Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2013 - 3 StR 261/13

bei uns veröffentlicht am26.11.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 261/13
vom
26. November 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
hier: Revisionen der Angeklagten W. , R. und B.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 26. November

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 18. März 2013,
a) soweit es die Angeklagten und den Mitangeklagten K. betrifft, im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagten im Fall II. 3. der Urteilsgründe des Diebstahls in Tateinheit mit Nötigung schuldig sind;
b) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben aa) soweit es die Angeklagten und den Mitangeklagten K. betrifft in den den Fall II. 3. der Urteilsgründe betreffenden (Einzel-)Strafaussprüchen; bb) soweit es die Angeklagten betrifft, im jeweiligen Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe sowie
c) soweit es die Angeklagten W. und R. sowie den Mitangeklagten K. betrifft, im Ausspruch über den Vollzug von Strafe vor der Vollstreckung der Maßregel; insoweit bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten und den Mitangeklagten K. im Fall II. 3. der Urteilsgründe jeweils des schweren Raubes in Tateinheit mit Nötigung "im besonders schweren Fall" schuldig gesprochen. Den Angeklagten W. hat es deswegen und wegen weiterer Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Vollstreckung der Maßregel zu vollziehen ist. Gegen den Angeklagten R. hat es wegen der genannten und weiterer Taten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren erkannt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Vollstreckung der Maßregel zu vollziehen sind. Den Angeklagten B. hat es neben der genannten Tat weiterer Taten schuldig gesprochen und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten K. hat es wegen der genannten Tat auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren erkannt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass sechs Monate der Freiheitstrafe vor der Vollstreckung der Maßregel zu vollziehen sind. Die Angeklagten rügen mit ihren Revi- sionen die Verletzung sachlichen Rechts. Ihre Rechtsmittel führen zur Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 3. der Urteilsgründe, der Aufhebung des jeweiligen Strafausspruchs in diesem Fall sowie der Gesamtfreiheitsstrafen. Diese Rechtsfolgen sind auf den nicht revidierenden Mitangeklagten K. zu erstrecken. Danach kann die bei den Angeklagten W. und R. sowie dem Mitangeklagten K. getroffene Anordnung über den Vorwegvollzug ebenfalls keinen Bestand haben. Im Übrigen sind die Revisionen gemäß den Erwägungen in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen schweren Raubes gemäß §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, denn sie belegen weder die erforderliche Finalität zwischen den eingesetzten Nötigungsmitteln und der Wegnahme noch das Beisichführen einer Waffe.
3
a) § 249 StGB setzt voraus, dass die eingesetzte Gewalt oder Drohung Mittel gerade zur Ermöglichung der Wegnahme ist. Folgt die Wegnahme der Anwendung der Nötigungsmittel zu anderen Zwecken nur zeitlich nach, ohne dass diese finale Verknüpfung besteht, so scheidet ein Schuldspruch wegen Raubes aus. Zwar genügt es, wenn die zunächst zu anderen Zwecken begonnene Gewaltanwendung beim Fassen des Wegnahmevorsatzes fortgesetzt wird. Jedoch enthält das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen La- ge darstellen, die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbstständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben wurde (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 StR 558/12, NStZ 2013, 648 mwN).
4
Nach diesen Maßstäben kommt ein Raub hier nicht in Betracht. Nach den Feststellungen des Landgerichts dienten die von den Angeklagten ausgeübte Gewalt und die ausgesprochenen Drohungen ausschließlich dazu, die Nebenklägerin in erheblicher Weise zu demütigen und zu quälen, nicht aber der Ermöglichung der Wegnahme der Gegenstände aus deren Wohnung. Den dahin gehenden Entschluss fassten die Angeklagten erst im Verlauf des sich lange hinziehenden Tatgeschehens. Die Nebenklägerin duldete schließlich das Wegschaffen ihres Eigentums zwar aus Angst vor weiteren Übergriffen. In diesem Zusammenhang ist jedoch lediglich festgestellt, dass den Angeklagten dieser Umstand bewusst war. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Der erneute Einsatz von - nunmehr final auf die Wegnahme gerichteter – Gewalt lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Ausreichende Feststellungen dahin, dass die Angeklagten, und sei es nur durch schlüssiges Verhalten, zum Zwecke der Wegnahme der Gegenstände auf den Willen der Nebenklägerin einwirkten, indem sie dieser weitere Erniedrigungen deutlich in Aussicht stellten, enthält das Urteil ebenfalls nicht. Damit scheidet die Annahme aus, die zuvor ausgeübte Gewalt habe als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung weitergewirkt.
5
b) Eine Waffe führt im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB bei sich, wer sie in irgendeinem Zeitpunkt vom Ansetzen zur Tat bis zu deren Beendigung bei sich hat. Nicht vorausgesetzt ist, dass der Täter oder Teilnehmer den Gegenstand in der Hand hält oder am Körper trägt; es genügt, wenn dieser sich in Griffweite befindet oder der Beteiligte sich seiner jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen kann. Erforderlich ist weiter, dass der Beteiligte die Waffe bewusst gebrauchsbereit bei sich hat, d.h. mit dem allgemeinen, noch auf keinen bestimmten Zweck gerichteten Bewusstsein, ein funktionsbereites Werkzeug zur Verfügung zu haben, das dazu bestimmt ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 2005 – 4 StR 170/05, NStZ-RR 2005, 340; vom 27. September 2002 – 5 StR 117/02, NStZ-RR 2003, 12,13).
6
Dass dies hier der Fall war, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Danach drohte der Mitangeklagte K. der Nebenklägerin zu Beginn des Tatgeschehens und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Angeklagten den Wegnahmevorsatz noch nicht gefasst hatten, mit einem in deren Küche vorgefundenen kleinen Messer, ihr die Finger abzuschneiden, und forderte sie auf, hierzu ihre Hand auf einen kleinen Küchenschrank zu legen. Nachdem die Nebenklägerin hierauf nicht eingegangen war, verfolgte er dieses Ansinnen nicht weiter und legte das Messer an einem nicht zu klärenden Ort in der Küche ab. Den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass einer der Beteiligten zu irgendeinem späteren Zeitpunkt dem danach irgendwo in der Küche befindlichen Messer auch nur die geringste Beachtung schenkte. Damit ist ein bewusst gebrauchsbereites Beisichführen nicht belegt. Da sich in der Küche einer Wohnung typischerweise Messer befinden, wäre andernfalls praktisch jeder Diebstahl bzw. Raub von Gegenständen aus einer Wohnung nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a bzw. § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB qualifiziert. Damit wäre der Anwendungsbereich der genannten Vorschriften in einer Weise unangemessen ausgedehnt, die ihrem Sinn und Zweck widerspräche.
7
2. Der Senat schließt es mit Blick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden könnten, welche die Voraussetzungen eines schweren Raubes belegen. Er stellt deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch auf Diebstahl in Tateinheit mit Nötigung (§ 242 Abs. 1, § 240 Abs. 1, 2, § 52 StGB) um. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten sich gegen diesen Tatvorwurf nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
8
3. Die Strafkammer hat zwar zu Recht die Voraussetzungen des § 240 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB bejaht. Die Aufnahme dieser Strafzumessungsregelung in den Urteilstenor ist jedoch nicht veranlasst (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 25 mwN).
9
4. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung der Aussprüche über die in Fall II. 3. der Urteilsgründe verhängten Strafen sowie über die Gesamtstrafe. Damit können auch die Anordnungen über die Dauer des Vorwegvollzugs von Strafe vor der Vollziehung der Maßregel keinen Bestand haben ; die insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können allerdings bestehen bleiben. Das neue Tatgericht wird innerhalb des nunmehr anzuwendenden Strafrahmens u.a. die Art der Tatausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat angemessen zu berücksichtigen haben (§ 46 Abs. 2 StGB).
10
5. Die Entscheidung war gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten K. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat, indes von den sachlichrechtlichen Fehlern im Fall II. 3. der Urteilsgründe in gleicher Weise betroffen ist wie die Angeklagten.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Spaniol

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2013 - 3 StR 261/13

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 558/12
vom
8. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach
sowie die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 16. Juli 2012 mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Raub und in weiterer Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung früherer Urteile zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel führt aufgrund der Sachbeschwerde zur Urteilsaufhebung, gemäß § 301 StPO auch zugunsten des Angeklagten.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Angeklagte am 11. September 2011 die Nebenklägerin, als diese in einem zur Tatzeit menschenleeren Geschäftshaus Reinigungsarbeiten vornahm. Er folgte ihr zunächst unbemerkt in den Keller. Als die Nebenklägerin den Angeklagten bemerkte und fragte, was er hier wolle, reagierte er nicht. Die Nebenklägerin bekam Angst und wollte den Keller verlassen, wurde aber vom Angeklagten daran gehindert, indem er sie am Hals packte und so würgte, dass sie kaum noch atmen konnte und ein Schreien unterdrückt wurde. Dann presste der Angeklagte die Nebenklägerin an die Wand des Treppenhauses. Er verlangte, dass sie die Tür eines Abstellraums aufschloss, stieß sie dort hinein und verbot ihr, das Licht anzuschalten. Zwar hörte der Angeklagte nun damit auf, die Nebenklägerin zu würgen; jedoch hatte sie im Verlauf des weiteren Geschehens Angst vor erneuter Gewaltanwendung durch den Angeklagten und fügte sich deshalb seinen Weisungen. Er verlangte von ihr, dass sie sich entkleidete und versuchte den vaginalen sowie analen Geschlechtsverkehr, was ihm zumindest „ansatzweise gelang“. Dabei verursachteer der Geschädigten große Schmerzen. Der Angeklagte verlangte anschließend Oralverkehr, den die Nebenklägerin aus Angst vor Gewalt an ihm vollzog. Hiernach führte er mit ihr vaginalen Geschlechtsverkehr durch. Als der Angeklagte das Licht einschaltete, um sich und der Nebenklägerin das Ankleiden zu ermöglichen, entdeckte er drei goldene Ringe an ihren Händen, die er ihr wegnahm. Die Nebenklägerin ließ auch dies aus Angst vor erneuten Gewalthandlungen durch den Angeklagten geschehen.

II.

3
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet und zwar gemäß § 301 StGB sowohl zugunsten des Angeklagten als auch zu seinen Ungunsten.
4
1. Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts tragen nicht die Verurteilung wegen Raubes. Nach § 249 Abs. 1 StGB wird nur derjenige bestraft, der mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Gewalt oder Drohung müssen dabei Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein (vgl. Senat, Urteil vom 15. Oktober 2003 – 2 StR 283/03, BGHSt 48, 365, 367). Folgt die Wegnahme einer Anwendung von Gewalt zu anderen Zwecken nur zeitlich nach, ohne dass diese finale Verknüpfung besteht , so scheidet ein Schuldspruch wegen Raubes insoweit aus (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1994 – 2 StR 431/94, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Gewalt 7). Zurzeit der Anwendung der Gewalt hatte der Angeklagte aber noch nicht mit der Zielrichtung gehandelt, der Geschädigten Sachen wegzunehmen. Es genügt zwar, wenn die zunächst zu anderen - etwa zu sexuellen - Zwecken begonnene Gewaltanwendung beim Fassen des Wegnahmevorsatzes fortgesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1964 - 1 StR 267/64, BGHSt 20, 32, 33). Dies war hier aber nicht der Fall.
5
Eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben der Geschädigten als anderes Mittel der Wegnahme ist vom Landgericht nicht festgestellt worden. Das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält für sich genommen noch keine Drohung. Zwar kann eine Drohung auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Erforderlich ist dafür jedoch , dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es genügt nicht, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1987 – 4 StR 324/87, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 1). Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen Lage darstellen, die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben wurde.
6
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht weitere Feststellungen treffen kann, die zur Anwendung von § 249 StGB führen.
7
2. Wenn vom neuen Tatgericht ein Raub festgestellt würde, so wäre unter den weiteren Umständen des Falles auch zu erörtern, ob erpresserischer Menschenraub nach § 239a Abs. 1 StGB vorliegt. Diese Tat begeht nicht nur ein Täter, der einen Menschen entführt oder sich seiner bemächtigt, um von Anfang an die Sorge des Opfers um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen , sondern auch derjenige, der die durch eine solche Handlung geschaffene Lage zu einer Erpressung ausnutzt. Raub ist dabei ein speziellerer Tatbestand als (räuberische) Erpressung, der auch die Möglichkeit eines hierauf bezogenen erpresserischen Menschenraubs eröffnet (vgl. Senat, Urteil vom 5. März 2003 – 2 StR 494/02, NStZ 2003, 604 f.).
8
Der Angeklagte kann sich der Geschädigten bemächtigt haben. Dazu muss er die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewonnen, eine stabile Bemächtigungslage geschaffen und diese Lage zu einer Erpressung oder zum Raub ausgenutzt haben. Zwar muss der stabilisierten Bemächtigungslage mit Blick auf das Vermögensdelikt eigenständige Bedeutung zukommen. Damit ist aber nur gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weiter gehende Drucksituation aus der stabilen Bemächtigungslage ergeben haben muss (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 – 3 StR 385/11, NStZ-RR 2012, 173, 174). Dies kommt hier in Betracht und wäre daher vom Tatgericht zu erörtern.

III.

9
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
10
Das zuletzt erkennende Tatgericht ist bei der Festsetzung einer einheitlichen Jugendstrafe nach § 31 JGG unter Einbeziehung früherer Urteile an die dortigen Wertungen nicht gebunden. Es hat eine neue Entscheidung unter Gesamtwürdigung aller Umstände, auch soweit sie sich aus bindenden Tatsachenfeststellungen zum früheren Tatgeschehen ergeben, in eigener Verantwortung zu treffen (vgl. Senat, Urteil vom 30. April 1990 – 2 StR 64/90, BGHSt 37, 34, 39 f.). Die Bezugnahme auf wertende Überlegungen früherer Gerichte begegnet daher Bedenken. Das neue Tatgericht ist frei in seiner Entscheidung über die angemessene Rechtsfolge, auch hinsichtlich der Frage, ob das Jugendstrafrecht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2001 – 1 StR 211/01, NJW 2002, 73, 75) und welche Sanktionsform innerhalb des Jugendgerichtsgesetzes angemessen ist. Auch dabei kann die Annahme des Vorliegens einer dissozialen Persönlichkeitsstörung, die besonderen Therapiebedarf über die erzieherischen Einwirkungen im Jugendstrafvollzug hinaus begründen könnte, von Bedeutung sein.
11
Bei der Bemessung einer nachträglich zu bildenden Einheitsjugendstrafe geht es nicht um das Maß einer Erhöhung der einzubeziehenden Jugendstrafen. Vielmehr sind die früher begangenen Straftaten im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zusammen mit der neuen Tat zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen. Dies gilt auch dann, wenn die früher verhängten Jugendstrafen zwischenzeitlich vollstreckt sind (vgl. Senat, Beschluss vom 31. März 2011 – 2 StR 8/11, StraFo 2011, 288 f.).
Becker Fischer Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 170/05
vom
12. Juli 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu Nr. 1. Diebstahls mit Waffen u. a.
zu Nr. 2. Anstiftung zum Diebstahl mit Waffen u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 12. Juli 2005 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 16. Dezember 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, Nötigung, gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für immer angeordnet. Den Angeklagten F. hat es wegen Anstiftung zum Diebstahl mit Waffen und zur vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen hatten der Angeklagte M. , der "seit vielen Jahren unter einer schweren Alkoholabhängigkeit" leidet, und der Angeklagte F. in der vorangegangenen Nacht und am Vormittag des Tattages in erheblichem Umfang Alkohol getrunken. Dabei hatte der Angeklagte M. zum Öffnen der Bierflaschen den Flaschenöffner an dem von ihm stets in einer Tasche seiner Kleidung mitgeführten Taschenmesser (Klingenlänge etwa 4,5 cm) verwendet. Als die Angeklagten an einem vorübergehend am Fahrbahnrand abgestellten Klein-Lkw vorbeigingen, bemerkte der Angeklagte F. , dass in dem nicht verschlossenen Fahrzeug der Zündschlüssel steckte. Er hatte spontan die Idee, mit dem Fahrzeug auf schnelle und bequeme Weise von W. nach D. zurückgelangen zu können, traute sich jedoch nicht, das Fahrzeug selbst zu entwenden. Er wies den Angeklagten M. , um diesen zur Entwendung des Fahrzeugs zu veranlassen, auf den steckenden Zündschlüssel hin. Um dem Angeklagten F. zu beweisen, dass er im Gegensatz zu diesem "über die nötige Courage verfügte", ging der Angeklagte M. , der keine Fahrerlaubnis hat, zu dem Lkw zurück, stieg ein und fuhr geradeaus davon. Dabei war ihm bewusst, dass er aufgrund seiner erheblichen Alkoholisierung - seine Blutalkoholkonzentration betrug drei Stunden und zehn Minuten nach der Tat noch 2,82 ‰ - nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Nach einer Fahrtstrecke von etwa 60 bis 70 Metern hielt der Angeklagte M. das Fahrzeug am Beginn einer lang gezogenen Linkskurve an, um den Angeklagten F. zusteigen zu lassen. Dem Zeugen G. , der die Ent-
wendung seines Fahrzeugs bemerkt hatte, gelang es, den Lkw einzuholen. Er stellte sich vor den Lkw und legte beide Hände auf die Motorhaube des Fahrzeugs , um eine Weiterfahrt zu unterbinden. Der Angeklagte M. gab zunächst kurz und kräftig Gas, um dem Zeugen Angst einzuflössen und ihn zu veranlassen, den Weg freizugeben. Als der Zeuge darauf nicht reagierte, fuhr der Angeklagte M. mit heulendem Motor ruckartig und zügig an. Er wollte den Zeugen G. "zwar nicht gezielt anfahren", rechnete aber damit, dass dieser von der Vorderfront des Lkw erfasst werden könnte, und nahm dies "jedenfalls billigend in Kauf". Der Zeuge G. , der versuchte auszuweichen, wurde vom Lkw erfasst, zur Seite weggeschleudert und erlitt in Folge des Sturzes Prellungen und Schürfwunden. Der Angeklagte M. setzte seine Fahrt fort, weil er sich "fluchtartig vom Ort des Geschehens entfernen wollte“. Nach einer Fahrtstrecke von 150 bis 200 Metern stellte er den Lkw mit laufendem Motor auf einer Garagenzufahrt eines Grundstücks ab, weil die Angeklagten nach Entdeckung des Diebstahls und wegen des Unfalls mit der umgehenden Einleitung einer Fahndung rechneten und die Fortsetzung der Flucht mit dem Lkw deshalb für zu riskant hielten.

II.


Das Urteil hat insgesamt keinen Bestand.
1. Die Verurteilung des Angeklagten M. begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit es die Schuldsprüche wegen Diebstahls mit Waffen und vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und die Beurteilung der Konkurrenzen betrifft.

a) Dass der Angeklagte M. bei dem Diebstahl des Lkw den Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB verwirklicht hat, ist durch bisherige Feststellungen nicht belegt.
Allerdings steht die Annahme des Landgerichts, dass ein Taschenmesser ein sonstiges gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift ist, im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach sind Messer, sofern sie nicht schon dem Waffenbegriff unterfallen, generell als "gefährliche Werkzeuge" einzustufen (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 265 m.w.N.). Ob dies grundsätzlich ungeachtet der Größe und der eigentlichen Bestimmung als Gebrauchsgegenstand eines solchen Messers auch für Taschenmesser in der Art von Schweizer Offiziersmessern gilt (vgl. BGHSt 43, 266, 268 zu § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG; vgl. auch BayObLGSt 2000, 38, 39; OLG Schleswig NStZ 2004, 212, 214) oder ob es im Hinblick darauf, dass sich das Mitsichführen eines solchen Taschenmessers als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens als sozialadäquates Verhalten darstellt, einer einschränkenden Auslegung des Begriffs des gefährlichen Werkzeuges im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB bedarf (vgl. OLG Braunschweig NJW 2002, 1735; OLG Frankfurt StV 2002, 145; für (kleinere) Taschenmesser ausdrücklich offen gelassen in BGH StV 2002, 191, NStZ-RR 2003, 12; zu den hierzu vertretenen Lösungsansätzen vgl. Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 244 Rdn. 8 ff.), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte M. das Messer im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB bei sich geführt hat.
Zwar hat das Landgericht festgestellt, dass sich die Angeklagten bei der Tatausführung dessen bewusst waren, dass der Angeklagte M. sein Ta-
schenmesser in einer Tasche seiner Kleidung bei sich hatte. Hierzu hätte es aber näherer Ausführungen bedurft, denn das Tatbestandsmerkmal des "Beisichführens" ist nur dann erfüllt, wenn der Täter das gefährliche Werkzeug bei der Tatausführung "bewusst gebrauchsbereit" bei sich hatte (vgl. BGH NStZRR 2003, 12, 13 m.w.N.). Ein entsprechendes Bewusstsein liegt aber beim Beisichführen eines Taschenmessers mit einer Klingenlänge von nur 4, 5 cm namentlich dann, wenn ein solches Messer – wie hier festgestellt – vor der spontan begangenen Tat „ständig“ (nur) zum Öffnen von Bierflaschen benutzt wurde, nicht auf der Hand (vgl. BGH aaO m.w.N.). Hinsichtlich der subjektiven Tatseite hätte es zudem einer Auseinandersetzung damit bedurft, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten M. alkoholbedingt erheblich vermindert war.

b) Auch die Annahme einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen ergeben nämlich nicht, dass die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Angeklagten M. ursächlich für die Gefährdung des Tatopfers im Sinne des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB war. Vielmehr hat der Angeklagte den Lkw bewusst und gezielt eingesetzt , um den Zeugen G. zu veranlassen, ihm den Weg freizugeben und dabei mögliche Verletzungen des Zeugen billigend in Kauf genommen. Bei einer solchen Sachlage scheidet die Annahme einer Straßenverkehrsgefährdung neben dem hier vorliegenden vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315 b StGB aus (vgl. BGHR StGB § 315 c Konkurrenzen 1). Soweit es die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Angeklagten M. betrifft, ist deshalb nur eine vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB gegeben.

c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die Annahme zweier rechtlich selbstständiger Taten des Angeklagten M. . Das Landgericht hat zwar, was den Angeklagten nicht beschwert, eine Strafbarkeit wegen schweren räuberischen Diebstahls gemäß § 252 i.V.m. §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verneint, weil zu Gunsten des Angeklagten M. davon auszugehen sei, dass er die Fahrt mit dem Lkw allein in dem Bestreben fortsetzte, sich durch rasche Flucht einer Identifizierung als Fahrzeugdieb und sofortigen oder späteren Ergreifung zu entziehen. Wird aber eine solche Absicht lediglich nach dem Zweifelsgrundsatz verneint, ist bei der Beurteilung der Konkurrenzen in erneuter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes von einer solchen Absicht auszugehen und Tateinheit zwischen allen bis zur Beendigung des Diebstahls verletzten Strafgesetzen anzunehmen (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 1), weil Handlungen, die nach der rechtlichen Vollendung eines Diebstahls, aber vor seiner tatsächlichen Beendigung vorgenommen werden und zugleich weitere Strafgesetze verletzen, Tateinheit begründen, wenn sie (auch) der von § 252 Abs. 1 StGB vorausgesetzten Absicht dienen (vgl. BGH StraFo 1999, 100, 101 m.w.N.).
2. Die Verurteilung des Angeklagten F. begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken nur, soweit ihn das Landgericht der Anstiftung zum Diebstahl mit Waffen schuldig gesprochen hat, weil aus den oben genannten Gründen nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist, dass dieser den Angeklagten M. dazu bestimmen wollte, das Taschenmesser bei dem Diebstahl im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB bei sich zu führen. Im übrigen ist die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Angeklagten M. zum Diebstahl und zur vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr angestiftet, entgegen der Auffassung der Revision rechtlich nicht zu beanstanden.

3. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils. Zur Vermeidung von Widersprüchen werden auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufgehoben.
4. Der neue Tatrichter wird bei der erneuten Prüfung einer Strafbarkeit des AngeklagtenM. wegen eines tateinheitlich begangenen (schweren) räuberischen Diebstahls zu beachten haben, dass die gemäß § 252 Abs. 1 StGB erforderliche Absicht, sich den Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, nicht der einzige Beweggrund des Täters für die Gewaltanwendung oder den Einsatz des Nötigungsmittels sein muss, sondern dass tatbestandsmäßig im Sinne der genannten Vorschrift auch handelt, wer sich der Strafverfolgung entziehen, gleichzeitig aber auch das Diebesgut verteidigen will (vgl. BGH NStZ 2000, 530, 531 m.w.N.). Dies kann insbesondere dann nahe liegen, wenn aus der Sicht des Täters – wie hier - das entwendete Fahrzeug zunächst weiterhin benötigt wird, um sich einen Vorsprung zu verschaffen.
Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte M. nach den bisherigen Feststellungen "seit vielen Jahren unter einer schweren Alkoholabhängigkeit" leidet , wird bei der Prüfung einer Versagung der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu beachten sein, dass sie dann nicht in Betracht
kommt, wenn der Täter aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weitgehend beherrschenden Hanges trinkt (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 33, 35).
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanovi? RiBGH Dr. Ernemann ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Maatz
5 StR 117/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 27. September 2002
in der Vorlegungssache
gegen
wegen Diebstahls
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. September 2002

beschlossen:
Die Sache wird an das Oberlandesgericht Braunschweig zu- rückgegeben.
G r ü n d e In der Vorlegungssache geht es um die Frage, ob in § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB der Tatbestand des Beisichführens eines „anderen gefährlichen Werkzeugs“ erfüllt ist, wenn der Täter eines Diebstahls das Tatmittel bei sich trägt, oder ob hinzukommen muß, daß er es zur Bedrohung oder Verletzung von Personen bestimmt hat.

I.


1. Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
„Am 24. April 2001 hat der Angeklagte in Braunschweig das Kaufhaus der Firma K AG in der Schuhstraße betreten, um dort drei Herrenhosen zu entwenden. Zuvor hatte er erhebliche Mengen von Wodka getrunken. Der Angeklagte steckte in der Firma K AG drei Herrenhosen der Marke ‚Pierre Gardan‘ im Gesamtwert von 469,85 DM in eine extra zu diesem Zwecke mitgeführte Plastiktasche. Die Plastiktasche war zuvor so präpariert worden, daß die Sicherungsetiketten bei Passieren der Sicherungsschranke keinen Alarm auslösten. Ohne die drei Hosen zu bezahlen, verließ der Angeklagte die Geschäftsräume, um die Hosen seines Vorteils wegen zu behal-
ten. Nach Verlassen der Geschäftsräume wurde der Angeklagte von einem Detektiv angesprochen; die Hosen konnten sichergestellt und der Firma K wieder ausgehändigt werden.
Während der Tatausführung trug der Angeklagte in der linken Hosentasche seiner Bekleidung ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von ca. 8 cm bei sich.
Eine Blutalkoholbestimmung wurde beim Angeklagten nicht vorgenommen.“
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Sprungrevision eingelegt. Im Rahmen der erhobenen Sachrüge wird geltend gemacht, daß nach der durch das Sechste Strafrechtsreformgesetz mit Wirkung vom 1. April 1998 erfolgten Neufassung des § 244 StGB der Begriff des „anderen gefährlichen Werkzeugs“ im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB nicht nach der Definition ausgelegt werden dürfe, wie sie für § 223a StGB aF gegolten habe. Ein „ordinäres Taschenmesser“ sei kein gefährliches Werkzeug im Sinne der neuen Vorschrift.
Das Oberlandesgericht Braunschweig hält es in Übereinstimmung mit der Revision für erforderlich, das Tatbestandsmerkmal „anderes gefährliches Werkzeug“ einschränkend auszulegen. Wenn unter einem gefährlichen Werkzeug wie bei der gefährlichen Körperverletzung ein Gegenstand zu verstehen wäre, der nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet sei, erhebliche Verletzungen hervorzurufen, so sei das zu weitgehend. Bei Gegenständen , die konstruktionsbedingt nicht zur Verletzung von Personen bestimmt sind, sondern jederzeit in sozial adäquater Weise bei sich geführt werden können, müsse noch hinzukommen, daß der Täter den Gegenstand generell – von der konkreten Tat losgelöst – zur Bedrohung oder Verletzung von Personen bestimmt habe. Anderenfalls bestünde die Gefahr, auch denjenigen Täter eines einfachen Diebstahls nach § 244 StGB zu bestrafen, der einen
derartigen Gegenstand in sozial adäquater Weise zum normalen Gebrauch ständig bei sich führt und hieran bei der Ausführung eines einfachen Diebstahls gar nicht denke oder sich zumindest der Möglichkeit einer gefährlichen Verwendung gar nicht bewußt sei.
An der beabsichtigten Entscheidung – Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts und Zurückverweisung der Sache – sieht sich das Oberlandesgericht Braunschweig durch ein Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12. April 2000 (StV 2001, 17) gehindert. Dessen Leitsatz lautet: „Trägt der Dieb während der Tatausführung ein zusammengeklapptes Taschenmesser in seiner Hosentasche, begeht er einen Diebstahl, bei dem er ein gefährliches Werkzeug bei sich führt“.
Das Oberlandesgericht Braunschweig hat deshalb beschlossen:
„Die Sache wird dem Bundesgerichtshof vorgelegt zur Entscheidung folgender Rechtsfrage: Ist das Tatbestandsmerkmal des ‚anderen gefährlichen Werkzeugs‘ i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB nur als objektiv gefährliches Tatmittel auszulegen, das nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen, oder muß bei Gegenständen, die konstruktionsbedingt nicht zur Verletzung von Personen bestimmt sind, sondern jederzeit in sozial adäquater Weise von Jedermann bei sich geführt werden können (wie z.B. ein Taschenmesser), noch hinzukommen, daß der Täter den Gegenstand generell – von der konkreten Tat losgelöst – zur Bedrohung oder Verletzung von Personen bestimmt hat?“
2. Der Generalbundesanwalt hält die Vorlegungsvoraussetzungen für nicht gegeben. Er hat deswegen beantragt zu beschließen:
Die Sache wird an das Oberlandesgericht Braunschweig zurückgegeben.

II.


Die Sache wird an das Oberlandesgericht Braunschweig zurückgegeben ; das vorlegende Oberlandesgericht ist an der beabsichtigten Entscheidung durch den Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts nicht gehindert.
Die Vorlegungsfrage, die die Auslegung des Merkmals „ein anderes gefährliches Werkzeug“ im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB betrifft, ist nicht entscheidungserheblich.
Eine Verurteilung des Angeklagten nach dieser Vorschrift könnte – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat – nur dann in Betracht kommen, wenn der Angeklagte das Taschenmesser bewußt gebrauchsbereit bei sich hatte (vgl. BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 2; BGH NStZ-RR 1997, 50, 51; StV 2002, 191; BayObLGSt 1999, 46, 48; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 244 Rdn. 6). Nur dann ist das Tatbestandsmerkmal des „Beisichführens“ erfüllt. Das Amtsgericht Braunschweig als insoweit maßgebliches Tatgericht (vgl. BGHSt 31, 314, 315; Hannich in KK 4. Aufl. § 121 GVG Rdn. 35) hat dazu entsprechende Feststellungen nicht getroffen. Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt:
„Ausdrückliche Darlegungen dahingehend, daß der Angeklagte sich zum Zeitpunkt der Tatausführung bewußt war, daß er das Taschenmesser bei sich hatte, enthält das tatrichterliche Urteil nicht. Ein entsprechendes Bewußtsein liegt beim Beisichführen von Messern dieser Art auch nicht auf der Hand (vgl. Senat in NStZ-RR 1997, 50, 51; RG JW 1932, 952, 953; Kindhäuser StV 2001, 18, 19).
Ferner läßt sich diese Lücke im Urteil nicht unter Heranziehung der Gründe insgesamt schließen. Zwar wird im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, daß die Feststellungen auf den Angaben des Angeklagten beru-
hen (vgl. Bl. 55 d. SA); dies belegt aber nur, daß der Angeklagte im Zeitpunkt der Hauptverhandlung eingeräumt hat, daß das Taschenmesser sich zum Zeitpunkt der Tat in seiner Hosentasche befand. Ob er dies zum Zeitpunkt der Tat zumindest billigend in Kauf genommen hatte, bleibt weiterhin offen ...
Sind die gebotenen Darlegungen aber unzureichend, so fehlt die Grundlage für eine Entscheidung im Vorlegungsverfahren. Die Sache ist dann dem Oberlandesgericht zurückzugeben (vgl. BGHSt 28, 72, 74; 36, 389, 391).
Hält das vorlegende Gericht die tatrichterlichen Feststellungen allerdings in vertretbarer Weise für ausreichend, so hat auch der Bundesgerichtshof diese seiner Prüfung zugrunde zu legen (vgl. KK-Hannich, a.a.O.; BGHSt 22, 385, 386).
Eine solche Konstellation ist hier aber nicht gegeben.
Vielmehr belegt die Begründung des Vorlegungsbeschlusses (S. 6 unten, 7 – Bl. 93, 94 d. SA), daß das Oberlandesgericht Braunschweig die Feststellung eines entsprechenden „Bewußtseins“ des Täters für nicht erforderlich angesehen hat. Es ist damit erkennbar der Meinung, daß eine Strafbarkeit auch ohne das subjektive Merkmal der bewußten Gebrauchsbereitschaft begründet ist. Diese Rechtsansicht ist indes unvertretbar und nicht geeignet, den Senat zu binden.
Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zum Tatbestandsmerkmal des ‚Beisichführens‘ tragen den Schuldspruch nicht. Ein neuer Tatrichter könnte zu dem Ergebnis kommen, dem Angeklagten sei nicht nachzuweisen , daß er das Taschenmesser bewußt gebrauchsbereit bei sich gehabt habe.
Eine solche Würdigung schließt aber die Erfüllung des Tatbestandes des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB aus, ohne daß es noch darauf ankäme, ob das Taschenmesser als ‚gefährliches Werkzeug‘ im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB anzusehen ist. Die Beurteilung der Frage, ob ein Taschenmesser ein gefährliches Tatmittel ist, ist demnach für die Sachbehandlung im übrigen nicht vorgreiflich. Demgemäß kann auch nicht angenommen werden, daß das Oberlandesgericht Braunschweig die von ihm vorgelegte Rechtsfrage im Rahmen eines aufhebenden Beschlusses mitzuentscheiden hätte (vgl. Senat in BGHSt 3, 234, 235; BGH NJW 1961, 1487).“
Dem schließt sich der Senat an.
Harms Raum Brause Schaal Hubert

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.