Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Feb. 2018 - 2 StR 549/17

bei uns veröffentlicht am15.02.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 549/17
vom
15. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2018:150218B2STR549.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15. Februar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 9. Juni 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemein erhobenen Sachrüge. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Zur unterbliebenen Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 11. Dezember 2017 ausgeführt: „Das Urteil kann jedoch keinenBestand haben, soweit die Strafkammer von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.
a) Die sachverständig beratene Strafkammer hat bei dem Angeklagten zwar einen Hang im Sinne des § 64 StGB in Form einer polyvalenten Substanzabhängigkeit im Hinblick auf Alkohol und Cannabis bejaht, dann aber gemeint, die Tat sei nicht auf diesen Hang zurückzuführen. Zwar sei der Angeklagte zum Tatzeitpunkt durch vorherigen Alkohol- und Cannabiskonsum enthemmt gewesen, wobei der Schweregrad des § 21 StGB nicht erreicht gewesen sei. Die tätliche Auseinandersetzung mit dem Geschädigten sei aber Folge eines in der Persönlichkeit liegenden Verhaltensmusters gewesen. An der Vorgeschichte des Angeklagten sei erkennbar, dass er auch in anderen Situationen, die mit Alkohol- oder Drogenkonsum in keinem Zusammenhang stünden, Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung einsetze. Alkohol und Cannabis mögen daher bei der Tat eine enthemmende Wirkung gehabt haben, seien aber nicht ursächlich für den Angriff auf den Geschädigten gewesen (UA S. 39 f.).
b) Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis des erforderlichen symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang und den abgeurteilten Taten ausgegangen ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang bereits dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13 -, juris, Rn. 7 mwN). Die Strafkammer sieht die Tat zwar als Folge eines in der Persönlichkeit des Angeklagten liegenden Verhaltensmusters, geht allerdings davon aus, dass dieser zum Tatzeitpunkt durch seinen vorherigen Alkohol- und Cannabiskonsum enthemmt gewesen sei, unter diesem Gesichtspunkt ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt (UA S. 39). Gleichwohl setzt sie sich nicht mit der nahe liegenden Möglichkeit auseinander, dass die alkohol- und drogenbedingte Enthemmung des Angeklagten zumindest mitursächlich für die Tat gewesen sein könnte, was für die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs im Sinne des § 64 StGB ausreichen würde. Darin liegt ein Erörterungsmangel. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei der gebotenen Prüfung einer Mitursächlichkeit des Hangs für die abgeurteilte Tat den symptomatischen Zusammenhang bejaht hätte.
c) Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2017 – 2 StR 103/17 -, StraFo 2017, 376, 377).“
3
Dem kann sich der Senat nicht verschließen. Er verweist die Sache deshalb an eine andere – allgemeine – Strafkammer zurück.
Schäfer Appl Eschelbach Zeng Grube

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Feb. 2018 - 2 StR 549/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Feb. 2018 - 2 StR 549/17

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

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Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juli 2013 - 2 StR 174/13

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 174/13 vom 30. Juli 2013 in der Strafsache gegen wegen (unerlaubten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2017 - 2 StR 103/17

bei uns veröffentlicht am 06.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 103/17 vom 6. Juni 2017 in der Strafsache gegen wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2017:060617B2STR103.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Feb. 2018 - 2 StR 549/17.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 482/18 vom 8. November 2018 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2018:081118B1STR482.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

7
b) Auch der Symptomwert der festgestellten Tat für den Hang des Angeklagten liegt – entgegen der Auffassung des Landgerichts – ausgesprochen nahe. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12, insoweit in NStZ-RR 2013, 74 nicht abgedruckt; Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 4 StR 416/11). So liegt es hier. Denn der sich in finanzieller Notlage befindliche und arbeitslose Angeklagte durfte als Gegenleistung für seine der Verurteilung zugrunde liegenden Tätigkeiten aus dem – im Übrigen zum Handel dienenden – Heroinbestand u.a. täglich bis zu fünf Gramm Heroin für den Eigenkonsum entnehmen. Damit liegt es sehr nahe, dass der Drogenkonsum des Angeklagten jedenfalls mitursächlich für die Tat gewesen ist.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 103/17
vom
6. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:060617B2STR103.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 6. Dezember 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 30 Fällen unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen. Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils weisen wie auch die Einziehungsentscheidung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insoweit ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
2. Das Urteil kann jedoch nicht bestehen bleiben, soweit die Strafkammer von der Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.
4
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte in den Jahren 2007 bis 2010 obdachlos und hat während dieser Zeit Alkohol getrunken und Drogen (Cannabis, Amphetamin) konsumiert. Der Obdachlosigkeit ist er mit Hilfe seines Bewährungshelfers entkommen; er wohnt seit Mitte des Jahres 2016 in einem Übergangswohnheim für Obdachlose. Die Strafkammer geht auf Grund der Angaben des Angeklagten davon aus, dass er noch gelegentlich Betäubungsmittel konsumiert, überwiegend Amphetamin, aber auch Cannabis und LSD. Für den Tatzeitraum zwischen Januar und November 2014 stellt das Landgericht fest, dass der Angeklagte täglich 2 bis 3 Gramm Amphetamin zu sich genommen habe, wobei bereits eine gewisse Gewöhnung an die Substanz eingetreten sei und diese Menge nur noch eine geringe Wirkung zeige.
5
a) Die Strafkammer hat einen Hang im Sinne des § 64 StGB mit der Erwägung verneint, bei dem Angeklagten liege eine bloße Neigung vor, alkoholische Getränke und auch Betäubungsmittel zu sich zu nehmen, aber kein Hang, da es an handlungsleitenden Auswirkungen des Rauschmittelmissbrauchs fehle. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
Das Landgericht geht von einem zu engen Verständnis des Begriffs des Hangs aus. Angesichts der Feststellungen der Strafkammer zum Konsumverhalten des Angeklagten liegt es nahe, dass bei ihm noch immer eine eingewurzelte , aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung gegeben ist, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 246). Es ist angesichts der Lebensumstände des Angeklagten auch davon auszugehen, dass er – wie es die Rechtsprechung darüber hinaus verlangt – aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint, wovon beim Vorliegen von Beschaffungskriminalität – wie hier – ausgegangen werden kann (vgl. BGH StV 2008, 76). Dass sich gegenüber dem Tatzeitraum im Jahre 2014 trotz der Lösung aus dem Obdachlosenmilieu eine durchgreifende Änderung des Einflusses von Betäubungsmitteln auf den Angeklagten ergeben hätte, lässt sich den Urteilsfeststellungen nicht entnehmen.
7
b) Das Landgericht hat die Erfolgsaussichten einer Therapie mit der Erwägung verneint, der Angeklagte konsumiere seit über neun Jahren mehr oder wenig häufig Alkohol und Betäubungsmittel. Einer ihm mit Beschluss aus dem Jahre 2010 auferlegten stationären Drogen- und Alkoholtherapie habe er mehr als sechs Jahre später noch keine Folge geleistet, was seine Weigerung an der ernsthaften Teilnahme an einer Therapie eindrucksvoll belege. Diese Verneinung der Erfolgsaussicht, mag sie noch belegen, dass es angesichts einer Therapieunwilligkeit des Angeklagten aktuell an der konkreten Erfolgsaussicht fehlt, greift zu kurz und ist deshalb rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Das Landgericht hätte sich schon angesichts des Umstands, dass der Angeklagte, wenn auch unter dem Eindruck der bevorstehenden Hauptverhandlung, drei Mal ein Suchthilfezentrum aufgesucht hatte, mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob eine Therapiebereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung geweckt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 2 StR 180/09).
8
c) Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5; BGH NStZ-RR 2008, 107). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.). Krehl Eschelbach Bartel Grube Schmidt