Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2014 - 2 StR 545/13

bei uns veröffentlicht am15.04.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 5 4 5 / 1 3
vom
15. April 2014
in der Strafsache
gegen
BGHR: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
Zur Verwirklichung des Tatbestands des Verwendens eines gefährlichen Werkzeugs
bei einer sexuellen Nötigung reicht es aus, wenn der Täter das Werkzeug
ohne Nötigungskomponente, sondern allein zur eigenen Luststeigerung im
unmittelbaren Zusammenhang mit dem sexuellen Geschehen gegen das
Tatopfer einsetzt.
BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 2 StR 545/13 - LG Köln
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
, zu Ziffer 3. auf dessen Antrag, und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 15. April 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Köln vom 27. Mai 2013 im Strafausspruch
aufgehoben; jedoch bleiben die hierzu getroffenen Feststellungen
aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung und Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landgericht bei der Tat vom 12. Juli 2012 von einem Fall des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB ausgegangen ist.
3
Dabei holte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts ein Jagdmesser aus der Schreibtischschublade, demonstrierte der bereits früher wiederholt ohne Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs zum Oralverkehr genötigten Geschädigten dessen Schärfe durch Zerschneiden eines Stücks Papier. Dann zog er die Messerspitze von der rechten Kopfseite aus über ihren Hals bis zur Brust über ihre Haut, ohne sie zu verletzen. Er wollte dadurch bei ihr Todesangst hervorrufen und für sich ein Lustgefühl erzeugen, bevor er die Geschädigte erneut durch Ergreifen mit der Hand zum Oralverkehr nötigte.
4
Die rechtliche Würdigung dieser Handlung als besonders schwere Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs ist rechtsfehlerfrei. Dabei kommt es nicht notwendigerweise darauf an, ob die generell verängstigte Geschädigte den Oralverkehr mit dem Angeklagten, wie in früheren Fällen, auch ohne den Einsatz des Messers gegen ihren Willen vorgenommen hätte. Das gefährliche Werkzeug muss zur Erfüllung des Qualifikationstatbe- stands nicht zwingend als Nötigungsmittel, sondern nur „bei der Tat“ verwendet werden, also entweder als Nötigungsmittel oder als Werkzeug bei der sexuellen Handlung (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 - 4 StR 464/00, BGHSt 46, 225, 228 f.; Beschluss vom 8. Februar 2006 - 2 StR 575/05, StV 2006, 416, 417). Dafür genügt es auch, wenn ein „einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug“ vorliegt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 - 1 StR 506/01 - unter IV., insoweit in StV 2002, 350 nicht abgedruckt). Ein solcher Vorgang ist nach den Feststellungen des Landgerichts erfolgt, da der Angeklagte den Messereinsatz auch zur Luststeigerung vornahm.
5
Die Gefährlichkeit des Werkzeugs ist auch unter diesem Blickwinkel - unbeschadet des Messereinsatzes gegenüber der Geschädigten „ohne Druck und ohne sie dabei zu verletzen“- anzunehmen. Die zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands genügende abstrakte Gefahr erheblicher Verletzungen war auch bei einem zurückhaltenden Einsatz unmittelbar an Kopf, Hals und Brust der Geschädigten gegeben.
6
2. Der Strafausspruch begegnet sowohl bei den Einzelstrafen als auch bei der Gesamtstrafe rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht den Stand der Vollstreckung der Geldstrafe aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Grevenbroich vom 18. Juli 2012 - Cs 401 Js 1184/11 - „nicht festgestellt“ hat. Das war geboten, um zu prüfen, ob entweder die Bildung einer Gesamtstrafe hiermit, oder im Fall der vollständigen Vollstreckung ein Härteausgleich wegen Unmöglichkeit der Gesamtstrafenbildung angezeigt wäre. Mit Blick auf die Alternativen kann der Senat nicht, wie vom Generalbundesanwalt beantragt, die Sache in ein Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zurückverweisen, sondern nur zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die Strafbemessung. Die hierzu bisher getroffenen Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2014 - 2 StR 545/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2014 - 2 StR 545/13

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


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Referenzen - Urteile

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 506/01 vom 6. Februar 2002 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Februar 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzen

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2018 - 4 StR 239/18

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 239/18 vom 25. Oktober 2018 in der Strafsache gegen wegen schwerer Vergewaltigung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:251018U4STR239.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25.

Referenzen

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 464/00
vom
12. Dezember 2000
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB ist kein erfolgsqualifiziertes Delikt, sondern
setzt auch hinsichtlich des Eintritts der Gefahr Vorsatz voraus.
2. Der Täter verwendet ein gefährliches Werkzeug gemäß § 177 Abs. 4 Nr. 1
StGB auch dann, wenn er es ausschließlich zur Vornahme der sexuellen
Handlung einsetzt.
BGH, Beschluß vom 12. Dezember 2000 - 4 StR 464/00 - LG Stendal
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. Dezember 2000 gemäß
§§ 44 ff., 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Stendal vom 23. Mai 2000 und von Amts wegen nach Versäumung der Frist zur Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung hat der Angeklagte zu tragen.
Der Beschluß des Landgerichts Stendal vom 25. August 2000, durch den die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen wurde, ist damit gegenstandslos. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II.2.c) der Urteilsgründe,
b) im Strafausspruch im Fall II.2.b) der Urteilsgründe,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
d) soweit davon abgesehen worden ist, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei Fällen und (wegen) gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; ferner hat es eine Einziehungsanordnung getroffen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat - nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist und der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO - mit der Sachrüge teilweise Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). 2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit das Landgericht ihn im Fall II.2.a) der Urteilsgründe wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt hat. Auch
der Schuldspruch wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung (Fall II.2.b) der Urteilsgründe) sowie die Einziehung der "Metallfigur MutterGottes" halten rechtlicher Nachprüfung stand. Dahinstehen kann, ob sich die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung (§ 230 StGB) in der Anklageschrift vom 24. März 2000 auch auf die im Fall II.2.b) abgeurteilte (einfache) Körperverletzung bezieht; dies ist hier zweifelhaft , weil die Anklage von gefährlicher Körperverletzung ausgegangen war (vgl. BGHSt 19, 377, 379; s. auch BGHSt 6, 282, 284). Dem Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts nach § 349 Abs. 2 StPO ist aber jedenfalls eine solche - konkludente - Erklärung für den Fall zu entnehmen, daß die Verfahrensvoraussetzung zunächst gefehlt haben sollte (vgl. BGHSt 19, 377, 381; BGH bei Dallinger MDR 1974, 546). Im übrigen kann das Urteil jedoch nicht bestehen bleiben:
a) Im Fall II.2.c) der Urteilsgründe hält der Schuldspruch wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. aa) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen würgte der Angeklagte am 10. November 1999 nach vorangegangenem Alkoholgenuß Frau B. , mit der er seit ca. 10 Jahren zusammenlebte, bis zur Bewußtlosigkeit und führte sodann eine ca. 16 cm große "Metallfigur, die von vorne einer MutterGottes -Figur und von hinten einem männlichen Glied gleicht und außer einer Kante am Fußsockel eine glatte Oberfläche und runde Formen" (UA 6) hatte, den Kopf der Figur mit der rechten Hand haltend, "mit voller Wucht" in die Scheide des Opfers ein, so daß der Gegenstand fast vollständig verschwand. Die Kante am Sockel verursachte einen ca. 15 cm langen Scheidenschnitt bis zum Muttermund und eine klaffende Wunde in der Scheidenhaut hinter dem
Muttermund. Wegen des hohen Blutverlustes, der auch zu einem kurzzeitigen Blutdruckabfall führte, bestand Lebensgefahr, die wegen der - vom Angeklagten veranlaßten - ärztlichen Versorgung der Geschädigten abgewendet werden konnte. bb) Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit einer Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB schuldig gesprochen, weil der Angeklagte die Geschädigte fahrlässig in die Gefahr des Todes gebracht habe. Dies ist rechtsfehlerhaft: Nach § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB wird der Täter einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung bestraft, wenn er das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt. Zwar hat das Landgericht zu Recht eine Vergewaltigung bejaht, weil die Voraussetzungen des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB gegeben sind. Seine weitere Annahme, für die Erfüllung des qualifizierenden Merkmals in § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB genüge in subjektiver Hinsicht Fahrlässigkeit des Täters, trifft aber nicht zu; die Vorschrift enthält nämlich kein erfolgsqualifiziertes Delikt, sondern setzt gemäß § 15 StGB auch hinsichtlich des Eintritts der konkreten Todesgefahr für das Opfer zumindest bedingten Vorsatz voraus (so auch Laubenthal Sexualstraftaten [2000] Rdn. 205; Fischer in Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 177 Rdn. 31; Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 177 Rdn. 12; Renzikowski NStZ 1999, 377, 384; Schroth Strafrecht BT 3. Aufl. S. 97; a.A. Horn in SK-StGB § 177 Rdn. 34 und allgemein für den Eintritt einer konkreten Gefahr: Gössel in Festschrift für Lange 1976 S. 219, 221; Tröndle in Tröndle/Fischer aaO § 18 Rdn. 2). Dies hat der Senat bereits zu der entsprechend formulierten, ebenfalls als Qualifikation durch das 6. StrRG eingefügten Vorschrift des § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB entschieden (BGH NJW 1999, 3131 mit zust. Anm. Radtke NStZ 2000, 89 und Stein JR 2000, 115);
ebenso wie in jenem Fall bedarf es auch hier keiner Entscheidung der Frage, ob die Herbeiführung einer konkreten Lebensgefahr überhaupt eine besondere Folge im Sinne des § 18 StGB sein kann (so BGHSt 26, 176, 180 ff.; a.A. Stein aaO S. 116 m.w.N.). Vom Wortlaut der Vorschrift her mag zwar eine andere Sichtweise auch möglich erscheinen (vgl. Kühl in 50 Jahre Bundesgerichtshof - Festgabe aus der Wissenschaft 2000 S. 237, 243 f.). Allerdings unterscheidet sich der Wortlaut des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB deutlich von demjenigen des sich unmittelbar anschließenden Tatbestands der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge gemäß § 178 StGB, welcher in einer an sich (vgl. aber etwa § 226 Abs. 2 StGB) für erfolgsqualifizierte Delikte typischen Weise (s. §§ 221 Abs. 3, 227 Abs. 1, 235 Abs. 5, 251, 306 b Abs. 1 StGB) das "Verursachen" der schweren Folge sprachlich hervorhebt. Auch ist zu berücksichtigen , daß die Formulierung des § 18 StGB ("besondere Folge") - wie auch der hieran anknüpfende Tatbestand des § 226 Abs. 1 StGB und die Intention des Gesetzgebers bei der Einfügung des § 56 StGB a.F. (Schroeder in LK 11. Aufl. § 18 Rdn. 8) zeigen - jedenfalls in erster Linie die Realisierung der dem Grunddelikt eigentümlichen Gefahr im Blick hat, während § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB allein auf eine Konkretisierung dieser Gefahr abhebt (vgl. Rudolphi in SK-StGB § 18 Rdn. 1 f.; Paeffgen in NK-StGB § 18 Rdn. 9; Renzikowski aaO S. 383). Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch, daß dessen Wortlaut demjenigen anderer Vorschriften - insbesondere des § 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. = § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b StGB n.F. - entspricht, für welche die Rechtsprechung Vorsatz auch hinsichtlich des Gefahrerfolgs verlangt (BGHSt 26, 244, 245; BGH StV 1991, 262).
Mit der Formulierung in § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB wollte der Gesetzgeber sich gerade an die genannte Raubqualifikation anlehnen (BTDrucks. 13/9064 S. 12 f.), ohne deren Auslegung durch die Rechtsprechung infrage zu stellen (BTDrucks. 13/8587 S. 45, 13/9064 S. 17 f.). Auch hat er die Vorschrift aus dem § 177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB i.d.F. des 33. StrÄ ndG entwickelt: Für konkrete Gefahrerfolge als Regelbeispiele wird indes auch von der Gegenauffassung Vorsatz gefordert (Tröndle aaO; Gössel aaO S. 222; vgl. aber § 218 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB); daß aber die Anhebung der Strafuntergrenze von zwei Jahren auf fünf Jahre mit einer Absenkung der Anforderungen an die innere Tatseite einhergehen sollte, kann nicht angenommen werden. In Übereinstimmung mit der Auslegung des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB durch den Senat hat der Gesetzgeber des 6. StrRG in § 330 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB das Bringen eines anderen Menschen in die konkrete Gefahr des Todes als eine Vorsatz voraussetzende Qualifikation und die Verursachung des Todes als eine Erfolgsqualifikation ausgestaltet (so ausdrücklich BTDrucks. 13/9064 S. 23). Darüber hinaus ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang, daß der Täter neben dem auf das Grunddelikt bezogenen Vorsatz auch Gefährdungsvorsatz hinsichtlich der konkreten Todesgefahr für das Opfer der sexuellen Nötigung (Vergewaltigung) haben muß: Auch die anderen - eine mit dem vollendeten Totschlag übereinstimmende Strafuntergrenze von fünf Jahren rechtfertigenden - Qualifikationstatbestände des § 177 Abs. 4 StGB setzen Vorsatz voraus; nur die Annahme eines Vorsatzdelikts ergibt ferner eine sinnvolle Abstufung des Unrechts- und Schuldgehalts der einzelnen Tatbestände und der Strafrahmen in den §§ 177 und 178 StGB.
cc) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zum Fall II.2.c) kann der Schuldspruch gemäß § 177 Abs. 4 StGB auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden: Allerdings hat der Angeklagte bei der Tat objektiv ein gefährliches Werkzeug i.S.des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verwendet; denn die Metallfigur war - infolge des Einführens in die Scheide mit dem Sockel nach vorne - geeignet, erhebliche Verletzungen zuzufügen (vgl. BGH NStZ 1999, 242 f.; 2000, 419). Der Erfüllung dieser Qualifikation steht nicht entgegen , daß der Angeklagte die Figur ausschließlich bei der sexuellen Handlung, nicht aber als Nötigungsmittel einsetzte (vgl. aber Horn aaO § 177 Rdn. 32; Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 29; s. auch Mitsch ZStW 111, 65, 103 f. [zu § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB]): Das folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, weil das Gesetz mit der Formulierung "bei der Tat" an beide Bestandteile des zweiaktigen Grunddelikts anknüpft; dies kann nur so verstanden werden, daß der Einsatz des gefährlichen Werkzeugs ausschließlich zur Vornahme der sexuellen Handlung genügt. Nicht anders ist dieselbe Formulierung bei der im gleichen Absatz geregelten weiteren Qualifikation der schweren körperlichen Mißhandlung aufzufassen (Laubenthal aaO Rdn. 202; Horn aaO § 177 Rdn. 33 i.V.m. 29; Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 30 i.V.m. § 176a Rdn. 11). Das gleiche ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB: Die Strafschärfung soll dem unrechts- und schulderhöhenden Umstand Rechnung tragen , daß der Täter die Gefahren für das Tatopfer durch den Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs gesteigert hat (vgl. Laubenthal aaO Rdn. 196; BGH, Beschluß vom 17. Februar 1999 - 5 ARs 2/99 [zu § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB]); die Gefahrerhöhung hängt aber nicht davon ab, ob der Täter das Werkzeug bei der Nötigung oder bei dem sexuellen Geschehen einsetzt. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Regelung in § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB, die allerdings nur das Beisichführen betrifft, möglicherweise zunächst an "tat-
qualifizierende Nötigungsmittel" gedacht (s. aber Horn aaO § 177 Rdn. 29); zur Begründung der weiteren Qualifikationsstufe in § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB hat er aber auf diese Formulierung nicht zurückgegriffen (vgl. BTDrucks. 13/9064 S. 12 f.), sondern konsequenterweise mit der Wendung "bei der Tat", die in § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB fehlt, auf beide Teile des zweiaktigen Grunddelikts gleichermaßen Bezug genommen. In systematischer Übereinstimmung damit können die anderen Qualifikationen in § 177 Abs. 4 StGB nicht nur durch die Nötigung, sondern auch (allein) durch die sexuelle Handlung verwirklicht werden (vgl. Laubenthal aaO Rdn. 202, 205; Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 31 und 30 i.V.m. § 176a Rdn. 11; so auch Renzikowski aaO S. 383 zum Merkmal "durch die Tat" in § 177 Abs. 3 Nr. 3 StGB); eine Beschränkung auf die Nötigungsalternative wie in § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB ist dem Gesetz in § 177 Abs. 4 StGB fremd. dd) Den Feststellungen ist jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, daß der Angeklagte insoweit vorsätzlich gehandelt hat: Er war erheblich alkoholisiert, hatte die Figur, die er vor der Tat eingefettet hatte, "um sie geschmeidiger zu machen", am Vortag ohne Verletzungsfolgen in die Scheide des Opfers gesteckt und holte unverzüglich Hilfe, nachdem er den Gegenstand - allerdings mit voller Wucht - zuvor eingeführt hatte; welche Konsequenzen aus der - zum objektiven Tatablauf widerlegten - Einlassung des Angeklagten, er habe die Figur mit dem Kopf voran eingeführt, für die subjektive Tatseite zu ziehen sind, kann dem Urteil nicht entnommen werden. Die Schnittverletzungen hat das Landgericht ihm jedenfalls nicht zum Vorsatz zugerechnet.
Für die Annahme einer schweren körperlichen Mißhandlung gemäß § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB genügen die bisher getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht (vgl. BGH NJW 2000, 3655). ee) Da andererseits nicht fernliegt, daß ein neuer Tatrichter die Voraussetzungen einer der Qualifikationen in § 177 Abs. 4 StGB feststellt - ein Lebensgefährdungsvorsatz (vgl. BGHSt 22, 67, 73 ff.; 26, 244, 246) wird auch im Blick auf das Würgen bis zur Bewußtlosigkeit zu prüfen sein -, führt der Rechtsfehler zur Aufhebung des Urteils im Fall II.2.c) insgesamt, auch soweit der Angeklagte der tateinheitlich verwirklichten Körperverletzung für schuldig befunden worden ist (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Die Aufhebung hat den Wegfall der Einsatzstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zur Folge. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Der Senat hebt ferner die Einzelstrafe im Fall II.2.b) auf, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß sich der Fehler auch auf die Höhe dieser Einzelstrafe ausgewirkt hat.
b) Nicht bestehen bleiben kann das Urteil auch, soweit das Landgericht es abgelehnt hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen. Das Erfordernis einer solchen Maßregel ist vom Revisionsgericht auch dann zu überprüfen, wenn - wie hier - lediglich der Angeklagte das erstinstanzliche Urteil angefochten hat (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5), sofern er nur diesen Beschwerdepunkt von der Anfechtung des Urteils nicht ausdrücklich ausgenommen hat (BGHSt 38, 362); das ist nicht geschehen. Das sachverständig beratene Landgericht hat mit allerdings knappen, allgemein gehaltenen Ausführungen einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten zu übermäßigem Alkoholgenuß und der
Tat sowie der künftigen Gefährlichkeit bejaht (vgl. zu Sexualdelikten als Anlaßtaten BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 3 m.w.N.); die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs (BVerfGE 91, 1) hat es indes verneint. Doch genügt entgegen der Auffassung der Strafkammer für die Annahme der Aussichtslosigkeit noch nicht, daß der Angeklagte "nicht therapiebereit" und "krankheitsuneinsichtig" ist. Fehlende Therapiebereitschaft und mangelnde Einsicht können zwar Indizien dafür sein, daß eine Entwöhnungsbehandlung keine Erfolgschancen hat (vgl. BGH NJW 2000, 3015, 3016). Andererseits bedarf es in solchen Fällen der Prüfung und Darlegung, daß auch mit therapeutischen Bemühungen eine positive Beeinflussung des Angeklagten nicht zu erreichen wäre (BGH NStZ-RR 2000, 299, 300; 1996, 355, 356; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 7). Dies gilt hier um so mehr, als der Angeklagte sich "wegen seines Alkoholproblems" vorübergehend einer Selbsthilfegruppe angeschlossen und damit eine gewisse Einsicht in seine Suchterkrankung gezeigt hat; die Gründe für das Scheitern der "Therapie" teilt das Landgericht nicht mit. 3. Im übrigen weist der Senat für die neue Hauptverhandlung vorsorglich auf folgendes hin:
a) Im Fall II.2.c) wird der neue Tatrichter auch § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, der anders als § 223 StGB und § 229 StGB (zur Möglichkeit von Tateinheit s. BGH NStZ 1997, 493) kein relatives Antragsdelikt ist (§ 230 StGB; s. o. Ziff. 2), zu prüfen haben (vgl. zum Würgen bis zur Bewußtlosigkeit BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz 1 [a.E.]; BGH, Urteil vom 10. März 1998 - 1 StR 731/97 und Beschluß vom 11. Juli 2000 - 4 StR 238/00); das Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StGB stünde einem entsprechenden Schuldspruch nicht entgegen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 331 Rdn. 8).
Die nachteilige Berücksichtigung der "äußerst brutale(n) Vorgehensweise" und der "Intensität der Tatbegehung" bei der Strafrahmenwahl sowie der konkreten Strafzumessung zu diesem Fall begegnet - nicht anders als die strafschärfend gewertete "Handlungsintensität" im Rahmen der Gesamtstrafenbildung - durchgreifenden Bedenken im Blick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Diese Umstände gehören zum Regelbild des verwirklichten Straftatbestands des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB und sind daher kein zulässiger Strafschärfungsgrund. Da zudem die Art der Tatausführung, soweit sie auf der schuldmindernden geistig-seelischen Verfassung des Täters beruht, diesem nicht uneingeschränkt angelastet werden darf (BGH NStZ 1997, 592, 593; 1998, 84, 85; Tröndle/Fischer aaO § 21 Rdn. 6; § 46 Rdn. 19 und 22), bestehen auch gegen die strafschärfende Berücksichtigung der "brutale(n) Vorgehensweise" im Fall II.2.b) rechtliche Bedenken (vgl. hierzu auch BGH StV 1998, 76; BGHR StGB § 177 Abs. 1 Strafzumessung 13; Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 36). Im Blick auf die ausdrückliche Herausnahme der alkoholbedingten verminderten Schuldfähigkeit aus der konkreten Strafzumessung weist der Senat ferner darauf hin, daß die eine Strafrahmenmilderung bewirkenden Umstände mit ihrem verbleibenden Gewicht in die Gesamtwürdigung einzustellen sind (vgl. BGHR StGB § 50 Strafhöhenbemessung 1 bis 5).
b) Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob wegen der rechtskräftigen Vorverurteilung des Angeklagten vom 28. August 1997 eine nachträgliche Gesamtstrafe mit der Einzelstrafe für die zuvor begangene gefährliche Körperverletzung (Fall II.2.a) gebildet werden muß; sofern zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB vorgelegen haben, ist diese auch dann nachzuholen, wenn die früher verhängte Strafe inzwischen erledigt ist (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1 und Fehler 2).
Meyer-Goßner Kuckein Athing

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 575/05
vom
8. Februar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Februar 2006 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juli 2005 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht - Schöffengericht - Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (besonders schwerer) sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die seit Mai 2002 bestehende Liebesbeziehung des 1980 geborenen Angeklagten zu der Zeugin Z. wesentlich durch die übersteigerte Eifersucht und Besitz ergreifende Nachstellungen des Angeklagten geprägt. Die Zeugin teilte diesem daher ab April 2003 mehrfach mit, dass sie sich von ihm trennen wolle, nahm jedoch nach Versprechungen , demonstrativen Selbstverletzungen, Suiziddrohungen und drängenden Nachstellungen des Angeklagten die Beziehung immer wieder auf. Zuletzt am 1. Januar 2004 kam es zum einverständlichen Geschlechtsverkehr. In der Folgezeit teilte die Zeugin dem Angeklagten jedoch erneut mit, dass sie die Beziehung beenden wolle. Er bedrängte sie weiter; im Laufe des Januar 2004 wurden mehrere Gespräche über die von ihm gewünschte Fortsetzung der Beziehung geführt, eines davon in der Wohnung des Angeklagten.
3
Am 28. Januar 2004 kam es auf Drängen des Angeklagten zu einer weiteren "Aussprache". Die Zeugin Z. holte den Angeklagten zunächst auf dessen Bitte mit ihrem PKW in K. ab und fuhr dann nach H. zur Wohnung des Angeklagten. Sie parkte in einer bewohnten Straße in der Nähe der Wohnung des Angeklagten. Beide stiegen aus und führten zunächst außerhalb des PKW ein Gespräch; dann setzten sie sich wieder in das Fahrzeug. Dort erklärte die Zeugin dem Angeklagten nochmals, sie wolle nichts mehr von ihm wissen.
4
Zum darauf folgenden Hergang hat das Landgericht festgestellt: Der Angeklagte "begann …, der Zeugin mehrfach grob zwischen die Beine zu greifen. Dort bewegte er die Finger im Bereich der Vagina der Zeugin hin und her. Die Zeugin schob ihn entrüstet weg, worauf er sie aufforderte, mit ihm, 'zum Ficken auf die Viehweide’ zu fahren, was die Zeugin verbal heftig ablehnte. Daraufhin griff der Angeklagte zum Hals der Zeugin, hielt sie dort fest und versuchte, diese auf den Mund zu küssen. Die Zeugin (…) versuchte mit ihrem Kopf nach hinten auszuweichen, woraufhin der Angeklagte jedoch mit seinem Gesicht folgte und ihr einen Kuss aufnötigte. Er sagte dabei zu der Zeugin, er schwöre ihr, sie und ihre Familie umzubringen. In diesem Moment bemerkte die Zeugin, dass der Angeklagte seinen Schlüsselbund dergestalt in die Faust genommen hatte, dass die einzelnen Schlüssel stachelartig zwischen den Fingern hervorstanden. Diese Faust hielt er der Zeugin vor den Bauch" (UA S. 11/12).
5
Die Zeugin ergriff nun ihre auf dem Rücksitz liegende Tasche und versuchte , aus dem PKW zu fliehen. Der Angeklagte hielt die Tasche zunächst fest, ließ sie aber auf die Drohung der Zeugin los, sie werde sonst um Hilfe rufen. Die Zeugin ging nun um die nächste Straßenecke, rief von ihrem Handy aus einen Freund an und teilte diesem mit, der Angeklagte versuche sie umzubringen. Sodann ging sie zum PKW zurück, wo sich der Angeklagte noch aufhielt. Der Angeklagte entfernte sich schließlich. Er rief in den folgenden Stunden mehrmals bei der Mutter der Zeugin an und erklärte, er habe "Scheiße gebaut"; per SMS versuchte er die Zeugin davon abzuhalten, Strafanzeige zu erstatten (UA S. 12).
6
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen besonders schwerer sexueller Nötigung gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB nicht.
7
a) Die Feststellungen zur Qualifikation sind unzureichend. Das Landgericht hat den Tatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB als verwirklicht angesehen und hierzu festgestellt, die Zeugin habe den Umstand, dass der Angeklagte seinen Schlüsselbund in die Faust genommen hatte, so dass die Schlüssel wie Stacheln zwischen den Fingern hervorstanden, "in diesem Moment" bemerkt, somit während oder unmittelbar nachdem der Angeklagte ihr einen Kuss aufnötigte und die Drohung äußerte. Im ersteren Fall bliebe allerdings unklar, wie der Angeklagte, der nach dem Zusammenhang der Feststellungen wohl rechts neben der Zeugin auf dem Beifahrersitz saß, all diese Handlungen gleichzeitig ausgeführt haben könnte. Denn sowohl das Festhalten am Hals als auch das Vorhalten der Faust mit den Schlüsseln "vor den Bauch" der Zeugin kann nach den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten kaum anders als mit der rechten Hand ausgeführt worden sein; in diesem Fall kann es nicht gleichzeitig geschehen sein. Im Übrigen dürfte auch die Vorbereitung des Werkzeugs in der ge- schilderten Weise - namentlich wenn sie mit nur einer Hand und unbemerkt vorgenommen wurde - einige Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch genommen haben.
8
Die Feststellungen ergeben daher nicht hinreichend deutlich, dass der Angeklagte den Schlüsselbund, der bei entsprechender Verwendung ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr.1 StGB sein konnte, tatsächlich bei der Tat verwendet hat. Nach den bisherigen Feststellungen hat der Angeklagte die Schlüssel weder als Nötigungsmittel zur Erzwingung der (möglicherweise ) sexuellen Handlung noch als Mittel dieser Handlung selbst eingesetzt (zum Begriff des Verwendens vgl. BGHSt 46, 225, 228 f.; BGH NStZ 2000, 254; 2005, 35; MüKo-Renzikowski § 177 Rdn. 81; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 177 Rdn. 84; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, 2005, § 2 Rdn. 89). Selbst wenn er dies beabsichtigt hätte, wäre der Einsatz des Werkzeugs nicht kausal gewesen, wenn die Geschädigte die Drohung erst nach Abschluss der erzwungenen Handlung bemerkte (vgl. Senatsbeschluss vom 1. September 2004 - 2 StR 313/04, NJW 2004, 3437).
9
Ob auch ein möglicherweise der Sicherung dienender Einsatz des Werkzeugs nach Vollendung der Tat, aber vor deren Beendigung, entsprechend der Auslegung des Begriffs des Verwendens etwa in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl. hierzu NStZ 2004, 263), dem Qualifikationstatbestand unterfallen kann (so Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 85; aA Renzikowski aaO § 177 Rdn. 81; ablehnend auch Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 244 Rdn. 2 m.w.N.), ist vom Bundesgerichtshof , soweit ersichtlich, bislang nicht entschieden. Die Frage kann hier offen bleiben, denn auch eine solche Verwendung ist bisher nicht mit der erforderlichen Klarheit festgestellt. Nicht nahe liegend wäre die Anwendung des § 177 Abs. 4 Nr. 1 jedenfalls dann, wenn eine Bedrohung mit dem gefährlichen Werkzeug für die Beteiligten in keinerlei Verbindung mehr mit eventuell vorausgegangenen oder beabsichtigten sexuellen Handlungen gestanden hätte und etwa nur Mittel einer auf neuem Tatentschluss beruhenden Bedrohung gewesen wäre.
10
Wären der Grundtatbestand verwirklicht, die Voraussetzungen einer Qualifikation gemäß § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB jedoch nicht feststellbar, so wäre § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB zu prüfen. Dass dem Schlüsselbund die Qualität eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB nicht schon von vornherein, sondern erst zu dem Zeitpunkt zukam, als der Angeklagte es in der festgestellten Art ergriff und bereithielt, stünde einer Anwendung der Vorschrift nicht entgegen (vgl. BGH NStZ 1999, 242, 243). Insoweit bedürfte es jedoch noch genauerer Feststellungen zum subjektiven Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt. Das gilt gleichermaßen für eine mögliche Verwirklichung von § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB.
11
b) Es fehlt im Übrigen aber schon an hinreichend klaren Feststellungen zum Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB. Dieser setzt voraus, dass mittels einer der in § 177 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Nötigungshandlungen das Dulden einer sexuellen Handlung durch das Tatopfer oder eine sexuelle Handlung des Tatopfers selbst erzwungen wird. Aus den Urteilsgründen ergibt sich weder, auf welche Handlung das Landgericht abgestellt hat, noch, welche Tatbestandsvariante es als gegeben angesehen hat (UA S. 21).
12
aa) Als sexuelle Handlung im Sinne von § 184 f Nr. 1 StGB kommt hier zunächst das Greifen zwischen die Beine der Zeugin in Betracht. Zwar wies diese Handlung hier nach den konkreten Umständen die von § 184 f Nr. 1 StGB vorausgesetzte Erheblichkeit auf. Es bleibt nach den Feststellungen jedoch of- fen, durch welches Nötigungsmittel die Duldung dieser Handlung erzwungen worden sein soll. Die bloße überraschende Vornahme einer sexualbezogenen Handlung kann nicht als Nötigung zur Duldung dieser Handlung angesehen werden (vgl. BGHSt 31, 76, 77 f.; 36, 145, 146; BGH NStZ 1993, 78; 1995, 230; 2005, 268, 269; st. Rspr.).
13
Soweit der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme ausgeführt hat, es lasse sich den Feststellungen noch entnehmen, dass der Angeklagte zur Ausführung der Griffe zwischen die Beine der Zeugin Gewalt einsetzen musste, um ihren Widerstand zu überwinden, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Festgestellt ist vielmehr gerade, dass die Zeugin die Hand des Angeklagten "entrüstet weg schob", sich der Zudringlichkeit also erfolgreich widersetzte ; danach wiederholte der Angeklagte diese Handlungen nicht. Die Annahme , er habe zuvor Gewalt eingesetzt, um Widerstand zu brechen, wird durch die bisherigen Feststellungen nicht getragen. Der neue Tatrichter wird insoweit gegebenenfalls genauere Feststellungen zu treffen haben.
14
bb) Gewalt zur Überwindung von Widerstand hat der Angeklagte eingesetzt , als er die Zeugin am Hals fasste, sie gegen ihr Sträuben fest hielt und ihr dadurch "einen Kuss aufnötigte". Insoweit wird der neue Tatrichter Gelegenheit haben näher zu prüfen, ob der vom Angeklagten ausgeführte Kuss die von § 184 f Nr. 1 StGB vorausgesetzte Erheblichkeit im Hinblick auf das durch den Verbrechenstatbestand des § 177 Abs. 1 StGB geschützte Rechtsgut hatte. Bei der Beurteilung der Qualität einer Handlung sind die gesamten Begleitumstände des Tatgeschehens zu berücksichtigen (BGH NJW 1989, 3029); es muss eine sozial nicht mehr hinnehmbare Rechtsgutsbeeinträchtigung zu besorgen sein (BGHSt 29, 336, 338; BGH NJW 1992, 324; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 184 f Rdn. 5; MüKo-Hörnle § 184 f Rdn. 21). Bei einem nicht weiter qua- lifizierten Kuss auf den Mund kann das zweifelhaft sein, wenn zwischen den Beteiligten eine längere intime Beziehung bestanden hat (vgl. auch BGHSt 1, 292, 298; 18, 169 f.; BGH StraFo 1998, 63, 64; Hörnle aaO § 184 f Rdn. 20, 22; zu Kussversuchen auch BGH NStZ 1983, 553; 1988, 71; 2001, 370 f.). Es kommt für die Beurteilung auf die Umstände des Einzelfalls an.
15
Vorliegend wird insoweit neben den näheren Umständen des Kusses (Intensität , Dauer, gegebenenfalls Zungenkuss) die Beziehung zwischen den Beteiligten , vor allem aber auch die konkrete Tatsituation zu berücksichtigen sein. Dabei kann einerseits die - jedenfalls aus Sicht des Angeklagten - ambivalente Haltung der Zeugin von Bedeutung sein, die sich auch in der Vergangenheit trotz vielfacher Erklärungen, die Beziehung beenden zu wollen, immer wieder auf Treffen mit dem Angeklagten, Vertraulichkeiten und auch auf sexuelle Handlungen eingelassen hatte. Andererseits lässt sich dem Zusammenhang der Feststellungen ohne Weiteres entnehmen, dass der Angeklagte die Zeugin - etwa mit der Aufforderung, mit ihm "zur Viehweide", einem früheren Treffpunkt , zu fahren - jedenfalls unmittelbar vor dem Kuss zu sexuellen Handlungen bewegen wollte; dies kann nach dem Gesamtzusammenhang der äußeren Umstände und im Verständnis der Beteiligten auch dem Kuss selbst den Charakter einer sexuellen Handlung im Sinne von § 184 f Nr. 1 StGB gegeben haben.
16
Wenn der neue Tatrichter auf Grund der insgesamt neuen Feststellungen zu dem Ergebnis käme, dass der erzwungene Kuss nicht als sexuelle Handlung zu werten sei, weil es an der erforderlichen Erheblichkeit fehlte, so könnte insoweit jedenfalls der Tatbestand der Nötigung gem. § 240 Abs. 1 StGB erfüllt sein.
17
cc) Unklar sind die Feststellungen des Landgerichts auch im Hinblick auf die vom Angeklagten ausgesprochene Drohung, die Zeugin und ihre Familie zu töten. Nach den Feststellungen sagte er dies "dabei", d. h. während er der Zeugin "einen Kuss aufnötigte". Es erscheint freilich schwer vorstellbar, dass der Angeklagte während des Küssens Drohungen ausstieß. Daher bleibt offen, ob er die Drohung vor dem Kuss aussprach, ob sie sich auf das Verhalten der Zeugin kausal im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB auswirkte und ob der Angeklagte dies erkannte oder billigend in Kauf nahm. Drohte er der Zeugin erst nach Beendigung des Kusses, so käme nur eine Verurteilung nach § 241 StGB in Betracht.
18
3. Die Feststellungen des Landgerichts tragen daher den Schuldspruch nicht. Das Urteil war auf die Sachrüge insgesamt aufzuheben. Im Hinblick auf die Bedeutung der Sache war diese an das Amtsgericht - Schöffengericht - zurück zu verweisen.
19
Sollte der neue Tatrichter wiederum zur Verurteilung wegen eines qualifizierten Falls der sexuellen Nötigung kommen, so wird zu beachten sein, dass die Verwirklichung der Qualifikationen des § 177 Abs. 3 und 4 StGB im Urteilstenor kenntlich zu machen ist (vgl. BGH NStZ 2002, 656; NStZ-RR 2004, 357 Nr. 26; BGH StraFo 2003, 281; BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4; st. Rspr.; vgl. Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 78 m.w.N.).
Rothfuß Maatz Fischer Roggenbuck Appl

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 506/01
vom
6. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
6. Februar 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte und
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. April 2001 mit Ausnahme des Schuldspruchs wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall 8 der Anklage) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil im Fall 1 (Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) mit den zugehörigen Feststellungen sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchten sexuellen Mißbrauchs widerstandunfähiger Personen, Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung und wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die umfassend eingelegte Revision des Angeklagten wendet sich insbesondere gegen die Verurteilung in den Fällen 1 bis 5. Zwei Formalrügen des Angeklagten führen zur Aufhebung des Urteils bis auf den Schuldspruch im Fall 6. Auf seine weitere Rüge der Verletzung des Prozeßrechts sowie auf Fehler, die die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge aufdecken, kommt es daher nicht mehr an. Beides betrifft nicht den Fall 6. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft bezieht sich nur auf den Schuldund Rechtsfolgenausspruch im Fall 1 und auf die Gesamtstrafe. Zwar hat die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Urteils in vollem Umfang beantragt. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß sich die Sachrüge auf sämtliche Urteilsteile erstreckt (BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich, daß die Staatsanwaltschaft das Urteil nur im Fall 1 und in der Konsequenz im Gesamtstrafenausspruch für rechtsfehlerhaft hält. Diese Auslegung wird durch die allgemeine Übung der Staatsanwaltschaft bestätigt, Revisionen in der Regel so zu begründen, daß klar ersichtlich ist, in
welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils sie eine Rechtsverletzung erblickt und auf welche Gründe sie ihre Rechtsauffassung stützt (vgl. Nr. 156 Abs. 2 RiStBV).

II.

Geschädigte der Taten 1 bis 5 ist die Zeugin V. . Mit ihr lebte der Angeklagte in der ersten Hälfte des Jahres 2000 zeitweise zusammen. Opfer der Tat 6 (versuchte Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung) war ein Mithäftling , nachdem der Angeklagte wegen der Taten 1 bis 5 in Untersuchungshaft genommen worden war. V. , damals 38 Jahre alt, konsumiert seit ihrem 15. Lebensjahr regelmäûig Alkohol und ist seit mindestens 14 Jahren alkoholkrank. Ihre Erziehung war von Gewalt geprägt. Der Angeklagte lernte sie im Februar 2000 kennen. Anfang März 2000 zog sie zum Angeklagten in dessen Wohnung. Zu Beginn einvernehmliche Intimkontakte lehnte V. nach wenigen Wochen ab. Daraufhin kam es nach den Feststellungen der Strafkammer zu folgenden sechs Vorfällen: 1. Im März 2000 warf der Angeklagte V. aufs Bett, fesselte ihr mit einer Krawatte die Hände auf dem Rücken und übte gegen ihren Willen den ungeschützten Geschlechtsverkehr aus. Entweder vor oder kurz nach dem Verkehr fügte der Angeklagte der Geschädigten mit einem Einwegrasierer auf den Oberschenkeln und an den Armen mindestens 15 oberflächliche Schnitte zu, die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung am 24. April 2001 teilweise noch sichtbar waren. Das Weinen der Zeugin kommentierte der Angeklagte mit den Worten: "Du stehst doch auf erotischem Schmerz." Die Kammer konnte nicht feststellen, daû der Angeklagte die Schnitte zur eigenen Erregung oder zur
Überwindung eines Widerstandes der Geschädigten einsetzte. Nachdem er die Zeugin losgebunden hatte, entschuldigte sich der Angeklagte bei ihr. Sie verzieh ihm und blieb in der Wohnung. 2. Eines Nachts im April 2000 lag V. nur mit einem T-Shirt bekleidet schlafend auf der Wohnzimmercouch unter der Decke. Der Angeklagte zog die Decke weg und übte den Geschlechtsverkehr aus. Die Geschädigte war beim Wegziehen der Decke zwar - unbemerkt vom Angeklagten - aufgewacht , hatte sich aber aus Angst vor Schlägen des Angeklagten weiter schlafend gestellt. 3. Im Mai 2000 fesselte der Angeklagte der Zeugin gegen ihren Willen die Hände mit Handschellen, die er an einem Brett am Bett befestigte. Dann übte er erneut unerlaubt den Geschlechtsverkehr mit ihr aus. 4. Nach ihrem Auszug kam die Zeugin im August 2000 spät abends wegen einer Geldangelegenheit nochmals in die Wohnung des Angeklagten. Da sie sich nicht einigen konnten, packte der Angeklagte die Zeugin am Hals und drückte sie zu Boden. Als sie auf dem Rücken lag, fügte er ihr drei Schnitte an beiden Wangen und auf der Stirn zu. Die Schnitte bluteten, verheilten aber folgenlos. 5. Mitte August 2000 hielt sich die Zeugin nochmals drei Tage in der Wohnung des Angeklagten auf. Wegen eines verschwundenen Schlüssels schlug der Angeklagte die Zeugin V. am 15. August 2000 mit der Faust aufs Auge, stieû sie mit dem Rücken gegen einen Türrahmen, zog sie an den Haaren und stieû sie mit dem Kopf in die Badewanne. 6. Am 8. September 2000 wurde der Angeklagte festgenommen und zum Vollzug der Untersuchungshaft in die Justizvollzugsanstalt Nürnberg eingelie-
fert. Dort bat er den Mithäftling W. , über dessen Freundin zwei Schriftstücke aus der Anstalt zu schmuggeln. Als W. dies ablehnte , stieû ihn der Angeklagte von hinten gegen die Wand, schlug ihn so ins Gesicht, daû zwei Zähne ausbrachen, versetzte ihm zwei Ohrfeigen und trat ihm mit dem Schuh gegen beide Schienbeine. Daraufhin versprach W. dem Angeklagten, die Schriftstücke wie gefordert weiterzuleiten, übersandte sie jedoch dem Ermittlungsrichter. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Er habe insbesondere die Zeugin V. weder gefesselt noch geschnitten, noch sonstige Gewalt ausgeübt. Er habe der Zeugin nur helfen wollen. Die Schnitte habe er bereits im Februar 2000 - also schon beim Kennenlernen - bei ihr bemerkt. Einmal habe er ein Telefongespräch der Zeugin V. mit einer Freundin mitgehört , in dem diese auf das Vergnügen an erotischen Schmerzen hinwies. Die Feststellungen zu den Tatvorwürfen zum Nachteil der Zeugin V. beruhen im wesentlichen auf deren Angaben. Die Strafkammer hat zwar Unsicherheiten bei der zeitlichen Einordnung von Vorgängen durch die Zeugin festgestellt. Die Strafkammer hat sie jedoch insgesamt als glaubwürdig bewertet und dabei auch auf die Konstanz der Aussagen der Zeugin abgestellt.

III.

1. Die Revision des Angeklagten erhebt drei Formalrügen. Sie beanstandet die Verletzung der Aufklärungspflicht - § 244 Abs. 2 StPO - sowie die fehlerhafte Ablehnung zweier Anträge auf Vernehmung von Sachverständigen wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache - § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO -.
a) Die Revision des Angeklagten hat schon mit der zulässigen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Aufklärungsrüge weitgehend Erfolg.
Die Revision beanstandet zu Recht, daû die Strafkammer die Angaben der Zeugin V. während des Ermittlungsverfahrens im wesentlichen nicht zum Gegenstand der Beweisaufnahme machte. Das Aussageverhalten der Zeugin während des Ermittlungsverfahrens ist geeignet, die Glaubwürdigkeit der Zeugin V. in Frage zu stellen. V. wurde während des Ermittlungsverfahrens viermal gehört: Am 22. August 2000 bei der Anzeigeerstattung (hierüber fertigte POM H. einen Vermerk), am 23. August 2000 und am 30. August 2000 (Vernehmungsbeamtin jeweils KK'in S. ) sowie am 11. Oktober 2000 (durch KHK G. ). Der Inhalt der Vernehmungen wurde weder durch Vernehmung der Zeugin V. hierzu noch durch Anhörung der Vernehmungsbeamten zu diesem Punkt in die Hauptverhandlung eingeführt. Die Zeugen POM H. und KHK G. wurden gar nicht vernommen. KK'in S. und V. wurden zwar gehört. Wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, wurden ihnen aber zum Inhalt der Vernehmungen der Zeugin V. während des Ermittlungsverfahrens keine Fragen gestellt oder Vorhalte gemacht. Insoweit wurden diese Beweismittel nicht ausgeschöpft (vgl. BGH NStZ 1997, 450). Die Zeugin KK'in S. wurde nur zu der Behauptung des Angeklagten befragt, V. habe wegen der Schnittverletzungen bereits gegen andere Personen bei der Kriminalpolizei Anzeige erstattet. Zum Aussageverhalten der Zeugin V. während des Ermittlungsverfahrens vernahm die Strafkammer, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, lediglich die Zeugin POM K. , die bei der Anzeigeerstattung zugegen war. Ausweislich des Vermerks vom 22. August 2000 war sie aber lediglich zu Beginn Gesprächspartnerin der Zeugin V. , während die Vernehmung dann durch den Verfasser des Vermerks, POM H. , durchgeführt wurde. Allein aufgrund der Angaben der Zeugin POM K. kam
die Strafkammer dann zu dem Ergebnis, daû sich "die Angaben der Zeugin mit ihren Angaben bei der ersten Anzeigeerstattung decken, soweit sich der Zeuge K. , der die Anzeige entgegennahm, noch erinnern konnte." Aus den Niederschriften über die Vernehmung der Zeugin V. im Ermittlungsverfahren ergibt sich folgendes: Weder bei der Anzeigeerstattung am 22. August 2000 noch während ihrer umfangreichen Vernehmung am 23. August 2000 erwähnte V. die ihr vom Angeklagten zugefügten Schnittverletzungen. Erst am 30. August 2000 erschien sie von sich aus bei der Polizei und erklärte: "Bei meiner ersten Vernehmung habe ich etwas vergessen anzugeben. Vor der ersten Vergewaltigung durch den L. , aber schon, als ich mit der Krawatte gefesselt war, auf dem Bett im Schlafzimmer lag, sagte er wortwörtlich zu mir: ©Du stehst doch auf den erotischen Schmerz, stell Dich nicht so an.© Und plötzlich hatte er so eine Einwegrasierklinge in der Hand und schnitt mich wahllos in meine Ober- und Unterarme und besonders auch in meine Oberschenkel. Ich bin damit einverstanden , daû diese Verletzungen fotografiert werden." Die Schnittverletzungen, die der Angeklagte der Geschädigten V. Mitte August zugefügt haben soll, erwähnte sie erstmals in der - wiederum von ihr initiierten - Vernehmung vom 11. Oktober 2000. Dies ist mit der Feststellung gleichbleibenden Aussageverhaltens nicht vereinbar. Die Angaben der Zeugin V. waren für die Verurteilung nahezu die alleinige Grundlage. Es hätte daher der vollständigen Würdigung der Entstehungsgeschichte ihrer Beschuldigungen bedurft (BGHSt 44, 153, 158 ff.). Folgende Fragen wären - nach entsprechender Beweiserhebung über das Aussageverhalten - zu erörtern gewesen: Wieso erwähnte V. weder bei der Anzeigeerstattung noch bei der ausführlichen Zeugenvernehmung am
23. August 2000 die Schnittverletzungen, insbesondere nicht die ihr im August, also nur ein bis drei Wochen vorher zugefügten? Weshalb berichtete die Zeugin am 30. August 2000, als sie die Verletzungen, die ihr der Angeklagte im März 2000 zugefügt haben soll, zur Anzeige brachte, dann nicht auch über die Gesichtsverletzungen aus demselben Monat, zumal damals von den Verletzungen an Beinen und Armen Lichtbilder gefertigt wurden? Weshalb wurden die Ermittlungsbeamten weder am 22. und 23. noch am 30. August 2000 von sich aus auf Schnittverletzungen im Gesicht der Zeugin aufmerksam? Zwar stellte die Kammer sachverständig beraten fest, es entspreche der Erfahrung, daû Schnitte im Gesicht folgenlos verheilen können, während bei Verletzungen an den Armen und Beinen eher Narben verbleiben. Über die Dauer des Heilungsprozesses vermochte der Sachverständige konkret nichts zu sagen. Dieser könne bei der Geschädigten aufgrund ihres Alkoholismus und des dadurch beeinträchtigten Allgemeinzustandes verzögert sein. Die mangelnde Sachaufklärung berührt die Glaubwürdigkeit der Zeugin V. insgesamt und betrifft alle Taten zu ihrem Nachteil (Fälle 1 bis 5), auch soweit Schnittverletzungen keine Rolle spielen. Neben diesen Fällen unterliegt auch der Rechtsfolgenausspruch im Falle 6 der Aufhebung, da nicht auszuschlieûen ist, daû die Strafzumessung in diesem Punkt von der Strafbemessung in den Fällen 1 bis 5 beeinfluût wurde.
b) Mit ihrer zweiten - zulässigen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) - Formalrüge beanstandet die Revision des Angeklagten zu Recht die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags auf Vernehmung eines Sachverständigen zu einer möglichen psychischen Erkrankung der Zeugin V. : Der Verteidiger des Angeklagten hat im Rahmen seines Schluûvortrags die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens beantragt, zum
Beweis der Erkrankung der Geschädigten an einer psychischen Erkrankung in Form der SVV (selbstverletzendes Verhalten) sowie dazu, daû sie sich im Rahmen dieser Erkrankung selbst Schnitte an Armen und Beinen zugefügt hat. Die Strafkammer entsprach dem nicht: Die Ablehnung des Beweisantrages ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Strafkammer hat zwar im Ergebnis zu Recht davon abgesehen, nochmals darüber Beweis zu erheben, ob die hier konkret in Rede stehenden, dem Angeklagten angelasteten Schnitte aus einer selbstverletzenden Handlung der Zeugin V. stammen, nachdem sie zu diesem Thema bereits einen medizinischen Sachverständigen gehört hat, mit dem Ergebnis, daû dies weder festgestellt noch ausgeschlossen werden kann. Nicht tragfähig ist jedoch die Begründung der Strafkammer, es wäre hier für die Entscheidung ohne Bedeutung, wenn die Beweisaufnahme ergäbe, daû die Geschädigte zum Zeitpunkt der Beifügung der Verletzungen im März und August 2000 an einer Krankheit "selbstverletzendes Verhalten" litt. Entsprechendes gilt für die unter Beweis gestellte Tatsache, die Zeugin V. habe sich andere Verletzungen selbst beigebracht. Die Strafkammer hat zwar - zunächst rechtsfehlerfrei - bei der Prüfung der Bedeutungslosigkeit - hier aus tatsächlichen Gründen - die Beweistatsache so, als sei sie erwiesen, in den Beweisstoff eingefügt - weshalb auch kein Verstoû gegen das Verbot der Beweisantizipation vorliegt - und dann erörtert, ob die bisherige Beweiswürdigung durch die Einfügung in einer für die Sachverhaltsannahmen und den Urteilsspruch relevanten Weise beeinfluût wird (vgl. BGH NStZ 1997, 503; KK-Herdegen StPO, 4. Aufl. § 244 Rdn. 74; LRGollwitzer StPO, 25. Aufl. § 244 Rdn. 222). Die Beweiswürdigung ist Aufgabe
des Tatrichters (§ 261 StPO) und daher der Überprüfung durch das Revisionsgericht nur in Grenzen zugänglich. Die Würdigung darf aber nicht rechtsfehlerhaft sein. "Sie wäre es zum Beispiel dann, wenn dem benannten Beweismittel nicht der volle Beweiswert zugesprochen würde, wenn sie gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder anerkannte Bewertungsgrundsätze verstieûe, wenn sie nichtssagend (ohne argumentativen Gehalt) wäre, Abstriche an der Beweisbehauptung vornehmen, sie entgegen ihrem Sinn und Zweck auslegen oder sich auf Möglichkeiten der Deutung der Beweistatsache berufen würde, die zwar denkbar aber nicht festgestellt und infolgedessen nicht geeignet sind, die Tragweite der Beweistatsache abzuschwächen" (KK-Herdegen aaO m.w.N.). Hier hat die Strafkammer die Tragweite der unter Beweis gestellten Hilfstatsachen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses verkannt. Die Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte habe der Zeugin V. im April und August Schnittverletzungen - gegen deren Willen - beigebracht , beruht nahezu ausschlieûlich auf den Angaben der Geschädigten selbst. Bestätigt wird dies zum Teil mittelbar lediglich durch den Zeugen W. , dem vom Angeklagten miûhandelten Mithäftling (Fall 6). Dieser Zeuge berichtete, der Angeklagte habe ihm erzählt, er - der Angeklagte - habe mit der Geschädigten öfters Fesselspiele gemacht und sie auch mit Rasierklingen leicht in Arme und Beine geschnitten. "Das habe zum Spiel gehört." Die Stirnverletzungen erwähnt der Zeuge nicht. Daû die Verletzungen gegen den Willen der Zeugin V. herbeigeführt wurden, kann der Aussage ebenfalls nicht entnommen werden. Andere Zeugen haben zwar Verletzungen gesehen , konnten aber zu deren Verursachung nichts sagen, von Informationen durch die Geschädigte selbst abgesehen. Hierzu kommt das von der Strafkammer zwar nicht festgestellte, durch die Aufklärungsrüge nunmehr aber auf-
gedeckte merkwürdige Aussageverhalten der Zeugin zu den Schnittverletzungen während des Ermittlungsverfahrens. Vor diesem Hintergrund kann den unter Beweis gestellten Tatsachen - die Angeklagte litt (und leidet noch) an selbstverletzendem Verhalten (in der Regel Ausdruck einer Borderline-Persönlichkeitsstörung; vgl. Sachsse in Kernberg -Dulz-Sachsse, Handbuch der Borderline-Störungen, S. 347 ff.; derselbe, Selbstverletzendes Verhalten, 5. Aufl. 1999, S. 35 ff.) und sie hat sich andere Verletzungen selbst beigebracht - jegliche Beweiserheblichkeit für die Glaubwürdigkeit der Zeugin vernünftigerweise nicht von vornherein abgesprochen werden. Dann muû die endgültige Bewertung der Würdigung nach der Erhebung des Beweises überlassen bleiben. Denn es entspricht der Lebenserfahrung , daû eine bereits als gesichert erscheinende Überzeugung durch die weitere Beweisaufnahme wider Erwarten umgestoûen werden kann (LRGollwitzer StPO, 25. Aufl. § 244 Rdn. 182). Da dies mittelbar die Glaubwürdigkeit der Zeugin insgesamt berührt, führt auch diese Rüge zur Aufhebung der Verurteilung in allen fünf Fällen, in denen Straftaten zum Nachteil der Zeugin V. festgestellt wurden, sowie des Rechtsfolgenausspruchs im Fall 6.
c) Auf die Rüge zur Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Potenz des Angeklagten kommt es danach nicht mehr an. Insoweit wird auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 10. Dezember 2001 verwiesen. 2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge des Angeklagten ergab die in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Män-
gel. Sie betreffen lediglich die Fälle 1 bis 5. Hierauf kommt es deshalb ebenfalls nicht mehr an. 3. Beim Tatvorwurf zum Nachteil des Zeugen Heiko W. (Fall 6) ergab die Überprüfung des Urteils anhand der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.

IV.

Die von der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Fall 1 und den Ausspruch über die Gesamtstrafe beschränkte Revision hat Erfolg. Die Staatsanwaltschaft beanstandet, die Strafkammer habe im Fall 1 zu Unrecht die Bestimmung des Strafrahmens § 177 Abs. 3 StGB zugrundegelegt und nicht § 177 Abs. 4 (Nr. 1) StGB. Die Strafkammer begründet dies in der Beweiswürdigung wie folgt: Sie habe sich nicht davon überzeugen können, daû der Angeklagte die Schnitte zur Überwindung eines geleisteten und erwarteten Widerstands der Geschädigten eingesetzt hat. Die Zeugin V. habe nicht sagen können, ob der Angeklagte sie vor oder nach dem Geschlechtsverkehr verletzte, und habe auch nicht angegeben, erst durch die Schnitte zur Duldung des Geschlechtsverkehrs oder der Fesselung gezwungen worden zu sein. Es stehe damit auch nicht fest, daû der Angeklagte die Schnitte zur eigenen Luststeigerung einsetzte , wenn er sie der Geschädigten möglicherweise erst nach dem Beischlaf beibrachte.
Damit hat die Strafkammer zwar nicht verkannt, daû das gefährliche Werkzeug im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB nicht Nötigungsmittel sein muû, es vielmehr genügt, daû es bei der Vornahme der sexuellen Handlung eingesetzt wird (BGHSt 46, 225, 228). Jedoch überzeugt die isolierte Bewertung der Schnitte vor dem Hintergrund der Sachverhaltsdarstellung, die die Beweiswürdigung nicht ausschöpft bzw. im Widerspruch hierzu steht, nicht. Die Vergewaltigung der Zeugin unter Zufügung der Schnittverletzungen vor oder "kurz nach" (so abweichend in der Sachverhaltsdarstellung) der Durchführung des Geschlechtsverkehrs aber während der durchgehenden Fesselung kann als einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug gesehen werden. Eine sexuelle Handlung liegt dann vor, wenn sie objektiv, d.h. nach ihrem äuûeren Erscheinungsbild einen Sexualbezug aufweist. Bei ambivalenten Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne weiteres einen sexuellen Bezug aufweisen, ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalls kennt (BGHR § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 5). Zu diesen Umständen gehören auch Äuûerungen des Angeklagten in diesem Zusammenhang (BGH, Urteil vom 22. Mai 1996 - 5 StR 153/96). Der Ausspruch des Angeklagten "Du stehst doch auf erotischem Schmerz" spricht hier für die Sexualbezogenheit
auch der Schnitte im Rahmen des Gesamtgeschehens. Da die teilweise widersprüchlichen Feststellungen keine endgültige Beurteilung zulassen, ist das Urteil im Fall 1 auf die Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten aufzuheben. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Hebenstreit

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.