Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2014 - 3 StR 451/14

bei uns veröffentlicht am11.11.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 5 1 / 1 4
vom
11. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. November 2014
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 2. Juni 2014 aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen verurteilt worden ist (Taten Ziff. II. 2. der Urteilsgründe); jedoch bleiben die insoweit getroffenen bisherigen Feststellungen aufrechterhalten,
b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat seinen Antrag auf Aufhebung des Schuldspruchs zu den Taten Ziff. II. 2. der Urteilsgründe und des gesamten Strafausspruches wie folgt begründet: "Ein durchgreifender Rechtsfehler liegt jedenfalls darin, dass die Strafkammer keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Gaspistole geladen war oder zumindest geeignete Munition griffbereit oder in Reichweite so zur Verfügung stand, dass die Waffe unschwer und ohne erheblichen Zeitverlust geladen werden konnte (BGH StV 2003, 80; NStZ-RR 2004, 169; StV 2003, 80; Weber BtMG 4. Aufl. § 30a Rdn. 99; Körner/Patzak BtMG 7. Aufl. § 30a Rdn. 64, jew. mwN). Die Urteilsgründe weisen auch nicht auf, dass es sich bei der Gaspistole um einen sonstigen Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG handelte. Der Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung der Feststellungen über die Funktionsweise der Gaspistole, ihren Ladezustand sowie die Frage des Vorhandenseins von Munition im vorbezeichneten Sinne. Die übrigen Feststellungen zum Schuldspruch sind von dem Rechtsfehler nicht berührt und können daher bestehen bleiben. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand. In den vier Fällen des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln folgt dies auch aus der Aufhebung des Schuldspruchs. Auch die Einzelstrafen für die fünf Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterliegen der Aufhebung. Das Landgericht hat nicht geprüft, ob in diesen Fällen ebenfalls eine Strafmilderung nach §§ 31 BtMG, 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt. Der Tatbegriff des § 31 Nr. 1 BtMG ist nicht identisch mit dem des § 264 StPO, sondern ein weitergehender, eigenständiger , der den besonderen Erfordernissen der Aufklärungshilfe gerecht wird (BGH NStZ-RR 2011, 57; Weber aaO § 31 Rdn. 40 mwN). Ausreichend ist, wenn die aufgeklärten Taten mit der eigenen strafbaren Tätigkeit des Aufklärungsgehilfen im Zusammenhang stehen (Weber aaO Rdn. 42 mwN aus der Rspr.; ebenso § 31 BtMG a.F.). Ein solcher Zusammenhang kommt ausweislich der Urteilsgründe auch mit den fünf Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Betracht. Danach hat der Angeklagte auch Angaben zu zahlreichen seiner Abnehmer gemacht, die zur Einleitung von rund 80 Ermittlungsverfahren geführt haben (UA S. 5, 7). Überdies weisen die Feststellungen zu diesen Taten den Namen und den Wohnort des Abnehmers aus (UA S. 4), was zusätzlich einen Zusammenhang im Sinne des § 31 Nr. 1 BtMG nahe legt."
3
Dem schließt sich der Senat an. Ergänzend bemerkt er:
4
Dass den Urteilsausführungen nicht unmittelbar entnommen werden kann, ob bei der aufgefundenen Gaspistole der Explosionsdruck konstruktionsbedingt nach vorn austritt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1999 - 4 StR 380/98, BGHSt 45, 92, 93; Beschluss vom 4. Februar 2003 - GSSt 2/02, BGHSt 48, 197; Beschluss vom 9. Februar 2010 - 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390), hätte für sich der Revision noch nicht zum Erfolg verholfen. Nach den Feststellungen befand sich in der Wohnung des Angeklagten, in der er Betäubungsmittel in nicht geringer Menge zum gewinnbringenden Weiterverkauf lagerte und portionierte , griffbereit eine Gaspistole der Marke Umarex/Beretta Px4 Storm. Aus dieser konkreten Typenbezeichnung ergibt sich die Bauweise der Pistole mit Mündung nach vorne; denn die Typenbezeichnung ermöglicht es dem Revisionsgericht , die Bauweise aus einer jedermann zugänglichen Quelle (Internet) im Sinne der Allgemeinkundigkeit zuverlässig festzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 57/11, NStZ 2011, 702; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 337 Rn. 25 i.V.m. § 244 Rn. 51 je mwN).
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2014 - 3 StR 451/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2014 - 3 StR 451/14

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 31 Strafmilderung oder Absehen von Strafe


Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter1.durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich d

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 17/10
vom
9. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1. - 3.: schwerer räuberischer Erpressung u. a.
zu 4.: Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Februar
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 7. September 2009 aufgehoben, soweit die Angeklagten in den Fällen II. 1. bis 6. und 8. der Urteilsgründe verurteilt worden sind; jedoch bleiben in den Fällen II. 1. bis 6. der Urteilsgründe die bisherigen Feststellungen insgesamt und im Fall II. 8. der Urteilsgründe die bisherigen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen schwerer räuberischer Erpressung in fünf Fällen, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung, den Angeklagten F. wegen schwerer räuberischer Erpressung in vier Fäl- len, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung sowie den Angeklagten Me. wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
2
Die Angeklagte Me. hat es wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat; eine Digitalkamera und ein Mobiltelefon dieser Angeklagten hat es eingezogen.
3
Weiter hat das Landgericht festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls von 365.050 € betreffend den Angeklagten M. , 345.050 € betreffend den Angeklagten F. , 339.000 € betreffend den Angeklagten Me. und 30.000 € betreffend die Angeklagte Me. lediglich Ansprüche Verletzter entgegenstehen.
4
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
5
1. Die Schuldsprüche wegen schwerer räuberischer Erpressung, versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung und Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die vom Landgericht jeweils angenommene Qualifizierung der Taten wegen der Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) - die zu deren rechtlicher Te- norierung als "besonders schwer" hätte führen müssen (BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4) - wird von den Feststellungen nicht getragen.
6
Zutreffend geht das Landgericht zwar davon aus, dass der Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB kein Durchladen der verwendeten Schusswaffe erfordert, sondern deren Unterladung durch Einfügen des bestückten Magazins genügt. Bedroht der Täter bei einer Raubtat das Opfer mit einer - geladenen oder unterladenen - Schreckschusswaffe, erfüllt er den Qualifikationstatbestand indes nur dann, wenn nach deren Bauart der Explosionsdruck beim Abfeuern der Kartuschenmunition nach vorne durch den Lauf austritt (vgl. BGHSt 48, 197). Dies hat das Landgericht nicht festgestellt; Feststellungen hierzu waren auch nicht entbehrlich, denn der Austritt des Explosionsdrucks nach vorne kann nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Der neue Tatrichter wird deshalb zur Bauart der Waffen ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
7
Die sonstigen bisherigen Feststellungen sind in den Fällen II. 1. bis 6. der Urteilsgründe insgesamt rechtsfehlerfrei und können daher bestehen bleiben (§ 352 Abs. 2 StPO). Gleiches gilt hinsichtlich der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall II. 8. der Urteilsgründe. Jedoch hat sich das Landgericht insoweit nicht mit den Einlassungen der Angeklagten M. und F. auseinandergesetzt , sie hätten es für nicht strafbar gehalten, am Telefon die Durchführung eines Banküberfalls zu vereinbaren. Ob diese Angaben glaubhaft sind, sich die beiden Angeklagten aufgrund dessen in einem Verbotsirrtum befanden, dieser vermeidbar und gegebenenfalls von der Möglichkeit der Strafmilderung nach § 17 Satz 2 StGB Gebrauch zu machen war, hat das Landgericht nicht erörtert. Daher hat der Senat in diesem Fall die Feststellungen zur subjektiven Tatseite insgesamt aufgehoben.
8
2. Mit der Aufhebung der Verurteilung in den genannten Fällen kommen die insoweit für die jeweils beteiligten Angeklagten festgesetzten Einzelstrafen sowie die unter deren Einbeziehung gebildeten Gesamtfreiheitsstrafen in Wegfall. Gleiches gilt für die Einziehungsanordnung sowie die Feststellung, dass die Anordnung des Verfalls in je unterschiedlicher Höhe wegen Ersatzansprüchen der Geschädigten ausgeschlossen ist. Insoweit sieht der Senat für das weitere Verfahren Anlass zu folgenden Hinweisen:
9
a) Die Einziehung der Digitalkamera und des Mobiltelefons der Angeklagten Me. ist schon für sich rechtsfehlerhaft. Die Kamera stellte sie dem Angeklagten M. im Falle II. 8. der Urteilsgründe zur Ausspähung möglicher Tatobjekte zur Verfügung. Da die Angeklagte an der Verabredung des Überfalls (§ 30 Abs. 2 StGB) nicht als Täterin beteiligt war und Beihilfe hierzu nicht leisten konnte (Fischer, StGB 57. Aufl. § 30 Rdn. 14), kommt lediglich eine Dritteinziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB in Betracht, deren Voraussetzungen nicht festgestellt sind. Eine Verwendung des Mobiltelefons der Angeklagten Me. wird nicht ersichtlich.
10
b) Die Feststellung der Geldbeträge, hinsichtlich deren das Landgericht nur wegen des Bestehens von Ansprüchen Verletzter von der Anordnung des Wertersatzverfalls abgesehen hat (§ 111 i Abs. 2 Sätze 1 und 3 StPO), lässt besorgen, dass sie sich nicht auf den Wert des von den Angeklagten jeweils im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangten beschränkt. Bei mehreren Beteiligten an einer Tat ist entscheidend, was der einzelne Beteiligte selbst tatsächlich erlangt hat. Zwar reicht es aus, dass er die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt an dem Vermögensgegenstand erlangt, jedoch kann ihm nach § 73 StGB nicht darüber hinaus auch das zugerechnet werden, was ausschließlich von einem anderen Tatbeteiligten erlangt ist (Fischer aaO § 73 Rdn. 16 m. w. N.). Jedenfalls die Angeklagten Me. , denen die Angeklagten M. und F. nur nachträglich ihre Anteile ausbezahlten, hatten keine wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt an der gesamten jeweils erzielten Tatbeute; gleichwohl hat das Landgericht sie ihnen zugerechnet.
11
Die Angeklagten sind hierdurch auch beschwert, denn der nach § 111 i Abs. 2 StPO festgestellte Betrag bestimmt den gegen sie gerichteten, aufschiebend bedingten Zahlungsanspruch des Staates (§ 111 i Abs. 5 Satz 1 StPO). Zu Recht hat das Landgericht deshalb auch die Beute aus der Tat II. 1. der Urteilsgründe , begangen vor Inkrafttreten der Neufassung von § 111 i StPO am 1. Januar 2007 (Gesetz vom 24. Oktober 2006; BGBI I 2350), nicht in seine Berechnung einbezogen (vgl. BGH NJW 2008, 1093; wistra 2008, 193; 2009, 241; NStZ-RR 2009, 56, 113).
12
Vermögensgegenstände, in die Verletzte die Zwangsvollstreckung betreiben (können), müssen im Urteil nicht bezeichnet werden (vgl. § 111 i Abs. 3 StPO).
13
3. Rechtsfehlerfrei ist die Verurteilung des Angeklagten Me. im Fall II. 7. der Urteilsgründe wegen versuchter Nötigung. Auch die insoweit festgesetzte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten kann bestehen bleiben; der Senat vermag auszuschließen, dass die Höhe dieser Strafe durch die übrigen gegen diesen Angeklagten verhängten Einzelstrafen beeinflusst ist.
Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 57/11
vom
5. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Mai 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 10. November 2010 wird verworfen ; jedoch wird der Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schwerer räuberischer Erpressung" zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben. Der näheren Erörterung bedarf allein, ob die Urteilsfeststellungen die Qualifizierung der Tat wegen Verwendung einer Waffe (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. StGB) tragen. Nach den Feststellungen bedrohte der Angeklagte die überfallene Kassiererin mit einer funktionsfähigen "Schreckschuss-, Gas- und Signalpistole der Marke 'Reck', Modell G5", wobei das Magazin mit fünf Kartuschen - "einer Kartusche Kal. 8 mm Knall und vier Kartuschen Kal. 8 mm CS-Reizgas" - geladen war.
3
Hieraus ergibt sich zwar nicht ausdrücklich, jedoch aufgrund der mitgeteilten näheren Umschreibung, dass der Angeklagte eine geladene Schreckschusswaffe , bei der der Explosionsdruck nach vorn austritt, verwendete und mithin den Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllte (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 - GSSt 2/02, BGHSt 48, 197; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390; kritisch Fischer, StGB, 58. Aufl., § 244 Rn. 7 ff.). Zum einen ist bei einer Signalpistole der Druckaustritt nach vorn erforderlich, weil sich anderenfalls Signalmunition nicht verschießen ließe. Zum anderen ergibt sich hier aufgrund der mitgeteilten konkreten Typenbezeichnung die Bauweise der Pistole (s. dazu BGH, Urteil vom 14. November 2001 - 3 StR 352/01).
4
2. Soweit das Landgericht mehrfach den - nicht existierenden - "§ 250 Abs. 2 Nr. 1a StGB" statt § 250 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. StGB genannt hat, handelt es sich um ein offensichtliches Fassungsversehen, da es nach Bejahung eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StPO im Rahmen der konkreten Strafzumessung ausdrücklich darauf abgehoben hat, dass es sich um einen minder schweren Fall einer Qualifikation nach § 250 Abs. 2 StGB und nicht nach § 250 Abs. 1 StGB handele. Allerdings hat der gegenüber § 250 Abs. 1 StGB erhöhte Unrechtsgehalt in der Urteilsformel zum Ausdruck zu kommen (BGH, Beschluss vom 3. September 2009 - 3 StR 297/09, NStZ 2010, 101 mwN; vgl. auch Fischer aaO § 250 Rn. 2). Der Senat hat den Urteilstenor deshalb entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ergänzt. Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer