Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2016 - 3 StR 154/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:280616B3STR154.16.0
bei uns veröffentlicht am28.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 154/16
vom
28. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280616B3STR154.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 17. November 2015 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwölf Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen verurteilt ist. Für den unter II.1. der Urteilsgründe festgestellten sexuellen Missbrauch eines Kindes wird eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten festgesetzt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 13 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der Sachrüge ledig- lich den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes hält im Fall II.1. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen küsste der Angeklagte in diesem Fall das Kind auf den Mund, wobei seine Zunge ein Stück weit in den Mund eindrang, und berührte es - auch unter der Bekleidung - im Brust- und Intimbereich. Diese Feststellungen belegen die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB, nicht aber das Vorliegen des Qualifikationstatbestandes des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB. Ein Zungenkuss stellt keine dem Beischlaf ähnliche sexuelle Handlung dar und erfüllt damit den Tatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes nicht (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 65/11, BGHSt 56, 223, 225). Der Senat hat deshalb den Schuldspruch geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
3
2. Damit entfällt die für den Fall II.1. der Urteilsgründe verhängte, dem Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB entnommene Einzelfreiheitsstrafe. Der Senat setzt für den in diesem Fall festgestellten sexuellen Missbrauch gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog die in § 176 Abs. 1 StGB vorgesehene Mindeststrafe von sechs Monaten fest. Es ist in einer Gesamtschau der in den anderen Fällen rechtsfehlerfrei zugemessenen Einzelstrafen auszuschließen, dass das Landgericht , das in allen abgeurteilten Fällen das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 176a Abs. 3 StGB oder § 176 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung vom 18. November 1998 verneint hat, in Fall II.1. der Urteilsgründe einen minder schweren Fall des sexuellen Missbrauchs angenommen hätte. Angesichts der weiteren Einzelstrafen von zwei Jahren und drei Monaten, zwei Jahren, sieben Mal einem Jahr und neun Monaten, drei Mal einem Jahr und drei Monaten und drei Mal neun Monaten schließt der Senat ebenfalls aus, dass die Strafkammer bei einer für Fall II.1. der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten - statt von einem Jahr - auf eine niedrigere Gesamtstrafe als die verhängte erkannt hätte.
4
3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen sowie die den Nebenklägerinnen entstandenen notwendigen Auslagen teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2016 - 3 StR 154/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2016 - 3 StR 154/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2016 - 3 StR 154/16 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

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Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d

Strafgesetzbuch - StGB | § 176a Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen

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Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Apr. 2011 - 2 StR 65/11

bei uns veröffentlicht am 14.04.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 65/11 vom 14. April 2011 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja StGB § 176a Abs. 2 Nr. 1 Ein "Zungenkuss" ist in der Regel keine dem Beischlaf ähnliche Handlung im Sinne von § 176a Ab
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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Sept. 2019 - 2 StR 589/18

bei uns veröffentlicht am 11.09.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 589/18 vom 11. September 2019 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2019:110919B2STR589.18.0 Der 2. Strafsenat des

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 65/11
vom
14. April 2011
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Ein "Zungenkuss" ist in der Regel keine dem Beischlaf ähnliche Handlung im
BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 65/11 - LG Kassel
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. April 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 9. Dezember 2010 dahin geändert, dass 1. der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen und des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in einem Fall schuldig ist, 2. der Angeklagte im Fall II.1. der Urteilsgründe zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird. II. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen. III. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Ange- klagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es in den Jahren von 2007 bis 2009 zu vier Taten zum Nachteil der am 22. Juli 2000 geborenen Geschädigten. Die erste Tat bestand darin, dass der Angeklagte der Geschädigten einen "Zungenkuss" gab, den das Kind als "eklig" empfand. Bei der zweiten und dritten Tat führte der Angeklagte jeweils einen Finger in Scheide und After des Kindes ein. Bei der vierten Tat kam es zum Eindringen mit dem Finger in die Scheide.
3
Das Landgericht hat alle Taten als schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB angesehen und den Fall des "Zungenkusses" als minderschweren Fall im Sinne von § 176a Abs. 4 Halbs. 2 StGB bewertet, weil die Schwelle der Erheblichkeit der sexuellen Handlung im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB nur leicht überschritten worden sei. Für diese Tat hat das Landgericht eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt, für die zweite und dritte Tat jeweils Einzelfreiheitsstrafen von drei Jahren und für die vierte Tat eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Daraus hat es die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten gebildet.

II.

4
Die Revision ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt worden und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Sachrüge führt im Fall II.1. der Urteilsgründe zu einer Änderung des Schuldspruchs und des Ausspruchs über die Einzelstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
5
1. Der Schuldspruch ist dahin zu ändern, dass im Fall II.1. der Urteilsgründe nur das Grunddelikt nach § 176 Abs. 1 StGB, nicht aber die Qualifikation gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt ist. Im Übrigen ist der Schuldspruch rechtlich nicht zu beanstanden.
6
Rechtsfehlerfrei ist die Bewertung der Handlungen in den Fällen II.2. bis II.4. der Urteilsgründe jeweils als schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes im Sinne von § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB. Erforderlich ist dafür, dass der über achtzehn Jahre alte Täter mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Zwar ist nicht jedes Eindringen in den Körper ausreichend, sondern nur eine dem Beischlaf "ähnliche Handlung". Davon werden andererseits nicht ausschließlich Fälle des Oraloder Analverkehrs erfasst, also nur ein Eindringen mit dem männlichen Glied. Auch das Eindringen mit anderen Körperteilen oder mit Gegenständen in den Körper kann im Einzelfall genügen (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672 f. mit Anm. Renzikowski NStZ 2000, 367 f.). Erforderlich ist aber, dass die sexuelle Handlung mit Blick auf das geschützte Rechtsgut, nämlich die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 119), ähnlich schwer wiegt wie eine Vollziehung des Beischlafs. Dies ist bei einem Ein- dringen mit dem Finger in Scheide oder After des Kindes anzunehmen (vgl. LK/Hörnle, StGB, § 176a Rn. 27; SK/Wolters, StGB, 124. Lfg. 2010 § 176a Rn. 16; aA Folkers JR 2007, 11, 14).
7
Anders liegt es im Fall II.1. der Urteilsgründe, bei dem die Tat sich in einem "Zungenkuss" erschöpft hat. Dieser kann zwar als sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne von §§ 176 Abs. 1, 184g Nr. 1 StGB (differenzierend OLG Brandenburg NStZ-RR 2010, 45 f.), die auch mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, jedoch nicht als eine zugleich "dem Beischlaf ähnliche" Handlung angesehen werden. Dagegen spricht schon das äußere Erscheinungsbild der Handlung, an der - anders als bei dem beischlafähnlichen Anal- oder Oralverkehr (vgl. dazu BGH Beschluss vom 14. September 1999 - 4 StR 381/99, BGHR StGB, § 176a Abs. 1 Nr. 1 Sexuelle Handlung 1) - kein primäres Geschlechtsorgan beteiligt ist. Soweit § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB auch deskripitive Elemente enthält, liegt die Gleichsetzung des Zungenkusses mit dem Beischlaf schon begrifflich fern. Die Ähnlichkeit der sexuellen Handlung mit dem Beischlaf ist aber vor allem auch an der Gewichtung der Rechtsgutsverletzung zu messen. Geschütztes Rechtsgut ist in den Fällen des § 176a StGB die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes (Senat, Urteil vom 16. Juni 1999 - 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132; Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 119). Der Zungenkuss wirkt hierauf regelmäßig nicht so intensiv ein wie ein Vaginal-, Oral- oder Analverkehr. Schließlich ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien nicht, dass der Gesetzgeber den Fall des Zungenkusses der Norm unterwerfen wollte (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 31 f.; zuvor BT-Drucks. 13/2463 S. 7 und 13/7324 S. 6, jeweils zu § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB). Der Senat nimmt daher im Einklang mit der in der Literatur vorherrschenden Ansicht (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. § 176a Rn. 8; LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl. § 176a Rn. 27; Perron/Eisele in Schönke/ Schröder, StGB, 27. Aufl. § 176a Rn. 8; Renzikowski NStZ 2000, 367 f.; SK/Wolters aaO § 176a Rn. 16; Ziegler in v. Heintschel-Heinegg, BeckOK-StGB 2011 § 176a Rn. 12; weitergehend Folkers JR 2007, 11 ff.; aA NK/Frommel, StGB, 2009 § 176a Rn. 11; Laubenthal, Sexualstraftaten; Die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung , 2000, Rn. 382) an, dass der "Zungenkuss" in der Regel keine dem Beischlaf ähnliche Handlung im Sinne des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist. Ob unter besonderen Umständen in extremen Ausnahmefällen etwas anderes gelten kann, kann hier offen bleiben.
8
Rechtsprechung anderer Strafsenate des Bundesgerichtshofs steht nicht entgegen. Der 5. Strafsenat hat in seinem Beschluss vom 21. Mai 2008 - 5 StR 197/08 die Beweiswürdigung des Tatgerichts beanstandet und das angefochtene Urteil deshalb aufgehoben. Die Einordnung des "Zungenkusses" als eine dem Beischlaf ähnliche Handlung war dort keine tragende Erwägung. Der 4. Strafsenat hat in seinem Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99 (NJW 2000, 672 f.) andere Formen des Eindringens in den Körper als beim Oral- oder Analverkehr "mit Ausnahme des Zungenkusses" als dem Beischlaf ähnliche Handlungen bezeichnet.
9
Es bleibt daher im Fall II.1. der Urteilsgründe bei der Erfüllung des Grundtatbestands nach § 176 Abs. 1 StGB. Der Senat ändert insoweit den Schuldspruch ab. Eines rechtlichen Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO bedarf es beim Wegfall einer Qualifikation nicht (vgl. BGH Beschluss vom 23. April 2002 - 3 StR 505/01, BGHR StPO, § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 16).
10
2. Der Senat setzt die Einzelstrafe für den Fall II.1. nach der Schuldspruchänderung auf die Mindeststrafe gemäß § 176 Abs. 1 StGB in der ab 1. April 2004 und damit auch für die Tatzeit geltenden Fassung des Gesetzes auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten fest, weil die sexuelle Handlung die Schwelle zur Erheblichkeit im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB nur geringfügig überschritten hatte. Es ist ausgeschlossen, dass die Gesamtstrafe dadurch beeinflusst wird.

Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.