Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2014 - 1 StR 496/14

bei uns veröffentlicht am16.12.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 4 9 6 / 1 4
vom
16. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Dezember 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 27. Februar 2014 im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte im Falle C. II. der Urteilsgründe (Raubüberfall 2002) wegen besonders schweren Raubes und im Falle C. III. der Urteilsgründe (Raubüberfall 2004) wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen u.a. wegen Mordes, versuchten Mordes sowie mehrerer Raub- und Waffendelikte zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten festgestellt, seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und die Einziehung zahlreicher Waffen samt Munition angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge den aus der Be- schlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Einer Erörterung bedürfen nur die nachfolgenden beiden Verfahrensrügen. Wegen der weiteren Verfahrensbeanstandungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 21. Oktober 2014 Bezug genommen.
3
1. Der von der Verteidigung gerügte Verstoß gegen "den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 EMRK i.V.m. § 240 StPO) sowie gegen § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO" liegt nicht vor. Die Revision beanstandet, dass das Landgericht die Äußerung des Angeklagten zu der die Täter am Tatort blendenden Taschenlampe als Sacheinlassung gewertet hat. Sie ist der Auffassung, es handle sich um eine Beschneidung des Fragerechts des umfassend schweigenden Angeklagten, welches als prozessuales Teilhaberecht auch einem schweigenden Angeklagten zustehe, mithin aber keinen zulässigen Beweiswürdigungsgegenstand darstelle.
4
Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Der Angeklagte hat nicht umfassend geschwiegen. Es kann dahinstehen, ob in seiner anfänglichen Äußerung, dass es "'müßig sei auf diese Grimms Märchen zu reagieren'; im Übrigen schließe er sich der Erklärung seines Verteidigers an" (UA S. 55), eine Sacheinlassung gesehen werden könnte. Das Landgericht hat darin keine Sacheinlassung gesehen, sondern in der Offenbarung von Täterwissen im Rahmen eines Vorhaltes (UA S. 14). Jedenfalls letztere Auffassung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Inaugenscheinnahme der Orthoprojektionen stellte der Angeklagte nicht nur Fragen an den Sachverständigen, sondern äußerte, "dass nicht nur Beleuchtung und Suchscheinwerfer des Streifenwagens eingeschaltet gewesen seien, sondern dass der Beamte auch mit der Taschenlampe geleuchtet habe und die 'andere Partei' dadurch geblendet gewesen sei" (UA S. 163). Hierbei handelt es sich nicht um die bloße Ausübung des Fragerechts, sondern um eine Einlassung zur Sache, wovon das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeht (UA S. 14). Die Äußerung des Angeklagten durfte daher verwertet werden (UA S. 241).
5
2. Die Rüge, es liege ein Verstoß gegen § 229 Abs. 2 und 4 StPO vor, hat ebenfalls keinen Erfolg, wobei dahinstehen kann, ob sie überhaupt in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Form erhoben ist. Die Verteidigung beanstandet, die Frist des § 229 Abs. 2 StPO sei nicht eingehalten worden, da zwischen dem Termin am 12. August 2013 und dem die Frist des § 229 Abs. 2 StPO hemmenden Beschluss des Landgerichts (§ 229 Abs. 3 Satz 2 StPO) vom 26. September 2013 bereits über ein Monat verstrichen sei. Bei den Terminen am 10., 12. und 17. September 2013 habe es sich nicht um die Frist unterbrechende Fortsetzungstermine gehandelt, da der damals Mitangeklagte M. , der Bruder des Angeklagten, zu diesen Zeitpunkten aufgrund seiner progredienten Parkinsonerkrankung bereits verhandlungsunfähig gewesen sei. Diese Behauptung der Verteidigung ist nicht nachgewiesen. M. wurde von einem Sachverständigen begutachtet und ab 26. September 2013 für verhandlungsunfähig erklärt. Anzeichen dafür, dass die Verhandlungsunfähigkeit bereits bei den Terminen zuvor im September vorlag, sind nicht gegeben. Es bestanden auch keine ernsthaften Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit. Ohnehin läge selbst bei Unterstellung einer Verhandlungsunfähigkeit des M. im September 2013 keine Überschreitung der Frist des § 229 Abs. 2 StPO vor, da auch eine mit Verfahrensfehlern behaftete, der Verfahrensförderung dienende Beweisaufnahme ein Verhandeln zur Sache darstellt, mithin die Frist des § 229 Abs. 2 StPO wahrt (vgl. z.B. zur Wahrung der Frist bei Fehlen eines erforderlichen Dolmetschers im Fortsetzungstermin BGH, Beschluss vom 5. Mai 2004 - 1 StR 149/04, NStZ-RR 2004, 270 (red. Leitsatz)).

II.

6
Auf die Sachrüge sind Ausführungen nur zum Mordmerkmal Heimtücke und zur Frage eines Rücktritts vom Versuch geboten.
7
1. Das Landgericht hat aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung festgestellt, dass der Angeklagte und sein Bruder sich am 28. Oktober 2011 gegen 2.45 Uhr auf dem südlichen Kuhseeparkplatz in Augsburg aufhielten und dort den Inhalt eines Seesackes inspizierten, als eine Polizeistreife, bestehend aus PHM V. und POMin K. , auf die Brüder aufmerksam wurde und eine Personenkontrolle durchführen wollte. Dieser entzogen sich der Angeklagte und M. , indem sie mit einem Motorrad in einen für Pkw nicht befahrbaren Waldweg einbogen. An der Kreuzung zwischen Münchener Straße und Oberländerstraße konnte die Streife das Motorrad dennoch wiederentdecken und die Verfolgung aufnehmen, die anschließend über einen zweigeteilten Waldweg führte. Während das Motorrad den Radweg nahm, befuhr das Polizeiauto den hiervon nur durch einen 4,7 m breiten Grünstreifen getrennten, parallel dazu verlaufenden Fußweg. Nach ca. 200 m kam das Motorrad aus unbekannten Gründen zum Sturz. PHM V. stieg aus dem in etwa elf Metern Entfernung geparkten Streifenwagen mit gezogener Dienstwaffe sowie einer brennenden Taschenlampe in der Hand und rief "Polizei, stehen bleiben, hinlegen oder ich schieße". Auch POMin K. verließ den Pkw mit gezogener Waffe. Beide Polizisten rechneten nach den Feststellungen des Landgerichts in die- sem Moment nicht mit einem Schusswechsel und zur Tötung bereiten Tätern. Vielmehr gingen sie davon aus, dass sie aufgrund des Motorradunfalls möglicherweise Erste Hilfe leisten müssten. Der ca. 7,5 m vom Motorrad im mit Bäumen und Buschwerk bewachsenen Gelände versteckte M. eröffnete entsprechend seines gemeinsamen Tatplans mit dem Angeklagten das Feuer auf den im Scheinwerferlicht des Autos ungeschützt stehenden PHM V. . Dieser suchte daraufhin zunächst Schutz hinter einem etwa sechs Meter vom Polizeiauto entfernten Baum, löschte die Taschenlampe und eröffnete sodann selber das Feuer, wobei er sich in Richtung des Schützen auf das Gebüsch zubewegte. Nach rund neun Metern wurde er von drei Schüssen aus dem Gewehr des M. getroffen, wobei einer davon unterhalb seiner Schutzweste und unterhalb des Bauchnabels in seinen Körper eindrang. PHM V. ging daraufhin zu Boden. M. feuerte anschließend auch auf die während der Schießerei zum Streifenwagen zurücklaufende POMin K. . Ein Schuss traf im Rückenbereich die Tasche mit dem Reservemagazin von POMin K. und wurde hierdurch abgelenkt. Auch der Angeklagte eröffnete mit einem Schnellfeuergewehr das Feuer auf POMin K. , traf diese jedoch nicht. Der Angeklagte begab sich anschließend zu dem am Boden liegenden PHM V. , um den dort befindlichen Seesack erneut in seinen Besitz zu bringen. Er feuerte sodann aus relativ naher Distanz mindestens fünf Schüsse auf den Genickbereich des kampfunfähig am Boden liegenden PHM V. ab, um diesen endgültig zu töten. Motiv hierfür war neben dem Wunsch, sich der Kontrolle zu entziehen und das Mitführen der Waffen zu verschleiern, auch noch sein abgrundtiefer Hass auf Staat und Polizei, die PHM V. in diesem Augenblick für ihn repräsentierte. Nachdem der Angeklagte den Seesack an sich genommen hatte, eröffnete POMin K. das Feuer auf ihn, traf ihn jedoch nicht.Der Angeklagte und M. ergriffen daraufhin die Flucht, wobei sie aus ca. 24 m Entfernung erneut auf POMin K. schossen, diese jedoch verfehlten. POMin K. erlitt durch die Tat eine Prellmarke mit Hautabschürfungen und ein Hämatom an der linken Hüfte sowie ein Knalltrauma. Ihre Traumatisierung durch die Tat führte zu einer posttraumatischen Belastungsstörung, aufgrund derer sie längere Zeit arbeitsunfähig und später nur mehr im Innendienst einsetzbar war. Die Schüsse auf PHM V. führten zu seinem Tod. Todesursächlich war letztlich ein Schuss von hinten in die Halswirbelsäule, der das obere Halsmark durchtrennte.
8
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung für das Tatgeschehen am 28. Oktober 2011 (C. I. der Urteilsgründe) auch wegen heimtückischen Mordes nach § 211 Abs. 2 StGB. Die diesbezüglichen Ausführungen des Tatrichters (UA S. 339/340) lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst und in feindlicher Willensrichtung ausnutzt. Arglos ist dabei, wer sich bei der Tat, d.h. bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz ausgeführten Angriffs, keines Angriffs des Täters versieht. Wehrlos ist, wer keine oder nur eine reduzierte Möglichkeit zur Verteidigung besitzt (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - 3 StR 346/11; Urteil vom 30. August 2012 - 4 StR 84/12, NStZ 2013, 337, 338). Als PHM V. aus dem Streifenwagen ausstieg, ging er davon aus, dass er aufgrund des Motorradunfalls möglicherweise Erste Hilfe leisten müsste. Er versah sich hier keines Angriffs von im Gebüsch versteckten, mit Schusswaffen ausgestatteten und zur Tötung bereiten Tätern. Andernfalls hätte er, worauf das Tatgericht zutreffend hinweist, den Pkw nicht verlassen und sich im Scheinwerferlicht des Autos und mit eingeschalteter Taschenlampe den Tätern "wie auf dem Präsentierteller" dargeboten. PHM V. war zu diesem Zeitpunkt auch wehrlos. Denn er hatte trotz seiner Bewaffnung gegen einen Angriff mit Schusswaffen aus dem Gebüsch allenfalls eine stark reduzierte Möglichkeit der Verteidigung. Dass die ersten Schüsse auf ihn noch nicht tödlich waren, sondern erst die später vom Angeklagten aus nächster Entfernung auf sein Genick abgefeuerten, ändert nichts an der Annahme von Heimtücke, da es ausreicht, dass diese ersten Schüsse bereits mit Tötungsabsicht ausgeführt wurden. Dass der Angeklagte und sein Bruder bewusst die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausnutzten, liegt auf der Hand (vgl. auch BGH, Urteil vom 31. Juli 2014 - 4 StR 147/14, StraFo 2014, 433; Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 5 StR 451/14). Die Annahme von Heimtücke gegenüber PHM V. durch das Landgericht ist daher rechtlich nicht zu beanstanden. Die Ausführungen gelten entsprechend für den Mordversuch an POMin K. . Denn auch diese war zum Zeitpunkt des ersten gegen sie mit Tötungsvorsatz gerichteten Angriffs nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen (noch) Arg- und wehrlos, was die Täter bewusst ausnutzten. Zwar liegt hier mit den Schüssen auf POMin K. ein offen feindseliger Angriff des Angeklagten und seines Bruders vor, doch konnte POMin K. diesen erst erkennen, als ihr bereits keine Möglichkeit der Abwehr mehr verblieb (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 24. September 2014 - 2 StR 160/14; Urteil vom 16. Februar 2012 - 3 StR 346/11).
9
3. Das Landgericht hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei einen Rücktritt vom Mordversuch an POMin K. verneint. Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert oder sich freiwillig und ernsthaft darum bemüht (§ 24 Abs. 2 StGB).
10
Der Angeklagte und sein Bruder haben weder die Vollendung der Tat verhindert noch sich darum bemüht. Sie sind vielmehr geflohen. Diese Flucht war auch nicht freiwillig, da sie zum einen die Reaktion auf die Schüsse der POMin K. darstellte und zum anderen sich das Entdeckungsrisiko für die Täter beträchtlich erhöht hatte (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 4 StR 537/06, NStZ 2007, 265, 266). Ein einvernehmlicher freiwilliger Rücktritt (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen BGH, Beschluss vom 27. Februar 2014 - 1 StR 367/13, StV 2014, 472, 473) scheidet nach den Feststellungen aus. Deshalb kann dahinstehen, ob die Annahme des Landgerichts, es habe sich um einen beendeten Versuch gehandelt, rechtsfehlerfrei ist.

III.

11
1. Die Revision hat jedoch insoweit Erfolg, als in den Fällen C. II. und C. III. der Urteilsgründe die jeweilige Verurteilung wegen tateinheitlicher Waffendelikte zu entfallen hatte, da insoweit Verjährung eingetreten ist. Das Landgericht hat den Angeklagten im Falle C. II. der Urteilsgründe (Raubüberfall 2002) wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe verurteilt und im Falle C. III. der Urteilsgründe (Raubüberfall 2004) wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe und mit gefährlicher Körperverletzung. Das Landgericht hat hierbei übersehen, dass die Verstöße gegen das Waffengesetz (WaffG) und das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) bereits verjährt waren. Die Verjährungsfrist beträgt für diese Taten gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB i.V.m. § 22a Abs. 1 Nr. 6a KWKG sowie i.V.m. § 52 Abs. 1 Nr. 2b WaffG bzw. § 53 Abs. 1 Nr. 3a b) WaffG a.F. fünf Jahre. Erste verjährungsunterbrechende Maßnahme war vorliegend der Erlass des Haftbefehls gegen den Angeklagten am 27. April 2012, in dem diese Taten erstmals aufgeführt wurden (§ 78c Abs. 1 Nr. 5 StGB). Zu diesem Zeitpunkt war die fünfjährige Verjährungsfrist bereits verstrichen. Bei Tateinheit läuft für jedes Delikt die Verjährungsfrist gesondert (st. Rspr.; vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2008 - 1 StR 503/08, NStZ-RR 2009, 43).
12
2. Die Änderung des Schuldspruchs hat sich jedoch nicht auf die vom Landgericht ausgesprochenen Einzelstrafen ausgewirkt. Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter ohne die Verstöße gegen das KWKG und das WaffG, bei denen nicht der Schwerpunkt des Unrechts lag, auf geringere Strafen erkannt hätte. Ohnehin können auch verjährte Taten strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 1. August 2013 – 2 StR 110/13).

IV.

13
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 und 4, 472 StPO. Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten auch nur teilweise von den entstandenen Kosten zu entlasten. Rothfuß Cirener Radtke Mosbacher Fischer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2014 - 1 StR 496/14

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Vorsitzende hat den beisitzenden Richtern auf Verlangen zu gestatten, Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und die Sachverständigen zu stellen.

(2) Dasselbe hat der Vorsitzende der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger sowie den Schöffen zu gestatten. Die unmittelbare Befragung eines Angeklagten durch einen Mitangeklagten ist unzulässig.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 149/04
vom
5. Mai 2004
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Mai 2004 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13. August 2003 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Der Generalbundesanwalt geht in seiner Antragsschrift zutreffend davon aus, daß § 229 Abs. 1 StPO nicht verletzt ist, weil eine der Verfahrensförderung dienende Beweisaufnahme auch dann ein Verhandeln zur Sache ist, wenn sie unter einem Verfahrensfehler - hier: Fehlen eines Dolmetschers in dem Verhandlungstermin vom 4. August 2003 - leidet (vgl. BGH NStZ 2000, 212, 214). Ob etwas anderes dann zu gelten hat, wenn die Strafkammer bereits im Zeitpunkt dieser Beweisaufnahme beabsichtigt, sie im nächsten Fortsetzungstermin in Anwesenheit eines Dolmetschers zu wiederholen, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die Revision hat zwar in ihrer Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Stz 2 StPO) vorgetragen, der Vorsitzende habe im Termin vom 4. August 2003 eine entsprechende Absicht kund- getan. Dieses Vorbringen war jedoch ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen, da es nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO angebracht wurde (vgl. BGH StV 1999, 407). Wahl Kolz Hebenstreit Richterin am Bundesgerichtshof Elf hat nach Beschlußfassung Urlaub angetreten und ist an der Unterschriftsleistung verhindert. Wahl Graf

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 346/11
vom
16. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
16. Februar 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger I. und G. R. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin F. R. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen der Nebenkläger, die die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 StGB erstreben. Der Angeklagte beanstandet mit seiner wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision sachlichrechtlich die Strafzumessung des Landgerichts. Die Rechts- mittel der Nebenkläger sind zulässig (§ 400 Abs. 1, § 401 Abs. 1 und 2 StPO) und begründet. Auch das Rechtmittel des Angeklagten hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts erstach der Angeklagte seine 34-jährige gehörlose Ehefrau am 10. September 2010 um die Mittagszeit in der Küche der ehelichen Wohnung. Im Einzelnen:
3
Zwischen den Eheleuten, die sich seit dem Jahre 1994 kannten und seit 1998 verheiratet waren, kam es nach der Geburt ihrer dritten Tochter (2008) zu einer Verschlechterung des ehelichen Verhältnisses. Dies schrieb der Angeklagte dem Umstand zu, dass seine Ehefrau, die aufgrund ihrer Gehörlosigkeit weitgehend isoliert gelebt hatte, über den damals in der ehelichen Wohnung eingerichteten Internetzugang erstmals die Möglichkeit bekam, ohne größeren Aufwand mit Bekannten und Verwandten zu kommunizieren. Der Angeklagte hielt ihr vor, sie vernachlässige infolge des hierfür betriebenen Zeitaufwands ihre häuslichen Pflichten. Außerdem mutmaßte er, seine Frau unterhalte über das Internet Kontakte mit anderen Männern, um eine außereheliche Beziehung aufzubauen. Hierüber kam es zwischen den Eheleuten häufiger zum Streit. Zweimal alarmierte die Geschädigte bei solchen Auseinandersetzungen die Polizei, die den Angeklagten der Wohnung verwies, worauf dieser in seiner Gartenlaube übernachtete. Stets versöhnten sich die Eheleute aber wieder, und der Angeklagte kehrte in beiden Fällen in die gemeinsame Wohnung zurück.
4
Im Sommer 2010 meinte der Angeklagte, im Verhalten seiner Ehefrau Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass sie sich heimlich mit einem anderen Mann treffe. Als dies die Geschädigte auf Vorhalt des Angeklagten abstritt, kam es erneut zu einem (verbalen) Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte die Ehewohnung verließ und fortan wieder in seiner Gartenlaube nächtigte.

5
Am Tattag suchte der Angeklagte die Ehewohnung auf, traf die Geschädigte indes nicht an. Aus Wut darüber, dass diese - wie er weiterhin glaubte, wofür er aber keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte hatte und was objektiv nicht der Fall war - im Internet Kontakte mit anderen Männern unterhielt, zerstörte er den vorhandenen Router, verließ die Wohnung und ging zur Arbeit. Nachdem die Geschädigte zurückgekehrt war und die Beschädigung bemerkt hatte, rief sie den Angeklagten an, schimpfte über sein Verhalten und forderte ihn auf, den Internetanschluss wieder herzustellen, anderenfalls werde sie die Polizei unterrichten. Daraufhin verließ der Angeklagte seine Arbeitsstelle und fuhr mit seinem Pkw zur Ehewohnung. Auf dem Weg dorthin bemerkte er seine Ehefrau zu Fuß auf der Straße. Sie hatte eine der beschädigten Komponenten des Internetanschlusses in eine Tüte gepackt und sich auf den Weg zur Polizei begeben. Nachdem der Angeklagte seine Frau angesprochen und diese ihm ihre Absicht mitgeteilt hatte, erklärte sich der Angeklagte bereit, den Internetanschluss wieder instand zu setzen. Gemeinsam fuhren beide mit dem Pkw des Angeklagten zur Ehewohnung. Unmittelbar nachdem die Eheleute diese betreten hatten, entstand zwischen ihnen eine verbale Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte seiner Ehefrau deren angebliche Untreue vorhielt. Diese Auseinandersetzung fand in der Küche statt, wobei der Angeklagte stand und seine Ehefrau vor ihm auf einem Stuhl saß.
6
Im Anschluss an eine - "nicht ausschließbar" als Eingeständnis einer außerehelichen Beziehung fehlinterpretierte - Äußerung seiner Frau nahm der Angeklagte aus Wut über deren vermeintliche Untreue einen Küchenstuhl und schlug diesen mit Wucht auf den Kopf seiner ihm - "nicht ausschließbar" - mit dem Oberkörper zugewandten Ehefrau. Nachdem diese daraufhin benommen zu Boden gegangen war, ergriff der Angeklagte ein in der Küche liegendes Messer mit einer Klingenlänge von etwa 35 Zentimetern und stach damit von oben herab wuchtig mindestens fünfzehnmal auf den Brust- und Halsbereich seiner Frau ein. Er wusste, dass er ihr damit Verletzungen beibrachte, die zum Tode führen. Er wollte seine Frau auch töten, um sie für ihre vermeintliche Untreue zu bestrafen. Die Geschädigte verstarb kurze Zeit danach an dem durch die Stichverletzungen hervorgerufenen starken Blutverlust sowie einer Verletzung der rechten Herzkammer.
7
I. Revisionen der Nebenkläger
8
Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 Abs. 2 StGB (Heimtücke, Tötung aus niedrigen Beweggründen bzw. um eine andere Straftat zu verdecken) abgelehnt. Während die Verneinung eines Verdeckungsmordes nicht zu beanstanden ist, halten jedenfalls die Gründe, mit denen das Landgericht das Vorliegen des Mordmerkmals niedriger Beweggründe verneint hat, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
Zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe hat das Landgericht ausgeführt , tatauslösend und tatbestimmend sei hier der Umstand gewesen, dass der Angeklagte mutmaßte, seine Frau habe sich einem anderen Mann zugewandt. Da der Angeklagte hierdurch das Wohl seiner Kinder und den Kontakt zu diesen gefährdet sah, sehe sich die Kammer an einer Bewertung der Tatmotivation als "niedrig" gehindert. Diese Begründung berücksichtigt wesentliche Umstände der Tat und der Motivation des Angeklagten nicht.
10
Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat "niedrig" sind und - in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Tot- schlag - als verachtenswert erscheinen, bedarf einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2003 - 3 StR 149/03, NStZ 2004, 34 mwN; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 15). Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Dezember2006 - 4 StR 419/06, NStZ-RR 2007, 111; Fischer, aaO, Rn. 19).
11
Danach begegnet die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe seine Ehefrau nicht aus niedrigen Beweggründen im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB getötet, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Urteil lässt die erforderliche Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren vermissen. Nicht berücksichtigt hat das Landgericht insbesondere, dass der Angeklagte nach den Feststellungen seine Frau auch getötet hat, um sie für ihre (vermeintliche) Untreue zu bestrafen, und dabei aus Wut über deren vermeintliche Untreue gehandelt hat. Gleichfalls nicht berücksichtigt hat es die für die Einstellung des Angeklagten gegenüber seiner Ehefrau und deren Lebensrecht bedeutsame Äußerung bei seiner polizeilichen Vernehmung, er habe nach dem Stuhlschlag gedacht, jetzt müsse er ins Gefängnis , dann mache er sie auch "kaputt". Die für das Landgericht wesentliche Annahme, der Angeklagte habe durch die - von ihm vermutete - Hinwendung seiner Ehefrau zu einem anderen Mann das Wohl seiner Kinder gefährdet gesehen , wird demgegenüber durch die Urteilsgründe nicht eindeutig belegt. Entsprechend eingelassen hat sich der Angeklagte nicht. Festgestellt hat das Landgericht insoweit lediglich, dass sich der Angeklagte bei der Zeugin K. zweimal telefonisch nach dem Wohl seiner Kinder erkundigte und bei einem Telefonat zwei Tage vor der Tat zum Ausdruck brachte, er habe Angst, infolge der - damals schon länger bestehenden - Trennung der Eheleute den Kontakt zu seinen Kindern zu verlieren. Woraus das Landgericht entnimmt, der Angeklagte habe durch die - vermutete - Hinwendung seiner Frau zu einem anderen Mann das Wohl seiner Kinder gefährdet gesehen, erschließt sich danach aus den Urteilsgründen nicht.
12
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
13
II. Revision des Angeklagten
14
Der Strafausspruch des Urteils hält der rechtlichen Nachprüfung auf die Sachbeschwerde nicht stand.
15
Im Rahmen der Strafzumessung ist das Landgericht davon ausgegangen , dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat infolge eines Affektdurchbruchs erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB war. Bei der Bemessung der Strafe im engeren Sinne hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten gleichwohl ohne Einschränkung die "Massivität des Angriffs berücksichtigt, der sich in der Zahl der Stichverletzungen und der Anzahl der geschädigten Organe" gezeigt habe.
16
Diese Erwägung begegnet unter den hier gegebenen Umständen durchgreifenden rechtlichen Bedenken; denn die Art der Tatausführung darf einem Angeklagten nur dann uneingeschränkt strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist, nicht aber, soweit ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2011 - 3 StR 375/11 mwN; Fischer, aaO, § 46 Rn. 2). Damit, ob dem Angeklagten die ihm vorgeworfene "Massivität" seines Vorgehens angesichts des in der Beweiswürdigung festgestellten "Affektdurchbruchs im Sinne von § 21 StGB" und der daraus gefolgerten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit uneingeschränkt vorwerfbar ist, setzt sich das Urteil indes nicht auseinander.
17
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
18
1. Der neue Tatrichter wird wiederum prüfen müssen, ob der Angeklagte die Tötung heimtückisch im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB begangen hat. Objektiv heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Dabei kommt es grundsätzlich auf die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an.
19
Danach wird zunächst zu klären sein, welcher Angriff des Angeklagten der erste mit Tötungsvorsatz geführte war. Das Landgericht ist zwar - wie sich allein aus der konkurrenz-rechtlichen Würdigung der Tat im angefochtenen Urteil ergibt - davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei dem zunächst geführten Schlag mit dem Stuhl mit Verletzungsvorsatz handelte; indes hat es diese Annahme nicht begründet. Sie versteht sich auch nicht von selbst, da der Schlag nach den bisherigen Feststellungen wuchtig und gegen den Kopf ausgeführt war und zur Folge hatte, dass die zuvor auf einem Stuhl sitzende Geschä- digte benommen zu Boden ging. Danach könnte auch in Betracht kommen, dass der Angeklagte schon zu diesem Zeitpunkt und nicht erst bei Verwendung des Messers mit Tötungsvorsatz handelte.
20
Vom Ergebnis dieser Prüfung wird es abhängen, an welchen Zeitpunkt für die Frage der Arglosigkeit des Opfers anzuknüpfen sein wird: Kommt es auf die Lage vor dem Stuhlschlag an, so wird zu bedenken sein, dass ein der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen die Arglosigkeit nicht ausschließen, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, NStZ-RR 2007, 174 mwN). Wesentlich ist, dass der Täter sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Zu bedenken wird auch sein, dass das Opfer auch dann arglos sein kann, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, also sein Opfer etwa von vorne angreift, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 6 mwN). In diesem Zusammenhang wird vorliegend auch in den Blick zu nehmen sein, dass der Angeklagte bei keiner der festgestellten früheren streitigen Auseinandersetzungen - auch nicht bei denen, die einen polizeilichen Einsatz zur Folge hatten - gewalttätig gegen seine Ehefrau vorgegangen war. Deshalb und angesichts der dem Streit vorangegangenen einlenkenden Äußerung des Angeklagten , er werde den angerichteten Schaden beheben, wird zu prüfen sein, ob das (gehörlose) Opfer aufgrund der lediglich verbalen Auseinandersetzung vor der Tat keinen tätlichen Angriff gegen sich erwartete oder einen solchen voraussah und die Geschädigte durch den Schlag mit dem Stuhl möglicherweise völlig überrascht wurde. Dafür könnte vorliegend auch sprechen, dass die Untersuchung der Leiche durch den rechtmedizinischen Sachverständigen keine Hinweise auf Abwehrverletzungen des Opfers erbrachte. Sollte hingegen erst der erste Messereinsatz des Angeklagten, als das Opfer nach dem Stuhlschlag bereits benommen am Boden lag, von dem Tötungsvorsatz getragen worden sein, so wäre zum einen zu bedenken, dass die Benommenheit eines vom Täter geschlagenen Opfers gegen dessen Arglosigkeit sprechen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. März 1997 - 3 StR 68/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 23 sowie vom 6. Mai 2008 - 5 StR 92/08, NStZ 2008, 569). Zum anderen wird der neue Tatrichter aber auch in den Blick nehmen müssen, dass es für das Mordmerkmal der Heimtücke keinen Unterschied macht, ob ein überraschender Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird oder ob der ursprüngliche - auf Körperverletzung gerichtete - Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (vgl. BGH, Urteile vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234 mwN; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 11; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vgl. auch BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Febuar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).
21
2. Der neue Tatrichter wird bei der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat zu beachten haben, dass das angefochtene Urteil hierzu zum einen nicht völlig eindeutige Feststellungen enthält und zum anderen auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruht: Das Landgericht hat einerseits im Sachverhalt festgestellt, der Angeklagte sei "während der Tat in der Lage (gewesen), das Verbotene seines Verhaltens zu erkennen und sich nach dieser Einsicht zu verhalten"; im Rahmen der Beweiswürdigung ist die Kammer - ohne die Auffassung des Sachverständigen hierzu mitzuteilen - andererseits zu dem Ergebnis gekommen, sie habe "nicht auszuschließen" vermocht , dass "die Fähigkeit des Angeklagten, sich gemäß der vorhandenen Einsicht in das Verbotene seines Tuns zu verhalten, infolge eines Affektdurchbruchs im Sinne von § 21 StGB erheblich eingeschränkt" gewesen sei. Für die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit war die - "nicht ausschließbare" - Feststellung des Landgerichts wesentlich, der Angeklagte habe seine Ehefrau - unmittelbar vor dem ersten Angriff auf diese - dahin (miss-)verstanden, dass sie ein außereheliches Verhältnis eingeräumt habe. Diese Feststellung hat keine Tatsachenbasis: Entsprechend eingelassen hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht. Die von ihm - bei seiner polizeilichen Vernehmung und im Rahmen der Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen - aufgestellten Behauptungen, seine Ehefrau habe unmittelbar vor der Tat ihm gegenüber jeweils geäußert, sie habe ihn bzw. er habe sie mit einer Geschlechtskrankheit infiziert bzw. sie habe ein außereheliches Verhältnis zu einem anderen Mann eingestanden und in diesem Zusammenhang auch über verschiedene Praktiken beim sexuellen Umgang mit diesem berichtet, hat die Schwurgerichtskammer mit rechtsfehlerfreier Begründung nicht geglaubt. Weiter hat das Landgericht eine Fehlinterpretation von Äußerungen des Opfers vor der Tat durch den Angeklagten zu einer Infektion mit einer Geschlechtskrankheit sowie hinsichtlich der angeblich berichteten Sexualpraktiken mit einem anderen Mann mit ebenfalls tragfähigen Begründungen verneint. Weshalb das Landgericht demgegenüber nicht hat ausschließen kön- nen, dass der Angeklagte "irgendeine Äußerung seiner Frau in dem Sinne fehlinterpretiert haben könnte, sie räume eine außereheliche Beziehung ein", sondern ein solches Missverständnis unterstellt hat, ist nicht ersichtlich. Allein die hierfür gegebene Begründung, dass der Angeklagte schon vor der Tat davon ausgegangen sei, seine Frau habe eine außereheliche Beziehung, trägt jedenfalls die Annahme einer Äußerung der Geschädigten, die der Fehlinterpretation durch den Angeklagten in dem angenommenen Sinne zugänglich wäre, nicht. Danach erweist sich die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe eine Äußerung seiner Ehefrau dahin (miss-)verstanden, dass sie vor der Tat ein außereheliches Verhältnis eingeräumt habe, rechtsfehlerhaft als bloße Vermutung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 4 StR 517/11).
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 84/12
vom
30. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. August
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
für die Nebenklägerin G. als Nebenklägervertreter,
Rechtsanwalt
für den Nebenkläger R. als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 25. Oktober 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , verurteilt worden ist; insofern bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen jedoch aufrechterhalten ;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im verbleibenden Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit zwei Fällen der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 5. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Nebenkläger, an eine andere als Schwur- gericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren festgesetzt. Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und beide Nebenkläger Revision eingelegt. Der Angeklagte hat eine Verfahrens- und die allgemeine Sachrüge erhoben. Die Nebenkläger streben eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes an. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet. Die Revisionen der Nebenkläger haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen unterhielt der Angeklagte über mehrere Jahre eine außereheliche Beziehung zu der in A. wohnenden Nebenklägerin G. . Aus der Beziehung sind drei Kinder hervorgegangen. Im Lauf des Jahres 2010 beendete G. die konfliktreich gewordene Beziehung. Der Angeklagte vermochte das Beziehungsende nicht zu akzeptieren und erschien regelmäßig in der Wohnung der Nebenklägerin, weil er sie noch immer als seine Lebensgefährtin ansah und davon ausging, dass sie zu ihm gehöre (UA 7). Nachdem er am 11. Dezember 2010 gegenüber G. tätlich geworden war, wurde er von der herbeigerufenen Polizei der Wohnung verwie- sen und ihm ein Rückkehrverbot auferlegt. Gleich nach der Abfahrt der Polizei suchte er G. wieder auf und drohte, ihr den Kopf abzuschlagen (UA 7). Da G. bei dem Angeklagten einige Zeit zuvor eine Schusswaffe gesehen hatte, bekam sie nun soviel Angst, dass sie sich von ihrem Onkel, dem Zeugen D. , abholen ließ und bei ihm das Wochenende verbrachte (UA 8). Nach den Weihnachtsfeiertagen bezog sie eine eigene Wohnung in B. , die ihr D. vermittelt hatte. Sie lebte noch immer in großer Angst vor dem Angeklagten, der zwar nicht wusste, wo sie wohnte, aber regelmäßig Kontakt zu D. aufnahm, um ihren Wohnort zu erfahren (UA 8).
3
Im Januar 2011 kam es auf Veranlassung des Angeklagten zu einer Sitzung eines sog. Ältesten- oder Familienrates aus Mitgliedern der Familie des Angeklagten und der Familie von G. . Dabei erhob der Angeklagte den Vorwurf, dass D. seine Kinder entführt und ihm die Frau weggenommen habe. G. und die Kinder gehörten zu ihm und hätten zu tun, was er wünsche (UA 10). Nachdem G. vor dem Ältestenrat darauf bestanden hatte, von dem Angeklagten getrennt zu leben, entschied der Ältestenrat , dass D. nicht schuldhaft gehandelt habe und der Angeklagte die Trennung von G. akzeptieren müsse. Der Angeklagte reagierte hierauf mit einer Äußerung, die von der Nebenklägerin G. zutreffend so verstanden wurde, dass er etwas so Schlimmes mit ihr anstellen werde, dass er sich auch „gleich selbst wegmachen könne“ (UA 11).
4
Für G. entwickelte sich nun eine Phase erheblicher Angst. Sie lebte in der Hoffnung, dass der Angeklagte nicht wusste, wo sie wohnte. Tatsächlich war dem Angeklagten lediglich bekannt, dass G. in der Nähe der Wohnung ihres Onkels D. in B. lebte. Er bestreifte daher mit seinem Pkw die Gegend um die Wohnung des D. und hielt Ausschau. Dabei fiel sein Fahrzeug Nachbarn und Angehörigen von G. auf (UA 12). Auch rief der Angeklagte regelmäßig bei D. an und ließ ihn von anderen Leuten in aggressiver Weise nach der Adresse von G. befragen. Dabei gelang es ihm nicht, die genaue Adresse zu erfahren (UA 12). Nachdem G. von den Nachstellungen des Angeklagten erfahren und von ihm eine SMS mit einer Todesdrohung erhalten hatte, rechnete sie stets damit, dass der Angeklagte sie „irgendwann einmal erwischen“ würde. Sie konnte deshalb nicht mehr angstfrei vor die Tür treten und schränkte ihre Lebensführung erheblich ein (UA 12).
5
Im März 2011 kam der Bruder von G. , der Nebenkläger R. , aus Mazedonien nach Deutschland, weil er hier Asyl beantragen wollte. Dazu hielt er sich ab dem 1. April 2011 in der Wohnung von G. in B. auf.
6
Am 2. April 2011 kauften G. und R. gegen 15 Uhr in einem Supermarkt gegenüber der Wohnung von G. für einen Kindergeburtstag ein. Der Angeklagte wartete zu diesem Zeitpunkt in seinem in der Nähe der Einfahrt zum Parkplatz des Supermarktes geparkten Fahrzeug, weil er mit einem Einkauf von G. rechnete. Als G. und R. mit dem beladenen Einkaufswagen den Parkplatz des Supermarktes über die Einfahrt verließen, nahmen sie den Angeklagten nicht wahr. G. war jedoch noch immer in erheblicher und konkreter Sorge, dass der Angeklagte jederzeit unvermittelt auftauchen und sie überfallen könnte. Diese Sorge war auch R. bekannt und wurde von ihm ernst genommen (UA 13). Als der Angeklagte G. und R. erblickte , fuhr er mit voller Beschleunigung los, um einen Zusammenstoß mit beiden oder wenigstens mit dem Einkaufswagen herbeizuführen. Dabei nahm er Verletzungen von G. und R. zumindest billigend in Kauf. Der Zusammenstoß sollte dazu dienen, G. „so außer Gefecht zu setzen“, dass sie sich gegen den anschließend geplanten Angriff mit einer mitgeführten Selbstladepistole nicht mehr wehren oder davonlaufen konnte. Wenige Sekunden vor dem Zusammenstoß bemerkte R. das rasch näher kommende Fahrzeug und erkannte den Angeklagten. Er warnte deshalb sofort seine Schwester. Eine Flucht war jedoch nicht mehr möglich. Der von dem Angeklagten gesteuerte Pkw stieß mit einer Geschwindigkeit von mindestens 35 km/h gegen den Einkaufswagen. G. und R. wurden durch den Zusammenprall mit dem Pkw zu Boden geschleudert, nachdem zunächst einer von beiden auf die Motorhaube des Fahrzeugs aufgeladen worden war (UA 14).
7
Der Angeklagte verließ sogleich sein Fahrzeug und lief mit der entsicherten Pistole auf G. zu, um sie zu töten. Die nur leicht verletzte Nebenklägerin sprang auf und versuchte laut schreiend zu flüchten. Als sich R. dem Angeklagten in den Weg stellte, wurde er von ihm mit der Pistole zu Boden geschlagen. Der Angeklagte lief G. nach, wobei er ihr zu verstehen gab, dass er sie jetzt töten werde. Als der Angeklagte die sich zwischen mehreren Fahrzeugen verbergende G. eingeholt hatte, schlug er ihr von hinten mit der Waffe auf den Kopf und drückte sie zu Boden. Anschließend richtete er die Pistole auf ihre rechte Halsseite und betätigte mit Tötungsabsicht „einer Hinrichtung gleich“ den Abzug (UA 15). Das Projektil drang tief in den Halsraum von G. ein, zerstörte den vierten Halswirbelkörper und blieb schließlich auf der linken Seite hinter der Halsschlagader stecken (UA 16). G. stürzte zu Boden und blieb wimmernd liegen.
8
Als der Angeklagte unmittelbar nach dem Schuss auf G. zu seinem Auto laufen wollte (UA 15), wurde er von dem seiner Schwester zu Hilfe eilenden R. in einen Zweikampf verwickelt, in dessen Verlauf der Angeklagte R. direkt unterhalb des rechten Auges in den Kopf schoss, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, auch ihn zu töten (UA 15). Das Projektil zerstörte das Mittelgesicht und verursachte unter anderem eine Orbitabodenfraktur, eine ausgedehnte und dislozierte Kieferhöhlenfraktur, eine klaffende Jochbeinfraktur sowie ein Netzhautödem. Nachdem R. den Angeklagten losgelassen hatte und dieser nun tatsächlich zu seinem Auto laufen konnte (UA 25), ergriff er mit seinem Auto die Flucht. Hierbei ging es ihm ausschließlich darum, den Tatort – wie von vorneherein geplant – so schnell wie möglich zu verlassen, um einer Festnahme durch die zahlreich vorhandenen Zeugen zu entgehen (UA 16). Er rechnete damit, dass beide Nebenkläger an den erlittenen Schusswunden versterben würden. Dies war ihm wenigstens gleichgültig (UA 17 und 25).
9
II. Zur Revision der Nebenklägerin G.
10
Die Revision der Nebenklägerin G. hat Erfolg, weil die Erwägungen , mit denen das Landgericht einen versuchten Heimtückemord und einen versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen verneint hat, rechtlicher Überprüfung nicht standhalten.
11
1. Das Landgericht hat das Vorgehen des Angeklagten nicht als heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB bewertet, weil die Nebenklägerin infolge der früheren Drohungen und Nachstellungen des Angeklagten jederzeit mit einem Übergriff rechnete. Dies habe dazu geführt, dass sie in der Tatsituation nicht mehr arglos gewesen sei (UA 30). Diese Ausführungen lassen besorgen , dass das Landgericht von einem zu engen Begriff der Heimtücke ausgegangen ist.
12
a) Heimtückisch handelt, wer die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Opfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen Angriff rechnet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, Rn. 20; Urteil vom 9. September 2003 – 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 16; Urteil vom 9. Januar 1991 – 3 StR 205/90, BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; Urteil vom 4. Juli 1984 – 3 StR 199/84, BGHSt 32, 382, 383 f.). Heimtückisch tötet auch, wer sein ahnungsloses Opfer zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz angreift, dann aber unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer nicht mehr möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, sodass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert (BGH, Urteil vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, Rn. 20; Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11, Rn. 20; Beschluss vom 19. Juni 2008 – 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; Urteil vom 9. Dezember 1986 – 1 StR 596/86, BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 3). Lauert der Täter seinem ahnungslosen Opfer auf, um an dieses heranzukommen, kommt es nicht mehr darauf an, ob und wann es die von dem ihm gegenübertretenden Täter ausgehende Gefahr erkennt (BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 – 4 StR 529/08, NStZ 2009, 264). Eine auf früheren Aggressionen beruhende latente Angst des Opfers hebt seine Arglosigkeit erst dann auf, wenn es deshalb im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (BGH, Urteil vom 9. September 2003 – 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 16; Urteil vom 20. Oktober 1993 – 5 StR 473/93, BGHSt 39, 353, 368). Die Rechtsprechung hat daher auch bei Opfern, die aufgrund von bestehenden Konfliktsituationen oder früheren Bedrohungen dauerhaft Angst um ihr Leben haben, einen Wegfall der Arglosigkeit erst dann in Betracht gezogen, wenn für sie ein akuter Anlass für die Annahme bestand, dass der ständig befürchtete schwerwiegende Angriff auf ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit nun unmittelbar bevorsteht (vgl.
BGH, Urteil vom 9. September 2003 – 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 15; Urteil vom 10. Februar 2010 – 2 StR 503/09, NStZ 2010, 450, 451).
13
b) Nach den Feststellungen hatte die Nebenklägerin G. den in seinem Pkw wartenden Angeklagten bis wenige Sekunden vor der Tat nicht bemerkt. Ihre Befürchtung, der Angeklagte werde sie „irgendwann einmal erwischen“ , beruhte auf vorangegangenen, zum Teil mehrere Monate zurückliegen- den Todesdrohungen und dem Wissen um Nachstellungen des Angeklagten im Umfeld ihrer Wohnung. Umstände, die zu einer auf die Tatsituation bezogenen Aktualisierung und Konkretisierung dieser Befürchtung geführt haben, lassen sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Tatsache, dass die Nebenklägerin von dem auf ihr Leben gerichteten Angriff getroffen wurde, als sie mit ihrem gefüllten Einkaufswagen das belebte Gelände eines Supermarktes verließ, legt die Annahme nahe, dass sie sich jedenfalls in diesem Moment keines konkreten Angriffs von Seiten des Angeklagten versah und in einer hilflosen Situation überrascht wurde. Nach dem mit Verletzungsvorsatz geführten überraschenden Angriff mit dem Pkw war der Nebenklägerin zwar noch eine kurze Flucht möglich , doch vermochte sie sich aufgrund der Kürze der ihr verbleibenden Reaktionszeit dem mit Tötungsvorsatz nachsetzenden Angeklagten nicht mehr zu entziehen oder wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
14
2. Das Vorliegen niedriger Beweggründe hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, dass der Angeklagte zwar vornehmlich aus Wut über das Verlassenwerden gehandelt habe, doch lasse sich nicht feststellen, dass die Tat aus schlechthin unverständlichen und verachtenswerten Motiven heraus begangen worden sei (UA 30 f.). Diese Ausführungen lassen eine sachlichrechtliche Überprüfung nicht zu und geben Anlass zu der Besorgnis, dass wichtige Umstände der Tat und zur Motivation des Angeklagten nicht berücksichtigt worden sind.
15
a) Aus niedrigen Beweggründen tötet, wer sich maßgeblich von einem oder mehreren Handlungsantrieben leiten lässt, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb verwerflich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1952 – 1 StR 272/52, BGHSt 3, 132; Urteil vom 24. Mai 2012 – 4 StR 62/12, Rn. 17). Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren Faktoren beurteilt werden, die für die Motivbildung von Bedeutung waren (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2012 – 4 StR 62/12, Rn. 17; Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11, Rn. 10; Urteil vom 14. Dezember 2000 – 4 StR 375/00, StV 2001, 228, 229). Beruht die Tötung auf Gefühlsregungen wie Wut, Zorn oder Verärgerung, denen jedermann mehr oder weniger stark erliegen kann, kommt es für die Beurteilung auf die zugrunde liegende Gesinnung des Täters an (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1011; Urteil vom 14. Oktober 1987 – 3 StR 145/87, BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8; MüKo-StGB/Schneider § 211 Rn. 71).
16
b) Das Landgericht hat sich mit der Grundhaltung des Angeklagten, die seiner Wut über das Verlassenwerden zugrunde lag, nicht erkennbar auseinandergesetzt. Auch im Übrigen fehlt es an der erforderlichen Gesamtwürdigung. Nach den Feststellungen ging der Angeklagte davon aus, dass die Nebenklägerin zu ihm gehöre und – wie auch die gemeinsamen Kinder – zu tun habe, was er wünsche. Ihren Trennungswunsch ignorierte er ebenso, wie ein polizeiliches Rückkehrverbot und die Entscheidung des seinem Kulturkreis angehörenden Ältestenrates, den er zuvor selbst als Autorität angerufen hatte. Der direkte Tötungsvorsatz und die „hinrichtungsgleiche“ Tatausführung deuten darauf hin, dass es dem Angeklagten vornehmlich darum ging, seine Wut in einer Bestrafung der Nebenklägerin abzureagieren. Bei dieser Sachlage hätte erörtert werden müssen, ob die tatauslösende Gefühlsregung des Angeklagten auf einer Grundhaltung beruhte, die durch eine ungehemmte Eigensucht, exklusive Besitzansprüche und eine unduldsame Selbstgerechtigkeit gekennzeichnet ist. Eine solche Grundhaltung steht nach allgemeiner sittlicher Bewertung auf tiefster Stufe (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1952 – 1 StR 272/52, BGHSt 3, 132, 133; Beschluss vom 20. August 1996 – 4 StR 361/96, BGHSt 42, 226, 227; Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11, Rn. 11).
17
III. Zur Revision des Nebenklägers R.
18
1. Die Revision des Nebenklägers R. hat Erfolg, weil das Landgericht bei der Prüfung einer versuchten Tötung aus niedrigen Beweggründen im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB ein nach den Feststellungen naheliegendes als niedrig zu bewertendes Tatmotiv nicht erörtert hat.
19
a) Ein niedriger Beweggrund kann auch gegeben sein, wenn sich der Täter zur Tötung eines Menschen entschließt, um sich einer berechtigten Festnahme zu entziehen und ungehindert entkommen zu können. Dieser Tatantrieb muss in aller Regel ebenso beurteilt werden, wie die in § 211 Abs. 2 StGB ausdrücklich hervorgehobene Verdeckungsabsicht, weil es dem Täter in beiden Fällen darum geht, sich seiner Verantwortung für begangenes Unrecht unter Inkaufnahme des Todes eines Menschen zu entziehen (BGH, Urteil vom 14. Juli 1970 – 1 StR 68/70, MDR 1971, 722 bei Dallinger; Urteil vom 14. Oktober 1987 – 3 StR 145/87, BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 319/98, StV 2000, 74, 75; Urteil vom 14. Juli 1988 – 4 StR 210/88, BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11; MüKo-StGB/Schneider, § 211 Rn. 78; LK-StGB/Jähnke, 11. Aufl., § 211 Rn. 25).
20
b) Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte nach dem Schuss auf die Nebenklägerin G. durch den Nebenkläger R. daran gehindert, unverzüglich mit seinem Auto zu fliehen. Als er sich aus dieser Lage mit dem Schuss in das Gesicht des Nebenklägers befreit hatte, verließ er – wie von vorneherein geplant – fluchtartig den Tatort. Danach hätte sich das Landgericht mit der Frage befassen müssen, ob sich der Angeklagte den Fluchtweg mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz freigeschossen und deshalb bei der Abgabe des zweiten Schusses aus einem niedrigen Beweggrund gehandelt hat.
21
2. Einen versuchten Heimtückemord hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Der Nebenkläger R. war nach den Feststellungen im Zeitpunkt der Schussabgabe auf ihn weder arg- noch wehrlos. Der anfängliche Überraschungseffekt wirkte nicht mehr fort.
22
IV. Zur Revision des Angeklagten
23
Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 Satz 1 StPO) geltend macht, bleibt erfolglos. Dabei kann es dahinstehen, ob der von dem Beschwerdeführer behauptete Verfahrensfehler vorliegt, weil ein Beruhenszusammenhang (§ 337 Abs. 1 StPO) ausgeschlossen werden kann. Das Landgericht hat die Angaben des Ersthelfers Gö. , die in dem nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesenen polizeilichen Vermerk vom 2. April 2011 festgehalten worden sind, zur Stützung des Schuld- oder Strafausspruchs nicht herangezogen. Da sich diese Angaben lediglich auf ein Ereignis nach der Tat (Anfertigung von drei Lichtbildern des Pkw des flüchtenden Angeklagten) beziehen, handelte es sich bei Gö. auch nicht um einen „unmittelbaren Tatzeugen“, auf die sich die von dem Beschwerdeführer zur Begründung eines Beruhenszusammenhanges ins Feld geführte allgemeine Formulierung in den Urteilsgründen bezieht. Die Erwägungen , mit denen das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklag- ten verneint hat, haben keinen Bezug zu den von Gö. gefertigten Lichtbildern.
24
Die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge erfolgte Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch war der Schuldspruch zu berichtigen, weil der Angeklagte durch den von ihm herbeigeführten Zusammenstoß beide Nebenkläger verletzt und sich dadurch der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht hat. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1959 – 2 StR 291/59, BGHSt 14, 5, 7). Auch kann ausgeschlossen werden, dass es dem Angeklagten möglich gewesen wäre, sich anders als geschehen zu verteidigen.
25
V. Die Aufhebung der Verurteilungen wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Die Maßregelanordnung kann dagegen bestehen bleiben, weil sie allein an die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB anknüpft.
26
Soweit das Urteil auf die Revisionen der Nebenkläger aufgehoben worden ist, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen bleiben.
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Quentin Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 S t R 1 4 7 / 1 4
vom
31. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin T. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin des Nebenklägers L. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 21. November 2013 werden verworfen. 2. Die Rechtsmittelführer haben die Kosten ihrer Revisionen zu tragen. Ferner werden dem Angeklagten die durch sein Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen der Nebenkläger auferlegt. Die Staatskasse hat auch die durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt sowie Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Gegen das Urteil richten sich die Rechtsmittel des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft jeweils mit der Sachrüge. Sie haben keinen Erfolg.

I.


2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte am 17. Januar 2013 mit dem von ihm gesteuerten Pkw mit mindestens 90 km/h gegen einen Baum, um sich selbst zu töten. Hierbei nahm er billigend in Kauf, dass seine Ehefrau, die neben ihm in dem Fahrzeug saß, an den Folgen der Kollision versterben könnte. Während der Angeklagte schwer verletzt überlebte, verstarb seine Ehefrau kurze Zeit später an den bei dem Aufprall erlittenen Verletzungen.
3
Das Landgericht hat den Sachverhalt als Totschlag in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr bewertet. Es ist der Auffassung , dass das Mordmerkmal der Heimtücke nicht vorliege, da Zweifel daran bestünden, dass der Angeklagte die objektiv gegebene Arg- und Wehrlosigkeit seiner Ehefrau bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt habe. Denn er habe nicht ausschließbar den Tatentschluss in einer psychischen Ausnahmesituation spontan gefasst. Niedrige Beweggründe seien nicht gegeben, weil der Angeklagte - jedenfalls nicht ausschließbar - aus Verzweiflung über seine Lebenssituation (u.a. vieljährige Arbeitslosigkeit, finanzielle Probleme) und aus Angst vor einer endgültigen Trennung von seiner von ihm geliebten Ehefrau, der drohenden Trennung von seinen Kindern und dem Verlust des ihm seit vielen Jahren vertrauten Familienlebens gehandelt habe.

II.


4
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat keinen Erfolg.
5
Insbesondere weist die Beweiswürdigung zum Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der Tötung seiner Ehefrau keinen Rechtsfehler auf. Auch ein Verstoß gegen den in-dubio-Grundsatz liegt aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 16. Mai 2014 dargelegten Gründen nicht vor.

III.


6
Der vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision der Staatsanwaltschaft , die eine Verurteilung des Angeklagten wegen - heimtückischen - Mordes erstrebt, bleibt der Erfolg ebenfalls versagt. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Zuschrift vom 16. Mai 2014 bemerkt der Senat:
7
a) Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 12. Februar 2009 - 4 StR 529/08, NStZ 2009, 264; vom 19. Oktober 2011 - 1 StR 273/11 [juris Rn. 24]; vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233). Dieses Ausnutzungsbewusstsein kann bereits aus dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter auf der Hand liegt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 - 2 StR 5/13, NStZ 2013, 709, 710). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2008 - 5 StR 189/08, NStZ 2009, 30, 31). Denn bei erhaltener Einsichtsfähigkeit ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (BGH, Urteile vom 27. Februar 2008 - 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 511 f.; vom 10. Februar 2010 - 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176; Beschluss vom 24. November 2009 - 1 StR 520/09, StV 2010, 287, 289 jeweils mwN).
8
Anders kann es jedoch bei "Augenblickstaten", insbesondere bei affektiven Durchbrüchen oder sonstigen heftigen Gemütsbewegungen sein (BGH, Urteil vom 17. September 2008 - 5 StR 189/08, NStZ 2009, 30, 31). Wenn auch nicht jeder dieser Zustände einen Täter daran hindert, die Bedeutung der Argund Wehrlosigkeit des Opfers für die Tatbegehung zu erkennen, so kann doch insbesondere die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein gefehlt hat (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233; Beschlüsse vom 29. November 2011 - 3 StR 326/11, NStZ 2012, 270, 271; vom 4. Mai 2011 - 5 StR 65/11, NStZ 2011, 634; vom 24. April 2012 - 5 StR 95/12, NStZ 2012, 693, 694 jeweils mwN).
9
Hierbei handelt es sich um eine vom Tatgericht zu bewertende Tatfrage (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233; Beschluss vom 4. Mai 2011 - 5 StR 65/11, NStZ 2011, 634, 635 jeweils mwN).
10
b) Daran gemessen ist die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke durch das Landgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
11
Das Schwurgericht hat nicht verkannt, dass nach der Rechtsprechung allein auf Grund der von ihm zugunsten des Angeklagten angenommenen erheblichen Einschränkung des Steuerungsvermögens nicht ohne Weiteres auf das Fehlen des Ausnutzungsbewusstseins geschlossen werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 2008 - 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510; Beschluss vom 4. Mai 2011 - 5 StR 65/11, NStZ 2011, 634 mwN). Wenn es aber gleichwohl angesichts der besonderen äußeren und inneren Umstände der Tat unter Berücksichtigung des Vor- sowie des Nachtatgeschehens eine sichere Überzeugung vom Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke nicht zu gewinnen vermochte, so hält sich dies im Rahmen der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen.
12
Auch zeigt die Revision der Staatsanwaltschaft keine durchgreifenden Lücken, Widersprüche oder sonstige Rechtsfehler in der tatrichterlichen Beweiswürdigung auf. Richtig ist zwar, dass der Zweifelssatz nicht bedeutet, dass das Gericht von der dem Angeklagten jeweils (denkbar) günstigsten Fallgestaltung auch dann ausgehen muss, wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestehen. Vorliegend bestand aber für das Landgericht selbst nach Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten die Möglichkeit, dass entweder ein das Ausnutzungsbewusstsein nicht in Frage stellender "Bilanzselbstmord" oder aber eine spontane, ungeplante Umsetzung latent vorhandener Suizidabsichten gegeben war, die zu einer psychischen Ausnahmesituation mit einer "ausgeprägten Einengung des Bewusstseinsinhalts" (UA S. 48) und damit zum Fehlen des Ausnutzungsbewusstseins geführt hat. Überzogene Anforderungen an die Überzeugungsbildung hat das Landgericht dabei nicht gestellt. Vielmehr ist es rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es der Zweifelssatz in einem solchen Fall gebietet, von der für den Angeklagten günstigeren Konstellation auszugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 123/01, StV 2001, 666,

667).


13
Ebenso wenig ist es aus Rechtsgründen zu beanstanden, dass das Schwurgericht einerseits davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte wusste, dass sich seine Ehefrau neben ihm in dem Fahrzeug befand und er deren Tod billigend in Kauf nahm sowie ihre Gefährdung sogar beabsichtigte, es aber andererseits angenommen hat, der Angeklagte habe deren Arg- und Wehrlosigkeit bei der Tatbegehung nicht bewusst ausgenutzt. Hierin liegt insbesondere kein zu einem Rechtsfehler führender Widerspruch, sondern die vom Tatrichter zu verantwortende Schlussfolgerung, dass der Angeklagte zu Wahrnehmungen zwar fähig war und er aufgrund dieser eine Entscheidung (billigendes Inkaufnehmen des Todes) traf, ihm eine darüber hinausgehende "Bedeutungskenntnis" aber gefehlt hat und er sich infolgedessen nicht bewusst gewesen ist, die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers auszunutzen (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 1997 - 3 StR 189/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26).
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR451/14
vom
22. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Oktober 2014 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Görlitz vom 22. Mai 2014 wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin durch seine Revision entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Dass der Angeklagte – wie erforderlich – die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit
des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzte (vgl. BGH, Urteil vom
11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232 Rn. 12 mwN), liegt angesichts
der festgestellten Tatumstände auf der Hand (Übergabe der Glühbirne
als Vorwand, um in die Wohnung des Opfers eingelassen zu werden; Verbergen
des mitgebrachten Messers im Anorak; belangloses Gespräch mit dem Opfer
, das dieses in Ahnungslosigkeit halten sollte; scheinbares Abwenden zum
Gehen, um das Messer unbemerkt zu ziehen, UA S. 32).
Basdorf Schneider Dölp
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 1 6 0 / 1 4
vom
24. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. September
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Fulda vom 19. Dezember 2013 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.
2
1. a) Nach den Feststellungen lebte der Angeklagte seit 2004 wegen wiederholter verbaler und körperlicher Auseinandersetzungen gegenüber seiner Ehefrau räumlich von ihr und den drei gemeinsamen Kindern getrennt. Der Angeklagte besuchte seine Familie nur noch sporadisch. Er fühlte sich ausgegrenzt und gedemütigt, weil ihm nach seiner Ansicht nicht der notwendige Respekt entgegenbracht wurde.
3
Als der Angeklagte erfuhr, dass erneut ein Türkeiurlaub seiner Familie bevorstand, war er darüber verärgert, dass er - wie schon zuvor - darüber nicht informiert worden war. Er wollte deshalb seine Ehefrau, das spätere Tatopfer, zur Rede stellen und ihr eine Lektion erteilen. Er nahm zwei Küchenmesser mit, die er gegenüber seiner Ehefrau "zumindest" (UA S. 8) als Drohmittel einsetzten wollte.
4
Nachdem der Angeklagte unter einem Vorwand seinen Sohn zum Einkaufen weggeschickt hatte und nunmehr mit seiner Ehefrau allein in der Wohnung war, begab er sich - mit bedingtem Tötungsvorsatz - ohne vorherige Ankündigung und wortlos mit jeweils einem Messer in einer Hand in die Küche, in der seine Ehefrau vor dem Spültisch ein Backblech spülte. "Die Ehefrau sah den Angeklagten in dem Türrahmen der Küchentür stehen und in die Küche herein treten. Sie sah ihm in die Augen, in der festen Erwartung, nun wieder Vorhalte gemacht zu bekommen und nunmehr in ein Streitgespräch mit ihrem Mann verwickelt zu werden. Sie wollte dem aus dem Weg gehen, stellte deswegen ihr Backblech in die Spüle hinein, trat ein bis zwei Schritte auf ihren Ehemann zu, um die Küche zu verlassen, wobei sie nicht bemerkte, da sie ihm nach wie vor in die Augen schaute, dass ihr Ehemann die beiden Messer in den Händen hielt. In dieser Situation versah sie sich insoweit keinerlei Angriffs ihres Ehemanns. Der Angeklagte, der erkannte, dass seine Frau - wie von ihm erwartet - arglos und deswegen auch wehrlos war, nutzte dies aus und - ohne mit ihr ein Wort zu wechseln - versetzte er seiner Ehefrau daraufhin einen ersten Stich in den Bauch und einen zweiten Stich in den Oberkörper" (UA S. 11).
5
Die Geschädigte sank zu Boden, woraufhin der Angeklagte ihr eine Vielzahl weiterer Messerstiche "wahllos auf den Körper" (UA S. 11) versetzte. Der zwischenzeitlich zurückgekehrte gemeinsame Sohn trat dem Angeklagten gegen den Kopf und "packte ihn von der Mutter weg" (UA S. 12). Durch eine anschließende Notoperation wurde die Geschädigte gerettet.
6
b) Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht ausgeführt, der Vorsatz bezüglich der heimtückischen Begehung der Tat ergebe sich daraus, "dass der Angeklagte ohne Vorankündigung und ohne dass zuvor irgendein Streitgespräch oder überhaupt eine Kommunikation mit der Ehefrau stattgefunden hätte, mit den Messern aus dem Wohnzimmer in die Küche der Wohnung gegangen ist, wobei die Ehefrau gerade dabei war, ein Backblech zu spülen. [...] In diesem Moment war daher die Ehefrau des Angeklagten, die sich keinerlei Angriffes durch den Angeklagten versah, völlig arglos und infolge dessen auch wehrlos. Dies wusste der Angeklagte, der zuvor sogar seinen Sohn […] aus der Wohnung geschickt hatte, um insoweit ungestört die Situation ausnutzen zu können. Er ging wortlos aus dem Wohnzimmer in die Küche und begann sofort und völlig unvermittelt seinen Angriff auf die Ehefrau, die die Messer, weil sie dem Angeklagten zunächst nur in die Augen schaute, überhaupt nicht bemerkt hatte. Er wollte insoweit diese Geschehen bewusst ausnutzen und seine Ehefrau, die mit Küchenarbeiten beschäftigt war, überraschen" (UA S. 27).
7
2. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist insbesondere die Beweiswürdigung zum Ausnutzungsbewusstsein nicht lückenhaft.
8
a) Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt; wesentlich ist, dass der Mörder sein keinen Angriff erwartendes, mithin argloses Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren, wobei für die Beurteilung die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist. Bei einem offen feindseligen Angriff ist erforderlich, dass dem Opfer wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Erkennen der Gefahr und unmittelbarem Angriff keine Möglichkeit der Abwehr verblieben ist (vgl. etwa BGH, Urteile vom 15. September 2011 - 3 StR 223/11, NStZ 2012, 35; vom 28. August 2014 - 5 StR 332/14, beide mwN). Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise ist weiter, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt. Dafür genügt es, wenn er die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233; Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 117/14; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 211 Rdn. 34, 44, jeweils mwN).
9
b) Das Landgericht hat seine Überzeugung, der Angeklagte habe auch mit entsprechendem Ausnutzungsbewusstsein gehandelt, ausreichend belegt. Die gezogenen Schlussfolgerungen sind möglich, zwingend brauchen sie nicht zu sein.
10
Der Angeklagte, der mit den beiden Küchenmessern bewaffnet im Wohnzimmer saß, und sich "endgültig" entschlossen hatte, "die Lage auszunut- zen und auf seine Ehefrau […] einzustechen, um sie zu bestrafen" (UA S.10), wollte dafür ungestört sein und hatte deswegen auch seinen Sohn unter einem Vorwand weggeschickt, um "freie Bahn für einen überraschenden ‚Angriff‘ auf seine Ehefrau haben zu können" (UA S. 10). Er betrat mit bedingtem Tötungsvorsatz die Küche, in der seine Frau gerade spülte. Dass die Geschädigte auf den Angeklagten "ein bis zwei Schritte" zutrat, ändert nichts daran, dass der Angeklagte - wie von ihm geplant - die mit Küchenarbeiten beschäftigte Geschädigte in der Küche überraschte (UA S. 27) und dieses von ihm herbeigeführte Überraschungsmoment ausnutzen wollte. Es ist deswegen auch unerheblich , ob die Geschädigte unmittelbar vor dem Angriff noch die Messer in den Händen des Angeklagten wahrgenommen und ob der Angeklagte die mög- licherweise eingeschränkte Wahrnehmung der Geschädigten erkannt hat. Eine Möglichkeit zur Abwehr verblieb ihr nicht, worauf es dem Angeklagten nach seinem Tatplan gerade ankam.
11
Dass das Ausnutzungsbewusstsein auch nicht aufgrund affektiver Anspannung des Angeklagten gefehlt hat (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 29. November 2011 - 3 StR 326/11, NStZ 2012, 270, 271; Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 117/14 mwN), hat das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei festgestellt (UA S. 27). Fischer Schmitt Krehl Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 346/11
vom
16. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
16. Februar 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger I. und G. R. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin F. R. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen der Nebenkläger, die die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 StGB erstreben. Der Angeklagte beanstandet mit seiner wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision sachlichrechtlich die Strafzumessung des Landgerichts. Die Rechts- mittel der Nebenkläger sind zulässig (§ 400 Abs. 1, § 401 Abs. 1 und 2 StPO) und begründet. Auch das Rechtmittel des Angeklagten hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts erstach der Angeklagte seine 34-jährige gehörlose Ehefrau am 10. September 2010 um die Mittagszeit in der Küche der ehelichen Wohnung. Im Einzelnen:
3
Zwischen den Eheleuten, die sich seit dem Jahre 1994 kannten und seit 1998 verheiratet waren, kam es nach der Geburt ihrer dritten Tochter (2008) zu einer Verschlechterung des ehelichen Verhältnisses. Dies schrieb der Angeklagte dem Umstand zu, dass seine Ehefrau, die aufgrund ihrer Gehörlosigkeit weitgehend isoliert gelebt hatte, über den damals in der ehelichen Wohnung eingerichteten Internetzugang erstmals die Möglichkeit bekam, ohne größeren Aufwand mit Bekannten und Verwandten zu kommunizieren. Der Angeklagte hielt ihr vor, sie vernachlässige infolge des hierfür betriebenen Zeitaufwands ihre häuslichen Pflichten. Außerdem mutmaßte er, seine Frau unterhalte über das Internet Kontakte mit anderen Männern, um eine außereheliche Beziehung aufzubauen. Hierüber kam es zwischen den Eheleuten häufiger zum Streit. Zweimal alarmierte die Geschädigte bei solchen Auseinandersetzungen die Polizei, die den Angeklagten der Wohnung verwies, worauf dieser in seiner Gartenlaube übernachtete. Stets versöhnten sich die Eheleute aber wieder, und der Angeklagte kehrte in beiden Fällen in die gemeinsame Wohnung zurück.
4
Im Sommer 2010 meinte der Angeklagte, im Verhalten seiner Ehefrau Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass sie sich heimlich mit einem anderen Mann treffe. Als dies die Geschädigte auf Vorhalt des Angeklagten abstritt, kam es erneut zu einem (verbalen) Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte die Ehewohnung verließ und fortan wieder in seiner Gartenlaube nächtigte.

5
Am Tattag suchte der Angeklagte die Ehewohnung auf, traf die Geschädigte indes nicht an. Aus Wut darüber, dass diese - wie er weiterhin glaubte, wofür er aber keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte hatte und was objektiv nicht der Fall war - im Internet Kontakte mit anderen Männern unterhielt, zerstörte er den vorhandenen Router, verließ die Wohnung und ging zur Arbeit. Nachdem die Geschädigte zurückgekehrt war und die Beschädigung bemerkt hatte, rief sie den Angeklagten an, schimpfte über sein Verhalten und forderte ihn auf, den Internetanschluss wieder herzustellen, anderenfalls werde sie die Polizei unterrichten. Daraufhin verließ der Angeklagte seine Arbeitsstelle und fuhr mit seinem Pkw zur Ehewohnung. Auf dem Weg dorthin bemerkte er seine Ehefrau zu Fuß auf der Straße. Sie hatte eine der beschädigten Komponenten des Internetanschlusses in eine Tüte gepackt und sich auf den Weg zur Polizei begeben. Nachdem der Angeklagte seine Frau angesprochen und diese ihm ihre Absicht mitgeteilt hatte, erklärte sich der Angeklagte bereit, den Internetanschluss wieder instand zu setzen. Gemeinsam fuhren beide mit dem Pkw des Angeklagten zur Ehewohnung. Unmittelbar nachdem die Eheleute diese betreten hatten, entstand zwischen ihnen eine verbale Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte seiner Ehefrau deren angebliche Untreue vorhielt. Diese Auseinandersetzung fand in der Küche statt, wobei der Angeklagte stand und seine Ehefrau vor ihm auf einem Stuhl saß.
6
Im Anschluss an eine - "nicht ausschließbar" als Eingeständnis einer außerehelichen Beziehung fehlinterpretierte - Äußerung seiner Frau nahm der Angeklagte aus Wut über deren vermeintliche Untreue einen Küchenstuhl und schlug diesen mit Wucht auf den Kopf seiner ihm - "nicht ausschließbar" - mit dem Oberkörper zugewandten Ehefrau. Nachdem diese daraufhin benommen zu Boden gegangen war, ergriff der Angeklagte ein in der Küche liegendes Messer mit einer Klingenlänge von etwa 35 Zentimetern und stach damit von oben herab wuchtig mindestens fünfzehnmal auf den Brust- und Halsbereich seiner Frau ein. Er wusste, dass er ihr damit Verletzungen beibrachte, die zum Tode führen. Er wollte seine Frau auch töten, um sie für ihre vermeintliche Untreue zu bestrafen. Die Geschädigte verstarb kurze Zeit danach an dem durch die Stichverletzungen hervorgerufenen starken Blutverlust sowie einer Verletzung der rechten Herzkammer.
7
I. Revisionen der Nebenkläger
8
Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 Abs. 2 StGB (Heimtücke, Tötung aus niedrigen Beweggründen bzw. um eine andere Straftat zu verdecken) abgelehnt. Während die Verneinung eines Verdeckungsmordes nicht zu beanstanden ist, halten jedenfalls die Gründe, mit denen das Landgericht das Vorliegen des Mordmerkmals niedriger Beweggründe verneint hat, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
Zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe hat das Landgericht ausgeführt , tatauslösend und tatbestimmend sei hier der Umstand gewesen, dass der Angeklagte mutmaßte, seine Frau habe sich einem anderen Mann zugewandt. Da der Angeklagte hierdurch das Wohl seiner Kinder und den Kontakt zu diesen gefährdet sah, sehe sich die Kammer an einer Bewertung der Tatmotivation als "niedrig" gehindert. Diese Begründung berücksichtigt wesentliche Umstände der Tat und der Motivation des Angeklagten nicht.
10
Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat "niedrig" sind und - in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Tot- schlag - als verachtenswert erscheinen, bedarf einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2003 - 3 StR 149/03, NStZ 2004, 34 mwN; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 15). Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Dezember2006 - 4 StR 419/06, NStZ-RR 2007, 111; Fischer, aaO, Rn. 19).
11
Danach begegnet die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe seine Ehefrau nicht aus niedrigen Beweggründen im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB getötet, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Urteil lässt die erforderliche Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren vermissen. Nicht berücksichtigt hat das Landgericht insbesondere, dass der Angeklagte nach den Feststellungen seine Frau auch getötet hat, um sie für ihre (vermeintliche) Untreue zu bestrafen, und dabei aus Wut über deren vermeintliche Untreue gehandelt hat. Gleichfalls nicht berücksichtigt hat es die für die Einstellung des Angeklagten gegenüber seiner Ehefrau und deren Lebensrecht bedeutsame Äußerung bei seiner polizeilichen Vernehmung, er habe nach dem Stuhlschlag gedacht, jetzt müsse er ins Gefängnis , dann mache er sie auch "kaputt". Die für das Landgericht wesentliche Annahme, der Angeklagte habe durch die - von ihm vermutete - Hinwendung seiner Ehefrau zu einem anderen Mann das Wohl seiner Kinder gefährdet gesehen , wird demgegenüber durch die Urteilsgründe nicht eindeutig belegt. Entsprechend eingelassen hat sich der Angeklagte nicht. Festgestellt hat das Landgericht insoweit lediglich, dass sich der Angeklagte bei der Zeugin K. zweimal telefonisch nach dem Wohl seiner Kinder erkundigte und bei einem Telefonat zwei Tage vor der Tat zum Ausdruck brachte, er habe Angst, infolge der - damals schon länger bestehenden - Trennung der Eheleute den Kontakt zu seinen Kindern zu verlieren. Woraus das Landgericht entnimmt, der Angeklagte habe durch die - vermutete - Hinwendung seiner Frau zu einem anderen Mann das Wohl seiner Kinder gefährdet gesehen, erschließt sich danach aus den Urteilsgründen nicht.
12
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
13
II. Revision des Angeklagten
14
Der Strafausspruch des Urteils hält der rechtlichen Nachprüfung auf die Sachbeschwerde nicht stand.
15
Im Rahmen der Strafzumessung ist das Landgericht davon ausgegangen , dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat infolge eines Affektdurchbruchs erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB war. Bei der Bemessung der Strafe im engeren Sinne hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten gleichwohl ohne Einschränkung die "Massivität des Angriffs berücksichtigt, der sich in der Zahl der Stichverletzungen und der Anzahl der geschädigten Organe" gezeigt habe.
16
Diese Erwägung begegnet unter den hier gegebenen Umständen durchgreifenden rechtlichen Bedenken; denn die Art der Tatausführung darf einem Angeklagten nur dann uneingeschränkt strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist, nicht aber, soweit ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2011 - 3 StR 375/11 mwN; Fischer, aaO, § 46 Rn. 2). Damit, ob dem Angeklagten die ihm vorgeworfene "Massivität" seines Vorgehens angesichts des in der Beweiswürdigung festgestellten "Affektdurchbruchs im Sinne von § 21 StGB" und der daraus gefolgerten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit uneingeschränkt vorwerfbar ist, setzt sich das Urteil indes nicht auseinander.
17
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
18
1. Der neue Tatrichter wird wiederum prüfen müssen, ob der Angeklagte die Tötung heimtückisch im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB begangen hat. Objektiv heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Dabei kommt es grundsätzlich auf die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an.
19
Danach wird zunächst zu klären sein, welcher Angriff des Angeklagten der erste mit Tötungsvorsatz geführte war. Das Landgericht ist zwar - wie sich allein aus der konkurrenz-rechtlichen Würdigung der Tat im angefochtenen Urteil ergibt - davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei dem zunächst geführten Schlag mit dem Stuhl mit Verletzungsvorsatz handelte; indes hat es diese Annahme nicht begründet. Sie versteht sich auch nicht von selbst, da der Schlag nach den bisherigen Feststellungen wuchtig und gegen den Kopf ausgeführt war und zur Folge hatte, dass die zuvor auf einem Stuhl sitzende Geschä- digte benommen zu Boden ging. Danach könnte auch in Betracht kommen, dass der Angeklagte schon zu diesem Zeitpunkt und nicht erst bei Verwendung des Messers mit Tötungsvorsatz handelte.
20
Vom Ergebnis dieser Prüfung wird es abhängen, an welchen Zeitpunkt für die Frage der Arglosigkeit des Opfers anzuknüpfen sein wird: Kommt es auf die Lage vor dem Stuhlschlag an, so wird zu bedenken sein, dass ein der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen die Arglosigkeit nicht ausschließen, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, NStZ-RR 2007, 174 mwN). Wesentlich ist, dass der Täter sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Zu bedenken wird auch sein, dass das Opfer auch dann arglos sein kann, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, also sein Opfer etwa von vorne angreift, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 6 mwN). In diesem Zusammenhang wird vorliegend auch in den Blick zu nehmen sein, dass der Angeklagte bei keiner der festgestellten früheren streitigen Auseinandersetzungen - auch nicht bei denen, die einen polizeilichen Einsatz zur Folge hatten - gewalttätig gegen seine Ehefrau vorgegangen war. Deshalb und angesichts der dem Streit vorangegangenen einlenkenden Äußerung des Angeklagten , er werde den angerichteten Schaden beheben, wird zu prüfen sein, ob das (gehörlose) Opfer aufgrund der lediglich verbalen Auseinandersetzung vor der Tat keinen tätlichen Angriff gegen sich erwartete oder einen solchen voraussah und die Geschädigte durch den Schlag mit dem Stuhl möglicherweise völlig überrascht wurde. Dafür könnte vorliegend auch sprechen, dass die Untersuchung der Leiche durch den rechtmedizinischen Sachverständigen keine Hinweise auf Abwehrverletzungen des Opfers erbrachte. Sollte hingegen erst der erste Messereinsatz des Angeklagten, als das Opfer nach dem Stuhlschlag bereits benommen am Boden lag, von dem Tötungsvorsatz getragen worden sein, so wäre zum einen zu bedenken, dass die Benommenheit eines vom Täter geschlagenen Opfers gegen dessen Arglosigkeit sprechen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. März 1997 - 3 StR 68/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 23 sowie vom 6. Mai 2008 - 5 StR 92/08, NStZ 2008, 569). Zum anderen wird der neue Tatrichter aber auch in den Blick nehmen müssen, dass es für das Mordmerkmal der Heimtücke keinen Unterschied macht, ob ein überraschender Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird oder ob der ursprüngliche - auf Körperverletzung gerichtete - Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (vgl. BGH, Urteile vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234 mwN; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 11; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vgl. auch BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Febuar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).
21
2. Der neue Tatrichter wird bei der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat zu beachten haben, dass das angefochtene Urteil hierzu zum einen nicht völlig eindeutige Feststellungen enthält und zum anderen auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruht: Das Landgericht hat einerseits im Sachverhalt festgestellt, der Angeklagte sei "während der Tat in der Lage (gewesen), das Verbotene seines Verhaltens zu erkennen und sich nach dieser Einsicht zu verhalten"; im Rahmen der Beweiswürdigung ist die Kammer - ohne die Auffassung des Sachverständigen hierzu mitzuteilen - andererseits zu dem Ergebnis gekommen, sie habe "nicht auszuschließen" vermocht , dass "die Fähigkeit des Angeklagten, sich gemäß der vorhandenen Einsicht in das Verbotene seines Tuns zu verhalten, infolge eines Affektdurchbruchs im Sinne von § 21 StGB erheblich eingeschränkt" gewesen sei. Für die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit war die - "nicht ausschließbare" - Feststellung des Landgerichts wesentlich, der Angeklagte habe seine Ehefrau - unmittelbar vor dem ersten Angriff auf diese - dahin (miss-)verstanden, dass sie ein außereheliches Verhältnis eingeräumt habe. Diese Feststellung hat keine Tatsachenbasis: Entsprechend eingelassen hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht. Die von ihm - bei seiner polizeilichen Vernehmung und im Rahmen der Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen - aufgestellten Behauptungen, seine Ehefrau habe unmittelbar vor der Tat ihm gegenüber jeweils geäußert, sie habe ihn bzw. er habe sie mit einer Geschlechtskrankheit infiziert bzw. sie habe ein außereheliches Verhältnis zu einem anderen Mann eingestanden und in diesem Zusammenhang auch über verschiedene Praktiken beim sexuellen Umgang mit diesem berichtet, hat die Schwurgerichtskammer mit rechtsfehlerfreier Begründung nicht geglaubt. Weiter hat das Landgericht eine Fehlinterpretation von Äußerungen des Opfers vor der Tat durch den Angeklagten zu einer Infektion mit einer Geschlechtskrankheit sowie hinsichtlich der angeblich berichteten Sexualpraktiken mit einem anderen Mann mit ebenfalls tragfähigen Begründungen verneint. Weshalb das Landgericht demgegenüber nicht hat ausschließen kön- nen, dass der Angeklagte "irgendeine Äußerung seiner Frau in dem Sinne fehlinterpretiert haben könnte, sie räume eine außereheliche Beziehung ein", sondern ein solches Missverständnis unterstellt hat, ist nicht ersichtlich. Allein die hierfür gegebene Begründung, dass der Angeklagte schon vor der Tat davon ausgegangen sei, seine Frau habe eine außereheliche Beziehung, trägt jedenfalls die Annahme einer Äußerung der Geschädigten, die der Fehlinterpretation durch den Angeklagten in dem angenommenen Sinne zugänglich wäre, nicht. Danach erweist sich die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe eine Äußerung seiner Ehefrau dahin (miss-)verstanden, dass sie vor der Tat ein außereheliches Verhältnis eingeräumt habe, rechtsfehlerhaft als bloße Vermutung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 4 StR 517/11).
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 537/06
vom
19. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2006 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 19. Juli 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten des unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit der zum Nachteil des Rechtsanwalts und Notars L. begangenen gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden. Dagegen hält die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten versuchten Mordes rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar hat der Angeklagte den gezielten Schuss auf den Kopf des Tatopfers nach den auch insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen heimtückisch und mit Tötungsabsicht abgegeben. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet aber die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe die weitere Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben, weil er sich hieran durch äußere Umstände gehindert gesehen habe, insbesondere deswegen, weil das Opfer fast sein Haus erreicht habe, aber auch aus Furcht vor einer Entdeckung der Tat angesichts des nach Angaben des Tatopfers zu dieser Zeit noch lebhaften Autoverkehrs.
3
Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht die Frage eines strafbefreienden Rücktritts vom unbeendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB geprüft , der die freiwillige Aufgabe der weiteren Ausführungen der Tat voraussetzt. Nach der für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch maßgeblichen Vorstellung des Angeklagten (sog. Rücktrittshorizont; vgl. BGHSt 39, 221, 227 m.N.) war der Mordversuch nicht beendet, weil der Angeklagte nach der Abgabe des Schusses auf Grund der Reaktion des Tatopfers nicht mit dem Eintritt des angestrebten tatbestandsmäßigen Erfolges rechnete. Die Revision beanstandet jedoch zu Recht, dass weder die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei davon ausgegangen, es werde ihm nicht gelingen, noch einmal in Schussnähe an das Tatopfer heranzukommen, noch die Annahme, der Angeklagte habe befürchtet, dass seine Tat von einem der vorbeifahrenden Autoinsassen entdeckt werden könne, hinreichend belegt ist.
4
Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass der Angeklagte davon ausging , es werde ihm nicht gelingen, "noch einmal auf Schussnähe" an das Tatopfer heranzukommen, läge ein fehlgeschlagener Versuch vor, bei dem ein Rücktritt gemäß § 24 StGB nach der Rechtsprechung ausgeschlossen ist (vgl. BGHSt 39, 221, 228 m.N.). Worauf das Landgericht die Annahme stützt, dass der Angeklagte davon ausging, die Tat nicht mehr vollenden zu können, lässt sich den Urteilsgründen jedoch nicht entnehmen. Das Landgericht hat weder Feststellungen zu der von dem Tatopfer bis zu dem Eingang zu seinem Haus noch zurückzulegenden Entfernung getroffen, noch dazu, wieweit sich der Angeklagte von dem Tatopfer wegbewegt hatte, als er sah, dass es, nachdem es nach vorne zu Boden gefallen war, "sofort wieder aufstand und auf sein Haus zuging." Dass sich der Angeklagte nicht mehr in "Schussnähe" befunden hat, als das Tatopfer aufstand und auf sein Haus zuging, liegt nach den bisherigen Feststellungen eher fern.
5
Ging der Angeklagte aber davon aus, die Tat mit der von ihm benutzten Pistole noch vollenden zu können, weil diese, wovon mangels gegenteiliger Feststellungen zu Gunsten des Angeklagten auszugehen ist, nach Abgabe des Schusses noch mit weiterer Munition versehen war, wäre ein freiwilliges Aufgeben der Tat, für das der Zweifelsgrundsatz gilt (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 199; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 26), nicht ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2000 - 4 StR 456/00 - m.N.). Zwar kann die Aufgabe der Tat unfreiwillig sein, wenn sich der Täter nach Tatbeginn mit einer ihm, verglichen mit der Tatplanung, derart ungünstigen Risikoerhöhung konfrontiert sieht, so dass er das mit der Tat verbundene Wagnis nunmehr als unvertretbar hoch einschätzt (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 16). Dass dem Angeklagten die Fortsetzung der Tat zu risikoreich erschien, weil er befürchtete, seine Tat könne "von einem der vorbeifahrenden Autoinsassen" entdeckt werden, ist jedoch nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Die Revision beanstandet zu Recht, dass sich die zu den Vorstellungen des Angeklagten getroffenen Feststellungen nicht ohne Weiteres damit vereinbaren lassen, dass der Angeklagte zu Beginn des Angriffs auf das Tatopfer - außer diesem - "der einzige Fußgänger in diesem Bereich der Kaiserstraße, die in diesen Augenblicken auch nicht von Kraftfahrzeugen befahren wurde", gewesen ist (UA 11).
Das Landgericht hätte daher in eingehender Beschreibung der örtlichen Verhältnisse und der Nachtatsituation im Einzelnen feststellen müssen, ob und in welcher Weise sich die Verkehrsverhältnisse auf der Kaiserstraße in Tatortnähe nach Abgabe des Schusses verändert hatten.
6
Die Sache bedarf daher neuer Entscheidung. Im Hinblick auf die vom Landgericht angenommene tateinheitliche Verwirklichung von versuchtem Mord, gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe hat der aufgezeigte Rechtsfehler die Aufhebung des Urteils insgesamt zur Folge (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 6 7 / 1 3
vom
27. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Februar 2014 beschlossen
:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung
der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil
des Landgerichts Stuttgart vom 15. Oktober 2012 auf seine
Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil
wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie
die den Neben- und Adhäsionsklägern im Revisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in sechs tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es Entscheidungen im Adhäsionsverfahren getroffen.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf zahlreiche Verfahrensrügen sowie die näher ausgeführte Sachrüge stützt. Darüber hinaus begehrt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Begründung der Revision.
3
Dem Angeklagten war auf seinen Antrag Wiedereinsetzung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 StPO) zu gewähren. Seine Revision ist jedoch unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.


4
Dem Wiedereinsetzungsgesuch liegt folgendes Geschehen zugrunde:
5
Nachdem der Angeklagte durch einen seiner beiden Verteidiger, Rechtsanwalt Sc. , fristgerecht Revision eingelegt hatte, wurde dem Angeklagten das Urteil am 13. April 2013 zugestellt. Bis zum Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 StPO am 13. Mai 2013 ging keine Revisionsbegründung ein. Am 23. Mai 2013 bat der weitere Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt N. , um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist und holte die bis dahin fehlende Begründung mit Schriftsatz vom 27. Mai 2013 u.a. mit der Erhebung zahlreicher Verfahrensrügen nach. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat Rechtsanwalt N. unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung vorgetragen, aufgrund einer bei ihm zwischen dem 8. und dem 18. Mai 2013 bestehenden, durch eine Zahnerkrankung bedingten Arbeitsunfähigkeit an der rechtzeitigen Erstellung der Revisionsbegründung gehindert gewesen zu sein.
6
Die Wiedereinsetzung war zu gewähren, weil der Angeklagte ohne sein Verschulden daran gehindert war, innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO sein Rechtsmittel unter Einschluss der zahlreichen Verfahrensrügen zu begründen. Wie der Senat bereits entschieden hat (Senat, Beschluss vom 14. August 1984 – 1 StR 322/84, NStZ 1985, 204), rechtfertigt eine kurz vor Ablauf der Begründungsfrist eintretende Erkrankung des mit der Revisionsbegründung beauftragten Rechtsanwaltes ausnahmsweise die hier begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung (Nachholung) von Verfahrensrügen.

II.


7
Die Revision des Angeklagten bleibt allerdings ohne Erfolg. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 30. September 2013 zutreffend dargelegten Gründen nicht durch. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat – ebenfalls aus den dort genannten Gründen – keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
RiBGH Dr. Wahl ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Raum Rothfuß Jäger Radtke

(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.

(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist

1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind,
3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind,
4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind,
5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
entgegen § 2 Absatz 3 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.1 oder 1.3.4 eine dort genannte Schusswaffe oder einen dort genannten Gegenstand erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt,
2.
ohne Erlaubnis nach
a)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1, eine Schusswaffe oder Munition erwirbt, um sie entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 einem Nichtberechtigten zu überlassen,
b)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1, eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 erwirbt, besitzt oder führt,
c)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Satz 1 oder § 21a eine Schusswaffe oder Munition herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt,
d)
§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit § 29 Absatz 1 Satz 1 oder § 32 Absatz 1 Satz 1 eine Schusswaffe oder Munition in den oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt oder mitnimmt,
3.
entgegen § 35 Abs. 3 Satz 1 eine Schusswaffe, Munition oder eine Hieb- oder Stoßwaffe im Reisegewerbe oder auf einer dort genannten Veranstaltung vertreibt oder anderen überlässt oder
4.
entgegen § 40 Abs. 1 zur Herstellung eines dort genannten Gegenstandes anleitet oder auffordert.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 2 Absatz 3 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nummer 1.2.2 bis 1.2.4.2, 1.2.5, 1.3.1 bis 1.3.3, 1.3.5 bis 1.3.8, 1.4.1 Satz 1, Nr. 1.4.2 bis 1.4.4 oder 1.5.3 bis 1.5.7 einen dort genannten Gegenstand erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt,
2.
ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1
a)
eine Schusswaffe erwirbt, besitzt, führt oder
b)
Munition erwirbt oder besitzt,
wenn die Tat nicht in Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe a oder b mit Strafe bedroht ist,
3.
ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Satz 1 eine Schusswaffe herstellt, bearbeitet oder instand setzt,
4.
ohne Erlaubnis nach § 2 Absatz 2 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 in Verbindung mit
a)
§ 29 Absatz 1 Satz 1 eine dort genannte Schusswaffe oder Munition aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes in einen anderen Mitgliedstaat verbringt oder
b)
§ 32 Absatz 1a Satz 1 eine dort genannte Schusswaffe oder Munition in einen anderen Mitgliedstaat mitnimmt,
5.
entgegen § 28 Abs. 2 Satz 1 eine Schusswaffe führt,
6.
entgegen § 28 Abs. 3 Satz 2 eine Schusswaffe oder Munition überlässt,
7.
entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 eine erlaubnispflichtige Schusswaffe oder erlaubnispflichtige Munition einem Nichtberechtigten überlässt,
7a.
entgegen § 36 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 36 Absatz 5 Satz 1 eine dort genannte Vorkehrung für eine Schusswaffe nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig trifft und dadurch die Gefahr verursacht, dass eine Schusswaffe oder Munition abhandenkommt oder darauf unbefugt zugegriffen wird,
8.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
9.
entgegen § 42 Abs. 1 eine Waffe führt oder
10
entgegen § 57 Abs. 5 Satz 1 den Besitz über eine Schusswaffe oder Munition ausübt.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 Buchstabe b, c oder d oder Nr. 3 oder des Absatzes 3 Nummer 1 bis 7, 8, 9 oder 10 fahrlässig, so ist die Strafe bei den bezeichneten Taten nach Absatz 1 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, bei Taten nach Absatz 3 Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitgliedes handelt.

(6) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch

1.
die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,
2.
jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung,
3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
4.
jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
5.
den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
6.
die Erhebung der öffentlichen Klage,
7.
die Eröffnung des Hauptverfahrens,
8.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,
9.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung,
10.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
11.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder
12.
jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.
Im Sicherungsverfahren und im selbständigen Verfahren wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des Sicherungsverfahrens oder des selbständigen Verfahrens unterbrochen.

(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.

(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. § 78b bleibt unberührt.

(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht.

(5) Wird ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und verkürzt sich hierdurch die Frist der Verjährung, so bleiben Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 503/08
vom
22. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Oktober 2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2008 ihn betreffend im
a) Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Anstiftung zur versuchten schweren Brandstiftung, der Anstiftung zur versuchten besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit Herstellung, Besitz und Führen eines verbotenen Wurfkörpers sowie der Anstiftung zur Brandstiftung in Tateinheit mit Anstiftung zur versuchten Nötigung schuldig ist,
b) Strafausspruch im Fall II.1. der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur versuchten schweren Brandstiftung in Tateinheit mit Herstellung und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen verbotenen Wurfkörper (zwei Jahre Freiheitsstrafe ), wegen Anstiftung zur versuchten besonders schweren Brandstiftung in Tat- einheit mit Herstellung, Besitz und Führen eines verbotenen Wurfkörpers (fünf Jahre Freiheitsstrafe) sowie wegen Anstiftung zur Brandstiftung in Tateinheit mit Anstiftung zur versuchten Nötigung (zwei Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
2. Die tateinheitliche Verurteilung wegen Herstellung und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen verbotenen Wurfkörper im Fall II.1. der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil insofern Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift vom 8. September 2008 ausgeführt: „Im Fall II.1 der Urteilsgründe (Ludwigsburg 1997) ist die tateinheitlich mit Anstiftung zur versuchten schweren Brandstiftung begangene Anstiftung zur Herstellung und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen verbotenen Wurfkörper (§ 53 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 37 Abs. 1 Nr. 7 WaffG a.F., § 26 StGB) verjährt. Die für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche Haupttat wurde am 1. Oktober 1997 begangen. Das Vergehen nach § 53 Abs. 1 Nr. 4 WaffG a.F., dessen Strafrahmen sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe beträgt, unterliegt einer Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Gemäß § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB ist absolute Verjährung am 1. Oktober 2007 eingetreten. Ein Ausnahmefall im Sinne des § 78b StGB liegt nicht vor“.
3
Dem schließt sich der Senat an. Der Verjährung steht nicht entgegen, dass das Vergehen nach § 53 Abs. 1 Nr. 4 WaffG aF tateinheitlich mit Anstiftung zur versuchten schweren Brandstiftung zusammentrifft. Auch bei Tateinheit unterliegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung (vgl. BGH, Beschl. vom 6. August 2003 - 2 StR 235/03 m.w.N.).
4
3. Die Schuldspruchänderung wegen teilweiser Verjährung führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Einzelstrafe im Fall II.1. der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe. Das Landgericht hat bei der Zumessung dieser Einzelstrafe zum einen bei der Bestimmung des kombinierten Strafrahmens gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB die Mindeststrafe des § 53 Abs. 1 Nr. 4 WaffG aF von sechs Monaten Freiheitsstrafe zugrunde gelegt, obwohl wegen der Verjährung dieses Delikts und der dem Angeklagten gemäß den §§ 23 Abs. 2, 49 StGB zugebilligten Milderung des Strafrahmens des § 306 Nr. 2 StGB aF eine Strafuntergrenze von drei Monaten zutreffend gewesen wäre. Zum anderen hat es ausdrücklich zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser tateinheitlich auch die Anstiftung zu dem verjährten Straftatbestand verwirklicht hat.
5
Der Senat kann nicht ausschließen, dass diese Gesichtspunkte die Höhe der verhängten Strafe beeinflusst haben, selbst wenn verjährte Taten - wenn auch mit geringerem Gewicht (vgl. BGH NStZ 2008, 146 m.w.N.) - straferschwerend gewertet werden können. Die Einzelstrafe im Fall II.1. der Urteilsgründe und die an sich rechtsfehlerfrei gebildete Gesamtstrafe müssen daher neu bemessen werden. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben , da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Ergänzende Feststellungen, die zu den getroffenen nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.
6
Der Senat weist darauf hin, dass das Tatgericht nicht gehalten ist, den Strafrahmen, der sich aus der Angabe der angewendeten Strafvorschriften ergibt , auch noch zahlenmäßig zu bezeichnen. Dies gilt auch im Falle der Strafrahmenverschiebung (vgl. BGH, Beschl. vom 24. Mai 2006 - 1 StR 190/06). Im Übrigen ist es regelmäßig verfehlt, bei der Bestimmung der schuldangemessenen Strafe arithmetische Erwägungen (vgl. UA S. 106: „im unteren Drittel des Strafrahmens“) anzustellen. Nack Wahl Elf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 110/13
vom
1. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. August 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 16. November 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Eschweiler vom 15. September 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen - geringfügigen - Erfolg. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat den Angeklagten in allen drei ausgeurteilten Fällen rechtsfehlerhaft (auch) des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen schuldig gesprochen. Der Eintritt der Verfolgungsverjährung stand insoweit einer Verurteilung entgegen, § 78 Abs. 1 StPO: Die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 2 Nr. 4 StGB) für den Tatbestand des § 174 StGB endete unter Zugrundelegung des für den Angeklagten günstigsten Tatzeitpunkts - des 6. Juni 1998 (UA S. 9 f.) - mit Ablauf des 5. Juni 2003. Bis zu diesem Zeitpunkt war weder eine Unterbrechungshandlung vorgenommen worden noch das Ruhen der Verjährung, insbesondere gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB, eingetreten. Der Tatbestand des § 174 StGB wurde erst mit Wirkung zum 1. April 2004, mithin nach Ablauf der Verjährungsfrist, durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27. Dezember 2003 in den Katalog dieser Bestimmung aufgenommen. Auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits verjährten Taten ist die Vorschrift nicht anwendbar (BGH, Beschl. v. 14. Mai 2009 - 3 StR 170/09 m.w.N.). Nach Ablauf des 6. Juni 2003 konnte die Tat daher unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nicht mehr verfolgt werden. Der Verjährung steht auch nicht entgegen, dass das Vergehen tateinheitlich mit sexuellem Missbrauch von Kindern zusammentrifft. Auch bei Tateinheit unterliegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. August 2003 - 2 StR 235/03 - und vom 10. Juni 2008 - 5 StR 132/08)."
4
Dem schließt sich der Senat an.
5
2. Trotz der Änderung des Schuldspruchs haben die festgesetzten Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe Bestand. Zwar hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten auch die tateinheitliche Verwirklichung des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen gewertet. Jedoch ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, eine Tatbegehungsmodalität des § 174 StGB, auch wenn insoweit Verjährung eingetreten ist, bei einer Verurteilung nach § 176 StGB strafschärfend zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2007 - 2 StR 441/07 - NStZ 2008, 146). Außerdem lassen die Urteilsgründe erkennen, dass die Strafkammer der Verwirklichung des § 174 StGB kein entscheidendes Gewicht bei der Zumessung der jeweiligen Einzelstrafen beigemessen hat. Der Senat kann daher - auch mit Blick auf die weiteren erheblichen Strafschärfungsgründe sowie die maßvollen Einzelstrafen - ausschließen, dass die Kammer bei Berücksichtigung der Verjährung auf niedrigere Einzelfreiheitsstrafen und eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
6
3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Fischer Appl Schmitt RiBGH Prof. Dr. Krehl ist Ott an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.