Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Nov. 2016 - 3 StR 385/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:151116B3STR385.16.0
bei uns veröffentlicht am15.11.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 385/16
vom
15. November 2016
in der Strafsache
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit
ECLI:DE:BGH:2016:151116B3STR385.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 15. November 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Kammergerichts vom 19. Juli 2016 im Ausspruch über den Wertersatzverfall mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an einen anderen Strafsenat des Kammergerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Kammergericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten ver- urteilt, einen Geldbetrag von 18.500 € als Wertersatz für verfallen erklärtsowie die Einziehung von vier Mobiltelefonen und einem Notebook angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch sowie gegen die Anordnung der Einziehung richtet. Hinsichtlich des Ausspruchs über den Wertersatzverfall hat die Revision hingegen Erfolg. Diese Entscheidung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Kammergericht den Regelungsgehalt des § 73c StGB nicht hinreichend beachtet hat.
3
I. Das Kammergericht hat - soweit für den Ausspruch über den Wertersatzverfall von Bedeutung - im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Jedenfalls von Anfang März 2015 bis zum 27. Oktober 2015 versorgte der Angeklagte den iranischen Nachrichtendienst "MOIS" gezielt und regelmäßig über Kommunikationsdienste im Internet mit Informationen über die beiden iranischen Oppositionsgruppen "MEK" und "NWRI" sowie deren Mitglieder in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und den USA. Hierfür erhielt er im Tatzeitraum vom iranischen Geheimdienst 21.962,93 €; dieser hatte ihm bereits zuvor vom 8. Dezember 2013 an 6.653,31 € zum Zweck des "Anfütterns" gezahlt. Von den insgesamt 28.616,24 € gab der Angeklagte 10.000 € an eine seiner beiden Informationsquellen weiter. Bei seiner Festnahme am 28. Oktober 2015 verfügte er über mindestens 3.200 € Bargeld. Im Tatzeitraum bezog er zu Unrecht Sozialleistungen von insgesamt 6.720 €.
5
2. Das Kammergericht hat den vom Angeklagten erhaltenen "Agentenlohn" in Höhe von 21.962,93 € als Verfallsobjekt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB angesehen; der entsprechende Geldbetrag unterliege gemäß § 73a Satz 1 StGB dem Wertersatzverfall. Soweit allerdings der Angeklagte insgesamt 10.000 € weitergab, hat das Kammergericht eine unbillige Härte im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB im Fall ungeschmälerten Wertersatzver- falls angenommen, wobei es wiederum die zu Unrecht erhaltenen Sozialleistungen von insgesamt 6.720 € gegengerechnet hat. Hiernach hat es einen Verfallsbetrag von 18.682,93 €, abgerundet 18.500 €, ermittelt.
6
II. Das Kammergericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB für die Anordnung des Wertersatzverfalls über einen Geldbetrag von 21.962,93 € erfüllt sind. Der Angeklagte erlangte - als Tatentgelt - Zahlungen in dieser Höhe für die Tat im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB, auch wenn er später insgesamt 10.000 € weitergab. Das gilt nach dem Bruttoprinzip (vgl. S/S-Eser, StGB, 29. Aufl., § 73 Rn. 17; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 73 Rn. 8 f.) unabhängig davon, ob es sich bei den weitergegebenen Beträgen um vom Angeklagten getätigte Aufwendungen für die Informationsbeschaffung handelte.
7
Doch erweist sich die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB in mehrfacher Hinsicht als zum Nachteil des Angeklagten rechtsfehlerhaft.
8
1. Das Kammergericht hat die gebotene - zumal vorrangige - Prüfung des § 73 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB unterlassen und dementsprechend die hierfür notwendigen Feststellungen nicht getroffen.
9
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei "unbilliger Härte" zwingend zum Ausschluss der Verfallserklärung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits , dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Wertersatzverfalls abgesehen werden kann (BGH, Urteil vom 26. März 2015 - 4 StR 463/14, NStZ-RR 2015, 176, 177; Beschlüsse vom 21. März 2013 - 3 StR 52/13, juris Rn. 2; vom 13. Februar 2014 - 1 StR 336/13, BGHR StGB § 73c Härte 16). Eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB scheidet nur aus, soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden Verfallsbetrag zurückbleibt (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 2002 - 4 StR 233/02, BGHR StGB § 73c Wert 3; vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 246/04, NStZ-RR 2005, 104, 105; vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, NStZ 2012, 267; Beschluss vom 16. Juli 2015 - 4 StR 265/15, NStZ-RR 2015, 307).
10
Zum Vermögen des Angeklagten hat das Kammergericht keine genügenden Feststellungen getroffen. Den Urteilsgründen lässt sich lediglich entnehmen , dass beim Angeklagten anlässlich seiner Festnahme Bargeld in Höhe von 3.200 € sichergestellt wurde, über das er "mindestens" verfügte. Weil somit nicht nachvollzogen werden kann, in welchem Umfang für die Tat Erlangtes im Vermögen des Angeklagten noch vorhanden war, kann nicht entschieden werden , ob überhaupt die Ausübung tatrichterlichen Ermessens eröffnet war.
11
Eine Ermessensausübung anhand der bei der Anwendung des § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB anzulegenden Maßstäbe (hierzu BGH, Urteil vom 26. März 2015 - 4 StR 463/14, aaO, S. 177 f. mwN) ist zwangsläufig unterblieben.
12
2. Die Ausführungen im Urteil zur Regelung des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB ermöglichen nicht die revisionsgerichtliche Überprüfung, ob der unbestimmte Rechtsbegriff der unbilligen Härte richtig angewandt wurde.
13
Eine unbillige Härte ist erst dann gegeben, wenn die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin "ungerecht" wäre. Die Auswirkungen des Verfalls müssen mithin im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Das Nichtvorhandensein des Erlangten bzw. eines Gegenwerts im Vermögen des von der Verfallsanordnung Betroffenen kann indes nach der inneren Systematik des § 73c Abs. 1 StGB für sich genommen regelmäßig keine unbillige Härte begründen (BGH, Urteil vom 26. März 2015 - 4 StR 463/14, aaO, S. 178). Maßgeblich für deren Vorliegen ist, wie sich die Verfallsanordnung konkret auf das betroffene Vermögen auswirken würde (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2000 - 3 StR 583/99, NStZ-RR 2000, 365; Beschluss vom 13. Februar 2014 - 1 StR 336/13, juris Rn. 20 [in BGHR StGB § 73c Härte 16 nicht abgedruckt]; MüKoStGB/Joecks, 3. Aufl., § 73c Rn. 11).
14
Hiernach kann auch das Vorliegen einer unbilligen Härte regelmäßig nicht beurteilt werden, ohne dass Feststellungen zum Vermögen des von der Verfallsanordnung Betroffenen getroffen werden, weil sich anderenfalls kaum je beurteilen lassen wird, inwieweit er übermäßig belastet würde. Die Feststellungen im angefochtenen Urteil genügen auch insoweit nicht.
15
3. Der Ausspruch über den Wertersatzverfall kann nach alledem keinen Bestand haben; es kann nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund zureichender Beurteilungsgrundlage auf einen geringeren Verfallsbetrag erkannt worden wäre.
16
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass eine unbillige Härte nicht ohne weiteres auf die vom Gesetzgeber mit der Einführung des Bruttoprinzips beabsichtigte Konsequenz gestützt werden kann, dass Aufwendungen für die rechtswidrige Tat nicht den Verfallsbetrag schmälern, obwohl sie den Gewinn mindern (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, JR 2004, 245, 247; LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73c Rn. 7). Gleiches gilt nach dem unter II. 2. Ausgeführten für den schlichten nachträglichen (Teil-)Abfluss von Tatfrüchten. Dass der Angeklagte von dem erhaltenen Agentenlohn 10.000 € weitergab, führt daher - entgegen der den Angeklagten insoweit be- günstigenden Auffassung des Kammergerichts - nicht per se zu einer unbilligen Härte im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB. Freilich ist der Verfallsbetrag nunmehr der Höhe nach durch den Ausspruch über den Wertersatzverfall im diesbezüglich aufgehobenen Urteil begrenzt (s. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Becker Schäfer Spaniol Berg Hoch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Nov. 2016 - 3 StR 385/16

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(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 463/14
vom
26. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. März
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 17. März 2014 aufgehoben , soweit das Landgericht eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO unterlassen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 23 Fällen, gewerbsmäßigen Bandendiebstahls in zwei Fällen, Betruges in vier Fällen, Diebstahls in zwei Fällen, gewerbsmäßiger Hehlerei und wegen versuchten Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die wirksam auf das Unterlassen einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Soweit infolge der Beschränkung der Revision von Bedeutung hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte erlangte – in sechs Fällen als Alleintäter, im Übrigen als Mittäter mit nicht bzw. erfolglos revidierenden Mitangeklagten – durch die abgeurteilten Betrugs-, Diebstahls- und Hehlereitaten Gegenstände, insbesondere Lastkraftwagen, Pkws und Baumaschinen, im Wert von fast einer Million Euro. Noch während des erstinstanzlichen Verfahrens ordnete das Landgericht im Dezember 2013 zur Sicherung der den Verletzten aus den Taten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche den dinglichen Arrest in das Vermögen des Angeklagten in Höhe von 921.803 € an. Daraufhin wurden beim Angeklagten 2.580 € Bargeld sowie eine Armbanduhr im Wert von 1.500 € gepfändet.
4
Nach den zu seinen persönlichen Verhältnissen getroffenen Feststellungen scheiterte der Angeklagte im Jahr 2010 mit dem Versuch, sein vor der Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe in der Mobilfunkbranche betriebenes Unternehmen wieder aufzubauen. Seitdem ging er keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach und bestritt seinen Lebensunterhalt „zumeist“ von Sozialleistungen. Der Angeklagte ist „hoch verschuldet“ und hat 2010 den „Offenbarungseid“ (UA S. 99) abgeleistet. Er ist verheiratet, aber mit einer anderen Frau liiert, und verfügt – über das gepfändete Geld sowie die Armbanduhr hinaus – über keine weiteren Vermögensgegenstände. Die aus den „Taten erhaltenen Erlöse von … mindestens 30.000 €“ – gemeint sind damit ersichtlich die Gelder, die durch den Verkauf der durch die Taten erlangten Gegenstände vereinnahmt wurden – hat der Angeklagte bis zu seiner Festnahme vollständig ausgegeben, um die Kosten seines Lebensunterhalts zu decken bzw. seinen Lebensstandard zu verbessern.
5
2. Das Landgericht hat von der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO abgesehen, weil diese „eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 S. 1 StGB darstellen“ würde. Denn sie würde die „Resozialisierung des Angeklagten gefährden und gegen das Übermaßverbot verstoßen“. Dem gepfändeten Geld sowie dem Wert der Armbanduhr stünden Verbindlichkeiten „in weitaus größerer Höhe gegenüber“; ein titulierter Anspruch gegen ihn über knapp eine Million Euro würde zu einer weiteren Verschlechterung seiner Situation und insbesondere dazu führen, dass er in absehbarer Zeit keinerlei Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze für sich behalten dürfte. Dies würde ihm jede Motivation nehmen, nach seiner Inhaftierung in das legale Erwerbsleben zurückzukehren. Unverhältnismäßig wäre die Anordnung, weil nicht zu erwarten sei, dass der Angeklagte jemals in der Lage sein werde, eine Forderung von knapp einer Million Euro zu bedienen.
6
3. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass Umstände, die die Anwendung von § 73c StGB rechtfertigen könnten, im Urteil nicht festgestellt seien. Jedenfalls seien hinsichtlich des vorhandenen – nunmehr gepfändeten – Vermögens die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben, so dass mindestens hinsichtlich dieses Betrages eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO hätte getroffen werden müssen.

II.


7
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
8
1. Ob der Tatrichter eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO trifft, steht zwar in seinem Ermessen („kann“; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 111i Rn. 8 mwN) und unterliegt daher nur der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung (BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 StR 306/12, BGHSt 58, 152). Auch die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung gebotene Berücksichtigung des § 73c Abs. 1 StGB (dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39; Beschlüsse vom 1. März 2011 – 4 StR 30/11; vom 8. August 2013 – 3 StR 179/13, NStZ-RR 2014, 44) ist Sache des Tatrichters. Daraus folgt aber nicht, dass Auslegung und Anwendung (bzw. Nichtanwendung) dieser Vorschriften jeglicher Kontrolle durch das Revisionsgericht entzogen wären; sie unterliegen vielmehr – wie jede andere Gesetzesanwendung auch – der Überprüfung auf Rechtsfehler hin (§ 337 Abs. 1 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13).
9
2. Auf dieser Grundlage kann das Absehen von einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO durch die Strafkammer keinen Bestand haben, da das Landgericht den Regelungsgehalt des § 73c StGB rechtsfehlerhaft nicht hinreichend beachtet hat.
10
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei „unbilliger Härte“ zwingend zum Ausschluss der Verfallsanordnung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits, dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Wertersatzverfalls abgesehen werden kann; denn die tatbestandlichen Voraussetzungen, welche nach Satz 2 der Vorschrift ein Absehen vom Verfall nach pflichtgemäßem Ermessen ermöglichen, können nicht zugleich einen zwingenden Ausschlussgrund nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bilden. Daher kann das Nichtmehrvorhandensein des Wertes des Erlangten im Vermögen des Betroffenen jedenfalls für sich genommen keine unbillige Härte darstellen, sondern unterfällt dem Anwendungsbereich des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB. Nach dieser Vorschrift kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden sind. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der Angeklagte aus der Tat „erlangt“ hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüberzustellen. Wenn hiernach auch ein Gegenwert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist, kann der Tatrichter von einer Verfallsanordnung absehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13; vom 26. Juni 2014 – 3 StR 83/14; Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86; vgl. auch BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 14/11, NJW 2012, 92).
11
Maßgebend für die Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB ist neben der Gesamthöhe des Erlangten und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen insbesondere der Grund, aus welchem das Erlangte bzw. dessen Wert sich nicht mehr im Vermögen des Angeklagten befindet. Hierbei können etwa das „Verprassen“ der erlangten Mittel oder ihre Verwen- dung für Luxus und zum Vergnügen gegen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen; andererseits kann ihr Verbrauch in einer Notlage oder zum notwendigen Lebensunterhalt des Betroffenen und seiner Familie als Argument für eine positive Ermessensentscheidung dienen (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 2 StR 134/14; Urteil vom 18. September 2013 – 5 StR 237/13). Ferner darf bei dieser Entscheidung das Resozialisierungsinteresse nach der Haftentlassung des Angeklagten Berücksichtigung finden (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40, 41; vom 18. September 2013 – 5 StR 237/13, wistra 2013, 462, 463).
12
Die Annahme einer „unbilligen Härte“ im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB setzt dagegen nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin „ungerecht“ wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Ein- zelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Es müssen daher besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 2 StR 134/14). Dabei kann – wie ausgeführt – das Nichtvorhandensein des Erlangten bzw. eines Gegenwertes im Vermögen des von der Verfallsanordnung Betroffenen nach der inneren Systematik des § 73c Abs. 1 StGB für sich genommen regelmäßig keine unbillige Härte begründen (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13). Auch kann allein das Resozialisierungsinteresse bei tatsächlich vorhandenen Vermögenswerten ein völliges Absehen von der Verfallsanordnung oder der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO regelmäßig nicht rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86).
13
b) Daran gemessen begegnet die Entscheidung des Landgerichts, von einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO abzusehen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
aa) Denn die Strafkammer hat es unterlassen, wie geboten, zunächst die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB zu prüfen sowie – falls es diese als gegeben erachtet – die Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift zu treffen. Sie hat vielmehr sogleich rechtsfehlerhaft auf die nachgeordnete Frage des Vorliegens einer unbilligen Härte im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB abgestellt und das Absehen von der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO ausdrücklich (nur) darauf gestützt, dass die Anordnung „eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 S. 1 StGB darstellen“ würde (UA S. 99).
15
bb) Hinzu kommt das Folgende:
16
(1) Das Landgericht hat nicht hinreichend belegt, dass der Angeklagte aus den Straftaten tatsächlich Gegenstände im Wert von fast einer Million Euro erlangt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert aus der Tat erlangt im Sinn des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen ist, er an ihm also unmittelbar aus der Tat (tatsächliche, aber nicht notwendig rechtliche) Verfügungsmacht gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt hat. Bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt hatten (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39; vgl. ferner Beschlüsse vom 1. März 2011 – 4 StR 30/11; vom 9. Februar 2010 – 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390). Hierzu stellt die Strafkammer zwar fest, dass der Angeklagte sechs der Taten als Alleintäter begangen hat, bei 28 der bei ihm insgesamt abgeurteilten 34 Taten hat es dagegen Mittäterschaft angenommen. Ob der Angeklagte in jedem dieser Fälle Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand und damit tatsächlich Gegenstände „im Wert von fast einer Million Euro erlangt hat“ (UA S. 99), hat es dagegen nicht erörtert und liegt nach den getroffenen Feststellungen auch nicht ausnahmslos auf der Hand.
17
(2) Soweit das danach Erlangte im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist (vgl. zu dieser Feststellung BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86, 87), ist in die Ermessensentscheidung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB einzubeziehen, dass es bei einer innerhalb etwa eines Jahres erlangten Tatbeute „im Wert von fast einer Million Euro“ nicht na- heliegt, dass diese nur zum notwendigen Lebensunterhalt des Betroffenen verwendet wurde. Dies gilt selbst dann, wenn berücksichtigt wird, dass der von seiner Ehefrau getrennt lebende, kinderlose Angeklagte und/oder seine Mittäter die erlangten Gegenstände weit unter Wert veräußert haben und ihm in diesem etwa einem Jahr letztlich nur „mindestens 30.000 EUR“ verblieben (UA S. 68).
18
(3) Insbesondere hinsichtlich des – nach Ansicht der Strafkammer zwar nur „allenfalls“ – noch im Vermögen des Angeklagten vorhandenen Wertes des Erlangten, also des gepfändeten Bargeldes und der Armbanduhr, ist es selbst angesichts der Ausführungen des Landgerichts nicht naheliegend, dass eine unbillige Härte im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB gegeben ist, dass also auch insofern die Auswirkungen einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen und besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann.
19
3. Dem Senat ist es verwehrt, die gebotene Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO selbst zu treffen. Selbst wenn – wie hier – naheliegt, dass diese Feststellung zumindest die sichergestellten Vermögenswerte betrifft, darf das Revisionsgericht insbesondere die gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB dem Tatrichter überantwortete Ausübung des Ermessens nicht durch eigenes Ermessen ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 – 1 StR 548/13).
20
Einer Aufhebung der vom Landgericht getroffenen Feststellungen bedarf es nicht; ergänzende – den bisherigen nicht widersprechende – Feststellungen können getroffen werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 353 Rn. 12, 21).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Bender

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

5 StR 14/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Oktober
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsrätin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. Mai 2010 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Verfallsbetrag (§ 111i Abs. 2 StPO) gegen den Angeklagten T. 74.175 € beträgt.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, dass gegen ihn lediglich deshalb nicht auf Verfall in Höhe von 102.157,22 € erkannt wird, weil Ansprüche der Geschädigten V. U. N. GmbH insoweit entgegenstehen. Gegen den Verfallsausspruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung nicht vertreten worden ist. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, führt vielmehr zu einer Reduzierung des Verfallsbetrags nach § 301 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Mitangeklagte S. bei der Geschädigten, die Wertstoffe aufkauft, als Wiegemeister beschäftigt. Zu seinen Aufgaben zählte, eigenverantwortlich Wiegescheine auszustellen, welche die Grundlage für die Vergütung der angelieferten Wertstoffe bildeten. Der Angeklagte und sein mitangeklagter Bruder rechneten für ihre Unternehmen in erheblichem Umfang Wertstoffe gegenüber der Geschädigten ab. Entsprechend ihrem zuvor gefassten gemeinsamen Tatplan lagen diesen Abrechnungen planmäßig nie erfolgte Wertstofflieferungen zugrunde, für die der Mitangeklagte S. falsche Wiegescheine ausstellte. Zwischen den Angeklagten war ferner verabredet, dass der Angeklagte T. von den für sein Unternehmen erhaltenen Geldern die anfallende Umsatzsteuer sowie 30 % pauschal für sonstige Aufwendungen, namentlich Steuern, abziehen durfte und der verbleibende Rest zwischen ihm und den Mitangeklagten zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollte. Dementsprechend leitete der Angeklagte diese Gelder an die Mitangeklagten weiter.
3
Insgesamt behielt der Angeklagte T. den Betrag von 102.157,22 € für sich ein, den das Landgericht auch seiner Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO zugrunde gelegt hat. Die ausgekehrten Beträge – gegen die Mitangeklagten wurden über die ihnen zugeflossenen Gelder entsprechende Anordnungen nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen – hat es nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB außer Betracht gelassen, zumal der Angeklagte nur kurzfristig und transitorisch auf seinem Girokonto den vollen Betrag erlangt habe.

II.


4
Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, die mit Verfahrensrügen und der Beanstandung der Verletzung sachlichen Rechts geführt wird, bleibt – abgesehen von der gebotenen Korrektur nach § 301 StPO – ohne Erfolg.

5
1. Die beiden von der Staatsanwaltschaft erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die eher fernstehende Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) kann dahinstehen. Letztlich geht es der Staatsanwaltschaft gar nicht entscheidend um eine etwa unzureichende Ausschöpfung in die Hauptverhandlung eingeführter Erkenntnisse über die Vermögensverhältnisse des Angeklagten im Urteil (§ 261 StPO) oder um deren unzulängliche Aufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO), sondern um die Frage der Erheblichkeit solcher Erkenntnisse für die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB, welche die Staatsanwaltschaft abweichend vom Landgericht beurteilt, das ersichtlich deshalb nähere Erörterungen hierzu im Urteil und auch weitere Aufklärung unterlassen hat. Diese Erheblichkeitsfrage erfährt aber hinreichende Klärung im Rahmen der erhobenen Sachrüge, die ihrerseits erfolglos bleibt.
6
2. Die Revision zeigt hinsichtlich der nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB getroffenen Ermessensentscheidung, die an die Mitangeklagten abgeführten Beuteanteile von dem nach § 111i Abs. 2 StPO festzulegenden Betrag in Abzug zu bringen, keinen Rechtsfehler auf.
7
a) Allerdings scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB regelmäßig dann aus, wenn der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem verfallbaren Betrag zurückbleibt (BGH, Urteile vom 2. Oktober 2008 – 4 StR 153/08, NStZ-RR 2009, 234, 235; vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40, 42).
8
Dies gilt freilich nicht uneingeschränkt. Steht zweifelsfrei fest, dass der fragliche Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben wurde, ist eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht ausgeschlossen (BGH aaO, NStZ-RR 2009, 234, 235; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 – 3 StR 246/04, NStZ-RR 2005, 104, 105). Ein umfassender Ausschluss wä- re im Übrigen auch mit dem Wortlaut des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht vereinbar, der gerade nicht auf den Wert des Vermögens, sondern auf den Wert des Erlangten in dem Vermögen abstellt (BGHSt aaO). Dass hierdurch die Maßnahme des Wertersatzverfalls in ihrer präventiven Wirkung geschwächt sein könnte (so BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, Rn. 23 f., BGHSt 51, 65), ist nicht ersichtlich; gegebenenfalls hätte dies der Gesetzgeber hier wie auch bei anderen Billigkeitsklauseln bewusst in Kauf genommen. Zudem erfordert die Feststellung dieser Ausnahmetatbestände – wie der vorliegende Fall zeigt – regelmäßig keine überbordenden Finanzermittlungen.
9
Das vorhandene Restvermögen des Angeklagten steht hier ersichtlich in keinem Zusammenhang mit den der gerichtlichen Würdigung unterstellten Straftaten. Der Angeklagte T. hat Teile der vereinnahmten Gelder unverzüglich an die Mitangeklagten weitergeleitet. Auch dass er in gleichartige oder andere Straftaten verwickelt gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich ; er ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Damit war dem Landgericht hinsichtlich des Restbetrags eine Ermessensentscheidung eröffnet. Deren Ergebnis ist zudem in Fällen des § 111i Abs. 2 StPO schon aus Gründen der Ressourcenschonung vom Revisionsgericht bis zur äußersten Grenze der Vertretbarkeit hinzunehmen (vgl. hierzu auch Nack in KK-StPO, 6. Aufl., § 111i Rn. 3, 17). Diese ist hier ersichtlich nicht überschritten.
10
b) Die Anordnung ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil eine gesamtschuldnerische Haftung – bezogen auf die gesamte vom Angeklagten T. vereinnahmten Summe – hätte angeordnet werden müssen. Der Senat kann dabei offen lassen, ob bei Verfallsanordnungen oder Anordnungen nach § 111i Abs. 2 StPO eine gesamtschuldnerische Haftung ohne die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung überhaupt in Betracht kommen kann (vgl. Spillecke NStZ 2010, 569). Denn im vorliegenden Fall liegen ihre Voraussetzungen, soweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine solche bislang zugelassen hat, nicht vor. Danach kommt eine gesamtschuldnerische Haftung dann in Betracht, wenn die Täter zumindest zu einem bestimmten Zeitpunkt gemeinsam Mitverfügungsmacht über den gesamten Betrag hatten (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, Rn. 21 ff., BGHSt 56, 39; Beschluss vom 8. Dezember 2010 – 2 StR 372/10, Rn. 3, wistra 2011, 113). Dieses Erfordernis war zu keinem Zeitpunkt eingetreten, weil der Angeklagte T. die Beuteanteile an seine Mittäter weitergeleitet hatte.
11
Im vorliegenden Verfahren kommt eine weitere Besonderheit hinzu. Die Staatsanwaltschaft hat die Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO gegen die Mitangeklagten rechtskräftig werden lassen, ohne dass dort eine gesamtschuldnerische Haftung angeordnet gewesen wäre. Würde nunmehr gegen den Angeklagten allein eine gesamtschuldnerische Haftung für den vollen Betrag ausgesprochen, so wäre nicht gewährleistet, dass er auf dieser Grundlage gegen die Mitangeklagten Regress nehmen könnte. Umgekehrt könnte auch eine Erstreckung auf die übrigen Mitangeklagten nach § 357 StPO nicht erfolgen, weil eine solche Erstreckung für sie auch nachteilig wäre , da sie dann über ihren (bislang als Verfallsbetrag ausgeurteilten) Beuteanteil hinaus haften müssten.
12
c) Die Ermessensbetätigung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei. Es durfte dabei die Weggabe der Beuteanteile an die Mittäter des Angeklagten in Abzug bringen. Die Erwägung, dass er die Beute in Form von Giralgeld nur kurzfristig und transitorisch erlangt habe, ist nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2008 – 5 StR 365/07, Rn. 7 ff., NStZ 2008, 565 und vom 27. Oktober 2009 – 5 StR 242/09, StV 2010, 128). Bei der Berechnung des Verfallsbetrages hat das Landgericht in der Summe sämtlicher Anordnungen nach § 111i Abs. 2 StPO den gesamten Betrag abgeschöpft. Der Senat schließt daher aus, dass es im Rahmen seiner Entscheidung grundlegende Prinzipien des Rechts des Verfalls verkannt haben könnte.
13
3. Allerdings führt die Revision der Staatsanwaltschaft, die nach § 301 StPO auch zugunsten des Angeklagten wirkt, insoweit teilweise zur Urteilskorrektur. Der nach § 111i Abs. 2 StPO festgesetzte Betrag ist aus zwei Gründen zu hoch angesetzt. Der Senat reduziert diesen Betrag (gerundet) um 27.981 € auf 74.175 €.
14
a) Das Landgericht hätte die Gutschrift vom 31. Dezember 2006 in Höhe von (dem Angeklagten T. zugerechneten) 1.556 € nicht in Ansatz bringen dürfen. Die Regelung des § 111i StPO gilt nämlich erst für Taten, die nach dem 1. Januar 2007 beendet wurden (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – 1 StR 535/08, NStZ-RR 2009, 56). Für frühere Taten – wie hier diejenige nach II.2. Fall 1 der Urteilsgründe – hat es mit dem Aus- schluss des Verfalls nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB sein Bewenden.
15
b) Das Landgericht hat zudem nicht bedacht, dass in den Rechnungen Umsatzsteuer ausgewiesen war. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass die ausgewiesene Umsatzsteuer auch tatsächlich abgeführt wurde. Im Übrigen würde der Angeklagte als Empfänger von einer von ihm veranlassten Gutschrift (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) mit unrichtigem Umsatzsteuerausweis umsatzsteuerlich haften (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG). Entsprechende steuerliche Belastungen müssen im Rahmen des Verfalls berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 21. März 2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260; Beschluss vom 18. Februar 2004 – 1StR 296/03, StV 2005, 22). Für Anordnungen nach § 111i Abs. 2 StPO gilt nichts anderes, zumal die Umsatzsteuer für das geschädigte Unternehmen regelmäßig ein durchlaufender Posten sein wird. Dies bedeutet, dass von dem – unter Abzug von a) – ermittelten Rechnungsgesamtbetrag in Hö- he von 165.504 € als Umsatzsteueranteil 19/119 in den Ansatz zu bringen und mithin 26.425 € herauszurechnen sind.
16
c)Weitere Abzüge wegen möglicher anderer Steuern (Körperschaftbzw. Einkommensteuer) sind dagegen nicht veranlasst. Weder ist ersichtlich, dass entsprechende Steuern gezahlt wurden noch dass etwaige steuerliche Veranlagungen bestandskräftig abgeschlossen sind.
17
4. Eine Erstreckung der Korrektur der Verfallsentscheidung auf den Mitangeklagten U. T. (§ 357 StPO) muss dagegen unterbleiben, weil der (zwar identische) Rechtsfehler unterschiedliche Taten betrifft (vgl. MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 357 Rn. 13).
Basdorf Raum Schaal König Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR265/15
vom
16. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 30. März 2015 im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 27.700 € angeordnet. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entschei- dungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen baute der Angeklagte seit „September/ Oktober 2012 bis Mitte April 2014“ in einem Nebengebäude auf dem Anwesen seiner Mutter in K. Cannabispflanzen an. Er gewann aus sieben gesonderten Anbauvorgängen insgesamt 10,786 kg Marihuana (mindestens 400,22 g THC), das er – abgesehen von der letzten, sichergestellten Aufzucht – für insgesamt mindestens 27.700 € gewinnbringend veräußerte.
3
2. Der Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das angefochtene Urteil ist jedoch rechtsfehlerhaft, soweit die Strafkammer im Rahmen des angeordneten Wertersatzverfalls die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB abgelehnt hat.
4
a) Bedenken begegnet bereits die vom Tatrichter beobachtete Prüfungsreihenfolge innerhalb des § 73c Abs. 1 StGB.
5
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei „unbilliger Härte“ zwingend zum Ausschluss der Verfallsanordnung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits , dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Wertersatzverfalls abgesehen werden kann (BGH, Beschlüsse vom 21. März 2013 – 3 StR 52/13, StV 2013, 630 f., und vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13).
6
Das Landgericht hätte also nicht in umgekehrter Reihenfolge zunächst die Frage einer unbilligen Härte prüfen dürfen.
7
b) Den im Rahmen des § 73c Abs. 1 StGB anzulegenden Maßstäben ist das Landgericht aber auch inhaltlich weder bei der Anwendung der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB noch bei der Härteklausel aus § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB in ausreichendem Maße gerecht geworden.
8
aa) Zu der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB hat die Strafkammer lediglich mitgeteilt, dass eine Gefährdung der Resozialisierung mit der Anordnung des Wertersatzverfalls nicht verbunden sei. Jedoch scheidet eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB aus, soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden Verfallsbetrag zurückbleibt (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, BGHR StGB § 73c Wert 3 und vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 14/11, NStZ 2012, 267; Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 3 StR 246/04, NStZ-RR 2005, 104, 105). Hierzu hat das Landgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Den Urteilsgründen lässt sich entnehmen, dass dem Angeklagten insgesamt aus dem Verkauf des Marihuanas (mindestens) 27.700 € zugeflossen sind. Feststellungen dazu, ob „der Angeklagte über besondere Vermögenswerte verfügte oder einen teuren Lebensstil pflegte“ (UA 15), vermochte das Landgericht nicht zu treffen. Damit ist dem angefochtenen Urteil, auch in seinem Gesamtzusammenhang, nicht zu entnehmen, in welchem Umfang noch wertmäßig aus den Taten des Angeklagten Erlangtes in seinem Vermögen vorhanden und somit die Ausübung tatrichterlichen Ermessens überhaupt erst eröffnet ist (zu den hierbei anzustellenden Billigkeitserwägungen vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 73c Rn. 5 mwN).
9
bb) In Bezug auf eine „unbillige Härte“ im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB erschöpft sich das Urteil in der Behauptung des Fehlens einer solchen „auch unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Angeklagten“ (UA 20). Das genügt nicht, um die Anwendung der Vorschrift auszuschließen. Freilich ist eine „unbillige Härte“ erst dann gegeben, wenn die Anordnung des Verfalls schlechthin ungerecht wäre und das Übermaßverbot verletzen würde. Die Auswirkungen des Verfalls müssten mithin im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen (st. Rspr.; s. nur BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13). Das Nichtvorhandensein des Erlangten bzw. eines Gegenwertes im Vermögen des von der Verfallsanordnung Betroffenen kann nach der aufgezeigten Systematik des § 73c Abs. 1 StGB für sich genommen regelmäßig noch keine unbillige Härte begründen (BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86 f.; Beschluss vom 13. Februar 2014, aaO). Maßgeblich für das Vorliegen einer „unbilligen Härte“ gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB ist vielmehr, wie sich die Verfallsanordnung auf das davon betroffene Vermögen auswirken würde (BGH, Urteil vom 13. Juni 2001 – 3 StR 131/01, wistra 2001, 388, 389). Da sich das angefochtene Urteil nicht näher zu der „unbilligen Härte“ verhält, ist dem Senat die Überprüfung nicht möglich, ob das Tatgericht das genannte Merkmal rechtsfehlerfrei ausgelegt hat.
VRinBGH Sost-Scheible befin- Cierniak RiBGH Dr. Franke befindet sich det sich im Urlaub und ist daher im Urlaub und ist daher gehingehindert zu unterschreiben. dert zu unterschreiben. Cierniak Cierniak
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 463/14
vom
26. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. März
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 17. März 2014 aufgehoben , soweit das Landgericht eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO unterlassen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 23 Fällen, gewerbsmäßigen Bandendiebstahls in zwei Fällen, Betruges in vier Fällen, Diebstahls in zwei Fällen, gewerbsmäßiger Hehlerei und wegen versuchten Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die wirksam auf das Unterlassen einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Soweit infolge der Beschränkung der Revision von Bedeutung hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte erlangte – in sechs Fällen als Alleintäter, im Übrigen als Mittäter mit nicht bzw. erfolglos revidierenden Mitangeklagten – durch die abgeurteilten Betrugs-, Diebstahls- und Hehlereitaten Gegenstände, insbesondere Lastkraftwagen, Pkws und Baumaschinen, im Wert von fast einer Million Euro. Noch während des erstinstanzlichen Verfahrens ordnete das Landgericht im Dezember 2013 zur Sicherung der den Verletzten aus den Taten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche den dinglichen Arrest in das Vermögen des Angeklagten in Höhe von 921.803 € an. Daraufhin wurden beim Angeklagten 2.580 € Bargeld sowie eine Armbanduhr im Wert von 1.500 € gepfändet.
4
Nach den zu seinen persönlichen Verhältnissen getroffenen Feststellungen scheiterte der Angeklagte im Jahr 2010 mit dem Versuch, sein vor der Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe in der Mobilfunkbranche betriebenes Unternehmen wieder aufzubauen. Seitdem ging er keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach und bestritt seinen Lebensunterhalt „zumeist“ von Sozialleistungen. Der Angeklagte ist „hoch verschuldet“ und hat 2010 den „Offenbarungseid“ (UA S. 99) abgeleistet. Er ist verheiratet, aber mit einer anderen Frau liiert, und verfügt – über das gepfändete Geld sowie die Armbanduhr hinaus – über keine weiteren Vermögensgegenstände. Die aus den „Taten erhaltenen Erlöse von … mindestens 30.000 €“ – gemeint sind damit ersichtlich die Gelder, die durch den Verkauf der durch die Taten erlangten Gegenstände vereinnahmt wurden – hat der Angeklagte bis zu seiner Festnahme vollständig ausgegeben, um die Kosten seines Lebensunterhalts zu decken bzw. seinen Lebensstandard zu verbessern.
5
2. Das Landgericht hat von der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO abgesehen, weil diese „eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 S. 1 StGB darstellen“ würde. Denn sie würde die „Resozialisierung des Angeklagten gefährden und gegen das Übermaßverbot verstoßen“. Dem gepfändeten Geld sowie dem Wert der Armbanduhr stünden Verbindlichkeiten „in weitaus größerer Höhe gegenüber“; ein titulierter Anspruch gegen ihn über knapp eine Million Euro würde zu einer weiteren Verschlechterung seiner Situation und insbesondere dazu führen, dass er in absehbarer Zeit keinerlei Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze für sich behalten dürfte. Dies würde ihm jede Motivation nehmen, nach seiner Inhaftierung in das legale Erwerbsleben zurückzukehren. Unverhältnismäßig wäre die Anordnung, weil nicht zu erwarten sei, dass der Angeklagte jemals in der Lage sein werde, eine Forderung von knapp einer Million Euro zu bedienen.
6
3. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass Umstände, die die Anwendung von § 73c StGB rechtfertigen könnten, im Urteil nicht festgestellt seien. Jedenfalls seien hinsichtlich des vorhandenen – nunmehr gepfändeten – Vermögens die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben, so dass mindestens hinsichtlich dieses Betrages eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO hätte getroffen werden müssen.

II.


7
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
8
1. Ob der Tatrichter eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO trifft, steht zwar in seinem Ermessen („kann“; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 111i Rn. 8 mwN) und unterliegt daher nur der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung (BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 StR 306/12, BGHSt 58, 152). Auch die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung gebotene Berücksichtigung des § 73c Abs. 1 StGB (dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39; Beschlüsse vom 1. März 2011 – 4 StR 30/11; vom 8. August 2013 – 3 StR 179/13, NStZ-RR 2014, 44) ist Sache des Tatrichters. Daraus folgt aber nicht, dass Auslegung und Anwendung (bzw. Nichtanwendung) dieser Vorschriften jeglicher Kontrolle durch das Revisionsgericht entzogen wären; sie unterliegen vielmehr – wie jede andere Gesetzesanwendung auch – der Überprüfung auf Rechtsfehler hin (§ 337 Abs. 1 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13).
9
2. Auf dieser Grundlage kann das Absehen von einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO durch die Strafkammer keinen Bestand haben, da das Landgericht den Regelungsgehalt des § 73c StGB rechtsfehlerhaft nicht hinreichend beachtet hat.
10
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei „unbilliger Härte“ zwingend zum Ausschluss der Verfallsanordnung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits, dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Wertersatzverfalls abgesehen werden kann; denn die tatbestandlichen Voraussetzungen, welche nach Satz 2 der Vorschrift ein Absehen vom Verfall nach pflichtgemäßem Ermessen ermöglichen, können nicht zugleich einen zwingenden Ausschlussgrund nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bilden. Daher kann das Nichtmehrvorhandensein des Wertes des Erlangten im Vermögen des Betroffenen jedenfalls für sich genommen keine unbillige Härte darstellen, sondern unterfällt dem Anwendungsbereich des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB. Nach dieser Vorschrift kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden sind. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der Angeklagte aus der Tat „erlangt“ hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüberzustellen. Wenn hiernach auch ein Gegenwert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist, kann der Tatrichter von einer Verfallsanordnung absehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13; vom 26. Juni 2014 – 3 StR 83/14; Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86; vgl. auch BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 14/11, NJW 2012, 92).
11
Maßgebend für die Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB ist neben der Gesamthöhe des Erlangten und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen insbesondere der Grund, aus welchem das Erlangte bzw. dessen Wert sich nicht mehr im Vermögen des Angeklagten befindet. Hierbei können etwa das „Verprassen“ der erlangten Mittel oder ihre Verwen- dung für Luxus und zum Vergnügen gegen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen; andererseits kann ihr Verbrauch in einer Notlage oder zum notwendigen Lebensunterhalt des Betroffenen und seiner Familie als Argument für eine positive Ermessensentscheidung dienen (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 2 StR 134/14; Urteil vom 18. September 2013 – 5 StR 237/13). Ferner darf bei dieser Entscheidung das Resozialisierungsinteresse nach der Haftentlassung des Angeklagten Berücksichtigung finden (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40, 41; vom 18. September 2013 – 5 StR 237/13, wistra 2013, 462, 463).
12
Die Annahme einer „unbilligen Härte“ im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB setzt dagegen nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin „ungerecht“ wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Ein- zelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Es müssen daher besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 2 StR 134/14). Dabei kann – wie ausgeführt – das Nichtvorhandensein des Erlangten bzw. eines Gegenwertes im Vermögen des von der Verfallsanordnung Betroffenen nach der inneren Systematik des § 73c Abs. 1 StGB für sich genommen regelmäßig keine unbillige Härte begründen (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13). Auch kann allein das Resozialisierungsinteresse bei tatsächlich vorhandenen Vermögenswerten ein völliges Absehen von der Verfallsanordnung oder der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO regelmäßig nicht rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86).
13
b) Daran gemessen begegnet die Entscheidung des Landgerichts, von einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO abzusehen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
aa) Denn die Strafkammer hat es unterlassen, wie geboten, zunächst die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB zu prüfen sowie – falls es diese als gegeben erachtet – die Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift zu treffen. Sie hat vielmehr sogleich rechtsfehlerhaft auf die nachgeordnete Frage des Vorliegens einer unbilligen Härte im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB abgestellt und das Absehen von der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO ausdrücklich (nur) darauf gestützt, dass die Anordnung „eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 S. 1 StGB darstellen“ würde (UA S. 99).
15
bb) Hinzu kommt das Folgende:
16
(1) Das Landgericht hat nicht hinreichend belegt, dass der Angeklagte aus den Straftaten tatsächlich Gegenstände im Wert von fast einer Million Euro erlangt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert aus der Tat erlangt im Sinn des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen ist, er an ihm also unmittelbar aus der Tat (tatsächliche, aber nicht notwendig rechtliche) Verfügungsmacht gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt hat. Bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt hatten (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39; vgl. ferner Beschlüsse vom 1. März 2011 – 4 StR 30/11; vom 9. Februar 2010 – 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390). Hierzu stellt die Strafkammer zwar fest, dass der Angeklagte sechs der Taten als Alleintäter begangen hat, bei 28 der bei ihm insgesamt abgeurteilten 34 Taten hat es dagegen Mittäterschaft angenommen. Ob der Angeklagte in jedem dieser Fälle Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand und damit tatsächlich Gegenstände „im Wert von fast einer Million Euro erlangt hat“ (UA S. 99), hat es dagegen nicht erörtert und liegt nach den getroffenen Feststellungen auch nicht ausnahmslos auf der Hand.
17
(2) Soweit das danach Erlangte im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist (vgl. zu dieser Feststellung BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86, 87), ist in die Ermessensentscheidung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB einzubeziehen, dass es bei einer innerhalb etwa eines Jahres erlangten Tatbeute „im Wert von fast einer Million Euro“ nicht na- heliegt, dass diese nur zum notwendigen Lebensunterhalt des Betroffenen verwendet wurde. Dies gilt selbst dann, wenn berücksichtigt wird, dass der von seiner Ehefrau getrennt lebende, kinderlose Angeklagte und/oder seine Mittäter die erlangten Gegenstände weit unter Wert veräußert haben und ihm in diesem etwa einem Jahr letztlich nur „mindestens 30.000 EUR“ verblieben (UA S. 68).
18
(3) Insbesondere hinsichtlich des – nach Ansicht der Strafkammer zwar nur „allenfalls“ – noch im Vermögen des Angeklagten vorhandenen Wertes des Erlangten, also des gepfändeten Bargeldes und der Armbanduhr, ist es selbst angesichts der Ausführungen des Landgerichts nicht naheliegend, dass eine unbillige Härte im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB gegeben ist, dass also auch insofern die Auswirkungen einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen und besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann.
19
3. Dem Senat ist es verwehrt, die gebotene Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO selbst zu treffen. Selbst wenn – wie hier – naheliegt, dass diese Feststellung zumindest die sichergestellten Vermögenswerte betrifft, darf das Revisionsgericht insbesondere die gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB dem Tatrichter überantwortete Ausübung des Ermessens nicht durch eigenes Ermessen ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 – 1 StR 548/13).
20
Einer Aufhebung der vom Landgericht getroffenen Feststellungen bedarf es nicht; ergänzende – den bisherigen nicht widersprechende – Feststellungen können getroffen werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 353 Rn. 12, 21).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Bender

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 463/14
vom
26. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. März
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 17. März 2014 aufgehoben , soweit das Landgericht eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO unterlassen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 23 Fällen, gewerbsmäßigen Bandendiebstahls in zwei Fällen, Betruges in vier Fällen, Diebstahls in zwei Fällen, gewerbsmäßiger Hehlerei und wegen versuchten Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die wirksam auf das Unterlassen einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Soweit infolge der Beschränkung der Revision von Bedeutung hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte erlangte – in sechs Fällen als Alleintäter, im Übrigen als Mittäter mit nicht bzw. erfolglos revidierenden Mitangeklagten – durch die abgeurteilten Betrugs-, Diebstahls- und Hehlereitaten Gegenstände, insbesondere Lastkraftwagen, Pkws und Baumaschinen, im Wert von fast einer Million Euro. Noch während des erstinstanzlichen Verfahrens ordnete das Landgericht im Dezember 2013 zur Sicherung der den Verletzten aus den Taten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche den dinglichen Arrest in das Vermögen des Angeklagten in Höhe von 921.803 € an. Daraufhin wurden beim Angeklagten 2.580 € Bargeld sowie eine Armbanduhr im Wert von 1.500 € gepfändet.
4
Nach den zu seinen persönlichen Verhältnissen getroffenen Feststellungen scheiterte der Angeklagte im Jahr 2010 mit dem Versuch, sein vor der Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe in der Mobilfunkbranche betriebenes Unternehmen wieder aufzubauen. Seitdem ging er keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach und bestritt seinen Lebensunterhalt „zumeist“ von Sozialleistungen. Der Angeklagte ist „hoch verschuldet“ und hat 2010 den „Offenbarungseid“ (UA S. 99) abgeleistet. Er ist verheiratet, aber mit einer anderen Frau liiert, und verfügt – über das gepfändete Geld sowie die Armbanduhr hinaus – über keine weiteren Vermögensgegenstände. Die aus den „Taten erhaltenen Erlöse von … mindestens 30.000 €“ – gemeint sind damit ersichtlich die Gelder, die durch den Verkauf der durch die Taten erlangten Gegenstände vereinnahmt wurden – hat der Angeklagte bis zu seiner Festnahme vollständig ausgegeben, um die Kosten seines Lebensunterhalts zu decken bzw. seinen Lebensstandard zu verbessern.
5
2. Das Landgericht hat von der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO abgesehen, weil diese „eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 S. 1 StGB darstellen“ würde. Denn sie würde die „Resozialisierung des Angeklagten gefährden und gegen das Übermaßverbot verstoßen“. Dem gepfändeten Geld sowie dem Wert der Armbanduhr stünden Verbindlichkeiten „in weitaus größerer Höhe gegenüber“; ein titulierter Anspruch gegen ihn über knapp eine Million Euro würde zu einer weiteren Verschlechterung seiner Situation und insbesondere dazu führen, dass er in absehbarer Zeit keinerlei Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze für sich behalten dürfte. Dies würde ihm jede Motivation nehmen, nach seiner Inhaftierung in das legale Erwerbsleben zurückzukehren. Unverhältnismäßig wäre die Anordnung, weil nicht zu erwarten sei, dass der Angeklagte jemals in der Lage sein werde, eine Forderung von knapp einer Million Euro zu bedienen.
6
3. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass Umstände, die die Anwendung von § 73c StGB rechtfertigen könnten, im Urteil nicht festgestellt seien. Jedenfalls seien hinsichtlich des vorhandenen – nunmehr gepfändeten – Vermögens die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben, so dass mindestens hinsichtlich dieses Betrages eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO hätte getroffen werden müssen.

II.


7
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
8
1. Ob der Tatrichter eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO trifft, steht zwar in seinem Ermessen („kann“; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 111i Rn. 8 mwN) und unterliegt daher nur der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung (BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 StR 306/12, BGHSt 58, 152). Auch die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung gebotene Berücksichtigung des § 73c Abs. 1 StGB (dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39; Beschlüsse vom 1. März 2011 – 4 StR 30/11; vom 8. August 2013 – 3 StR 179/13, NStZ-RR 2014, 44) ist Sache des Tatrichters. Daraus folgt aber nicht, dass Auslegung und Anwendung (bzw. Nichtanwendung) dieser Vorschriften jeglicher Kontrolle durch das Revisionsgericht entzogen wären; sie unterliegen vielmehr – wie jede andere Gesetzesanwendung auch – der Überprüfung auf Rechtsfehler hin (§ 337 Abs. 1 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13).
9
2. Auf dieser Grundlage kann das Absehen von einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO durch die Strafkammer keinen Bestand haben, da das Landgericht den Regelungsgehalt des § 73c StGB rechtsfehlerhaft nicht hinreichend beachtet hat.
10
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei „unbilliger Härte“ zwingend zum Ausschluss der Verfallsanordnung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits, dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Wertersatzverfalls abgesehen werden kann; denn die tatbestandlichen Voraussetzungen, welche nach Satz 2 der Vorschrift ein Absehen vom Verfall nach pflichtgemäßem Ermessen ermöglichen, können nicht zugleich einen zwingenden Ausschlussgrund nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bilden. Daher kann das Nichtmehrvorhandensein des Wertes des Erlangten im Vermögen des Betroffenen jedenfalls für sich genommen keine unbillige Härte darstellen, sondern unterfällt dem Anwendungsbereich des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB. Nach dieser Vorschrift kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden sind. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der Angeklagte aus der Tat „erlangt“ hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüberzustellen. Wenn hiernach auch ein Gegenwert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist, kann der Tatrichter von einer Verfallsanordnung absehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13; vom 26. Juni 2014 – 3 StR 83/14; Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86; vgl. auch BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 14/11, NJW 2012, 92).
11
Maßgebend für die Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB ist neben der Gesamthöhe des Erlangten und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen insbesondere der Grund, aus welchem das Erlangte bzw. dessen Wert sich nicht mehr im Vermögen des Angeklagten befindet. Hierbei können etwa das „Verprassen“ der erlangten Mittel oder ihre Verwen- dung für Luxus und zum Vergnügen gegen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen; andererseits kann ihr Verbrauch in einer Notlage oder zum notwendigen Lebensunterhalt des Betroffenen und seiner Familie als Argument für eine positive Ermessensentscheidung dienen (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 2 StR 134/14; Urteil vom 18. September 2013 – 5 StR 237/13). Ferner darf bei dieser Entscheidung das Resozialisierungsinteresse nach der Haftentlassung des Angeklagten Berücksichtigung finden (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40, 41; vom 18. September 2013 – 5 StR 237/13, wistra 2013, 462, 463).
12
Die Annahme einer „unbilligen Härte“ im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB setzt dagegen nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin „ungerecht“ wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Ein- zelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Es müssen daher besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 2 StR 134/14). Dabei kann – wie ausgeführt – das Nichtvorhandensein des Erlangten bzw. eines Gegenwertes im Vermögen des von der Verfallsanordnung Betroffenen nach der inneren Systematik des § 73c Abs. 1 StGB für sich genommen regelmäßig keine unbillige Härte begründen (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13). Auch kann allein das Resozialisierungsinteresse bei tatsächlich vorhandenen Vermögenswerten ein völliges Absehen von der Verfallsanordnung oder der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO regelmäßig nicht rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86).
13
b) Daran gemessen begegnet die Entscheidung des Landgerichts, von einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO abzusehen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
aa) Denn die Strafkammer hat es unterlassen, wie geboten, zunächst die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB zu prüfen sowie – falls es diese als gegeben erachtet – die Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift zu treffen. Sie hat vielmehr sogleich rechtsfehlerhaft auf die nachgeordnete Frage des Vorliegens einer unbilligen Härte im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB abgestellt und das Absehen von der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO ausdrücklich (nur) darauf gestützt, dass die Anordnung „eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 S. 1 StGB darstellen“ würde (UA S. 99).
15
bb) Hinzu kommt das Folgende:
16
(1) Das Landgericht hat nicht hinreichend belegt, dass der Angeklagte aus den Straftaten tatsächlich Gegenstände im Wert von fast einer Million Euro erlangt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert aus der Tat erlangt im Sinn des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen ist, er an ihm also unmittelbar aus der Tat (tatsächliche, aber nicht notwendig rechtliche) Verfügungsmacht gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt hat. Bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt hatten (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39; vgl. ferner Beschlüsse vom 1. März 2011 – 4 StR 30/11; vom 9. Februar 2010 – 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390). Hierzu stellt die Strafkammer zwar fest, dass der Angeklagte sechs der Taten als Alleintäter begangen hat, bei 28 der bei ihm insgesamt abgeurteilten 34 Taten hat es dagegen Mittäterschaft angenommen. Ob der Angeklagte in jedem dieser Fälle Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand und damit tatsächlich Gegenstände „im Wert von fast einer Million Euro erlangt hat“ (UA S. 99), hat es dagegen nicht erörtert und liegt nach den getroffenen Feststellungen auch nicht ausnahmslos auf der Hand.
17
(2) Soweit das danach Erlangte im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist (vgl. zu dieser Feststellung BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86, 87), ist in die Ermessensentscheidung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB einzubeziehen, dass es bei einer innerhalb etwa eines Jahres erlangten Tatbeute „im Wert von fast einer Million Euro“ nicht na- heliegt, dass diese nur zum notwendigen Lebensunterhalt des Betroffenen verwendet wurde. Dies gilt selbst dann, wenn berücksichtigt wird, dass der von seiner Ehefrau getrennt lebende, kinderlose Angeklagte und/oder seine Mittäter die erlangten Gegenstände weit unter Wert veräußert haben und ihm in diesem etwa einem Jahr letztlich nur „mindestens 30.000 EUR“ verblieben (UA S. 68).
18
(3) Insbesondere hinsichtlich des – nach Ansicht der Strafkammer zwar nur „allenfalls“ – noch im Vermögen des Angeklagten vorhandenen Wertes des Erlangten, also des gepfändeten Bargeldes und der Armbanduhr, ist es selbst angesichts der Ausführungen des Landgerichts nicht naheliegend, dass eine unbillige Härte im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB gegeben ist, dass also auch insofern die Auswirkungen einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen und besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann.
19
3. Dem Senat ist es verwehrt, die gebotene Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO selbst zu treffen. Selbst wenn – wie hier – naheliegt, dass diese Feststellung zumindest die sichergestellten Vermögenswerte betrifft, darf das Revisionsgericht insbesondere die gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB dem Tatrichter überantwortete Ausübung des Ermessens nicht durch eigenes Ermessen ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 – 1 StR 548/13).
20
Einer Aufhebung der vom Landgericht getroffenen Feststellungen bedarf es nicht; ergänzende – den bisherigen nicht widersprechende – Feststellungen können getroffen werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 353 Rn. 12, 21).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Bender
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Da dem Tatrichter bei der Entscheidung über die beantragte Vernehmung von Auslandszeugen eine Beweisantizipation nicht verwehrt ist, darf er seine Entscheidung über den Beweisantrag davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie die zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären. Kommt das Tatgericht unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zu der Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss auf seine Überzeugung auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der benannte Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist eine Ablehnung des Beweisantrags nicht zu beanstanden (BGH, Beschluss vom 5. September 2000 – 1 StR 325/00, NJW 2001, 695, 696; Becker, aaO, § 244 Rn. 356). Das Tatgericht darf dementsprechend den Beweiswert der mit dem Beweisantrag behaupteten (zu erwartenden ) Bekundungen als gering und als zur Erschütterung der bereits aufgrund des bisherigen Beweisergebnisses gewonnenen Überzeugung nicht geeignet ansehen, selbst wenn die Vernehmung des Auslandszeugen der Widerlegung der belastenden Beweise dienen soll (vgl. Becker, aaO).

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.