Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2017 - 2 StR 111/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:081117B2STR111.17.0
bei uns veröffentlicht am08.11.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 111/17
vom
8. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:081117B2STR111.17.0


Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 10. November 2016
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in zwei Fällen sowie Vergewaltigung verurteilt ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.1. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die auf Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der Angeklagte die in den Jahren 1991 bzw. 1994 geborenen Nebenkläger D. und W. , die beide unter einer leichten bis mittelschweren Intelligenzminderung leiden, im Zuge der Aufnahme einer Liebesbeziehung zur Mutter der Nebenklägerin im Jahre 2007 kennen.
4
Ab dem Sommer 2010 kam es erst zum Nachteil der Nebenklägerin W. , ab dem Jahre 2012 auch zum Nachteil des Nebenklägers D. zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten, die bis April 2013 andauerten. Beide Nebenkläger wollten diese sexuellen Kontakte nicht. Aufgrund der jeweils vorliegenden Intelligenzminderung und den damit einhergehenden geistigen Einschränkungen waren sie jedoch nicht in der Lage, die sexuellen Handlungen des Angeklagten abzuwehren. Der Angeklagte, der um die jeweils vorliegende geistige Behinderung der beiden Nebenkläger wusste, nutzte diese Defizite in der Willensdurchsetzungsfähigkeit bei beiden Nebenklägern gezielt zur Tatbegehung aus. Innerhalb des maßgeblichen Tatzeitraums konnte die Kammer folgende drei Taten des Angeklagten feststellen:
5
1. Im Sommer 2010 entkleidete der Angeklagte in seiner Wohnung die Nebenklägerin W. . Sodann führte er seinen Mittelfinger in die Scheide der Nebenklägerin ein und bewegte ihn vor und zurück. Im Anschluss veranlasste der Angeklagte die Nebenklägerin W. dazu, sein erigiertes Glied mit der Hand zu ergreifen und zu reiben (Fall II.1. der Urteilsgründe).
6
2. Am 13. Juli 2012 veranlasste der Angeklagte in seiner Wohnung die Nebenkläger W. und D. dazu, mehrfach den ungeschützten Beischlaf bis zum Samenerguss des Nebenklägers D. in die Scheide der Nebenklägerin W. auszuüben. Der Angeklagte filmte das Geschehen und gab den Nebenklägern mehrfach Anweisungen im Hinblick auf die Beischlafhandlungen. Im Anschluss penetrierte der Angeklagte die Nebenklägerin W. mit einem „Dildo“, den der Nebenkläger D. auf Verlangen des Angeklagten in die Scheide der Nebenklägerin W. eingeführt hatte. Überdies setzte der Angeklagte während des Tatgeschehens eine sogenannte „Penispumpe“ am Glied des Nebenklägers D. und am Busen der Nebenklägerin W. ein (Fall II.2. der Urteilsgründe).
7
3. Um die Weihnachtszeit im Jahre 2012 hielten sich die Nebenkläger W. und D. erneut in der Wohnung des Angeklagten auf. An einem Morgen legte sich der Angeklagte zu den beiden Nebenklägern ins Bett. Sodann führte er seinen Finger in die Scheide der Nebenklägerin W. ein und bewegte ihn vor und zurück. Im Anschluss begab sich der Angeklagte mit dem Nebenkläger D. ins Badezimmer und führte an ihm – in sexuell motivierter Absicht – eine Intimrasur durch (Fall II.3. der Urteilsgründe).
8
Dem Angeklagten war bei allen festgestellten Taten bewusst, dass beide Nebenkläger mit den vorgenommenen sexuellen Handlungen nicht einverstanden waren. Er nutzte bei der Tatbegehung jeweils aus, dass die Nebenkläger ihren entgegenstehenden artikulierten Willen auf Grund ihrer geistigen Behinderung nicht durchsetzen und infolgedessen die sexuellen Handlungen nicht abwehren konnten.

II.

9
1. Die Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.
10
2. Die Sachrüge führt zu einer Schuldspruchänderung bezüglich Fall II.1. der Urteilsgründe und zur Aufhebung des diesbezüglichen Einzelstrafausspruchs sowie des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
11
Die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung kann im Fall II.1. der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben, da die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) neu gestaltete Vorschrift des § 177 StGB bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise gemäß § 2 Abs. 3 StGB hier als mildestes Gesetz anzuwenden ist.
12
a) Nach § 179 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung machte sich strafbar, wer eine Person, die zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Widerstandsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das Opfer – zumindest vorübergehend – unfähig ist, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen.
Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit erfordert eine normative Entscheidung , die der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen hat, in die auch das aktuelle Tatgeschehen und etwaige Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Tatsituation infolge Überraschung, Schreck oder Schock einzubeziehen sind (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; BGH, Beschluss vom 23. September 1997 – 4 StR 433/97, NStZ 1998, 83; Beschluss vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 394/14, NStZRR 2015, 44, 45; Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241).
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund einer umfas13 senden Gesamtbetrachtung rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass die Nebenkläger W. und D. wegen des Ausmaßes ihrer geistigen Behinderung insoweit widerstandsunfähig waren, als sie zwar in der Lage waren , einen den sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu äußern, diesen Willen jedoch gegenüber dem Angeklagten bei den Taten nicht durchsetzen konnten.
Angesichts des in Fall II.1. der Urteilsgründe festgestellten Eindringens
14
des Mittelfingers des Angeklagten in die Scheide der NebenklägerinW. hat das Landgericht den Qualifikationstatbestand des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF angenommen und ist im Rahmen der Strafzumessung von einem minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF ausgegangen, der einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsieht.
15
Zugleich hat das Landgericht rechtsfehlerfrei begründet, dass bei Anwendung der Neuregelung des § 177 StGB von der Regelwirkung des Absatzes 6 Satz 2 Nr. 1 aufgrund der mildernden Gesamttatumstände abzusehen wäre und eine darüber hinaus gehende Annahme eines minder schweren Falles nach § 177 Abs. 9 StGB nF nicht in Betracht käme. Nach Auffassung des Landgerichts verbliebe es deshalb beim Strafrahmen des Qualifikationstatbestandes des § 177 Abs. 4 StGB nF, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vorsieht. Dieser Strafrahmen stelle gegenüber der Altvorschrift des minder schweren Falles aus § 179 Abs. 6 StGB aF nicht das mildere Gesetz dar, womit auch die Tat im Fall II.1. der Urteilsgründe nach § 179 StGB aF – vorliegendmit einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten – zu ahnden sei.
16
b) Diese Wertung des Landgerichts zur Bestimmung und Anwendung des mildesten Gesetzes im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB hält revisionsrechtlicher Überprüfung im Fall II.1. der Urteilsgründe nicht stand.
17
Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 179 StGB aF aufgehoben und mit dem neu gefassten § 177 StGB nF eine einheitliche Norm zur Erfassung sexueller Übergriffe auf Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 18/9097, S. 2 und S. 21). Die neu gefasste Vorschrift des § 177 StGB nF enthält in den Absätzen 1, 2 Nrn. 1 und 2 sowie in Absatz 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB aF, die hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und der unter Strafe stehenden Angriffsrichtung unverändert geblieben sind und damit grundsätzlich einen identischen Unrechtskern aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17, NStZ 2017, 407; Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241).
18
Da die Tatbestände des § 177 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 StGB nF sowie die Qualifikationsvorschrift des § 177 Abs. 4 StGB nF ausschließlich an die Fähigkeit zur Bildung und Äußerung eines entgegenstehenden Willens anknüpfen, wird die nach altem Recht unter den Begriff der Widerstandsunfähigkeit subsumierte Unfähigkeit, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter durchzusetzen, von diesen Normen des neuen Rechts aber nicht erfasst. Das Hinwegsetzen über den artikulierten entgegenstehenden Willen des Tatopfers unterfällt vielmehr unabhängig von einer zustandsbedingten habituellen Unfähigkeit zur Durchsetzung des Willens lediglich dem Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB nF (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241; Beschluss vom 30. August 2017 – 4 StR 345/17, juris; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 177 Rn. 20; MünchKomm- StGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 60, 69). Der Strafrahmen des neuen Grundtatbestands des § 177 Abs. 1 StGB nF, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, enthält damit eine deutlich niedrigere Strafandrohung als sämtliche Strafrahmen der Altvorschrift des § 179 StGB aF.
19
c) Gemessen hieran ist nach neuem Recht im Fall II.1. der Urteilsgründe unter Berücksichtigung des Zustands der Nebenklägerin W. zunächst lediglich der Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB nF gegeben. Da das Landgericht mit nicht zu beanstandenden Erwägungen ein Abweichen von der Regelwirkung des an sich verwirklichten besonders schweren Falles aus § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF angenommen und zugleich einen minder schweren Fall nach § 177 Abs. 9 StGB nF abgelehnt hat, verbleibt es beim Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB nF, der nach § 2 Abs. 3 StGB als mildestes Gesetz anzuwenden ist.
20
aa) In Anwendung des mildesten Gesetzes in seiner Gesamtheit (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 – 3 StR 314/13, BGHSt 59, 271, 275; Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 3 StR 167/14, wistra 2015, 148, 150) ändert der Senat im Fall II.1. der Urteilsgründe den Schuldspruch auf eine Verurteilung wegen Vergewaltigung ab. Dass das Landgericht angesichts der Milderungsgründe von der Indizwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF – trotz Verwirklichung des Regelbeispiels – abgewichen ist, ändert nichts an der Bezeichnung der Tat als Vergewaltigung in der Urteilsformel (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2000 – 1 StR 78/00, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 13; Beschluss vom 10. Mai 2001 – 3 StR 90/01, juris; BGH bei Pfister NStZ-RR 2000, 353, 357 mwN). Der Schuldspruchänderung steht § 265 StPO nicht entgegen.
21
bb) Da der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen kann, dass der Tatrichter bei Zugrundelegung des milderen Strafrahmens aus § 177 Abs. 1 StGB nF eine niedrigere Strafe im Fall II.1. der Urteilsgründe verhängt hätte, ist der Ausspruch über die Einzelstrafe und in der Folge über die Gesamtstrafe aufzuheben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
22
3. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Verurteilung im Übrigen richtet , bleibt es ohne Erfolg.
23
In den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe ist – bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise – die seit dem 10. November 2016 geltende Neuregelung des § 177 StGB gegenüber der vom Landgericht angewandten Vorschrift des § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB aF kein milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.
24
Das Landgericht hat angesichts der Gesamttatumstände in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte sexuelle Handlungen zum Nachteil beider Nebenkläger vorgenommen hat, rechtsfehlerfrei sowohl die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF als auch ein Abweichen von der Indizwirkung des verwirklichten Regelbeispiels aus § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF abgelehnt. Der vom Landgericht folgerichtig zugrunde gelegte Strafrahmen aus § 179 Abs. 5 StGB aF, der Freiheitsstrafe von zwei bis zu 15 Jahren vorsieht, entspricht damit dem Strafrahmen des besonders schweren Falles aus § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB nF. Da die neue Vorschrift bei dieser nicht zu beanstandenden Betrachtungsweise kein milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB darstellt, hat das Landgericht beide Taten im Ergebnis zutreffend nach § 179 StGB aF strafrechtlich geahndet.
Krehl Eschelbach Bartel
Grube Schmidt

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2017 - 2 StR 111/17

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 338/11
vom
10. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen
Person u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. August 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 25. Februar 2011
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in drei Fällen entfällt,
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und dem Angeklagten für die Dauer von drei Jahren die psychotherapeutische Behandlung von Personen weiblichen Geschlechts untersagt. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Diese hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen behandelte der Angeklagte, der seit 1999 als "Psychologischer Psychotherapeut" tätig war und mit dem Zusatz "Biodynamische Körperpsychotherapie" warb, ab Februar 2007 die Zeugin Dr. T. , die damals als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Universität B. beschäftigt war. Die Behandlung der von ihm diagnostizierten "Angst und depressiven Störung", in deren Rahmen er Körperkontakt einsetzte, führte - was der Angeklagte zumindest erkannt hatte - zu einer zunehmenden Regredierung bei der Zeugin, wobei sie sich als Baby bzw. Kind und den Angeklagten als ihre Mutter ansah.
3
Während der Therapie übte der Angeklagte in seinen Praxisräumen - nachdem es dort schon zuvor zu sexuellen Handlungen gekommen war - am 14. und 21. Juni 2007 den Geschlechtsverkehr mit der Zeugin aus; hierzu hatte er ihr erklärt, "es sei Bestandteil der Körpertherapie, Energien durch Bewegungen überall am Körper zum Fließen zu bringen" (UA 9). Am 10. August 2007 kam es in einem vom Angeklagten zu Therapiezwecken genutzten Schwimmbad zum wechselseitigen Oralverkehr.
4
Die Strafkammer bewertete dies als sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person. Hierzu ging sie - sachverständig beraten - davon aus, dass die Zeugin nicht in der La- ge gewesen sei, "einen Willensentschluss gegen das sexuelle Ansinnen des Angeklagten zu bilden, da es für sie existentielle Bedeutung hatte, nicht ihre Mutter [den Angeklagten] zu verlieren, und sie seine Bedürfnisse und Wünsche als eigene empfand, was er … zumindest billigend in Kauf nahm" (UA 9, 12).
5
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses in drei Fällen begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 669/10, NJW 2011, 1891). Die Voraussetzungen des schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person (§ 179 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1 StGB) sind hingegen nicht belegt.
6
a) Opfer einer Tat nach § 179 StGB kann nur sein, wer aufgrund einzelner , im Tatbestand des Absatzes 1 näher beschriebener Gegebenheiten unfähig ist, einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen (BGH, Urteil vom 15. März 1989 - 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschluss vom 28. Oktober2008 - 3 StR 88/08, NStZ 2009, 324, 325). Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit ist eine normative Entscheidung (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 2 StR 385/08, NStZ-RR 2009, 14, 15); sie erfordert die Überzeugung des Tatrichters, dass das Opfer zum Widerstand gänzlich unfähig war (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 3 StR 88/08, NStZ 2009, 324, 325).
7
b) Die Überzeugung, dass die Zeugin Dr. T. widerstandsunfähig im Sinne des § 179 Abs. 1 StGB war, stützt die Strafkammer allein auf das Gutachten eines Sachverständigen. Dabei kann dahinstehen, ob die Strafkammer, die sich dem Gutachten mit der Begründung angeschlossen hat, die Ausführungen des forensisch erfahrenen Sachverständigen seien detailliert, wider- spruchsfrei und nachvollziehbar (UA 38), für ihre Entscheidung über eine ausreichende Grundlage verfügte, da die bloße Nachvollziehbarkeit einer sachverständigen Beurteilung die notwendige richterliche Überzeugung nicht begründen kann. Dies bedarf indes keiner Entscheidung. Denn die im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen belegen nicht die Widerstandsunfähigkeit der Zeugin im Sinne des § 179 Abs. 1 StGB.
8
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 4. Juli 2011 ausgeführt, dass die Zeugin "aus (Existenz-)Angst, die Beziehung zu ihrem Therapeuten - dem Angeklagten - könne abbrechen und ihre "Mutter“ werde ihr genommen, nicht in der Lage gewesen [sei], "nein“ zu sagen und Widerstand zu leisten (UA S. 37).
Bereits diese Ausführungen belegen, dass die Nebenklägerin sowohl das sexuelle Ansinnen des Angeklagten als auch ihre Handlungsalternativen und deren Folgen erkannt hat. Dass sie sich dafür entschieden hat - wenn auch aus krankhaft bedingter Existenzangst - keinerlei Widerstand zu äußern [und zu leisten], zeigt aber, dass die Nebenklägerin eine Abwägung vorgenommen, mithin ein Willensbildungsprozess stattgefunden hat. Der Umstand, dass sie in ihrer Entscheidung "nicht frei gewesen" sei (UA S. 37), steht dem nicht entgegen. Denn er bedeutet lediglich , dass der zu erwartende Behandlungsabbruch für die Nebenklägerin einen derart großen (vermeintlichen) Nachteil dargestellt hätte, den sie für sich nicht in Kauf nehmen wollte.“
9
Dem tritt der Senat auch im Hinblick auf die weiteren Ausführungen des Generalbundesanwalts, insbesondere zum (erfolgreichen verbalen) Widerstand der Nebenklägerin bei dem Vorfall am D. See, sowie die Ausführungen des Sachverständigen zum erhaltenen Wahrnehmungsvermögen der Zeugin bei.
10
3. Der Senat schließt im Hinblick auf die umfassende Beweisaufnahme durch das Landgericht - unter anderem durch Anhörung zweier Sachverständiger , die die Nebenklägerin begutachtet haben - aus, dass nach einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache die sichere Feststellung getroffen werden kann, dass die Nebenklägerin den sexuellen Handlungen des Angeklagten keinen Widerstand entgegensetzen konnte. Er lässt daher - dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend - den Schuldspruch wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in drei Fällen entfallen.
11
4. Dies hat die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs zur Folge, da die Strafkammer die gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen dem gegenüber § 174c StGB höheren Strafrahmen des § 179 Abs. 6 StGB entnommen hat. Ferner hebt der Senat das gegen den Angeklagten verhängte Berufsverbot auf, um der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer eine umfassende eigene Entscheidung über die Rechtsfolgen zu ermöglichen. Bei der neuen Entscheidung über die Verhängung eines Berufsverbots wird auch zu bedenken sein, dass der Angeklagte - soweit ersichtlich - seinen Beruf über viele Jahre hin beanstandungsfrei ausgeübt hat; auch dies steht indes einer negativen Gefährlichkeitsprognose nicht von vorneherein entgegen.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 3 9 4 / 1 4
vom
5. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5. November 2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich - in der Verhandlung -,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 20. März 2014 werden verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revision der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenklägerin je zur Hälfte.
3. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung in dem vorbezeichneten Urteil über die Entschädigung des Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Staatskasse zu tragen.
4. Die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin gegen die sie betreffende Auslagenentscheidung des vorbezeichneten Urteils wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Vergewaltigung zu Lasten der Nebenklägerin aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wenden sich sowohl die Staatsanwaltschaft mit ihrer – vomGeneralbundesanwalt nicht vertretenen – Revision als auch die Nebenklägerin mit ihrem Rechtsmittel. Die Staatsanwaltschaft hat zudem sofortige Beschwerde gegen die im Urteil getroffene Entscheidung eingelegt, den Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen. Die Nebenklägerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die sie betreffende Auslagenentscheidung des Urteils, dass sie die ihr entstandenen Auslagen selbst zu tragen hat.
2
Die Rechtsmittel bleiben jeweils ohne Erfolg.

A.

3
Dem Angeklagten war mit der zugelassenen Anklage vorgeworfen worden , am Tattag die erheblich alkoholisierte und ermüdete Nebenklägerin in das von ihm bewohnte Zimmer in S. verbracht zu haben. Nachdem er erkannt hatte, dass die Nebenklägerin wegen ihres körperlichen Zustands nicht mehr in der Lage war, einen eigenen Willen zu bilden bzw. einen solchen zu artikulieren, nutzte der Angeklagte diesen Zustand bewusst aus. Er entkleidete die Nebenklägerin, legte sie auf den Rücken und führte seinen erigierten Penis in deren Vagina ein und übte für einen nicht näher bestimmbaren Zeitraum den Geschlechtsverkehr mit der von ihm als widerstandsunfähig erkannten Nebenklägerin durch. Als diese während dieses Vorgangs erwachte, den Angeklagten anschrie und ihn erfolglos von sich weg zu schieben versuchte, fixierte er die Nebenklägerin weiterhin mit seinem Körpergewicht und führte mit den Worten „Noch kurz, noch kurz, noch ein bisschen!“ weiterhin den Geschlechtsverkehr aus.
4
Der Angeklagte hat einen einvernehmlichen und von der Nebenklägerin initiativ ausgehenden, ungeschützten Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss eingeräumt.
5
Das Landgericht hat festgestellt, dass es am Tattag zwischen 13.04 Uhr und 15.20 Uhr in dem Zimmer des Angeklagten zum Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin gekommen ist. Zur Begründung des Freispruchs hat es darauf abgestellt, es habe sich weder eine gewaltsame Durchführung dieses Geschlechtsverkehrs noch eine Widerstandsunfähigkeit der Nebenklägerin in dem vorgenannten Zeitraum zweifelsfrei feststellen lassen. Für das eigentliche Tatgeschehen stünden lediglich die Angaben der Nebenklägerin zur Verfügung. Von der Zuverlässigkeit ihrer Aussagen hat sich das Landgericht ungeachtet von Widersprüchlichkeiten auch in den Einlassungen des Angeklagten nicht überzeugen können. Es verblieben daher erhebliche Zweifel darüber, unter welchen Umständen der Geschlechtsverkehr zwischen beiden ausgeübt worden sei.

B.

6
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin bleiben ohne Erfolg. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Die von der Nebenklägerin erhobene Verfahrensbeanstandung der Verletzung der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) dringt ebenfalls nicht durch.

I. Revision der Staatsanwaltschaft
7
1. Entgegen der Bewertung der Staatsanwaltschaft genügt das angefochtene Urteil den aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO resultierenden Darstellungsanforderungen.
8
a) Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach der Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (BGH, Urteile vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13 mwN; vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513; vom 3. März 2010 – 2 StR 427/09, NStZ-RR 2010, 182; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 25 [insoweit in BGHSt 58, 72 nicht abgedruckt ]; vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, NStZ-RR 2014, 220). Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteile vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, NStZ-RR 2014, 220; vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 25 [insoweit in BGHSt 58, 72 nicht abgedruckt]; vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 236/11; vom 17. Mai 1990 – 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4; vom 26. September 1989 – 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2).
9
b) Dem entspricht das Urteil. Das Landgericht hat der Wiedergabe des Inhalts der Anklageschrift diejenigen Feststellungen folgen lassen, die es vor allem zu dem Vorgeschehen der Abläufe in dem Zimmer des Angeklagten so- wie zu dem Geschehen ab etwa 15.20 Uhr, nachdem die Nebenklägerin die Wohnung des Angeklagten verlassen hatte, hat treffen können. Diese Feststellungen umfassen insbesondere die zeitliche Phase, in der die Nebenklägerin kurz nach 12.00 Uhr des Tattags das letzte von ihr besuchte Lokal verlassen und sich in ein Taxi gesetzt hatte, um die Heimfahrt anzutreten. Weiterhin hat es den Zustand, in dem sich die Nebenklägerin bei dem Besteigen des Taxis sowie während der Fahrt befand, näher dargelegt. Ebenso ist ausgeführt, dass sich der Angeklagte zu der Nebenklägerin in das Taxi setzte und wie er sich in dem Fahrzeug bis zum Verlassen an seiner Wohnanschrift in S. verhielt. Das angefochtene Urteil grenzt darüber hinaus zeitlich den Aufenthalt der Nebenklägerin in dem Zimmer des Angeklagten aufgrund der zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen anhand der Zeitpunkte von Kurznachrichten und Telefonaten ein, die sie mit ihrem Mobiltelefon versendet bzw. geführt hat. Auch ihr körperlicher Zustand bei der ärztlichen Untersuchung am frühen Abend des Tattages sowie die Erkenntnisse über die der Nebenklägerin bei dieser Gelegenheit entnommenen Blut- und Urinproben werden dargestellt. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 30. Juli 2014 zutreffend aufzeigt, ergibt sich aus der Beweiswürdigung des Landgerichts, warum es keine weiteren, für die Beurteilung der Schuldfrage bedeutsamen Feststellungen hat treffen können.
10
Soweit die Revision eine Darstellung zu den näheren Umständen des Kennenlernens der Nebenklägerin und des Angeklagten vermisst, ergibt sich bereits aus den von ihr selbst wiedergegebenen Passagen des Urteils, dass die Aussage der Nebenklägerin und die Einlassung bzw. die Einlassungen des Angeklagten lediglich in Teilen Übereinstimmendes über das Zusammentreffen beider vor der Taxifahrt nach S. enthalten. Schon deshalb war es rechtlich nicht durch § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO geboten, Einzelheiten des Zusam- mentreffens beider in verschiedenen Münchener Lokalitäten als vom Tatgericht festgestellt in das Urteil aufzunehmen.
11
Das Urteil ist auch nicht in sich widersprüchlich. Die von der Staatsanwaltschaft beanstandete Passage, das Landgericht habe ausgedrückt, sichere Feststellungen zur Vorgeschichte und zu dem dem Geschlechtsverkehr nachfolgenden Geschehen treffen zu können (UA S. 8), bezieht sich ersichtlich auf diejenigen Feststellungen UA S. 5 – 7. Dass nicht weitere Einzelheiten des der Taxifahrt vorausgehenden Geschehensablaufs haben festgestellt werden können , steht dazu weder sprachlich noch sachlich in Widerspruch.
12
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts enthält keine revisiblen Rechtsfehler.
13
a) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15, vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11 Rn. 9 und vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12 Rn. 10; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 28 [insoweit in BGH 58, 72 nicht abgedruckt).
14
b) Nach diesen Maßstäben enthält die durch die Strafkammer vorgenommene Beweiswürdigung weder in Bezug auf den Tatvorwurf des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen noch den der Vergewaltigung Rechtsfehler.
15
aa) Wie bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt hat, legt das Landgericht beweiswürdigend ausführlich dar, warum es sich keine Überzeugung von der Widerstandsunfähigkeit der Nebenklägerin während des feststehenden Zeitraums ihres Aufenthalts in dem Zimmer des Angeklagten hat bilden können. Das Landgericht hat dabei seiner Beweiswürdigung im Hinblick auf die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt zugrunde gelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Opfer einer Tat nach § 179 StGB nur sein, wer aufgrund einzelner, im Tatbestand des Absatzes 1 näher beschriebener Gegebenheiten unfähig ist, einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen (BGH, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 88/08, NStZ 2009, 324, 325; vom 18. August 2011 – 4StR 338/11, NStZ 2012, 150 f.). Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit ist eine normative Entscheidung (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 2 StR 385/08, NStZ-RR 2009, 14, 15); sie erfordert die Überzeugung des Tatrichters, dass das Opfer zum Widerstand gänzlich unfähig war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 88/08, NStZ 2009, 324, 325; vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150 f.).
16
Von diesen Anforderungen aus hat das Landgericht gewürdigt, ob sich die Voraussetzungen der Widerstandsunfähigkeit entweder aufgrund des durch die Nebenklägerin genossenen Alkohols in Verbindung mit dem langen Zeitraum des Besuchs unterschiedlicher Lokalitäten oder aufgrund der Verabreichung sog. K.O.-Tropfen feststellen lassen. Dabei hat es in einer rechtlich nicht zu beanstandenden Weise eine Gesamtwürdigung aller dazu erhobenen Beweise vorgenommen (vor allem UA S. 24 – 31). Das Urteil setzt sich insbesondere umfassend mit den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen T. sowohl zu alkoholbedingter als auch zu durch K.O.Tropfen verursachter gänzlicher Widerstandsunfähigkeit auseinander. Das Urteil gibt die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen des Sachverständigen in einer Weise wieder, die das Verständnis des Gutachtens und die Beurteilung seiner Schlüssigkeit ermöglicht (vgl. zu diesen Anforderungen BGH, Urteile vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 31 und vom 15. Januar 2003 – 5 StR 223/02, NStZ 2003, 307; Beschlüsse vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39; vom 24. Mai 2012 – 5 StR 52/12, NStZ 2012, 650 f.).
17
Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich nicht hat davon überzeugen können, dass der Nebenklägerin in dem Lokal „ P. “ K.O.-Tropfen verabreicht worden sind, die zu einer Wider- standsunfähigkeit im Zeitraum des Aufenthalts in dem Zimmer des Angeklagten geführt haben. Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung hat es berücksichtigt , dass die von der Nebenklägerin beschriebenen Symptome sich als typische Begleiterscheinungen der Einwirkung von Gammahydroxybuttersäure erweisen können. Das Landgericht hat aber ohne Rechtsfehler – gestützt auf Ausführungen des Sachverständigen – erhebliche Zweifel daran gehabt, ob in der allein in Frage kommenden Situation der Verabreichung der K.O.-Tropfen eine ausreichende Flüssigkeitsmenge mit dem vorhandenen Getränk und dem von der Nebenklägerin lediglich beschriebenen „Nippen“ daran stattgefunden haben kann.
18
Im Hinblick auf die erforderliche gänzliche Widerstandsunfähigkeit ist es sachlich-rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht im Rahmen einer Gesamtschau der erhobenen Beweise eine alkoholbedingte Widerstandsunfähigkeit angesichts der belegten Restleistungsfähigkeit der Nebenklägerin in Gestalt des Versendens einer SMS an den Zeugen A. keine Überzeugung von der Widerstandsunfähigkeit gewinnen konnte. Im Übrigen erweist sich die vom Landgericht vorgenommene Gesamtwürdigung weder als lückenhaft noch als widersprüchlich. Die Angriffe der Staatsanwaltschaft erschöpfen sich insoweit darin, die eigene (mögliche) Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung durch das Tatgericht zu setzen.
19
bb) Gleiches gilt auch für die den Vorwurf der Vergewaltigung betreffende Beweiswürdigung.
II. Revision der Nebenklägerin
20
Das Rechtsmittel der Nebenklägerin bleibt ebenfalls erfolglos.
21
1. Die erhobene Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO, mit der die unterbliebene weitere Aufklärung eines 2004 gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahrens u.a. durch Vernehmung der (damaligen) Zeugin G. beanstandet wird, dringt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen nicht durch.
22
2. In sachlich-rechtlicher Hinsicht hält das angefochtene Urteil aus den bereits zu der Revision der Staatsanwaltschaft ausgeführten Gründen rechtli- cher Prüfung stand. Insbesondere ist – wie dargelegt – nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich nicht die Überzeugung von einer Widerstandsunfähigkeit im Sinne von § 179 Abs. 1 StGB hat verschaffen können. Das Landgericht hat seine Überzeugungsbildung zutreffend darauf bezogen, ob sich feststellen lässt, dass die Nebenklägerin zum Widerstand gänzlich unfähig war (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 88/08, NStZ 2009, 324, 325; vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150 f.). Soweit die Revision einen davon abweichenden rechtlichen Ausgangspunkt einnimmt und eine eingeschränkte Widerstandsunfähigkeit ausreichen lassen will, kann sie damit angesichts der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Anforderungen der Widerstandsunfähigkeit keinen Erfolg erzielen.
23
Das Landgericht hat von diesem rechtlichen Maßstab aus ohne Rechtsfehler in der Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der dafür relevanten Umstände auch keine durch Alkoholeinwirkung in Kombination mit Übermüdung hervorgerufene gänzliche Widerstandsunfähigkeit festgestellt. Entgegen dem Vorbringen der Revision hat es dabei auch psychodiagnostische Kriterien mit einbezogen, indem es etwa eine Restleistungsfähigkeit der Nebenklägerin angesichts der während des Aufenthalts in dem Zimmer des Angeklagten versendeten SMS angenommen hat.

C.

24
Die jeweils zulässigen sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung des Landgerichts, den Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen, sowie diejenige der Nebenklägerin gegen die sie betreffende Auslagenentscheidung im angefochtenen Urteil bleiben in der Sache erfolglos.

I.

25
Die Entschädigung des freigesprochenen Angeklagten entspricht der Sach- und Rechtslage (§ 2 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StrEG). Gründe für einen Ausschluss (§ 5 StrEG) oder eine Versagung der Entschädigung (§ 6 StrEG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

II.

26
Die die Nebenklägerin betreffende Auslagenentscheidung des Landgerichts entspricht ebenfalls der Rechtslage. Im Umkehrschluss aus § 472 Abs. 1 Satz 2 StPO ergibt sich, dass ein Anspruch des Nebenklägers auf Auslagenerstattung bei Freispruch des Angeklagten auch gegen den Staat nicht besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12 Rn. 2; siehe auch Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 472 Rn. 4; siehe auch MeyerGoßner /Schmitt, 57. Aufl., § 472 Rn. 3).
27
Dem steht nicht entgegen, dass angesichts der Beiordnung von Rechtsanwältin Ar. als Nebenklägervertreterin gemäß § 397a Abs. 1 Nr. 4 StPO durch Beschluss des Landgerichts vom 5. März 2014 (Bl. 721/722 der Sachakten) dem beigeordneten Rechtsanwalt ein Gebührenanspruch aus § 53 Abs. 2 RVG gegen die Staatskasse zusteht und die Nebenklägerin von dem Beistand nicht auf die Gebührenforderung in Anspruch genommen werden kann (vgl. Schöch in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, § 397a Rn. 14). Aus der Auslagenentscheidung des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil folgt lediglich, dass die Nebenklägerin ihrerseits – wie angesprochen – keinen Anspruch auf (sonstige) Auslagenerstattung gegen die Staatskasse geltend machen kann.

D.

28
Die Kostenentscheidungen zu den Revisions- und Beschwerdeverfahren folgen aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Rothfuß Graf Jäger Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 366/16
vom
9. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2017:090517B4STR366.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 18. März 2016 – mit Ausnahme der Feststellungen, die bestehen bleiben – aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen kannte der Angeklagte den 1972 geborenen Nebenkläger, der unter einer leichten Intelligenzminderung leidet und schwerhörig ist, aus der Zeit seiner früheren Tätigkeit als Leiter einer Förderschule für geistige Entwicklung in M. .
3
Nachdem es anlässlich eines Schulfestes, an dem auch der Angeklagte und ehemalige Schüler der Förderschule teilgenommen hatten, wieder zum Kontakt zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger und in der Folgezeit zu einem ohne sexuelle Interaktion verlaufenden Besuch des Angeklagten beim Nebenkläger gekommen war, besuchte der Angeklagte an einem nicht mehr näher eingrenzbaren Tag zwischen 2010 und 2012 erneut den Nebenkläger in dessen Wohnung. Dort schauten beide Pornofilme mit heterosexuellen Handlungen. Der Angeklagte fragte den Nebenkläger sinngemäß, ob er einen „Stän- der“ habe, worauf dieser nichts entgegnete. Anschließend fasste der Angeklag- te oberhalb der Kleidung an den Penis des Nebenklägers, der daraufhin einmal „nein“ sagte, der sexuellen Zielsetzungdes Angeklagten aber nichts Weiteres entgegenzusetzen vermochte. Der Angeklagte forderte den geschockten und überrumpelten Geschädigten sodann auf, auch ihm an den Penis zu fassen, was der Nebenkläger auch tat. Nachdem sich beide im Wohnzimmer ausgezogen hatten, drang der Angeklagte mit seinem Penis, über den er ein Kondom gestreift hatte, anal in den Nebenkläger ein. Danach führte der Nebenkläger auf Aufforderung des Angeklagten den Oralverkehr bei diesem bis zum Samenerguss durch.
4
Der Geschädigte wollte den Sexualkontakt nicht und empfand großen Ekel. Aufgrund seiner Intelligenzminderung in Verbindung mit den Persönlich- keitsbesonderheiten und der Deprivation bei Sozialkontakten war er nicht in der Lage, sich gegen die homosexuellen Handlungen des Angeklagten zu wehren. Der Angeklagte, der – ausweislich der Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung – wusste, dass der Geschädigte den sexuellen Kontakt nicht wollte, kannte die geistige Behinderung und Persönlichkeitsstruktur des Geschädigten sowie die ihm aus Sicht des Geschädigten zukommende Autoritätsstellung. Die Defizite des Nebenklägers nutzte er bewusst zur Tatbegehung aus.

II.


5
Die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung kann nicht bestehen bleiben, weil im Revisionsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) umgestaltete Vorschrift des § 177 StGB nF bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise gemäß § 2 Abs. 3 StGB als milderes Recht Anwendung findet.
6
1. Nach § 179 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung macht sich strafbar, wer eine Person, die aus den in der Norm näher genannten Umständen zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Widerstandsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das Tatopfer – wenn auch nur vorübergehend – gänzlich unfähig ist, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen. Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit erfordert eine normative Entscheidung, die der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen hat, in welche auch das aktuelle Tatgeschehen und etwaige Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Tatsituation infolge Überraschung, Schreck oder Schock einzubeziehen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 23. September 1997 – 4 StR 433/97, NStZ 1998, 83; vom 23. November 2010 – 3 StR 410/10, NStZ 2011, 210; vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 394/14, NStZ-RR 2015, 44, 45).
7
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund der gebotenen umfassenden Gesamtbetrachtung zu der Überzeugung gelangt, dass der Nebenkläger wegen seiner kognitiven Einschränkungen in Verbindung mit den weiteren Persönlichkeitsdefiziten und den besonderen Gegebenheiten der Tatsituation insoweit widerstandsunfähig war, als er zwar in der Lage war, einen den homosexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu artikulieren, diesen Willen jedoch gegenüber dem Angeklagten bei der Tat nicht durchsetzen konnte. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Mit Blick auf die festgestellte anale und orale Penetration des Geschädigten hat die Strafkammer ferner zutreffend die Qualifikation des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF bejaht und ist im Rahmen der Strafzumessung von einem minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF ausgegangen.
8
2. Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 179 StGB aF aufgehoben und mit dem neu gefassten § 177 StGB nF eine einheitliche Strafnorm zur Erfassung sexueller Übergriffe auf Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz , BT-Drucks. 18/9097, S. 2, 21). Die neu gefasste Vorschrift des § 177 StGB nF enthält insbesondere in den Absätzen 1, 2 Nrn. 1 und 2 und Absatz 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB aF, die hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und der inkriminierten Angriffsrichtung unverändert geblieben sind und damit einen identischen Unrechtskern aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17).
9
Da die Tatbestände des § 177 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB nF und die Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 4 StGB nF ausschließlich an die Fähigkeit zur Bildung und Äußerung eines entgegenstehenden Willens anknüpfen, wird die nach altem Recht unter den Begriff der Widerstandsunfähigkeit subsumierte Unfähigkeit, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter zu realisieren, von diesen Vorschriften des neuen Rechts nicht erfasst (vgl. Renzikowski in MK-StGB, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 60; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 177 Rn. 59). Das Hinwegsetzen über den artikulierten entgegenstehenden Willen des Tatopfers unterfällt vielmehr unabhängig von einer zustandsbedingten habituellen Unfähigkeit zur Durchsetzung dieses Willens lediglich dem Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB nF, der mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren eine gegenüber § 179 Abs. 1 StGB aF deutlich niedrigere Strafandrohung enthält. Bei der Vornahme des Beischlafs oder ähnlicher sexueller Handlungen, die das Opfer besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind, sieht das neue Recht in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vor.
10
3. Ob die nach § 354a StPO auch im Revisionsverfahren zu beachtende Änderung des materiellen Rechts bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB die Anwendung des neuen Rechts zur Folge hat, hängt von der als Strafzumessungsakt allein dem Tatrichter obliegenden Entscheidung über die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ab und kann daher vom Senat auf der Grundlage der bisherigen, sich hierzu nicht verhaltenden Urteilsausführungen nicht abschließend beurteilt werden. Bei Annahme eines besonders schweren Falls entsprechend dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ist das neue Recht nicht milder und es verbleibt bei der Anwendung des § 179 StGB aF, während sich bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF das neue Recht für den Angeklagten mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF als günstiger darstellt, sodass es nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden ist. Da das Landgericht von dem Normalstrafrahmen des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF, der wie § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vorsieht, abgewichen ist und einen minder schweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren angenommen hat, kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen , dass der Tatrichter bei Zugrundelegung des neuen Rechts die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF verneint hätte.
11
Der Senat hebt daher den Schuld- und Strafausspruch auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neu zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Tatrichter bleiben möglich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 52/17
vom
7. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070317B1STR52.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. März 2017 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 26. Oktober 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Der Schuldspruch auch wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 StGB aF ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar wurde die Vorschrift des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen (§ 179 StGB) mit Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. 2016 I, 2460), das am 10. November 2016 in Kraft trat, nach Verkündung des Urteils des Landgerichts Landshut vom 26. Oktober 2016 aufgehoben. Dies ist im Revisionsverfahren gemäß § 354a StPO, § 2 Abs. 3 StGB zu beachten. Jedoch ist § 179 StGB aF gleichzeitig in § 177 StGB eingefügt worden, wodurch das Verhalten des Angeklagten auch weiterhin unter Strafe gestellt ist. § 177 StGB nF (sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) stellt im Sinne notwendiger Unrechtskontinuität eine Nachfolgeregelung zu § 179 StGB dar; denn sowohl das Schutzgut als auch die inkriminierte Angriffsrichtung sind unverändert geblieben. Die Taten des Angeklagten konnten, da das jetzt geltende Recht nicht
das mildere Gesetz ist (§ 2 Abs. 3 StGB), weiter nach § 179 StGB aF strafrechtlich geahndet werden.
Graf Jäger Bellay
Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 366/16
vom
9. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2017:090517B4STR366.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 18. März 2016 – mit Ausnahme der Feststellungen, die bestehen bleiben – aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen kannte der Angeklagte den 1972 geborenen Nebenkläger, der unter einer leichten Intelligenzminderung leidet und schwerhörig ist, aus der Zeit seiner früheren Tätigkeit als Leiter einer Förderschule für geistige Entwicklung in M. .
3
Nachdem es anlässlich eines Schulfestes, an dem auch der Angeklagte und ehemalige Schüler der Förderschule teilgenommen hatten, wieder zum Kontakt zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger und in der Folgezeit zu einem ohne sexuelle Interaktion verlaufenden Besuch des Angeklagten beim Nebenkläger gekommen war, besuchte der Angeklagte an einem nicht mehr näher eingrenzbaren Tag zwischen 2010 und 2012 erneut den Nebenkläger in dessen Wohnung. Dort schauten beide Pornofilme mit heterosexuellen Handlungen. Der Angeklagte fragte den Nebenkläger sinngemäß, ob er einen „Stän- der“ habe, worauf dieser nichts entgegnete. Anschließend fasste der Angeklag- te oberhalb der Kleidung an den Penis des Nebenklägers, der daraufhin einmal „nein“ sagte, der sexuellen Zielsetzungdes Angeklagten aber nichts Weiteres entgegenzusetzen vermochte. Der Angeklagte forderte den geschockten und überrumpelten Geschädigten sodann auf, auch ihm an den Penis zu fassen, was der Nebenkläger auch tat. Nachdem sich beide im Wohnzimmer ausgezogen hatten, drang der Angeklagte mit seinem Penis, über den er ein Kondom gestreift hatte, anal in den Nebenkläger ein. Danach führte der Nebenkläger auf Aufforderung des Angeklagten den Oralverkehr bei diesem bis zum Samenerguss durch.
4
Der Geschädigte wollte den Sexualkontakt nicht und empfand großen Ekel. Aufgrund seiner Intelligenzminderung in Verbindung mit den Persönlich- keitsbesonderheiten und der Deprivation bei Sozialkontakten war er nicht in der Lage, sich gegen die homosexuellen Handlungen des Angeklagten zu wehren. Der Angeklagte, der – ausweislich der Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung – wusste, dass der Geschädigte den sexuellen Kontakt nicht wollte, kannte die geistige Behinderung und Persönlichkeitsstruktur des Geschädigten sowie die ihm aus Sicht des Geschädigten zukommende Autoritätsstellung. Die Defizite des Nebenklägers nutzte er bewusst zur Tatbegehung aus.

II.


5
Die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung kann nicht bestehen bleiben, weil im Revisionsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) umgestaltete Vorschrift des § 177 StGB nF bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise gemäß § 2 Abs. 3 StGB als milderes Recht Anwendung findet.
6
1. Nach § 179 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung macht sich strafbar, wer eine Person, die aus den in der Norm näher genannten Umständen zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Widerstandsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das Tatopfer – wenn auch nur vorübergehend – gänzlich unfähig ist, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen. Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit erfordert eine normative Entscheidung, die der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen hat, in welche auch das aktuelle Tatgeschehen und etwaige Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Tatsituation infolge Überraschung, Schreck oder Schock einzubeziehen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 23. September 1997 – 4 StR 433/97, NStZ 1998, 83; vom 23. November 2010 – 3 StR 410/10, NStZ 2011, 210; vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 394/14, NStZ-RR 2015, 44, 45).
7
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund der gebotenen umfassenden Gesamtbetrachtung zu der Überzeugung gelangt, dass der Nebenkläger wegen seiner kognitiven Einschränkungen in Verbindung mit den weiteren Persönlichkeitsdefiziten und den besonderen Gegebenheiten der Tatsituation insoweit widerstandsunfähig war, als er zwar in der Lage war, einen den homosexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu artikulieren, diesen Willen jedoch gegenüber dem Angeklagten bei der Tat nicht durchsetzen konnte. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Mit Blick auf die festgestellte anale und orale Penetration des Geschädigten hat die Strafkammer ferner zutreffend die Qualifikation des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF bejaht und ist im Rahmen der Strafzumessung von einem minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF ausgegangen.
8
2. Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 179 StGB aF aufgehoben und mit dem neu gefassten § 177 StGB nF eine einheitliche Strafnorm zur Erfassung sexueller Übergriffe auf Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz , BT-Drucks. 18/9097, S. 2, 21). Die neu gefasste Vorschrift des § 177 StGB nF enthält insbesondere in den Absätzen 1, 2 Nrn. 1 und 2 und Absatz 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB aF, die hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und der inkriminierten Angriffsrichtung unverändert geblieben sind und damit einen identischen Unrechtskern aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17).
9
Da die Tatbestände des § 177 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB nF und die Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 4 StGB nF ausschließlich an die Fähigkeit zur Bildung und Äußerung eines entgegenstehenden Willens anknüpfen, wird die nach altem Recht unter den Begriff der Widerstandsunfähigkeit subsumierte Unfähigkeit, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter zu realisieren, von diesen Vorschriften des neuen Rechts nicht erfasst (vgl. Renzikowski in MK-StGB, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 60; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 177 Rn. 59). Das Hinwegsetzen über den artikulierten entgegenstehenden Willen des Tatopfers unterfällt vielmehr unabhängig von einer zustandsbedingten habituellen Unfähigkeit zur Durchsetzung dieses Willens lediglich dem Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB nF, der mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren eine gegenüber § 179 Abs. 1 StGB aF deutlich niedrigere Strafandrohung enthält. Bei der Vornahme des Beischlafs oder ähnlicher sexueller Handlungen, die das Opfer besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind, sieht das neue Recht in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vor.
10
3. Ob die nach § 354a StPO auch im Revisionsverfahren zu beachtende Änderung des materiellen Rechts bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB die Anwendung des neuen Rechts zur Folge hat, hängt von der als Strafzumessungsakt allein dem Tatrichter obliegenden Entscheidung über die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ab und kann daher vom Senat auf der Grundlage der bisherigen, sich hierzu nicht verhaltenden Urteilsausführungen nicht abschließend beurteilt werden. Bei Annahme eines besonders schweren Falls entsprechend dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ist das neue Recht nicht milder und es verbleibt bei der Anwendung des § 179 StGB aF, während sich bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF das neue Recht für den Angeklagten mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF als günstiger darstellt, sodass es nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden ist. Da das Landgericht von dem Normalstrafrahmen des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF, der wie § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vorsieht, abgewichen ist und einen minder schweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren angenommen hat, kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen , dass der Tatrichter bei Zugrundelegung des neuen Rechts die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF verneint hätte.
11
Der Senat hebt daher den Schuld- und Strafausspruch auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neu zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Tatrichter bleiben möglich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 366/16
vom
9. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2017:090517B4STR366.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 18. März 2016 – mit Ausnahme der Feststellungen, die bestehen bleiben – aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen kannte der Angeklagte den 1972 geborenen Nebenkläger, der unter einer leichten Intelligenzminderung leidet und schwerhörig ist, aus der Zeit seiner früheren Tätigkeit als Leiter einer Förderschule für geistige Entwicklung in M. .
3
Nachdem es anlässlich eines Schulfestes, an dem auch der Angeklagte und ehemalige Schüler der Förderschule teilgenommen hatten, wieder zum Kontakt zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger und in der Folgezeit zu einem ohne sexuelle Interaktion verlaufenden Besuch des Angeklagten beim Nebenkläger gekommen war, besuchte der Angeklagte an einem nicht mehr näher eingrenzbaren Tag zwischen 2010 und 2012 erneut den Nebenkläger in dessen Wohnung. Dort schauten beide Pornofilme mit heterosexuellen Handlungen. Der Angeklagte fragte den Nebenkläger sinngemäß, ob er einen „Stän- der“ habe, worauf dieser nichts entgegnete. Anschließend fasste der Angeklag- te oberhalb der Kleidung an den Penis des Nebenklägers, der daraufhin einmal „nein“ sagte, der sexuellen Zielsetzungdes Angeklagten aber nichts Weiteres entgegenzusetzen vermochte. Der Angeklagte forderte den geschockten und überrumpelten Geschädigten sodann auf, auch ihm an den Penis zu fassen, was der Nebenkläger auch tat. Nachdem sich beide im Wohnzimmer ausgezogen hatten, drang der Angeklagte mit seinem Penis, über den er ein Kondom gestreift hatte, anal in den Nebenkläger ein. Danach führte der Nebenkläger auf Aufforderung des Angeklagten den Oralverkehr bei diesem bis zum Samenerguss durch.
4
Der Geschädigte wollte den Sexualkontakt nicht und empfand großen Ekel. Aufgrund seiner Intelligenzminderung in Verbindung mit den Persönlich- keitsbesonderheiten und der Deprivation bei Sozialkontakten war er nicht in der Lage, sich gegen die homosexuellen Handlungen des Angeklagten zu wehren. Der Angeklagte, der – ausweislich der Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung – wusste, dass der Geschädigte den sexuellen Kontakt nicht wollte, kannte die geistige Behinderung und Persönlichkeitsstruktur des Geschädigten sowie die ihm aus Sicht des Geschädigten zukommende Autoritätsstellung. Die Defizite des Nebenklägers nutzte er bewusst zur Tatbegehung aus.

II.


5
Die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung kann nicht bestehen bleiben, weil im Revisionsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) umgestaltete Vorschrift des § 177 StGB nF bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise gemäß § 2 Abs. 3 StGB als milderes Recht Anwendung findet.
6
1. Nach § 179 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung macht sich strafbar, wer eine Person, die aus den in der Norm näher genannten Umständen zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Widerstandsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das Tatopfer – wenn auch nur vorübergehend – gänzlich unfähig ist, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen. Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit erfordert eine normative Entscheidung, die der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen hat, in welche auch das aktuelle Tatgeschehen und etwaige Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Tatsituation infolge Überraschung, Schreck oder Schock einzubeziehen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 23. September 1997 – 4 StR 433/97, NStZ 1998, 83; vom 23. November 2010 – 3 StR 410/10, NStZ 2011, 210; vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 394/14, NStZ-RR 2015, 44, 45).
7
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund der gebotenen umfassenden Gesamtbetrachtung zu der Überzeugung gelangt, dass der Nebenkläger wegen seiner kognitiven Einschränkungen in Verbindung mit den weiteren Persönlichkeitsdefiziten und den besonderen Gegebenheiten der Tatsituation insoweit widerstandsunfähig war, als er zwar in der Lage war, einen den homosexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu artikulieren, diesen Willen jedoch gegenüber dem Angeklagten bei der Tat nicht durchsetzen konnte. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Mit Blick auf die festgestellte anale und orale Penetration des Geschädigten hat die Strafkammer ferner zutreffend die Qualifikation des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF bejaht und ist im Rahmen der Strafzumessung von einem minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF ausgegangen.
8
2. Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 179 StGB aF aufgehoben und mit dem neu gefassten § 177 StGB nF eine einheitliche Strafnorm zur Erfassung sexueller Übergriffe auf Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz , BT-Drucks. 18/9097, S. 2, 21). Die neu gefasste Vorschrift des § 177 StGB nF enthält insbesondere in den Absätzen 1, 2 Nrn. 1 und 2 und Absatz 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB aF, die hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und der inkriminierten Angriffsrichtung unverändert geblieben sind und damit einen identischen Unrechtskern aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17).
9
Da die Tatbestände des § 177 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB nF und die Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 4 StGB nF ausschließlich an die Fähigkeit zur Bildung und Äußerung eines entgegenstehenden Willens anknüpfen, wird die nach altem Recht unter den Begriff der Widerstandsunfähigkeit subsumierte Unfähigkeit, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter zu realisieren, von diesen Vorschriften des neuen Rechts nicht erfasst (vgl. Renzikowski in MK-StGB, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 60; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 177 Rn. 59). Das Hinwegsetzen über den artikulierten entgegenstehenden Willen des Tatopfers unterfällt vielmehr unabhängig von einer zustandsbedingten habituellen Unfähigkeit zur Durchsetzung dieses Willens lediglich dem Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB nF, der mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren eine gegenüber § 179 Abs. 1 StGB aF deutlich niedrigere Strafandrohung enthält. Bei der Vornahme des Beischlafs oder ähnlicher sexueller Handlungen, die das Opfer besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind, sieht das neue Recht in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vor.
10
3. Ob die nach § 354a StPO auch im Revisionsverfahren zu beachtende Änderung des materiellen Rechts bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB die Anwendung des neuen Rechts zur Folge hat, hängt von der als Strafzumessungsakt allein dem Tatrichter obliegenden Entscheidung über die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ab und kann daher vom Senat auf der Grundlage der bisherigen, sich hierzu nicht verhaltenden Urteilsausführungen nicht abschließend beurteilt werden. Bei Annahme eines besonders schweren Falls entsprechend dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ist das neue Recht nicht milder und es verbleibt bei der Anwendung des § 179 StGB aF, während sich bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF das neue Recht für den Angeklagten mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF als günstiger darstellt, sodass es nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden ist. Da das Landgericht von dem Normalstrafrahmen des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF, der wie § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vorsieht, abgewichen ist und einen minder schweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren angenommen hat, kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen , dass der Tatrichter bei Zugrundelegung des neuen Rechts die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF verneint hätte.
11
Der Senat hebt daher den Schuld- und Strafausspruch auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neu zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Tatrichter bleiben möglich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 345/17
vom
30. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen
Person
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. August 2017 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der Strafkammer des
Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 21. Februar
2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils
auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der
Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2017:300817B4STR345.17.0

Ergänzend bemerkt der Senat:
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person gemäß §§ 22, 23 Abs. 1, § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung bejaht. Das Landgericht hat anhand der konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB geprüft, ob der zur Zeit der Verurteilung geltende § 177 StGB in der Fassung des 50. Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) – eine mildere Bestrafung eröffnet (zum identischen Unrechtskern der Nachfolgeregelung vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241). Das hat die Strafkammer im Ergebnis zutreffend verneint. Insoweit hat sie nach altem Recht rechtsfehlerfrei einen minder schweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF verneint, ebenso auch eine Abweichung von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 StGB nF (vgl. zu dieser Konstellation auch BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 – 4 StR 31/17; Urteil vom 12. Juli 2017 – 5 StR 134/17). Hierfür hat es allerdings den „Grundtatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB“ der nunmehr geltenden Gesetzesfassung herangezogen. Die Widerstandsunfähigkeit gemäß § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF hat es hingegen darauf gestützt, dass „die Nebenklägerin nicht mehr in der Lage (war), einen eigenen Willensentschluss in Bezug auf sexuelle Handlungen durchzusetzen …“ (UA 8;ebenso UA 9 und 18). Für diese Variante der Widerstandsunfähigkeit enthält § 177 Abs. 2 Nr. 1 (und 2) StGB nF indes keine Entsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241).
Dieser Rechtsfehler stellt jedoch das vom Landgericht gefundene Ergebnis nicht in Frage: Die Feststellungen im angefochtenen Urteil belegen, dass der Angeklagte sich nach neuem Recht einer versuchten Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1
und Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht hat und daher das neue Recht nicht zu einer milderen Bewertung seiner Tat führt. Der Angeklagte hat an der Nebenklägerin sexuelle Handlungen vorgenommen, indem er „mit seinem Penis bzw. der Kranzfurche jedenfalls in unmittelbaren körperlichen Kontakt zum Intimbereich“ (UA 9) der auf der Rasenfläche liegenden Nebenklägerin kam. Der Tatentschluss des Angeklagten (§ 22 StGB) umfasste auch den Umstand, dass er den sexuellen Übergriff im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB nF „gegen den erkennbaren Willen“ der ihm unbekannten Nebenklägerin vornahm. Denn das Landgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass „der Angeklagte wusste, dass die Nebenklägerin aufgrund ihres Zustandes nicht in der Lage war, einen der Vornahme sexueller Handlungen entge- genstehenden Willen durchzusetzen“ (UA 9). Dies umfassthier den zumindest be- dingten Vorsatz, dass seine sexuellen Handlungen gegen den erkennbaren Willen der Nebenklägerin erfolgten bzw. erfolgen sollten. Dies lag angesichts der Auffindesituation – die Nebenklägerin lag apathisch und regungslos auf dem Rücken; sie selbst sprach in der Hauptverhandlung von einem „Blackout“, aus dem sie erst im Krankenhaus wieder aufgewacht sei – auf der Hand (vgl. auch Renzikowski, NJW 2016, 3553, 3554: „… dass die Weigerung … sich unmissverständlich aus der Situa- tion ergibt“).
Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, wie die Sachverhaltskonstellation zu beurteilen wäre, in welcher der Täter sexuelle Handlungen an einer widerstandsunfähigen Person vornimmt oder vorzunehmen versucht, die einen dem entgegenstehenden Willen gebildet hat, der Täter indes nicht erkennt, dass er „ge-
gen den erkennbaren Willen“des Opfers handelt (vgl. BT-Drucks. 18/9097 S. 22 f.; Renzikowski, aaO; Hörnle, NStZ 2017, 13, 15; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 177 Rn. 10 ff.).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Quentin Feilcke

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 3 1 4 / 1 3
vom
24. Juli 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja [nur zu I. und III. 1. a)]
Veröffentlichung: ja
1. Der Verkauf und die Ausfuhr von Gütern des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste in
Embargoländer, strafbar gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 AWG in Verbindung mit § 4
Abs. 1 AWG, § 80 Nr. 1, § 74 Abs. 1 AWV, stehen zueinander in Idealkonkurrenz.
2. Das Verkaufsverbot des § 74 Abs. 1 AWV stellt sich gegenüber dem Verbot der
Durchführung eines Handels- und Vermittlungsgeschäfts nach § 75 Abs. 1 AWV
als lex specialis dar. Der Verstoß gegen das Verbot der Durchführung eines Handels
- und Vermittlungsgeschäfts tritt deshalb hinter denjenigen gegen das Verkaufsverbot
zurück.
BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 - 3 StR 314/13 - LG Hamburg
in der Strafsache
gegen
wegen Ausfuhr von Gütern unter Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung,
die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der
Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme
dient, u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
26. Juni 2014 in der Sitzung am 24. Juli 2014, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Staatsanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16. Mai 2013, soweit es ihn betrifft,
a) in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist des Handeltreibens mit Munition in zwei Fällen, in Tateinheit jeweils mit Erwerb und Besitz von Munition sowie mit gewerbsmäßiger Ausfuhr und mit gewerbsmäßigem Verkauf von Gütern unter Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient,
b) im Fall 3 der Urteilsgründe sowie im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die insoweit getroffenen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Munition zum Zwecke des Überlassens an Nichtberechtigte in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Munition, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter vorsätzlicher Ausfuhr von Rüstungsgütern in den Libanon unter Zuwiderhandlung gegen ein in einem Rechtsakt der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik enthaltenen und im Bundesanzeiger veröffentlichten Ausfuhrverbot und in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gewerbsmäßiger unerlaubter vorsätzlicher Ausfuhr von Rüstungsgütern in den Libanon unter Zuwiderhandlung gegen ein in einem Rechtsakt der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik enthaltenen und im Bundesanzeiger veröffentlichten Ausfuhrverbot und vorsätzlicher Tätigung eines Handelsgeschäftes betreffend für Personen im Libanon bestimmte Rüstungsgüter unter Zuwiderhandlung gegen eine der Durchführung einer wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme der EU (GASP) dienenden Rechtsverordnung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und die sichergestellte, im Einzelnen bezeichnete Munition eingezogen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte spätestens im März 2012, dem Ansinnen eines ihm bekannten ehemaligen Generals der libanesischen Armee nachzukommen und von diesem bzw. dessen Gefolgsleuten bestellte großkalibrige Munition in den Libanon zu liefern, die für syrische Widerstandskreise bestimmt war. Vorausgegangen war ein fehlgeschlagenes Geschäft, für dessen Scheitern seine Geschäftspartner den Angeklagten verantwortlich machten und ihm bedeutet hatten, er werde Probleme im Libanon bekommen, wenn er die verfahrensgegenständlichen Munitionslieferungen nicht durchführe. Maßgeblich für den Entschluss des Angeklagten war indes sein eigenes Gewinnstreben. Er veräußerte die Munition mit hohen Aufschlägen und beabsichtigte, sich durch wiederholte Lieferungen eine Einnahmequelle von einiger Dauer und Umfang zu verschaffen.
3
In Umsetzung dieses Entschlusses erwarb der Angeklagte zwischen März und Oktober 2012 nach vorheriger Auftragserteilung durch seine libanesischen Geschäftspartner bei dem früheren Mitangeklagten B. in drei Fällen Munition, insbesondere für das Maschinengewehr AK-47 und für Handfeuerwaffen , und war auch für die Organisation und die Durchführung der Lieferungen in den Libanon verantwortlich; das bestehende Waffenembargo gegenüber dem Libanon war ihm dabei bekannt. Für die erste Lieferung belud der Angeklagte zwei Kastenwagen mit insgesamt 45.000 Patronen, die anschließend von Hamburg nach Tripolis im Libanon verschifft wurden. Die Munition wurde von libanesischen Sicherheitskräften, die einen Hinweis auf die Lieferung erhalten hatten, sichergestellt. Eine zweite Lieferung von über 60.000 Patronen , die der Angeklagte bei B. im Juli 2012 bestellt hatte, erreichte ihre Abnehmer. In diesem Fall deponierte der Angeklagte die Munition in einem Transporter des Typs VW T4, den er ebenfalls in den Libanon verschiffen ließ. Im dritten Fall verstaute der Angeklagte im Oktober 2012 nunmehr über 70.000 Patronen, die er bei B. erworben hatte, wiederum in einem VWTransporter und ließ diesen zur Verschiffung im Hamburger Hafen abstellen; zuvor hatte er bereits die Verschiffung des Fahrzeugs in Auftrag gegeben. Dazu kam es nicht, weil die Ermittlungsbehörden - als das Beladen und anschließend das Ablegen des Frachtschiffes unmittelbar bevorstanden - das Fahrzeug auf dem Lagerplatz des mit der Verschiffung beauftragten Unternehmens durchsuchten und die Munition sicherstellten.
4
II. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen, die der Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift dargelegt hat, jedenfalls unbegründet. Ergänzend dazu bemerkt der Senat:
5
1. Die Begründung, mit der die Strafkammer den Antrag auf Ladung und - hilfsweise kommissarische - Vernehmung des angeblichen Auftraggebers H. vom 10. Mai 2013 zurückgewiesen hat, begegnet zwar insoweit Bedenken , als das Landgericht darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte bislang selbst nicht vorgetragen habe, dass H. sein Auftraggeber gewesen sei und die in das Wissen des Zeugen gestellten Tatsachen lediglich als Schlussfolgerungen gewertet hat. Die nachfolgenden Erwägungen, mit denen die Strafkammer die Ablehnung des Beweisantrages auch mit der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit der in das Wissen des Zeugen gestellten Tatsachen begründet hat, erweisen sich hingegen als rechtsfehlerfrei.
6
2. Soweit sich die Strafkammer bei der Zurückweisung des weiteren Antrags auf Ladung des H. vom 16. Mai 2013 auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO berufen hat, ist auch dieses Vorgehen rechtsbedenkenfrei. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt hierzu ausgeführt, dass das legitime Interesse des Angeklagten in einem Verfahren mit starkem Auslandsbezug, sich durch die Benennung von im Ausland ansässigen Zeugen zu verteidigen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11, 23 f.), die Ablehnung eines Beweisantrages auf Vernehmung eines Auslandszeugen unter Berufung auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nicht notwendig im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null ausschließt. Kann - wie hier - das Tatgericht durch bereits erhobene Sachbeweise, die zu einem relativ gesicherten Beweisergeb- nis geführt haben, den Beweiswert einer möglichen Aussage des Auslandszeugen zuverlässig prognostisch bewerten und gelangt es dabei zu der tragfähig begründeten Einschätzung, dass dessen Aussage für seine Überzeugungsbildung irrelevant ist, so ist dies revisionsrechtlich vielmehr nicht zu beanstanden (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NStZ 2005, 701, 703). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles.
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III. Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die von dem Angeklagten erhobene Sachrüge führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe und zur Aufhebung des Urteils im Fall 3 der Urteilsgründe sowie im gesamten Strafausspruch ; im Übrigen hat sie keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Im Einzelnen:
8
1. Zu den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe:
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a) Die Verurteilung wegen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz bedarf in diesen beiden Fällen der Schuldspruchänderung, weil das - von der Strafkammer für sich genommen rechtsfehlerfrei angewandte - zur Tatzeit und noch im Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltende Außenwirtschaftsgesetz (im Folgenden: AWG aF) aufgrund von Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts vom 6. Juni 2013 (BGBl. I, S. 1482) mit Wirkung vom 1. September 2013 außer Kraft trat und gleichzeitig die in Art. 1 des vorgenannten Gesetzes enthaltene Neufassung des Außenwirtschaftsgesetzes (im Folgenden: AWG nF) Geltung erlangte. Zugleich trat die durch Rechtsverordnung vom 2. August 2013 mit Wirkung vom 1. September 2013 neu gefasste Außenwirtschaftsverordnung (im Folgenden: AWV nF) in Kraft. Diese Gesetzesänderungen sind nach § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen, weil sich die Regelungen des AWG nF hinsichtlich der in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe abgeurteilten Taten als milderes Gesetz erweisen. Insoweit gilt:
10
aa) Der Angeklagte erfüllte in diesen Fällen jeweils den Tatbestand des § 34 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. b) AWG aF, weil er - als tauglicher Täter (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - 5 StR 225/06, NJW 2007, 1893, 1895; Morweiser in Wolffgang/Simonsen, AWR-Kommentar, 32. Erg.-Lfg., § 34 Abs. 1 AWG Rn. 11 mwN - die Munition und damit in Teil I Abschnitt A Position 0003 der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung aF) genannte Güter in den Libanon ausführte; denn damit beging er eine in § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG aF genannte Handlung und handelte dadurch dem in Art. 1 Abs. 1 des Gemeinsamen Standpunkts 2006/625/GASP des Rates vom 15. September 2006, betreffend das Verbot des Verkaufs oder der Lieferung von Rüstungsgütern und zugehörigen Gütern und die Erbringung damit zusammenhängender Dienstleistungen an Einrichtungen oder Einzelpersonen im Libanon im Sinne der Resolution 1701 (2006) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen enthaltenen Ausfuhrverbot zuwider, das zur Strafbewehrung im Bundesanzeiger (Nr. 181, S. 6479) am 23. September 2006 veröffentlicht worden war.
11
In dem Verkauf und der Ausfuhr der Munition in den Libanon lag jeweils auch ein Verstoß gegen § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b) AWG aF in Verbindung mit § 69m Abs. 1, § 70a Abs. 2 Nr. 1 AWV aF, der indes im Wege der formellen Subsidiarität hinter den Verstoß gegen § 34 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. b) AWG aF zurücktrat. Aus diesem Grund bedarf es hier keiner Entscheidung, ob in dem (schuldrechtlichen) Verkauf zugleich auch ein gemäß § 69m Abs. 2 AWV aF verbotener Abschluss eines Handelsgeschäfts lag, der in Verbindung mit § 70a Abs. 2 Nr. 3 AWV aF wiederum eine Strafbarkeit nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b) AWG aF hätte begründen können.
12
bb) Nach nunmehr geltendem Recht stellen sich sowohl der Verkauf als auch die Ausfuhr jeweils als Verstöße gegen § 17 Abs. 1 Nr. 2 AWG nF in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AWG nF, § 80 Nr. 1, § 74 Abs. 1 Nr. 9 AWV nF dar. Zudem kommt eine Strafbarkeit nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 AWG nF in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AWG nF, § 80 Nr. 2, § 75 Abs. 1 Nr. 7 AWV nF in Betracht. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung des AWG die Differenzierung zwischen Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Verstößen gegen sonstige Verbotstatbestände - insbesondere das Verbot, Güter des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste in Embargoländer zu verkaufen oder diesbezüglich Handels- und Vermittlungsgeschäfte abzuschließen - bewusst nicht aufrecht erhalten, weil der Unrechtsgehalt dieser Tathandlungen mit Verstößen gegen Ausfuhrverbote betreffend Güter des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste vergleichbar sei (BT-Drucks. 17/11127, S. 26). Damit ist der Tatbestand der Neuregelung weiter gefasst. Dies könnte bei abstrakter Betrachtung dafür sprechen, das alte Recht als das mildeste anzusehen.
13
cc) Jedoch ist als mildestes Gesetz dasjenige anzuwenden, das bei einem Gesamtvergleich des konkreten Einzelfalls die dem Täter günstigste Beurteilung zulässt (st. Rspr.; s. zuletzt BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - StB 16/13, juris Rn. 24 mwN). Dabei ist der Grundsatz strikter Alternativität zu beachten, nach dem entweder das eine oder das andere Gesetz in seiner Gesamtheit gilt (BGH, Urteil vom 27. November 1996 - 3 StR 508/96, NJW 1997,

951).


14
Der vorzunehmende Gesamtvergleich ergibt, dass das neue Recht für den Angeklagten günstiger ist:
15
(1) Allerdings verstieß der Angeklagte durch den Verkauf nach und die Ausfuhr der Munition in den Libanon gegen zwei Verbote gemäß § 74 Abs. 1 Nr. 9 AWV nF, die aufgrund der Strafbewehrung in § 80 Nr. 1 AWV nF jeweils zur Strafbarkeit nach § 17 Abs. 1 AWG nF führen. Da - wie dargelegt - in der Neufassung die Subsidiarität der Verstöße gegen das Verkaufsverbot nicht mehr gilt, ist für Fälle, in denen der Täter sowohl gegen das Ausfuhr- als auch gegen das Verkaufsverbot verstößt, nunmehr zum einen das Konkurrenzverhältnis dieser beiden Tatbestandsalternativen zueinander zu klären (s. unten (a)). Zum anderen kommt hinzu, dass in dem Verkauf der Munition zugleich ein nach § 75 Abs. 1 Nr. 7 AWV nF verbotenes Handels- und Vermittlungsgeschäft liegt, das ebenfalls gemäß § 17 Abs. 1 AWG nF strafbewehrt ist. Daher ist auch das konkurrenzrechtliche Verhältnis dieser Straftat zu den Verstößen gegen das Ausfuhr- und das Verkaufsverbot zu bestimmen (s. unten (b)).
16
(a) Der Verstoß gegen das Verkaufs- und derjenige gegen das Ausfuhrverbot stehen zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz. Mit dem Verkauf von Gütern, die in der nationalen Waffenliste geführt werden, verstößt der Täter gegen eine eigenständige Verbotsnorm nach § 74 Abs. 1 Nr. 9 AWV nF. Der Gesetzgeber hat durch die Aufhebung der Subsidiaritätsklausel die Bedeutung dieses Verbotes unterstrichen und einen Verstoß dagegen einem solchen gegen das Ausfuhrverbot gleichgestellt. Angesichts dessen spricht schon die Klarstellungsfunktion des § 52 Abs. 1 StGB dafür, den Verstoß gegen das Verkaufsverbot als in Idealkonkurrenz zu dem Ausfuhrdelikt stehend in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. MüKoStGB/von Heintschel-Heinegg, 2. Aufl. vor §§ 52 ff. Rn. 26 f.). Es ist auch ansonsten kein Grund dafür ersichtlich, von Gesetzeskonkurrenz auszugehen. So ergibt sich etwa kein allgemeiner Vorrang der Ausfuhrdelikte. Soweit in der außenwirtschaftsrechtlichen Literatur zum alten Recht die Auffassung vertreten wurde, beim Zusammentreffen eines Handelsgeschäfts mit einer Ausfuhr kämen wegen des Vorrangs der Ausfuhrgenehmigungspflicht die Regelungen über Handels- und Vermittlungsgeschäfte nicht zur Anwendung (Tervooren/Mrozek in Wolffgang/Simonsen, aaO, 22. Erg.-Lfg., § 4c AWV Rn. 26), kann dem schon aufgrund des zitierten, in der Begründung der Neuregelung zum Ausdruck gebrachten Willens des Gesetzgebers jedenfalls für die strafrechtliche Beurteilung nicht gefolgt werden. Es liegt in dem vorangegangenen Verkauf auch kein Fall der mitbestraften Vortat zu der nachfolgenden Ausfuhr. Eine straflose mitbestrafte Vortat liegt nur vor, wenn diese das notwendige oder regelmäßige Mittel zur Haupttat ist (st. Rspr.; s. zuletzt BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 - 3 StR 178/13, juris Rn. 16). Davon kann im Verhältnis zwischen Verkauf und späterer Ausfuhr indes nicht ausgegangen werden, denn eine verbotene Ausfuhr von Gütern kann auch der Täter begehen, der sie vorher nicht an den Empfänger verkauft hat; umgekehrt ist es keine notwendige Folge eines Verkaufs, dass der Täter die Güter anschließend ausführt. Der Verkauf stellt im Verhältnis zur Ausfuhr mithin zusätzliches Unrecht dar.
17
(b) Daneben kommt ein Schuldspruch auch wegen eines tateinheitlichen Verstoßes gegen das Verbot der Durchführung eines Handels- und Vermittlungsgeschäfts (§ 75 Abs. 1 Nr. 7 AWV nF in Verbindung mit § 17 Abs. 1 AWG nF) indes nicht in Betracht, weil sich das Verkaufsverbot des § 74 Abs. 1 AWV nF als lex specialis gegenüber dem Verbot, ein Handels- und Vermittlungsgeschäft abzuschließen, darstellt. Nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 14 Satz 1 Nr. 3 AWG nF ist ein Handels- und Vermittlungsgeschäft auch der Abschluss eines Vertrages über das Überlassen von Gütern. Nichts anderes stellt aber der Verkauf von Gütern dar, so dass in den Fällen, in denen der Täter - wie hier - in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste erfasste Güter verkauft, das Verbot der Handels- und Vermittlungsgeschäfte nach § 75 Abs. 1 AWV nF hinter dem - spezielleren - Verkaufsverbot des § 74 Abs. 1 AWV nF zurücktritt.
18
(2) Die Anwendung des neuen Rechts führt damit zwar zu einer Verschärfung des Schuldspruchs; da der Angeklagte nach den Feststellungen der Strafkammer aber auch gewerbsmäßig handelte, fallen seine Taten unter den Qualifikationstatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 2 AWG nF. Es ist mithin dieser Strafrahmen mit dem des § 34 Abs. 6 AWG aF zu vergleichen. Gegenüber § 34 Abs. 6 AWG aF, der eine Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe vorsah, erweist sich die Vorschrift des § 17 Abs. 2 AWG nF als milderes Gesetz, weil sie im Verhältnis zum Grundtatbestand des § 17 Abs. 1 AWG nF nur die Obergrenze des Strafrahmens erhöht, so dass sie bei gleicher Strafobergrenze (Freiheitsstrafe von 15 Jahren, vgl. § 38 Abs. 2 StGB) eine Mindeststrafe von (nur) einem Jahr Freiheitsstrafe vorsieht (vgl. zur vergleichbaren Konstellation bei Straftaten nach § 18 AWG nF BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - StB 16/13, aaO).
19
b) Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Verstößen gegen das Waffengesetz indes nur zum Teil.
20
aa) Beanstandungsfrei ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen , dass sich der Angeklagte in allen drei Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Munition nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) WaffG schuldig gemacht hat. Nach der in Abschnitt 2 Nr. 9 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG gegebenen Definition treibt Waffenhandel, wer gewerbsmäßig oder selbstständig im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung Schusswaffen oder Munition ankauft, feilhält, Bestellungen entgegennimmt oder aufsucht, anderen überlässt oder den Erwerb, den Vertrieb oder das Überlassen vermittelt. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Angeklagte kaufte die Munition nach den Feststellungen der Strafkammer gewerbsmäßig handelnd an und überließ sie seinen Abnehmern im Libanon. Dabei verfügte er nicht über die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 WaffG für den Handel mit Munition erforderliche Waffenhandelserlaubnis , was ihm auch bekannt war.
21
bb) Die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Erwerbs von Munition zum Zwecke des Überlassens an Nichtberechtigte nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) WaffG kann hingegen keinen Bestand haben.
22
Dieser Straftatbestand erfordert nach seinem Wortlaut, dass die Überlassung an einen Nichtberechtigten gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG verstößt, wonach Waffen oder Munition nur berechtigten Personen überlassen werden dürfen. Ein solcher Verstoß ist hier nicht gegeben, weil § 34 Abs. 1 WaffG nach der Ausnahmeregelung in § 34 Abs. 3 WaffG nicht für denjenigen gilt, der - wie der Angeklagte - Schusswaffen oder Munition einem anderen, der sie außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes erwirbt, insbesondere im Versandwege unter eigenem Namen überlässt. In diesen Fällen ist der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) WaffG nicht erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 - 5 StR 394 + 395/87, NStZ 1988, 133, 134 zur Rechtslage nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 WaffG aF).
23
cc) Neben dem Handeltreiben mit Munition hat der Angeklagte die Tatbestände des Erwerbs und des Besitzes von Munition nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b) WaffG erfüllt, indem er, ohne über einen Munitionserwerbsschein (vgl. § 10 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 WaffG) zu verfügen, die Munition bei B. abholte und so die tatsächliche Gewalt darüber erlangte und in der Folgezeit ausübte (vgl. Abschnitt 2 Nr. 1 und 2 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG).
24
Nach der Rechtsprechung des Bundgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28. März 2006 - 4 StR 596/05, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 1) stehen Erwerb , Besitz und Handeltreiben untereinander in Tateinheit, wenn der Täter Waffen oder Munition gewerbsmäßig ankauft und bis zu deren Überlassung an seinen Abnehmer die tatsächliche Gewalt darüber ausübt. Soweit Rechtsprechung des Senats dieser konkurrenzrechtlichen Beurteilung entgegenstehen könnte (BGH, Beschluss vom 26. April 1996 - 3 StR 641/95, BGHR WaffG § 53 Abs. 1 Konkurrenzen 5), hält er daran nicht fest.
25
c) Nach alledem ist der Schuldspruch in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe wie aus der Urteilsformel ersichtlich abzuändern.
26
2. Zu Fall 3 der Urteilsgründe:
27
Im Fall 3 der Urteilsgründe ist dem Senat eine abschließende Entscheidung , welches Gesetz das mildeste ist, nicht möglich, so dass hier der Schuldspruch nicht zu ändern, sondern das Urteil insoweit aufzuheben ist. Im Einzelnen :
28
Bezogen auf das Ausfuhrdelikt liegt lediglich ein Versuch vor. Der Angeklagte hatte zu der Tat im Sinne von § 22 StGB unmittelbar angesetzt: Dieser Zeitpunkt des Versuchsbeginns ist nach allgemeinen Maßstäben auch dann erreicht, wenn der Täter solche Handlungen vorgenommen hat, die nach seinem Tatplan im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollen (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 20. März 2014 - 3 StR 424/13, juris Rn. 8 mwN). Bei Ausfuhrdelikten ist dies auch dann der Fall, wenn der Täter die Ware nach seinem Transportplan endgültig auf den Weg gebracht hat (Bieneck in Wolffgang/Simonsen, aaO, 17. Erg.-Lfg., § 34 Abs. 5 Rn. 8; weitergehend BGH, Urteil vom 19. Januar 1965 - 1 StR 541/64, BGHSt 20, 150, 152: Aufladen der Ware auf ein Fahrzeug , um sie demnächst ungenehmigt über die Grenze zu bringen; s. auch G/J/W/Cornelius, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 34 AWG Rn. 124). So verhielt es sich hier: Die Munition war in dem Transporter verstaut, dessen Verladung auf das Frachtschiff unmittelbar bevorstand; das Schiff wiederum sollte im Anschluss daran auslaufen und seine Fracht in den Libanon bringen. Weitere Handlungen des Angeklagten waren zur Bewirkung der Ausfuhr nicht mehr erforderlich. Der Versuch war fehlgeschlagen, nachdem die Munition von den Ermittlungsbehörden entdeckt und sichergestellt worden war.
29
a) Nach altem Recht hat sich der Angeklagte damit gemäß § 34 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. b) AWG aF, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Der zugleich erfüllte Tatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b) AWG aF in Verbindung mit § 69m Abs. 1, § 70a Abs. 2 Nr. 1 AWV aF (Verkauf der Munition) bzw. § 69m Abs. 2, § 70a Abs. 2 Nr. 3 AWV aF (Abschluss eines Handelsgeschäfts über die Munition mit seinen Vertragspartnern im Libanon) trat auch hier aufgrund der Subsidiaritätsklausel in § 34 Abs. 4 Nr. 1 aE AWG aF zurück; dass insoweit nur ein Versuch vorlag, ändert nichts daran, dass die Tat in § 34 Abs. 6 Nr. 3 AWG aF mit Strafe bedroht war und diese Strafbarkeit die nach der subsidiären Norm verdrängt (s. zur vergleichbaren Regelung in § 265 Abs. 1 StGB MüKoStGB/Wohlers/Mühlbauer, aaO, § 265 Rn. 34 mwN).
30
b) Nach neuem Recht hat der Angeklagte neben der nur versuchten Ausfuhr (strafbar nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 AWG nF in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AWG nF, § 80 Nr. 1, § 74 Abs. 1 Nr. 9 AWV nF, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB) die Munition wiederum an seine Abnehmer im Libanon verkauft. Da der Verkauf bereits durch Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages abgeschlossen war, hat sich der Angeklagte gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 AWG nF in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AWG nF, § 80 Nr. 1, § 74 Abs. 1 Nr. 9 AWV nF wegen des vollendeten Verkaufs strafbar gemacht. Wie oben dargelegt, stehen Ausfuhr und Verkauf zueinander in Tateinheit. Dies muss hier auch deshalb gelten, weil sich ansonsten ein Wertungswiderspruch ergäbe, wenn derjenige, der zusätzlich zu dem vollendeten Verkauf noch einen versuchten Ausfuhrverstoß beging, wegen der möglichen Versuchsmilderung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gegenüber demjenigen privilegiert werden könnte, der nur einen Verkauf getätigt hatte. Die Strafbarkeit wegen Abschlusses eines Handelsgeschäfts tritt - wie ebenfalls oben dargelegt - wegen Spezialität der Strafbarkeit wegen Verkaufs zurück.
31
c) Da der Angeklagte auch insoweit gewerbsmäßig handelte, wäre die Strafe für ihn bei Anwendung des neuen Rechts wiederum dem Strafrahmen des § 17 Abs. 2 AWG nF zu entnehmen, der Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren vorsieht und gegenüber dem Strafrahmen des § 34 Abs. 6 AWG aF milder ist. Bei Anwendung alten Rechts kommt wegen der Strafbarkeit nur wegen Versuchs indes in Betracht, den Strafrahmen des § 34 Abs. 6 AWG aF nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, so dass die zu verhängende Strafe einem Rahmen von sechs Monaten bis elf Jahre und drei Monaten Freiheitsstrafe zu entnehmen wäre; dieser gemilderte Strafrahmen erweist sich gegenüber demjenigen - wegen der Vollendung des Verkaufs der Munition nicht zu mildernden - des § 17 Abs. 2 AWG nF als das mildere Gesetz. Die Entscheidung , ob die Strafe gemäß § 23 Abs. 2 StGB nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern ist, hat indes das Tatgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen und dabei eine Gesamtbetrachtung aller Tatumstände und der Täterpersönlichkeit anzustellen, wobei versuchsbezogenen Umständen ein besonderes Gewicht zukommt (st. Rspr.; s. zuletzt BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 261/10, wistra 2011, 18, 19). Diese Entscheidung ist dem Revisionsgericht entzogen. Dem Senat ist es deshalb nicht möglich, abschließend zu bestimmen , welches Recht milder ist und den Schuldspruch entsprechend zu ändern ; vielmehr ist das Urteil insoweit aufzuheben. Da es sich nur um eine Wer- tungsfrage handelt, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Schuldspruch aufrecht erhalten bleiben.
32
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 3 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafe, der wiederum die Aufhebung der Gesamtstrafe bedingt.
33
Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe hat auch die Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen zur Folge. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer, die die Einzelstrafen dem Strafrahmen des § 34 Abs. 6 AWG aF (Mindeststrafe zwei Jahre Freiheitsstrafe ) entnommen hat, bei Anwendung des nunmehr geltenden Strafrahmens des § 17 Abs. 2 AWG nF, der mit einem Jahr Freiheitsstrafe eine deutlich niedrigere Mindeststrafe aufweist, mildere Einzelstrafen ausgesprochen hätte.
34
Die zum Strafausspruch insgesamt rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind davon indes nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).
35
4. Der Senat hat bei der Schuldspruchänderung den Zusatz vorsätzlicher und unerlaubter Tatbegehung entfallen lassen. Dies dient der Klarstellung der ansonsten durch die Aufnahme nicht notwendigen Inhalts unübersichtlichen Urteilsformel (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 1992 - 3 StR 61/92, NStZ 1992, 546 und vom 20. Mai 2014 - 1 StR 90/14, juris Rn. 16). Da nach § 15 StGB nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, fahrlässiges hingegen lediglich dann, wenn es ausdrücklich mit Strafe bedroht ist, bedarf der Zusatz vorsätzlicher Begehung keiner Aufnahme in die Urteilsformel. Dass es sich bei Straftaten nach dem AWG und dem WaffG um einen "unerlaubten" Umgang mit Gütern bzw. Waffen handelt, versteht sich von selbst, weil das Handeln im Rah- men einer erteilten Erlaubnis die Strafbarkeit aufgrund der gegebenen Verwaltungsakzessorietät der Straftatbestände ausschließt. Das Merkmal "unerlaubt" bedarf deshalb nicht der Tenorierung.
Becker Pfister Schäfer Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 6 7 / 1 4
vom
14. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar
geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der
Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich
der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen
Sanktionsmaßnahme dient, u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. und 3. auf dessen Antrag - am
14. Oktober 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten G. und K. K. wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. November 2013, soweit es sie betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass aa) der Angeklagte G. K. in drei Fällen der Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, schuldig ist, in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung; bb) der Angeklagte K. K. schuldig ist, - in drei Fällen der Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung; - in einem weiteren Fall der Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung;
b) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz hinsichtlich des Angeklagten G. K. dahin abgeändert, dass ein Betrag von 139.459,13 € für verfallen erklärt wird.
2. Die weitergehenden Revisionen dieser Angeklagten werden verworfen.
3. Die Revision des Angeklagten M. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte M. in zwei Fällen schuldig ist der Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, sowie in einem weiteren Fall der gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung.
4. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

1
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat den Angeklagten G. K. (nachfolgend: G. K. ) wegen "vorsätzlichen gewerbsmäßigen Embargoverstoßes nach dem Außenwirtschaftsgesetz in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur vorsätzlichen unerlaubten gewerbsmäßigen Ausfuhr nach dem Außenwirtschaftsgesetz" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, den Angeklagten K. K. (nachfolgend: K. K. ) wegen "vorsätzlichen gewerbsmäßigen Embargoverstoßes nach dem Außenwirtschaftsgesetz in 6 Fällen und wegen Beihilfe zur vorsätzlichen unerlaubten gewerbsmäßigen Ausfuhr nach dem Außenwirtschaftsgesetz in zwei Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie den Angeklagten M. wegen "vorsätzlichen gewerbsmäßigen Embargoverstoßes nach dem Außenwirtschaftsgesetz in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher unerlaubter gewerbsmäßiger Ausfuhr nach dem Außenwirtschaftsgesetz" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es Verfall von Wertersatz in Höhe von 250.000 € gegen den Angeklagten G. K. und in Höhe von 106.950 € gegen den Angeklagten M. angeordnet. Gegen ihre Verurteilungen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die jeweils auf die Rügen der Verletzung sowohl formellen als auch materiellen Rechts gestützt werden. Die Rechtsmittel der Angeklagten K. haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie - wie die Revision des Angeklagten M. , die lediglich zu einer Neufassung des Schuldspruchs führt - unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
I. Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Seit 2002 ist bekannt, dass die Islamische Republik Iran an dem Bau eines atomaren Schwerwasserreaktors in A. arbeitet. Federführendes Unternehmen ist hierbei die in den Anhängen zu den Iran-Embargo-Verordnungen der Europäischen Union gelistete M. I. T. C. (nachfolgend: MIT. ). Dieses Unternehmen beauftragte seinerseits den gesondert verfolgten T. mit der Beschaffung diverser Ventile zur Verwendung in dem Kraftwerk. Aufgrund dessen Bemühungen, bei denen er als Repräsentant u.a. der Unternehmen R. , At. (mit Sitz jeweils im Iran) und I. (mit Sitz in der Türkei) auftrat, kam es zu folgenden Geschäftsabschlüssen und Lieferungen , wobei die Angeklagten, die den Verwendungszweck der Ventile kannten und billigten sowie die Listung des Endabnehmers jedenfalls in Kauf nahmen, jeweils handelten, um sich aus der wiederholten Begehung von Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen:
3
a) Nach seit Januar 2008 laufenden Verhandlungen schlossen am 25. September 2009 T. für das Unternehmen R. und der Angeklagte M. für die MIT. GmbH (nachfolgend: MIT. GmbH), deren geschäftsführender Alleingesellschafter er war, einen Vertrag über die Lieferung von 256 Ventilen samt elektronischen Stellantrieben zum Preis von 1.885.000 € (nachfolgend: Ventile der Gruppe C). Während die Ventile von der MIT. GmbH selbst hergestellt wurden, bezog der Angeklagte M. die Stellantriebe von dem Hersteller D. . Die Stellantriebe wiesen nicht die von T. gewünschte und ver- traglich vereinbarte Nuklearspezifikation auf; die Lieferung solcher Antriebe an die MIT. GmbH hatte D. wegen der Gefahr eines Embargoverstoßes verweigert. Aus diesem Grund oder aber wegen Zahlungsschwierigkeiten T. s kamen die Geschäftsbeziehungen zwischen ihm und dem Angeklagten M. nach Durchführung von drei Lieferungen durch die MIT. GmbH über die I. in den Iran am 29. Oktober 2010, am 18. Januar und am 28. März 2011 über insgesamt 41 Ventile mit Stellantrieben zum Erliegen. Die Angeklagten K. , die T. anlässlich der nachfolgend geschilderten Vorgänge kennengelernt hatten, waren in die Abwicklung dieses Geschäfts dergestalt involviert, dass der Angeklagte K. K. als Bindeglied zwischen T. und dem Angeklagten M. wirkte, insbesondere die hergestellten Ventile vor der Versendung überprüfen und freigeben sollte, und der Angeklagte G. K. die Herstellung der Ventile durch die MIT . GmbH in Höhe von 109.300 € für T. vorfinanzierte.
4
Bereits mit Schreiben vom 9. April und 7. Mai 2009 hatte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (nachfolgend: BAFA) den Angeklagten M. darauf aufmerksam gemacht, dass der Iran bemüht sei, Spezialventile für das iranische Nuklearprogramm zu beschaffen, woran die Unternehmen MIT. und R. beteiligt seien. Dabei wies es auf Genehmigungs- und Unterrichtungspflichten hin. Durch unwahre Angaben über den Empfänger erreichte der Angeklagte M. die Ausstellung eines sogenannten Nullbescheids, nach dem die von ihm beantragte Ausfuhr nicht genehmigungspflichtig sei. Auch wenn die Schreiben des BAFA den Angeklagten K. nicht bekannt waren, wussten diese, dass die Ausfuhr der Ventile verboten war, eine Genehmigung bei Kenntnis des wahren Sachverhalts niemals erteilt worden wäre und der Angeklagte M. seinen Mitwirkungspflichten als Ausführer vorsätzlich zuwider handelte.
5
b) Am 10. November 2009 schlossen T. für das Unternehmen At. und der gesondert verfolgte L. als Geschäftsführer der B. GmbH (nachfolgend: B. GmbH) einen Vertrag über 655 Ventile zum Preis von 898.846,78 € (nachfolgend: Ventile der Gruppe A). Der Angeklagte K. K. absolvierte bei der B. GmbH seine Ausbildung , hatte indes aufgrund seiner Sprachkenntnisse und der finanziellen Unterstützung des Unternehmens durch seinen Vater, den Angeklagten G. K. , bereits im zweiten Lehrjahr die Länderverantwortlichkeit für den Iran übernommen, weshalb er wesentlich an der Abwicklung des Geschäfts mit T. beteiligt war. Mit der Herstellung der Ventile wurde das Unternehmen KS. beauftragt. Da weder T. noch die B. GmbH in der Lage waren, diesem gegenüber die vereinbarten Vorauszahlungen zu leisten, überwies der Angeklagte G. K. zu diesem Zweck im August 2010 einen Betrag von 134.827 €. Im Gegenzug überwachte er die weitere Abwicklung des Ge- schäfts und drängte L. zu einer besseren Einbindung seines Sohnes und einem engagierteren Auftreten gegenüber dem Hersteller. Dennoch kam es wegen anhaltender Zahlungsschwierigkeiten nur zu zwei Lieferungen am 5. Dezember 2010 und 21. März 2011 über insgesamt 51 Ventile im Wert von 172.699,98 € durch die B. GmbH in den Iran.
6
Mit Schreiben des BAFA vom 7. Dezember 2009 waren dem gesondert verfolgten L. Hinweise erteilt worden, die denjenigen entsprachen, die dem Angeklagten M. gegeben worden waren. Auch er erreichte durch unwahre Angaben über den Empfänger die Ausstellung eines Nullbescheids. Auch in diesem Fall erkannten die Angeklagten K. das Handelsverbot sowie den Umstand, dass L. seinen Pflichten als Ausführer bewusst nicht nachkam.
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c) Im Juni 2010 bestellte T. bei den Angeklagten K. 856 Ven- tile zum Preis von rund 300.000 € (nachfolgend: Ventile der Gruppe B). Um gegenüber dem indischen Hersteller nicht den Verdacht eines Embargoverstoßes zu erwecken, trat als Besteller zum Schein ein Unternehmen aus Bahrain auf, dessen Betreiber ein Geschäftspartner des Angeklagten G. K. war und zu dem dieser den Kontakt herstellte. Der Angeklagte K. K. kümmerte sich um die weitere Abwicklung des Geschäfts. Die Lieferung der Ventile in den Iran bewerkstelligten die Angeklagten letztlich über das in der Türkei ansässige Unternehmen I. , an das der indische Hersteller vier Teillieferungen sandte. Hinsichtlich der zweiten Lieferung im Wert von 19.766,29 € hat das Oberlandesgericht das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Die letzte Teillieferung von 360 Ventilen wurde wegen technischer Unstimmigkeiten bereits aus der Türkei zur Überprüfung nach Indien zurückgesandt.
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II. Das Oberlandesgericht hat die Lieferungen mit Ausnahme derjenigen vom 29. Oktober und 5. Dezember 2010 jeweils als gewerbsmäßigen Verstoß gegen ein Bereitstellungsverbot gewertet, strafbar nach § 34 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 6 Nr. 2, Nr. 4 Buchst. c AWG aF i.V.m. Art. 7 Abs. 3 VO (EG) Nr. 423/2007 in der Fassung der VO (EU) Nr. 532/2010 vom 18. Juni 2010 bzw. Art. 16 Abs. 3 VO (EU) Nr. 961/2010 vom 25. Oktober 2010. Da letztgenannte Verordnung erst am 10. Dezember 2010 zur Strafbewehrung im Bundesanzeiger veröffentlicht, die Vorgängerregelung jedoch bereits am 27. Oktober 2010 aufgehoben worden sei, fehle es bezüglich der Lieferungen vom 29. Oktober und 5. Dezember 2010 an einem entsprechenden Verstoß. Diese Lieferungen seien jedoch gemäß § 33 Abs. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 2 AWG aF, § 70 Abs. 1 Nr. 2, § 5d Abs. 1 AWV aF strafbar. Wegen des Sonderdeliktscharakters des § 34 Abs. 2 AWG aF, der unmittelbar an die Ausführereigenschaft anknüp- fe, komme bei den Angeklagten K. jeweils nur eine Verurteilung wegen Beihilfe in Betracht, auch wenn ihr Tatbeitrag vom Gewicht her als mittäterschaftlich zu bewerten sei. Dabei sei beiden die Unterrichtungspflicht nach § 5d Abs. 2 AWG bekannt gewesen. Beim Angeklagten G. K. habe es sich hinsichtlich der vom Angeklagten M. und von L. gehandelten Ventile jeweils nur um eine Tat gehandelt, da sein Tatbeitrag vor den jeweiligen Versendungen erbracht worden sei. Die Strafrahmen hat das Oberlandesgericht § 18 Abs. 1 und 2 AWG nF entnommen.
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III. Die Angeklagten dringen mit ihren Verfahrensbeanstandungen nicht durch. Mit Blick auf die Antragsschriften des Generalbundesanwalts bedarf Folgendes der Ausführung:
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1. Zu Unrecht hat das Oberlandesgericht drei Anträge des Angeklagten M. als unzulässig abgelehnt (Rügen Nr. 1 bis 3 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten M. ). Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil indes nicht.
11
a) Den Rügen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: In der Sitzung vom 2. August 2013 hat der Angeklagte M. unter anderem mit drei gesonderten Anträgen jeweils die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt, dass die Ventile, wie sie in verschiedenen Schriftstücken anlässlich der zwischen ihm und T. laufenden Verhandlungen beschrieben worden waren, aufgrund diverser, in den Anträgen dargestellter technischer Details nicht für den Einsatz im Primärkreislauf eines Kernreaktors geeignet, nicht nukleartauglich bzw. nicht nuklearspezifisch gewesen seien. Diese Anträge hat das Oberlandesgericht mit Beschlüssen vom 19. September 2013 jeweils mangels bestimmter Tatsachenbehauptung als unzulässig zurückgewiesen. Dabei hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die konkrete Ausstattung des Schwerwasserreaktors in A. ebenso wenig bekannt sei wie die Sicherheitsanforderungen, die im Iran an die Ventile und Elektroantriebe eines Kernkraftreaktors gestellt würden.
12
b) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts sind die Rügen zulässig erhoben. Dies ist der Fall, wenn die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dazu müssen die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 1980 - 2 StR 729/79, BGHSt 29, 203; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 38 mwN). Verweise auf frühere Eingaben, Ausführungen eines anderen Verfahrensbeteiligten oder den Inhalt der Akten genügen nicht; für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind vielmehr durch wörtliche Zitate bzw. eingefügte Abschriften oder Ablichtungen zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2005 - 1 StR 218/05, NStZ-RR 2006, 48, 49).
13
Hieraus ergeben sich je nach Art des gerügten Verstoßes spezielle Anforderungen an die Begründung (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 1998 - 3 StR 78/98, NJW 1998, 3284). Bei Angriffen gegen die Ablehnung von Anträgen sind regelmäßig der Antrag und die Ablehnungsbegründung im Wortlaut oder in eigenen Worten vollständig mitzuteilen (BGH, Beschluss vom 19. April 2000 - 3 StR 122/00, juris Rn. 2; Urteil vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684), oftmals auch die in diesen Dokumenten in Bezug genommenen Aktenbestandteile (BGH, Urteile vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZRR 2004, 118, 119; vom 18. August 2004 - 2 StR 456/03, StraFo 2004, 424).
Eine schematische Betrachtungsweise verbietet sich indes. Entscheidend ist stets, ob die inhaltliche Überprüfung der erhobenen Rüge bereits anhand des mitgeteilten Verfahrensstoffes möglich ist. Können in Bezug genommene Aktenteile unabhängig von ihrem Inhalt das Ergebnis der Prüfung nicht beeinflussen , so sind sie für die Zulässigkeit der Rüge nicht von Bedeutung.
14
Nach diesen Grundsätzen erweist sich die vom Generalbundesanwalt vermisste Mitteilung weiterer Schreiben, des mit den Anträgen in Zusammenhang stehenden Verfahrensgeschehens sowie der im Ablehnungsbeschluss zur Frage der Aufklärungspflicht in Bezug genommenen Aktenteile als nicht erforderlich. Ob das Oberlandesgericht die Anträge zu Recht mangels bestimmter Tatsachenbehauptung als unzulässig zurückgewiesen hat, bestimmt sich allein anhand des mitgeteilten Antragswortlauts.
15
c) Dieser ergibt, dass es sich entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts jeweils um Beweisanträge handelte. In allen Fällen sind konkrete technische Eigenschaften benannt, aufgrund derer den gehandelten Ventilen die Nukleareignung fehlen soll. Dies genügt. Die Begründung des Oberlandesgerichts , wonach es mangels Kenntnissen über die konkrete Ausgestaltung des im Iran geplanten Reaktors an Anknüpfungstatsachen für einen Sachverständigen fehle, besagt nichts über die mangelnde Bestimmtheit der unter Beweis gestellten Tatsache. Dieser Umstand hätte allenfalls - im konkreten Fall jedoch eher fernliegend - für die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 4 StPO) sprechen können.
16
d) Auf der rechtsfehlerhaften Ablehnung der Beweisanträge beruht das Urteil indes nicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Allerdings ist es dem Revisionsgericht regelmäßig versagt, den Ausschluss des Beruhens daraus herzuleiten, dass die ablehnende Entscheidung mit anderer Begründung rechtsfehlerfrei hätte ergehen können (BGH, Beschluss vom 29. Februar 2000 - 1 StR 33/00, NStZ 2000, 437, 438). Denn die fehlerhafte Ablehnung kann grundsätzlich Auswirkungen auf die weitere Verfahrensführung in dem Sinne gehabt haben, dass die Beteiligten gehindert worden sind, die geänderte Prozesslage in ihrem weiteren Verhalten zu berücksichtigen, insbesondere weitere Anträge zu stellen (BGH, Urteil vom 19. März 1991 - 1 StR 99/91, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2, Ungeeignetheit 10).
17
Solche Auswirkungen waren hier indes nicht anzunehmen, weil der Angeklagte M. trotz der (fehlerhaften) Ablehnung weitere, auf dasselbe Beweisziel gerichtete Anträge gestellt hat, die das Oberlandesgericht zum Teil tragend (Rügen Nr. 7 und 11 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten M. ), zum Teil hilfsweise (Rüge Nr. 4 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten M. ) in nicht zu beanstandender Weise wegen rechtlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt hat. Denn die Frage, ob die vom Angeklagten M. gehandelten Ventile für den Einsatz im Primärkreislauf eines Kernreaktors geeignet, ob sie nukleartauglich oder nuklearspezifisch waren, ist weder für den Schuldspruch noch für den Strafausspruch relevant.
18
Für den Schuldspruch wegen Zuwiderhandlung gegen das Bereitstellungsverbot des Art. 7 Abs. 3 VO (EG) Nr. 423/2007 bzw. des Art. 16 Abs. 3 VO (EU) Nr. 961/2010 folgt dies bereits daraus, dass den Iran-EmbargoVerordnungen zwar der präventive Zweck zugrunde liegt, proliferationsrelevante nukleare Tätigkeiten im Iran zu verhindern (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-72/11 - Afrasiabi, juris Rn. 44). Bereits die Möglichkeit, dass der eine wirtschaftliche Ressource darstellende Vermögenswert für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet wird, die zur Verbreitung von Kernwaffen im Iran beitragen können, würde indes diesem Zweck widerstreiten (EuGH aaO, Rn. 46; Urteil vom 29. April 2010 - C-340/08, NVwZ 2010, 1018, 1020). Über Güter des täglichen Lebens oder Leistungen mit Verbrauchscharakter hinaus begründet das Bereitstellungsverbot daher ein generelles Verbot der Ausfuhr von Waren an gelistete Organisationen (vgl. Morweiser in Wolffgang /Simonsen, AWR-Kommentar, § 34 Abs. 4 AWG Rn. 89 [Stand: Juni 2012]). Es ist demnach für den Schuldspruch insoweit irrelevant, ob die Ventile im nuklearspezifischen oder einem sonstigen Bereich des Reaktors Verwendung finden konnten und sollten.
19
Der genaue Verwendungszweck ist auch für die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen ein Ausfuhrverbot ohne Bedeutung. Sowohl § 5d Abs. 1 AWV aF als auch § 9 Abs. 1 AWV nF stellen allein auf die mögliche Bestimmung für eine kerntechnische Anlage insgesamt ab. Mit Blick auf § 34 AWG aF würde schließlich selbst bei einem Einsatz der Ventile außerhalb des Primärkreislaufes deren Ausfuhr geeignet sein, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden - sei es im Rahmen des Grunddeliktes (§ 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG aF), sei es im Rahmen des Qualifikationstatbestandes (§ 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c) AWG aF). Maßgeblich sind insoweit die Handelstätigkeit mit dem Iran mit Bezug auf dessen Schwerwasserreaktor sowie das Versagen des BAFA bei der Ausfuhrkontrolle.
20
Soweit die Eignung der Ventile zum Einsatz in einem Kernkraftwerk und damit die Nähe des gehandelten Gutes zu der letztendlichen Verwendung, die mit den Embargovorschriften vermieden werden soll, für die Strafzumessung von Bedeutung ist, hat das Oberlandesgericht diesem Umstand bereits dadurch umfassend Rechnung getragen, dass es in erheblichem Maße strafmildernd berücksichtigt hat, dass aufgrund der fehlenden nuklearspezifischen Qualität der Stellantriebe die Kombination aus Ventil und Stellantrieb für eine Verwen- dung im Inneren Sicherheitsbereich des Reaktors ohnehin fehlte. Der Senat schließt angesichts dessen aus, dass es wegen der Beschaffenheit der Ventile als solche niedrigere Strafen verhängt hätte.
21
2. Die Rüge des Angeklagten M. , das Oberlandesgericht habe seinen Antrag auf Vernehmung von Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass bei einer Besprechung zum Thema "Beschaffung von Ventilen und Stellantrieben durch den Iraner T. " die USA gegenüber der Bundesrepublik keine Vorwürfe erhoben hätten, rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (Rüge Nr. 5 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten M. ), ist ebenfalls unbegründet.
22
Nach den oben dargelegten Maßstäben bedurfte es für eine zulässige Rügeerhebung entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts keines weiteren Vortrags zu Einzelheiten der Personen, zu Inhalten und Hintergründen der Besprechung. Die behauptete Rechtsfehlerhaftigkeit des Ablehnungsbeschlusses ergibt sich aus seiner mitgeteilten Begründung und den die Beweistatsache betreffenden Urteilsgründen. Aus diesen folgt indes, dass das Oberlandesgericht sich an die Behandlung der Beweistatsache als erwiesen gehalten hat; es hat der Beweistatsache nur nicht die vom Angeklagten gewünschte Bedeutung beigemessen. Das begründet die Rechtsfehlerhaftigkeit der Ablehnung des Beweisantrags jedoch nicht.
23
Soweit das Oberlandesgericht die weitere Beweistatsache, die technische Eignung der Ventile sei bei dieser Besprechung nicht thematisiert worden, in seinem Ablehnungsbeschluss ohne nähere Begründung schlicht als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos behandelt hat, ist die Revision darauf nicht gestützt. Sie wäre aber auch insoweit unbegründet. Allerdings ist die Begründung des Ablehnungsbeschlusses nicht rechtsbedenkenfrei. Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit erfordert in aller Regel, dass der Beschluss konkrete Erwägungen darüber enthält, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 3 StR 135/13, NStZ 2014, 110 mwN). Die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts genügt nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2006 - 2 StR 444/06, StV 2007, 176, 177). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt indes in Fällen, in denen die Bedeutungslosigkeit für jeden Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. Mai 1990 - 5 StR 594/89, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 12). So verhält es sich hier: Ob etwas Thema einer Besprechung war, lässt ersichtlich weder einen Rückschluss darauf zu, ob der Umstand selbst gegeben war, noch darauf, ob die Frage bei den Teilnehmern überhaupt von Interesse war.
24
3. Zu Unrecht hat das Oberlandesgericht auch dem Antrag des Angeklagten M. auf Vernehmung einer benannten Mitarbeiterin des BAFA zum Beweis der Tatsache, dass diese in einem Telefonat geäußert habe, die vom Angeklagten M. im Gespräch näher spezifizierten Ventile könnten nicht nur nach Aserbaidschan, sondern sogar in den Iran geliefert werden, den Charakter eines Beweisantrags abgesprochen (Rüge Nr. 10 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten M. ). Der Umstand, dass im Antrag die Art der Spezifikation der Ventile während des Telefonats durch den Angeklagten M. nicht näher dargelegt wurde, ändert nichts an der Bestimmtheit der Behauptung über die Äußerung der Mitarbeiterin. Dass dieser Äußerung angesichts des un- klaren Bezugspunkts kein oder nur ein geringer Beweiswert zukommen mag, ist eine Frage der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit, auf die das Oberlandesgericht die Ablehnung hilfsweise gestützt hat. Die insoweit in der Ablehnungsentscheidung gegebene Begründung erweist sich als rechtsfehlerfrei, so dass die Rüge unbegründet ist. Der vom Generalbundesanwalt mit Blick auf die Zulässigkeit als fehlend bemängelte Vortrag des Schreibens des BAFA vom 10. September 2009 war demgegenüber nicht erforderlich, da das Schreiben im Urteil vollständig wiedergegeben und die Urteilsurkunde bereits aufgrund der ebenfalls erhobenen Sachrüge vom Senat zur Kenntnis zu nehmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1990 - 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 385).
25
4. Soweit die Angeklagten K. - gestützt auf § 244 Abs. 2 und 3 Satz 2 StPO - die Ablehnung von Anträgen auf Einholung von Sachverständigengutachten teils wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels, teils wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsachen beanstanden (Rügen Nr. 2 und 5 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten G. K. , Rügen Nr. 1 und 3 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten K. K. ), erweisen sich diese Rügen deshalb als unzulässig, weil der auf die Gegenvorstellung ergangene Gerichtsbeschluss nicht mitgeteilt wird. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, da mit diesem eine etwaige anfängliche rechtsfehlerhafte Ablehnung möglicherweise geheilt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2012 - 1 StR 647/11, NStZ-RR 2012, 178).
26
5. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Rüge des Angeklagten K. K. , sein Antrag vom 16. August 2013 auf Vernehmung des T. als Zeuge sei zu Unrecht mit Beschluss vom 5. September 2013 gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt worden (Rüge Nr. 4 der Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten K. K. ). Der Beschwerdeführer hätte die Ent- scheidung über die zeitlich nachfolgende Anregung des Verteidigers des Angeklagten G. K. vom 8. November 2013 auf Einvernahme des T. mitteilen müssen, da auch sie etwaige Fehler bei der Ablehnung vom 5. September 2013 möglicherweise geheilt hat. Demgegenüber trägt das vom Generalbundesanwalt für die Unzulässigkeit herangezogene Argument, im Antrag in Bezug genommene Aktenteile seien nicht ihrem Inhalt nach dargelegt worden, nicht. Denn dem Antrag selbst ist zu entnehmen, dass die Verfahrensvorgänge nur in Bezug genommen wurden, um zu verdeutlichen, dass die aufgestellten Beweisbehauptungen nicht aus der Luft gegriffen waren. Für das Verständnis und die Beurteilung der Beweisbehauptung spielten diese Aktenteile daher von vornherein keine Rolle.
27
6. Ebenfalls unzulässig erhoben ist die Rüge des Angeklagten K. K. (Rüge Nr. 2 seiner Revisionsbegründungsschrift), das Oberlandesgericht habe zu Unrecht einen Antrag auf Einholung einer amtlichen Auskunft der Internationalen Atomenergiebehörde wegen Unerreichbarkeit des Beweismittels abgelehnt. Denn die Revision teilt nicht den Vermerk des Ermittlungsführers beim Generalbundesanwalt über eine Erklärung der Mitarbeiterin der Rechtsabteilung dieser Behörde mit. Auf dessen Inhalt hat das Oberlandesgericht jedoch im Wesentlichen seine Begründung der Unerreichbarkeit gestützt, weshalb dessen Wiedergabe zur Beurteilung der Richtigkeit der Argumentation unerlässlich war.
28
7. Schließlich greift auch die Aufklärungsrüge des Angeklagten G. K. (Rüge Nr. 3 seiner Revisionsbegründungsschrift), mit der dieser beanstandet, das Oberlandesgericht hätte seinen Sohn N. K. als Zeugen zu der Richtigkeit des Inhalts eines von diesem verfassten Schriftstücks vernehmen müssen, nicht durch. Die Rüge, zu der der Generalbundesanwalt sich nicht verhält, erweist sich als unzulässig, weil der Revisionsführer nicht darlegt, aufgrund welcher Umstände sich das Oberlandesgericht zu der Zeugeneinvernahme hätte gedrängt sehen müssen (hierzu BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 4 StR 139/03, NStZ 2004, 690). Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn es Anhaltspunkte dafür gegeben hätte, dass N. K. entweder wissentlich Falsches niedergeschrieben oder nachträglich von der Unrichtigkeit Kenntnis erlangt hat. Für beides ist selbst nach dem Rügevorbringen nichts ersichtlich.
29
IV. Die Sachrüge führt bei den Angeklagten K. jeweils zu einer Korrektur der konkurrenzrechtlichen Bewertung der Taten und beim Angeklagten G. K. zu einer Abänderung des Verfallsbetrages. Im Übrigen hat die umfassende Überprüfung des Urteils keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
30
1. Zutreffend hat das Oberlandesgericht die am 1. September 2013 aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts vom 6. Juni 2013 (BGBl. I, S. 1482) in Kraft getretene Neufassung des Außenwirtschaftsgesetzes zur Anwendung gebracht (§ 2 Abs. 3 StGB). Soweit allerdings der im Urteil enthaltenen Liste der angewendeten Vorschriften sowie den Ausführungen des Oberlandesgerichts im Rahmen der rechtlichen Würdigung und der Strafzumessung zu entnehmen ist, dass der Günstigkeitsvergleich des § 2 Abs. 3 StGB nur Bedeutung für die Strafzumessung habe, während der Schuldspruch sich stets nach dem Tatzeitrecht (§ 2 Abs. 1 StGB) richte, trifft dies nicht zu. Vielmehr ist das mildere Gesetz in seiner Gesamtheit anzuwenden , wobei eine Vergleichsbetrachtung des konkreten Einzelfalls geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2014, - 3 StR 314/13, NStZ 2014, 586, 587).
31
Diese führt vorliegend insgesamt zur Anwendung des neuen Rechts. Denn da die Angeklagten jeder für sich (§ 28 Abs. 2 StGB) in allen Fällen das Qualifikationsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit erfüllten, ist § 18 Abs. 7 Nr. 2 Alternative 1 AWG nF maßgeblich, der gegenüber § 34 Abs. 6 Nr. 2 Alternative 1 AWG aF eine niedrigere Mindeststrafe aufweist. Dies gilt auch für die Verurteilung wegen der Ausfuhrverstöße hinsichtlich der Lieferungen vom 29. Oktober und vom 5. Dezember 2010 (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - StB 16/13, juris Rn. 24). Soweit diese Taten nunmehr auch von § 18 Abs. 1 Nr. 1 AWG nF erfasst würden, weil diese Vorschrift - anders als § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG aF - nicht mehr eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger, sondern lediglich im Amtsblatt der Europäischen Union verlangt, die hier bereits am 27. Oktober 2010 vorgenommen wurde, steht einem derartigen Schuldspruch trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit des neuen Rechts § 2 Abs. 4 StGB entgegen. Nach dieser Vorschrift ist ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Bei den einen Embargotatbestand ausfüllenden Normen handelt es sich trotz Fehlens einer ausdrücklichen Befristung wegen der erkennbar für die Dauer eines Ausnahmezustandes geschaffenen Regelungen um solche Zeitgesetze im Sinne des § 2 Abs. 4 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1998 - 1 StR 110/98, BGHR AWG § 34 UN-Embargo 4; Morweiser in Wolffgang/Simonsen aaO, Rn. 114). Über § 2 Abs. 3 StGB kann in diesen Fällen weder eine Strafbarkeit nachträglich entfallen, noch kann ein abweichender Schuldspruch begründet werden.
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2. Der Verurteilung der Angeklagten G. und K. K. wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr ohne Genehmigung nach § 9 Abs. 1 AWV nF steht nicht entgegen, dass das Oberlandesgericht nicht festzustellen vermocht hat, dass diesen die jeweiligen Unterrichtungsschreiben des BAFA, die den an sie zu stellenden Anforderungen genügten, bekannt waren. Infolgedessen war ihnen auch nicht bekannt, dass der Angeklagte M. und der gesondert Verfolgte L. schon allein wegen dieser Unterrichtung einer Ausfuhrgenehmigung bedurften.
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Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 StGB) setzt auf subjektiver Seite einen doppelten Gehilfenvorsatz voraus. Dieser muss die Unterstützungshandlung umfassen und sich auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen Haupttat richten, wobei es genügt, dass der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere ihre Unrechts- und Angriffsrichtung erkennt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 435/11, StraFo 2012, 239). Diese gegenüber dem Anstifter geringeren Anforderungen an die Konkretisierung des Vorstellungsbildes des Gehilfen folgen schon daraus, dass dieser nicht eine bestimmte Tat anstreben muss. Er erbringt vielmehr einen losgelösten Beitrag , von dem er lediglich erkennen und billigend in Kauf nehmen muss, dass dieser Beitrag sich als unterstützender Bestandteil in einer Straftat manifestieren wird (BGH, Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137 f.). Daraus erschließt sich, dass auch eine andere rechtliche Einordnung der Tat durch den Gehilfen dessen Vorsatz unberührt lässt, solange er sich nicht eine grundsätzlich andere Tat vorstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400 mwN). Zwischen vorgestellter und tatsächlich begangener Tat muss mithin eine tatbestandliche Verwandtschaft bestehen (vgl. MüKoStGB/Joecks, 2. Aufl., § 27 Rn. 95 f.). Diese ist vorliegend gegeben. Denn auch nach dem rechtsfehlerfrei festgestelltem Vorstellungsbild der Angeklagten K. war schon aufgrund ihrer Kenntnis von der Verwendung der Ventile im Iran eine Entscheidung durch das BAFA vor einer Ausfuhr erforderlich, die bei wahrheitsgemäßen Angaben nur auf Versagung einer Genehmigung lauten konnte (vgl. § 9 Abs. 2 AWV nF). Ihr Kenntnismangel bezog sich demnach lediglich auf den Umstand, durch den die als solche erkannte Pflicht zur Beteiligung des BAFA ausgelöst wurde. Dem kommt keine den Beihilfevorsatz in Frage stellende Bedeutung zu.
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3. Indes hält die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten durch das Oberlandesgericht nicht in allen Fällen der rechtlichen Überprüfung stand.
35
Die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses richtet sich nach dem Tatbeitrag des jeweiligen Beteiligten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2001 - 3 StR 52/01, StV 2002, 73). Von diesem Ausgangspunkt her hat das Oberlandesgericht mit Blick auf die Ventile der Gruppen A und C bezüglich des Angeklagten G. K. zutreffend jeweils nur eine Tat angenommen, da der Schwerpunkt seiner Tatbeteiligung in der Finanzierung der Geschäfte gelegen habe. Ein auf die einzelnen Lieferungen bezogener Tatbeitrag sei nicht feststellbar gewesen. Dies gilt jedoch auch für die durch das indische Unternehmen vorgenommenen Lieferungen der Ventile der Gruppe B. Die allein festgestellte Beauftragung der Herstellung dieser Ventile durch unter anderem den Angeklagten G. K. stellt keinen individuellen konkreten Tatbeitrag zu den einzelnen Liefervorgängen dar.
36
Entsprechendes gilt für den Angeklagten K. K. . Auch ihn betreffend hat das Oberlandesgericht lediglich auf die Gesamtgeschäfte bezogene Handlungen festgestellt. Einzige Ausnahme ist insofern die Lieferung der MIT. GmbH vom 29. Oktober 2010, vor deren Freigabe der Angeklagte eine Prüfung der Ventile vornahm. Soweit ihm auch für die weiteren Lieferungen der Ventile der Gruppe C vom 18. Januar und vom 28. März 2011 eine entsprechende Aufgabe zukam, hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt, dass er dieser auch nachkam.
37
Der Senat ändert - da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind - den Schuldspruch bezüglich der Angeklagten G. und K. K. entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten nicht anders als geschehen hätten verteidigen können. Bei der Fassung des Schuldspruchs hat der Senat zur Wahrung der Übersichtlichkeit den Zusatz vorsätzlicher und unerlaubter Tatbegehung entfallen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 - 3 StR 314/13, juris Rn. 35, insoweit in NStZ 2014, 586 nicht abgedruckt) und auf eine Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit verzichtet (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1996 - 4 StR 166/96, NStZ 1996, 493, 494). Darüber hinaus hat er - insoweit auch bezüglich des Angeklagten M. - die Formulierung an die Neufassung der Strafvorschriften des AWG angepasst.
38
4. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall folgender Einzelstrafen :
39
a) Bei dem Angeklagten K. K.
- betreffend die Ventile der Gruppe C die Einzelstrafen für die Lieferungen vom 18. Januar und 28. März 2011 (jeweils Freiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten). Die Einzelstrafe für die Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung am 29. Oktober 2010 (ein Jahr Freiheitsstrafe) bleibt hingegen bestehen ;
- betreffend die Ventile der Gruppe A die Einzelstrafen für die Lieferungen vom 5. Dezember 2010 (Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ) und vom 21. März 2011 (Freiheitsstrafe von zwei Jahren);
- betreffend die Ventile der Gruppe B die Einzelstrafen für die Lieferungen vom 31. August 2010 (Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten), vom 27. Januar 2011 (Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten) und vom 20. April 2011 (Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten).
40
b) Bei dem Angeklagten G. K.
- betreffend die Ventile der Gruppe B die Einzelstrafen für die Lieferungen vom 31. August 2010 (Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten), vom 27. Januar 2011 (Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten) und vom 20. April 2011 (Freiheitsstrafe von drei Jahren).
41
Die Einzelstrafen für seine Tatbeiträge zu den Lieferungen der Ventile der Gruppen A und C (jeweils Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ) bleiben hingegen bestehen.
42
c) Einer Zurückverweisung an den Tatrichter zur neuerlichen Strafbemessung bedarf es gleichwohl nicht. Da die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler erkennen lassen, setzt der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO jeweils die - die einzelnen Ventilgruppen betreffende - höchste verhängte Strafe als Einzelstrafe fest. Da sich der Unrechtsgehalt durch die tateinheitliche Verknüpfung der einzelnen Lieferungen insgesamt erhöht hat, kann der Senat ausschließen, dass die neu festzusetzenden Einzelstrafen geringer ausgefallen wären. Demnach hat der Angeklagte K. K. Einzelstrafen von zwei Jahren und drei Monaten (Ventile der Gruppe B), zwei Jahren (Ventile der Gruppe A), einem Jahr und neun Monaten (Ventile der Gruppe C) sowie einem Jahr (Beihilfe zur gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern ohne Genehmigung trotz Unterrichtung über deren Verwendung am 29. Oktober 2010) verwirkt, der Angeklagte G. K. Freiheitsstrafen von drei Jahren (Ventile der Gruppe B) sowie zweimal zwei Jahren und sechs Monaten (Ventile der Gruppen A und C).
43
Angesichts des trotz der abweichenden konkurrenzrechtlichen Bewertung hier insgesamt unveränderten Schuldumfangs und des vom Oberlandesgericht vorgenommenen äußerst straffen Zusammenzugs der Einzelstrafen schließt der Senat weiterhin aus, dass es trotz des Wegfalls der Einzelstrafen ausgehend von den Einsatzstrafen von drei Jahren beim Angeklagten G. K. und zwei Jahren und drei Monaten beim Angeklagten K. K. niedrigere Gesamtstrafen verhängt hätte.
44
5. Der zum Nachteil des Angeklagten G. K. angeordnete Wertersatzverfallbetrag bedarf der Korrektur.
45
Unter nicht zu beanstandender Würdigung eines aufgefundenen Schriftstückes hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der gesondert verfolgte T. auf einen Schuldenstand in Höhe von 600.000 € dem Angeklagten G. K. 300.000 € bezahlt habe. Hiervon ausgehend hat das Oberlandesgericht unter Vornahme eines Sicherheitsabschlags in Höhe von 50.000 € auf den Verfall von Wertersatz in Höhe von 250.000 € erkannt.
46
Dabei hat es indes nicht belegt, dass der AngeklagteG. K. die gesamten 250.000 € für die Tat oder aus ihr erlangt hat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB). Getragen wird dies von den Urteilsgründen nur in Höhe von 159.225,42 €, die als Gegenleistung für Ventillieferungen geflossen waren, wo- bei hiervon 19.766,29 € nicht ausschließbar auf die zweite Lieferung der Ventile der Gruppe B entfielen, hinsichtlich derer das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Bezüglich des Differenzbetrags zwischen 159.225,42 € und 250.000 € ist demgegenüber möglich, dass es sich dabei um die dem Verfall nicht unterliegende Teilrückzahlung des T. zur Verfügung gestellten Darlehens über 109.300 € zur Finanzierung der vom Angeklagten M. gefertigten Ventile ging.
47
Da weitere Feststellungen zum Hintergrund einzelner Geldflüsse nicht zu erwarten sind, setzt der Senat den Wertersatzverfallsbetrag in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf den rechtsfehlerfrei festgestellten Be- trag in Höhe von 139.459,13 € (159.225,42 € - 19.766,29 €) fest.
48
VI. Der geringfügige Erfolg der Rechtsmittel der Angeklagten K. lässt es nicht unbillig erscheinen, diese Angeklagten - wie auch den Angeklagten M. - insgesamt mit den Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 78/00
vom
11. April 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2000 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 15. November 1999 im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, ist im übrigen aber unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Der zur Tatzeit 64jährige asthmakranke Angeklagte, der unter einer beginnenden organischen Persönlichkeitsstörung leidet, ist mit dem Tatopfer seit 1987 in zweiter Ehe verheiratet. Zwischen den Eheleuten war es immer wieder zu Streitigkeiten und massiven Auseinandersetzungen gekommen. Anlaß hierfür war der sehr häufige Wunsch des Angeklagten gewesen, mit seiner Ehefrau geschlechtlich zu verkehren. Dafür hatte diese ihm nach seiner Einstellung jederzeit zur Verfügung zu stehen. Infolgedessen hatte sich seine Frau
bereits wiederholt zu einer Nachbarin geflüchtet und vorübergehend auch in einem Frauenhaus Unterkunft gefunden. Die Situation verschärfte sich schließlich aufgrund einer Blasenerkrankung der Ehefrau, die die Ausübung des ehelichen Verkehrs erschwerte und für sie schmerzhaft machte. Sie litt zudem zum Tatzeitpunkt an einer Scheidenentzündung , nachdem ihr kurz zuvor ein Blasenkatheter entfernt worden war. Am Tattag bedrängte der Angeklagte seine Frau, die sich schließlich mit seinem Vorschlag einverstanden erklärte, sich nackt auf das Bett zu legen und sich vom Angeklagten streicheln zu lassen. Dieser wollte sich dabei selbst befriedigen. Die Ausübung des Geschlechtsverkehrs wollte seine Frau – wie der Angeklagte wußte – auf keinen Fall. Während des weiteren Verlaufs faßte der sexuell erregte Angeklagte indessen den Entschluß, entgegen der getroffenen Absprache nun doch den Verkehr auszuüben. Er ignorierte die Aufforderung seiner Frau, dies zu unterlassen. Die Geschädigte begann sich zur Wehr zu setzen, indem sie versuchte den Angeklagten wegzudrücken und ihm mit der rechten Hand gegen die Brust schlug. Es gelang ihr jedoch nicht, den auf ihr liegenden, körperlich überlegenen Angeklagten abzuwehren. Um ihren Widerstand zu überwinden, hielt dieser sie an den Oberarmen fest und führte etwa 20 bis 30 Minuten den Geschlechtsverkehr durch. Dies war für das Opfer mit erheblichen Schmerzen verbunden. 2. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten zu Recht der Vergewaltigung schuldig gesprochen. Die Begründung, mit der das Landgericht von der Regelwirkung der Vergewaltigung für die Annahme eines besonders schweren Falles der sexuellen Nötigung ausgeht und den Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB zugrundelegt , hält rechtlicher Nachprüfung indessen nicht stand. Die angestellten Er-
wägungen werden den Besonderheiten des Falles, die sich aus der Beziehung zwischen dem persönlichkeitsgestörten Angeklagten und der Geschädigten sowie aus dem Tatverlauf ergeben, nicht in jeder Hinsicht gerecht; insoweit erweist sich die gebotene Gesamtwürdigung als lückenhaft.
a) Trifft ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall nach § 177 Abs. 2 StGB mit gewichtigen Milderungsgründen zusammen, so kann die Regelwirkung entfallen. Der Bestrafung kann dann ausnahmsweise der Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zugrundegelegt werden. In extremen Ausnahmefällen kann sogar eine weitergehende Milderung des Normalstrafrahmens (§ 177 Abs. 1 StGB) und die Bemessung der Strafe aus dem Rahmen für den minder schweren Fall (§ 177 Abs. 5 StGB) in Betracht zu ziehen sein (vgl. BGH NStZ 1999, 615; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 177 Rdn. 35). Für die Entscheidung, ob die Regelwirkung des Regelbeispiels für den besonders schweren Fall ausnahmsweise wegen gewichtiger Milderungsgründe entfällt, ist - ähnlich wie bei der Prüfung der Voraussetzungen eines minder schweren Falles - auf das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit abzustellen und zu prüfen, ob sich angesichts deutlich überwiegender Milderungsgründe die Bewertung der Tat als besonders schwerer Fall als unangemessen erweisen würde (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 299).
b) Das Landgericht hat vorliegend zu Recht erwogen, ob eine Ausnahme von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB in Betracht kommt. Die konkrete Würdigung hierzu begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat gemeint, die Regelwirkung für die Annahme eines besonders schweren Falles entfalle hier nicht. Das Schwergewicht der Milderungsgründe liege in der organischen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten
und nicht in einer "Abschwächung von Tatbestandselementen", die den besonders schweren Fall prägten. Daher hat es den Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB zugrundegelegt und diesen wegen nicht ausschließbarer erheblicher Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Bei der konkreten Strafbemessung hat es weiter mildernd in Rechnung gestellt, daß der Angeklagte nicht vorbestraft ist, bislang in geordneten Verhältnissen gelebt hat, daß sein Gesundheitszustand angegriffen und er wegen seines vorgerückten Alters besonders strafempfindlich ist; überdies hat es berücksichtigt, daß die Geschädigte ihm verziehen hat und wieder bereit ist, mit ihm zusammenzuleben. Straferschwerend hat es auf die Dauer der Tatausführung, die "rohe Gesinnung" des Angeklagten und die für ihn erkennbaren Schmerzen seiner Ehefrau sowie das mißbrauchte Vertrauen abgehoben, nachdem er ihr zuvor versprochen hatte, er werde sie "nur streicheln". Die Prüfung des Landgerichts, ob die von der Verwirklichung eines Regelbeispiels ausgehende Regelwirkung für die Annahme eines besonders schweren Falles der sexuellen Nötigung hier wegen Vorliegens gewichtiger Milderungsgründe entfällt, vernachläßigt wesentliche Besonderheiten des Sachverhalts. Schon das Abheben auf die von der Strafkammer vermißte "Abschwächung von Tatbestandselementen" läßt besorgen, daß die Kammer die im Zuge der konkreten Strafzumessung angesprochenen täterbezogenen Milderungsgründe in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang nicht hinreichend bedacht hat. Das gilt namentlich im Blick auf Alter und Gesundheitszustand des bis dahin nicht vorbestraften Angeklagten. Das Landgericht hätte sich überdies damit auseinandersetzen müssen, welche Bedeutung für die Beurteilung der Schwere des Falles und den anzuwendenden Strafrahmen die langjährige Ehe zwischen Täter und Opfer sowie der Umstand hatte, daß das
Opfer dem Angeklagten verziehen hat und wieder bereit ist, mit ihm zusammenzuleben. Darüber hinaus wäre ausdrücklich zu erwägen gewesen, daß der sexuelle Kontakt zwischen den Eheleuten zunächst einverständlich stattfand. Auch das Maß der Gewaltanwendung durch den Angeklagten, mit dem er letztlich absprachewidrig den Geschlechtsverkehr erzwang, wäre zu gewichten gewesen. Bei allem durfte die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten nicht nur bei der Frage einer Strafrahmenmilderung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB berücksichtigt werden. Nach dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen ist das emotionale Verhalten des Angeklagten raschen Wechseln unterworfen. Zu seinem Krankheitsbild gehört, daß Bedürfnisse und Impulse meist ohne Berücksichtigung von Konsequenzen geäußert werden. In diesem Zusammenhang hätte auch bei der Prüfung einer Ausnahme von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB bedacht werden müssen, daß es sich um eine im Zustand - insoweit einvernehmlich bewirkter - sexueller Erregung begangene Spontantat handelte, bei der sich ersichtlich die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten ausgewirkt hat. In der Gesamtschau drängte sich angesichts der Fülle gewichtiger Milderungsgründe auf, das Vorliegen eines besonders schweren Falles zu verneinen und den Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zugrundezulegen. Es liegt nicht fern, daß auch dieser aus den vom Landgericht angeführten Gründen nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu mildern wäre. Das hätte zur Folge, daß von einer dem Angeklagten günstigeren Untergrenze des Strafrahmens auszugehen wäre. Nicht völlig ausgeschlossen erscheint zudem, daß einer der Ausnahmefälle angenommen werden könnte, in denen trotz Verwirklichung eines Regelbeispiels im Sinne des § 177 Abs. 2 StGB bei entfallender Regelwirkung der Strafrahmen für den minder schweren Fall angewendet werden kann (§ 177 Abs. 5 StGB); der neue Tatrichter wird dies jedenfalls prüfen müssen.

c) Der dargestellte Mangel des Urteils führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die zugrundeliegenden Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen sind zulässig. Schäfer Granderath Nack Boetticher Schluckebier

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 90/01
vom
10. Mai 2001
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Mai 2001 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 19. Oktober 2000 wird verworfen; jedoch wird das angefochtene Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen Vergewaltigung verurteilt wird. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes, sexueller Nötigung in drei Fällen und Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine Revision ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Im Fall II. 2. der Urteilsgründe hat der Angeklagte seinem Opfer mit Gewalt die Unterbekleidung ausgezogen und begonnen, mit seinem erigierten Glied in dessen Scheide einzudringen. Das Landgericht hat dies zutreffend als vollendeten Beischlaf angesehen. Auch nach der Neufassung der Sexualdelikte durch das 6. StrRG verbleibt es bei der Rechtsprechung, daß mit dem Eindringen in den Scheidenvorhof der Tatbestand des Beischlafs erfüllt ist (vgl.
BGH, Urt. vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 242/00 - zur Veröffentlichung in BGHSt 46, 177 bestimmt; ebenso Beschl. vom 18. August 2000 - 3 StR 146/00 = bei Pfister NStZ-RR 2000, 354 (Nr. 9) - jeweils zu § 176 a Abs. 1 Nr. 1 StGB; Urt. vom 17. Oktober 2000 - 1 StR 270/00 - zu § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB). Das Landgericht hat angesichts von Milderungsgründen die Strafe sodann trotz Verwirklichung des Regelbeispiels dem Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB entnommen. In einem solchen Fall ist die Tat in der Urteilsformel gleichwohl als Vergewaltigung zu bezeichnen (BGH bei Pfister NStZ-RR 2000, 357 und NStZRR 1999, 353; BGH, Beschl. vom 7. März 2001 - 1 StR 21/01). Der Senat hat deshalb den Schuldspruch geändert.
Kutzer Rissing-van Saan Pfister RiBGH von Lienen ist durch Urlaub Becker verhindert, zu unterschreiben. Kutzer

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.