Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juni 2017 - 4 StR 186/17
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen in zwei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit welcher er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
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- 2. Der Strafausspruch hat dagegen keinen Bestand. Das Landgericht hat bei der Bestimmung des Strafrahmens für die Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und bei der Strafzumessung in allen Einzelfällen jeweils zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass „zwischen ihm und der Geschädigten ein erhebliches Altersgefälle vorliegt“ [UA 14]. Diese Erwägung stellt einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB dar. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt : „Das Verbot der Doppelverwertung erfasst über den Wortlaut des § 46 Abs. 3 StGB hinaus auch solche Umstände, die – ohne Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes zu sein – gerade den gesetzgeberischen Anlass für seine Schaffung bildeten oder für die Tat typisch sind (vgl. hierzu etwa Stree in Schönke/Schröder StGB 29. Aufl., § 46 Rn. 45c, 46 mwN). Das Bestehen eines Altersgefälles zwischen Täter und Opfer als solchem ist in dem Schutzzweck des Tatbestandes des sexuellen Missbrauchs eines Kindes und der Schutzaltersgrenze von 14 Jahren angelegt. Eine nicht unerhebliche Höhe dieses Altersgefälles, die im Fall des 1975 geborenen Beschwerdeführers und der 2004 und 2005 geborenen Geschädigten keineswegs auf der Hand liegt, ist für Taten des sexuellen Missbrauchs eines Kindes zumindest typisch. Allenfalls in einer geringen Altersdifferenz zwischen einem (jugendlichen oder heranwachsenden) Täter und einem kindlichen Opfer kann ein strafzumessungsrechtlicher Sonderfall liegen, dem indes strafmildernde Wirkung zukommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2016 – 2 StR 9/16, juris Rn. 5 und vom 5. April 2005 – 4 StR 95/15, StV 2005, 387 jeweils mwN; vgl. insbesondere auch BT-Drucks. 13/8567 S. 32, 81; 15/350 S. 18).“
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- Zwar war der Angeklagte nicht nur deutlich älter als die Geschädigten, er nahm auch eine Vaterstellung mit entsprechender Autorität ihnen gegenüber ein. Diesen Umstand hat das Landgericht aber bereits durch die strafschärfend gewürdigte tateinheitliche Verwirklichung des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen berücksichtigt. Der Senat kann daher letztlich nicht ausschließen , dass ohne den Rechtsfehler auf niedrigere Strafen erkannt worden wäre. Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt und die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hiervon nicht berührt sind, können diese bestehen bleiben.
Feilcke Paul
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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juni 2017 - 4 StR 186/17 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu 3. auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen- 1
- Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts übte der Angeklagte im Zeit2 raum zwischen Sommer 2013 und dem 30. März 2014 mit der zur Tatzeit 13jährigen Geschädigten in mindestens vier Fällen einvernehmlich den Geschlechtsverkehr aus. Das Landgericht hat den Angeklagten, der zur Tatzeit Heranwachsen3 der war, nach allgemeinem Strafrecht verurteilt. Es hat den Strafrahmen jeweils wegen Vorliegens eines minder schweren Falls gemäß § 176a Abs. 4 StGB gemildert und dabei hervorgehoben, dass die Geschädigte zur Tatzeit nicht weit von der Schutzaltersgrenze entfernt gewesen sei und es sich bei der Tatsituation um „eine Art Liebesverhältnis“ gehandelt habe. Aus diesem Strafrahmen hat es unter Berücksichtigung derselben Strafzumessungsgründe in drei Fällen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und in einem Fall eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verhängt. Durch Erhöhung der Einsatzstrafe hat es die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gebildet.II.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen- 4
- den Schuldspruch richtet. Jedoch ist der Strafausspruch rechtlich zu beanstanden. Das Landgericht hat nicht erkennbar in seine Überlegungen einbezo5 gen, dass der Angeklagte, der eine „akzentuierte Persönlichkeit mit unreifen und emotional unstabilen Zügen“ aufweist, zur Tatzeit erst Heranwachsender war. Das Tatbild ist insoweit auch von der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten und seinem jungen Alter zur Tatzeit geprägt. Die im Vergleich mit ande- ren Missbrauchsfällen geringe Altersdifferenz zwischen Täter und Opfer stellt – neben der „Liebesbeziehung“ als strafzumessungsrechtlichem Sonderfall (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2005 – 4 StR 95/15, StV 2005, 387) – einen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar (vgl. BT-Drucks. 13/8567 S. 32, 81; 15/350 S. 18; Senat, Beschluss vom 5. Juni 2013 – 2 StR 189/13, NStZ-RR 2013, 291; Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 176a Rn. 17; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 176a Rn. 14; Laubenthal, Handbuch der Sexualstraftaten, 2012, Rn. 542; MünchKomm/Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 176a Rn. 48). Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass das Landgericht dies übersehen hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die nach dem Tatbild hoch er6 scheinenden Einzelstrafen und die Gesamtstrafe auf dem Rechtsfehler beruhen. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng