Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2012 - 2 StR 170/12
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen sowie die Sachbeschwerde gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit es den Strafausspruch betrifft; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete die Angeklagte ihren Sohn, indem sie ihn unmittelbar nach der von ihr alleine durchstandenen Geburt nicht abtrocknete, nur in ein Handtuch wickelte und im Übrigen unversorgt im Bett liegen ließ. Daraufhin verstarb der Säugling nach einer Überlebenszeit von sechs bis zwölf Stunden, wahrscheinlich aufgrund von Unterkühlung.
II.
- 3
- 1. Darin hat das Landgericht ohne Rechtsfehler einen Fall des Totschlags durch Unterlassen gesehen (§§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).
- 4
- Die Ausschlussdiagnose eines "plötzlichen Kindstods" war - entgegen einer Angriffsrichtung der Revision - schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil so genannte "Wischnewskizeichen" festgestellt wurden, die in der Rechtsmedizin als typische Hinweise auf erhebliche Unterkühlung gelten. Auch aufgrund der örtlichen und situativen Gegebenheiten lag Unterkühlung als Todesursache nahe. "Plötzlicher Kindstod" wird dagegen nur angenommen, wenn alle medizinisch nachvollziehbaren Todesursachen auszuschließen sind.
- 5
- 2. Der Strafausspruch des Landgerichts kann keinen Bestand haben.
- 6
- Die Schwurgerichtskammer hat im Anschluss an eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 213 (2. Alternative) StGB eine weitere Milderung gemäß §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt. Die Frage, ob von dieser Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung Gebrauch zu machen ist, muss das Tatgericht indes in einer wertenden Gesamtwürdigung - vor allem - der wesentlichen unterlassungsbezogenen Gesichtspunkte prüfen und seine Auffassung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise darlegen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - 4 StR 241/11, NStZ-RR 2011, 334). Daran fehlt es hier.
- 7
- Das Landgericht hat angenommen, das pflichtwidrige Unterlassen der Angeklagten sei einem aktiven Handeln gleich zu stellen, weil ihr ein Abtrocknen des Säuglings und bessere Wärmeversorgung unschwer möglich gewesen wäre. Dies ist jedoch angesichts der Erschöpfung der Angeklagten durch die Geburt einerseits sowie zusätzlich im Hinblick auf ihre vom Landgericht nicht ausgeschlossene Depression andererseits nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Das Fehlen einer Überwindung dieser Antriebshemmungen kann anders zu bewerten sein als eine aktive Tötungshandlung (vgl. zum Fall einer Persönlichkeitsstörung bei der Nichtversorgung von Kindern BGH, Beschluss vom 16. Oktober 1997 - 4 StR 487/97, NStZ 1998, 245). Das Landgericht hat zwar die Belastung der Angeklagten durch Anstrengungen und Beschwerden vor, während und nach der Geburt berücksichtigt, aber nicht die zusätzlich mögliche depressive Episode, welche durch die über Jahre andauernden schwierigen Lebensumstände mit ausgelöst worden sein konnte.
- 8
- Der Senat kann auch nicht sicher ausschließen, dass das Landgericht ohne diesen Erörterungsmangel die Strafrahmenmilderung vorgenommen und eine geringere Strafe verhängt hätte.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und Fahren ohne Fahrerlaubnis , wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
- 2
- Die Revisionen der Nebenkläger, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen, sind unzulässig im Sinne des § 349 Abs. 1 StPO.
- 3
- 1. Die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit der Aussage des Zeugen A. (§ 244 Abs. 2 StPO) ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
- 4
- Ob sich dies, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt hat, schon daraus ergibt, dass ein Nebenkläger nach § 400 Abs. 1 StPO nicht befugt ist, eine Verurteilung wegen Vollendung (des Nebenklagedelikts ) statt wegen Versuchs zu erstreben (so Riegner NStZ 1990, 13; a.A. Meyer -Goßner StPO, 54. Aufl., § 400 Rn. 3b; Löwe-Rosenberg/Hilger StPO, 26. Aufl., § 400 Rn. 12), kann dahinstehen. Jedenfalls würde die Prüfung dieser Rüge durch den Senat eine im Revisionsverfahren regelmäßig nicht mögliche Rekonstruktion der Beweisaufnahme voraussetzen.
- 5
- 2. Der Zulässigkeit des Revisionsvortrags im Übrigen steht § 400 Abs. 1 StPO entgegen.
- 6
- Der Nebenkläger kann ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 3 StR 424/87, BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 1). Der Angeklagte ist wegen einer Tat verurteilt worden, aus der sich die Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger ergibt (§ 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO). Die Revisionen machen nicht geltend, dass eine Rechtsnorm, deren Verletzung zum Anschluss berechtigen würde, nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Sie richten sich vielmehr allein gegen die verhängte Strafe. Dies gilt für das in eine weitere Aufklärungsrüge gekleidete Vorbringen, die Höhe der erkannten Strafe sei zu gering, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem Mitverschulden des Tatopfers ausgegangen sei, ebenso wie für die Sachrüge, mit der die gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommene Strafrahmenmilderung beanstandet und weitere Rechtsfehler bei der Strafzumessung (§ 46 StGB) geltend gemacht werden. Ernemann Roggenbuck Franke Bender Quentin