlichem Zusammentreffen für jede Gesetzesverletzung gesondert (st. Rspr.; vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 78 a Rdn. 5 m. w. N.). Durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27. Dezember 2003, durch den bestimmt ist, dass nach § 78 b Abs. 1 Nr. 1 StGB nunmehr auch bei Straftaten nach § 174 StGB die Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers ruht, hat sich an dieser Rechtslage für den vorliegenden Fall nichts geändert, weil zum Zeitpunkt des Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April 2004 bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten war (vgl. BGH NStZ 2005, 89).
3
2. Trotz der Änderung des Schuldspruchs können die für den Fall II. 1 der Urteilsgründe festgesetzte Einzelstrafe von vier Jahren sowie die Gesamtstrafe bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte, wenn er die Verfolgungsverjährung beachtet hätte, zumal auch eine verjährte Tat bei der Strafzumessung zu Lasten eines Angeklagten - wenn auch mit geringerer Schwere - berücksichtigt werden kann (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 24). Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 235/03
vom
6. August 2003
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. August 2003 beschlossen:
Der Antrag der Nebenklägerin, T. , geboren am 12. April 1987, ihr für die Revisionsinstanz Prozeßkostenhilfe für die Bestellung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe:

Die Voraussetzungen für eine Beistandsbestellung nach § 397 a Abs. 1 Satz 2 StPO liegen für die Nebenklägerin T. (geb. am 12. April 1987) nicht vor, da die Nebenklägerin das 16. Lebensjahr vollendet hat. Auch § 397 a Abs. 2 StPO rechtfertigt die Gewährung von Prozeßkostenhilfe nicht. Eine anwaltliche Vertretung ist im Hinblick auf die allein von dem Angeklagten eingelegte Revision nicht erforderlich (§ 397 a Abs. 2 Satz 1 StPO). Die Revision ist, wie der Generalbundesanwalt in seinem Antrag ausgeführt hat, zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Soweit der Senat mit Beschluß vom heutigen Tag den Strafausspruch teilweise aufgehoben hat, berührt dies die Interessen der Nebenklägerin nach gesetzlicher Wertung nur am Rande, wie sich aus der Beschränkung des Anfechtungsrechtes (§ 400
Abs. 1 StPO) ergibt (vgl. BGHR StPO § 397 a Abs. 1 Prozeßkostenhilfe 7 und § 397 a Abs. 2 Prozeßkostenhilfe 2; BGH, Beschlüsse vom 7. März 2002 - 3 StR 335/01 und vom 8. Mai 2002 - 3 StR 8/02).
Bode Detter Otten Fischer Roggenbuck

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 441/07
vom
5. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Oktober 2007 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 15. Mai 2007 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, in allen zehn Fällen tateinheitlich mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt nur zu einer teilweisen Schuldspruchänderung ; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
2. Die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener im Fall 1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
3
"Im Fall 1 der Urteilsgründe muss die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichtem sexuellen Missbrauch eines Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 a.F. StGB) entfallen, weil insoweit Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Die Verjährungsfrist für § 174 Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Handlung war die Vernehmung des Angeklagten am 20. Januar 2007, so dass der Verstoß gegen § 174 Abs. 1 StGB im Fall 1 (Tatzeit: Jahr 1999) verjährt ist. Dass dieser Vorwurf mit dem nicht verjährten sexuellen Missbrauch eines Kindes in Tateinheit steht, ist ohne Bedeutung; denn die Verjährung bestimmt sich bei tateinheitlichem Zusammentreffen für jede Gesetzesverletzung gesondert (vgl. Tröndle/Fischer StGB 54. Auflage § 78a Rdn. 5 mit weiteren Nachweisen). Durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27. Dezember 2003 (BGBl I 3007), durch den bestimmt ist, dass nach § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB nunmehr auch bei Straftaten nach § 174 StGB die Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers ruht, hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert, weil davon auszugehen ist, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (1. April 2004) bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten war (BGH Beschluss vom 23. Juli 2004 - 2 StR 158/04; BGH Beschluss vom 24. Juni 2004 - 4 StR 165/04; Tröndle/Fischer StGB 54. Auflage § 78b Rdn. 3 mit weiteren Nachweisen). Im Fall 1 der Urteilsgründe ist die Tatzeit zwar nur mit 1999 bestimmt. Da nach den Urteilsgründen aber auszuschließen ist, dass weitere Feststellungen zur Ein- grenzung der Tatzeit getroffen werden können, ist zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass diese Tat in verjährter Zeit begangen wurde (BGHSt 33, 271, 277)."
4
Dem schließt sich der Senat an.
5
3. Trotz der Änderung des Schuldspruchs hat die im Fall 1 der Urteilsgründe festgesetzte Einzelstrafe und damit die Gesamtfreiheitsstrafe Bestand. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung der Verfolgungsverjährung eine geringere Einzelstrafe verhängt hätte. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass der Tatrichter im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten neben dem den Strafrahmen begründenden sexuellen Missbrauch von Kindern auch die tateinheitliche Verwirklichung des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen berücksichtigt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es nämlich zulässig , auch verjährte Taten strafschärfend zu berücksichtigen (BGHSt StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 20). Ebenso darf eine Tatbegehungsmodalität des § 174 StGB, auch wenn insoweit Verjährung eingetreten ist, bei einer Verurteilung nach § 176 StGB strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 38 b m.w.N.). Bode Rothfuß Fischer Roggenbuck Appl

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.