Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2018 - 2 StR 172/18

bei uns veröffentlicht am21.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 172/18
vom
21. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:210818B2STR172.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. August 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 12. Dezember 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
Der Angeklagte macht zu Recht geltend, dass der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO i.V.m. § 247 StPO gegeben ist. Er war von der Verhandlung während der Vernehmung der Nebenklägerin in gesetzeswidriger Weise ausgeschlossen.
3
1. Der Formalrüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
4
In der Hauptverhandlung vom 6. Dezember 2017 wurde auf Antrag des Nebenklagevertreters die Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung der Nebenklägerin S. , dem Opfer der verfahrensgegenständlichen Taten, ausgeschlossen. Ein Beschluss über den Ausschluss des Angeklagten wurde nicht gefasst. Die Vernehmung der Zeugin fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit und in Abwesenheit des Angeklagten statt.
5
2. Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
6
a) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts bedurfte es keiner Ausführungen zum Aussageinhalt der in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführten Vernehmung der Nebenklägerin. Bei der Vernehmung der Opferzeugin als zentraler Belastungszeugin bedarf es – selbst im Falle ihrer wiederholten Vernehmung – keiner Darlegungen zum wesentlichen Aussageinhalt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – 1 StR 711/13, NStZ 2014, 532, 533; Beschluss vom 23. September 2014 – 4 StR 302/14, NStZ 2015, 104, 105). Anderes folgt auch nicht – wie der Generalbundesanwalt meint – aus dem Umstand, dass das Landgericht das Verfahren im Hinblick auf die dem Angeklagten zur Last liegenden Tatvorwürfe des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Bruders der Zeugin gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hat. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verpflichtet auch in einer solchen Verfahrenskonstellation nicht zu der (pauschalen) Mitteilung, dass die in Abwesenheit des Angeklagten erfolgte Vernehmung der Zeugin jedenfalls auch auf die später zur Verurteilung gelangten Fälle bezogen war (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Mai 2018 – 2 StR 543/17). Im Übrigen entnimmt der Senat den Urteilsgründen, die er auf die zulässig erhobene Sachrüge zur Kenntnis zu nehmen hat, dass die Zeugin am 6. Dezember 2017 zu den sie selbst betreffenden Tatvorwürfen vernommen worden ist.
7
b) § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verpflichtete auch nicht zu dem Vortrag, dass der Angeklagte den Sitzungssaal freiwillig verlassen und zuvor keine Einwände gegen den von dem Nebenklagevertreter gestellten Ausschließungsantrag erhoben hat.
8
Der zeitweise Ausschluss des Angeklagten ist stets durch förmlichen Gerichtsbeschluss anzuordnen, der zu begründen und zu verkünden ist. Ein Beschluss wird nicht entbehrlich, weil alle Verfahrensbeteiligten mit der Anordnung einverstanden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2001 – 3 StR 225/01, NStZ 2002, 44, 45). Soweit der 5. Strafsenat in seinem Urteil vom 30. August 2000 (5 StR 268/00, NStZ 2001, 48) erwogen hat, dass anderes in Fallkonstellationen gelten könnte, in denen die Voraussetzungen für eine Abwesenheitsverhandlung zweifelsfrei vorliegen und das Einverständnis des Angeklagten auf der Anerkennung dieser verfahrensrechtlich eindeutigen Situation beruht, könnte der Senat dem nicht folgen. Der Angeklagte kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzurücken kein Anlass besteht, nicht wirksam auf seine vom Gesetz vorgeschriebene Anwesenheit verzichten (BGH, Beschluss vom 15. August 2001 – 3 StR 225/01, NStZ 2002, 44, 45 – für den Fall einer fehlenden Begründung des Beschlusses; siehe auch Urteil vom 30. August 2000 – 5 StR 268/00, BGHR StPO § 247 Abwesenheit 22; Senat, Urteil vom 6. Dezember 1967 – 2 StR 616/67, BGHSt 22, 18, 20).
9
c) Anhaltspunkte für ein gezielt auf die vorsorgliche Schaffung eines Revisionsgrundes gerichtetes und dem Angeklagten zurechenbares Verhalten, das Anlass geben könnte, die Zulässigkeit der Rüge unter dem Gesichtspunkt arglistigen Verhaltens in Zweifel zu ziehen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
10
3. Der absolute Revisionsgrund liegt vor. Der Beschwerdeführer war entgegen § 247 StPO von der Vernehmung der Zeugin ausgeschlossen, ohne dass dies durch einen durch den gesamten Spruchkörper gefassten und mit Gründen versehenen Beschluss angeordnet worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2014 – 3 StR 194/14, NStZ 2015, 103, 104; LR-StPO/Becker, 26. Aufl., § 247 Rn. 28). Ein begründeter Beschluss ist auch dann erforderlich, wenn alle Beteiligten einschließlich des Angeklagten mit seiner Entfernung einverstanden sind; die notwendige Anwesenheit des Angeklagten während wesentlicher Teile der Hauptverhandlung steht nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten (BGH, Beschluss vom 6. Februar 1993 – 4 StR 35/91, NStZ 1991, 296; Beschluss vom 15. August 2001 – 3 StR 225/01, NStZ 2002, 44,

45).

11
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Schäfer Appl Eschelbach Bartel Schmidt

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2018 - 2 StR 172/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2018 - 2 StR 172/18

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2018 - 2 StR 172/18 zitiert 6 §§.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 247 Entfernung des Angeklagten bei Vernehmung von Mitangeklagten und Zeugen


Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen.

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Tenor 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 28.02.2018 mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der R

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 7 1 1 / 1 3
vom
11. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 13. Mai 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
Der Angeklagte macht zu Recht geltend, dass der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO i.V.m. § 247 StPO gegeben ist. Er war von der Teilnahme an der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin (auch) nach deren zweiter Vernehmung ausgeschlossen.
3
1. Der Verfahrensbeanstandung liegt folgendes Geschehen zugrunde:
4
a) Dem Angeklagten liegt zur Last, am 6. Dezember 2011 als Kleinbusfahrer während der Fahrt der geistig behinderten Nebenklägerin und Zeugin M. unter Zwang seinen Penis in den Mund eingeführt, ihr einen Finger in die Scheide gesteckt und sie verbal beleidigt zu haben. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung zur Sache im Wesentlichen nicht geäußert, sondern lediglich geltend gemacht, dass er zu einer Erektion gesundheitlich nicht mehr in der Lage sei. Das Landgericht hält den Angeklagten durch die Aussage der Nebenklägerin, deren Glaubhaftigkeit es anhand der Aussagen mehrerer Zeugen, denen sich die Nebenklägerin anvertraut hatte, sowie anhand einer sachverständigen Begutachtung für überführt.
5
b) In der Hauptverhandlung wurde die Nebenklägerin zweimal als Zeugin vernommen. Während der Vernehmungen wurde der Angeklagte jeweils gemäß § 247 StPO aus dem Sitzungssaal entfernt. Auch die Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin als Zeugin erfolgte jeweils in Abwesenheit des Angeklagten.
6
Nach der ersten Vernehmung der Nebenklägerin wurde sie im allseitigen Einverständnis entlassen. Erst dann wurde der Angeklagte wieder in den Sitzungssaal gelassen und vom Kammervorsitzenden über den Inhalt der Zeugenvernehmung der Nebenklägerin informiert. Nach der Vernehmung der Mutter der Nebenklägerin wurde die Nebenklägerin erneut vernommen. Auch bei dieser zweiten Vernehmung und der anschließenden Verhandlung über die Entlassung der Zeugin war der Angeklagte nach § 247 StPO ausgeschlossen.
7
2. Die Rüge des absoluten Revisionsgrundes gemäß § 338 Nr. 5 StPO i.V.m. § 247 StPO wegen Abwesenheit des Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin nach ihrer zweiten Vernehmung ist zulässig erhoben.
8
a) Zwar muss nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO der Revisionsführer die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel begründen, so vollständig und genau mitteilen, dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 344 Rn. 24 mwN). Für einen erschöpfenden Vortrag sind dabei auch diejenigen Verfahrenstatsachen vorzutragen, die einer erhobenen Rüge entgegenstehen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2008 – 1 StR 484/08).
9
b) Solche Umstände ergaben sich hier aber nicht aus der Besonderheit, dass die Nebenklägerin am selben Tag bereits schon einmal als Zeugin vernommen worden war und es sich somit lediglich um eine ergänzende Vernehmung handelte. Der Sachvortrag des Beschwerdeführers ist ausreichend. Er musste hier keine Ausführungen zum Inhalt der zweiten Vernehmung der Nebenklägerin machen, um darzulegen, dass es sich bei der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin nach ihrer zweiten Vernehmung um einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung gehandelt hat.
10
aa) Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen ist grundsätzlich ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung. Die währenddessen fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 Satz 1 oder Satz 2 StPO entfernten Angeklagten ist deshalb regelmäßig geeignet, den absoluten Revisionsgrund zu begründen (BGH, GrS, Beschluss vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87, 92). Ob ein Verfahrensteil als wesentlich einzuordnen ist, bestimmt sich nach dem Zweck der jeweils betroffenen Vorschriften sowie danach, in welchem Umfang ihre sachliche Bedeutung betroffen sein kann. Nach dem Zweck des § 247 StPO ist aber die Entlassungsverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten grundsätzlich als wesentlich anzusehen. Die das Anwesenheitsrecht und die Anwesenheitspflicht des Angeklagten betreffenden Vorschriften bezwecken auch, dem Angeklagten eine allseitige und uneingeschränkte Verteidigung zu ermöglichen, insbesondere durch Vornahme von Verfahrenshandlungen aufgrund des von ihm selbst wahrgenommenen Verlaufs der Hauptverhandlung. Das wird dem Angeklagten durch seinen Ausschluss von der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen erschwert, weil er in unmittelbarem Anschluss an die Zeugenvernehmung keine Fragen oder Anträge stellen kann, die den Ausgang des Verfahrens beeinflussen können (BGHSt, aaO). Einer besonderen Darlegung, dass es sich bei der Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen um einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung handelt, bedarf es daher nicht.
11
bb) Ein Fall, in dem die Verhandlung über die Entlassung einer Zeugin ausnahmsweise nicht als wesentlicher Teil der Hauptverhandlung angesehen werden könnte, liegt hier auch nicht darin, dass es sich bereits um die zweite Vernehmung der Zeugin handelte.
12
Auch einer ergänzenden Vernehmung einer Opferzeugin kommt grundsätzlich erhebliche Bedeutung für das Verfahren zu, sodass der Angeklagte auch nach einer solchen stets die Möglichkeit haben muss, ergänzende Fragen oder Anträge zu stellen, die das Verfahren beeinflussen können (BGH, GrS, Beschluss vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87, 92). Beim Vorwurf von Sexualstraftaten liegt es sogar nahe, dass Umstände zum Tatgeschehen selbst dann erörtert werden, wenn es nur deshalb zu einer erneuten Verneh- mung der Opferzeugin kommt, weil eine für sich genommen „neutrale“ Frage zum Randgeschehen noch geklärt werden muss. Auch in einem solchen Fall ist kein Verfahrensbeteiligter rechtlich gehindert, bisher noch nicht gestellte, aber zur Sache gehörende – also den gesamten Anklagevorwurf betreffende – Fra- gen zu stellen (vgl. zu § 171b GVG: BGH, Beschlussvom 19. Dezember 2006 – 1 StR 268/06 Rn. 9, in BGHSt 51, 180 nicht abgedruckt). Bei der Verneh- mung der Opferzeugin als zentraler Belastungszeugin bedarf es daher auch im Falle einer wiederholten Vernehmung für die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge gemäß § 338 Nr. 5 StPO i.V.m. § 247 StPO grundsätzlich nicht der Darlegung des wesentlichen Inhalts der Aussage der Zeugin.
13
Hier kam der Möglichkeit, an die Opferzeugin nach deren zweiter Vernehmung ergänzende Fragen stellen zu können, sogar gesteigerte Bedeutung zu. Denn das Landgericht hatte den Angeklagten nach seinem – von der Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenerklärung als richtig bestätigten – Vortrag bereits gemäß § 247 StPO von der Teilnahme an der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin nach ihrer ersten Zeugenvernehmung ausgeschlossen. Damit lag die besondere Verfahrensbedeutung der zweiten Zeugenvernehmung darin, dass mit dieser Vernehmung der Verfahrensfehler, dem Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung nach der ersten Zeugenvernehmung der Nebenklägerin nicht die Anwesenheit zu gestatten, geheilt wurde (vgl. BGH, GrS, Beschluss vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87, 94). Der Sachvortrag des Beschwerdeführers war daher ausreichend, auch wenn er keine Ausführungen zum Inhalt der zweiten Vernehmung gemacht hat.
14
3. Der geltend gemachte absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO liegt vor.
15
a) Der Beschwerdeführer war entgegen § 247 StPO von der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin als Zeugin nach deren zweiter Vernehmung ausgeschlossen. Dies begründet den Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO, denn die Verhandlung über die Entlassung der Opferzeugin war – auch wenn es sich um eine ergänzende Vernehmung handelte – ein wesent- licher Teil der Hauptverhandlung (s.o.).
16
b) Ein Fall, in dem ein Beruhen des Urteils auf der bloßen Abwesenheit des Angeklagten während der Entscheidung über die Entlassung eines Zeugen denkgesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006 – 4 StR 131/06; NStZ 2006, 713; BGH, Urteil vom 9. Februar 2011 – 5 StR 387/10, NStZ 2011, 534), liegt nicht vor.
17
c) Allerdings kommt grundsätzlich die Heilung des Verfahrensverstoßes, etwa durch erneute Vernehmung eines Zeugen in Betracht (BGH, GrS, Beschluss vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87, 94). Eine solche Heilung hat hier aber nur durch die zweite Vernehmung im Hinblick auf den Ausschluss des Angeklagten von der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin nach deren erster Zeugenvernehmung stattgefunden. Demgegenüber ist, weil dem Angeklagten die Anwesenheit bei der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin (auch) nach ihrer zweiten Zeugenvernehmung verwehrt wurde, der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben. Da der Fehler unbemerkt blieb und auch keine weitere Vernehmung der Nebenklägerin mehr stattgefunden hat, ist insoweit keine Heilung eingetreten (vgl. BGHSt, aaO, S.94). Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
RiBGH Dr. Wahl befindet sich im Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Raum Raum Rothfuß Jäger Cirener

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR302/14
vom
23. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 23. September 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 14. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in sechs Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

I.


2
Die Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 5 i.V.m. § 247 StPO Erfolg; eine Erörterung der sachlich-rechtlichen Beanstandungen bedarf es daher nicht.
3
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
4
In der Hauptverhandlung vom 11. März 2014 wurde der Angeklagte für die Dauer der Vernehmung seiner Tochter, der Nebenklägerin, durch Beschluss der Strafkammer gemäß § 247 StPO aus dem Sitzungszimmer entfernt. Nach ihrer Aussage zur Sache blieb sie auf Anordnung des Vorsitzenden unvereidigt und wurde entlassen, woraufhin sie den Sitzungssaal verließ. Nachdem der Angeklagte daraufhin den Sitzungssaal wieder betreten hatte, informierte ihn der Vorsitzende über den wesentlichen Inhalt der Aussage der Nebenklägerin. Nach einer 15-minütigen Unterbrechung der Hauptverhandlung erklärte der Verteidiger des Angeklagten, nach einer Besprechung mit diesem gebe es noch drei Ergänzungsfragen an die Nebenklägerin. Für diese ergänzende Vernehmung der Nebenklägerin wurde der Angeklagte erneut durch Gerichtsbeschluss gemäß § 247 StPO von der Teilnahme an der Vernehmung ausgeschlossen und verließ den Sitzungssaal. Nach Aussage der Nebenklägerin zur Sache blieb diese auf Anordnung des Vorsitzenden erneut unvereidigt und wurde entlassen. Daraufhin betrat der Angeklagte erneut den Sitzungssaal und wurde vom Vorsitzenden über die Angaben der Nebenklägerin informiert.
5
2. Die auf dieses Verfahrensgeschehen gestützte Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 5 StPO, weil die Hauptverhandlung in einem wesentlichen Teil in Abwesenheit des Angeklagten stattgefunden habe, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
6
a) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ist die Verfahrensrüge auch angesichts der Tatsache, dass es sich bei der zweiten Vernehmung der Nebenklägerin als Zeugin am selben Hauptverhandlungstag lediglich um eine ergänzende Vernehmung handelte, zulässig erhoben. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfordert in diesem Fall keine Ausführungen zum Inhalt der zweiten Vernehmung um darzulegen, dass es sich auch bei der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin nach ihrer zweiten Vernehmung um einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung gehandelt hat (BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – 1 StR 711/13, NStZ 2014, 532, 533).
7
b) Die Rüge ist auch begründet. Der Beschwerdeführer war entgegen § 247 StPO auch von der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin als Zeugin nach deren zweiter Vernehmung ausgeschlossen. Dies begründet den Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO, denn die Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin war, auch wenn es sich um eine ergänzende Vernehmung handelte, ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung.
8
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen grundsätzlich ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung, die währenddessen fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 Satz 1 oder Satz 2 StPO entfernten Angeklagten also regelmäßig geeignet , den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO zu begründen (BGH, Beschluss vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87, 92). Die das Anwesenheitsrecht und die Anwesenheitspflicht des Angeklagten betreffenden Vorschriften bezwecken unter anderem, dem Angeklagten eine uneingeschränkte Verteidigung zu ermöglichen, insbesondere auf Grund des von ihm selbst wahrgenommenen Verlaufs der Hauptverhandlung. Das wird ihm durch seinen Ausschluss von der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen erschwert, weil er in unmittelbarem Anschluss an die Zeugenvernehmung keine Fragen oder Anträge stellen kann, die den Verfahrensausgang beeinflussen können (BGH aaO). Gemessen daran kommt der ergänzenden Vernehmung einer Opferzeugin grundsätzlich erhebliche Bedeutung für das Verfahren zu, sodass der Angeklagte nach einer solchen ebenfalls stets die Möglichkeit haben muss, ergänzende Fragen oder Anträge zu stellen (BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – 1 StR 711/13, aaO, 533 mwN). Beim Vorwurf von Sexualstraftaten liegt es sogar nahe, dass Umstände zum Tatgeschehen selbst dann erörtert werden, wenn es nur deshalb zu einer erneuten Vernehmung der Opferzeugin kommt, weil Fragen zum Randgeschehen noch geklärt werden müssen. Kein Verfahrensbeteiligter ist in einem solchen Fall rechtlich gehindert, bisher noch nicht gestellte, aber zur Sache gehörende und damit den gesamten Anklagevorwurf betreffende Fragen zu stellen. Dieser Möglichkeit zu ergänzenden Fragen kommt insbesondere dann besondere Bedeutung zu, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Angeklagte nach dem zutreffenden Vortrag der Revision bereits gemäß § 247 StPO von der Teilnahme an der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin nach ihrer ersten Zeugenvernehmung ausgeschlossen war. Die besondere Verfahrensbedeutung der zweiten Zeugenvernehmung liegt in solchen Fällen darin, dass mit dieser Vernehmung der Verfahrensfehler, dem Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung nach der ersten Zeugenvernehmung der Nebenklägerin die Anwesenheit nicht zu gestatten, geheilt wurde (BGH, aaO, 533).

II.


9
Für den Fall, dass die zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer des Landgerichts nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der Angeklagte sich nicht nur wegen (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern, sondern tateinheitlich auch wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen schuldig gemacht hat, wird sie angesichts der in Rede stehenden Tatzeiträume insoweit auf die Frage der Verjährung Bedacht zu nehmen haben (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 543/17
vom
9. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2018:090518B2STR543.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 30. August 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen und formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Der Rüge einer Verletzung der §§ 169, 174 Abs. 1 GVG i.V. m. § 338 Nr. 6 StPO liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Am 9. August 2017, dem 1. Verhandlungstag, beantragte die Vertreterin der Nebenklägerin, für deren Vernehmung die Öffentlichkeit auszuschließen. Aufgrund eines daraufhin gefassten Beschlusses der Strafkammer wurde die Nebenklägerin sodann unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen und noch am selben Tag entlassen. Am darauffolgenden Verhandlungstag setzte das Landgericht die Beweisaufnahme durch weitere Beweiserhebungen fort, bevor die Nebenklägerin „nochmals in den Zeugenstand gebeten wurde“. Sie wurde wiederum unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen, ein erneuter Beschluss zum Ausschluss der Öffentlichkeit erging nicht. Am 4. und letzten Verhandlungstag stellte das Landgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren hinsichtlich zweier Tatvorwürfe zum Nachteil der Nebenklägerin vorläufig ein.
4
2. Die Rüge des Angeklagten, die zweite Zeugenvernehmung der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung sei entgegen §§ 169, 174 Abs. 1 GVG unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt worden, ohne dass zuvor ein Gerichtsbeschluss gefasst und verkündet worden sei, hat Erfolg.
5
a) Die Rüge ist zulässig erhoben. Der Angeklagte hat alle hierfür erforderlichen Verfahrenstatsachen vorgetragen, die das Revisionsgericht in die Lage versetzen, allein anhand des Rügevorbringens das Vorhandensein des behaupteten Verfahrensfehlers festzustellen, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind (vgl. Gericke, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, § 344, Rn. 38 m. Nachweisen zur Rspr.). Es war insoweit nicht gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO geboten, in der Revisionsbegründung zum denkgesetzlichen Ausschluss des Beruhens des Urteils auf dem behaupteten Verfahrensverstoß vorzutragen, insofern darauf hinzuweisen, dass das Landgericht das Verfahren hinsichtlich zweier Tatvorwürfe vorläufig nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hatte, und deshalb (gegebenenfalls) pauschal mitzuteilen, dass sich die zweite Vernehmung jedenfalls auch auf die zur Verurteilung gelangten Fälle bezog (vgl. aber BGHR StPO § 338 Nr. 6 Ausschluss 5 für den Fall eines Teilfreispruchs; hiergegen Meyer-Goßner/Schmitt, 61. Aufl. 2018, § 338, Rn. 50b).
6
Dass das Verfahren im Hinblick auf weiterreichende Tatvorwürfe eingestellt worden war, lässt sich den Urteilsgründen entnehmen (UA S. 64); insoweit war der Angeklagte nicht gehalten, dies in seiner Revisionsbegründung noch einmal ausdrücklich zu erwähnen. Aber auch eines Hinweises auf den Vernehmungsgegenstand der zweiten Vernehmung bedurfte es – jedenfalls hier – nicht. Aus den Urteilsgründen, die der Senat aufgrund der Sachrüge zur Kenntnis genommen hat, ergibt sich, dass der Tatrichter seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch aus Angaben der Nebenklägerin zu nicht zur Verurteilung gelangten Tatvorwürfen gebildet hat. Die gegen den Angeklagten erhobenen Tatvorwürfe betrafen eine Reihe von sexuellen Nötigungen bzw. Vergewaltigungen der Nebenklägerin während einer einzigen Nacht, die der Angeklagte in Abrede gestellt hat. Das Landgericht hat sich bei seiner Verurteilung im Wesentlichen auf die Angaben der als glaubwürdig angesehenen Ne- benklägerin gestützt, die „das von ihr erlebte Geschehen zunächst bei ihrer ers- ten polizeilichen und anschließend bei ihrer Nachvernehmung sowie in der Hauptverhandlung gleichbleibend und widerspruchsfrei geschildert“ habe. Da- bei hat das Landgericht auch hinsichtlich der nicht zur Aburteilung gelangten Geschehnisse auf die Angaben der Nebenklägerin gestützte Feststellungen getroffen. Es liegt bei einer solchen Verfahrenskonstellation auf der Hand, dass Angaben zu den eingestellten Tatvorwürfen grundsätzlich auch für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin insgesamt und damit auch für die Verurteilungsfälle Bedeutung erlangen (können); dies zeigt sich hier konkret etwa in dem landgerichtlichen Hinweis auf die Schilderung von Details durch die Nebenklägerin, die die Strafkammer als Zeichen für ihre Glaubwürdigkeit angesehen hat und die sich auch auf eingestellte Tatvorwürfe bezogen. Deshalb waren Ausführungen in der Revisionsbegründung zum Vernehmungsgegenstand der zweiten Zeugenvernehmung entbehrlich.
7
b) Die Rüge ist auch begründet. Das landgerichtliche Urteil ist auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind (§ 338 Nr. 6 StPO).
8
Die zweite Zeugenvernehmung der Nebenklägerin ist entgegen §§ 169, 174 Abs. 1 GVG unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt worden, ohne dass hierüber – wie sich dem Protokoll entnehmen lässt (§ 274 StPO) – ein Gerichtsbeschluss gefasst und verkündet worden ist. Der vor Beginn der Erstvernehmung am 9. August 2017 gefasste Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit entfaltete für den Öffentlichkeitsausschluss bei der weiteren Vernehmung am nächsten Verhandlungstag keine Wirkung mehr, da er nur bis zur Beendigung der Vernehmung galt. Ist wie hier eine Vernehmung abgeschlossen und die Zeugin entlassen worden, so ist dann, wenn sie nach zwischenzeitlich durchgeführter weiterer Beweisaufnahme nochmals vernommen werden soll, für den Ausschluss der Öffentlichkeit grundsätzlich ein neuer Beschluss erforderlich (vgl. BGH StV 2008, 126, 127; NStZ 1992, 447).
9
Der Verstoß gegen die Regeln über die Öffentlichkeit führt grundsätzlich zur Aufhebung des Urteils. Ein Ausnahmefall, in dem nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Einfluss eines Verfahrensfehlers auf das Urteil denkgesetzlich ausgeschlossen werden kann (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH NStZRR 2014, 391 mwN), liegt nicht vor. Selbst wenn Gegenstand der zweiten Zeugenvernehmung der Nebenklägerin lediglich die später eingestellten Tatvorwürfe gewesen sein sollten, ergibt sich – wie oben bereits ausgeführt – gleichwohl aus den Urteilsgründen, dass der Tatrichter seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch aus Angaben der Nebenklägerin zu nicht zur Verurteilung gelangten Tatvorwürfen gebildet hat. Insoweit sah sich der Senat auch nicht veranlasst, dienstliche Erklärungen zum Gegenstand der zweiten Vernehmung der Nebenklägerin einzuholen.
10
Schließlich ist ein Beruhen des Urteils auf dem fehlenden Gerichtsbeschluss über den Öffentlichkeitsausschluss auch nicht deshalb denkgesetzlich ausgeschlossen, weil sich aus den Urteilsgründen und dem Protokoll das Vorliegen der Voraussetzungen eines zwingend vorgeschriebenen Ausschlusses der Öffentlichkeit gemäß § 171b Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 GVG ergibt und damit das Fehlen eines gerichtlichen Beschlusses eine bloße Förmlichkeit wäre, die den Bestand des Urteils nicht gefährden könnte. Dies setzte nämlich voraus, dass sich der in der Hauptverhandlung am 9. August 2017 erst- und einmalig angebrachte Antrag der Nebenklägerin auf Ausschließung der Öffentlichkeit nicht nur auf die unmittelbar bevorstehende, sondern auch – ohne Kenntnis des dann bestehenden Vernehmungsgegenstandes – auf etwaige weitere Zeugenvernehmungen der Nebenklägerin bezogen hätte. Davon aber ist vorliegend bei einer zweiten, hier an eine weitere Beweiserhebung anknüpfenden Zeugenvernehmung nicht ohne Weiteres auszugehen. Es versteht sich auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Anlass für die erneute Zeugenvernehmung nicht mit den herkömmlichen Mitteln des Revisionsrechts rekonstruierbar ist, jedenfalls nicht von selbst, dass auch in einer weiteren, auf bestimmte Themenkomplexe ausgerichteten Vernehmung wieder Umstände zur Sprache kommen, deren Erörterung schutzwürdige Interessen der Zeugin verletzen könnten. Insoweit ist – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts – nicht davon auszugehen, dass ein einmalig angebrachter Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit weitere mögliche Zeugenvernehmungen erfasst. Schäfer Krehl Eschelbach Grube Schmidt

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 268/00
URTEIL
vom 30. August 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
30. August 2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H
als Verteidiger,
Rechtsanwalt F
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 21. Oktober 1999 wird verworfen.
Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Schwurgericht hat die Angeklagte wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Ihre Revision hat keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Schwurgerichts tötete die Angeklagte bei einem nächtlichen Spaziergang ihren Ehemann; sie versetzte dem Tatopfer, das in der Tatsituation von ihrem Angriff völlig überrascht war, mehr als 40 Stiche mit einem Messer, das sie zur Verwirklichung ihres Tötungsplanes eingesteckt hatte. Die Angeklagte wollte ihren Mann beseitigen, weil er ihren Zukunftsplänen entgegenstand; sie wollte nämlich ohne den Mann – der mit einer Scheidung nicht einverstanden war – gemeinsam mit einer Freundin und den jeweiligen Kindern in dem bisherigen ehelichen Haus zusammenleben.
2. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts greift die auf § 338 Nr. 5 StPO in Verbindung mit § 247 StPO gestützte Verfahrensrüge nicht durch. Die Revision beanstandet, daß das Schwurgericht während der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten ohne Beschlußfassung nach § 247 StPO deren 16jährige Tochter W über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt und die Erklärung der Zeugnisverweigerung entgegengenommen habe.

a) Ob die Rüge von vornherein daran scheitern muß, daß die Angeklagte einverständlich den Sitzungssaal verlassen hat, läßt der Senat offen. Zwar hat der Bundesgerichtshof ein derartiges Einverständnis bei Rügen dieser Art unter Hinweis auf die Unverzichtbarkeit des – mit einer Anwesenheitspflicht korrespondierenden – Anwesenheitsrechts des Angeklagten wiederholt für unerheblich erachtet (vgl. BGHR StPO § 247 – Ausschließungsgrund 1; § 338 Nr. 5 – Angeklagter 10, 18; vgl. demgegenüber BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 – Mißbrauch 1; Basdorf StV 1997, 488, 492). Das sollte aber – zur gebotenen Vermeidung überspannter Formstrenge bei Anwendung der absoluten Revisionsgründe – jedenfalls dann nicht gelten, wenn die Voraussetzungen für eine Abwesenheitsverhandlung zweifelsfrei vorliegen, entsprechend das Einverständnis des auf sein Anwesenheitsrecht verzichtenden Angeklagten – wie das sämtlicher Prozeßbeteiligter – auf der Anerkennung dieser verfahrensrechtlich eindeutigen Situation beruht (vgl. zum Meinungsstand BGHR StPO § 338 Nr. 5 – Angeklagter 18; BGH NJW 1976, 1108; BGH NStZ 1983, 36; BGH, Beschluß vom 6. Dezember 1977 – 5 StR 724/77; jeweils m.w.N.; so jedenfalls für das Fehlen einer Beschlußbegründung : BGHSt 22, 18, 20; BGHR StPO § 247 Satz 2 – Begründungserfordernis 1; vgl. auch BGHSt 45, 117 m. Anm. Rieß JR 2000, 253; a.A. Diemer in KK 4. Aufl. § 247 Rdn. 16). Daß dies hier der Fall war, liegt im Blick auf eine zu erwartende schwere psychische Belastung der Zeugin durch eine Konfrontation mit ihrer Mutter in der Situation einer Hauptverhandlung gegen die Mutter wegen Ermordung des Vaters auf der Hand (§ 247 Satz 2, zweite Alternative StPO; vgl. BGHR StPO § 247 Satz 2 – Begründungserfordernis 1 und 2).
Die Frage bedarf keiner abschließenden Entscheidung; denn das Rügevorbringen genügt nicht den – bei Formalrügen dieser Art besonders strikt zu beachtenden (vgl. BGHR StPO § 247 – Abwesenheit 10, 18; BGH NStZ 2000, 328) – formalen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

b) In der Revisionsbegründung wird die Wesentlichkeit einer Anwesenheit der Angeklagten bei der Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht und der Berufung der Zeugin hierauf mit der sonst vereitelten Chance der Angeklagten begründet, die Zeugin zur Aussage zu veranlassen. Ferner wird ein Verstoß auch in der Abwesenheit der Angeklagten während der Verhandlung über die Entlassung der Zeugin gesehen, da die Angeklagte die Zeugin noch in diesem Stadium um die Nichtausübung des Zeugnisverweigerungsrechts hätte bitten können. In diesem Zusammenhang erwähnt die Revisionsbegründung noch nicht das Einverständnis aller Prozeßbeteiligter – also auch der Angeklagten selbst – mit deren Entfernung; es wird vielmehr zunächst argumentiert wie für einen Fall, in dem die Entfernung der Angeklagten gegen ihren Willen erfolgt wäre. Erst im Zusammenhang mit der Beanstandung des fehlenden Beschlusses erwähnt die Revisionsbegründung dann das Einverständnis aller Prozeßbeteiligten eher beiläufig. Dabei läßt sie den besonderen prozessualen Hintergrund gänzlich unerwähnt , vor dem es zu jenem – ersichtlich auch von der Angeklagten getragenen – Einverständnis gekommen ist.
aa) Wie sich aus den Akten ergibt, hatten der Bruder des Getöteten – einer der Nebenkläger – und seine Ehefrau als Vormünder der Zeugin, ihrer Nichte, zwischen deren Zeugenladung und dem Beginn der Hauptverhandlung durch ein persönliches Schreiben an das Gericht und über wiederholte Eingaben des Nebenklägervertreters (Bl. 1288, 1291 ff., 1311 f., 1317 d.A.) einer Vernehmung der Zeugin widersprochen. Dabei hatten sie das Zeugnisverweigerungsrecht der Tochter erwähnt und auf deren schwere emotionale Belastung für den Fall einer Konfrontation mit der Mutter in der Hauptverhandlungssituation hingewiesen. Als das Gericht auf einem Erscheinen der Zeugin bestand, hatten sie den dringenden Wunsch organisatorischer Absicherung zur Vermeidung einer persönlichen Begegnung zwischen Angeklagter und Zeugin hervorgehoben. Vor diesem prozessualen Hintergrund verließ dann – nachdem der vorige Zeuge um 16.35 Uhr entlassen worden war – ”die Angeklagte im Einverständnis sämtlicher Verfahrensbeteiligter für die Erörterung der Frage, ob sich die Zeugin W auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht beruft, den Sitzungssaal”. Nach Belehrung ”gemäß §§ 57 und 52 StPO” erklärte die Zeugin – ohne zur Person vernommen worden zu sein (§ 68 StPO) – , daß sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache; sie wurde ”im allseitigen Einverständnis um 16.40 Uhr entlassen” (S. 5 der Sitzungsniederschrift, Bl. 1332 d.A.).
Nur bei vollständiger Kenntnis des Vorlaufs und Ablaufs dieser Zeugnisverweigerung läßt sich beurteilen, ob jener Vorgang, wie die Revision geltend macht, ein – zudem wesentlicher – Teil der Hauptverhandlung gewesen ist oder vielmehr die Durchführung eines Freibeweisverfahrens am Rande der Hauptverhandlung, das gerade nicht deren wesentlicher Teil ist und für welches das durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gesicherte grundsätzliche Anwesenheitsgebot für den Angeklagten nicht gilt (vgl. BGHR StPO § 247 – Abwesenheit 17; vgl. ferner BGHR StPO § 338 Nr. 6 – Öffentlichkeit 2). Letzteres anzunehmen, läge hier nahe. Dies belegt das Erfordernis des vollständigen Sachvortrags zu jenen Verfahrensvorgängen, ohne den eine abschließende Prüfung durch den Senat nicht zu erfolgen hat.
bb) Erklärt ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge vor einer Hauptverhandlung, daß er unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht nicht aussagen wolle, ist das Gericht – wenn es keine Hinweise auf eine unzureichende Information des Zeugen über seine Rechtsstellung und Interessenlage oder über eine möglicherweise noch bestehende Unentschlossenheit des Zeugen über die Zeugnisverweigerung hat - nicht gehalten , den Zeugen zur Hauptverhandlung zu laden; ist die Zeugnisverweigerung eindeutig erklärt, ist das Gericht mit Rücksicht auf die Belange des Zeugen sogar gehindert, ihn zu laden. Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines derart eindeutig berechtigt das Zeugnis verweigernden Zeugen wäre unzulässig (vgl. Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß 5. Aufl. S. 452 f.; ferner BGHSt 21, 12; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 – Unerreichbarkeit 17; BGH NStZ 1982, 126). Das Gericht, das sich so freibeweislich über die Zeugnisverweigerung unterrichten läßt, kann folglich fraglos etwa noch bestehende Zweifel über Willensmängel des Zeugen ebenfalls außerhalb der Hauptverhandlung freibeweislich beseitigen.
Angesichts dessen, daß sich die Tochter der Angeklagten hier noch nicht ausdrücklich selbst über die Wahrnehmung ihres höchstpersönlichen Rechts auf Zeugnisverweigerung erklärt hatte, war es nicht unvertretbar, daß das Gericht zunächst noch auf ihrer Ladung bestand. Die vom Gericht zu wahrenden Interessen des Zeugenschutzes legten es hier indes nach den Eingaben der Vormünder der Zeugin nahe, eine – im Freibeweis mögliche – abschließende Klärung dieser Frage außerhalb der Hauptverhandlung herbeizuführen. Das Gericht hat zwar weder eine eindeutige schriftliche Erklärung der Zeugin über ihre Zeugnisverweigerung angefordert noch die Frage der Zeugnisverweigerung im Rahmen einer informatorischen richterlichen Anhörung oder kommissarischen Vernehmung vor der Hauptverhandlung geklärt; es hat sich nicht einmal, um der psychisch ersichtlich gefährdeten jugendlichen Zeugin wenigstens das Betreten des Schwurgerichtssaales im Rahmen der Verhandlung über die Ermordung ihres Vaters zu er- sparen, dazu entschlossen, die Anhörung zur Frage der Zeugnisverweigerung – über deren Berechtigung das Mädchen ersichtlich zutreffend unterrichtet war – in einem getrennten Raum ohne Öffentlichkeit – und selbstverständlich in Abwesenheit der Angeklagten – freibeweislich zu klären. Es liegt aber auf der Hand, aus der verbliebenen Rücksichtnahme des Gerichts auf die psychischen Belange der Zeugin, wonach es wenigstens – im allseitigen Einverständnis der Prozeßbeteiligten – eine Konfrontation zwischen Mutter und Tochter im Gerichtssaal zu vermeiden suchte, darauf zu schließen, daß das Schwurgericht in zulässiger Weise die Frage der Zeugnisverweigerung durch informatorische Anhörung im Freibeweisverfahren selbst vor Vernehmung zur Person abschließend klären wollte. Danach konnte die Frage einer Entfernung der Angeklagten gemäß § 247 StPO zunächst bis zum Abschluß jenes Freibeweisverfahrens zurückgestellt werden. Es gilt hier nichts anderes als im Fall freibeweislicher Klärung der Vernehmungsfähigkeit eines Zeugen oder seiner psychischen Belastung bei Konfrontation mit dem Angeklagten , bei welcher der Angeklagte, da jene Freibeweiserhebung nicht notwendiger Teil der Hauptverhandlung ist, nicht anwesend sein muß (BGHR StPO § 247 – Abwesenheit 17). Nach solcher Verfahrensweise wäre erst nach Eintritt des eher unwahrscheinlichen – tatsächlich nicht eingetretenen - Falles einer Aussagebereitschaft der verweigerungsberechtigten Zeugin formell unerläßlich eine Beschlußfassung nach § 247 StPO geboten gewesen.
Jene Abwesenheitsverhandlung stellte sich durch ihre besondere prozessuale Vorgeschichte hier eben nicht – wie es nach dem Revisionsvortrag erscheint – als ”Normalfall” des Beginns der Befragung eines geladenen zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen, dessen Zeugnisverweigerung offen ist, dar, die regelmäßig Teil der Hauptverhandlung wäre. Daher war die Revision zum Vortrag über jene Vorgeschichte nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verpflichtet.

3. Die übrigen Verfahrensrügen sind offensichtlich unbegründet. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.
Harms Häger Basdorf Tepperwien Brause

Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 9 4 / 1 4
vom
24. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 6. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Mit seiner gegen die Verurteilung gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
Nach den Feststellungen übte der Angeklagte mit der damals 13 Jahre alten geschädigten Zeugin, die er über das Internet kennen gelernt hatte, in fünf Fällen einvernehmlich Vaginal- bzw. Oralverkehr aus. Die Initiative zu die- sen Sexualkontakten war sowohl vom Angeklagten als auch der Zeugin ausgegangen. Seine Einlassung, er habe der Zeugin deren Angabe geglaubt, sie sei bereits 18 Jahre alt, hat das Landgericht als widerlegt angesehen. Zur Begründung hat es auf die Angaben, die der Stiefvater der Zeugin in einem Telefongespräch gegenüber dem Angeklagten machte, und weitere Umstände abgestellt.
3
Die von der Revision erhobene Rüge der Verletzung der § 338 Nr. 5, § 247 StPO greift durch.
4
Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
5
Der Vorsitzende der Strafkammer teilte in einem Fortsetzungstermin mit, die Zeugin und deren Mutter hätten im Foyer des Gerichtssaals darum gebeten, dass die Zeugin nicht in Anwesenheit des Angeklagten aussagen müsse. Nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten beschloss die Strafkammer sodann, dass der Angeklagte für die Dauer der Vernehmung der Zeugin gemäß § 247 Satz 1 und 2 StPO aus dem Sitzungssaal entfernt werde. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Zeugin habe auf dem Gerichtsflur weinend darum gebeten, dem Angeklagten nicht gegenübertreten zu müssen, da sie dann nicht reden könne. Ihre Mutter habe dringend darum gebeten, ihr Kind nicht in Anwesenheit des Angeklagten zu befragen. Mit Blick auf die Wichtigkeit des persönlichen Eindrucks von der Zeugin und die Aufklärungspflicht sei wie geschehen zu entscheiden.
6
Diese knappe, im Wesentlichen nur die unsubstantiierten Angaben der Zeugin und ihrer Mutter referierende Begründung genügt den Anforderungen des § 247 Satz 1 StPO hier nicht. Der zeitweise Ausschluss des Angeklagten ist durch einen Gerichtsbeschluss anzuordnen, dessen Begründung zweifelsfrei ergeben muss, dass das Gericht von zulässigen Erwägungen ausgegangen ist.
Der bloße Wunsch eines Zeugen, in Abwesenheit des Angeklagten aussagen zu dürfen, rechtfertigt für sich eine Anordnung nach § 247 Satz 1 StPO noch nicht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 6. Dezember 1967 - 2 StR 616/67, BGHSt 22, 18, 21; Beschluss vom 15. August 2001 - 3 StR 225/01, BGHR StPO § 247 Satz 1 Begründungserfordernis 5). Die Befürchtung des Gerichts, dass die Anwesenheit des Angeklagten den Zeugen von einer wahren und vollständigen Aussage abhalten werde, muss sich auf konkrete, im Einzelfall begründete Tatsachen stützen und nicht etwa nur auf allgemeine Erwägungen (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 247 Rn. 15 mwN; KK-Diemer, 7. Aufl., § 247 Rn. 5). Die Norm erfordert deshalb mit Blick auf die Schwere des Eingriffs in die Rechte des Angeklagten grundsätzlich eine substantiierte Begründung dessen zeitweisen Ausschlusses von der Hauptverhandlung. Eine solche kann in Fällen der vorliegenden Art allenfalls dann als entbehrlich angesehen werden, wenn sich unmittelbar aus dem Anklagegegenstand sowie aus der Person von Zeugen und Angeklagtem und ihrer Beziehung zueinander ohne Weiteres eine massive Furcht des Zeugen vor dem auszuschließenden Angeklagten aufdrängt , die geeignet erscheint, den Zeugen von wahren, insbesondere vollständigen Angaben in Gegenwart des Angeklagten abzuhalten, wie es beispielsweise bei psychisch schwer geschädigten Opfern von Sexualverbrechen auf der Hand liegt (BGH, Beschluss vom 21. April 1999 - 5 StR 715/98, BGHR StPO § 247 Satz 1 Begründungserfordernis 3).
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Zeugin beschränkte sich im Wesentlichen auf die Anbahnung und Durchführung der von beiden gewünschten sexuellen Handlungen. Irgendwelche durch den Kontakt mit dem Angeklagten hervorgerufenen psychischen Beeinträchtigungen der Zeugin hat das Landgericht nicht feststellen können. Ein objektiver Anlass für eine begründete Furcht der Zeugin vor einer Aussage in Gegenwart des Angeklagten lag deshalb nicht nahe. Bei dieser Sachlage war eine sorgfältige Begründung der Anordnung unerlässlich, in der das gewichtige Interesse des Angeklagten, während der Vernehmung der wichtigsten Belastungszeugin an der Hauptverhandlung teilzunehmen, mit berechtigten Interessen der Zeugin abzuwägen gewesen wäre. In die Bewertung wäre gegebenenfalls auch einzustellen gewesen, ob den Interessen der Zeugin etwa mit Anordnungen zum Verhalten des Angeklagten während ihrer Vernehmung oder zur Sitzordnung in ausreichender Weise hätte Rechnung getragen werden können (BGH, Beschluss vom 21. April 1999, aaO).
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Ausreichende Anhaltspunkte, welche die Voraussetzungen des § 247 Satz 2 StPO belegen könnten, sind weder in der Beschlussbegründung dargelegt noch sonst ersichtlich.
Becker RiBGH Pfister befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Gericke