Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2013 - 2 StR 163/13

bei uns veröffentlicht am16.07.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 163/13
vom
16. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen erpresserischen Menschenraubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 16. Juli 2013 gemäß §§ 349
Abs. 4, 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten L. , S. und K. wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 13. Dezember 2012, auch soweit es die Mitangeklagten St. und Si. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht Trier hat den Angeklagten L. wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Angeklagten S. und K. hat es jeweils des erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung schuldig gesprochen und den Angeklagten S. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, den Angeklagten K. zu einer solchen von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung der Angeklagten S. und K. ging eine Verständigung (§ 257c StPO) voraus. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Die Angeklagten L. und K. sowie die nicht revidierenden Mitangeklagten St. und Si. arbeiteten im Sommer 2012 als selbständige Subunternehmer für die vom Angeklagten S. geführte G. GmbH an einem Bauvorhaben in F. . Die G. GmbH war wiederum von der B. GmbH, die im Tatzeitraum jedenfalls faktisch von den Geschädigten R. und Ku. geleitet wurde, als Subunternehmerin beauftragt worden. Nach Unstimmigkeiten über ihren sozialversicherungsrechtlichen Status stellten L. , K. , St. und Si. die Arbeiten ein, woraufhin die B. GmbH den Subunternehmervertrag mit der G. GmbH fristlos kündigte. In der Folge kam es zu Streitigkeiten über die Zahlung des noch ausstehenden Werklohns. Am 24. oder 25. Juli 2012 kam es zu einer Vereinbarung zwischen dem Angeklagten S. einerseits und den Geschädigten R. und Ku. andererseits, wonach ein Anspruch der G. GmbH auf den ausstehenden Werklohn bestehe, dieser aber nur nach Vorlage diverser Unterlagen, insbesondere steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Art, fällig sein sollte.
4
Ende Juli/Anfang August 2012 berichtete der Angeklagte S. den Mitangeklagten L. K. , St. und Si. , dass der Geschädigte R. die Zahlung verweigere, da – was zutraf – nicht alle Unterlagen vorlägen und er – S. – nunmehr einen Rechtsanwalt beauftragt habe, um seine Forderung einzuklagen. S. zahlte den Mitangeklagten nach einer entsprechenden Ankündigung auch eine erste Rate in Höhe von 1.000,- Euro auf ihren Arbeitslohn. In einer Email vom 31. Juli 2012 warf S. dem Geschädigten Ku. u.a. vor, dass seine Betriebsführung darin bestehe, dass keiner Geld bekomme und immer versucht werde, sich herauszureden. Dies sei "ein klarer Fall für den Anwalt bzw. ein Betrugsverfahren". Auch die Behörden seien bereits informiert. Weiterhin gab der Angeklagte S. sinngemäß an, er habe "den Leuten" seine Forderungen "überreicht", so dass Ku. mit einem Besuch zu Hause rechnen müsse.
5
Am 12. August 2012 begab sich der Angeklagte S. zusammen mit L. , K. , St. und Si. zum Wohnanwesen der Geschädigten R. und Ku. . Sie drangen in das Haus ein und verlangten unter wiederholter Androhung, den Geschädigten "aufs Maul zu schlagen", von diesen Geld. Weiter ließen sie sich von den Geschädigten deren Mobiltelefone aushändigen. Nach einem Fluchtversuch des Geschädigten R. entstand ein Gerangel , in dessen Verlauf der Angeklagte L. eine geladene Gaspistole zog und diese dem Geschädigten R. vorhielt. Dieses Vorgehen war mit den anderen Angeklagten, die bis dahin nichts von der Waffe wussten, nicht abgesprochen; trotzdem wirkten sie weiter an der Tat mit.
6
Auf Vorschlag des Geschädigten R. fuhr dieser mit den Angeklagten L. , K. , St. nach W. , wo sich ein Bankautomat befindet. S. und Si. blieben mit der Gaspistole zurück und bewachten den Geschädigten Ku.. In W. steuerte der Geschädigte R. jedoch mit Vollgas die dortige Polizeiwache an und konnte nach einer Vollbremsung vor den überraschten Angeklagten flüchten, die daraufhin zu dem Wohnanwesen zurückkehrten , wo sie kurze Zeit später festgenommen werden konnten.
7
Den Angeklagten L. , K. , St. und Si. war bei der Tatausführung bekannt, dass sie einen Zahlungsanspruch allenfalls gegen die G. GmbH, aber nicht gegen die B. GmbH hatten. Dem Angeklagten S.
war bekannt, dass weder er noch die G. GmbH mangels Vorlage der Unterlagen einen fälligen, einredefreien Anspruch gegen die B. GmbH hatten.
8
2. Der Schuldspruch wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des Urteils leidet, was das Vorstellungsbild der Angeklagten in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des angestrebten Vermögensvorteils angeht, an durchgreifenden Erörterungsmängeln.
9
a) Bei der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der zumindest bedingte Vorsatz des Täters erstrecken muss. Der Täter will sich oder einen Dritten dann zu Unrecht bereichern, wenn er einen Vermögensvorteil erstrebt, auf den er oder der Dritte keinen rechtlich begründeten Anspruch haben (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 402/10, NStZ 2011, 519 mwN). Stellt sich der Täter für die erstrebte Bereicherung eine in Wirklichkeit nicht bestehende Anspruchsgrundlage vor, so handelt er dagegen in einem Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 547/11, insoweit in StV 2013, 73 nicht abgedruckt; BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 328; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 253 Rn. 20, jeweils mwN).
10
b) Das Landgericht hat seine Annahme, der Angeklagte S. habe nicht über die Existenz eines ihm zustehenden, rechtlich begründeten Anspruchs geirrt, wie folgt begründet: Dem Angeklagte sei auf Grund der am 24. bzw. 25. Juli 2012 geschlossenen Vereinbarung und vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen im Baugewerbe bewusst gewesen, dass die Fälligkeit seines Zahlungsanspruchs von der Vorlage sämtlicher Unterlagen abhängig war. Auf Grund des Email-Verkehrs mit dem Zeugen Ku. , insbesondere auf Grund zweier Emails vom 25. und 30. Juli 2012 habe er gewusst, dass noch nicht alle Unterlagen vorgelegt worden seien. Das Landgericht teilt indes schon den Inhalt dieser Emails nicht mit, so dass der Senat diese Wertung nicht nachvollziehen kann. Im Übrigen geht aus der Email vom 31. Juli 2012 an den Geschädigten Ku. hervor, dass der Angeklagte S. dessen Vorgehen als bloße Hinhaltetaktik und "klaren Fall für den Anwalt bzw. ein Betrugsverfahren" angesehen hat. Dies könnte aber dafür sprechen, dass er die Vorstellung hatte, einen von der Rechtsordnung anerkannten und daher gerichtlich durchsetzbaren Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 329) zu haben. Mit diesem Indiz hätte sich die Strafkammer auseinandersetzen müssen.
11
c) Auch hinsichtlich der Mitangeklagten L. und K. greift die Beweiswürdigung der Strafkammer zu kurz. Danach sei diesen insbesondere auf Grund der vom Angeklagten S. geleisteten Ratenzahlung bewusst gewesen, dass allein dieser bzw. die G. GmbH Schuldner ihrer Lohnforderung gewesen sei. Eine Abtretung der Forderung der G. GmbH an die B. GmbH ließe sich den Umständen nicht entnehmen, zumal der Angeklagte S. gerade einen Rechtsanwalt mit ihrer Durchsetzung beauftragt habe. Diese Umstände sprechen zwar gegen die Annahme, die Mitangeklagten L. und K. eine irrig davon ausgegangen, auf die erstrebte Leistung einen eigenen Anspruch zu haben. Dagegen hat das Landgericht eine mögliche fremdnützige Bereicherungsabsicht nicht erkennbar bedacht. Nach den Feststellungen erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Mitangeklagten L. und K. handelten, um das Geld für die G. GmbH bzw. den Angeklagten S. einzutreiben, damit dieser in die Lage versetzt wird, ihre eigenen Lohnansprüche befriedigen zu können. In diesem Fall wäre aber zu erörtern gewesen, ob die Mitangeklagten davon ausgingen, dem Angeklagten S. habe ein rechtlich begründeter Anspruch zugestanden.
Dafür könnte insbesondere sprechen, dass sie von diesem darüber informiert wurden, dass er einen Rechtsanwalt beauftragt habe, um die ausstehenden Zahlungen einzuklagen (UA S. 19). Auch dazu verhält sich das Urteil nicht.
12
d) Diese Erörterungsmängel nötigen zur Aufhebung des Schuldspruchs mit den Feststellungen, wobei sich die Aufhebung auch auf die – für sich genommen rechtsfehlerfreie – tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten L. wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe erstreckt.
13
3. Die Aufhebung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierenden , durch die materiell-rechtlichen Aufhebungsgründe in gleicher Weise betroffenen Mitangeklagten St. und Si. zu erstrecken.
Fischer Schmitt Krehl Ott Zeng

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2013 - 2 StR 163/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2013 - 2 StR 163/13

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Strafgesetzbuch - StGB | § 16 Irrtum über Tatumstände


(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2013 - 2 StR 163/13 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Strafgesetzbuch - StGB | § 16 Irrtum über Tatumstände


(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den

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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2013 - 2 StR 163/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Okt. 2010 - 4 StR 402/10

bei uns veröffentlicht am 28.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 402/10 vom 28. Oktober 2010 in der Strafsache gegen wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober 2010, an der

Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2012 - 2 StR 547/11

bei uns veröffentlicht am 14.03.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 547/11 vom 14. März 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. 5. wegen gefährlicher Körperverletzung u. a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. März 2012, an der
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2013 - 2 StR 163/13.

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Dez. 2014 - 5 StR 136/14

bei uns veröffentlicht am 10.12.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR136/14 vom 10. Dezember 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Verdachts des Betruges u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Dezember 2014 aufgrund der Haup

Referenzen

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 402/10
vom
28. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
fürRechterkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 12. Februar 2010 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ferner ausgesprochen, dass von der Freiheitsstrafe drei Monate als verbüßt gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Geschädigte wegen eines längere Zeit zurückliegenden Besuchs in einer vom Angeklagten betriebenen Bar Zechschulden in Höhe von etwa 570 €. Nachdem er in den frühen Morgenstunden des 29. Februar 2008 erneut die Bar des Angeklagten aufgesucht und im weiteren Verlauf erklärt hatte, die während dieses Besuchs aufgelaufene Getränkerechnung in Höhe von 100 € ebenfalls nicht bezahlen zu können , entschloss sich der in der Bar anwesende Angeklagte, ihn nicht gehen zu lassen, ohne ihm zuvor Geld und Wertsachen abgenommen zu haben. In Ausführung dieses Entschlusses bedrohte er ihn mit einer Pistole und schlug ihn sodann mit der Waffe mehrfach wuchtig auf den Kopf und ins Gesicht. Der Ge- schädigte erlitt dadurch u.a. Frakturen der linken Augen- und Kieferhöhle. Daraufhin befahl der Angeklagte dem Geschädigten in Anwesenheit des nicht revidierenden Mitangeklagten G. , ihm sein ganzes Geld sowie andere, möglicherweise vorhandene Wertgegenstände ohne Rücksicht darauf, wem sie gehörten , unverzüglich auszuhändigen. Wie vom Angeklagten vorausgesehen, kam der Geschädigte diesem Verlangen unter dem Eindruck der zuvor erlittenen Misshandlungen ohne Zögern nach und legte u.a. 30 € Bargeld sowie die EC-Karte seiner Freundin K. samt Zettel mit zugehöriger PIN auf den Tisch. Die EC-Karte mit dem Zettel hatte er vor Verlassen der Wohnung ohne Wissen und Erlaubnis seiner Freundin mitgenommen, um Geld von ihrem Girokonto abheben und damit die für den Abend geplanten Gaststätten- und Barbesuche finanzieren zu können. Mangels Kontodeckung war dieses Vorhaben jedoch fehlgeschlagen. Trotz Hinweises des Geschädigten darauf, dass die Berechtigte der EC-Karte seine Freundin sei, ging der Angeklagte davon aus, dass dieser die Karte samt Zettel mit PIN einem Dritten gestohlen hatte, was er auch äußerte. Er vermutete weitere versteckte Wertgegenstände oder gestohlene EC-Karten in der Kleidung des Geschädigten und durchsuchte diese mit dem Mitangeklagten G. , allerdings ohne Erfolg. Sodann beauftragte er G. , an einem Geldautomat mit der EC-Karte eine Abhebung vorzunehmen, was jedoch wegen der fehlenden Kontodeckung nicht gelang. Der Angeklagte, dem bewusst war, dass er keine Berechtigung zur Geldabhebung von dem fremden Konto hatte, ließ den Geschädigten nach Rückkehr des Mitangeklagten G. gehen, behielt aber die EC-Karte mit der auf dem Zettel vermerkten PIN für sich, um später nochmals eine Geldabhebung zu versuchen.

II.


3
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
4
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Dies gilt auch, soweit das Landgericht angenommen hat, der Angeklagte habe sich wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung strafbar gemacht. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts fehlt es weder an der Absicht der rechtswidrigen Zueignung noch an der der unrechtmäßigen Bereicherung.
5
1. Bei der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der zumindest bedingte Vorsatz des Täters erstrecken muss (Senatsbeschluss vom 17. Juni 1999 – 4 StR 12/99, StV 2000, 79). Der Täter will sich dann zu Unrecht bereichern , wenn er einen Vermögensvorteil erstrebt, auf den er keinen rechtlich begründeten Anspruch hat (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1998 – 3 StR 434/98). Allein der Umstand, dass ein fälliger Anspruch mit Nötigungsmitteln durchgesetzt werden soll, macht den begehrten Vorteil nicht rechtswidrig (BGHSt 20, 136, 137). Entsprechendes gilt für das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit der Zueignung beim Tatbestand des Raubes im Sinne des § 249 StGB (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2001 – 3 StR 153/01).
6
2. a) Gemessen daran ist die Würdigung des Landgerichts, der Angeklagte habe sich zu Unrecht bereichern wollen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
7
Zwar hatte der Angeklagte gegenüber dem Geschädigten nach den Feststellungen zwei fällige und einredefreie Forderungen in Höhe von insgesamt etwa 670 € aus Zechschulden. Auch blieb der vom Angeklagten unter dem Druck der Misshandlungen herausgegebene Geldbetrag mit 30 € deutlich unter der im Ergebnis berechtigten Gesamtforderung. Die Strafkammer hat jedoch ferner festgestellt, dass sich der Angeklagte von dem Geschädigten die EC-Karte sowie die auf einem Zettel vermerkte PIN der Zeugin K. aushändigen ließ, um sie zur Abhebung von Geldbeträgen in nicht näher festgestellter Höhe einzusetzen, und dabei in der Vorstellung handelte, der Geschädigte habe diese Karte einer unbekannten Berechtigten zuvor entwendet. Damit ist die Absicht rechtswidriger Bereicherung hinreichend dargetan, da der Angeklagte, wie das Landgericht weiter ausgeführt hat, sich darüber im Klaren war, dass er keine Berechtigung hatte, sich durch Abhebung von einem nicht dem Angeklagten gehörenden Konto im Hinblick auf seine Forderungen gegen diesen schadlos zu halten.
8
b) Auch die subjektive Seite des Raubtatbestandes ist ausreichend belegt. Der Angeklagte hatte die erforderliche Absicht der rechtswidrigen Zueignung. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass der Angeklagte, der nicht glaubte, dass der Geschädigte seine Taschen vollständig entleert hatte, unter Mitwirkung des Mitangeklagten G. dessen Kleidung – im Ergebnis ohne Erfolg – nach weiteren, möglicherweise versteckten Wertgegenständen und anderen EC-Karten durchsuchte, um sich diese zur Verwertung ohne Rücksicht darauf zuzueignen, in wessen Eigentum sie standen. Dabei ging der Angeklagten insbesondere davon aus, dass die weiteren EC-Karten, nach denen er suchte, vom Geschädigten den jeweils Berechtigten zuvor entwendet worden waren.
9
3. Auch die Annahme von Tateinheit zwischen dem Tatbestand des versuchten Raubes und dem der versuchten schweren räuberischen Erpressung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Es trifft zwar zu, dass für die Abgrenzung des Raubes von der räuberischen Erpressung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein das äußere Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten maßgeblich ist (vgl. nur BGHSt 7, 252, 254; BGH, Beschluss vom 19. Januar 1999 - 4 StR 663/98, BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 4 m.w.N.) und der Tatbestand des (versuchten ) Raubes hinter dem der vollendeten räuberischen Erpressung zurücktreten kann, wenn die erzwungene Herausgabe der verlangten Sache und nicht die Duldung ihrer Wegnahme das Tatbild prägt (so Senatsbeschluss vom 21. Oktober 1997 – 4 StR 464/97). Das Landgericht hat indes im vorliegenden Fall ein – rechtsfehlerfrei als Tateinheit bewertetes – zweiaktiges Geschehen festgestellt, bei dem der Geschädigte zunächst unter dem Eindruck von erheblichen Misshandlungen verlangte Sachen herausgab und im Anschluss (zusätzlich) die – erfolglose – Durchsuchung seiner Kleidung nach weiteren Wertgegenständen durch den Angeklagten und den Mittäter G. dulden musste.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 547/11
vom
14. März 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach,
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Ö. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden auf deren Kosten verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Angeklagten C. , Ö. , S. und T. wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, den Angeklagten B. wegen Beihilfe hierzu, schuldig gesprochen. Gegen die Angeklagten C. und Ö. hat es jeweils unter Einbeziehung früher verhängter Strafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, wobei bei dem Angeklagten Ö. hiervon ein Monat als vollstreckt gilt. Gegen die Angeklagten S. und T. hat das Landgericht jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten sowie gegen den Angeklagten B. eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung es jeweils zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft erhebt eine Verfahrensrüge und erstrebt mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts die Verurteilung der Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239a StGB, hilfsweise wegen Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.
3
Die Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte B. darüber hinaus die Verletzung formellen Rechts. Ihre Revisionen sind unbegründet.

I.

4
Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde das spätere Tatopfer Y. am Vorabend der Tat, dem 24. August 2008, der Diskothek J. -Club in F. verwiesen, deren Betreiber der Angeklagte C. war und in der die übrigen Angeklagten als Türsteher arbeiteten. Aus Verärgerung holte er aus seiner Wohnung eine mit einer Reizgaspatrone geladene Schreckschusspistole, die mit einem durchbohrten Aufsatz versehen war. Er kehrte zurück und schoss im Vorraum der Diskothek eine Hartplastikkugel in Richtung des Angeklagten S. , die diesen jedoch verfehlte. Durch das gleichzeitig austretende Reizgas erlitt der Angeklagte C. Augenreizungen. Infolge des Vorfalls verließen die anwesenden Gäste sofort die Diskothek, ohne ihre Rechnungen zu begleichen.
5
Am nächsten Tag traf sich Y. mit dem Angeklagten B. an einer Tankstelle, um sich bei diesem zu entschuldigen. Zusammen fuhren sie zum J. -Club, wo sie die übrigen Mitangeklagten sowie zwei weitere Türsteher erwarteten. Dem Angeklagten B. war klar, dass es dort zu einer "Abstrafaktion" und Geldforderungen gegenüber Y. kommen würde. Als Y. sich auch bei dem Angeklagten C. entschuldigen wollte, fragte dieser ihn, ob er ihn "verarschen" wolle und versetzte ihm eine kräftige Ohrfeige und forderte "wegen der Rufschädigung und als Ausgleich" 80.000 €. Als Y. sich bereit erklärte, monatlich 200 € zu zahlen, schlugen ihn die Angeklagten mit Ausnahme des Angeklagten B. , der das Geschehen lediglich beobachtete. Einer der Türsteher hielt ihm ein Messer mit der Drohung vor, er werde umgebracht. Versuche des Geschädigten, sich telefonisch bei Bekannten Geld zu leihen, blieben erfolglos. Während der Geschädigte zusammengekauert auf einem Hocker saß, schlugen ihn die Angeklagten Ö. und C. mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht. Hierbei äußerte C. : "Entweder kommen die 80 Mille oder deine Leiche geht hier raus!" Sodann schlug der Angeklagte Ö. den Geschädigten mit kräftigen Schlägen zu Boden. Der Angeklagte S. zog ihm die Hose so weit herab, dass das nackte Gesäß zu sehen war. Die Angeklagten kündigten Y. an, er werde jetzt "gefickt". Nunmehr hielt der Angeklagte B. die Mitangeklagten von weiteren Bestrafungsaktionen ab. Im Laufe der Auseinandersetzung hatte der Angeklagte C. seine Forderung zunächst auf 50.000 € und schließlich auf 10.000 € reduziert, wobei Y. noch am selben Abend 3.000 € zahlen sollte. Der Angeklagte B. wies Y. seinerseits nochmals auf die Zahlungsverpflichtung hin und bestellte einen gemeinsamen Bekannten zum J. -Club, der bereit war, für Y. zu bürgen. Von dem Geschehen hatten die Angeklagten Handyvideos gefertigt, verbunden mit der Drohung , diese für den Fall der Nichtzahlung zu verbreiten.
6
Der Geschädigte erlitt bei dem Vorfall Prellungen und Hämatome sowie eine Versteifung des Vordergliedes des rechten Zeigefingers. Ferner war eine Krone des rechten Schneidezahnes abgebrochen. Da er um sein Leben fürchtete , flog er noch am gleichen Tag in die Türkei. Seit dem Vorfall leidet er unter nächtlichen Albträumen sowie dem Umstand, dass die Handyaufzeichnung des Tatgeschehens in seinem Bekanntenkreis Verbreitung gefunden hat.
7
Das Landgericht hat dieses Verhalten der Angeklagten als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung gewertet. Einen versuchten erpresserischen Menschenraub (§ 239a StGB) hat es mit der Begründung verneint, die Angeklagten hätten in der Vorstellung gehandelt, ihnen stehe ein Zahlungsanspruch in Höhe von 80.000 € gegen den Geschädigten Y. zu.

II.

8
1. Revision der Staatsanwaltschaft
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Die Revision der Staatsanwaltschaft ist mit der Sachrüge begründet, so dass es eines Eingehens auf die gleichzeitig erhobene Verfahrensrüge nicht bedarf. Soweit das Landgericht in dem Handeln der Angeklagten neben einer gefährlichen Körperverletzung lediglich eine tateinheitlich verwirklichte versuchte Nötigung angenommen hat, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht einen Erpressungsvorsatz der Angeklagten verneint hat, sind nicht frei von Rechtsfehlern. Die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ist ein normatives Tatbestandsmerkmal des § 253 StGB, auf das sich der - zumindest bedingte - Vorsatz des Täters erstrecken muss. Stellt dieser sich für die erstrebte Bereicherung eine in Wirklichkeit nicht bestehende Anspruchsgrundlage vor, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (st. Rspr., vgl. BGHSt 48, 322, 328). Jedoch genügt es für den Erpressungsvorsatz, wenn der Täter es für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass die Forderung nicht oder nicht im Umfang des Nötigungsziels besteht oder aber von der Rechtsordnung nicht geschützt ist. Nur wenn der Täter klare Vorstellungen über Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs hat, fehlt es ihm an dem Bewusstsein einer rechtswidrigen Bereicherung (BGH NStZ-RR 1999, 6; StV 2000, 79, 80).
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aa) Die Ausführungen des Landgerichts, der von dem Angeklagten C. zunächst geforderte Betrag von 80.000 € erscheine angesichts des den Angeklagten neben einem Schmerzensgeld zustehenden Ausgleichsanspruchs für Umsatzverluste nicht abwegig, wenn es durch Rufverlust zur Schließung der Diskothek komme (UA S. 21), belegen, dass das Landgericht den Prüfungsmaßstab für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bereicherung verkannt hat. So hat es offen gelassen, ob und in welcher Höhe den Angeklagten aufgrund des Vorfalls am Vorabend der Tat tatsächlich Forderungen gegen den Geschädigten zustanden. Feststellungen zur Höhe des entgangenen Gewinns aufgrund des fluchtartigen Verhaltens der Gäste enthält das Urteil nicht. Hinsichtlich möglicher künftiger Umsatzeinbußen, zu deren Höhe sich das Urteil ebenfalls nicht verhält, bestand kein fälliger Anspruch auf Zahlung (§ 252 BGB), sondern allenfalls ein zivilrechtlicher Feststellungsanspruch. Davon geht die Strafkammer im Übrigen selbst aus, wenn sie ausführt, dass C. die erstrebte Zahlung "bei Beschreiten des Zivilrechtswegs wohl nicht und nicht rasch erlangt hätte" (UA S. 24). Das Landgericht hat ferner weder den Zeitpunkt noch den Grund der späteren Schließung der Diskothek aufgeklärt, insbesondere ist ungeklärt , ob die Schließung überhaupt auf das Handeln des Geschädigten zurückzuführen war (UA S. 21). Schließlich lag es auch nicht auf der Hand, dass den Türstehern ein - wenn auch geringes - Schmerzensgeld zustehen würde (UA S. 21). Durch den Schuss mit der Gaspistole in Richtung des Angeklagten S. hatte allein der Angeklagte C. Augenreizungen erlitten.
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bb) Naheliegende Umstände, die dagegen sprechen könnten, dass die Angeklagten nicht nur vage, sondern klare Vorstellungen über Grund und Höhe der von ihnen geltend gemachten Forderung hatten, hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Überlegungen einbezogen. Hinsichtlich eines durch die Tat des Geschädigten verursachten möglichen künftigen Umsatzrückgangs konnten sie nur Mutmaßungen anstellen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte C. seine Forderung von ursprünglich 80.000 € im Laufe des Tatgeschehens zunächst auf 50.000 € und schließlich auf 10.000 € reduzierte. Der Senat kann vor diesem Hintergrund nicht ausschließen, dass das Landgericht bei umfassender Würdigung unter Zugrundelegung eines zutreffenden rechtlichen Maßstabs zu einer Verurteilung der Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung (§§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) gelangt wäre.
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b) Zu Recht rügt die Staatsanwaltschaft ferner, dass das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen möglicherweise tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) hätte erwägen müssen, indem diese den Geschädigten am Verlassen des J. -Clubs hinderten (UA S. 22) und ihn somit seiner Freiheit beraubten.
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c) Hingegen wird die Verwirklichung eines erpresserischen Menschenraubs (§ 239a Abs. 1 StGB) von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen. Zwar hatten sich die Angeklagten des Geschädigten Y. bemächtigt , jedoch wohl nicht in der Erwartung, dass die erpresserische Forderung noch innerhalb der Bemächtigungslage erfüllt werden sollte. Vielmehr kam es ihnen nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe darauf an, den Geschädigten während der Dauer der Zwangslage einzuschüchtern und seine entsprechende Bereitschaft zu einer späteren Zahlung nach erfolgter Freilassung zu wecken (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 109, 110; NStZ-RR 2009, 16, 17). Ob insoweit gegebenenfalls eine Geiselnahme (§ 239b Abs. 1 StGB) in Betracht kommt, wird der neue Tatrichter auf der Grundlage der neu zu treffenden Feststellungen zu erwägen haben.
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d) Die Verurteilung des Angeklagten B. lediglich wegen Beihilfe hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ob ein Tatbeteiligter als Mittäter oder Gehilfe eine Tat begeht, ist nach den Gesamtumständen in wertender Betrachtung zu bestimmen. Wesentliche Bewertungskriterien sind dabei das eigene Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft bzw. der Wille dazu (st. Rspr., vgl. etwa BGH NStZ 2003, 253, 254). Die tatrichterliche Bewertung über das Vorliegen von Täterschaft oder Teilnahme ist zwar nur einer begrenzten revisionsrechtlichen Kontrolle zugänglich (BGH NStZ-RR 2001, 148, 149). Die Zubilligung eines dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsspielraums verlangt jedoch eine umfassende Würdigung des Beweisergebnisses (BGH NStZ-RR 2002, 74, 75; NStZ 2003, 253, 254), die das angefochtene Urteil vermissen lässt. Das Landgericht hat darauf abgestellt, dass nicht zu klären gewesen sei, ob der Angeklagte B. zum eigenen Vorteil ge- handelt oder fremdes Tun lediglich unterstützt habe, indem er Y. in die Diskothek gefahren, die Türsteher angewiesen und Y. auf die Zahlung der 3.000 € bis zum Abend hingewiesen habe. Dabei hat das Landgericht nicht er- kennbar bedacht, dass der Angeklagte B. der "Organisator der Türsteher" war und eine hervorgehobene Stellung hatte, die ihm besonderen Einfluss auf das Tatgeschehen ermöglichte. Dass dieser sich nicht aktiv an den Schlägen beteiligte, entsprach seiner Rolle.
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2. Revisionen der Angeklagten
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Die Revisionen der Angeklagten bleiben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen ohne Erfolg. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
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a) Soweit die Revision des Angeklagten Ö. rügt, dass das Landgericht "wegen der Einzelheiten" auf die "Videodokumentation aus der Handyaufzeichnung" Bezug genommen hat (UA S. 18), begegnet dies im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar liegt in der pauschalen Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium keine wirksame Bezugnahme i.S.v. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO (BGH NJW 2012, 244, 245), so dass die Videoaufzeichnung nicht Bestandteil der Urteilsgründe geworden ist. Jedoch beruht das Urteil nicht auf diesem Rechtsfehler, da die Urteilsgründe auch ohne die ergänzende Verweisung eine aus sich heraus verständliche Beschreibung und Würdigung des sich aus der Videoaufnahme ergebenden Geschehens enthalten und die Strafkammer ihre Feststellungen zum Tatgeschehen wesentlich auf die Aussage des Geschädigten Y. stützt.
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b) Soweit das Landgericht es bei der Prüfung minder schwerer Fälle unterlassen hat, die Geständnisse der Angeklagten ausdrücklich in die Abwägung einzustellen, stellt dies ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Strafkammer die teilgeständigen Einlassungen der Angeklagten bedacht hat. Sie hat sich mit der Wertigkeit der Geständnisse auseinandergesetzt und deren Bedeutung im Hinblick auf die Nachweisbarkeit des mittels Handy aufgenommenen Tatgeschehens relativiert (UA S. 18). Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ausdrücklich berücksichtigt, dass sich die Angeklagten für ihre Tat entschuldigt haben (UA S. 23).
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c) Auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Strafaussetzung zur Bewährung betreffend die Angeklagten C. und Ö. abgelehnt hat, halten rechtlicher Nachprüfung stand. Insoweit kommt dem Tatrichter ein weiter Beurteilungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (BGH NStZ 2001, 366, 367). Das Landgericht bewegt sich innerhalb dieser Grenzen, wenn es für den Angeklagten C. schon keine günstige Sozialprognose festzustellen vermochte , weil dieser bereits wiederholt mit Taten, die mit seiner Tätigkeit als Betreiber einer Diskothek im Zusammenhang stehen, strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Darüber hinaus waren besondere Umstände i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB für das Landgericht nicht ersichtlich. Dabei hat es bedacht, dass es ohne dessen maßgeblichen Einfluss nicht zu der Tat gekommen wäre und der Angeklagte C. von einer Zahlung des Y. am meisten profitiert hätte. Wenn das Landgericht schließlich berücksichtigt hat, dass dessen grundsätzlich anerkennenswerte Zahlung im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs nicht über diejenige der ihm untergeordneten Mitangeklagten hinausgegangen ist, er nicht zur Identifizierung der weiteren Mittäter beigetragen und nur das zugestanden hat, was bereits durch die Aufzeichnung dokumentiert war, begegnet dies ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere hat das Landgericht - anders als die Revision meint - die Versagung besonderer Umstände i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB nicht darauf gestützt, dass der Angeklagte C. kein weitergehendes Ge- ständnis abgelegt hat. Vielmehr hat es - zutreffend - auf die geringere Bedeutung des Geständnisses abgestellt, mit dem nur bereits bekannte und dokumentierte Umstände zugestanden wurden.
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Betreffend den Angeklagten Ö. hat das Landgericht rechtsfehlerfrei eine günstige Sozialprognose i.S.v. § 56 Abs. 1 StGB vor allem deshalb verneint, weil dieser die Tat unter laufender Bewährung begangen hat (UA S. 26).
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d) Soweit das Landgericht den Angeklagten C. , B. , S. und T. jeweils wegen bereits vollstreckter Geldstrafen rechtsfehlerhaft einen Härteausgleich gewährt hat, sind diese dadurch nicht beschwert. Ein Härteausgleich war nicht veranlasst, da die Angeklagten durch die unterbliebene Einbeziehung einer Geldstrafe in eine Gesamtfreiheitsstrafe grundsätzlich keinen Nachteil erlitten haben (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2003 - 2 StR 250/03; BGH NStZ-RR 2008, 370).
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e) Zur Frage der Besetzung verweist der Senat auf seine Urteile vom 11. Januar 2012 - 2 StR 482/11 - und vom 8. Februar 2012 - 2 StR 346/11 -.
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Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.