Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2017 - 3 StR 144/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:100117B3STR144.16.0
bei uns veröffentlicht am10.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 144/16
vom
10. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100117B3STR144.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. November 2015 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole in Tateinheit mit zwei Fällen der Volksverhetzung in zwei Fällen, wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole in Tateinheit mit Volksverhetzung in zwei Fällen sowie wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Verfahrensrügen dringen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch. Auch die auf die Sachbeschwerde veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
3
Zu Recht ist das Landgericht auch in den Fällen B.1.a) und b) sowie B.2.c) der Urteilsgründe von einem Verbreiten von Schriften im Sinne der § 90a Abs. 1 Nr. 1, § 130 Abs. 5 Satz 2, Abs. 3 StGB ausgegangen. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen übermittelte der Angeklagte in den Fällen B.1.a) und b) der Urteilsgründe im Sinne der vorstehenden Delikte inkriminierte Texte an den Betreiber des im Internet unterhaltenen "J. -Blogs", damit diese über den Blog veröffentlicht würden. Ob es danach noch zu einer Veröffentlichung der von dem Betreiber empfangenen Artikel kam, hat die Strafkammer nicht feststellen können. Im Fall B.2.c) der Urteilsgründe versandte der Angeklagte einen Brief mit strafbarem Inhalt an B. , den er aufforderte, diesen "abzutippen" und einer möglichst großen Öffentlichkeit zukommen zu lassen. Anders als in zwei vorherigen Fällen, bei denen B. inkriminierte Briefe an zahlreiche Personen weiterverteilt hatte, blieb er nunmehr untätig.
4
Diese Feststellungen belegen eine Verbreitung von Schriften durch den Angeklagten. Eine Schrift verbreitet, wer sie ihrer Substanz nach einem größeren Personenkreis zugänglich macht, wobei dieser nach Zahl und Individualität unbestimmt oder jedenfalls so groß sein muss, dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. März 1999 - 3 StR 240/98, NJW 1999, 1979, 1980 mwN). Eines Verbreitungserfolgs in dem Sinne, dass ein größerer Personenkreis tatsächlich von der Schrift Kenntnis genommen haben muss oder diese zumindest erlangt hat, bedarf es dabei nicht. Sowohl § 90a Abs. 1 Nr. 1 StGB als auch § 130 Abs. 5 Satz 2, Abs. 3 StGB sind keine Erfolgs-, sondern Tätigkeitsdelikte (Matt/Renzikowski/Becker, StGB, § 90a Rn. 1; Matt/Renzikowski/Altenhain, StGB, § 130 Rn. 4; MüKoStGB/Steinmetz, 3. Aufl., § 90a Rn. 2; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 130 Rn. 12; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 90a Rn. 2, § 130 Rn. 2a). Verbreiten ist daher die Verbreitungstätigkeit an sich, also auch schon das Auf-den-Weg-bringen der Schrift als erster Verbreitungsakt (vgl. bereits RG, Urteil vom 10. Oktober 1887 - Rep. C. 4/87, RGSt 16, 245 f.; Beschluss vom 29. August 1930 - 7 TB 62/30, 64, 292, 293; S/S-Eisele, StGB, 29. Aufl., § 184b Rn. 5a). In den Fällen der sogenannten Mengenverbreitung ist ein vollendetes Verbreiten dementsprechend bereits dann anzunehmen, wenn der Täter das erste Exemplar einer Mehrzahl von ihm zur Verbreitung bestimmter Schriften an einen einzelnen Bezieher abgegeben hat (BGH, Urteil vom 24. März 1999 - 3 StR 240/98, NJW 1999, 1979, 1980 mwN). Auch in der - hier einschlägigen - Fallgruppe der Kettenverbreitung ist das Tatbestandsmerkmal mit der Weitergabe der Schrift an einen einzelnen Empfänger schon dann erfüllt, wenn diese seitens des Täters mit dem Willen geschieht, dass der Empfänger die Schrift durch körperliche Weitergabe einem größeren Personenkreis zugänglich machen werde, oder wenn der Täter mit der Weitergabe an eine größere, nicht mehr zu kontrollierende Zahl von Personen rechnet (st. bisherige Rspr.; vgl. bereits RG, Urteile vom 28. September 1883 - Rep. 1973/83, RGSt 9, 71, 72; vom 8. März 1921 - II 1560/20, RGSt 55, 276, 277; BGH, Urteil vom 24. März 1999 - 3 StR 240/98, NJW 1999, 1979, 1980 mwN; Beschluss vom 4. August 2009 - 3 StR 174/09, juris Rn. 27).
5
Soweit hierzu in einzelnen Entscheidungen ausgeführt wird, die Weitergabe einer Schrift an einen einzelnen bestimmten Empfänger reiche noch nicht zur Tatbestandserfüllung aus, wenn nicht feststehe, dass dieser seinerseits die Schrift Dritten überlassen werde (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2004 - 2 StR 365/04, NJW 2005, 689, 690; Beschluss vom 16. Mai 2012 - 3 StR 33/12, NStZ 2012, 564; BVerfG, Beschluss vom 9. November 2011 - 1 BvR 461/08, NJW 2012, 1498, 1500), folgt hieraus nicht, dass zur Tatvollendung über die Weitergabe der inkriminierten Schrift vom Täter an seinen Empfänger hinaus objektiv gesichert sein muss, dass es zu weiteren Überlassungen der Schrift an eine oder mehrere Personen kommen wird. Andernfalls könnte die Weitergabe der Schrift an eine einzelne Person entgegen der Grundsätze zur Mengen- und Kettenverbreitung grundsätzlich nicht zur Verwirklichung des Tatbestands ausreichen. Denn eine derartige objektive Sicherheit für künftige Geschehnisse kann im Hinblick auf die stets vorhandenen Unwägbarkeiten der weiteren Entwicklung nicht belegt werden. Ein solches Verständnis ergibt sich aus den genannten Entscheidungen - auch im Hinblick darauf, dass dies eine Abkehr von der ständigen Rechtsprechung schon des Reichsgerichts und diesem später folgend des Bundesgerichtshofs bedeutet hätte - indes nicht; es widerspräche zudem - wie dargelegt - dem Deliktscharakter von § 90a Abs. 1 Nr. 1, § 130 Abs. 2 StGB. Die Ausführungen, es müsse feststehen, dass der Empfänger seinerseits die Schrift an Dritte weiterreichen werde, sind daher so zu verstehen, dass damit der im Zeitpunkt der (ersten) Übergabe der Schrift erforderliche Vorsatz des Täters im Hinblick auf den weiteren Kausalverlauf präzisiert wird. Ob insoweit für die Fälle der Kettenverbreitung zu verlangen ist, dass der Täter im Hinblick auf die Weiterverbreitung der Schrift durch seinen (unmittelbaren) Empfänger absichtlich handelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2011 - 1 BvR 461/08, NJW 2012, 1498, 1500; S/S-Eisele, StGB, 29. Aufl., § 184b Rn. 5a; s. auch BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 3 StR 174/09, juris Rn. 27), oder ob in diesem Zusammenhang auch eine andere Vorsatzform ausreichen kann, bedarf keiner Entscheidung. Dass der Angeklagte in allen Fällen mit der Übersendung seiner Schriften deren Weiterverbreitung bezweckte, ist für die Fälle B.1.b) und B.2.c) der Urteilsgründe ausdrücklich festgestellt; im Fall B.1.a) der Urteilsgründe ergibt sich seine Absicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
Becker Schäfer Spaniol
Tiemann Hoch

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 130 Volksverhetzung


(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,1.gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehör

Strafgesetzbuch - StGB | § 90a Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole


(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) 1. die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder2. die Farben,
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2017 - 3 StR 144/16 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 130 Volksverhetzung


(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,1.gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehör

Strafgesetzbuch - StGB | § 90a Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole


(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) 1. die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder2. die Farben,

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Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Aug. 2009 - 3 StR 174/09

bei uns veröffentlicht am 04.08.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 174/09 vom 4. August 2009 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalt

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2012 - 3 StR 33/12

bei uns veröffentlicht am 16.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 33/12 vom 16. Mai 2012 in der Strafsache gegen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3)

1.
die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder
2.
die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine öffentlich gezeigte Flagge der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ein von einer Behörde öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfug daran verübt. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, wenn der Täter sich durch die Tat absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3)

1.
die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder
2.
die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine öffentlich gezeigte Flagge der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ein von einer Behörde öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfug daran verübt. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, wenn der Täter sich durch die Tat absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

27
Fall B 2: Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern nach § 176 a Abs. 3 StGB setzt die Absicht des Täters voraus, die Tat zum Gegenstand einer pornographischen Schrift zu machen, die nach § 184 b Abs. 1 bis 3 StGB verbreitet werden soll. Ein Verbreiten im Sinne von § 184 b Abs. 1 Nr. 1 StGB ist bei der Weitergabe (je) eines einzelnen Exemplars der Schrift nur gegeben, wenn der Täter zumindest damit rechnet, dass das Werk im Anschluss einer größeren, nicht mehr kontrollierbaren Zahl von Personen zugänglich gemacht werde (BGHSt 19, 63, 71); die regelmäßig ohnehin bestehende abstrakte Gefahr der Weitergabe durch den Dritten genügt nicht. Sollte dies in der neuen Hauptverhandlung nicht festgestellt werden können, könnte eine Strafbarkeit nach § 176 a Abs. 3 StGB über die Verweisung auf § 184 b Abs. 2 StGB eröffnet sein. Denn § 176 a Abs. 3 StGB verwendet den Begriff des Verbreitens nicht im engeren Sinne des § 184 b Abs. 1 Nr. 1 StGB, sondern nimmt auf die gesetzliche Überschrift dieser Norm Bezug (vgl. Fischer aaO § 176 a Rdn. 15; § 184 b Rdn. 8). Kraft Verweisung auf § 184 b Abs. 2 StGB erfasst § 176 a Abs. 3 StGB deshalb auch Tathandlungen, die nur in der Absicht vorgenommen werden, einem anderen den Besitz an der Schrift zu verschaffen, ohne dass zugleich Verbreitungsabsicht nach § 184 b Abs. 1 StGB besteht. Da der Verweisung auf § 184 b Abs. 2 StGB deshalb durchaus eigenständige Bedeutung zukommen kann, erscheint sie auch nicht als bloßes gesetzgeberisches Versehen (so aber Wolters in SK-StGB § 176 a Rdn. 23). Tateinheitlich kann zu § 176 a Abs. 3 StGB, soweit nicht von § 154 a StPO Gebrauch gemacht wird, ein Sichverschaffen von kinderpornographischen Schriften nach § 184 b Abs. 4 Satz 1 StGB hinzutreten (BGHSt 43, 366, 367).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 33/12
vom
16. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. Mai 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 21. September 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten "des Verwendens von Kennzeichen von verfassungswidrigen Organisationen in 30 Fällen, davon in 17 Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung und davon in 2 Fällen weiterhin in Tateinheit mit Bedrohung; davon in 6 Fällen in Tateinheit mit Beleidigung; davon in 1 Fall in Tateinheit mit Bedrohung; davon in 1 Fall in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte", in "weiteren 3 Fällen der Volksverhetzung sowie in einem weiteren Fall der Verunglimpfung des Staates sowie in einem weiteren Fall der Sachbeschädigung sowie in weiteren 3 Fällen der Beleidigung sowie in weiteren 3 Fällen der Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung" und "der versuchten gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung" schuldig gesprochen. Es hat ihn deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, aus- gesprochen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sechs Monate der Strafe als vollstreckt gelten, und einen PC sowie einen Drucker eingezogen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte der Angeklagte bereits in seiner Jugend eine rechtsradikale, nationalsozialistische, antisemitische Gesinnung. Seit dem Jahr 2004 sah er es als seine Aufgabe an, die Menschheit über die - aus seiner Sicht - "wahren" geschichtlichen Hintergründe aufzuklären. Dazu verfasste er zahlreiche, vor allem an Gerichte und Behörden gerichtete Schreiben, in denen er teilweise den Holocaust leugnete, Hakenkreuze sowie sonstige nationalsozialistische Symbole oder Ausdrucksweisen verwendete und andere beleidigte. Bei einem Versteigerungstermin im Amtsgericht L. am 2. Juni 2006 kam er der Aufforderung, den Saal zu verlassen , nicht nach und griff den Justizwachtmeister an, der ihn hinausgeleiten sollte. Zudem warf er nationalsozialistische Propagandablätter in die Luft. Am 23. Oktober 2008 sollte ein Haftbefehl gegen den Angeklagten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vollstreckt werden. Dem widersetzte er sich, drohte dem Gerichtsvollzieher sowie den anwesenden Polizeibeamten mit einem Hammer, schlug damit in Richtung eines der Beamten und klammerte sich schließlich an dessen Bein, um zu verhindern, in den Polizeiwagen verbracht zu werden. Zudem äußerte er: "Wenn ich jetzt eine Waffe hätte, würde ich euch alle erschießen." In weiteren Fällen beschimpfte er andere Personen oder drohte diesen. Beispielsweise bezeichnete er am 11. August 2009 eine Mitarbeiterin der ARGE K. unter anderem als "Fotze" sowie "dreckige Schlampe" und trat danach gegen die Beifahrertür ihres Dienstwagens, die dadurch zerbeulte.
3
Das - sachverständig beratene - Landgericht hat eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei sämtlichen Taten ausgeschlossen. Dabei ist es im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten eine wahnhafte Störung (ICD-10 F22.0) vorliege. Diese habe zwar eine erhebliche Einschränkung, nicht aber die Aufhebung der Steuerungsfähigkeit zur Folge: "Der Angeklagte sei demnach grundsätzlich in der Lage, sein Handeln zu steuern. Er sei nur nicht mehr in der Lage zu erkennen, dass seine wahnhafte Überzeugung, die auch Teil einer narzistischen Selbstwertstabilisierung nach dem Verlust beruflicher Existenzgrundlagen sei, falsch sein könnte."
4
II. Das Landgericht hat eine etwaige Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Es hat die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten nicht erörtert, obschon dazu Anlass bestand (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 1997 - 1 StR 351/97, NStZ-RR 1998, 5 f.).
5
Die Kammer ist ebenso wie der Sachverständige davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht mehr habe erkennen können, dass seine Überzeugung falsch sei. Dies lässt es jedenfalls als möglich erscheinen, dass der Angeklagte bei den jeweiligen Taten nicht einzusehen vermochte, Unrecht zu tun. Dass er gleichwohl das Unerlaubte seines Tuns erkannte, ergibt sich weder von selbst noch aus den Urteilsgründen. Es bleibt bereits offen, von welcher der Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB die Kammer ausgegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1997 - 4 StR 153/97, NJW 1997, 3101, 3102); die Einordnung einer wahnhaften Störung als schwere andere seelische Abartigkeit ist in Abgrenzung zur krankhaften seelischen Störung keineswegs selbstverständlich (vgl. Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl., S. 180). Unabhängig davon bedurfte es angesichts der getroffenen Feststellungen einer näheren Begründung, wieso der Angeklagte in den konkreten Tatsituationen das Unrecht seines Tuns einsehen konnte oder dazu bei Anspannung seiner Geisteskräfte imstande gewesen wäre (s. BGH, Beschluss vom 24. September 1990 - 4 StR 392/90, NStZ 1991, 31, 32), da Wahnkranken in vom Wahn geprägten Situationen eine Handlungsalternative nicht zur Verfügung stehen und damit zugleich die Einsicht in das Tatunrecht fehlen kann (BGH, Beschluss vom 24. Juli 1997 - 1 StR 351/97, NStZ-RR 1998, 5 f.; Nedopil, Forensische Psychiatrie , 3. Aufl., S. 145).
6
Demnach ist die Aufhebung der Schuldfähigkeit nicht derart fernliegend, dass der Senat sie trotz fehlender Darlegung der Einsichtsfähigkeit in den Urteilsgründen sicher ausschließen könnte.
7
III. Das angefochtene Urteil gibt dem Senat Anlass zu folgenden Hinweisen :
8
1. Das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens im Sinne der § 86a Abs. 1, § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a StGB ist in den Fällen, in denen der Angeklagte verschiedene Schreiben an einzelne Adressaten verfasste, näher zu belegen.
9
Verbreiten im Sinne dieser Vorschriften ist die mit einer körperlichen Weitergabe einer Schrift verbundene Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, die Schrift ihrer Substanz nach einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen , wobei dieser nach Zahl und Individualität so groß sein muss, dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2004 - 2 StR 365/04, NJW 2005, 689, 690; LK/Laufhütte/Kuschel, StGB, 12. Aufl., § 86 Rn. 19). Dazu reicht die Weitergabe an einzelne bestimmte Dritte nicht aus, wenn nicht feststeht, dass der Dritte seinerseits die Schrift weiteren Personen überlassen werde (BVerfG, Beschluss vom 9. November 2011 - 1 BvR 461/08, NJW 2012, 1498, 1499 f. mwN). Dies ergibt sich bei den vom Angeklagten abgesandten Briefen jedenfalls nicht ohne Weiteres und ist daher näher zu belegen, insbesondere auch in Bezug auf einen entsprechenden Vorsatz.
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Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass ein (beabsichtigtes) Verbreiten nicht nur hinsichtlich des individuellen Inhalts der verschiedenen Schreiben, sondern auch bezüglich etwaiger vorgefertigter "Briefbögen" oder standardmäßiger Beilagen mit inkriminiertem Inhalt (wie beispielsweise des "Merkblatts für Kollaborateure") in Betracht kommt. Indes sind genauere Feststellungen dazu zu treffen, inwieweit der Angeklagte für die Schreiben im Einzelnen jeweils vorgefertigte Formulare verwendete und welche subjektiven Vorstellungen dem zugrunde lagen.
11
2. Falls der Angeklagte durch mehrfaches Versenden des gleichen formularmäßigen Schriftstücks (etwa des "Briefbogens" oder des "Merkblatts") eine Schrift verbreitete, bedarf die konkurrenzrechtliche Bewertung näherer Erörterung.
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a) Soweit das Verbreiten mehrerer Exemplare einer bestimmten Schrift aufgrund eines einheitlichen Vorsatzes in mehreren Schritten erfolgte, kann eine tateinheitliche Begehungsweise gegeben sein (vgl. zum sukzessiven Verbreiten BGH, Urteil vom 26. Juni 1985 - 3 StR 129/85, BGHSt 33, 271, 274 f. mwN; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 130 Rn. 140; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 23 ff.; S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 28. Aufl., § 86a Rn. 9d; Warda in Festschrift Geilen, 2003, S. 199 ff.).
13
b) Liegen neben einem Verbreiten gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a StGB oder § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB auch Vorbereitungshandlungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d StGB oder des § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB (Herstellen oder Vorrätig-Halten) vor, kann das Verbreiten die jeweilige Vorbereitungshandlung verdrängen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. August 2009 - 3 StR 174/09, juris Rn. 26 zu § 184 StGB; vom 19. Mai 1980 - 3 StR 193/80, juris Rn. 4).
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3. Es ist - gerade im Hinblick auf § 130 StGB - Sache des Tatrichters, den tatsächlichen Gehalt von Äußerungen auszulegen und aufzuzeigen, welche Begehungsweise des Tatbestandes dadurch erfüllt sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 1994 - 1 StR 179/93, BGHSt 40, 97, 101 ff.).
15
Die pauschale Annahme des Landgerichts (Fall III. 1. 1. der Urteilsgründe ), die Leugnung des Holocaust stachele zum Hass gegen Teile der Bevölkerung und gegen eine religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB auf, genügt den Anforderungen an eine dabei vorzunehmende Gesamtwürdigung nicht (vgl. BGH aaO 100 f.; s. auch BTDrucks. 12/8588 S. 8).
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Eine daneben in Betracht zu ziehende Strafbarkeit nach § 130 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 StGB setzt voraus, dass das Leugnen einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Tat geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2004 - 2 StR 365/04, NJW 2005, 689, 690; BVerfG, Beschlüsse vom 9. November 2011 - 1 BvR 461/08, NJW 2012, 1498, 1500; vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08, BVerfGE 124, 300, 334 f.; BT-Drucks. 12/8588 S. 8; BT-Drucks. 10/1286 S. 9; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 130 Rn. 41 mwN; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 130 Rn. 121; MünchKommStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 130 Rn. 86; aA NK-StGB-Ostendorf, 3. Aufl., § 130 Rn. 21). Eine solche Eignung ist bei Schreiben, die sich allein an staatliche Stellen richten und sich dazu teilweise in einem schlichten In-AbredeStellen des Holocausts erschöpfen, nicht aus sich heraus ersichtlich.
17
Auch in den übrigen Fällen ist auf die Auslegung der Äußerungen und die Darlegung des konkreten Tatbestandes sorgfältiger Bedacht zu nehmen.
18
4. Im Hinblick auf das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist eine Verunglimpfung des Staates gemäß § 90a Abs. 1 Nr. 1 StGB (Fall III. 1. 3. der Urteilsgründe) nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2011 - 1 BvR 917/09, NJW 2012, 1273, 1274) nur gegeben, wenn aufgrund der konkreten Art und Weise der Meinungsäußerung der Staat dermaßen verunglimpft wird, dass dies zumindest mittelbar geeignet erscheint, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, die Funktionsfähigkeit seiner staatlichen Einrichtungen oder die Friedlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Diese Voraussetzung ist im Fall III. 1. 3. der Urteilsgründe nicht dargetan.
19
5. Hinsichtlich des Strafantrags im Fall III. 4. 1. der Urteilsgründe und der Strafbarkeit wegen Bedrohung (§ 241 StGB) in mehreren Fällen wird auf die Darlegungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift vom 2. Februar 2012 Bezug genommen.
20
6. Im Rahmen der Strafzumessung erscheint bedenklich, zu Lasten des Angeklagten die Vehemenz zu berücksichtigen, mit der er sich seiner Festnahme widersetzte; denn die Art der Tatausführung darf einem Angeklagten nur dann ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - 3 StR 453/11 mwN, juris Rn. 5). Die Kammer ist von einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei den Taten ausgegangen.
21
Überdies ist die Einziehung des Computers und des Druckers bei der Bemessung der Rechtsfolgen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2011 - 3 StR 296/11, NStZ-RR 2011, 370). Die Kammer wird zudem zu bedenken haben, dass es sich bei der Einziehung um eine Ermessensentscheidung handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Januar 1994 - 4 StR 718/93, BGHR StGB § 74 Abs. 1 Ermessensentscheidung 1).
22
7. Bei der Abfassung des Urteils ist durch ein Mindestmaß an Sorgfalt sicherzustellen , dass - anders als im angegriffenen Urteil - der tenorierte Schuldspruch mit den in der rechtlichen Würdigung der Urteilsgründe genannten Delikten übereinstimmt und dementsprechend jeder einzelnen Tat eine Einzelstrafe zugeordnet wird. Dazu bietet sich an, in den Urteilsgründen für die einzelnen Taten im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung einheitliche Ordnungsnummern zu vergeben und diese bei Beweiswürdigung, rechtlicher Würdigung sowie Strafzumessung weiterzuverwenden (s. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 3 StR 391/02, wistra 2003, 229, 230).
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Bei mehrfacher Verwirklichung eines Straftatbestandes, der in wechselnden Kombinationen mit unterschiedlichen anderen Delikten tateinheitlich zusammentrifft, empfiehlt es sich, in der Entscheidungsformel jede Tat einzeln zu bezeichnen und nur dann unter Angabe der Zahl der tatmehrheitlichen Tatbegehungen zusammenzufassen, wenn die rechtliche Bezeichnung der Einzeltaten identisch ist (BGH aaO). Eine darüberhinausgehende Zusammenfassung kann die Verständlichkeit erheblich erschweren, was sich hier gerade daran zeigt, dass die erkennende Kammer selbst die Abweichungen zwischen der Urteilsformel und den Urteilsgründen nicht bemerkt hat.
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Gemäß § 260 Abs. 5 Satz 1 StPO sind nach der Urteilsformel die angewendeten Vorschriften aufzuführen. Becker Pfister Hubert RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Menges

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3)

1.
die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder
2.
die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine öffentlich gezeigte Flagge der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ein von einer Behörde öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfug daran verübt. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, wenn der Täter sich durch die Tat absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

27
Fall B 2: Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern nach § 176 a Abs. 3 StGB setzt die Absicht des Täters voraus, die Tat zum Gegenstand einer pornographischen Schrift zu machen, die nach § 184 b Abs. 1 bis 3 StGB verbreitet werden soll. Ein Verbreiten im Sinne von § 184 b Abs. 1 Nr. 1 StGB ist bei der Weitergabe (je) eines einzelnen Exemplars der Schrift nur gegeben, wenn der Täter zumindest damit rechnet, dass das Werk im Anschluss einer größeren, nicht mehr kontrollierbaren Zahl von Personen zugänglich gemacht werde (BGHSt 19, 63, 71); die regelmäßig ohnehin bestehende abstrakte Gefahr der Weitergabe durch den Dritten genügt nicht. Sollte dies in der neuen Hauptverhandlung nicht festgestellt werden können, könnte eine Strafbarkeit nach § 176 a Abs. 3 StGB über die Verweisung auf § 184 b Abs. 2 StGB eröffnet sein. Denn § 176 a Abs. 3 StGB verwendet den Begriff des Verbreitens nicht im engeren Sinne des § 184 b Abs. 1 Nr. 1 StGB, sondern nimmt auf die gesetzliche Überschrift dieser Norm Bezug (vgl. Fischer aaO § 176 a Rdn. 15; § 184 b Rdn. 8). Kraft Verweisung auf § 184 b Abs. 2 StGB erfasst § 176 a Abs. 3 StGB deshalb auch Tathandlungen, die nur in der Absicht vorgenommen werden, einem anderen den Besitz an der Schrift zu verschaffen, ohne dass zugleich Verbreitungsabsicht nach § 184 b Abs. 1 StGB besteht. Da der Verweisung auf § 184 b Abs. 2 StGB deshalb durchaus eigenständige Bedeutung zukommen kann, erscheint sie auch nicht als bloßes gesetzgeberisches Versehen (so aber Wolters in SK-StGB § 176 a Rdn. 23). Tateinheitlich kann zu § 176 a Abs. 3 StGB, soweit nicht von § 154 a StPO Gebrauch gemacht wird, ein Sichverschaffen von kinderpornographischen Schriften nach § 184 b Abs. 4 Satz 1 StGB hinzutreten (BGHSt 43, 366, 367).