Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Aug. 2010 - 3 StR 286/10

bei uns veröffentlicht am10.08.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 286/10
vom
10. August 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. August 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Februar 2010
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II.6. der Urteilsgründe schuldig ist der Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung, sowie
b) aufgehoben, soweit die im Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 2. Juni 2009 angeordnete Einziehung aufrechterhalten worden ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen - Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Bedrohung, - vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, - unerlaubten Entfernens vom Unfallort, - vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis , - Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, - Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung und mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und - Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Tiergarten in Berlin vom 2. Juni 2009 zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem hat es angeordnet, dass dem Angeklagten vor Ablauf von fünf Jahren keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf und die im Urteil vom 2. Juni 2009 ausgesprochene Einziehung eines Schlagstockes aufrechterhalten bleibt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision.
2
1. Im Fall II.6. der Urteilsgründe war der Schuldspruch dahingehend zu ändern, dass der Angeklagte der Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung schuldig ist. Auf der Grundlage der Feststellungen hat er sich in Tateinheit zu diesen Delikten nicht wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen strafbar gemacht. Zwar hat er im Polizeigewahrsam gegenüber mehreren Polizeibeamten u. a. gesagt "Sieg Heil, Heil Hitler, Ihr Nazischweine, ich werde Euch alle vergasen, ich mache Euch Nazischweine kalt" und damit ein nationalsozialistisches Kennzeichen verwendet. Dies geschah jedoch nicht öffentlich , weil die Äußerung nur gegenüber wenigen Polizeibeamten abgegeben wurde. Ein öffentliches Verwenden liegt nur vor, wenn eine nicht überschaubare Anzahl von Personen den Symbolgehalt des Kennzeichens zur Kenntnis nehmen kann (Fischer, StGB, 57. Aufl., § 86a Rn. 15 mwN).
3
Die für diese Tat verhängte Freiheitsstrafe von vier Monaten kann trotz der Änderung des Schuldspruchs aufrecht erhalten bleiben. Das Landgericht hat die moderate Strafe dem unteren Bereich des gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 86a Abs. 1 StGB entnommen. Der Senat kann daher ausschließen, dass es angesichts der festgestellten massiven Beleidigungen und Bedrohungen bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine noch geringere Strafe verhängt hätte.
4
2. Die aufrechterhaltene Einziehung war aufzuheben, weil mit Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Tiergarten das Eigentum an dem Schlagstock auf den Staat übergegangen ist (§ 74e StGB) und die Maßregel sich deswegen erledigt hat (BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - 4 StR 130/03, BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 8; BGH, Beschluss vom 21. April 2005 - 3 StR 112/05, NStZ 2006, 173).
5
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Becker Pfister von Lienen
Hubert Mayer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Aug. 2010 - 3 StR 286/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Aug. 2010 - 3 StR 286/10

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Aug. 2010 - 3 StR 286/10 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

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(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 oder Absatz 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung

Strafgesetzbuch - StGB | § 74e Sondervorschrift für Organe und Vertreter


Hat jemand 1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,2. als Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder als Mitglied eines solchen Vorstandes,3. als vertretungsberechtigter Gesellschafte

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Aug. 2010 - 3 StR 286/10 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2003 - 4 StR 130/03

bei uns veröffentlicht am 22.05.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 130/03 vom 22. Mai 2003 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Mai 2003, an der teilgeno
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Aug. 2010 - 3 StR 286/10.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2016 - 2 StR 18/16

bei uns veröffentlicht am 20.07.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 18/16 vom 20. Juli 2016 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. ECLI:DE:BGH:2016:200716U2STR18.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sit

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 oder Absatz 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in einem von ihm verbreiteten Inhalt (§ 11 Absatz 3) verwendet oder
2.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der ein derartiges Kennzeichen darstellt oder enthält, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.

(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

(3) § 86 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.

Hat jemand

1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2.
als Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder als Mitglied eines solchen Vorstandes,
3.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft,
4.
als Generalbevollmächtigter oder in leitender Stellung als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung oder
5.
als sonstige Person, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung verantwortlich handelt, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört,
eine Handlung vorgenommen, die ihm gegenüber unter den übrigen Voraussetzungen der §§ 74 bis 74c die Einziehung eines Gegenstandes oder des Wertersatzes zulassen oder den Ausschluss der Entschädigung begründen würde, wird seine Handlung bei Anwendung dieser Vorschriften dem Vertretenen zugerechnet. § 14 Absatz 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 130/03
vom
22. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Mai 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird
a) das Verfahren in den Fällen 17 und 19 der Anklage (Verkaufsfälle vom 27. Oktober 1999 und 15. Dezember 1999) eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angekagten entstandenen notwendigen Auslagen;
b) das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 20. September 2002 im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch geändert und wie folgt neu gefaßt: Der Angeklagte wird wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 4. Oktober 2001 und unter Auflösung der dort verhängten Gesamtfreiheitsstrafe sowie unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Demmin – Zweigstelle Malchin – vom 10. Juli 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt.
Der Verfall eines Wertersatzes in Höhe von 36.240,37 EURO wird angeordnet.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Amtsgericht Demmin – Zweigstelle Malchin – hatte den Angeklagten durch Urteil vom 10. Juli 2000 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und „die sichergestellten Betäubungsmittel“ eingezogen. Unter Einbeziehung der Strafe aus dem amtsgerichtlichen Urteil verurteilte das Landgericht Neubrandenburg den Angeklagten nach Abtrennung des Verfahrens hinsichtlich vier der angeklagten Taten am 4. Oktober 2001 wegen weiterer Betäubungsmittelstraftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Ferner ordnete das Landgericht in diesem Urteil den Wertersatzverfall in Höhe von 70.380,- DM an. Eine Entscheidung über die im amtsgerichtlichen Urteil angeordnete Einziehung traf das Landgericht nicht. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten im abgetrennten Verfahrensteil des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen schuldig befunden und ihn unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus den beiden genannten früheren Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es den Verfall eines Wertersatzes in Höhe von 562,42 EURO angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Mit ihrem beschränkten
Rechtsmittel erstrebt sie die Ergänzung der Urteilsformel um den Ausspruch über die Aufrechterhaltung der neben den einbezogenen Strafen in den früheren Urteilen angeordneten Maßnahmen. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel führt zur Teileinstellung des Verfahrens und hat im übrigen den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Das Verfahren wird hinsichtlich der Fälle 17 und 19 der Anklage (Verkaufsfälle vom 27. Oktober 1999 und 15. Dezember 1999) eingestellt. Der Verfolgung dieser als selbständige Fälle des unerlaubten Handeltreibens angeklagten und abgeurteilten Taten steht das Verfahrenshindernis des Verbrauchs der Strafklage entgegen. Wie das angefochtene Urteil selbst feststellt (UA 15), hat der Angeklagte in diesen beiden Fällen an seinen Abnehmer M. jeweils 100 Ecstasy-Tabletten sowie einmal zehn und das zweite Mal 20 Briefchen Amphetamin verkauft. Die Ecstasy-Tabletten stammen jeweils aus Einkäufen des Angeklagten, die das Landgericht in dem in diesem Verfahren nach Abtrennung ergangenen Urteil vom 4. Oktober 2001, deren Einzelstrafen in das angefochtene Urteil einbezogen worden sind, bereits rechtskräftig abgeurteilt hat. Der Verkauf des Amphetamins an M. bildete in diesen beiden Fällen zusammen mit dem gleichzeitigen Verkauf der EcstasyTabletten jeweils eine natürliche Handlung und deshalb jeweils sowohl materiell- als auch prozeßrechtlich eine Tat des unerlaubten Handeltreibens nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, und zwar unabhängig davon, ob das Amphetamin von dem Angeklagten jeweils zusammen mit den Ecstasy-Tabletten erworben worden war. Dies folgt daraus, daß die im früheren Urteil als selbständige Fälle des unerlaubten Handeltreibens abgeurteilten Einkäufe der Ecstasy-Tabletten in Bezug auf die jeweilige Gesamtmenge sämtliche Teilakte bis zur Veräußerung zu jeweils einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit verbinden (BGHSt 30, 28, 31), mit der die Verkäufe des Amphetamins jeweils
zumindest in einem Teilakt zusammentreffen. Die rechtskräftige Aburteilung des Handeltreibens mit den Ecstasy-Tabletten – und damit der Strafklageverbrauch – erfaßt deshalb hier entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA 18) nicht nur den Verkauf der jeweils 100 Ecstasy-Tabletten, sondern auch die beiden Verkaufsfälle von Amphetamin (vgl. BGHR BtMG § 29 Strafklageverbrauch 1).
Das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs hat der Senat von Amts wegen zu prüfen. Dem steht hier die Teilrechtskraft des angefochtenen Urteils infolge der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Maßnahmenausspruch nicht entgegen (BGHSt 6, 304, 305 f.; 13, 128 f.; MeyerGoßner StPO 46. Aufl. Einl. Rdn. 151 m.w.N.). Denn die von der Beschwerdeführerin mit der Revision beanstandete Wertersatzverfallanordnung ist eine einheitliche Maßnahme mit Bezug zu allen dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Taten, deren Verfolgung deshalb auch insgesamt hinsichtlich eines Verfahrenshindernisses der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt.
Die Einstellung in den Fällen 17 und 19 der Anklage führt zur Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der insoweit erkannten Einzelstrafen von fünf und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Der Senat braucht die Sache jedoch nicht an das Landgericht zurückzuverweisen, sondern kann in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst entscheiden. Ausgehend von der durch das Urteil vom 4. Oktober 2001 rechtskräftig verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten, die nicht unterschritten werden darf (h.A.; BGHSt 7, 180, 183; BGH, Beschluß vom 4. Oktober 2001 – 4 StR 329/01; Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 55 Rdn. 6; Rissing – van Saan in LK StGB 11. Aufl. § 55 Rdn. 28; a.A. Bringewat Die Bildung der Gesamtstrafe
Rdn. 273 ff.), setzt er die neue Gesamtstrafe auf vier Jahre und sieben Monate Freiheitsstrafe fest. Der Angeklagte ist dadurch nicht beschwert, denn der Senat kann angesichts der verbleibenden zwei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten ausschließen, daß der Tatrichter ohne Berücksichtigung der von der Einstellung betroffenen beiden Einzelstrafen es bei der durch die im früheren Urteil erkannte Gesamtstrafe als Untergrenze belassen hätte.
2. Der Ausspruch über den Wertersatzverfall hat keinen Bestand.

a) Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen 17 und 19 der Anklage entzieht auch dem auf diese Fälle entfallenden Teil der Anordnung des Wertersatzverfalls im angefochtenen Urteil die Grundlage. Ausgehend von der Berechnung des Landgerichts (UA 23) sind deshalb von dem Verfallsbetrag von 1.100,- DM die Verkaufserlöse von insgesamt 30 Amphetaminbriefchen zu je 20,- DM in Abzug zu bringen. Daraus errechnet sich ein verbleibender isolierter Verfallsbetrag in Höhe von 500 ,- DM bzw. umgerechnet 255,65 EURO.

b) Der Senat kann jedoch nicht auf eine Wertersatzverfallsanordnung in dieser Höhe erkennen, weil das Landgericht – wie auch die Urteilsgründe ausweisen (UA 23) – im Zusammenhang mit der nachträglichen Gesamtstrafenbildung die Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 70.380 DM aus dem Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 4. Oktober 2001 entgegen § 55 Abs. 2 StGB unberücksichtigt gelassen hat. Dies beanstandet die Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht.
Liegen die Voraussetzungen des § 55 StGB vor, so sind – wie bei gleichzeitiger Aburteilung aller Taten – Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen gleicher Art durch das spätere Urteil einheitlich anzuordnen. Über
sie ist deshalb, sofern ihre Voraussetzungen auch in Bezug auf die Taten bestehen, die dem späteren Urteil zugrunde liegen, grundsätzlich durch den neuen Gesamtstrafenrichter neu zu entscheiden (Bringewat aaO. Rdn. 135, 142 ff.; Lackner/Kühl aaO. § 55 Rdn. 17; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 55 Rdn. 53, 54, jew. m.w.N.). Dieser hat sich dabei auf den Standpunkt des früheren Tatrichters zu stellen. Denn der Angeklagte soll durch die Entscheidung nach § 55 StGB so gestellt werden, als wenn über alle einzubeziehenden Straftaten gleichzeitig befunden worden wäre; er darf deshalb dadurch, daß seine Taten in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht benachteiligt, soll dadurch aber auch nicht bervorzugt werden (st. Rspr.; BGHSt 7, 180, 182; 43, 79, 80 m.w.N.). Dies wird regelmäßig dazu führen, daß der aufgrund einheitlicher Anordnung im neuen Urteil festzusetzende Verfallsbetrag nicht niedriger ausfallen darf als in der früheren Entscheidung.

c) Der Senat kann auch insoweit in der Sache selbst entscheiden und auf einen einheitlichen Wertersatzverfall in Höhe der Summe aus dem Verfallsbetrag des früheren Urteils (70.380 DM = 35.984,72 EURO) und des nach der Teileinstellung verbleibenden Verfallsbetrages des angefochtenen Urteils (500 DM = 255,65 EURO) erkennen, d.h. auf 70.880 DM = 36.240,37 EURO. Denn das angefochtene Urteil weist aus, daß das Landgericht, hätte es die Vorschrift des § 55 Abs. 2 StGB zutreffend angewendet, keinen niedrigeren Verfallsbetrag festgesetzt hätte. Mit dieser neuen Entscheidung ist die Verfallsanordnung im früheren Urteil des Landgerichts Neubrandenburg gegenstandslos im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB, weil sie von der neuen Entscheidung in ihrer Wirkung mit umfaßt ist.
3. Die Revision bleibt erfolglos, soweit sich das Rechtsmittel gegen die unterbliebene Aufrechterhaltung der im Urteil des Amtsgerichts Demmin – Zweigstelle Malchin – vom 10. Juli 2000 angeordneten Einziehung der „sichergestellten Betäubungsmittel“ richtet.
Eines Ausspruchs über die Aufrechterhaltung der Einziehung bedurfte es im angefochtenen Urteil nicht, weil die Einziehung erledigt war. Diese Rechtsfolge ergibt sich zwar nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB, der eher dafür sprechen könnte, daß ein Ausspruch über die Aufrechterhaltung im früheren Urteil angeordneter Maßnahmen stets zu erfolgen hat, soweit diese nicht ausnahmsweise „durch die neue Entscheidung“ gegenstandslos werden. Eine solche am bloßen Wortlaut orientierte Auslegung verfehlt jedoch ihren Sinn in den Fällen, in denen die Maßnahme zwar nicht „durch die neue Entscheidung“, aber auf andere Weise ihre Erledigung gefunden hat. Deshalb ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß in einem früheren Urteil verhängte Maßnahmen nicht nur durch spätere Anordnung weiterer, sie in ihrer Wirkung mitumfassenden Maßnahmen im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB „gegenstandslos“ werden, sondern auch dann, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für ihre (weitere) Vollstreckung entfallen sind, wie dies bei tatsächlicher Erledigung durch Zeitablauf, etwa einer nach § 69 a StGB bestimmten Sperrfrist, angenommen wird (vgl. BGHSt 42, 306, 308 m.w.N.).
Die Regelung des § 55 Abs. 2 StGB trägt dem Umstand Rechnung, daß mit der nachträglichen Gesamtstrafenentscheidung diese die alleinige Vollstreckungsgrundlage bildet. Ist aber eine im früheren Urteil angeordnete Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – erledigt, so fehlt es an der Notwendigkeit, gleichwohl über ihre Aufrechterhaltung zu befinden, wenn dies
auch regelmäßig unschädlich, in Zweifelsfällen sogar sinnvoll sein wird. Eine solche Notwendigkeit bestand hinsichtlich der im früheren Urteil des Amtsgerichts Demmin angeordneten Einziehung nicht, weil nicht nur das Eigentum an den betreffenden Gegenständen mit der Rechtskraft jenes Urteils nach § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG i.V.m. § 74 e StGB auf den Staat übergegangen war (vgl. dazu BGH NJW 1979, 2113; OLG Köln NJW 1953, 1564; Stree in Schönke/Schröder StGB aaO. Rdn. 59), sondern hier die Betäubungsmittel auch bereits sichergestellt waren und es deshalb insoweit keiner weiteren Vollstreckung mehr bedurfte.
Bei dieser Sachlage brauchte der Senat nicht zu entscheiden, welche Folgen sich unter dem Gesichtspunkt des „Verschlechterungsverbots“ im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (vgl. dazu Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 55 Rdn. 19; Rissing – van Saan in LK aaO. Rdn. 45, jew. m.N.) ergeben können, wenn der frühere Gesamtstrafenrichter in die von ihm gebildete Gesamtstrafe eine Strafe aus einem weiteren Urteil einbezieht, aber rechtsirrig versäumt auszusprechen, daß die daneben verhängte Maßnahme aufrechterhalten bleibt.
Tepperwien Maatz Kuckein Athing Ernemann

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.