Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2018 - 4 StR 313/18

bei uns veröffentlicht am19.12.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 313/18
vom
19. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2018 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen
vom 12. Januar 2018 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung
des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler
zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2018:191218B4STR313.18.0

Ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Zwar hält die Verurteilung des Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239a Abs. 1 StGB rechtlicher Nachprüfung insoweit nicht stand, als das Landgericht auf eine Erpressung des Geschädigten V. C. selbst abgestellt hat. Denn den insoweit lückenhaften Feststellungen lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass aus Sicht des Angeklagten zwischen der Entführungslage und der beabsichtigten Erpressung ein solcher funktionaler und zeitlicher Zusammenhang bestand, dass dem Geschädigten V. C. die erstrebte Vermögensverfügung noch während der Dauer der Zwangslage abgenötigt werden sollte (zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2017 – 4 StR 19/17, NStZ-RR 2017, 372, 373; vom 7. November 2013 – 4 StR 340/13, StV 2014, 284, 285; vom 4. Dezember 2007 – 3 StR 459/07, NStZ-RR 2009, 16, 17; st. Rspr.).
Die Verurteilung des Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs hat aber im Ergebnis Bestand, da sich aus den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen in Zusammenschau mit den in der Beweiswürdigung dargestellten und von ihr für glaubhaft erachteten Angaben des Zeugen A. C. sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht hinreichend deutlich ergibt, dass der Angeklagte die von ihm durch die Entführung des Geschädigten V. C. geschaffene Bemächtigungslage zu einer (versuchten) Erpressung des Zeugen A. C. im Sinne des § 239a Abs. 1 Hs. 2 StGB ausgenutzt hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2018 - 4 StR 313/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2018 - 4 StR 313/18

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 239a Erpresserischer Menschenraub


(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung ges
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2018 - 4 StR 313/18 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 239a Erpresserischer Menschenraub


(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung ges

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2013 - 4 StR 340/13

bei uns veröffentlicht am 07.11.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 340/13 vom 7. November 2013 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen erpresserischen Menschenraubes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2017 - 4 StR 19/17

bei uns veröffentlicht am 08.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 19/17 vom 8. Juni 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen erpresserischen Menschenraubes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:080617B4STR19.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesa

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 19/17
vom
8. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:080617B4STR19.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 8. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 19. Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und den Angeklagten E. Ö. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten und den Angeklagten S. Ö. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen.
2
Die Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die geltend gemachten Verfahrensrügen nicht mehr ankommt.

I.


3
Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich einer der beiden Angeklagten oder der gesondert Verfolgte Öz. (vgl. Senatsbeschluss vom heutigen Tag – 4 StR 607/16) Anfang Juli 2013 im Besitz von zwölf Kilogramm Marihuana, das noch im Eigentum unbekannt gebliebener Betäubungsmittelhändler stand. Dieses Marihuana kam um den 11. Juli 2013 auf nicht genau feststellbare Weise abhanden. Entweder wurde es durch einen der Angeklagten oder durch Öz. unterschlagen, wobei die Verantwortung für den Verlust des Rauschgifts auf den Nebenkläger abgewälzt und von ihm eine entsprechende Ersatzmenge erpresst werden sollte (im Urteil wird diese Sachver- haltsvariante als „Sündenbocktheorie“ bezeichnet), oder das Marihuana wurde den Personen um die beiden Angeklagten gestohlen, ohne dass der Nebenkläger hiermit etwas zu tun hatte.
4
Das Landgericht ist „zugunsten“ der Angeklagten und des Öz. davon ausgegangen, dass das Marihuana gestohlen wurde und sie irrtümlich davon ausgingen, der Nebenkläger habe es entwendet (im Folgenden: Diebstahlsvariante

).


5
Die Angeklagten und Öz. kamen überein, den Nebenkläger zu nöti- gen, die zwölf Kilogramm Marihuana „zurückzugeben“. Dabei gingen sie davon aus, dass der Nebenkläger hierzu nicht freiwillig bereit sein würde. Sie fassten daher den Entschluss, ihn durch Einsperren in einem Hinterzimmer der Teestube des Angeklagten S. Ö. und durch Bedrohung mit dem Tod, erforderlichenfalls auch unter Gewaltanwendung, zur Rückgabe des Rauschgifts zu zwingen. Vor dessen Herausgabe sollte der Nebenkläger nicht freigelassen werden. Die Angeklagten handelten dabei, um sich selbst oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern.
6
Am 16. Juli 2013 begab sich der Angeklagte E. Ö. mit dem Nebenkläger in das Hinterzimmer der Teestube, wo sich tatplangemäß auch der Angeklagte S. Ö. und Öz. befanden. Hier warf der Angeklagte E. Ö. dem Nebenkläger vor, dieser sei am 13. Juli 2013 bei ihm eingebrochen und habe zwölf Kilogramm Marihuana gestohlen; außer dem Nebenkläger habe niemand von dem Versteck gewusst. Der Angeklagte E. Ö. bedeutete dem Nebenkläger, er solle dies zugeben, vorher komme er „hier“ nicht raus. Der Nebenkläger stellte den Vorwurf in Abrede.
7
Die Forderung wurde von den Anwesenden wiederholt, und es wurde mehrfach damit gedroht, „jemanden“ anzurufen, der den Nebenkläger „fertig machen“ werde, so dass er seine Familie nicht wiedersehen werde. Der Ne- benkläger äußerte die Vermutung, dass der Angeklagte E. Ö. möglicherweise selbst für das Verschwinden des Marihuanas verantwortlich sei. Darauf schlug dieser ihm mit der flachen Hand auf den Mund, wodurch der Nebenkläger eine Platzwunde an der Lippe erlitt. Danach schlugen die Angeklagten und Öz. mit den Händen wiederholt auf den Nebenkläger ein.
8
Schließlich gelang dem Nebenkläger, der zwischenzeitlich von weiteren Personen bedroht, geschlagen und getreten worden war, in einem unbeobachteten Moment die Flucht.

II.


9
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
10
Die Verurteilung der Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB und wegen versuchter räuberischer Erpres- sung gemäß §§ 253, 255, 22, 23 Abs. 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
Soweit das Landgericht bezüglich der Tathintergründe keine sicheren Feststellungen getroffen, sondern insofern zwei unterschiedliche Geschehensabläufe – zum einen die Diebstahls-, zum anderen die Sündenbockvariante – für möglich erachtet, indes seinem Urteil unter Heranziehung des Zweifelsgrundsatzes allein die Diebstahlsvariante zugrunde gelegt hat (UA 8), weist die Beweiswürdigung durchgreifende Lücken auf. Der Senat kann deshalb nicht überprüfen, ob bei Zugrundelegung der vom Landgericht als gleichermaßen möglich erachteten Sündenbockvariante als Tathintergrund eine für die Angeklagten günstigere Rechtsfolge eingetreten wäre.
12
1. a) Eine Strafbarkeit wegen erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB erfordert im sog. Zweipersonenverhältnis – wie hier – in subjektiver Hinsicht neben dem Vorsatz des Täters bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale, dass er beim Entführen oder Sichbemächtigen des Opfers die Absicht hat, dessen Sorge um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen. Dies setzt voraus, dass sich nach der Vorstellung des Täters die Bemächtigungssituation in gewissem Umfang stabilisieren und neben den Nötigungsmitteln des § 253 StGB eigenständige Bedeutung für die Durchsetzung der erpresserischen Forderung erlangen wird (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2006 – 3 StR 246/06, NStZ 2007, 32 f.; Beschlüsse vom 4. Dezember 2007 – 3 StR 459/07, NStZ-RR 2009, 16 f.; vom 22. November 1994 – GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359). Darüber hinaus muss aus der Sicht des Täters zwischen der Entführungs- oder Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung ein solcher funktionaler und zeitlicher Zusammenhang hergestellt werden, dass dem Opfer die erstrebte Vermögensverfügung noch während der Dauer der Zwangslage abgenötigt werden soll; der Tatbestand ist deshalb nicht erfüllt, wenn die dem Opfer abgepresste Handlung erst nach der Freilassung erfolgen soll (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2007 – 4 StR 334/07, NStZ-RR 2008, 109 f.; vom 14. März 2007 – 2 StR 576/06, StV 2007, 354; vom 14. Mai 1996 – 4 StR 174/96, StV 1997, 302 f.).
13
b) Die subjektiven Voraussetzungen eines erpresserischen Menschenraubes , namentlich zum funktionalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung, sind im angefochtenen Urteil bei Zugrundelegung der Sündenbockvariante nicht beweiswürdigend belegt.
14
Zwar ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Angeklagten – nachbeiden Sachverhaltsvarianten – die „Herausgabe“ von zwölf Kilogramm Marihuana durch den Nebenkläger erstrebten und die Erpressung noch während der Bemächtigungslage vollendet werden sollte (UA 39 f.). Auf welcher Tatsachengrundlage sich das Landgericht diese Überzeugung auch bei Zugrundelegung der Sündenbockvariante verschafft hat, erschließt sich indes aus dem Urteil nicht.
15
In Anbetracht der Feststellung des Landgerichts, dass der Nebenkläger selbst nicht mit Drogen handelte (UA 7), und des Umstands, dass den Angeklagten bewusst war, dass der Nebenkläger – sollte er nur „Sündenbock“ gewesen sein – das Marihuana tatsächlich gar nicht an sich gebracht hatte, versteht es sich nicht von selbst, dass die Angeklagten die Vorstellung hatten, der Nebenkläger könne noch innerhalb der Bemächtigungslage die ganz erhebliche Menge von zwölf Kilogramm Marihuana bereitstellen. Nach den bisherigen Feststellungen ist zudem nichts dafür ersichtlich, dass die Angeklagten von einer Tätigkeit des Nebenklägers als Drogenhändler oder anderen Bezugsmöglichkeiten des Nebenklägers in dieser Größenordnung ausgingen.
16
Angesichts der vorgenannten Umstände, die eine zeitnahe Bereitstellung des Marihuanas durch den Nebenkläger als eher fernliegend erscheinen lassen , hätte es einer tragfähigen Beweiswürdigung bedurft, warum die Angeklagten ausgehend von der Sündenbockvariante gleichwohl die Herausgabe des Marihuanas noch während der Bemächtigungslage erstrebten. Hieran fehlt es.
17
2. Die subjektiven Voraussetzungen einer versuchten räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255, 22, 23 Abs. 1 StGB sind bei Zugrundelegung der Sündenbockvariante ebenfalls nicht hinreichend mit Tatsachen belegt.
18
a) Eine räuberische Erpressung nach §§ 253, 255 StGB setzt in objektiver Hinsicht unter anderem einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung voraus (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 – 3 StR 385/11, NStZ-RR 2012, 173, 175; Beschlüsse vom 25. Februar 2014 – 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269; vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508). Dementsprechend muss im Falle des Versuchs der Tatentschluss des Täters darauf gerichtet sein, einen – ernsthaft und nicht nur zum Schein erstrebten (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 1988 – 1 StR 148/88, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 3; Beschluss vom 27. Juli 2004 – 3 StR 71/04, NStZ 2005, 155 f.; MüKoStGB/Sander, 2. Aufl., § 253 Rn. 30 f.) – Vorteil durch den Einsatz des Nötigungsmittels zu erlangen.
19
b) Mit den Voraussetzungen eines Tatentschlusses der Angeklagten zur Begehung einer räuberischen Erpressung hat sich die Strafkammer nicht auseinander gesetzt. Es erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht, was sich die Angeklagten zum finalen Zusammenhang zwischen den eingesetzten Nötigungsmitteln und der erstrebten Vermögensverfügung vorstellten, sofern der Nebenkläger nur als „Sündenbock“ dienen sollte.
20
So setzt sich das Urteil nicht hinreichend mit der – bei diesem Tathintergrund – naheliegenden Möglichkeit auseinander, dass die Angeklagten vom Nebenkläger gar nicht ernsthaft eine „Herausgabe“ des Marihuanas erstrebten, sondern ihnen allein daran gelegen war, ihren Hintermännern einen Schuldigen für das Abhandenkommen der Betäubungsmittel zu präsentieren. Zwar ist das Landgericht – wie bereits ausgeführt – davon ausgegangen, dass die Angeklag- ten nach beiden Sachverhaltsvarianten die „Herausgabe“ von zwölf Kilogramm Marihuana durch den Nebenkläger erstrebten (UA 39 f.); näher begründet und beweiswürdigend belegt wird dies jedoch nicht.
21
Überdies bleibt unklar, ob die Vorstellung der Angeklagten dahin ging, der Nebenkläger werde die ihm abverlangte Handlung noch unter dem Einfluss der eingesetzten Nötigungsmittel – und nicht etwa geraume Zeit später (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2017 – 4 StR 244/16, NJW 2017, 1891,1893) – vornehmen. Vor dem Hintergrund, dass den Angeklagten nach der Sündenbockvariante bekannt war, dass der Nebenkläger gar nicht über das Marihuana verfügte, hätte das Landgericht auch diese Annahme nachvollziehbar begründen und belegen müssen. Dies ist nicht erfolgt.
22
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer tatrichterlicher Prüfung.

III.


23
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat mit Blick auf die von den Angeklagten erhobene Verfahrensrüge auf Folgendes hin:
24
Der Senat hat Bedenken, ob sich die Erwägungen des Landgerichts für die Annahme, dass dem Nebenkläger ein auf den Rechtsgedanken des § 34 StGB gestütztes außergesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, als tragfähig erweisen. Allerdings bedarf es vorliegend keiner abschließenden Entscheidung , ob in begrenzten Ausnahmesituationen die Annahme eines solchen Zeugnisverweigerungsrechts in Betracht kommt. Denn jedenfalls müssten zuvor eingehendere Ermittlungen zu einer tatsächlich bestehenden Gefährdung des Nebenklägers sowie dazu erfolgen, dass andere Maßnahmen zum Schutz des Zeugen – etwa nach § 58a StPO oder nach dem ZSHG – nicht ausreichend wären.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 340/13
vom
7. November 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 7. November 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 27. Februar 2013
a) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte K. des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung, des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und die Angeklagte B. des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung sowie des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind,
b) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II. 3 und II. 4 und die Gesamtstrafen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen erpresserischen Menschenraubes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in einem Fall darüber hinaus in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, im anderen Fall darüber hinaus in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Angeklagte B. hat es wegen erpresserischen Menschenraubes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in einem Fall darüber hinaus in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, im anderen Fall darüber hinaus in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten festgesetzt. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verletzung sachlichen Rechts; die Angeklagte B. beanstandet darüber hinaus das Verfahren. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die von der Angeklagten B. erhobenen verfahrensrechtlichen Beanstandungen bleiben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 5. August 2013 erfolglos.

II.


3
Die von den Angeklagten jeweils erhobene Sachrüge führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchberichtigung sowie zur Aufhebung der Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen II. 3 und 4 der Urteilsgründe und der Gesamtstrafaussprüche. Im Übrigen weist das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
4
1. Das Landgericht hat in den Fällen II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe Folgendes festgestellt:
5
Die Angeklagten, die von einem Dritten beauftragt worden waren, beim Geschädigten eine angebliche Forderung in Höhe von 750 Euro einzutreiben, fassten den Entschluss, den Geschädigten in ihre Gewalt zu bringen, in ihrer Wohnung über Nacht festzuhalten und unter Einsatz von Gewalt die Zahlung eines höheren Geldbetrages von – zunächst – 1.500 Euro zu fordern, wobei sie zumindest den überschießenden Betrag für sich behalten wollten. Nachdem es der Angeklagten B. gelungen war, den Geschädigten dazu zu bewegen, mit in ihre Wohnung zu kommen, hielten beide Angeklagte ihn dort entsprechend ihrem Plan über Nacht fest, konfrontierten ihn unter Schlägen, Drohungen und Fesselung an Händen und Füßen mit der Geldforderung und schlossen ihn über mehrere Stunden in einem Schrank im Keller ein, um ihrer Forderung weiteren Nachdruck zu verleihen. Da der Geschädigte den Geldbetrag nicht mit sich führte, was die Angeklagten wussten, beabsichtigten sie, ihn unter dem Eindruck des Geschehens zu veranlassen, das geforderte Geld von seinen Eltern zu erlangen und dann an sie, die Angeklagten, auszuhändigen. Zu diesem Zweck begleitete die Angeklagte B. den Geschädigten am Morgen des darauffolgenden Tages bis vor das Haus seiner Eltern. Um sich dem weite- ren Zugriff der Angeklagten zu entziehen, ging dieser kurz allein in die Wohnung seiner Eltern und kehrte etwa fünfzehn Minuten später ohne das Geld mit dem Bemerken zu ihr zurück, es sei nicht genügend Geld in der Wohnung. Daraufhin verlangte die vor dem Haus wartende Angeklagte B. von dem Geschädigten , noch am selben Tage mit ihr zu seinem Arbeitgeber zu fahren, um von diesem einen Gehaltsvorschuss in entsprechender Höhe zu verlangen. Da der Arbeitgeber den erbetenen Vorschuss verweigerte, wurde der Geschädigte von den Angeklagten angewiesen, sich noch am Abend desselben Tages in ihrer Wohnung einzufinden, um weitere Möglichkeiten zur Beschaffung des Geldes zu erörtern, worauf der Geschädigte indes nicht einging. Daher brachten die Angeklagten den Geschädigten entsprechend einem zuvor gefassten Entschluss erneut in ihre Gewalt, misshandelten ihn in ihrer Wohnung und for- derten nunmehr unter Berücksichtigung eines „Strafzuschlags“ wegen der Ver- zögerung die Zahlung von 2.700 Euro. Letztlich stellten die Eltern dem Geschädigten , der bis zur Übergabe des Geldes an die Angeklagten unter deren ununterbrochener Bewachung stand, die geforderten 2.700 Euro aus ihren Mitteln zur Verfügung.
6
2. Danach leiden die Schuldsprüche in den Fällen II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe in zweifacher Hinsicht an durchgreifenden Rechtsfehlern.
7
a) Zum einen hält die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes im Fall II. 3 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar haben sich die Angeklagten des Geschädigten im Sinne von § 239a Abs. 1 Fall 2 StGB bemächtigt, nachdem es der Angeklagten B. gelungen war, ihn dazu zu bewegen, mit in ihre Wohnung zu kommen. Denn sie hielten ihn in ihrer Wohnung über Nacht fest, schlossen ihn für mehrere Stunden in dem zu der Wohnung gehörenden Kellerabteil in einem Holzschrank ein und forderten ihn während dieser Bemächtigungslage unter Schlägen, Fesselung an Händen und Füßen sowie Drohungen zur Zahlung von 1.500 Euro auf. Es fehlt aber an dem erforderlichen funktionalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Er- pressung und zugleich subjektiv auch an der erforderlichen Absicht des „Ausnutzens“ im Sinne von § 239a Abs. 1 StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. April 2005 – 2 StR 111/05, NStZ 2005, 508 sowie Senatsbeschluss vom 28. November 1995 – 4 StR 641/95, BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sichbemächtigen 5). Im vorliegenden Fall sollte die Geldzahlung – auch nach der Vorstellung der Angeklagten – erst nach Beendigung der Bemächtigungslage erfolgen, nachdem der Geschädigte frei gelassen wurde, um die Wohnung seiner Eltern aufzusuchen und das Geld dort zu beschaffen.
8
b) Zum anderen begegnet die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den Taten in den Fällen II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe, die das Landgericht als zwei rechtlich selbständige Taten gewertet hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
aa) Mehrere natürliche Handlungen können als eine Tat im Rechtssinne anzusehen sein (sog. rechtliche Bewertungseinheit), wenn sie sich als Teilakte einer sukzessiven Tatausführung darstellen (Senatsbeschluss vom 22. November 2011 – 4 StR 480/11, NStZ-RR 2012, 79; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 467/06, BGHR StGB § 264 Abs. 1 Konkurrenzen 3; SSW-StGB/ Eschelbach, § 52 Rn. 36). Eine solche sukzessive Tatausführung kann auch dann vorliegen, wenn der Täter zunächst davon ausgeht, den angestrebten Taterfolg durch eine Handlung erreichen zu können, sich dann aber umgehend zu weiteren Tathandlungen entschließt, die auf die vorhergehende Handlung aufsetzen, nachdem die ins Auge gefasste Handlung keinen oder nur einen Teilerfolg erbracht hat (Senatsbeschluss vom 22. November 2011 aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 – 3 StR 551/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5). Für den Straftatbestand der Erpressung ist insoweit anerkannt , dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtssinne zu werten sind, wenn dabei die anfängliche Drohung lediglich den Umständen angepasst und aktualisiert wird, im Übrigen aber nach wie vor dieselbe Leistung gefordert wird (Senatsbeschluss vom 22. November 2011 aaO mwN).
10
bb) So verhält es sich hier, weshalb die Angeklagten in den Fällen II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe lediglich als Mittäter wegen eines erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit einer (vollendeten) räuberischen Erpressung sowie mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind.
11
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen haben die beiden Angeklagten ihre ursprüngliche Geldforderung über das mehraktige Tatgeschehen hinweg unter Bekräftigung der ursprünglichen Drohungen und durch Anwendung weiterer Gewalt im Sinne eines sukzessiven Geschehens lediglich weiter verfolgt. Beide Einwirkungen auf die Willensfreiheit des Geschädigten in der Wohnung der Angeklagten dienten ersichtlich der Erzeugung und weiteren Aufrechterhaltung des Drucks zur Erlangung des geforderten Geldbetrages. Die zweite Bemächtigungssituation stellte sich dabei gerade nicht als vollständig neuer Anlauf zur Erreichung des ursprünglich angestrebten Erfolges dar, sondern als eine aus Sicht der Angeklagten den konkreten Umständen geschuldete Anpassung und Aktualisierung der anfänglichen Drohung, was insbesondere durch die Erhöhung der geforderten Summe wegen angeblichen Zahlungsverzugs zum Ausdruck kommt.
12
Auch die zeitlichen Intervalle stellen die Annahme einer rechtlichen Bewertungseinheit nicht in Frage. Dass die Angeklagten während der Tatausführung zu dem Schluss gekommen sein könnten, ihr Vorhaben sei endgültig gescheitert , ist nach den Feststellungen fern liegend. Beendet waren das Tatgeschehen und damit die rechtliche Bewertungseinheit daher erst mit dem Eintritt des vollständigen, von Anfang an erstrebten Taterfolgs (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 22. November 2011 aaO; BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 aaO; Eschelbach aaO, Rn. 37).
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c) Der Senat kann die Schuldsprüche für beide Angeklagte vor dem Hintergrund der zum Tatgeschehen umfassend getroffenen Feststellungen selbst abändern; weitere entscheidungserhebliche Feststellungen in einer neuen Verhandlung sind nicht zu erwarten. § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich die Angeklagten gegen den geänderten Schuldvorwurf anders als geschehen verteidigt hätten.
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3. Die Schuldspruchänderung hat bei beiden Angeklagten die Aufhebung der in den Fällen II. 3 und II. 4 jeweils verhängten Einzelstrafen zur Folge. Damit ist auch den Aussprüchen über die Gesamtstrafen die Grundlage entzogen.
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Ergänzend bemerkt der Senat, dass im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO bei der Festsetzung einer neuen, schuldangemessenen Einzelstrafe die Summe der weggefallenen Einzelstrafen nicht überschritten werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 – 5 StR 594/07, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 2).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender