Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2019 - 3 StR 214/19

published on 24.07.2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2019 - 3 StR 214/19
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 214/19
vom
24. Juli 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:240719B3STR214.19.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. Juli 2019 gemäß § 46 Abs. 1, § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Es wird festgestellt, dass der Angeklagte wirksam auf die Einlegung von Rechtsmitteln gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 17. Dezember 2018 verzichtet hat. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil und der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision werden auf seine Kosten verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen, wegen vorsätzlichen Bankrotts in Tateinheit mit Untreue durch Beiseiteschaffen von Vermögen, wegen vorsätzlichen Bankrotts durch Unterlassen der Bilanzaufstellung und wegen vorsätzlichen Unterlassens, einen Insolvenzantrag zu stellen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen das am 17. Dezember 2018 in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit einem am 20. Januar 2019 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz seines Revisionsverteidigers Revision eingelegt; zugleich hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision beantragt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Die Revision ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO). Der Angeklagte hat wirksam auf Rechtsmittel verzichtet (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO); dieser Verzicht führt zum Verlust des Rechtsmittels (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24. August 2016 - 1 StR 301/16, NStZ-RR 2017, 92 mwN). Im Einzelnen:
3
a) Ausweislich des Sitzungsprotokolls haben der Angeklagte und sein Instanzverteidiger, Rechtsanwalt D. , im Anschluss an die Urteilsverkündung am 17. Dezember 2018 nach Rechtsmittelbelehrung gemäß § 35a StPO und nach zwei Unterbrechungen der Hauptverhandlung ebenso wie der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt L. , erklärt, auf die Einlegung von Rechtsmitteln gegen das Urteil zu verzichten. Die im Sitzungsprotokoll vermerkte Verzichtserklärung ist allen Verfahrensbeteiligten vorgelesen und von diesen genehmigt worden (§ 273 Abs. 3 Satz 3 StPO).
4
b) Der Rechtsmittelverzicht ist wirksam.
5
aa) Der Beschwerdeführer stützt seine gegenteilige Auffassung unter Bezugnahme auf eine entsprechende anwaltliche Versicherung seines Instanzverteidigers auf folgenden, von ihm behaupteten Verfahrensablauf:
6
Nach der Urteilsverkündung am 17. Dezember 2018 habe "die Kammer" auf Nachfrage des Instanzverteidigers, Rechtsanwalt D. , "was jetzt mit dem Haftbefehl" sei, zunächst die Frage gestellt, "ob irgendwelche Erklärungen abzugeben" seien, "das würde der Kammer die Entscheidung erleichtern". Es sei klar gewesen, dass damit nur der Rechtsmittelverzicht gemeint gewesen sein könne. Nachdem der Verteidiger "dies verneint" habe, habe die Strafkammer einen Außervollzugsetzungsbeschluss verkündet, der mit einer Kaution in Höhe von 10.000 € verbunden gewesen sei. Weil der Angeklagte nicht in der Lage gewesen sei, eine Kaution in dieser Höhe zu leisten, aber das Weih- nachtsfest in Freiheit mit seinen Kindern habe verbringen wollen, habe sich der Verteidiger in das Beratungszimmer begeben und gefragt, ob die Aufhebung des Haftbefehls im Gegenzug zum Rechtsmittelverzicht in Frage käme. Dies sei vom Vorsitzenden für den Fall bejaht worden, dass die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung erklären würde. Der Verteidiger habe sodann bei dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt L. , nachgefragt, ob dieser einer Aufhebung des Haftbefehls im Gegenzug zum Rechtsmittelverzicht zustimmen würde. Dieser habe gesagt, dass er "nach Rechtsmittelverzicht" einen entsprechenden Antrag stellen werde. Dieses Ergebnis habe der Verteidiger der Strafkammer mitgeteilt. Diese sei sodann wieder im Sitzungssaal erschienen und habe den vom Angeklagten, von dem Verteidiger und von dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärten Rechtsmittelverzicht entgegengenommen. Daraufhin sei der Haftbefehl aufgehoben worden.
7
Der Revisionsverteidiger des Angeklagten ist der Ansicht, dass der Rechtsmittelverzicht gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unwirksam sei, weil es sich bei den von ihm behaupteten Vereinbarungen "der Sache nach" um eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO gehandelt habe. Außerdem sieht er darin, dass die Aufhebung des Haftbefehls von dem zuvor erklärten Rechtsmittelverzicht abhängig gemacht worden sei, ein willkürliches Vorgehen der Strafkammer. In Anbetracht dessen habe der Angeklagte den Verzicht nicht freiwillig erklärt. Im Übrigen habe die Strafkammer dem Angeklagten dadurch, dass sie ihm die Aufhebung des Haftbefehls im Gegenzug nach vorausgegangenem Rechtsmittelverzicht zugesagt habe, einen gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteil versprochen. Denn mit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils werde der Haftbefehl gegenstandslos und die Untersuchungshaft gehe ohne weiteres in Strafhaft über. Insoweit habe die Strafkammer den Angeklagten über die rechtliche Möglichkeit einer Aufhebung des Haftbefehls getäuscht.
8
bb) Diese gegen die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts erhobenen Einwände greifen nicht durch.
9
(1) Bereits die Schilderung des Verfahrensgeschehens durch den Beschwerdeführer erweist sich als unzutreffend.
10
(a) Sie steht im Widerspruch zum Sitzungsprotokoll. Diesem lässt sich schon nicht entnehmen, dass es zwischen der Verkündung des Urteils und derjenigen des Haftverschonungsbeschlusses zu Erörterungen über einen etwaigen Rechtsmittelverzicht gekommen ist. Ausweislich des Protokolls wurde der Beschluss über die Außervollzugsetzung des Haftbefehls vielmehr unmittelbar im Anschluss an die Urteilsverkündung und die Rechtsmittelbelehrung verkündet. Wenngleich danach nicht ausgeschlossen ist, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Äußerungen abgegeben wurden, weil dem Protokoll insoweit nicht die Beweiskraft des § 274 Satz 1 StPO zukommt, so wird sein Vorbringen durch die Sitzungsniederschrift jedenfalls nicht gestützt.
11
Die Behauptung, dass der Haftbefehl aufgrund einer entsprechenden Absprache zwischen den Verfahrensbeteiligten im Anschluss an den Rechtsmittelverzicht aufgehoben worden sei, wird durch das Sitzungsprotokoll widerlegt; sie widerspricht dem darin in Bezug auf diese Verfahrensvorgänge dokumentierten Geschehen. Danach wurde die Hauptverhandlung nach der Verkündung des Außervollzugsetzungsbeschlusses um 13:42 Uhr unterbrochen und um 13:45 Uhr fortgesetzt. Anschließend beantragte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die Aufhebung des Haftbefehls. Daraufhin wurde die Hauptverhandlung in der Zeit von 13:47 Uhr bis 13:52 Uhr erneut unterbrochen. Im Anschluss daran wurde der Beschluss verkündet, durch den der Haftbefehl aufgehoben wurde. Schließlich erklärten der Angeklagte, sein Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft den Rechtsmittelverzicht. Die Sit- zungsniederschrift, die gemäß § 274 Satz 1 StPO im Hinblick auf die Abfolge prozessualer Ereignisse in Bezug auf die gemäß § 273 Abs. 3 Satz 3 StPO protokollierte Erklärung des Rechtsmittelverzichts beweiskräftig ist, belegt mithin, dass der Angeklagte nicht schon vor der Aufhebung des Haftbefehls auf Rechtsmittel verzichtete, sondern erst danach.
12
(b) Dieser protokollierte Verhandlungsablauf entspricht sowohl den zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers abgegebenen Stellungnahmen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft als auch den diesbezüglichen Ausführungen der erkennenden Berufsrichter.
13
Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft hat in einer dienstlichen Stellungnahme in Abrede gestellt, erklärt zu haben, dass er nach einem Rechtsmittelverzicht die Aufhebung des Haftbefehls beantragen werde. Der Angeklagte habe erst nach der Aufhebung des Haftbefehls auf Rechtsmittel verzichtet. In seiner Revisionsgegenerklärung hat der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft ergänzend ausgeführt, dass es zu keinem Zeitpunkt zu einer Rücksprache bzw. Absprache zwischen der Strafkammer und ihm über die Aufhebung des Haftbefehls gekommen sei. Nach der Verkündung des Urteils und des Haftverschonungsbeschlusses hätten der Verteidiger und der Angeklagte im Sitzungssaal in Abwesenheit der Strafkammer miteinander gesprochen. Danach habe der Verteidiger ihm gegenüber - ohne dies zuzusichern - in Aussicht gestellt, dass der Angeklagte bereit sei, auf die Einlegung von Rechtsmitteln zu verzichten, wenn der Haftbefehl aufgehoben werde. Der Verteidiger habe ihn aufgefordert, in sich zu gehen und einen entsprechenden Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls zu stellen. Unter den gegebenen Umständen sei es ihm - trotz Bedenken - vertretbar erschienen, sodann den von dem Verteidiger erbetenen Antrag zu stellen.
14
Die an dem Urteil beteiligten Berufsrichter haben sich in einem Beschluss vom 11. März 2019, durch den ein Antrag des Verurteilten, die Strafvollstreckung aufzuschieben, abgelehnt worden ist, mit Blick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers wie folgt zu dem Ablauf der Hauptverhandlung geäußert:
15
Es sei unzutreffend, dass der Verteidiger den Vorsitzenden im Anschluss an die Urteilsverkündung gefragt habe, "was jetzt mit dem Haftbefehl" sei, woraufhin dieser entgegnet habe, ob denn "Erklärungen abgegeben" würden, "was dem Gericht die Sache einfacher machen würde". Unzutreffend sei auch die Behauptung, der Vorsitzende habe im Beratungszimmer gegenüber dem Verteidiger die Aufhebung des Haftbefehls nach erklärtem Rechtsmittelverzicht für den Fall zugesagt, dass der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Antrag stelle. Eine Absprache, wonach die Strafkammer dem Angeklagten die Aufhebung des Haftbefehls im Gegenzug nach vorausgegangenem Rechtsmittelverzicht zugesagt habe, sei zu keinem Zeitpunkt getroffen worden. Tatsächlich habe es sich so verhalten, dass der Verteidiger nach der Verkündung des Urteils und des Außervollzugsetzungsbeschlusses das Beratungszimmer aufgesucht und vorgeschlagen habe, der Angeklagte wolle auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten, wenn der Haftbefehl aufgehoben werde. Der Vorsitzende habe sich dazu nicht geäußert, sondern den Verteidiger an den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft verwiesen. Dieser habe nach Fortsetzung der Hauptverhandlung die Aufhebung des Haftbefehls beantragt. Im Anschluss daran sei die Hauptverhandlung unterbrochen worden, weil die Strafkammer über den Aufhebungsantrag habe beraten müssen.
16
(c) Vor diesem Hintergrund entbehrt das Vorbringen des Beschwerdeführers einer tragfähigen Grundlage. Soweit er damit einen Nachweis der Protokollfälschung im Sinne des § 274 Satz 2 StPO erbringen wollte, dringt er im Hinblick auf die mit dem Sitzungsprotokoll sowie untereinander in Einklang stehenden Erklärungen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft und der erkennenden Berufsrichter nicht durch. Danach kam es nicht zu der behaupteten synallagmatischen Verknüpfung von Rechtsmittelverzicht und anschließender Aufhebung des Haftbefehls. Das Verfahrensgeschehen stellt sich vielmehr wie folgt dar:
17
Der Angeklagte beriet sich nach der Verkündung des Urteils und des Außervollzugsetzungsbeschlusses mit seinem Verteidiger und veranlasste ihn anschließend aus eigenem Antrieb, gegenüber Staatsanwaltschaft und Gericht zu erklären, dass er im Falle einer Aufhebung des Haftbefehls bereit sei, auf Rechtsmittel zu verzichten. Der Staatsanwalt ließ sich mit Rücksicht auf diese Ankündigung dazu bewegen, die Aufhebung des Haftbefehls zu beantragen, und das Gericht hob den Haftbefehl ebenfalls im Hinblick auf den angekündigten Rechtsmittelverzicht auf. Schließlich erklärten der Angeklagte, sein Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, auf die Einlegung von Rechtsmitteln gegen das Urteil zu verzichten.
18
(2) In Anbetracht dieser Sachlage bestehen keine Zweifel an der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts.
19
(a) Der Verzicht ist zunächst nicht gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unwirksam. Danach ist ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen, wenn dem Urteil eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO vorausgegangen ist. Das war hier nicht der Fall.
20
Dies ergibt sich schon aus dem Sitzungsprotokoll. Darin ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO ausdrücklich vermerkt, dass eine Verständigung nach § 257c StPO nicht stattgefunden hat. Diese Feststellung zählt zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 274 Satz 1 StPO und nimmt an der Beweiskraft des Sitzungsprotokolls teil (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2010 - 2 StR 371/10, BGHSt 56, 3 Rn. 4). Gegen den die wesentlichen Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nach § 274 Satz 2 StPO nur der Nachweis der Fälschung zulässig, der hier nicht geführt ist.
21
Im Übrigen geht die Ansicht des Beschwerdeführers fehl, der Rechtsmittelverzicht sei gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unwirksam, weil es sich bei der von ihm behaupteten Vereinbarung "der Sache nach" um eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO gehandelt habe, die auch nach Urteilsverkündung noch möglich gewesen sei. Sie ist schon mit dem Wortlaut des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht vereinbar, wonach ein Verzicht ausgeschlossen ist, wenn dem Urteil eine Verständigung im Sinne von § 257c StPO "vorausgegangen" ist. Weiter kommt eine Verständigung gemäß § 257c StPO als eine ihrer Natur nach das Schuldprinzip sowie den Aufklärungsgrundsatz betreffende Regelung (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 22 BvR 2155/11, NJW 2013, 1058 Rn. 102 ff.) nur bis zum Schluss der Beweisaufnahme in Betracht (KK-Moldenhauer/Wenske, StPO, 8. Aufl., § 257c Rn. 10; BeckOK StPO/Eschelbach, § 257c Rn. 29), jedenfalls nicht mehr nach der Urteilsverkündung.
22
(b) Auch ein sonstiger Grund, aus dem der als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderrufliche und unanfechtbare (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. April 1999 - 5 StR 714/98, BGHSt 45, 51, 53 mwN) Rechtsmittelverzicht ausnahmsweise unwirksam sein könnte, ist nicht ersichtlich.
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In Betracht kommt die Unwirksamkeit der Verzichtserklärung namentlich dann, wenn der Angeklagte prozessual handlungsunfähig war und deshalb den Bedeutungsgehalt des Rechtsmittelverzichts verkannt haben könnte (BGH, Beschluss vom 24. August 2016 - 1 StR 301/16, NStZ-RR 2017, 92) oder wenn er die Verzichtserklärung irrtumsbedingt aufgrund einer dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft zuzurechnenden Täuschung abgegeben hat (BGH, Beschluss vom 24. August 2016 - 1 StR 301/16, NStZ-RR 2017, 92, 93). Darüber hinaus kann der Rechtsmittelverzicht auch aufgrund der Art und Weise seines Zustandekommens unwirksam sein, insbesondere dann, wenn er auf einer vom Gericht zu verantwortenden unzulässigen Einwirkung mit solchen Beeinflussungsmitteln beruht, die nicht von § 136a StPO verboten sind (BGH, Urteil vom 21. April 1999 - 5 StR 714/98, BGHSt 45, 51, 53). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
24
(aa) Prozessual handlungsunfähig ist, wer aufgrund seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen verständig wahrzunehmen und Prozesshandlungen mit Verständnis und Vernunft auszuführen. Im Zusammenhang mit einem Rechtsmittelverzicht ist die Fähigkeit ausschlaggebend, die verfahrensrechtliche Bedeutung des Verzichts zu erkennen. Diese Fähigkeit wird erst durch schwerwiegende psychische oder körperliche Beeinträchtigungen aufgehoben (vgl. zu allem BGH, Beschluss vom 24. August 2016 - 1 StR 301/16, NStZ-RR 2017, 92 mwN). Hier sind keine Gründe dafür erkennbar, dass der Angeklagte an derartigen Beeinträchtigungen gelitten haben könnte.
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(bb) Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte seine Verzichtserklärung irrtumsbedingt aufgrund einer Täuschung seitens des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft abgegeben hat. Das Vorbringen des An- geklagten, von der Strafkammer über die rechtliche Möglichkeit zur Aufhebung des Haftbefehls getäuscht worden zu sein, ist vor dem Hintergrund des tatsächlichen Verfahrensablaufs ebenso wenig nachvollziehbar wie die Behauptung, das Gericht habe den Rechtsmittelverzicht als Vorleistung für die Aufhebung des Haftbefehls verlangt. Die Verzichtserklärung des Angeklagten war weder seitens des Gerichts noch seitens der Staatsanwaltschaft zur Vorbedingung einer Aufhebung des Haftbefehls gemacht worden.
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Soweit der Angeklagte seinen Verteidiger gegenüber Staatsanwaltschaft und Gericht erklären ließ, dass er beabsichtige, im Falle einer Aufhebung des Haftbefehls auf Rechtsmittel zu verzichten, sind Willensmängel nicht erkennbar. Er handelte insoweit nach einer Beratung mit seinem Verteidiger aus eigenem Antrieb und hoffte offenbar - wie sich im weiteren Verlauf zeigte: zu Recht -, durch die bloße Ankündigung seines Rechtsmittelverzichts den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zur Stellung eines Antrags auf Aufhebung des Haftbefehls und das Gericht zu einer entsprechenden Entscheidung bewegen zu können. Es ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte in diesem Zusammenhang einer Fehlvorstellung unterlag.
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Es ist auch nicht erkennbar, dass der Angeklagte nach der Aufhebung des Haftbefehls irrtümlich annahm, verpflichtet zu sein, auf Rechtsmittel zu verzichten. Zumindest wäre eine derartige Fehlvorstellung weder der Staatsanwaltschaft noch dem Gericht zuzurechnen. Ein Gegenseitigkeitszusammenhang zwischen Haftbefehlsaufhebung und anschließender Verzichtserklärung war zu keinem Zeitpunkt Gegenstand wechselseitiger Erklärungen; selbst der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, dass es zu einer Absprache kam, wonach zunächst der Haftbefehl aufgehoben und dann der Rechtsmittelverzicht erklärt werden sollte.
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Wie dargelegt hatte der Angeklagte nach der Beratung mit seinem Verteidiger aus eigenem Antrieb ankündigen lassen, im Falle einer Aufhebung des Haftbefehls auf Rechtsmittel verzichten zu wollen. Diese Ankündigung hatte den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft dazu bewogen, die Aufhebung des Haftbefehls zu beantragen, und das Gericht zu der entsprechenden Entscheidung veranlasst. Eine in irgendeiner Weise bindende Zusicherung hatte der Angeklagte nicht abgegeben. Es blieb ihm auch nach der Aufhebung des Haftbefehls unbenommen, von einer Verzichtserklärung abzusehen. Ein etwaiger Irrtum des Angeklagten darüber, aus Rechtsgründen zum Rechtsmittelverzicht verpflichtet zu sein, könnte seine Grundlage allenfalls in den Erläuterungen seines Verteidigers haben, wofür freilich ebenfalls nichts spricht. Ein durch den Verteidiger hervorgerufener Irrtum würde indes nicht zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts führen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2016 - 1 StR 301/16, NStZ-RR 2017, 92, 93 mwN).
29
Gleiches gilt, falls sich der Angeklagte in einem nicht rechtlichen Sinne verpflichtet gefühlt haben sollte, seiner Ankündigung entsprechend nach der Aufhebung des Haftbefehls auf Rechtsmittel zu verzichten. Ein derartiges - wenngleich psychologisch nachvollziehbares - Entscheidungsverhalten würde keinen rechtlich bedeutsamen Willensmangel begründen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. April 1999 - 5 StR 714/98, BGHSt 45, 51, 55 mwN).
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(cc) Die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts stößt auch unter dem Gesichtspunkt der Art und Weise seines Zustandekommens auf keine Bedenken. Die Verzichtserklärung des Angeklagten beruhte nicht auf einer vom Gericht zu verantwortenden unzulässigen Einwirkung mit solchen Beeinflussungsmitteln , die nach § 136a StPO verboten sind.
31
Eine derartige Einwirkung kommt etwa dann in Betracht, wenn dem Angeklagten vom Gericht eine Erklärung über seinen Rechtsmittelverzicht abverlangt wird, ohne ihm zunächst Gelegenheit zu geben, sich dazu erst nach einer Beratung mit seinem Verteidiger zu äußern, der Rechtsmittelverzicht mithin praktisch unter Umgehung oder Ausschaltung des Verteidigers erwirkt wird (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1963 - 1 StR 301/63, BGHSt 19, 101, 104). Entsprechendes gilt, wenn das Gericht durch einseitige Absprachen mit einzelnen Verfahrensbeteiligten außerhalb der Hauptverhandlung auf eine Verzichtserklärung des Angeklagten hinwirkt und dabei dessen geordnete und effektive Verteidigung vereitelt (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1999 - 5 StR 714/98, BGHSt 45, 51, 55 ff.).
32
Von solchen Fallkonstellationen unterscheidet sich der hier in Rede stehende Sachverhalt grundlegend. Die Frage des Rechtsmittelverzichts ist weder von der Staatsanwaltschaft noch vom Gericht aufgeworfen worden. Der Angeklagte hat vielmehr aus eigenem Antrieb ankündigen lassen, im Falle einer Aufhebung des Haftbefehls auf Rechtsmittel verzichten zu wollen. Er hat sich dazu nach einer Beratung mit seinem Verteidiger entschlossen. Ihm ist weder von der Staatsanwaltschaft noch vom Gericht eine Verzichtserklärung abverlangt worden. In Anbetracht dessen kann von einer vom Gericht zu verantwortenden unzulässigen Einwirkung keine Rede sein.
33
2. Da der Revisionsverteidiger des Angeklagten die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts in Zweifel gezogen hat, ist die eingetretene Rechtsfolge durch deklaratorischen Beschluss festzustellen; insoweit gilt Gleiches wie bei Zweifeln an der Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 - 3 StR 61/18, NStZ-RR 2018, 290, 291).
34
3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand findet nach wirksamem Rechtsmittelverzicht nicht statt (BGH, Beschluss vom 24. August 2016 - 1 StR 301/16, NStZ-RR 2017, 92, 93 mwN). Der gleichwohl gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist deshalb unzulässig.
Schäfer Gericke Wimmer Tiemann Hoch
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausges
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausges
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published on 09.09.2021 17:29

Die Verständigung ist der sog. „Deal“ im Strafprozess. Schon umstritten ist, wie sie strafrechtsdogmatisch überhaupt einzuordnen ist. Die Verständigung ist eine Verfahrensweise, bei der sich das Gericht mit den Verfahrensbe
Author’s summary

Die Verständigung ist der sog. „Deal“ im Strafprozess. Schon umstritten ist, wie sie strafrechtsdogmatisch überhaupt einzuordnen ist. Die Verständigung ist eine Verfahrensweise, bei der sich das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis des Verfahrens verständigt, § 257 c StPO. Häufigster Anwendungsfall dabei ist die Einigung über das zu erwartende Strafmaß, d. h. die Rechtsfolge, im Falle dass der Angeklagte geständig ist.
 
Primär dient dieses Institut natürlich dazu, Ressourcen zu schonen und damit Verfahren zu kürzen. Da die Ermittlung der „materiellen Wahrheit“, also der Sachverhalt, so wie er sich wirklich abgespielt hat, Ziel eines jeden Strafverfahrens ist, darf die Verständigung die Sachverhaltsaufklärung der Ermittlungsbehörden nicht verkürzen. Hier entsteht ein Dilemna zwischen der praktischen Notwendigkeit eines solchen Instituts und den extremen Bedenken, die gegen ein solches Institut sprechen; die Verfahrensgrundsätze werden durch einen solchen Deal nämlich nicht hinreichend bedacht. Das Verfahren wird hierdurch erheblich verkürzt und Grundsätze wie beispielsweise der Öffentlichkeitsgrundsatz können nicht derartig eingehalten werden, wie unsere Verfassung das von uns eigentlich verlangt. 

Zum Zwecke der Transparenz wurden entsprechende Protokollierungspflichten in unserer Strafprozessordnung normiert, um die Absprache mit den Verfahrensgrundsätzen in Einklang zu bringen. Die Einführung der Norm des § 257 c StPO am 4. 08 2009 stellte damit eigentlich einen Fortschritt dar – vorher entsprach es der Regel, dass Gerichte eine sog. informelle Absprache durchführten, d. h. illegale Absprachen außerhalb der Hauptverhandlung ohne jegliche Dokumentation. Problem hierbei ist, dass sich die Praxis seit Einführung des § 257 c StPO nicht an die ihr auferlegten Dokumentationspflichten hielt – das nennt das Bundesverfassungsgericht Vollzugsdefizit. Dies könnte dazu führen, dass die Norm in ihrer Gesamtheit früher oder später nicht mehr verfassungsgemäß ist:
 
Im Frühjahr 2013 entschied das Bundesverfassungsgericht nämlich, dass die Regelung zur Verständigung im Strafprozess – trotz eines erheblichen Vollzugsdefizits – derzeit „noch nicht“ verfassungswidrig seien. Was das genau bedeuten soll, ist unklar. In diesem Aufsatz möchte ich mich mit diesem Urteil auseinandersetzen. Es gilt als eines der wichtigsten Urteile des 21. Jahrhunderts zum Thema Strafprozessrecht.

2 BvR 2628/10 – Ein Überblick
Wie schon soeben erwähnt, setzte sich das Bundesverfassungsgericht im vorliegenden Verfahren damit auseinander, ob das Verständigungsgesetz in seiner Fassung mit der deutschen Verfassung in Einklang steht. Dies bejahte das höchstrichterliche Gericht, verwies aber auf den Vollzugsdefizit und legte demnach dem Gesetzgeber die Pflicht auf, die Schutzmechanismen (damit ist die Transparenz richterlichen Handelns und die Protokollierungspflichten im Rahmen einer Verständigung gemeint) immer wieder auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen sowie bei Gelegenheit nachzubessern.

Wie steht es mit den Verfahrensgrundsätzen?
Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Urteil der Reihe nach auf die wichtigen Verfahrensprinzipien ein, die im Rahmen einer Verständigung unbedingt Beachtung finden müssen:
Es beginnt mit dem Schuldgrundsatz, der sich aus der Menschenwürde (Art. 1 GG und Art. 2 I GG) und aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) ableitet. Trotz einer Einigung über das Strafmaß im Rahmen einer Verständigung bleibt es immer noch Ziel des Strafverfahrens den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Ohne einen solchen lässt sich das materielle Schuldprinzip gar nicht realisieren – Die Strafe die der Verurteilte erhält ist nämlich die Antwort auf seine persönliche Schuld! Auch das Institut der Verständigung kann einen solch wichtigen Verfahrensgrundsatz nicht lahmlegen.
Eine Verständigung kann damit niemals alleinige Urteilsgrundlage bilden, sondern das Gericht – muss wie sonst auch immer – hiervon überzeugt sein, § 261 StPO. Vielmehr müssen verständigungsbasierte Geständnisse auf ihre Richtigkeit überprüft werden (Verlinkung!).
 
Das Gericht weist auch darauf hin, dass der Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren durch die Verständigung nach § 257 c StPO nicht verletzt wird. Ein solcher gewährleistet das Recht eines jeden Beschuldigten, prozessuale Rechte wahrzunehmen sowie Übergriffe des Staates in einer angemessenen Art und Weise abwehren zu können. Wie dieses Verfahrensrecht ausgestaltet wird, liegt grundsätzlich in der Kompetenz des Gesetzgebers.
Darüber schreibt das Gericht in seinem Urteil über die Relevanz des Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit und der Unschuldsvermutung, die im Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 III GGverankert sind. Der Beschuldigte muss stets frei von jeglichem Zwang und eigenverantwortlich entscheiden können, ob und wie er im Strafprozess gegen sich selbst mitwirken möchte. Er muss also nicht an seiner eigenen Überführung mitwirken.
 
Die genannten Verfahrensgrundsätze lassen natürlich Zweifel aufkommen, inwieweit das Institut der Verständigung denn überhaupt mit diesen Verfahrensgrundsätzen in Einklang zu bringen ist. Außer Acht gelassen darf hierbei aber nicht, dass das Verständigungsgesetz vielmehr ein Versuch war, ein solches Institut mit der Verfassung in Einklang zu bringen, gerade weil es vorher der Praxis entsprach, eine solche ohne jegliche gesetzlich normierten Transparenzpflichten durchzuführen. Es entsprach also der Praxis einen solchen „Deal“ abzuschließen – und dies ohne Rücksicht darauf, dass ein solches Handeln unsere Verfassung und vielmehr die prozessualen Rechte eines jeden Beschuldigten mit Füßen trat.

Das Gericht schreibt in seinem Urteil, dass das Verständigungsgesetz das Risiko aufweisen würde, dass die Vorgaben, die uns die Verfassung an ein solches Institut vorschreibt, nur geringfügige Beachtung findet. Dies habe aber nicht zur Folge, dass es dem Gesetzgeber deshalb schlechthin verwehrt sei, eine solche Verfahrensvereinfachung dennoch grundsätzlich für zulässig zu erklären. Indem der Gesetzgeber an das Institut der Verständigung gewisse gesetzliche Vorgaben schuf, hat er damit kein „konsensuales Verfahrensmodell“ zwischen Beschuldigtem und Gericht geschaffen, sondern vielmehr die Verständigung als eine Art „Fremdkörper“ in unsere geltende Strafprozessordnung integriert.

Wieso sind Transparenz und Dokumentation von solchen Verständigungen so wichtig? 
Solche Pflichten, die der Gesetzgeber der Praxis mit seinem § 257 c StPO aufgebürdet hat sind deshalb bedeutsam, da sie eine effektive Kontrolle durch Öffentlichkeit, Staatsanwaltschaft und durch das Rechtsmittelgericht gewährt. Dadurch, dass die mit einer Verständigung verbundenen Handlungen umfassend in die öffentliche Hauptverhandlung einbezogen werden müssen, wird betont, dass sich auch bei dem Institut der Verständigung die richterliche Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ergeben muss. Der Staatsanwaltschaft wird hier eine herausragende Rolle zugeschrieben, denn ihr kommt eine Kontrollfunktion zu. Sie ist dazu verpflichtet, ihre Zustimmung zu einer gesetzeswidrigen Verständigung zu verweigern und muss vielmehr Rechtsmittel gegen Urteil einlegen, die auf einer solchen Verständigung beruhen.

Bundesverfassungsgericht versetzt sich in die Lage des BGH und nennt Revisionsgründe
Interessant ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht darlegt, dass ein Verstoß gegen die Transparenz-und Dokumentationspflichten die Rechtswidrigkeit der Verständigung zur Folge hat. Behält das Gericht die Verständigung dennoch bei, so stelle dies ein Revisionsgrund dar – ein Beruhen ließe sich also regelmäßig nicht ausschließen.
 
Dasselbe gelte dann, wenn der Angeklagte nicht über die Voraussetzungen und mit welchen Folgen das Gericht von dem in Aussicht gestellten Ergebnis abweichen kann belehrt wird. Eine solche Belehrung soll nämlich den Angeklagten in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich über seine Mitwirkung an der Verständigung schützen.
 
Diese Passagen des Urteils lassen seine Leser freilich etwas grübeln – denn solche Vorgaben, die das höchstrichterliche Gericht hier tätigt, sind eigentlich solche, die allein der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz der Justiz auferlegen sollte; nicht hingegen das Bundesverfassungsgericht. Es überschritt hier mithin seine Kompetenzen.

Über den Vollzugsdefizit
Nun zum Knackpunkt der Entscheidung:
Das Verständigungsgesetz sichere die verfassungsrechtlichen Vorgaben in hinreichender Weise; der in erheblichen Maße defizitäre Vollzug des Verständigungsgesetzes führe derzeit noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung.
 
Was das Bundesverfassungsgericht kritisiert ist gar nicht das Gesetz in seiner jetzigen Fassung vom 4.08.2009 selbst; es ist vielmehr die Praxis, die sich nicht an die ihr auferlegten Transparenz und Protokollierungspflichten hält. Verfassungswidrig wäre der Gesetzestext allein dann, wenn die Schutzmechanismen in einer Art und Weise lückenhaft wären und damit (selbst gegen die Verfassung verstoßende) informelle Absprachen fördern würden – die Norm soll solche illegalen Absprachen aber gerade verhindern indem sie strenge Anforderungen an ein solches Institut aufstellt.  Problem ist hier also vielmehr die Praxis, die das Gesetz nicht oder nicht richtig anwendet.
Als Hauptgrund für den defizitären Vollzug wird in der im Gutachten genannten empirischen Studie nicht der strukturelle Mängel des gesetzlichen Regelungskonzeptes, sondern vielmehr eine „fehlende Praxisuntauglichkeit“ genannt.

Was folgt?
Was schlussfolgert das Bundesverfassungsgericht aus seinen Erwägungen? Was soll das überhaupt bedeuten, das Gesetz ist „noch“ verfassungskonform, „Schuld“ sei vielmehr die Praxis? Das höchstrichterliche Gericht meint in seinen Ausführungen, der Gesetzgeber müsse die weitere Entwicklung sorgfältig im Auge behalten. Sollte sich die gerichtliche Praxis weiterhin in derartiger Weise über die normierten Regelungen hinwegsetzen, so sei es als Aufgabe des Gesetzgebers anzusehen, diese Fehlentwicklung durch Maßnahmen entgegenzutreten. Wenn dies unterbleibt, so träte „ein verfassungswidriger Zustand“ ein.
 
Diese Begründung durch das Bundesverfassungsgericht wurde zu Recht in vielfacher Weise von der Literatur angegriffen. Und das aus vielerlei Gründen. Wieso? Der Senat legt dem Gesetzgeber die Pflicht auf, die Entwicklung sorgfältig zu beobachten. Zwingend ist diese „Verschiebung“ aber nicht. Vielmehr hätte sich der Senat einer endgültigen Entscheidung nicht entziehen dürfen – je nachdem wie er den defizitären Vollzug des Verständigungsgesetzes einschätzt (unabhängig davon, dass ein solcher nicht aus einer Schutzlücke des Gesetzes entspringt) hätte er sich somit für eine Verfassungsmäßigkeit oder eben Verfassungswidrigkeit entscheiden können. Die Frage, wieso der Senat warten möchte, und vielmehr eine „vorübergehende Lösung“ der „Noch-Verfassungsmäßigkeit“ einer endgültigen Entscheidung vorzieht, erschließt sich mir nicht.
 
Eine Frage habe ich mir außerdem noch gestellt: Was genau muss der Gesetzgeber jetzt tun? Schließlich ist es und bleibt es die Aufgabe des Gesetzgebers, Gesetze zu erlassen. Wenn das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber allerdings vorgibt, dass das Verständigungsgesetz den verfassungsmäßigen Anforderungen entspricht, so bleibt für den Gesetzgeber unklar, wann und wie er zu handeln hat, wenn das Vollzugsdefizit in der Praxis keine Besserung erfährt.

Dieses Urteil ist v. a. für die Gerichte relevant. Es bringt zum Ausdruck, dass sie sich an die Formvorschriften der Strafprozessordnung halten müssen. Tun sie dies nicht, so trete ein rechtswidriger Zustand ein, der zeitgleich einen Revisionsgrund ablichtet. Ein solches hat natürlich auch eine erhebliche Relevanz für den Beschuldigten - er ist als Subjekt des Strafprozesses besonders schützenswert. Die Verfahrensgrundsätze unserer Strafprozessordnung müssen zu seinem Schutze Anwendung finden. 

published on 29.09.2010 00:00

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published on 14.06.2018 00:00

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published on 24.08.2016 00:00

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Annotations

(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

Bei der Bekanntmachung einer Entscheidung, die durch ein befristetes Rechtsmittel angefochten werden kann, ist der Betroffene über die Möglichkeiten der Anfechtung und die dafür vorgeschriebenen Fristen und Formen zu belehren. Bei der Bekanntmachung eines Urteils ist der Angeklagte auch über die Rechtsfolgen des § 40 Absatz 3 und des § 350 Absatz 2 sowie, wenn gegen das Urteil Berufung zulässig ist, über die Rechtsfolgen der §§ 329 und 330 zu belehren. Ist einem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist der Betroffene auch darüber zu belehren, dass er in jedem Fall frei in seiner Entscheidung ist, ein Rechtsmittel einzulegen.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Mißhandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. Zwang darf nur angewandt werden, soweit das Strafverfahrensrecht dies zuläßt. Die Drohung mit einer nach seinen Vorschriften unzulässigen Maßnahme und das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils sind verboten.

(2) Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträchtigen, sind nicht gestattet.

(3) Das Verbot der Absätze 1 und 2 gilt ohne Rücksicht auf die Einwilligung des Beschuldigten. Aussagen, die unter Verletzung dieses Verbots zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zustimmt.