Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2015 - 2 StR 21/15
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , Körperverletzung in zwei Fällen und versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
- 2
- 1. Der Schuldspruch wie auch der Einzelstrafausspruch im Fall II.2 der Urteilsgründe begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Hingegen hält der Strafausspruch im Übrigen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 3
- 2. a) Im Rahmen der Strafzumessung im Fall II.4 der Urteilsgründe hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten eingestellt, dass die Geschädigte dem Angeklagten zuvor keine nachvollziehbare Veranlassung zur Tat geboten habe. Diese Erwägung erweist sich als rechtsfehlerhaft. Damit wirft die Strafkammer dem Angeklagten die Begehung der Straftat als solche vor, ohne dass Besonderheiten vorliegen, die es rechtfertigen könnten, das "Unrecht der Tat" straferhöhend zu werten; dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB (vgl. dazu Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 76, 76 b). Hätte das Opfer Anlass zur Tat gegeben , wäre dies ein Umstand, der den körperlichen Übergriff in einem milderen Licht erscheinen lassen könnte. Mit der Erwägung des Tatgerichts wird damit zu Lasten des Angeklagten unzulässigerweise das Fehlen eines Milderungsgrundes in die Strafzumessung eingestellt (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Januar 2015 - 2 StR 233/14). Der Senat kann schon mit Blick auf die hohe Einsatzstrafe nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne diese fehlerhafte Erwägung zu einer für den Angeklagten günstigeren Strafbemessung gelangt wäre.
- 4
- b) Bei der Strafbemessung im Fall II.1 der Urteilsgründe hat die Strafkammer zu Ungunsten des Angeklagten seine kriminelle Energie und seine Gewaltbereitschaft berücksichtigt. Auch diese Formulierung lässt besorgen, dass das Landgericht damit dem Angeklagten unter Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB die bloße Tatbegehung vorgeworfen hat. Umstände, die eine kriminelle Energie belegen, welche über typischerweise mit der Begehung einer Körperverletzung verbundenes Tatunrecht hinausgehen, hat die Strafkammer weder dargelegt noch ergeben sich diese aus den Urteilsgründen im Übrigen. Die Tat ist vielmehr geprägt von einem vorangegangenen Wortgefecht mit gegenseitigen Beleidigungen, an deren Ende der Angeklagte seiner Ehefrau mit der flachen Hand kräftig ins Gesicht schlug und diese durch die Wucht des Schlages zu Boden fiel. Das Verhalten des Angeklagten ist danach weder Ausdruck besonderer krimineller Energie noch lässt sich daran eine Gewaltbereitschaft ablesen , die strafschärfend zu Lasten des Angeklagten hätte berücksichtigt werden dürfen. Dies gilt im Übrigen trotz des von der Strafkammer an anderer Stelle erwähnten Umstands, dass die Ehe des Angeklagten "aufgrund von Handgreiflichkeiten des leicht aufbrausenden, aggressiven und eifersüchtigen Angeklagten gegenüber seiner Ehefrau" problematisch verlaufen ist. Auch dadurch wird die dem Angeklagten vorgeworfene "Gewalt"-Bereitschaft nicht hinreichend belegt.
- 5
- Auch soweit die Strafkammer im Fall II.3 der Urteilsgründe die "kriminelle Energie" zu Lasten des Angeklagten im Rahmen der konkreten Strafzumessung berücksichtigt hat, begegnet diese floskelhafte, nicht näher erläuterte Erwägung rechtlichen Bedenken. Es erschließt sich auch aus dem abgeurteilten Geschehen nicht, welche gegenüber normalem Tatunrecht erhöhte kriminelle Energie dem Angeklagten zum Vorwurf gemacht wird.
- 6
- Der Senat kann trotz niedriger Geldstrafen nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei fehlerfreier Würdigung zu für den Angeklagten günstigeren Strafaussprüchen gelangt wäre.
- 7
- c) Die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.1, 3 und 4 der Urteilsgründe bedingt den Wegfall des Gesamtstrafenausspruchs. Nach Wegfall der Zuständigkeit des Schwurgerichts verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück. Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng
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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2015 - 2 StR 21/15 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in zwei tateinheitlich begangenen Fällen, wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt; darüber hinaus hat es weitere angeklagte Fälle eingestellt und den Angeklagten im Übrigen freigesprochen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 3
- Das Landgericht hat in allen Fällen zu Lasten des Angeklagten dessen eigensüchtige Einstellung berücksichtigt, mit der er die Befriedigung seiner sexuellen Forderungen ohne Rücksicht auf die Folgen für die Nebenklägerin (seine zu den Tatzeiten zwischen sechs bzw. sieben und fünfzehn Jahre alte Stieftochter) an dieser als Ersatz für eine erwachsene Sexualpartnerin durchgesetzt habe (UA S. 135). Dabei sei der Angeklagte nicht durch eine pädophile Neigung getrieben gewesen, sondern hätte seine Neigungen legal und einverständlich an erwachsenen Sexualpartnern verwirklichen können.
- 4
- Diese Erwägungen erweisen sich als rechtsfehlerhaft, denn damit wirft die Strafkammer dem Angeklagten die Begehung der Straftaten als solche vor, ohne dass Besonderheiten vorliegen, die es rechtfertigen könnten, das "Unrecht der Tat" straferhöhend zu werten; dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB (vgl. dazu Fischer, StGB, 62. Aufl. § 46, Rn. 76, 76b: Täter hatte keinen Anlass zur Tat). Soweit darauf abgestellt wird, der Angeklagte habe keine pädophile Neigung , die ihn gerade zur Begehung der von ihm begangenen Taten veranlasst hätten, wird zu Lasten des Angeklagten unzulässigerweise das Fehlen eines Milderungsgrundes berücksichtigt.
- 5
- Der Senat kann schon mit Blick auf die hohe Gesamtfreiheitsstrafe nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die fehlerhaften Erwägungen zu einer für den Angeklagten günstigeren Strafbemessung gelangt wäre.
- 6
- Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs insgesamt, ohne dass die Feststellungen hierzu aufgehoben werden müssten. Es liegt insoweit ein Wertungsfehler vor, der die getroffenen Feststellungen unberührt lässt. Der neue Tatrichter ist allerdings nicht gehindert, weitere neue Feststellungen zu treffen, die zu den bestehenden nicht in Widerspruch stehen. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.