Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2017 - 3 StR 436/17

bei uns veröffentlicht am05.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 436/17
vom
5. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:051017B3STR436.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 5. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 11. April 2017 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über
a) die Dauer des Vorwegvollzugs,
b) den Verfall. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen unter Einbeziehung einer früher gegen ihn verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 7.400 €, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug von neun Monaten der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen angeordnet. Dagegen richtet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Maßregelentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs und die Verfallsentscheidung haben dagegen keinen Bestand.
3
1. Die Entscheidung über den Vorwegvollzug ist durchgreifend rechtsfehlerhaft.
4
a) Das Landgericht hat den vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu vollstreckenden Teil der Gesamtfreiheitsstrafen , die sich auf sechs Jahre summieren, mit neun Monaten bemessen. Zur Begründung hat die Strafkammer unter Bezugnahme auf § 67 Abs. 2 Sätze 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB ausgeführt, dass von einer Behandlungsdauer von zwei Jahren auszugehen sei, sodass "der Halbstrafenzeitpunkt unter Berücksichtigung der dreimonatigen Untersuchungshaft noch neun Monate entfernt" sei. Eine Kürzung der Dauer des angeordneten Vorwegvollzugs um die Dauer der bisher erlittenen Untersuchungshaft ist indes nicht zulässig (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2009 - 5 StR 22/09, juris Rn. 5; vom 19. Januar 2010 - 4 StR 504/09, NStZ-RR 2010, 171, 172; vom 22. August 2017 - 3 StR 331/17, juris Rn. 13).
5
b) Der Senat sieht sich daran gehindert, die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst zu ändern, weil nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Behandlung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt nur zwei Jahre in Anspruch nehmen wird.
6
Das Landgericht hat insoweit abweichend von dem Gutachten der Sachverständigen , wonach von einer dreijährigen Behandlungsdauer auszugehen war, angenommen, dass "die in §§ 64, 67d Abs. 1 Satz 1 StGB vorgesehene Höchsttherapiedauer von zwei Jahren" eingehalten werden könne. Die Strafkammer hat dabei ersichtlich nicht bedacht, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung von § 64 Satz 2 StGB nicht mehr von vornherein auf zwei Jahre beschränkt ist. Danach reicht es für die Anordnung der Maßregel vielmehr aus, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, dass der Behandlungserfolg "innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB" zu erreichen ist; die Höchstfrist der Unterbringung verlängert sich mithin gegebenenfalls nach Maßgabe des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB um die Dauer des nach § 67 Abs. 4 StGB anrechenbaren Teils der Freiheitsstrafe. Durch den Verweis auf § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch dann angeordnet werden kann, wenn ausnahmsweise eine notwendige Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren zu prognostizieren ist (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 - 3 StR 97/17, NStZ-RR 2017, 310).
7
Über die voraussichtliche Dauer des Vorwegvollzugs ist deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - erneut zu befinden.
8
2. Auch der vom Landgericht angeordnete Verfall von Wertersatz in Höhe von 7.400 € (§§ 73a Satz 1, 73 Abs. 1 StGB aF) hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die Strafkammer nicht geprüft hat, ob die Voraussetzungen des § 73c StGB aF vorliegen.
9
Den Urteilsgründen zufolge handelte es sich bei dem Betrag von 7.400 € um den Erlös, den der Angeklagte durch seine Betäubungsmittelgeschäfte erzielte. Den Urteilsgründen lässt sich indes nicht entnehmen, ob der Wert des Erlangten noch in dem Vermögen des Angeklagten vorhanden und dementsprechend eine Ermessensentscheidung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB aF zu treffen war. Ebenso wenig ist ersichtlich, ob die Anordnung des Verfalls gegebenenfalls als unbillige Härte für den Angeklagten anzusehen ist (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB aF). Eine Konstellation, in der das Vorliegen eines Härtefalls von vornherein nicht in Betracht kommt und § 73c StGB aF deshalb nicht zu erörtern war (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 75/11, BGHR § 73c StGB Erörterungsbedarf 1), liegt hier nicht vor.
10
Auch insoweit bedarf die Sache deshalb einer erneuten Entscheidung.
Schäfer Gericke Spaniol Tiemann Hoch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2017 - 3 StR 436/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2017 - 3 StR 436/17

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol
Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2017 - 3 StR 436/17 zitiert 9 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol

Strafgesetzbuch - StGB | § 67d Dauer der Unterbringung


(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Strafgesetzbuch - StGB | § 73a Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind. (2) Hat sich de

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2017 - 3 StR 436/17 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2017 - 3 StR 436/17 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2010 - 4 StR 504/09

bei uns veröffentlicht am 19.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 504/09 vom 19. Januar 2010 in der Strafsache gegen wegen Mordes Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Januar 2010 gemäß § 349 Abs. 2 u

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2011 - 1 StR 75/11

bei uns veröffentlicht am 15.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 75/11 vom 15. März 2011 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja BGHR: ja Veröffentlichung: ja _______________________ BtMG § 31 Abs. 2 StGB § 46b Abs. 3, § 73c Abs. 1 1. Für eine Hilfe zur Aufklärung nach Eröffnung

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2017 - 3 StR 331/17

bei uns veröffentlicht am 22.08.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 331/17 vom 22. August 2017 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a. ECLI:DE:BGH:2017:220817B3STR331.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2017 - 3 StR 97/17

bei uns veröffentlicht am 14.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 97/17 vom 14. Juni 2017 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a. ECLI:DE:BGH:2017:140617B3STR97.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Bes

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 504/09
vom
19. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Januar 2010 gemäß § 349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22. Juni 2009, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Reihenfolge der Vollstreckung dahin geändert, dass die Vollziehung von insgesamt drei Jahren und neun Monaten der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ferner hat es bestimmt, dass zwei Jahre und neun Monate der verhängten Freiheitsstrafe vor seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollziehen sind. Die Revision des Angeklagten , mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, führt zu einer geänderten Festlegung der Dauer des Vorwegvollzugs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 20. Oktober 2009 verwiesen. Auch der auf § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB in der Fassung des am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBI. I S. 1327) gestützte Ausspruch, dass ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollziehen ist, hält als solcher sachlich -rechtlicher Nachprüfung stand.
3
2. Indessen kann die Entscheidung des Landgerichts über die Dauer des Vorwegvollzugs nicht bestehen bleiben.
4
a) Dass der Maßregelausspruch nach dem Willen des Beschwerdeführers vom Revisionsangriff ausgenommen sein soll, steht dem nicht entgegen. Ob die Beschränkung des Rechtsmittels die Berechnung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe hier überhaupt erfasst (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 - 5 StR 374/07 Tz. 4 a.E.), kann letztlich dahinstehen ; denn die Beschränkung ist insgesamt unwirksam, weil der Angeklagte mit einer Verfahrensrüge und mit der Sachrüge auch den Schuldspruch angreift. In einem solchen Fall kann mit der erklärten Rechtsmittelbeschränkung nicht wirksam auf die Anfechtung der Unterbringung nach § 64 StGB verzichtet werden, da die Feststellung einer Symptomtat unerlässliche Voraussetzung der Maßregelanordnung ist (BGH, Beschluss vom 26. August 2009 - 2 StR 302/09).
5
b) Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung über die Berechnung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe zwar ausdrücklich der Gesetzeslage nach Neufassung des § 67 Abs. 2 StGB Rechnung tragen wollen. Aus dieser folgt jedoch, dass im vorliegenden Fall nicht zwei Jahre und neun Monate, sondern drei Jahre und neun Monate der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Erst danach ist unter Berücksichtigung der im Fall des Beschwerdeführers für erforderlich gehaltenen Dauer der Therapie im Maßregelvollzug von zwei Jahren mit dann insgesamt fünf Jahren und neun Monaten die Hälfte der verhängten, sich auf elf Jahre sechs Monate belaufenden Freiheitsstrafe erledigt. Eine Kürzung der Dauer des angeordneten Vorwegvollzugs um die Dauer der bisher erlittenen Untersuchungshaft ist nicht zulässig (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2009 - 5 StR 22/09).
6
c) Da die sachverständig beratene Strafkammer rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt ist, dass im Fall des Angeklagten die Therapie voraussichtlich zwei Jahre dauern werde und es sich bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs um einen auf klaren gesetzlichen Vorgaben beruhenden Rechenvorgang handelt, kann der Senat die Dauer des Vorwegvollzugs gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog selbst festlegen (Senatsbeschluss vom 8. April 2008 - 4 StR 21/08 m.w.N.). Der Angeklagte ist durch diese nachträgliche Entscheidung unter keinen Umständen beschwert (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2008 - 4 StR 552/08, NStZ-RR 2009, 105).
7
3. Eine Kostenermäßigung nach § 473 Abs. 4 StPO war nicht veranlasst, weil das unbeschränkte Rechtsmittel des Angeklagten nur zu einer geringen Änderung des angefochtenen Urteils geführt hat.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke
13
Das Landgericht hat den vor der - rechtsfehlerfrei angeordneten - Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu vollstreckenden Teil der Gesamtfreiheitsstrafe mit einem Jahr und sechs Monaten bemessen. Zur Begründung hat die Strafkammer unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 67 Abs. 2 Sätze 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB ausgeführt, dass der Angeklagte "den Halbstrafenzeitpunkt" nach vier Jahren erreichen werde und davon auszugehen sei, dass seine Behandlung in der Entziehungsanstalt zwei Jahre dauern werde. Das ist nicht nachvollziehbar; im Hinblick auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und die voraussichtliche Behandlungsdauer von zwei Jahren hätte der Vorwegvollzug vielmehr auf zwei Jahre festgesetzt werden müssen. Die Berechnung der Strafkammer beruht möglicherweise darauf, dass sie die Dauer des Vorwegvollzugs um diejenige der bisher erlittenen Untersuchungshaft gekürzt hat; dies ist indes nicht zulässig (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2009 - 5 StR 22/09, juris Rn. 5).

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 97/17
vom
14. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:140617B3STR97.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 14. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 25. November 2016 aufgehoben
a) im Strafausspruch, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten;
b) soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat mit den zugehörigen Feststellungen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete , auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Er- folg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, hat hingegen keinen Bestand; das führt hier auch zur Aufhebung des Strafausspruchs.
4
a) Die sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Hang hat, Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren. Sie hat auch angenommen, dass zwischen diesem Hang und den abgeurteilten Taten ein symptomatischer Zusammenhang besteht. Die Strafkammer hat indes eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Behandlung im Sinne des § 64 Satz 2 StGB aufgrund folgender Erwägungen verneint:
5
Der Angeklagte habe "auf ausdrückliche und mehrfache Nachfrage der Kammer vehement bekundet", dass er eine solche Behandlung "auf keinen Fall durchführen wolle". Deshalb sei die Strafkammer davon überzeugt, "dass eine Unterbringungsdauer von höchstens zwei Jahren" nicht ausreichen werde, um bei dem Angeklagten zunächst die erforderliche Therapiemotivation zu wecken und anschließend eine erfolgreiche Therapie durchzuführen, die nach Einschätzung des Sachverständigen mindestens ein Jahr dauern werde.
6
b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Sie sind schon im Ansatz verfehlt, weil die Strafkammer nicht bedacht hat, dass es für die Anordnung der Maßregel nach § 64 Satz 2 StGB in seiner seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung ausreicht, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, dass der Behandlungserfolg "innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3" StGB zu erreichen ist. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist mithin, wenn - wie hier - daneben eine Freiheitsstrafe verhängt wird, nicht mehr von vornherein auf zwei Jahre beschränkt; die Höchstfrist der Unterbringung verlängert sich in diesen Fällen vielmehr nach Maßgabe des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB um die Dauer des nach § 67 Abs. 4 StGB anrechenbaren Teils der Freiheitsstrafe. Durch den Verweis auf § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch dann angeordnet werden kann, wenn ausnahmsweise eine notwendige Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren zu prognostizieren ist (BT-Drucks. 18/7244, S. 1, 2, 24 f.).
7
Den Urteilsgründen lässt sich auch nicht ohne Weiteres entnehmen, dass die aktuelle Therapieunwilligkeit des Angeklagten seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt selbst unter Berücksichtigung der gemäß § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB verlängerten Höchstfrist entgegensteht. Therapieunwilligkeit kann zwar ein Indiz für unzureichende Erfolgsaussichten der Entziehungsbehandlung sein. Ob der Schluss von einem Mangel an Therapiebereitschaft auf das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Behandlung gerechtfertigt ist, lässt sich aber nur aufgrund einer - vom Landgericht hier nicht vorgenommenen - Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgebenden Umstände beurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. April 1996 - 3 StR 95/96, NStZ-RR 1997, 34, 35; vom 22. September 2010 - 2 StR 268/10, NStZ-RR 2011, 203; vom 15. Dezember 2009 - 3 StR 516/09, juris Rn. 5).
8
c) Über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
9
d) Da der Senat im vorliegenden Fall nicht ausschließen kann, dass das Landgericht im Falle der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte, hebt er den Strafausspruch ebenfalls auf. Die diesem zugrunde liegenden Feststellungen können indes bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht berührt werden (s. § 353 Abs. 2 StPO).
10
3. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
11
a) Es ist unter dem Gesichtspunkt des Doppelverwertungsverbots (§ 46 Abs. 3 StGB) nicht unbedenklich, dass die Strafkammer in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe strafschärfend gewertet hat, dass die von dem Angeklagten zum Zweck des Handeltreibens erworbenen Betäubungsmittel in diesenFällen - im Gegensatz zu den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe - "in den Verkehr geraten" sind. Denn Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256). Es erfasst typischerweise den Verkauf an andere Personen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. November 2003 - 2 StR 403/03, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben
5) und damit auch, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr geraten.
12
Wenngleich die Strafkammer durch die von ihr gewählte Formulierung möglicherweise nur deutlich zum Ausdruck bringen wollte, dass der in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe vorliegende Strafmilderungsgrund, der sich daraus ergibt, dass die Betäubungsmittel in diesen Fällen sichergestellt wurden, in den Fällen 1 und 2 fehlt, so ist doch zu beachten, dass das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes sich nicht strafschärfend auswirkt.
13
b) Nicht frei von Bedenken ist auch die strafschärfende Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei den Betäubungsmitteln in allen Fällen "um Amphetamin, also eine sog. harte Droge mit hohem Gefährdungspotential" gehandelt habe. Der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit kommt im Rahmen der Strafzumessung zwar grundsätzlich eine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314 mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht insoweit indes ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis, das von sog. harten Drogen, wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sog. weichen Drogen, wie Cannabis reicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 1996 - 2 StR 508/96, StV 1997, 75 f.; vom 26. März 2014 - 2 StR 202/13, juris Rn. 20; vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314 mwN). Daran gemessen ist es verfehlt, Amphetamin als "harte" Droge anzusehen.
14
c) Schließlich ist es nicht bedenkenfrei, dass die Strafkammer bei den Aussprüchen über die Einzelstrafen keine Differenzierung zwischen den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe auf der einen und dem Fall 3 der Urteilsgründe auf der anderen Seite vorgenommen hat. Nach den Feststellungen des Landgerichts bezog sich das Handeltreiben des Angeklagten in allen drei Fällen gleichermaßen auf eine Menge von ca. 250 g Amphetamin mit einer Wirkstoff- menge, die in den Fällen 1 und 2 das Maß der nicht geringen Menge jeweils einfach erreichte und im Fall 3 dem 1,7-fachen der nicht geringen Menge entsprach. Während der Angeklagte seine Täterschaft in den Fällen 1 und 2 bestritten hat, hat er im Hinblick auf Fall 3 ein Geständnis abgelegt. Anders als in den Fällen 1 und 2 konnten die Betäubungsmittel im Fall 3 zudem sichergestellt werden. Gleichwohl hat die Strafkammer in allen drei Fällen auf Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten erkannt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass "insbesondere die strafmildernden Umstände des Geständnisses und der Sicherstellung des Amphetamins im Fall 3" der Urteilsgründe "zu einer Angleichung der Strafzumessungsgesichtspunkte geführt" hätten. Das ist aus sich heraus nicht nachvollziehbar.
Becker Schäfer RiBGH Gericke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker
Tiemann Hoch

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 75/11
vom
15. März 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
1. Für eine Hilfe zur Aufklärung nach Eröffnung des Hauptverfahrens ist gemäß
§ 31 Abs. 2 BtMG i.V.m. § 46b Abs. 3 StGB eine Strafrahmenverschiebung
ausgeschlossen; diese kann bei der Strafzumessung im Rahmen des
§ 46 StGB berücksichtigt werden.
2. Eine Erörterung der Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 StGB in den Urteilsgründen
ist nur dann erforderlich, wenn nahe liegende Anhaltspunkte für deren
Vorliegen gegeben sind.
BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 75/11 - LG Hof
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2011 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 19. November 2010 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall B I. der Urteilsgründe) und wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall B II. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren verurteilt. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 40.000 € angeordnet. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen diese Verurteilung. Sein Rechtsmittel bleibt erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
1. Im Fall B I. der Urteilsgründe war der Angeklagte seit Mitte des Jahres 2009 Mitglied einer Bande, die in einer sog. Indoor-Anlage Marihuana anbauen und es anschließend gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Er hatte für die Errichtung der Anlage 40.000 € als „Darlehen“ zur Verfügung gestellt; außer- dem war er innerhalb der Bandenstruktur für den gewinnbringenden Weiterverkauf des Betäubungsmittels zuständig.
4
Im September 2009 wurden in der Anlage 57 kg Marihuana (Wirkstoffgehalt mindestens 5 % THC) geerntet und am 16. und 23. September 2009 in zwei Teilmengen von 27 und 30 kg zu einem Abnehmer nach Hamburg gebracht , der für ein Kilogramm je 3.000 € zahlte. Dem Angeklagten, der bei der Abrechung der Ware jeweils anwesend war, wurden für jede der Lieferungen ein Entgelt in Höhe von 3.000 € gezahlt. Außerdem erhielt er aus dem Erlös des Betäubungsmittelgeschäfts die als „Darlehen“ gewährten 40.000 € zurück.
5
2. Im Fall B II. der Urteilsgründe war der Angeklagte Anfang Oktober 2009 beauftragt worden, an einem Transport von 26,8 kg Marihuana (Wirkstoffgehalt 13,4 % THC) aus der Tschechischen Republik nach Deutschland mitzuwirken. Der Transport fand am 6. Oktober 2009 statt. Der Tatbeitrag des Angeklagten bestand dabei u.a. in der telefonischen Anleitung und Überwachung der bei dem Transport eingesetzten Kuriere. Als Entlohnung waren ihm 200 € pro Kilogramm Marihuana versprochen worden.
6
3. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 2. August 2010 das Hauptverfahren eröffnet. Der Angeklagte, der sich weder im Ermittlungs- noch im Zwischenverfahren eingelassen hatte, machte erstmals in der am 23. September 2010 beginnenden Hauptverhandlung geständige Angaben zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Nach der Bewertung des Landgerichts führten diese zu einer weiteren, über den Tatbeitrag des Angeklagten hinausgehenden Aufdeckung der Straftaten, was von der Strafkammer bei der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigt worden ist. Eine Strafrahmenverschiebung nach § 31 Abs. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB hat das Landgericht dagegen nicht vorgenom- men, da es die Aufklärungsbemühungen des Angeklagten gemäß § 31 Abs. 2 BtMG, § 46b Abs. 3 StGB als verspätet angesehen hat.

II.


7
Die Revision ist unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
8
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 16. Februar 2011 bemerkt der Senat:
9
1. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht zu Recht von einer Strafrahmenmilderung nach § 31 Abs. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB abgesehen.
10
a) Gemäß § 31 Abs. 2 BtMG i.V.m. § 46b Abs. 3 StGB ist eine solche Strafrahmenverschiebung zwingend ausgeschlossen, wenn ein Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 StPO) gegen ihn beschlossen worden ist.
11
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben: Der Angeklagte hat sich erstmals in der Hauptverhandlung und damit nach Eröffnung des Hauptverfahrens eingelassen. Seine Aufklärungsbemühungen waren damit verspätet. Sie konnten daher nicht mehr zu einer Verringerung des Strafrahmens führen, sondern durften allenfalls, wie es das Landgericht hier zutreffend getan hat, bei der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt werden.
12
b) Die Anwendung der Präklusionsvorschrift des § 31 Abs. 2 BtMG i.V.m. § 46b Abs. 3 StGB verstößt entgegen der Ansicht der Revision vorliegend nicht gegen das Meistbegünstigungsprinzip (§ 2 Abs. 3 StGB).
13
aa) Art. 316d EGStGB bestimmt, dass § 46b StGB und § 31 BtMG in der Fassung des 43. StrÄndG (BGBl. I 2009, 2288), in Kraft getreten am 1. September 2009, nicht auf Verfahren anzuwenden sind, in denen vor dem 1. September 2009 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen worden ist. Dies hat im Umkehrschluss allerdings nicht zur Folge, dass diese Vorschriften ohne weiteres auf Verfahren anzuwenden sind, in denen die Eröffnung des Hauptverfahrens - wie hier - erst nach dem 1. September 2009 beschlossen worden ist. Für die Frage des auf diese Verfahren anwendbaren Rechts gelten vielmehr die allgemeinen Regeln, nach denen grundsätzlich das zur Tatzeit (§ 2 Abs. 1 StGB) bzw. bei einer fortdauernden oder fortgesetzten Tatbegehung das bei der Beendigung der Tat (§ 2 Abs. 2 StGB) geltende Recht Anwendung findet , sofern das neue Recht in seiner Gesamtheit keine für den Angeklagten gemäß § 2 Abs. 3 StGB günstigere Regelung darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2010 - 3 StR 65/10, NStZ 2010, 523, 524; BGH, Beschluss vom 27. April 2010 - 3 StR 79/10).
14
bb) Danach ist § 31 BtMG in der Fassung des 43. StrÄndG auf das vorliegende Verfahren anzuwenden, da diese Vorschrift zur Tatzeit (Fall B II. der Urteilsgründe) bzw. zum Zeitpunkt der Tatbeendigung (Fall B I. der Urteilsgründe ) bereits in Kraft getreten war.
15
(1) Im Fall B II. der Urteilsgründe ergibt sich dies aus dem Umstand, dass sämtliche Tathandlungen des Angeklagten erst im Oktober 2009 begangen wurden.

16
(2) Im Fall B I. der Urteilsgründe begann die Tatbegehung durch den Angeklagten zwar schon Mitte des Jahres 2009 (und damit vor Inkrafttreten des § 31 Abs. 2 BtMG und § 46b Abs. 3 StGB am 1. September 2009). In dieser Zeit wirkte der Angeklagte beim Aufbau der „Indoor-Anlage“ zum Anbau von Marihuana mit, was sich als ein unselbstständiger Teilakt des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2011 - 5 StR 555/10 mwN). Seine Tathandlungen waren zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht beendet. Die Tatbeendigung trat vielmehr erst mit dem Verkauf der Betäubungsmittel und der Verteilung des Erlöses im September 2009 ein (vgl. allgemein zur Tatbeendigung beim Handeltreiben Körner, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 408 mwN). Zu diesem Zeitpunkt, der für die rechtliche Beurteilung gemäß § 2 Abs. 2 StGB maßgeblich ist, war die Neuregelung des § 31 Abs. 2 BtMG i.V.m. § 46 Abs. 3 StGB schon in Kraft und deshalb auch auf die vorliegende Tat anzuwenden.
17
c) Im Übrigen hat das Landgericht die Aufklärungshilfe durch den Angeklagten strafmildernd bei der Strafzumessung berücksichtigt. Es hat damit zum Ausdruck gebracht, dass es den Umstand nicht außer Acht gelassen hat, dass bei den Teilakten, die vor dem Inkrafttreten der § 31 Abs. 2 BtMG, § 46b Abs. 3 StGB begangen wurden, ein milderer Strafrahmen galt als zum Zeitpunkt der Beendigung der Tat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 1999 - 2 StR 301/99, wistra 1999, 465).
18
2. Die Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 40.000 € gemäß § 73, § 73a StGB hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
19
a) Bei der Bemessung des Wertersatzverfalls hat sich das Landgericht zutreffend an dem sog. Bruttoprinzip orientiert. Danach ist nicht nur der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erhalten hat, für verfallen zu erklären (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 370). Hier hat der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts aus dem Betäubungsmittelgeschäft jedenfalls die für verfallen erklärten 40.000 € erhalten.
20
Dass es sich hierbei um die Rückzahlung des Betrags handeln sollte, den der Angeklagte als „Darlehen“ zur Finanzierung des Drogengeschäfts aufgewendet hatte, steht der Verfallsanordnung nicht entgegen. Finanzielle Aufwendungen , die für die Tatbegehung erbracht worden sind, dürfen bei der Berechnung des Erlangten nicht in Abzug gebracht werden. Zur Erfüllung des vom Gesetzgeber mit den Verfallsregelungen verfolgten Präventionszweckes - wonach der vom Verfall Betroffene auch das finanzielle Risiko strafbaren Handelns zu tragen hat - soll vielmehr das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein (BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 374; BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 67).
21
Der Umstand, dass es das Landgericht bei der Abschöpfung des Erlangten unberücksichtigt gelassen hat, dass der Angeklagte nach den Feststellungen neben den für verfallen erklärten 40.000 € weitere 6.000 € für die beiden Betäubungsmittellieferungen erhalten hat, beschwert diesen nicht.
22
b) Es begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht im vorliegenden Fall nicht ausdrücklich auf die Härtefallregelung des § 73c StGB eingegangen ist. Einer besonderen Darlegung und Begründung bedarf es angesichts des Ausnahmecharakters dieser Vorschrift in der Regel nur dann, wenn von einer Verfallsanordnung (teilweise) abgesehen werden soll. Wird dagegen - wie hier - entsprechend der gesetzlichen Regel nicht davon abgesehen, ist eine Erörterung der Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 StGB nur dann erforderlich, wenn nahe liegende Anhaltspunkte für deren Vorliegen gegeben sind (S/S-Eser, StGB, 27. Aufl., § 73c Rn. 7 mwN). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Eine Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) mit dem Ziel entsprechender weiterer Feststellungen ist von der Revision nicht erhoben. Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Elf

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.