Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Okt. 2019 - 3 StR 261/19

bei uns veröffentlicht am31.10.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 261/19
vom
31. Oktober 2019
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 31. Oktober 2019 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 21. Januar 2019 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2019:311019B3STR261.19.0

Ergänzend bemerkt der Senat:
Die auf § 338 Nr. 7 StPO i.V.m. § 275 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StPO gestützte Verfahrensrüge ist unbegründet. Das Urteil des Landgerichts ist ordnungsgemäß unterschrieben worden. Der innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO angebrachte Verhinderungsvermerk weist aus, dass Richter am Landgericht K. wegen der am 1. Februar 2019 angetretenen Elternzeit an der Unterschrift gehindert war. Damit genügt der Vermerk den Anforderungen des § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO. Insoweit gilt:
Wurde eine Verhinderung fristgerecht beurkundet und auf einen diese grundsätzlich tragenden Grund gestützt, kann das Revisionsgericht diese Entscheidung lediglich daraufhin überprüfen, ob dabei der eingeräumte Spielraum in rechtsfehlerhafter Weise überschritten ist oder die Annahme der Verhinderung auf sachfremden Erwägungen beruht und sie sich deshalb als willkürlich erweist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. Mai 2016 - 1 StR 352/15, NStZ-RR 2016, 286 mwN). Gemessen hieran ist das Urteil des Landgerichts ordnungsgemäß unterschrieben worden.
Der Verhinderungsvermerk des Vorsitzenden benennt einen generell tragenden Verhinderungsgrund. Die Elternzeit ist geeignet, den mitwirkenden Richter an der Unterschrift zu hindern. Erwerbstätige Eltern, die ihr Kind selbst betreuen und erziehen, haben Anspruch auf Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (für niedersächsische Richterinnen und Richter vgl. § 2 Abs. 1 NRiG i.V.m. § 81 NBG i.V.m. § 6 MuSchEltZV). Dienstgeschäfte, zu denen auch die Unterzeichnung eines Strafurteils zählt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 2 StR 331/10, NStZ 2011, 358; KK-Greger, StPO, 8. Aufl., § 275 Rn. 29), können dem Richter in der Elternzeit nicht abverlangt werden, denn ihre Inanspruchnahme hat eine Befreiung von der Dienst- bzw. Arbeitspflicht - ohne Fortzahlung der Bezüge - zur Folge (vgl. ErfK/Gallner, 19. Aufl., BEEG § 15 Rn. 10, 25). Die Elternzeit mit ihren
intensiven Aufsichts- und Betreuungspflichten bei Kindern in den ersten Lebensjahren ist damit ein vorübergehender rechtlicher und tatsächlicher Hinderungsgrund und - ebenso wie genehmigter Erholungsurlaub (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 1998 - 1 StR 88/98, StV 1998, 477, 478; MüKoStPO/Valerius, 1. Aufl., § 275 Rn. 30; BeckOK StPO/Peglau, § 275 Rn. 31) - generell geeignet, den Richter von der Unterschriftsleistung abzuhalten, zumal die Unterschrift regelmäßig das Lesen, unter Umständen das Überarbeiten und gegebenenfalls eine Fassungsberatung voraussetzt. Die theoretische Möglichkeit einer Teilzeiterwerbstätigkeit nach § 15 Abs. 4 BEEG ändert daran nichts, zumal eine solche weder nach dem Vermerk des Vorsitzenden des Landgerichts ersichtlich ist, noch von der Revision behauptet wird.
Schäfer Wimmer Hoch
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Anstötz befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben.
Schäfer Erbguth

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Okt. 2019 - 3 StR 261/19

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Okt. 2019 - 3 StR 261/19

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit


Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 15 Anspruch auf Elternzeit


(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Elternzeit, wenn sie1.a)mit ihrem Kind,b)mit einem Kind, für das sie die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Absatz 3 oder 4 erfüllen, oderc)mit einem Kind, das sie in Vollzeitpflege nach § 33 d

Strafprozeßordnung - StPO | § 275 Absetzungsfrist und Form des Urteils


(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hau
Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Okt. 2019 - 3 StR 261/19 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit


Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 15 Anspruch auf Elternzeit


(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Elternzeit, wenn sie1.a)mit ihrem Kind,b)mit einem Kind, für das sie die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Absatz 3 oder 4 erfüllen, oderc)mit einem Kind, das sie in Vollzeitpflege nach § 33 d

Strafprozeßordnung - StPO | § 275 Absetzungsfrist und Form des Urteils


(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hau

Mutterschutz- und Elternzeitverordnung - MuSchEltZV | § 6 Anwendung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes


Beamtinnen und Beamte haben Anspruch auf Elternzeit ohne Dienst- oder Anwärterbezüge entsprechend des § 15 Absatz 1 bis 3 sowie der §§ 16 und 28 Absatz 1 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes.

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2010 - 2 StR 331/10

bei uns veröffentlicht am 27.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 331/10 vom 27. Oktober 2010 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 27.

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Mai 2016 - 1 StR 352/15

bei uns veröffentlicht am 11.05.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 352/15 vom 11. Mai 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen zu 1.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a. zu 2. bis 4.: Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2016:110516B1STR352.15.0 Der 1. Strafsenat des Bund

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Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 352/15
vom
11. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
zu 2. bis 4.: Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2016:110516B1STR352.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2016 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 4. Dezember 2014 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1
1. Die von den Angeklagten B. , Ba. und D. erhobenen Rügen der Verletzung von § 338 Nr. 7 i.V.m. § 275 Abs. 1 und 2 StPO dringen unter keinem der durch die jeweilige Angriffsrichtung der Verfahrensbeanstandungen erfassten Aspekte durch.
2
a) Eine Verletzung von § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO liegt nicht vor. Das Urteil ist innerhalb der bis zum 5. Februar 2015 laufenden Frist vollständig abgesetzt worden. Ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle (§ 275 Abs. 1 Satz 5 StPO) auf dem zu den Akten gelangten Urteil ist dieses am 27. Januar 2015 und damit vor Ablauf der am 5. Februar 2015 endenden Absetzungsfrist dort eingegangen. Es trägt die Unterschriften der Vorsitzenden und eines der beiden beisitzenden Richter. Bezüglich des weiteren Beisitzers hat die Vorsitzende auf dieser Urteilsurkunde einen Verhinderungsvermerk angebracht, nach dem der betreffende Richter wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert ist.
Durch den Vermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist die Einhaltung der Absetzungsfrist belegt, auch wenn es sich bei dem Vermerk gemäß § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO nicht um die einzige Weise handelt, durch die der Nachweis der Fristwahrung erbracht werden kann (BGH, Beschluss vom 21. April 2015 – 1 StR 555/14 Rn. 7).
3
Dem Nachweis der Einhaltung der Absetzungsfrist steht nicht entgegen, dass die den Verteidigern zunächst zugestellten Urteilsausfertigungen den auf dem Urteilsoriginal vorhandenen Verhinderungsvermerk nicht erkennen ließen. Anhaltspunkte für eine erst nachträgliche Anbringung dieses Vermerks und eine damit inhaltlich unrichtige Beurkundung sind nicht ersichtlich. Dienstliche Erklärungen über den Zeitpunkt der Anbringung des Verhinderungsvermerks und den Grund für die zunächst erfolgte Zustellung von diesen nicht enthaltenden Urteilsausfertigungen waren daher nicht einzuholen.
4
b) Soweit die Revisionen der genannten Angeklagten zudem eine Verletzung von § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO beanstanden, bleiben diese ebenfalls ohne Erfolg.
5
aa) Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit der jeweiligen Rügen , weil diese nicht sämtliche tatsächlichen Umstände vortragen, aus denen sich ein Verstoß der Vorsitzenden gegen § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO ergeben soll.
6
bb) Jedenfalls sind die Beanstandungen unbegründet.

7
(1) Nach in der Sache übereinstimmender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dem Vorsitzenden ein Spielraum hinsichtlich der Annahme der Verhinderung eines Beisitzers aus tatsächlichen Gründen zu (vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 1983 – 1 StR 757/82, BGHSt 31, 212, 215; vom 23. Oktober 1992 – 5 StR 364/92, NStZ 1993, 96; BGH, Beschluss vom 14. September 2011 – 5 StR 331/11, BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 8 sowie Beschluss vom 27. Oktober 2010 – 2 StR 331/10, NStZ 2011, 358 f.). Teils wird dieser Spielraum als Ausübung pflichtgemäßen Ermessens verstanden (BGH, Urteile vom 18. Januar 1983 – 1 StR 757/82, BGHSt 31, 212, 215; vom 23. Oktober 1992 – 5 StR 364/92, NStZ 1993, 96), teils als Beurteilungsspielraum gedeutet (BGH, Beschlüsse vom 14. September 2011 – 5 StR 331/11, BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 8 und vom 27. Oktober 2010 – 2 StR331/10, NStZ 2011, 358 f.). Ungeachtet der Unterschiede in den Formulierungen besteht in der Sache Einigkeit darüber, dass der im Verhinderungsvermerk genannte Grund generell geeignet sein muss, den Richter von der im Gesetz als Grundsatz vorgesehenen Unterschriftsleistung (§ 275 Abs. 2 Satz 1 StPO) abzuhalten (BGH, Urteile vom 18. Januar 1983 – 1 StR 757/82, BGHSt 31, 212, 215 und vom 23. Oktober 1992 – 5 StR 364/92, NStZ 1993, 96). Durch Urlaub eines Richters bedingte Abwesenheit stellt einen solchen Grund dar (siehe nur BGH, Beschluss vom 14. September 2011 – 5 StR 331/11, BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 8; Greger in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 275 Rn. 33 mwN; Frister in Systematischer Kommentar zur StPO, 4. Aufl., Band V, § 275 Rn. 35). Ob im konkreten Fall ein generell geeigneter Grund zur Verhinderung eines an der Urteilsfindung beteiligten Richters führt, obliegt der Beurteilung des Vorsitzenden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 – 1 StR 757/82, BGHSt 31, 212, 215).
8
Wurde – wie vorliegend – eine Verhinderung fristgerecht beurkundet und auf einen diese grundsätzlich tragenden Grund gestützt, kann das Revisionsgericht die Entscheidung des Vorsitzenden lediglich daraufhin überprüfen, ob dabei der eingeräumte Spielraum in rechtsfehlerhafter Weise überschritten ist oder die Annahme der Verhinderung auf sachfremden Erwägungen beruht und sie sich deshalb als willkürlich erweist (BGH, aaO BGHSt 31, 212, 214; BGH, Urteil vom 23. Oktober 1992 – 5 StR 364/92, NStZ 1993, 96; BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 3 StR 56/11 Rn. 13; Greger in Karlsruher Kommentar zur StPO, aaO, § 275 Rn. 70; Frister in Systematischer Kommentar zur StPO, aaO, § 275 Rn. 47 i.V.m. Rn. 33). Diese Voraussetzungen sind auf der Grundlage der von den Revisionen vorgetragenen tatsächlichen Umstände nicht gegeben.
9
(2) Soweit die von Rechtsanwältin Be. begründete Revision des Angeklagten B. geltend macht, bereits bei einer anderen Gestaltung der Hauptverhandlungstermine hätte die Vorsitzende eine Unterschriftsleistung durch den urlaubsabwesenden Richter ermöglichen können, zeigt sie damit sachfremde Erwägungen oder eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums nicht auf. Die Vorsitzende war auch nicht gehalten, mit der Anbringung eines Verhinderungsvermerks bis zum Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist zu warten, um gegebenenfalls dem zu diesem Zeitpunkt urlaubsabwesenden Beisitzer noch eine Unterschriftsleistung zu ermöglichen. Es handelt sich um eine Höchstfrist, deren Zweck darin besteht, der „Erfahrung nachlassenderErinnerung“ zu begegnen und eine möglichst frische Erinnerung an die Ergebnisse der Hauptverhandlung und der Beratung zu sichern (BGH, Beschluss vom 21. April 2015 – 1 StR 555/14 Rn. 12 mwN). Dies darf in die Entscheidung, einen Verhinderungsvermerk vor Ausschöpfung der Absetzungsfrist anzubringen, einbezogen werden.
10
(3) Stützt sich der Vermerk auf einen generell die Verhinderung tragenden Grund, bedarf es keiner näheren Ausführungen des Vorsitzenden zu den Umständen der Verhinderung (BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 – 1 StR 757/82, BGHSt 31, 212, 215; Greger in Karlsruher Kommentar zur StPO, aaO, § 275 Rn. 36; siehe auch Foth NStZ 2011, 359).
11
cc) Wollten die Revisionen weitergehend Umstände geltend machen, aus denen sich eine rechtsfehlerhafte Überschreitung des Spielraums der Vorsitzenden oder der Einbeziehung sachfremder Erwägungen ergeben soll, wäre dazu substantiierter und schlüssiger Vortrag erforderlich gewesen (BGH, aaO; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1992 – 5 StR 364/92, NStZ 1993, 96). Daran fehlt es.
12
dd) Die Revisionen haben auch mit der Beanstandung, die Vorsitzende habe entgegen § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO keine ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen getroffen, um die Unterzeichnung des Urteils durch den urlaubsabwesenden Beisitzer zu ermöglichen, keinen Erfolg.
13
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat eine solche Pflicht bis- lang für den Fall „zulässiger Ausschöpfung“ der Frist aus § 275 Abs. 1 StPO angenommen (BGH, Beschlüsse vom 26. April 2006 – 5 StR 21/06, NStZ 2006, 586 f. und vom 8. Juni 2011 – 3 StR 95/11 Rn. 14 mit zahlr. Nachw.). Dabei handelte es sich jeweils um Konstellationen, in denen die (mögliche) Verhinderung eines an der Entscheidung mitwirkenden Richters auf dessen mittlerweile erfolgten Versetzung bzw. Abordnung an ein anderes Gericht beruhte (so auch in der BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2010 – 2 StR 331/10, NStZ 2011, 358 f. zugrunde liegenden Verfahrenslage). Die für eine derartige Pflicht in den Fällen der Abordnung oder Versetzung angeführten Gründe (vgl. BGH, jeweils aaO) lassen sich auf die Inanspruchnahme von Urlaub durch den betroffenen Richter nicht übertragen.
14
Im Übrigen darf das Aufstellen einer Pflicht des Vorsitzenden, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die eine Unterschriftleistung durch sämtliche an der Entscheidung mitwirkenden Berufsrichter ermöglichen, nicht zu einer Veränderung des zuvor dargelegten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs hinsichtlich der Annahme tatsächlicher Verhinderung führen. Ist das Revisionsgericht insoweit auf eine Willkürkontrolle beschränkt (Rn. 7 und 8), kann es nicht berechtigt sein, mittels bis ins Einzelne gehender Kontrolle ergriffener (oder unterlassener) organisatorischer Maßnahmen die angenommene Verhinderung unterhalb der – mit einer entsprechenden Verfahrensrüge vorzutragender – Schwelle sachfremder Erwägungen oder einer rechtsfehlerhaften Überschreitung des Spielraums des Vorsitzenden zu überprüfen. Sollte der Beschluss des 2. Strafsenats vom 27. Oktober 2010 (2 StR 331/10, NStZ 2011, 358 f.) so zu verstehen sein, dass das Revisionsgericht anhand von Aspekten wie etwa dem Umfang des fraglichen Urteils, dem bis zum Ablauf der Absetzungsfrist noch zur Verfügung stehenden Zeitraum o.ä. (vgl. BGH, aaO NStZ 2011, 358) vollumfänglich eigenständig die tatsächliche Verhinderung des betroffenen Richters prüfen darf, würde der Senat dem auch für Fälle der Versetzung oder Abordnung nicht folgen wollen. Denn ein derartiger, auf die rechtsmittelgerichtliche Kontrolle organisatorischer Maßnahmen des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts bezogener Prüfungsmaßstab ist mit dem bislang in der Rechtsprechung zu Recht angenommenen Umfang der revisionsgerichtlichen Überprüfung von Beurteilungen des Vorsitzenden über die tatsächliche Verhinderung nicht vereinbar (vgl. Foth NStZ 2011, 359).
15
2. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten A. wegen Geldwäsche und wegen versuchter Geldwäsche in den Fällen D.II. Tatkomplex 4, Taten 22 und 23 der Urteilsgründe.
16
Der Angeklagte hat bei der Tat 22 einem anderen, dem gesondert verfolgten Ak. , durch die seitens des M. an Ak. geleisteten Zahlungen in einer Gesamthöhe von 15.000 Euro (UA S. 105 f.) einen „Gegenstand“ (vgl. § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB) verschafft (§ 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB), der aus einer von § 261 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 4 Buchst. b) erfassten Vortat stammte, nämlich einer bandenmäßig begangenen Steuerhinterziehung von französischer Biersteuer (§ 370 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. Abs. 6 AO). Als „Gegenstand“ im Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB gelten gemäß § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in den Fällen gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung auch die durch eine solche Tat ersparten Aufwendungen. Um solche handelt es sich hier, weil der zur Zahlung veranlasste M. durch unrichtige Steuererklärungen gegenüber den zuständigen französischen Finanzbehörden von ihm geschuldete Biersteuer nicht entrichtet hatte. Die durch Mitwirkung des Angeklagten seitens M. an Ak. geleisteten Beträge rührten auch aus den Vortaten der bandenmäßigen Steuerhinterziehung her. Denn dafür genügt es bereits, dass zwischen dem „Gegenstand“ und der Vortat ein Kausalzusammenhang besteht, der „Gegenstand“ also seine Ursache in der rechtswidrigen Tat hat (siehe nur BGH, Be- schluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 4/09, BGHSt 53, 205, 209 Rn. 13). So verhält es sich hier. M. verfügte über entsprechende Gelder, weil er in großem Umfang Bier von Frankreich in das Vereinigte Königreich veräußerte bzw. veräußern ließ, ohne die dafür geschuldete französische Biersteuer zu entrichten.
17
Entsprechendes gilt bei der Tat 23 hinsichtlich derjenigen Geldbeträge, die der Angeklagte und Ak. zugunsten des gesondert Verfolgten Al. bei dem V. , der ebenfalls unversteuert Bier von Frankreich aus in das Vereinigte Königreich lieferte und dort veräußerte, erfolglos einforderten.
Raum Jäger Radtke
Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 331/10
vom
27. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. Oktober 2010 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten P. und K. wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 17. Februar 2010 - soweit es diese Angeklagten betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte diese beiden Angeklagten in einem ersten Urteil wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 132 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren ( K. ) bzw. einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten (P. ) verurteilt.
2
Nach Aufhebung dieses Urteils nur in den Strafaussprüchen durch Beschluss des Senats vom 29. Juli 2009 - 2 StR 91/09 - hat das Landgericht Kassel aufgrund einer am zweiten Verhandlungstag erfolgten Verständigung gegen den Angeklagten K. nunmehr eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie gegen den Angeklagten P. eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verhängt.
3
Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Zu Recht rügen die Beschwerdeführer den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO, weil die gesetzliche Frist von fünf Wochen , in der das vollständige Urteil zu den Akten gebracht werden muss, nicht eingehalten worden ist (§ 275 Abs. 1 Satz 2 StPO).

I.

4
Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
5
An der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten vor der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Kassel nahmen als berufsrichterliche Mitglieder der Vorsitzende Richter am Landgericht D. , der Richter am Landgericht B. als Berichterstatter und der Richter S. teil. Das - am 17. Februar 2010 verkündete - schriftliche Urteil ist zwar bereits am 11. März 2010 und damit vor Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist am 24. März 2010 bei der Geschäftsstelle eingegangen. Es war jedoch nicht vollständig, weil es nur von zwei Berufsrichtern, dem Vorsitzenden und dem Berichterstatter, unterzeichnet worden ist. Die Unterschrift des weiteren Beisitzers hat der Vorsitzende durch den Vermerk ersetzt: "Richter S. ist nicht mehr am Landgericht tätig und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert". Damit war - wie die Revision zutreffend rügt - die Verhinderung des dritten Richters nicht hinreichend dargetan. Aus dem Vermerk ergibt sich nämlich nicht, ob der Richter S. aus rechtlichen Gründen - etwa wegen Ausscheidens aus dem Justizdienst - oder aber aus tatsächlichen Gründen - etwa wegen einer Versetzung - an der Unterschriftsleistung gehindert war. In Ansehung dessen hat der Vorsitzende auf die dies rügenden Revisionsbegründungen eine dienstliche Stellungnahme abgegeben, in der er ausgeführt hat, der zweite Beisitzer S. sei seit dem 1. März 2010 an das Amtsgericht Bad Arolsen versetzt gewesen. Nach Fertigstellung des Urteilsentwurfs durch den Berichterstatter am 5. März 2010 und nach Durchsicht des Urteils durch ihn selbst am 10. März 2010 habe er jeweils bei S. angerufen. Dieser habe ihm mitgeteilt, infolge Arbeitsüberlastung beim Amtsgericht und wegen eines noch abzusetzenden umfangreichen Schwurgerichtsurteils bis zum Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist nicht zur Lektüre des Urteils und zur Unterschrift in der Lage zu sein. Weil ihm ein weiteres Zuwarten bis zum Ende der Absetzungsfrist sinnlos erschienen sei und weil es sich zudem hinsichtlich eines nicht revidierenden Mittäters um eine Haftsache gehandelt habe, habe er einen entsprechenden Verhinderungsvermerk betreffend den Richter S. angebracht.

II.

6
Ausweislich dieser dienstlichen Erklärung hielt der Vorsitzende den Richter S. aus tatsächlichen Gründen für an der Unterschriftsleistung gehindert. Dies war hier auch in Anbetracht des einem Vorsitzenden insoweit zustehenden gewissen Beurteilungsspielraums (vgl. dazu Gollwitzer in Löwe/ Rosenberg, 25. Aufl. § 275 Rn. 49 mwN) rechtsfehlerhaft:
7
Zwar kann die Versetzung an ein anderes Gericht - wie hier die Versetzung an das Amtsgericht Bad Arolsen - im Einzelfall der Unterzeichnung des Urteils entgegenstehen (vgl. BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 1 und 3; BGH NStZ-RR 1999, 46; 2003, 288 [B] sowie Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 275 Rn. 23). Auch kann die Überlastung mit anderen Dienstgeschäften grundsätzlich einen Verhinderungsgrund darstellen (Meyer-Goßner aaO Rn. 22 mwN).
8
Voraussetzung ist aber stets, dass sich der Vorsitzende ernsthaft darum bemüht hat, dem in § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO formulierten Gebot, dass das Urteil von allen mitwirkenden Berufsrichtern zu unterschreiben ist, Geltung zu verschaffen. Bei der Unterzeichnung eines Strafurteils handelt es sich nämlich um ein dringliches unaufschiebbares Dienstgeschäft, weshalb der Vorsitzende verpflichtet ist, rechtzeitig organisatorische Vorsorge für die Erfüllung dieser Pflicht zu treffen (BGH NStZ 2006, 586). Hier kommt hinzu, dass der Schuldspruch nach Bestätigung durch den Bundesgerichtshof bereits feststand. Die Urteilsgründe umfassten zwar 113 Seiten, wovon allerdings 3 ½ Seiten auf das Rubrum entfielen und 87 Seiten lediglich ein Abdruck der rechtskräftigen Feststellungen des ersten Durchgangs waren. Weitere 11 Seiten entfallen auf wörtliche Wiedergaben der Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, die bereits im ersten Urteil enthalten waren. Die neue Beweiswürdigung umfasst 3 ½ Seiten, die Strafzumessung für die drei nicht rechtskräftig Verurteilten insgesamt 5 Seiten. Die substantiell neuen Teile der Urteilsgründe umfassten somit insgesamt weniger als 10 Seiten. Vor diesem Hintergrund hätte der Vorsitzende in dem Zeitraum zwischen Urteilsverkündung am 17. Februar 2010 bis zur Umsetzung des Proberichters am 1. März 2010 Absprachen mit diesem zur Sicherstellung der Unterschriftsleistung treffen müssen , was auch dem Beschleunigungsgebot in idealer Weise Rechnung getragen hätte. Jedenfalls aber hätte er nach Fertigstellung des Urteilsentwurfs durch den Berichterstatter die von dem Proberichter behauptete überlastungsbedingte Verhinderung nicht ohne weiteres hinnehmen dürfen, sondern die behauptete dienstliche Belastung oder Tätigkeit des Proberichters im Hinblick darauf bewerten und gewichten müssen, dass es sich bei der Mitwirkung an der Fertigstellung des Urteils um ein unaufschiebbares Dienstgeschäft handelte. So ist es schlechterdings unvorstellbar, dass der an das Amtsgericht versetzte Richter in dem gesamten Zeitraum gegenüber seiner Pflicht zur Mitwirkung an der Urteils- abfassung vorrangige Dienstgeschäfte wahrzunehmen hatte. Im Ergebnis dieser Überprüfung hätte der Vorsitzende gegenüber dem umgesetzten Richter der Lektüre und Unterzeichnung des Urteilsentwurfs innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Zeit bis zum 24. März 2010 höheres Gewicht geben müssen ; gegebenenfalls hätte er dem Richter einen Urteilsentwurf auch bereits am 5. März 2010 per Fax oder E-Mail zuleiten können, damit diesem ein noch größerer Bearbeitungszeitraum zur Verfügung gestanden hätte. Wenn eine Überprüfung nach diesem Maßstab tatsächlich eine permanente Überbelastung des Proberichters mit dringlicheren Dienstgeschäften ergeben hätte, hätte der Vorsitzende über die Justizverwaltung auf eine Entlastung des Proberichters hinwirken können, die diesem eine Mitwirkung an der Urteilsabfassung ermöglicht hätte. Aus dem Vermerk des Vorsitzenden ergibt sich, dass er den Maßstab für die Beurteilung der Verhinderung, der sich an der Bedeutung der Mitwirkung der beteiligten Berufsrichter an der Fassung der Urteilsgründe orientiert, verkannt hat.
9
Die Aufhebung des Urteils wegen des Verfahrensmangels erstreckt sich nicht auf den Mitangeklagten C. , der die Rüge nicht erhoben hat (vgl. BGHSt 17, 176, 179).
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Elternzeit, wenn sie

1.
a)
mit ihrem Kind,
b)
mit einem Kind, für das sie die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Absatz 3 oder 4 erfüllen, oder
c)
mit einem Kind, das sie in Vollzeitpflege nach § 33 des Achten Buches Sozialgesetzbuch aufgenommen haben,
in einem Haushalt leben und
2.
dieses Kind selbst betreuen und erziehen.
Nicht sorgeberechtigte Elternteile und Personen, die nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b und c Elternzeit nehmen können, bedürfen der Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils.

(1a) Anspruch auf Elternzeit haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch, wenn sie mit ihrem Enkelkind in einem Haushalt leben und dieses Kind selbst betreuen und erziehen und

1.
ein Elternteil des Kindes minderjährig ist oder
2.
ein Elternteil des Kindes sich in einer Ausbildung befindet, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurde und die Arbeitskraft des Elternteils im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt.
Der Anspruch besteht nur für Zeiten, in denen keiner der Elternteile des Kindes selbst Elternzeit beansprucht.

(2) Der Anspruch auf Elternzeit besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes. Ein Anteil von bis zu 24 Monaten kann zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes in Anspruch genommen werden. Die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 3 Absatz 2 und 3 des Mutterschutzgesetzes wird für die Elternzeit der Mutter auf die Begrenzung nach den Sätzen 1 und 2 angerechnet. Bei mehreren Kindern besteht der Anspruch auf Elternzeit für jedes Kind, auch wenn sich die Zeiträume im Sinne der Sätze 1 und 2 überschneiden. Bei einem angenommenen Kind und bei einem Kind in Vollzeit- oder Adoptionspflege kann Elternzeit von insgesamt bis zu drei Jahren ab der Aufnahme bei der berechtigten Person, längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes genommen werden; die Sätze 2 und 4 sind entsprechend anwendbar, soweit sie die zeitliche Aufteilung regeln. Der Anspruch kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden.

(3) Die Elternzeit kann, auch anteilig, von jedem Elternteil allein oder von beiden Elternteilen gemeinsam genommen werden. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b und c entsprechend.

(4) Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin darf während der Elternzeit nicht mehr als 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sein. Eine im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch geeignete Tagespflegeperson darf bis zu fünf Kinder in Tagespflege betreuen, auch wenn die wöchentliche Betreuungszeit 32 Stunden übersteigt. Teilzeitarbeit bei einem anderen Arbeitgeber oder selbstständige Tätigkeit nach Satz 1 bedürfen der Zustimmung des Arbeitgebers. Dieser kann sie nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen.

(5) Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin kann eine Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung beantragen. Der Antrag kann mit der schriftlichen Mitteilung nach Absatz 7 Satz 1 Nummer 5 verbunden werden. Über den Antrag sollen sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin innerhalb von vier Wochen einigen. Lehnt der Arbeitgeber den Antrag ab, so hat er dies dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin innerhalb der Frist nach Satz 3 mit einer Begründung mitzuteilen. Unberührt bleibt das Recht, sowohl die vor der Elternzeit bestehende Teilzeitarbeit unverändert während der Elternzeit fortzusetzen, soweit Absatz 4 beachtet ist, als auch nach der Elternzeit zu der Arbeitszeit zurückzukehren, die vor Beginn der Elternzeit vereinbart war.

(6) Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin kann gegenüber dem Arbeitgeber, soweit eine Einigung nach Absatz 5 nicht möglich ist, unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung seiner oder ihrer Arbeitszeit beanspruchen.

(7) Für den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gelten folgende Voraussetzungen:

1.
Der Arbeitgeber beschäftigt, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung, in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen,
2.
das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen besteht ohne Unterbrechung länger als sechs Monate,
3.
die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit soll für mindestens zwei Monate auf einen Umfang von nicht weniger als 15 und nicht mehr als 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats verringert werden,
4.
dem Anspruch stehen keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen und
5.
der Anspruch auf Teilzeit wurde dem Arbeitgeber
a)
für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes sieben Wochen und
b)
für den Zeitraum zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes 13 Wochen
vor Beginn der Teilzeittätigkeit schriftlich mitgeteilt.
Der Antrag muss den Beginn und den Umfang der verringerten Arbeitszeit enthalten. Die gewünschte Verteilung der verringerten Arbeitszeit soll im Antrag angegeben werden. Falls der Arbeitgeber die beanspruchte Verringerung oder Verteilung der Arbeitszeit ablehnt, muss die Ablehnung innerhalb der in Satz 5 genannten Frist und mit schriftlicher Begründung erfolgen. Hat ein Arbeitgeber die Verringerung der Arbeitszeit
1.
in einer Elternzeit zwischen der Geburt und dem vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes nicht spätestens vier Wochen nach Zugang des Antrags oder
2.
in einer Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes nicht spätestens acht Wochen nach Zugang des Antrags
schriftlich abgelehnt, gilt die Zustimmung als erteilt und die Verringerung der Arbeitszeit entsprechend den Wünschen der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers als festgelegt. Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer über die Verteilung der Arbeitszeit kein Einvernehmen nach Absatz 5 Satz 2 erzielt und hat der Arbeitgeber nicht innerhalb der in Satz 5 genannten Fristen die gewünschte Verteilung schriftlich abgelehnt, gilt die Verteilung der Arbeitszeit entsprechend den Wünschen der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers als festgelegt. Soweit der Arbeitgeber den Antrag auf Verringerung oder Verteilung der Arbeitszeit rechtzeitig ablehnt, kann die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer Klage vor dem Gericht für Arbeitssachen erheben.