Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2017 - 2 StR 199/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:160817B2STR199.17.0
bei uns veröffentlicht am16.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 199/17
vom
16. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls mit Waffen u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:160817B2STR199.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. August 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil Landgerichts Aachen vom 16. Januar 2017
a) hinsichtlich der Tat vom 15. Februar 2016 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und das Verfahren insoweit eingestellt; im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben;
c) im Schuld- sowie Strafausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt ist. 2. Zur Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen in einem Saturn-Markt am 15. Februar 2016 (Anklageschrift 2 Js 317/16 Staatsanwaltschaft Aachen, im Weiteren Tat vom 15. Februar 2016) zu einer Einzelfreiheitsstrafe von zehn Monaten und wegen eines weiteren Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit versuchter Nötigung am 10. Mai 2016 in einem RealMarkt (Anklageschrift 2 Js 535/16 Staatsanwaltschaft Aachen, im Weiteren Tat vom 10. Mai 2016) zu einer weiteren Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Aus den beiden Einzelstrafen hat das Landgericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren gebildet und eine Strafaussetzung zur Bewährung versagt.
2
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Hinsichtlich der Tat vom 15. Februar 2016 ist das Verfahren einzustellen, da es insoweit an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt.
4
1. Wegen des Tatvorwurfs vom 10. Mai 2016 erhob die Staatsanwaltschaft am 15. August 2016 Anklage zum Landgericht Aachen. Am 30. August 2016 übersandte das Amtsgericht Düren das dort noch im Zwischenverfahren anhängige Verfahren wegen des Tatvorwurfs vom 15. Februar 2016 an das Landgericht Aachen zur "Prüfung einer Übernahmebereitschaft". Am 16. September 2016 beschloss das Landgericht Aachen, die Anklage der Staatsanwaltschaft Aachen vom 15. August 2016 (Tat vom 10. Mai 2016) zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren gegen den Angeklagten vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichts zu eröffnen. Ferner beschloss es, die Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen durchzuführen sowie den Haftbefehl in Verbindung mit dem Haftverschonungsbeschluss gegen den Angeklagten wegen der Tat vom 10. Mai 2016 aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus verband es das vom Amtsgericht Düren übersandte Verfahren (Tat vom 15. Februar 2016) zu dem bei ihm geführten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Die dem Verfahren beim Amtsgericht Düren zugrunde liegende Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Aachen vom 6. April 2016 findet in dem Eröffnungsbeschluss der Strafkammer keine Erwähnung. Insoweit ist auch später keine Eröffnungsentscheidung ergangen.
5
2. Damit fehlt es hinsichtlich der Tat vom 15. Februar 2016 an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss. Die Eröffnungsentscheidung der Strafkammer vom 16. September 2016 bezog sich ausdrücklich nur auf die Anklage zur Tat vom 10. Mai 2016. Der von der Strafkammer gleichzeitig beschlossenen Übernahme und Hinzuverbindung des noch im Zwischenverfahren befindlichen amtsgerichtlichen Verfahrens kann nicht die Bedeutung einer konkludenten Eröffnung des Hauptverfahrens beigemessen werden.
6
Zur Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 203 StPO genügt zwar auch eine schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen (BGH, Beschluss vom 4. August 2016 - 4 StR 230/16, NStZ 2016, 747; Senat, Beschluss vom 17. Dezember 1999 - 2 StR 376/99, NStZ 2000, 442, 443 mwN). Dennoch bedarf es im Hinblick auf die Bedeutung des Eröffnungsbeschlusses als Grundlage des Hauptverfahrens regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist es erforderlich, dass die Urkunde aus sich heraus und in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen haben (Senat, Beschluss vom 16. Juni 2015 - 2 StR 29/15, StV 2015, 740; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 484/10, BGHR StPO § 207 Beschluss 1).
7
Die von der Strafkammer mit demselben Beschluss herbeigeführte Verbindung des amtsgerichtlichen Verfahrens wegen des Tatvorwurfs vom 15. Februar 2016 hat nicht die Wirkung eines Beschlusses über die Zulassung der in dem übernommenen Verfahren erhobenen Anklage und über die Eröffnung des Hauptverfahrens. Denn dem Verbindungsbeschluss ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, dass das Landgericht hinsichtlich der übernommenen Anklage die Eröffnungsvoraussetzungen geprüft und angenommen hat (vgl. zur ähnlichen Fallkonstellation BGH, Beschluss vom 9. Januar 1987 - 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 484/10, NStZ-RR 2011, 150; BayObLG, Urteil vom 5. August 1997 – 2 St RR 154/97, NStZ-RR 1998, 109).
8
Die Entscheidung der Strafkammer über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls in dem bei ihr angeklagten Verfahren vermag den fehlenden Eröffnungsbeschluss ebenfalls nicht zu ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 1998 – 4 StR 606/97, NStZ-RR 1999, 14, 15), da die Aufrechterhaltung des Haftbefehls lediglich den Tatvorwurf vom 10. Mai 2016 betrifft.
9
Eine Eröffnung des Hauptverfahrens ergibt sich auch nicht daraus, dass in der Hauptverhandlung vom 16. Januar 2017 beide Anklageschriften unbeanstandet verlesen und der Vorsitzende auch hinsichtlich der Anklageschrift vom 6. April 2016, betreffend den Tatvorwurf vom 15. Februar 2016, irrtümlich festgestellt hat, dass diese durch Beschluss der Strafkammer vom 16. September 2016 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor der 2. Strafkammer eröffnet worden sowie eine Verbindung zu dem zuvor beim Landgericht geführten Verfahren erfolgt sei. Die Dokumentation einer grund- sätzlich möglichen Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung scheitert hier bereits daran, dass die Strafkammer lediglich mit zwei Berufsrichtern verhandelte. Eine Eröffnungsentscheidung ist indes durch die Strafkammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung, also mit drei Berufsrichtern ohne Schöffen, zu treffen (BGH, Beschluss vom 29. September 2011 – 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226, Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 596/09, juris, Rn. 12).
10
Das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses stellt ein in der Revisionsinstanz nicht behebbares Verfahrenshindernis dar, das zur Einstellung des gerichtlichen Verfahrens hinsichtlich des Tatvorwurfs vom 15. Februar 2016 nach § 206a StPO mit der Kostenfolge gemäß § 467 Abs. 1 StPO führt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2016 – 4 StR 230/16, NStZ 2016, 747; Senat, Beschluss vom 16. Juni 2015 – 2 StR 29/15, StV 2015, 740, 741).
11
Die Einstellung hinsichtlich der Tat vom 15. Februar 2016 lässt den Gesamtstrafenausspruch sowie die damit verbundene Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung entfallen. Davon unberührt bleibt die Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit versuchter Nötigung aufgrund der Tat vom 10. Mai 2016. Die Nachprüfung des Urteils hat diesbezüglich weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO), so dass auch die Einzelstrafe von einem Jahr und zehn Monaten aufrechtzuerhalten war. Insoweit wird die nunmehr berufene Strafkammer über die Frage der Strafaussetzung neu zu entscheiden haben. Die bislang rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben bestehen. Ergänzende Feststellungen sind möglich. Appl Eschelbach Zeng Bartel Schmidt

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2017 - 2 StR 199/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2017 - 2 StR 199/17

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Strafprozeßordnung - StPO | § 203 Eröffnungsbeschluss


Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2017 - 2 StR 199/17 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Strafprozeßordnung - StPO | § 203 Eröffnungsbeschluss


Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

Strafprozeßordnung - StPO | § 207 Inhalt des Eröffnungsbeschlusses


(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. (2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen

Referenzen - Urteile

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 230/16
vom
4. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:040816B4STR230.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. August 2016 gemäß § 206a Abs. 1, § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 18. Januar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Hinsichtlich der Tat II.1 der Urteilsgründe wird das Verfahren eingestellt; im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 3. Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und des Diebstahls mit Waffen freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte spätestens seit 2010 an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose. Er interpretiert tatsächlich in seinem Bauchraum vorhandene Lipome als mit einem Seil verbundene, von äußeren Einflüssen und seinen Gedanken abhängige Krebsgeschwüre. Infolge seiner Erkrankung und des damit verbundenen Beeinflussungserlebens hat der Angeklagte Beeinträchtigungsideen und fühlt sich verfolgt. Des Weiteren besteht beim Angeklagten eine Polytoxikomanie mit schwerer Opiatabhängigkeit.
3
Im Sommer 2013 hatte der Angeklagte ein Fahrrad entwendet, ohne zu wissen, dass dieses der Mutter eines Bekannten gehörte. Als der Bekannte von dem Diebstahl Kenntnis erlangte, stellte er den Angeklagten zur Rede und forderte ihn zur Rückgabe auf. Nachdem das Angebot des Angeklagten, für das nicht mehr vorhandene gestohlene ein anderes Fahrrad zu übergeben, von der Mutter des Bekannten abgelehnt worden war, riefen die Mutter und der Bekannte selbst zuletzt am Vorabend des Tattags bei dem Angeklagten an und verlangten die Rückgabe des gestohlenen Fahrrads. Der Angeklagte fühlte sich durch die Anrufe unter Druck gesetzt und befand sich in der Vorstellung, er werde von seinem Bekannten und dessen Mutter regelrecht verfolgt.
4
Am 27. Juli 2013 gegen 20.20 Uhr verließ der Bekannte mit einem Begleiter seine Wohnung und begab sich auf die Straße. Als der Angeklagte, der sich zufällig an einem Kiosk in Sichtweite aufhielt, den Bekannten erblickte, erkannte er ihn und fühlte sich von diesem verfolgt. Noch unter dem Eindruck des vorabendlichen Anrufs meinte der Angeklagte, der Bekannte wolle ihn stellen und angreifen. Deshalb ergriff er einen auf dem Boden liegenden etwa 60 bis 80 cm langen dicken Ast und verbarg diesen unter der Jacke. Obwohl die beiden Männer sich ihm nicht näherten, wollte er die Sache nicht auf sich beruhen lassen und ging schnellen Schrittes aggressiv auf beide zu. Er schrie den Bekannten auf Russisch an, zog, als dieser ihm auf Russisch antwortete, unvermittelt den unter seiner Jacke verborgenen Ast hervor und schlug damit heftig mindestens zweimal auf den Kopf und in das Gesicht des Bekannten. Dabei zerbrach der Ast, der womöglich etwas morsch war, unter der Kraft der wuchtig geführten Schläge. Der Geschädigte, der infolge der Schläge kurz zu Boden ging, erlitt eine Platzwunde an der Lippe sowie eine Verletzung im Zahnbereich, die zum Verlust von drei Schneidezähnen führte. Der Angeklagte ließ sodann von dem Geschädigten ab und entfernte sich. Bei der Tat war der Angeklagte aufgrund der paranoid-halluzinatorischen Psychose nicht mehr in der Lage, sein Verhalten entsprechend der noch vorhandenen Unrechtseinsicht zu steuern (Tat II.1 der Urteilsgründe).
5
Am 31. August 2013 suchte der Angeklagte die Verkaufsräumlichkeiten der Firma K. in W. auf, entnahm der Auslage fünf Flaschen Wodka im Gesamtwert von 62,45 Euro, steckte sie in seine mitgeführte Tasche und passierte den Kassenbereich, ohne die Waren zu bezahlen. Dabei trug er in seinem Rucksack ein Einhandmesser mit 8,5 cm langer Klinge und in seiner Hosentasche ein Taschenmesser bei sich. Er hatte unter Suchtdruck nach Heroin vor, die Waren ohne Bezahlung für sich zu behalten und sie später gegen 1 g Heroin einzutauschen. Der Angeklagte war aufgrund des wegen seiner Polytoxikomanie und Opiatabhängigkeit bestehenden schweren Suchtdrucks im Zusammenwirken mit der fortbestehenden paranoid-halluzinatorischen Psychose – bei sicher erheblich beeinträchtigtem Hemmungsvermögen – nicht ausschließbar nicht in der Lage, sein Verhalten entgegen der Einsicht in das Unrecht zu steuern (Tat II.2 der Urteilsgründe).

II.

6
Hinsichtlich der Tat II.1 der Urteilsgründe ist das Verfahren einzustellen, da es insoweit an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt.
7
1. Wegen der Körperverletzungstat erhob die Staatsanwaltschaft mit Anklageschrift vom 24. Juni 2014 Anklage zum Amtsgericht - Strafrichter - Witten. Nachdem der Strafrichter das Verfahren am 10. September 2014 zur Übernahme vorgelegt hatte, übernahm das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten das Verfahren mit Beschluss vom 12. September 2014 und verband es mit dem dort anhängigen Verfahren, welches aufgrund der Anklageschrift vom 29. August 2014 die Tat II.2 der Urteilsgründe zum Gegenstand hatte. Am 12. September und 30. September 2014 ergingen acht weitere Beschlüsse, mit denen das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten jeweils die Übernahme von Verfahren hinsichtlich beim Amtsgericht - Strafrichter - Witten erhobener Anklagen und deren Verbindung zu dem beim Amtsgericht - Schöffengericht - Witten anhängigen Verfahren beschloss. Mit Beschluss vom 27. November 2014 ließ das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 29. August 2014 zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren. Die weiteren Anklagen, einschließlich der Anklage vom 24. Juni 2014 bezüglich der Tat II.1 der Urteilsgründe, finden in dem Eröffnungsbeschluss vom 27. November 2014 keine Erwähnung. Insoweit sind auch später keine Eröffnungsentscheidungen ergangen.
8
2. Damit fehlt es für die Tat II.1 der Urteilsgründe an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss. Die Eröffnungsentscheidung vom 27. November 2014 bezog sich ausdrücklich nur auf die Anklage vom 29. August 2014 und nicht auf die Anklage vom 24. Juni 2014. Ihr kann, bezogen auf die Anklage vom 24. Juni 2014, auch nicht die Bedeutung einer konkludenten Eröffnung des Hauptverfahrens beigemessen werden. Zur Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 203 StPO genügt zwar eine schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts , die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 1999 - 2 StR 376/99, NStZ 2000, 442, 443 mwN; vom 3. Mai 2001 - 4 StR 59/01, bei Becker, NStZ-RR 2002, 68; vom 5. Februar 1998 - 4 StR 606/97, BGHR StPO § 203 Beschluss 4). Dem Beschluss vom 27. November 2014, der sich nach seinem Wortlaut ausschließlich auf die Anklage vom 29. August 2014 bezieht, ist aber mit der erforderlichen Sicherheit nicht zu entnehmen , dass das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten hinsichtlich der Anklage vom 24. Juni 2014 die Eröffnungsvoraussetzungen geprüft und angenommen hat. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in der im Zusammenhang mit dem Beschluss vom 27. November 2014 ergangenen Terminsverfügung die Ladung von zwei Zeugen zu dem mit Anklage vom 24. Juni 2014 erhobenen Tatvorwurf angeordnet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 1987 - 3 StR 493/87, BGHR StPO § 203 Beschluss 1).
9
Das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses stellt ein in diesem Verfahren nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des Verfahrens zur Folge hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2011 - 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226; vom 9. Januar 1987 - 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; vom 15. Mai 1984 - 5 StR 283/84, NStZ 1984, 520; vom 9. Juni 1981 - 4 StR 263/81, DRiZ 1981, 343; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 207 Rn. 12 mwN; Seidl in KMR, § 203 Rn. 11 ff. [Stand Mai 2012]; Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 207 Rn. 84 ff.).

III.

10
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand, weil der von der Strafkammer angenommene symptomatische Zusammenhang zwischen der als Anlasstat verbleibenden Diebstahlstat am 31. August 2013 und der psychotischen Erkrankung des Angeklagten nicht tragfähig begründet ist.
11
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Daneben ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erforderlich, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB in der am 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 6. Juli 2016, BGBl. I 1610). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2016 - 4 StR 210/16 Rn. 5; vom 15. Januar 2015 - 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; vom 29. April 2014 - 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243, 244).

12
2. Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des angefochtenen Urteils zum Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der psychotischen Erkrankung des Angeklagten und der Diebstahlstat am 31. August 2013 (Tat II.2 der Urteilsgründe) nicht gerecht.
13
Die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit. Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung , in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZRR 2014, 305, 306; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 24. April 2012 - 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Feststellungen dazu, ob und in welcher Weise die paranoid-halluzinatorische Psychose des Angeklagten Auswirkungen auf die Begehung der Diebstahlstat am 31. August 2013 hatte, hat das Landgericht nicht getroffen. Der Umstand, dass der Angeklagte bei der Tat in Rucksack und Hosentasche zwei Messer mit sich führte, lässt Rückschlüsse auf eine Beeinflussung der Tat durch die psychische Erkrankung des Angeklagten nicht zu. Soweit die Urteilsgründe in diesem Kontext auf psychosebedingte Verfolgungsideen des Angeklagten verweisen, entbehrt dies zudem einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Während der psychiatrische Sachverständige für seinen entsprechenden Befund die Bekundungen des sachverständigen Zeugen Dr. G. als Anknüpfungstatsachen herangezogen hat, geben die im Urteil wiedergegebenen Angaben dieses Zeugen in der Hauptverhandlung für ein nachhaltiges Verfolgungserleben des Angeklagten keinen Anhalt.
14
Schließlich vermag auch der zeitliche Zusammenhang mit der Tat am 27. Juli 2013 einen Einfluss der Psychose auf die Diebstahlstat nicht zu belegen. Denn das Landgericht hat auch hinsichtlich der Körperverletzungstat nicht hinreichend dargetan, dass die Tat auf die psychische Erkrankung des Angeklagten zurückzuführen ist. Die Annahme einer psychotischen Tatmotivation hat die Strafkammer insbesondere darauf gestützt, dass das gewaltsame Vorgehen des Angeklagten, das nicht unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um das Fahrrad gestanden habe, spontan ohne konkreten Anlass oder Auslöser erfolgt sei. Diese Ausführungen lassen sich indes ohne weitere, von der Strafkammer nicht angestellten Erwägungen mit den Feststellungen und dem weiteren Beweisergebnis nicht in Einklang bringen. Danach gab es im Vorfeld der Tat zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten eine Auseinandersetzung um die Rückgabe des entwendeten Fahrrads, die sich über längere Zeit hinzog und noch am Vorabend des Tattags zu einem Telefonanruf des Geschädigten beim Angeklagten führte. Unmittelbar vor dem Angriff mit dem Ast kam es zu einem lautstarken Wortwechsel, bei welchem es nach der Zeugenaussage des Begleiters des Geschädigten in der Hauptverhandlung um ein Fahrrad ging. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht die Möglichkeit, dass der tätliche Angriff des Angeklagten auf den Geschädigten durch den Streit um die Rückgabe des Fahrrads motiviert und damit auf einen normalpsychologisch erklärbaren Beweggrund zurückzuführen war, nicht nachvollziehbar ausgeschlossen.
15
3. Die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB kann daher nicht bestehen bleiben. Mit Blick auf die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist auch der Freispruch des Angeklagten aufzuheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1; vom 30. Juli 2013 - 4 StR 275/13 Rn. 18, insoweit in NStZ 2014, 36 nicht abgedruckt

).

Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 2 9 / 1 5
vom
16. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 16. Juni 2015 gemäß §§ 349 Abs. 4,
357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten F. und N. wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 1. Oktober 2014, soweit sie verurteilt wurden, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, im Fall II.3. der Urteilsgründe auch, soweit es den Angeklagten A. betrifft. 2. Das Verfahren gegen den Angeklagten N. in den Fällen II.6. bis II.8. der Urteilsgründe wird eingestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten N. der Staatskasse zur Last. 3. Im weiteren Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten F. unter Freisprechung im
1
Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten N. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, ferner wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 7.000 Euro angeordnet. Sichergestelltes Methamphetamin hat das Landgericht eingezogen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten F. und N. mit der Sachrüge, das Rechtsmittel des Angeklagten N. auch mit Verfahrensbeanstandungen. Die Revisionen haben Erfolg. Die Urteilsaufhebung ist gemäß § 357 StPO im Fall II.3. der Urteilsgründe auch auf den Angeklagten A. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
2

a) Die Angeklagten N. und F. vereinbarten Ende Mai oder
3
Anfang Juni 2012 die Einfuhr von Methamphetamin aus T. zum gewinnbringenden Verkauf im Inland. Zur Umgehung von Entdeckungsrisiken beim Transport im Inland sollten die Betäubungsmittel nach der Einfuhr mit einem Postpaket von dem grenznahen J. an eine Adresse in einem unbewohnten Haus in No. verschickt werden, wo sie von einem der Täter in Empfang genommen werden sollten. Die Angeklagten N. und F. erwarben in T.
4
194,77 g Methamphetamin. Ob sie die Betäubungsmittel selbst einführten oder die Verbringung über die Grenze durch den Verkäufer oder einen Boten erfolgte , konnte die Jugendkammer nicht feststellen. Sie ging aber davon aus, dass die Angeklagten zumindest den Transportweg mit dem Lieferanten vereinbart hatten. Der Angeklagte F. verpackte das Methamphetamin unter Verwen5 dung einer zuvor in No. kostenlos verteilten Zeitung in ein Postpaket, das er von J. an die angebliche Anschrift der Zeugin E. in einem tatsächlich unbewohnten, ihm gehörenden Haus in No. zur Übergabe an " P. " versandte. Der Angeklagte N. verfügte über einen gefälschten Reisepass auf diesen Namen, mit dessen Hilfe er die Aushändigung des Pakets erwirken sollte. Der Name " P. " wurde auch am Briefkasten des Hauses auf einer Klebefolie angegeben. Später wurden die Namen " F. " und " E. " hinzugefügt. Die Paketzustellung an dem sonst unbewohnten Haus unterblieb auf6 grund einer allgemeinen Vorsorgemaßnahme der Post im Hinblick auf Warenkreditbetrügereien. Verschiedene Versuche unbekannt gebliebener Personen, das im Postrücklauf befindliche Paket zu erlangen, schlugen fehl; es wurde schließlich sichergestellt (Fall II.1. der Urteilsgründe).
b) Ende Januar oder Anfang Februar 2012 erwarb der Angeklagte N.
7
mindestens 100 g Methamphetamin von einem unbekannten Verkäufer in T. . Wie die Betäubungsmittel nach Deutschland kamen, blieb ungeklärt. Wiederum wurden sie aber in ein Postpaket verpackt und an dieselbe Zu- stelladresse in No. verschickt, wobei das Landgericht nicht feststellen konnte, wer dies bewirkt hatte. Der Angeklagte N. nahm das Paket unter Verwendung des gefälschten Reisepasses entgegen. Die Jugendkammer ging davon aus, dass die Betäubungsmittel danach
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in den Verkehr gelangten und der Angeklagte N. daraus "einen Verkaufserlös erzielt hat" (Fall II.2. der Urteilsgründe).
c) Am 17. April 2012 fuhren die Angeklagten N. und A.
9
mit einem Pkw nach J. . Der Angeklagte N. schaltete sein Mobiltelefon aus. Er parkte in unmittelbarer Nähe zur Grenze und überquerte diese zusammen mit dem Angeklagten A. zu Fuß. In T. erwarb er mindestens 400 g Methamphetamin von einem unbekannten Verkäufer, nahm die Betäubungsmittel aber nicht sogleich mit. Bei seiner Rückkehr über die Grenze wurde er einer Zollkontrolle unterzogen, die nicht zum Auffinden von Betäubungsmitteln oder größeren Bargeldbeträgen führte. Kurz darauf ging der Angeklagte N. erneut zu Fuß über die Grenze und kam mit dort erworbenem Kaffee zurück. Die Jugendkammer nahm an, das Betäubungsmittelgeschäft sei von
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dem Angeklagten N. wegen der Zollkontrolle storniert worden (Fall II.3. der Urteilsgründe).
d) Der Angeklagte N. meldete sich mit dem gefälschten Reise11 pass auf den Namen " P. " bei der Stadtverwaltung M. an (Fall II.6. der Urteilsgründe). Er verwendete diesen Reisepass auch beim Abschluss zweier Mobilfunkverträge, deren monatliche Raten er, wie von vornherein beabsichtigt, nicht bezahlte (Fälle II.7. und II.8. der Urteilsgründe).
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2. a) Das Landgericht hat zu Fall II.1. der Urteilsgründe im Wesentlichen aus den Umständen der Versendung des sichergestellten Postpakets mit den Betäubungsmitteln an die Adresse eines leerstehenden Hauses im Eigentum des Angeklagten F. , aus der Adressierung des Pakets zur Übergabe an " P. ", der auch im gefälschten Reisepass des Angeklagten N. genannt war, und aus dem Auffinden von DNA-Spuren des Angeklagten F. am Verpackungsmaterial in dem Paket darauf geschlossen, dass die Angeklagten N. und F. an dem Versand des sichergestellten Methamphetamin beteiligt waren. Für den Ankauf der Betäubungsmittel in T. und deren Einfuhr
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konnte das Landgericht nicht auf konkrete Beweismittel zurückgreifen, nahm aber mit Hinweis darauf, dass kein Fall bekannt geworden sei, "in dem ein Zwischenhändler auf deutscher Seite Crystal angeboten hätte", an, dass es von den Angeklagten als Mittäter in T. erworben worden war. Für die Annahme eines Erwerbs im Inland gebe "es keinen Grund, wenn man das Crystal relativ unproblematisch in T. erwerben und selbst einführen kann". Der Angeklagte N. habe die Postzustellerin auf das Paket an14 gesprochen. Diese habe sich zwar nicht an die Person erinnert, die sie angesprochen hatte. Sie habe aber eine dunkle Limousine Marke BMW gesehen, und der Angeklagte N. habe zur fraglichen Zeit einen grauen Pkw BMW gefahren.
b) Zu Fall II.2. der Urteilsgründe hat sich das Landgericht allein auf In15 formationen über eine weitere Postsendung auf demselben Weg gestützt. Es gebe zwar keinen direkten Hinweis darauf, dass der Angeklagte N. Methamphetamin erworben und dieses in das Postpaket verpackt und nach No. versandt habe. Aus der Tatsache, dass ein weiteres Paket mit gleicher Versandstrecke auf den Weg gebracht wurde, ergebe sich aber, dass es sich erneut um eine Drogensendung gehandelt habe. Der identische Vorgang deute auch darauf hin, dass es sich nach Art und Menge der Betäubungsmittel um eine ähnliche Menge Methamphetamin gehandelt habe, wie sie im Fall II.1. der Urteilsgründe sichergestellt wurde.
c) Die Feststellungen zu Fall II.3. der Urteilsgründe hat das Landgericht
16
darauf gestützt, dass der Angeklagte N. vor der Fahrt nach J. in zunehmender Frequenz im Internet Wetterrecherchen für diese Gemarkung durchgeführt und über Webcams die Örtlichkeiten beobachtet, vor Ort sein Mobiltelefon ausgeschaltet und ein später leer vorgefundenes Geldkuvert mitgeführt habe. Ferner hat sie angenommen, die Angabe des Angeklagten N. , er habe ein Gebrauchtfahrzeug gesucht, sei nicht glaubhaft. Schließlich sei der wiederholte Grenzübertritt zu Fuß auffällig. Die Art der Drogen hat das Landgericht aus der im Fall II.1. der Urteils17 gründe erfolgten Sicherstellung gefolgert. Die Drogenmenge hat es anhand der nach seiner Auffassung mit Blick auf ein im Internet recherchiertes Fahrzeugangebot mitgeführten Geldmenge geschätzt.

II.

Hinsichtlich der Vorwürfe zu den Fällen II.6. bis II.8. der Urteilsgründe
18
gegen den Angeklagten N. besteht ein Verfahrenshindernis, weil die Jugendkammer eine Eröffnung des Hauptverfahrens versäumt hat. 1. Mit Anklageschrift vom 8. Mai 2014 (820 Js 81/14) erhob die Staats19 anwaltschaft Gera gegen den Angeklagten N. insoweit Anklage. Die Jugendkammer übernahm durch Beschluss vom 20. Mai 2014 das Verfahren und verband es zu dem bisher dort anhängigen Verfahren (820 Js 12758/13 3 KLs jug.) hinzu. Danach verfügte der Vorsitzende die Zustellung der Anklageschrift an den Angeklagten N. und gab ihm Gelegenheit zur Erklärung, ob er Beweisanträge stellen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens erheben wolle. Ein Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens wurde danach nicht getroffen. In dienstlichen Erklärungen, die der Generalbundesanwalt eingeholt
20
hat, haben die Berufsrichter der Jugendkammer ausgeführt, sie hätten bereits am 20. Mai 2014 zugleich mit der Übernahme des Verfahrens und dessen Verbindung mit dem bereits rechtshängigen Verfahren auch über die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der weiteren Anklagevorwürfe beraten. 2. Der Übernahme- und Verbindungsbeschluss enthält keine wirksame
21
Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu den Vorwürfen aus der Anklageschrift vom 8. Mai 2014. Das folgt nicht nur aus dem alleine auf die Übernahme der Sache und die Verbindung mit dem bereits rechtshängigen Verfahren bezogenen Beschlusstext, sondern auch aus der Verfügung des Vorsitzenden , mit der dem Angeklagten N. anschließend das rechtliche Gehör zur Frage der Eröffnung des Hauptverfahrens gewährt wurde. Soweit der Generalbundesanwalt dem Text der Verfügung keine Be22 deutung beimessen will, weil diese auf einem Formular niedergelegt wurde, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Prozessverlauf und der Urkundeninhalt sprechen einzeln und in der Gesamtschau gegen eine konkludente Eröffnung des Hauptverfahrens noch vor der Anhörung des Angeklagten N. . Wenn die Richter der Jugendkammer bei der Beschlussfassung vom 20. Mai 2014 auch die Eröffnung des Hauptverfahrens vorberaten haben, ändert dies nichts daran, dass ein wirksamer Eröffnungsbeschluss danach weder gefasst noch dokumentiert wurde.
23
Zwar enthält die Strafprozessordnung keine spezielle Formvorschrift für den Eröffnungsbeschluss; dennoch bedarf es im Hinblick auf seine Bedeutung als Grundlage des Hauptverfahrens und mit Rücksicht auf die Feststellbarkeit der Beschlussfassung regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung. Erforderlich ist aus Gründen der Rechtsklarheit, dass die Urkunde aus sich heraus oder in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 484/10, BGHR StPO § 207 Beschluss 1). Daran fehlt es hier; denn nach der Anhörung des Angeschuldigten wäre - unbeschadet der durchgeführten Vorberatung - eine abschließende Beschlussfassung der Jugendkammer erforderlich gewesen, die auch nach den dienstlichen Erklärungen der Mitglieder der Jugendkammer nicht erfolgt ist. Das Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses führt zu einem
24
Verfahrenshindernis hinsichtlich der Fälle II.6. bis II.8. der Urteilsgründe. Insoweit ist das Verfahren mit der Kostenfolge gemäß § 467 Abs. 1 StPO einzustellen (§ 206a StPO).

III.

Die Verurteilung der Angeklagten F. und N. in den Fällen
25
II.1. bis II.3. hat aufgrund ihrer Sachbeschwerden keinen Bestand. Im Fall II.3. der Urteilsgründe ist die Urteilsaufhebung gemäß § 357 StPO auf den Angeklagten A. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat. 1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchreifenden
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rechtlichen Bedenken. Zwar muss das Revisionsgericht die Überzeugung des Tatgerichts vom Vorliegen eines Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen. Ebenso ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle der tatgerichtli- chen Überzeugung zu setzen. Allerdings muss überprüft werden, ob die Überzeugung des Tatgerichts in den Feststellungen und der ihnen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende Grundlage findet. Diese müssen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Deshalb müssen die Urteilsgründe des Tatgerichts erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht nur eine bloße Vermutung darstellt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. August 2013 - 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388). 2. Nach diesem Maßstab ist die Beweiswürdigung des Landgerichts zu
27
den Fällen II.1. bis II.3. der Urteilsgründe nicht tragfähig.
a) Zu Fall II.1. der Urteilsgründe hat sich das Landgericht bei seiner
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Feststellung einer Einfuhr der Betäubungsmittel durch die Angeklagten auf einen Erfahrungssatz gestützt, den es nicht gibt. Es hat sich auf die Annahme gestützt, dass ein Fall des Erwerbs von Crystal im Inland anstelle einer Einfuhr aus T. im Grenzgebiet durch einen Zwischenhändler bisher nicht bekannt geworden sei. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob die Angeklagten solche Betäubungsmittel aus T. eingeführt haben. Zudem ist der behauptete Erfahrungssatz weder belegt noch erläutert worden. Allein die Ungewöhnlichkeit eines hypothetisch möglichen Vorkommnisses schließt einen solchen Vorgang nicht aus. Die Tatsache, dass die Jugendkammer kein konkretes Indiz für die Annahme einer Einfuhr der Betäubungsmittel durch die Angeklagten feststellen konnte, kann nicht durch eine vage Behauptung einer allgemeinen Erfahrung überwunden werden.
29
Ähnliches gilt für die Begründung der Mittäterschaft der Angeklagten F. und N. , bei der sich das Landgericht auf den Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten F. gestützt hat, der "unorganisiert und unselbständig" erscheine und deshalb nicht in der Lage gewesen sei, alleine zur Durchführung des Drogengeschäfts aus Th. nach J. zu reisen. Deshalb sei sicher davon auszugehen, dass beide Angeklagten gemeinsam "die Tat wie festgestellt begangen haben". Das trägt nicht. Das Persönlichkeitsbild eines Angeklagten reicht nicht aus, um konkrete Schlüsse auf die Art seiner Beteiligung an einem komplexen Handlungsablauf zu ziehen. Hat das Gericht somit zur Frage der Einfuhr der Betäubungsmittel durch
30
die Angeklagten einen falschen Maßstab angelegt, ist weiter zu besorgen, dass die zur Grundlage der Verurteilung wegen Handeltreibens gemachte Feststellung einer Postversendung der Betäubungsmittel durch den Angeklagten F. in J. mit der Abrede, dass der Angeklagte N. sie in No. in Empfang nehmen solle, auf einer unzureichenden Beweisgrundlage beruht. Allerdings sind mit der Feststellung des Besitzes eines gefälschten Rei31 sepasses bei dem Angeklagten N. und der DNA-Spur des Angeklagten F. auf dem Verpackungsmaterial im Postpaket Indizien vorhanden, die auf ihre Beteiligung am Postversand der Drogen schließen lassen. Andererseits wirkt die Bewertung zusätzlicher Indizien durch die Jugendkammer erneut spekulativ , so dass zumindest einige Elemente der Gesamtwürdigung durchgreifend in Frage gestellt sind. So ist die Person, welche die Postzustellerin in No. angespro32 chen hat, um das Paket zu erlangen, nicht identifiziert worden. Das Landgericht hat aus der vagen Beschreibung des von ihr geführten Fahrzeugs möglicher- weise zuweit gehend auf die Identität dieser Person mit dem Angeklagten N. geschlossen. Das Landgericht hat ergänzt: "Schließlich macht ein gefälschter Pass auch nur dann Sinn, wenn die Person, die auf dem Lichtbild abgebildet ist, den Pass auch später benutzt". Damit wird nichts darüber ausgesagt , dass der gefälschte Pass gerade zur Annahme einer Postsendung mit Methamphetamin eingesetzt werden sollte. Die Überlegung der Jugendkammer lässt besorgen, dass sie ihre Würdigung von Umständen mit beschränkter Aussagekraft zu sehr am erwarteten Beweisergebnis orientiert und den begrenzten Beweiswert der Indizien überbewertet hat.
b) Sind die Feststellungen zur ersten Tat der Angeklagten F. und
33
N. nicht tragfähig begründet, kann die Verurteilung wegen der zweiten Tat, die ohne konkrete Hinweise auf den Erwerb von Betäubungsmitteln, ihren grenzüberschreitenden Transport und die Weiterversendung auf dem Postweg alleine wegen der Ähnlichkeit des Verlaufs einer Postsendung festgestellt wurde , mit der mitgeteilten Begründung nicht aufrecht erhalten bleiben. Sie enthält nicht mehr als einen Verdacht.
c) Im Kern dasselbe gilt für die Feststellungen zur dritten Tat des Ange34 klagten N. , die er mit Unterstützung durch den Angeklagten A. begangen haben soll. Hierfür hat das Landgericht sich auf intensive Wetterrecherchen des
35
Angeklagten N. im konkreten Grenzgebiet, die Fragwürdigkeit der Suche nach einem Fahrzeug aus Kaufinteresse, das Mitführen eines Fahrrads, das Ausschalten des Mobiltelefons, das Auffinden eines leeren Geldkuverts und die Umstände des zweifachen Grenzübertritts durch den Angeklagten N. zu Fuß gestützt. Daraus hat es die "nahe liegende Möglichkeit" entnommen, dass die Angeklagten eine Drogeneinfuhr geplant hatten, bei der die Betäu- bungsmittel vom Verkäufer "entlang der grünen Grenze übergeben oder abgelegt und von dort mit dem Fahrrad abtransportiert werden sollten". Nach der ersten Zollkontrolle sei der Angeklagte N. nach T. zurückgekehrt , weil er "offensichtlich etwas ganz Dringliches und Wichtiges in der T. zu klären hatte". Diese Überlegungen lassen erneut besorgen, dass das Landgericht
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aufgrund jeweils für sich genommen wenig aussagekräftiger Umstände konkrete Schlüsse auf das erwartete Beweisergebnis gezogen hat, ohne die geringe Aussagekraft der Einzelindizien genügend zu beachten. Auch eine Summe von Beweisanzeichen, die jeweils geringe Aussagekraft haben und keinen zwingenden Schluss zulassen, der alle in Frage kommenden Alternativhypothesen ausschließt , gestattet im Einzelfall nicht mehr als die Annahme eines Verdachts. Diesen hat die Jugendkammer überbewertet, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass sie zu der Überzeugung gelangt ist, "dass allein der Angeklagte N. die Tat plante und das Tatgeschehen lenkte", während der Angeklagte A. , zu dessen Mitwirkung sie keine Feststellungen treffen konnte, nur eine untergeordnete Rolle spielte. 3. Die Urteilsaufhebung ist im Fall II.3. der Urteilsgründe auf den Ange37 klagten A. zu erstrecken, der nach Ansicht des Landgerichts bereits "durch seine Anwesenheit und die Begleitung nach T. " den Angeklagten N. in dessen Tatentschluss und bei der Tatausführung unterstützt und damit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet habe. Der sachlich-rechtliche Fehler bei der Feststellung der Haupttat erstreckt sich insoweit auf die Feststellung der Beihilfehandlung. Die Verurteilung des Angeklagten A. in den Fällen II.4. und II.5. der Urteilsgründe bleibt dagegen unberührt. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 484/10
vom
11. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
hier: Revision des Angeklagten D.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers sowie des Mitangeklagten
am 11. Januar 2011 gemäß § 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1, § 357 StPO beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des
Landgerichts Aurich vom 10. Mai 2010 - auch soweit es den Mitangeklagten
R. betrifft - aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen Betruges in fünf Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem Urteil des Amtsgerichts Celle zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ausgesprochen, dass von der Gesamtstrafe drei Monate als verbüßt gelten. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Urteils und Einstellung des Verfahrens, auch soweit es den Mitangeklagten R. betrifft, der gegen seine Verurteilung kein Rechtsmittel eingelegt hat.
2
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Es besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, da es entgegen der Ansicht des Landgerichts (UA S. 10) an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss im Sinne der §§ 203, 207 StPO fehlt. Ein Beschluss der Strafkammer, durch den die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 19. April 2008 (Bl. 129 ff. II d.A.) gegen den Revisions- führer zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wurde, ist in den Akten nicht vorhanden. Die fehlende Eröffnungsentscheidung ist nicht durch den Übernahmebeschluss der Kammer vom 16. Dezember 2008 (Bl. 210 II d.A.) oder durch die Termins- und Ladungsverfügung vom 18. März 2010 (Bl. 14 f. III d.A.) ersetzt worden (vgl. BGH NStZ 1984, 520; NStZ-RR 2003, 95 zu §§ 40 Abs. 2, 41 Abs. 1 Nr. 2 JGG; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998, 74 f.; BayOLG NStZ-RR 2001, 139; Schneider in KK StPO 6. Aufl. § 207 Rn. 17 m.w.N.). Zwar enthält die Strafprozessordnung keine spezielle Formvorschrift für den Eröffnungsbeschluss; dennoch bedarf es im Hinblick auf seine Bedeutung als Grundlage des Hauptverfahrens und mit Rücksicht auf die Erweislichkeit der Beschlussfassung in weiteren Verfahrensstadien regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung (BGHSt 34, 248; OLG Zweibrücken a.a.O.). Erforderlich ist dabei aus Gründen der Rechtssicherheit , dass das fragliche Schriftstück aus sich selbst heraus oder in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass der zuständige Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen hat (OLG Zweibrücken a.a.O. m.w.N.). Dies ist vorliegend weder bei dem Übernahmebeschluss noch bei der Termins - und Ladungsverfügung der Fall. Während in dem Beschluss vom 16. Dezember 2008 lediglich die Übernahmebereitschaft der Strafkammer nach Prüfung ihrer Zuständigkeit zum Ausdruck kommt, dient eine allein vom Vorsitzenden unterzeichnete Termins- und Ladungsverfügung gemäß §§ 213 ff. StPO ausschließlich der 'Vorbereitung der Hauptverhandlung' im Sinne des dafür in der Strafprozessordnung besonders vorgesehenen Abschnitts. Eine Zulassung der Anklage - gegebenenfalls mit Änderungen - zur Hauptverhandlung sowie die genaue Bezeichnung des Verfahrensgegenstandes und des Gerichts , vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, kann in beiden Entscheidungen nicht gesehen werden. Dass der Übernahmebeschluss nicht zugleich die (schlüssige) Eröffnung des Hauptverfahrens beinhaltet, belegt zudem die - ansonsten entbehrliche - Bestimmung des § 40 Abs. 4 Satz 2 JGG, wonach der Übernahmebeschluss der Jugendkammer mit dem Eröffnungsbeschluss zu verbinden ist (BGH NStZ-RR 2003, 95). Auch die im Beschluss vom 16. Dezember 2008 enthaltene Besetzungsentscheidung nach § 76 Abs. 2 GVG genügt für sich nicht. Diese ist nur ausnahmsweise, nämlich in Verbindung mit einem gleichzeitig ergehenden Haftbefehl, durch den die Prüfung des dringenden Tatverdachts zum Ausdruck gebracht wird, geeignet, ei- nen ausdrücklichen Eröffnungsbeschluss zu ersetzen (vgl. BGH NStZRR 1999, 13). Da der fehlende Eröffnungsbeschluss ausweislich der Sitzungsniederschriften vom 13. April 2010, 19. April 2010, 22. April 2010, 26. April 2010 und 10. Mai 2010 in der Hauptverhandlung nicht nachgeholt worden ist (dazu BGHSt 29, 224; 33, 167) und das Verfahrenshindernis nicht durch die nachträgliche Erklärung des Richters, die Eröffnung des Verfahrens beschlossen zu haben, beseitigt werden kann (BGH DRiZ 1981, 343), ist das Urteil des Landgerichts aufzuheben (§ 349 Abs. 4 StPO) und das Verfahren gemäß § 354 Abs. 1 StPO einzustellen (vgl. Schneider a.a.O. § 206a Rn. 4; Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 206a Rn. 6, jeweils m.w.N.)."
3
Dem schließt sich der Senat an. Die Aufhebung des Urteils und die Einstellung des Verfahrens wegen des fehlenden Eröffnungsbeschlusses war gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangeklagten R. zu erstrecken (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 357 Rn. 10).
4
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StPO. Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer

(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.

(2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt, wenn

1.
wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird,
2.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat beschränkt wird oder solche Teile in das Verfahren wieder einbezogen werden,
3.
die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt wird oder
4.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Straftat begangen worden sind, beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbezogen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht die Staatsanwaltschaft eine dem Beschluß entsprechende neue Anklageschrift ein. Von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen kann abgesehen werden.

(4) Das Gericht beschließt zugleich von Amts wegen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 484/10
vom
11. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
hier: Revision des Angeklagten D.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers sowie des Mitangeklagten
am 11. Januar 2011 gemäß § 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1, § 357 StPO beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des
Landgerichts Aurich vom 10. Mai 2010 - auch soweit es den Mitangeklagten
R. betrifft - aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen Betruges in fünf Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem Urteil des Amtsgerichts Celle zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ausgesprochen, dass von der Gesamtstrafe drei Monate als verbüßt gelten. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Urteils und Einstellung des Verfahrens, auch soweit es den Mitangeklagten R. betrifft, der gegen seine Verurteilung kein Rechtsmittel eingelegt hat.
2
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Es besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, da es entgegen der Ansicht des Landgerichts (UA S. 10) an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss im Sinne der §§ 203, 207 StPO fehlt. Ein Beschluss der Strafkammer, durch den die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 19. April 2008 (Bl. 129 ff. II d.A.) gegen den Revisions- führer zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wurde, ist in den Akten nicht vorhanden. Die fehlende Eröffnungsentscheidung ist nicht durch den Übernahmebeschluss der Kammer vom 16. Dezember 2008 (Bl. 210 II d.A.) oder durch die Termins- und Ladungsverfügung vom 18. März 2010 (Bl. 14 f. III d.A.) ersetzt worden (vgl. BGH NStZ 1984, 520; NStZ-RR 2003, 95 zu §§ 40 Abs. 2, 41 Abs. 1 Nr. 2 JGG; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998, 74 f.; BayOLG NStZ-RR 2001, 139; Schneider in KK StPO 6. Aufl. § 207 Rn. 17 m.w.N.). Zwar enthält die Strafprozessordnung keine spezielle Formvorschrift für den Eröffnungsbeschluss; dennoch bedarf es im Hinblick auf seine Bedeutung als Grundlage des Hauptverfahrens und mit Rücksicht auf die Erweislichkeit der Beschlussfassung in weiteren Verfahrensstadien regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung (BGHSt 34, 248; OLG Zweibrücken a.a.O.). Erforderlich ist dabei aus Gründen der Rechtssicherheit , dass das fragliche Schriftstück aus sich selbst heraus oder in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass der zuständige Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen hat (OLG Zweibrücken a.a.O. m.w.N.). Dies ist vorliegend weder bei dem Übernahmebeschluss noch bei der Termins - und Ladungsverfügung der Fall. Während in dem Beschluss vom 16. Dezember 2008 lediglich die Übernahmebereitschaft der Strafkammer nach Prüfung ihrer Zuständigkeit zum Ausdruck kommt, dient eine allein vom Vorsitzenden unterzeichnete Termins- und Ladungsverfügung gemäß §§ 213 ff. StPO ausschließlich der 'Vorbereitung der Hauptverhandlung' im Sinne des dafür in der Strafprozessordnung besonders vorgesehenen Abschnitts. Eine Zulassung der Anklage - gegebenenfalls mit Änderungen - zur Hauptverhandlung sowie die genaue Bezeichnung des Verfahrensgegenstandes und des Gerichts , vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, kann in beiden Entscheidungen nicht gesehen werden. Dass der Übernahmebeschluss nicht zugleich die (schlüssige) Eröffnung des Hauptverfahrens beinhaltet, belegt zudem die - ansonsten entbehrliche - Bestimmung des § 40 Abs. 4 Satz 2 JGG, wonach der Übernahmebeschluss der Jugendkammer mit dem Eröffnungsbeschluss zu verbinden ist (BGH NStZ-RR 2003, 95). Auch die im Beschluss vom 16. Dezember 2008 enthaltene Besetzungsentscheidung nach § 76 Abs. 2 GVG genügt für sich nicht. Diese ist nur ausnahmsweise, nämlich in Verbindung mit einem gleichzeitig ergehenden Haftbefehl, durch den die Prüfung des dringenden Tatverdachts zum Ausdruck gebracht wird, geeignet, ei- nen ausdrücklichen Eröffnungsbeschluss zu ersetzen (vgl. BGH NStZRR 1999, 13). Da der fehlende Eröffnungsbeschluss ausweislich der Sitzungsniederschriften vom 13. April 2010, 19. April 2010, 22. April 2010, 26. April 2010 und 10. Mai 2010 in der Hauptverhandlung nicht nachgeholt worden ist (dazu BGHSt 29, 224; 33, 167) und das Verfahrenshindernis nicht durch die nachträgliche Erklärung des Richters, die Eröffnung des Verfahrens beschlossen zu haben, beseitigt werden kann (BGH DRiZ 1981, 343), ist das Urteil des Landgerichts aufzuheben (§ 349 Abs. 4 StPO) und das Verfahren gemäß § 354 Abs. 1 StPO einzustellen (vgl. Schneider a.a.O. § 206a Rn. 4; Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 206a Rn. 6, jeweils m.w.N.)."
3
Dem schließt sich der Senat an. Die Aufhebung des Urteils und die Einstellung des Verfahrens wegen des fehlenden Eröffnungsbeschlusses war gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangeklagten R. zu erstrecken (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 357 Rn. 10).
4
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StPO. Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 280/11
vom
29. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am
29. September 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 206a Abs. 1, § 354 Abs. 1
StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 5. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen besonders schweren Raubes verurteilt worden ist (II. 1. der Urteilsgründe).
Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
2. Das angefochtene Urteil wird dahin geändert, dass der Angeklagte wegen versuchten Computerbetrugs zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 5 Euro verurteilt ist.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Insoweit hat der Beschwerdeführer die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes und versuchten Computerbetruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes verurteilt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren entsprechend § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, da insofern kein wirksamer Eröffnungsbeschluss vorliegt und somit ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis besteht.
3
a) Das Formular des Eröffnungsbeschlusses vom 15. Februar 2011, mit dem die den Tatvorwurf des (besonders) schweren Raubes betreffende Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wurde, ist allein vom Vorsitzenden unterschrieben. Es kann dahinstehen, ob es wegen der fehlenden Unterschriften der beiden Beisitzer bereits an einer notwendigen Förmlichkeit für einen wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt (so BGH, Urteil vom 1. März 1977 - 1 StR 776/76; Beschluss vom 9. Juni 1981 - 4 StR 263/81, NStZ 1981, 448; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Mai 1991 - 1 Ss 43/91, NJW 1991, 2849, 2850; SKStPO /Paeffgen, 4. Aufl., § 203 Rn. 8; HK-StPO-Julius, 4. Aufl., § 207 Rn. 18; offen gelassen von BGH, Urteil vom 15. Dezember 1986 - StbSt [R] 5/86, BGHSt 34, 248, 249) oder ob, wie die wohl herrschende Ansicht annimmt, eine fehlende oder nicht von allen mitwirkenden Richtern vorgenommene Unterzeichnung des Eröffnungsbeschlusses jedenfalls dann an dessen Wirksamkeit nichts ändert, wenn anderweitig nachgewiesen ist, dass der Beschluss tatsächlich von allen hierzu berufenen Richtern gefasst worden ist (s. etwa RG, Urteil vom 3. Februar 1910 - III 1038/09, RGSt 43, 217, 218; BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 1954 - 5 StR 703/53, NJW 1954, 360; vom 5. Februar 1997 - 5 StR 249/96, NJW 1997, 1380, 1381; vom 8. Juni 1999 - 1 StR 87/99, NStZRR 2000, 34; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., Vor § 33 Rn. 6; KK-Schneider, StPO, 6. Aufl., § 207 Rn. 29); denn eine ordnungsgemäße Beschlussfassung vermag der Senat hier nach den konkreten Umständen nicht festzustellen.
4
Die eingeholten dienstlichen Äußerungen sind unergiebig. Die Beisitzer haben mitgeteilt, sich "an die Fassung des Eröffnungsbeschlusses konkret nicht erinnern" zu können. Eine tatsächliche Beschlussfassung ergibt sich nicht daraus, dass sie - wie sie ausführen - über den Fall und die für eine Eröffnung ausreichende Beweislage gesprochen haben. Denn allein die Erörterung der Beweislage beinhaltet noch nicht die Willensäußerung, die Eröffnung zu beschließen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Februar 1983 - 3 StR 512/82, StV 1983, 318). Dies gilt vor allem angesichts der Tatsache, dass die Beisitzer die Gespräche zeitlich nicht näher eingrenzen konnten und damit offen bleibt, ob die Gespräche überhaupt vor oder an dem Datum der vermeintlichen Beschlussfassung stattgefunden hatten.
5
Auch die vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung getroffene Feststellung , die Anklage sei mit Beschluss vom 15. Februar 2011 in unveränderter Form zur Hauptverhandlung zugelassen worden, belegt eine ordnungsgemäße Beschlussfassung nicht. Im Hinblick auf den üblichen Geschäftsanfall und -gang bei den Landgerichten sowie die zwischen der etwaigen Beschlussfassung und der Hauptverhandlung liegende Zeit von nahezu drei Monaten ist nicht auszuschließen, dass der Vorsitzende die Feststellung nicht aufgrund einer eigenen konkreten Erinnerung an eine mündliche Beschlussfassung, sondern aufgrund des in den Akten befindlichen und auf dem Aktendeckel vermerkten Vordrucks traf.
6
Weil bei vielen Gerichten der Eröffnungsbeschluss häufig im Umlaufverfahren beschlossen wird, ist es schließlich nicht fernliegend, dass es sich bei dem lediglich vom Vorsitzenden unterschriebenen Formular bloß um einen noch nicht durch alle Richter bestätigten Beschlussentwurf handelte (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 1954 - 5 StR 703/53, NJW 1954, 360, 361).
7
b) Die Unwirksamkeit des vermeintlichen Beschlusses vom 15. Februar 2011 ist nicht durch eine spätere ordnungsgemäße Beschlussfassung geheilt worden. Eine solche ist insbesondere nicht in dem von der gesamten Kammer unterschriebenen Beschluss vom 18. April 2011 zu sehen, mit dem sie die den versuchten Computerbetrug betreffende Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen , beide Verfahren verbunden und die Gerichtsbesetzung in der Hauptverhandlung bestimmt hat. Denn hieraus ergibt sich mangels entsprechender inhaltlicher Anknüpfungspunkte nicht mit der notwendigen Sicherheit, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens in Bezug auf die erste Anklage tatsächlich beschlossen haben (s. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 484/10, NStZ-RR 2011, 150, 151; ähnlich auch BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 1988 - 1 StR 223/88; vom 9. Januar 1987 - 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. September 2010 III-3 RVs 117/10, NStZ-RR 2011, 105; OLG Köln, Beschluss vom 26. September 2003 - Ss 388/03 - 199, NStZ-RR 2004, 48, 49). Im Übrigen belegen auch die dienstlichen Äußerungen nicht, dass die Beisitzer im Rahmen der Verbindung eine Eröffnungsentscheidung über die erste Anklage treffen wollten. Vielmehr bestand für eine solche Entscheidung aus ihrer Sicht schon deshalb kein Anlass , weil sie davon ausgingen, dass auch der Vorwurf des besonders schweren Raubes habe verhandelt werden sollen.
8
Eine Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung scheitert jedenfalls daran, dass die Kammer lediglich mit zwei Berufsrichtern verhandelte, die Eröffnungsentscheidung aber durch die Kammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung - also mit drei Berufsrichtern ohne Schöffen - zu treffen ist (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 - 4 StR 596/09).
9
c) Das Fehlen eines Eröffnungsbeschlusses stellt ein in der Revisionsinstanz nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Raubtat auf Kosten der Staatskasse (§ 467 Abs. 1 StPO) zur Folge hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2011 - 3 StR 484/10, NStZ-RR 2011, 150, 151; vom 9. Januar 1987 - 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; Meyer-Goßner, aaO § 207 Rn. 12; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 207 Rn. 84).
10
2. Von der Aufhebung und Einstellung ist die Verurteilung wegen versuchten Computerbetrugs nicht betroffen. Insoweit liegt der wirksame Eröffnungsbeschluss vom 18. April 2011 vor. Die Nachprüfung des Urteils hat diesbezüglich weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Schuldspruch und die Einzelstrafe waren daher insoweit aufrechtzuerhalten.
11
3. Die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens zieht nicht die Aufhebung des allein auf den Raubvorwurf gründenden Haftbefehls durch den Senat gemäß § 126 Abs. 3, § 120 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Var. 3 StPO nach sich, weil die Verfahrenseinstellung ihrer sachlichen Bedeutung nach nur vorläufigen Charakter hat (BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 1999 - 3 StR 153/99, NStZ 1999, 520, 521; vom 29. November 1994 - 4 StR 648/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13).
12
Da keine das gesamte Verfahren endgültig abschließende Entscheidung im Sinne des § 2 Abs. 1 StrEG vorliegt, bedarf es derzeit auch keiner Entscheidung über eine etwaige Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnah- men (s. BGH, Beschluss vom 22. Juni 1994 - 3 StR 457/93, NJW 1994, 2966; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. März 2006 - 3 Ws 61/06, NStZ-RR 2006, 159 f.; Kunz, StrEG, 4. Aufl., § 2 Rn. 22; Meyer, StrEG, 7. Aufl., § 2 Rn. 21; Meyer-Goßner, aaO § 8 StrEG Rn. 2). Becker Pfister von Lienen Schäfer Menges

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 230/16
vom
4. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:040816B4STR230.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. August 2016 gemäß § 206a Abs. 1, § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 18. Januar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Hinsichtlich der Tat II.1 der Urteilsgründe wird das Verfahren eingestellt; im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 3. Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und des Diebstahls mit Waffen freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte spätestens seit 2010 an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose. Er interpretiert tatsächlich in seinem Bauchraum vorhandene Lipome als mit einem Seil verbundene, von äußeren Einflüssen und seinen Gedanken abhängige Krebsgeschwüre. Infolge seiner Erkrankung und des damit verbundenen Beeinflussungserlebens hat der Angeklagte Beeinträchtigungsideen und fühlt sich verfolgt. Des Weiteren besteht beim Angeklagten eine Polytoxikomanie mit schwerer Opiatabhängigkeit.
3
Im Sommer 2013 hatte der Angeklagte ein Fahrrad entwendet, ohne zu wissen, dass dieses der Mutter eines Bekannten gehörte. Als der Bekannte von dem Diebstahl Kenntnis erlangte, stellte er den Angeklagten zur Rede und forderte ihn zur Rückgabe auf. Nachdem das Angebot des Angeklagten, für das nicht mehr vorhandene gestohlene ein anderes Fahrrad zu übergeben, von der Mutter des Bekannten abgelehnt worden war, riefen die Mutter und der Bekannte selbst zuletzt am Vorabend des Tattags bei dem Angeklagten an und verlangten die Rückgabe des gestohlenen Fahrrads. Der Angeklagte fühlte sich durch die Anrufe unter Druck gesetzt und befand sich in der Vorstellung, er werde von seinem Bekannten und dessen Mutter regelrecht verfolgt.
4
Am 27. Juli 2013 gegen 20.20 Uhr verließ der Bekannte mit einem Begleiter seine Wohnung und begab sich auf die Straße. Als der Angeklagte, der sich zufällig an einem Kiosk in Sichtweite aufhielt, den Bekannten erblickte, erkannte er ihn und fühlte sich von diesem verfolgt. Noch unter dem Eindruck des vorabendlichen Anrufs meinte der Angeklagte, der Bekannte wolle ihn stellen und angreifen. Deshalb ergriff er einen auf dem Boden liegenden etwa 60 bis 80 cm langen dicken Ast und verbarg diesen unter der Jacke. Obwohl die beiden Männer sich ihm nicht näherten, wollte er die Sache nicht auf sich beruhen lassen und ging schnellen Schrittes aggressiv auf beide zu. Er schrie den Bekannten auf Russisch an, zog, als dieser ihm auf Russisch antwortete, unvermittelt den unter seiner Jacke verborgenen Ast hervor und schlug damit heftig mindestens zweimal auf den Kopf und in das Gesicht des Bekannten. Dabei zerbrach der Ast, der womöglich etwas morsch war, unter der Kraft der wuchtig geführten Schläge. Der Geschädigte, der infolge der Schläge kurz zu Boden ging, erlitt eine Platzwunde an der Lippe sowie eine Verletzung im Zahnbereich, die zum Verlust von drei Schneidezähnen führte. Der Angeklagte ließ sodann von dem Geschädigten ab und entfernte sich. Bei der Tat war der Angeklagte aufgrund der paranoid-halluzinatorischen Psychose nicht mehr in der Lage, sein Verhalten entsprechend der noch vorhandenen Unrechtseinsicht zu steuern (Tat II.1 der Urteilsgründe).
5
Am 31. August 2013 suchte der Angeklagte die Verkaufsräumlichkeiten der Firma K. in W. auf, entnahm der Auslage fünf Flaschen Wodka im Gesamtwert von 62,45 Euro, steckte sie in seine mitgeführte Tasche und passierte den Kassenbereich, ohne die Waren zu bezahlen. Dabei trug er in seinem Rucksack ein Einhandmesser mit 8,5 cm langer Klinge und in seiner Hosentasche ein Taschenmesser bei sich. Er hatte unter Suchtdruck nach Heroin vor, die Waren ohne Bezahlung für sich zu behalten und sie später gegen 1 g Heroin einzutauschen. Der Angeklagte war aufgrund des wegen seiner Polytoxikomanie und Opiatabhängigkeit bestehenden schweren Suchtdrucks im Zusammenwirken mit der fortbestehenden paranoid-halluzinatorischen Psychose – bei sicher erheblich beeinträchtigtem Hemmungsvermögen – nicht ausschließbar nicht in der Lage, sein Verhalten entgegen der Einsicht in das Unrecht zu steuern (Tat II.2 der Urteilsgründe).

II.

6
Hinsichtlich der Tat II.1 der Urteilsgründe ist das Verfahren einzustellen, da es insoweit an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt.
7
1. Wegen der Körperverletzungstat erhob die Staatsanwaltschaft mit Anklageschrift vom 24. Juni 2014 Anklage zum Amtsgericht - Strafrichter - Witten. Nachdem der Strafrichter das Verfahren am 10. September 2014 zur Übernahme vorgelegt hatte, übernahm das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten das Verfahren mit Beschluss vom 12. September 2014 und verband es mit dem dort anhängigen Verfahren, welches aufgrund der Anklageschrift vom 29. August 2014 die Tat II.2 der Urteilsgründe zum Gegenstand hatte. Am 12. September und 30. September 2014 ergingen acht weitere Beschlüsse, mit denen das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten jeweils die Übernahme von Verfahren hinsichtlich beim Amtsgericht - Strafrichter - Witten erhobener Anklagen und deren Verbindung zu dem beim Amtsgericht - Schöffengericht - Witten anhängigen Verfahren beschloss. Mit Beschluss vom 27. November 2014 ließ das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 29. August 2014 zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren. Die weiteren Anklagen, einschließlich der Anklage vom 24. Juni 2014 bezüglich der Tat II.1 der Urteilsgründe, finden in dem Eröffnungsbeschluss vom 27. November 2014 keine Erwähnung. Insoweit sind auch später keine Eröffnungsentscheidungen ergangen.
8
2. Damit fehlt es für die Tat II.1 der Urteilsgründe an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss. Die Eröffnungsentscheidung vom 27. November 2014 bezog sich ausdrücklich nur auf die Anklage vom 29. August 2014 und nicht auf die Anklage vom 24. Juni 2014. Ihr kann, bezogen auf die Anklage vom 24. Juni 2014, auch nicht die Bedeutung einer konkludenten Eröffnung des Hauptverfahrens beigemessen werden. Zur Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 203 StPO genügt zwar eine schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts , die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 1999 - 2 StR 376/99, NStZ 2000, 442, 443 mwN; vom 3. Mai 2001 - 4 StR 59/01, bei Becker, NStZ-RR 2002, 68; vom 5. Februar 1998 - 4 StR 606/97, BGHR StPO § 203 Beschluss 4). Dem Beschluss vom 27. November 2014, der sich nach seinem Wortlaut ausschließlich auf die Anklage vom 29. August 2014 bezieht, ist aber mit der erforderlichen Sicherheit nicht zu entnehmen , dass das Amtsgericht - Schöffengericht - Witten hinsichtlich der Anklage vom 24. Juni 2014 die Eröffnungsvoraussetzungen geprüft und angenommen hat. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in der im Zusammenhang mit dem Beschluss vom 27. November 2014 ergangenen Terminsverfügung die Ladung von zwei Zeugen zu dem mit Anklage vom 24. Juni 2014 erhobenen Tatvorwurf angeordnet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 1987 - 3 StR 493/87, BGHR StPO § 203 Beschluss 1).
9
Das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses stellt ein in diesem Verfahren nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des Verfahrens zur Folge hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2011 - 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226; vom 9. Januar 1987 - 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; vom 15. Mai 1984 - 5 StR 283/84, NStZ 1984, 520; vom 9. Juni 1981 - 4 StR 263/81, DRiZ 1981, 343; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 207 Rn. 12 mwN; Seidl in KMR, § 203 Rn. 11 ff. [Stand Mai 2012]; Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 207 Rn. 84 ff.).

III.

10
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand, weil der von der Strafkammer angenommene symptomatische Zusammenhang zwischen der als Anlasstat verbleibenden Diebstahlstat am 31. August 2013 und der psychotischen Erkrankung des Angeklagten nicht tragfähig begründet ist.
11
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Daneben ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erforderlich, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB in der am 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 6. Juli 2016, BGBl. I 1610). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2016 - 4 StR 210/16 Rn. 5; vom 15. Januar 2015 - 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; vom 29. April 2014 - 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243, 244).

12
2. Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des angefochtenen Urteils zum Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der psychotischen Erkrankung des Angeklagten und der Diebstahlstat am 31. August 2013 (Tat II.2 der Urteilsgründe) nicht gerecht.
13
Die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit. Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung , in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZRR 2014, 305, 306; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 24. April 2012 - 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Feststellungen dazu, ob und in welcher Weise die paranoid-halluzinatorische Psychose des Angeklagten Auswirkungen auf die Begehung der Diebstahlstat am 31. August 2013 hatte, hat das Landgericht nicht getroffen. Der Umstand, dass der Angeklagte bei der Tat in Rucksack und Hosentasche zwei Messer mit sich führte, lässt Rückschlüsse auf eine Beeinflussung der Tat durch die psychische Erkrankung des Angeklagten nicht zu. Soweit die Urteilsgründe in diesem Kontext auf psychosebedingte Verfolgungsideen des Angeklagten verweisen, entbehrt dies zudem einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Während der psychiatrische Sachverständige für seinen entsprechenden Befund die Bekundungen des sachverständigen Zeugen Dr. G. als Anknüpfungstatsachen herangezogen hat, geben die im Urteil wiedergegebenen Angaben dieses Zeugen in der Hauptverhandlung für ein nachhaltiges Verfolgungserleben des Angeklagten keinen Anhalt.
14
Schließlich vermag auch der zeitliche Zusammenhang mit der Tat am 27. Juli 2013 einen Einfluss der Psychose auf die Diebstahlstat nicht zu belegen. Denn das Landgericht hat auch hinsichtlich der Körperverletzungstat nicht hinreichend dargetan, dass die Tat auf die psychische Erkrankung des Angeklagten zurückzuführen ist. Die Annahme einer psychotischen Tatmotivation hat die Strafkammer insbesondere darauf gestützt, dass das gewaltsame Vorgehen des Angeklagten, das nicht unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um das Fahrrad gestanden habe, spontan ohne konkreten Anlass oder Auslöser erfolgt sei. Diese Ausführungen lassen sich indes ohne weitere, von der Strafkammer nicht angestellten Erwägungen mit den Feststellungen und dem weiteren Beweisergebnis nicht in Einklang bringen. Danach gab es im Vorfeld der Tat zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten eine Auseinandersetzung um die Rückgabe des entwendeten Fahrrads, die sich über längere Zeit hinzog und noch am Vorabend des Tattags zu einem Telefonanruf des Geschädigten beim Angeklagten führte. Unmittelbar vor dem Angriff mit dem Ast kam es zu einem lautstarken Wortwechsel, bei welchem es nach der Zeugenaussage des Begleiters des Geschädigten in der Hauptverhandlung um ein Fahrrad ging. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht die Möglichkeit, dass der tätliche Angriff des Angeklagten auf den Geschädigten durch den Streit um die Rückgabe des Fahrrads motiviert und damit auf einen normalpsychologisch erklärbaren Beweggrund zurückzuführen war, nicht nachvollziehbar ausgeschlossen.
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3. Die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB kann daher nicht bestehen bleiben. Mit Blick auf die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist auch der Freispruch des Angeklagten aufzuheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1; vom 30. Juli 2013 - 4 StR 275/13 Rn. 18, insoweit in NStZ 2014, 36 nicht abgedruckt

).

Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 2 9 / 1 5
vom
16. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 16. Juni 2015 gemäß §§ 349 Abs. 4,
357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten F. und N. wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 1. Oktober 2014, soweit sie verurteilt wurden, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, im Fall II.3. der Urteilsgründe auch, soweit es den Angeklagten A. betrifft. 2. Das Verfahren gegen den Angeklagten N. in den Fällen II.6. bis II.8. der Urteilsgründe wird eingestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten N. der Staatskasse zur Last. 3. Im weiteren Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten F. unter Freisprechung im
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Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten N. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, ferner wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 7.000 Euro angeordnet. Sichergestelltes Methamphetamin hat das Landgericht eingezogen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten F. und N. mit der Sachrüge, das Rechtsmittel des Angeklagten N. auch mit Verfahrensbeanstandungen. Die Revisionen haben Erfolg. Die Urteilsaufhebung ist gemäß § 357 StPO im Fall II.3. der Urteilsgründe auch auf den Angeklagten A. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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a) Die Angeklagten N. und F. vereinbarten Ende Mai oder
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Anfang Juni 2012 die Einfuhr von Methamphetamin aus T. zum gewinnbringenden Verkauf im Inland. Zur Umgehung von Entdeckungsrisiken beim Transport im Inland sollten die Betäubungsmittel nach der Einfuhr mit einem Postpaket von dem grenznahen J. an eine Adresse in einem unbewohnten Haus in No. verschickt werden, wo sie von einem der Täter in Empfang genommen werden sollten. Die Angeklagten N. und F. erwarben in T.
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194,77 g Methamphetamin. Ob sie die Betäubungsmittel selbst einführten oder die Verbringung über die Grenze durch den Verkäufer oder einen Boten erfolgte , konnte die Jugendkammer nicht feststellen. Sie ging aber davon aus, dass die Angeklagten zumindest den Transportweg mit dem Lieferanten vereinbart hatten. Der Angeklagte F. verpackte das Methamphetamin unter Verwen5 dung einer zuvor in No. kostenlos verteilten Zeitung in ein Postpaket, das er von J. an die angebliche Anschrift der Zeugin E. in einem tatsächlich unbewohnten, ihm gehörenden Haus in No. zur Übergabe an " P. " versandte. Der Angeklagte N. verfügte über einen gefälschten Reisepass auf diesen Namen, mit dessen Hilfe er die Aushändigung des Pakets erwirken sollte. Der Name " P. " wurde auch am Briefkasten des Hauses auf einer Klebefolie angegeben. Später wurden die Namen " F. " und " E. " hinzugefügt. Die Paketzustellung an dem sonst unbewohnten Haus unterblieb auf6 grund einer allgemeinen Vorsorgemaßnahme der Post im Hinblick auf Warenkreditbetrügereien. Verschiedene Versuche unbekannt gebliebener Personen, das im Postrücklauf befindliche Paket zu erlangen, schlugen fehl; es wurde schließlich sichergestellt (Fall II.1. der Urteilsgründe).
b) Ende Januar oder Anfang Februar 2012 erwarb der Angeklagte N.
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mindestens 100 g Methamphetamin von einem unbekannten Verkäufer in T. . Wie die Betäubungsmittel nach Deutschland kamen, blieb ungeklärt. Wiederum wurden sie aber in ein Postpaket verpackt und an dieselbe Zu- stelladresse in No. verschickt, wobei das Landgericht nicht feststellen konnte, wer dies bewirkt hatte. Der Angeklagte N. nahm das Paket unter Verwendung des gefälschten Reisepasses entgegen. Die Jugendkammer ging davon aus, dass die Betäubungsmittel danach
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in den Verkehr gelangten und der Angeklagte N. daraus "einen Verkaufserlös erzielt hat" (Fall II.2. der Urteilsgründe).
c) Am 17. April 2012 fuhren die Angeklagten N. und A.
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mit einem Pkw nach J. . Der Angeklagte N. schaltete sein Mobiltelefon aus. Er parkte in unmittelbarer Nähe zur Grenze und überquerte diese zusammen mit dem Angeklagten A. zu Fuß. In T. erwarb er mindestens 400 g Methamphetamin von einem unbekannten Verkäufer, nahm die Betäubungsmittel aber nicht sogleich mit. Bei seiner Rückkehr über die Grenze wurde er einer Zollkontrolle unterzogen, die nicht zum Auffinden von Betäubungsmitteln oder größeren Bargeldbeträgen führte. Kurz darauf ging der Angeklagte N. erneut zu Fuß über die Grenze und kam mit dort erworbenem Kaffee zurück. Die Jugendkammer nahm an, das Betäubungsmittelgeschäft sei von
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dem Angeklagten N. wegen der Zollkontrolle storniert worden (Fall II.3. der Urteilsgründe).
d) Der Angeklagte N. meldete sich mit dem gefälschten Reise11 pass auf den Namen " P. " bei der Stadtverwaltung M. an (Fall II.6. der Urteilsgründe). Er verwendete diesen Reisepass auch beim Abschluss zweier Mobilfunkverträge, deren monatliche Raten er, wie von vornherein beabsichtigt, nicht bezahlte (Fälle II.7. und II.8. der Urteilsgründe).
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2. a) Das Landgericht hat zu Fall II.1. der Urteilsgründe im Wesentlichen aus den Umständen der Versendung des sichergestellten Postpakets mit den Betäubungsmitteln an die Adresse eines leerstehenden Hauses im Eigentum des Angeklagten F. , aus der Adressierung des Pakets zur Übergabe an " P. ", der auch im gefälschten Reisepass des Angeklagten N. genannt war, und aus dem Auffinden von DNA-Spuren des Angeklagten F. am Verpackungsmaterial in dem Paket darauf geschlossen, dass die Angeklagten N. und F. an dem Versand des sichergestellten Methamphetamin beteiligt waren. Für den Ankauf der Betäubungsmittel in T. und deren Einfuhr
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konnte das Landgericht nicht auf konkrete Beweismittel zurückgreifen, nahm aber mit Hinweis darauf, dass kein Fall bekannt geworden sei, "in dem ein Zwischenhändler auf deutscher Seite Crystal angeboten hätte", an, dass es von den Angeklagten als Mittäter in T. erworben worden war. Für die Annahme eines Erwerbs im Inland gebe "es keinen Grund, wenn man das Crystal relativ unproblematisch in T. erwerben und selbst einführen kann". Der Angeklagte N. habe die Postzustellerin auf das Paket an14 gesprochen. Diese habe sich zwar nicht an die Person erinnert, die sie angesprochen hatte. Sie habe aber eine dunkle Limousine Marke BMW gesehen, und der Angeklagte N. habe zur fraglichen Zeit einen grauen Pkw BMW gefahren.
b) Zu Fall II.2. der Urteilsgründe hat sich das Landgericht allein auf In15 formationen über eine weitere Postsendung auf demselben Weg gestützt. Es gebe zwar keinen direkten Hinweis darauf, dass der Angeklagte N. Methamphetamin erworben und dieses in das Postpaket verpackt und nach No. versandt habe. Aus der Tatsache, dass ein weiteres Paket mit gleicher Versandstrecke auf den Weg gebracht wurde, ergebe sich aber, dass es sich erneut um eine Drogensendung gehandelt habe. Der identische Vorgang deute auch darauf hin, dass es sich nach Art und Menge der Betäubungsmittel um eine ähnliche Menge Methamphetamin gehandelt habe, wie sie im Fall II.1. der Urteilsgründe sichergestellt wurde.
c) Die Feststellungen zu Fall II.3. der Urteilsgründe hat das Landgericht
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darauf gestützt, dass der Angeklagte N. vor der Fahrt nach J. in zunehmender Frequenz im Internet Wetterrecherchen für diese Gemarkung durchgeführt und über Webcams die Örtlichkeiten beobachtet, vor Ort sein Mobiltelefon ausgeschaltet und ein später leer vorgefundenes Geldkuvert mitgeführt habe. Ferner hat sie angenommen, die Angabe des Angeklagten N. , er habe ein Gebrauchtfahrzeug gesucht, sei nicht glaubhaft. Schließlich sei der wiederholte Grenzübertritt zu Fuß auffällig. Die Art der Drogen hat das Landgericht aus der im Fall II.1. der Urteils17 gründe erfolgten Sicherstellung gefolgert. Die Drogenmenge hat es anhand der nach seiner Auffassung mit Blick auf ein im Internet recherchiertes Fahrzeugangebot mitgeführten Geldmenge geschätzt.

II.

Hinsichtlich der Vorwürfe zu den Fällen II.6. bis II.8. der Urteilsgründe
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gegen den Angeklagten N. besteht ein Verfahrenshindernis, weil die Jugendkammer eine Eröffnung des Hauptverfahrens versäumt hat. 1. Mit Anklageschrift vom 8. Mai 2014 (820 Js 81/14) erhob die Staats19 anwaltschaft Gera gegen den Angeklagten N. insoweit Anklage. Die Jugendkammer übernahm durch Beschluss vom 20. Mai 2014 das Verfahren und verband es zu dem bisher dort anhängigen Verfahren (820 Js 12758/13 3 KLs jug.) hinzu. Danach verfügte der Vorsitzende die Zustellung der Anklageschrift an den Angeklagten N. und gab ihm Gelegenheit zur Erklärung, ob er Beweisanträge stellen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens erheben wolle. Ein Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens wurde danach nicht getroffen. In dienstlichen Erklärungen, die der Generalbundesanwalt eingeholt
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hat, haben die Berufsrichter der Jugendkammer ausgeführt, sie hätten bereits am 20. Mai 2014 zugleich mit der Übernahme des Verfahrens und dessen Verbindung mit dem bereits rechtshängigen Verfahren auch über die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der weiteren Anklagevorwürfe beraten. 2. Der Übernahme- und Verbindungsbeschluss enthält keine wirksame
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Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu den Vorwürfen aus der Anklageschrift vom 8. Mai 2014. Das folgt nicht nur aus dem alleine auf die Übernahme der Sache und die Verbindung mit dem bereits rechtshängigen Verfahren bezogenen Beschlusstext, sondern auch aus der Verfügung des Vorsitzenden , mit der dem Angeklagten N. anschließend das rechtliche Gehör zur Frage der Eröffnung des Hauptverfahrens gewährt wurde. Soweit der Generalbundesanwalt dem Text der Verfügung keine Be22 deutung beimessen will, weil diese auf einem Formular niedergelegt wurde, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Prozessverlauf und der Urkundeninhalt sprechen einzeln und in der Gesamtschau gegen eine konkludente Eröffnung des Hauptverfahrens noch vor der Anhörung des Angeklagten N. . Wenn die Richter der Jugendkammer bei der Beschlussfassung vom 20. Mai 2014 auch die Eröffnung des Hauptverfahrens vorberaten haben, ändert dies nichts daran, dass ein wirksamer Eröffnungsbeschluss danach weder gefasst noch dokumentiert wurde.
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Zwar enthält die Strafprozessordnung keine spezielle Formvorschrift für den Eröffnungsbeschluss; dennoch bedarf es im Hinblick auf seine Bedeutung als Grundlage des Hauptverfahrens und mit Rücksicht auf die Feststellbarkeit der Beschlussfassung regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung. Erforderlich ist aus Gründen der Rechtsklarheit, dass die Urkunde aus sich heraus oder in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 484/10, BGHR StPO § 207 Beschluss 1). Daran fehlt es hier; denn nach der Anhörung des Angeschuldigten wäre - unbeschadet der durchgeführten Vorberatung - eine abschließende Beschlussfassung der Jugendkammer erforderlich gewesen, die auch nach den dienstlichen Erklärungen der Mitglieder der Jugendkammer nicht erfolgt ist. Das Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses führt zu einem
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Verfahrenshindernis hinsichtlich der Fälle II.6. bis II.8. der Urteilsgründe. Insoweit ist das Verfahren mit der Kostenfolge gemäß § 467 Abs. 1 StPO einzustellen (§ 206a StPO).

III.

Die Verurteilung der Angeklagten F. und N. in den Fällen
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II.1. bis II.3. hat aufgrund ihrer Sachbeschwerden keinen Bestand. Im Fall II.3. der Urteilsgründe ist die Urteilsaufhebung gemäß § 357 StPO auf den Angeklagten A. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat. 1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchreifenden
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rechtlichen Bedenken. Zwar muss das Revisionsgericht die Überzeugung des Tatgerichts vom Vorliegen eines Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen. Ebenso ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle der tatgerichtli- chen Überzeugung zu setzen. Allerdings muss überprüft werden, ob die Überzeugung des Tatgerichts in den Feststellungen und der ihnen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende Grundlage findet. Diese müssen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Deshalb müssen die Urteilsgründe des Tatgerichts erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht nur eine bloße Vermutung darstellt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. August 2013 - 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388). 2. Nach diesem Maßstab ist die Beweiswürdigung des Landgerichts zu
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den Fällen II.1. bis II.3. der Urteilsgründe nicht tragfähig.
a) Zu Fall II.1. der Urteilsgründe hat sich das Landgericht bei seiner
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Feststellung einer Einfuhr der Betäubungsmittel durch die Angeklagten auf einen Erfahrungssatz gestützt, den es nicht gibt. Es hat sich auf die Annahme gestützt, dass ein Fall des Erwerbs von Crystal im Inland anstelle einer Einfuhr aus T. im Grenzgebiet durch einen Zwischenhändler bisher nicht bekannt geworden sei. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob die Angeklagten solche Betäubungsmittel aus T. eingeführt haben. Zudem ist der behauptete Erfahrungssatz weder belegt noch erläutert worden. Allein die Ungewöhnlichkeit eines hypothetisch möglichen Vorkommnisses schließt einen solchen Vorgang nicht aus. Die Tatsache, dass die Jugendkammer kein konkretes Indiz für die Annahme einer Einfuhr der Betäubungsmittel durch die Angeklagten feststellen konnte, kann nicht durch eine vage Behauptung einer allgemeinen Erfahrung überwunden werden.
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Ähnliches gilt für die Begründung der Mittäterschaft der Angeklagten F. und N. , bei der sich das Landgericht auf den Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten F. gestützt hat, der "unorganisiert und unselbständig" erscheine und deshalb nicht in der Lage gewesen sei, alleine zur Durchführung des Drogengeschäfts aus Th. nach J. zu reisen. Deshalb sei sicher davon auszugehen, dass beide Angeklagten gemeinsam "die Tat wie festgestellt begangen haben". Das trägt nicht. Das Persönlichkeitsbild eines Angeklagten reicht nicht aus, um konkrete Schlüsse auf die Art seiner Beteiligung an einem komplexen Handlungsablauf zu ziehen. Hat das Gericht somit zur Frage der Einfuhr der Betäubungsmittel durch
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die Angeklagten einen falschen Maßstab angelegt, ist weiter zu besorgen, dass die zur Grundlage der Verurteilung wegen Handeltreibens gemachte Feststellung einer Postversendung der Betäubungsmittel durch den Angeklagten F. in J. mit der Abrede, dass der Angeklagte N. sie in No. in Empfang nehmen solle, auf einer unzureichenden Beweisgrundlage beruht. Allerdings sind mit der Feststellung des Besitzes eines gefälschten Rei31 sepasses bei dem Angeklagten N. und der DNA-Spur des Angeklagten F. auf dem Verpackungsmaterial im Postpaket Indizien vorhanden, die auf ihre Beteiligung am Postversand der Drogen schließen lassen. Andererseits wirkt die Bewertung zusätzlicher Indizien durch die Jugendkammer erneut spekulativ , so dass zumindest einige Elemente der Gesamtwürdigung durchgreifend in Frage gestellt sind. So ist die Person, welche die Postzustellerin in No. angespro32 chen hat, um das Paket zu erlangen, nicht identifiziert worden. Das Landgericht hat aus der vagen Beschreibung des von ihr geführten Fahrzeugs möglicher- weise zuweit gehend auf die Identität dieser Person mit dem Angeklagten N. geschlossen. Das Landgericht hat ergänzt: "Schließlich macht ein gefälschter Pass auch nur dann Sinn, wenn die Person, die auf dem Lichtbild abgebildet ist, den Pass auch später benutzt". Damit wird nichts darüber ausgesagt , dass der gefälschte Pass gerade zur Annahme einer Postsendung mit Methamphetamin eingesetzt werden sollte. Die Überlegung der Jugendkammer lässt besorgen, dass sie ihre Würdigung von Umständen mit beschränkter Aussagekraft zu sehr am erwarteten Beweisergebnis orientiert und den begrenzten Beweiswert der Indizien überbewertet hat.
b) Sind die Feststellungen zur ersten Tat der Angeklagten F. und
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N. nicht tragfähig begründet, kann die Verurteilung wegen der zweiten Tat, die ohne konkrete Hinweise auf den Erwerb von Betäubungsmitteln, ihren grenzüberschreitenden Transport und die Weiterversendung auf dem Postweg alleine wegen der Ähnlichkeit des Verlaufs einer Postsendung festgestellt wurde , mit der mitgeteilten Begründung nicht aufrecht erhalten bleiben. Sie enthält nicht mehr als einen Verdacht.
c) Im Kern dasselbe gilt für die Feststellungen zur dritten Tat des Ange34 klagten N. , die er mit Unterstützung durch den Angeklagten A. begangen haben soll. Hierfür hat das Landgericht sich auf intensive Wetterrecherchen des
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Angeklagten N. im konkreten Grenzgebiet, die Fragwürdigkeit der Suche nach einem Fahrzeug aus Kaufinteresse, das Mitführen eines Fahrrads, das Ausschalten des Mobiltelefons, das Auffinden eines leeren Geldkuverts und die Umstände des zweifachen Grenzübertritts durch den Angeklagten N. zu Fuß gestützt. Daraus hat es die "nahe liegende Möglichkeit" entnommen, dass die Angeklagten eine Drogeneinfuhr geplant hatten, bei der die Betäu- bungsmittel vom Verkäufer "entlang der grünen Grenze übergeben oder abgelegt und von dort mit dem Fahrrad abtransportiert werden sollten". Nach der ersten Zollkontrolle sei der Angeklagte N. nach T. zurückgekehrt , weil er "offensichtlich etwas ganz Dringliches und Wichtiges in der T. zu klären hatte". Diese Überlegungen lassen erneut besorgen, dass das Landgericht
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aufgrund jeweils für sich genommen wenig aussagekräftiger Umstände konkrete Schlüsse auf das erwartete Beweisergebnis gezogen hat, ohne die geringe Aussagekraft der Einzelindizien genügend zu beachten. Auch eine Summe von Beweisanzeichen, die jeweils geringe Aussagekraft haben und keinen zwingenden Schluss zulassen, der alle in Frage kommenden Alternativhypothesen ausschließt , gestattet im Einzelfall nicht mehr als die Annahme eines Verdachts. Diesen hat die Jugendkammer überbewertet, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass sie zu der Überzeugung gelangt ist, "dass allein der Angeklagte N. die Tat plante und das Tatgeschehen lenkte", während der Angeklagte A. , zu dessen Mitwirkung sie keine Feststellungen treffen konnte, nur eine untergeordnete Rolle spielte. 3. Die Urteilsaufhebung ist im Fall II.3. der Urteilsgründe auf den Ange37 klagten A. zu erstrecken, der nach Ansicht des Landgerichts bereits "durch seine Anwesenheit und die Begleitung nach T. " den Angeklagten N. in dessen Tatentschluss und bei der Tatausführung unterstützt und damit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet habe. Der sachlich-rechtliche Fehler bei der Feststellung der Haupttat erstreckt sich insoweit auf die Feststellung der Beihilfehandlung. Die Verurteilung des Angeklagten A. in den Fällen II.4. und II.5. der Urteilsgründe bleibt dagegen unberührt. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.