Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2017 - 4 StR 19/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:080617B4STR19.17.0
bei uns veröffentlicht am08.06.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 19/17
vom
8. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:080617B4STR19.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 8. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 19. Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und den Angeklagten E. Ö. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten und den Angeklagten S. Ö. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen.
2
Die Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die geltend gemachten Verfahrensrügen nicht mehr ankommt.

I.


3
Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich einer der beiden Angeklagten oder der gesondert Verfolgte Öz. (vgl. Senatsbeschluss vom heutigen Tag – 4 StR 607/16) Anfang Juli 2013 im Besitz von zwölf Kilogramm Marihuana, das noch im Eigentum unbekannt gebliebener Betäubungsmittelhändler stand. Dieses Marihuana kam um den 11. Juli 2013 auf nicht genau feststellbare Weise abhanden. Entweder wurde es durch einen der Angeklagten oder durch Öz. unterschlagen, wobei die Verantwortung für den Verlust des Rauschgifts auf den Nebenkläger abgewälzt und von ihm eine entsprechende Ersatzmenge erpresst werden sollte (im Urteil wird diese Sachver- haltsvariante als „Sündenbocktheorie“ bezeichnet), oder das Marihuana wurde den Personen um die beiden Angeklagten gestohlen, ohne dass der Nebenkläger hiermit etwas zu tun hatte.
4
Das Landgericht ist „zugunsten“ der Angeklagten und des Öz. davon ausgegangen, dass das Marihuana gestohlen wurde und sie irrtümlich davon ausgingen, der Nebenkläger habe es entwendet (im Folgenden: Diebstahlsvariante

).


5
Die Angeklagten und Öz. kamen überein, den Nebenkläger zu nöti- gen, die zwölf Kilogramm Marihuana „zurückzugeben“. Dabei gingen sie davon aus, dass der Nebenkläger hierzu nicht freiwillig bereit sein würde. Sie fassten daher den Entschluss, ihn durch Einsperren in einem Hinterzimmer der Teestube des Angeklagten S. Ö. und durch Bedrohung mit dem Tod, erforderlichenfalls auch unter Gewaltanwendung, zur Rückgabe des Rauschgifts zu zwingen. Vor dessen Herausgabe sollte der Nebenkläger nicht freigelassen werden. Die Angeklagten handelten dabei, um sich selbst oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern.
6
Am 16. Juli 2013 begab sich der Angeklagte E. Ö. mit dem Nebenkläger in das Hinterzimmer der Teestube, wo sich tatplangemäß auch der Angeklagte S. Ö. und Öz. befanden. Hier warf der Angeklagte E. Ö. dem Nebenkläger vor, dieser sei am 13. Juli 2013 bei ihm eingebrochen und habe zwölf Kilogramm Marihuana gestohlen; außer dem Nebenkläger habe niemand von dem Versteck gewusst. Der Angeklagte E. Ö. bedeutete dem Nebenkläger, er solle dies zugeben, vorher komme er „hier“ nicht raus. Der Nebenkläger stellte den Vorwurf in Abrede.
7
Die Forderung wurde von den Anwesenden wiederholt, und es wurde mehrfach damit gedroht, „jemanden“ anzurufen, der den Nebenkläger „fertig machen“ werde, so dass er seine Familie nicht wiedersehen werde. Der Ne- benkläger äußerte die Vermutung, dass der Angeklagte E. Ö. möglicherweise selbst für das Verschwinden des Marihuanas verantwortlich sei. Darauf schlug dieser ihm mit der flachen Hand auf den Mund, wodurch der Nebenkläger eine Platzwunde an der Lippe erlitt. Danach schlugen die Angeklagten und Öz. mit den Händen wiederholt auf den Nebenkläger ein.
8
Schließlich gelang dem Nebenkläger, der zwischenzeitlich von weiteren Personen bedroht, geschlagen und getreten worden war, in einem unbeobachteten Moment die Flucht.

II.


9
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
10
Die Verurteilung der Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB und wegen versuchter räuberischer Erpres- sung gemäß §§ 253, 255, 22, 23 Abs. 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
Soweit das Landgericht bezüglich der Tathintergründe keine sicheren Feststellungen getroffen, sondern insofern zwei unterschiedliche Geschehensabläufe – zum einen die Diebstahls-, zum anderen die Sündenbockvariante – für möglich erachtet, indes seinem Urteil unter Heranziehung des Zweifelsgrundsatzes allein die Diebstahlsvariante zugrunde gelegt hat (UA 8), weist die Beweiswürdigung durchgreifende Lücken auf. Der Senat kann deshalb nicht überprüfen, ob bei Zugrundelegung der vom Landgericht als gleichermaßen möglich erachteten Sündenbockvariante als Tathintergrund eine für die Angeklagten günstigere Rechtsfolge eingetreten wäre.
12
1. a) Eine Strafbarkeit wegen erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB erfordert im sog. Zweipersonenverhältnis – wie hier – in subjektiver Hinsicht neben dem Vorsatz des Täters bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale, dass er beim Entführen oder Sichbemächtigen des Opfers die Absicht hat, dessen Sorge um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen. Dies setzt voraus, dass sich nach der Vorstellung des Täters die Bemächtigungssituation in gewissem Umfang stabilisieren und neben den Nötigungsmitteln des § 253 StGB eigenständige Bedeutung für die Durchsetzung der erpresserischen Forderung erlangen wird (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2006 – 3 StR 246/06, NStZ 2007, 32 f.; Beschlüsse vom 4. Dezember 2007 – 3 StR 459/07, NStZ-RR 2009, 16 f.; vom 22. November 1994 – GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359). Darüber hinaus muss aus der Sicht des Täters zwischen der Entführungs- oder Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung ein solcher funktionaler und zeitlicher Zusammenhang hergestellt werden, dass dem Opfer die erstrebte Vermögensverfügung noch während der Dauer der Zwangslage abgenötigt werden soll; der Tatbestand ist deshalb nicht erfüllt, wenn die dem Opfer abgepresste Handlung erst nach der Freilassung erfolgen soll (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2007 – 4 StR 334/07, NStZ-RR 2008, 109 f.; vom 14. März 2007 – 2 StR 576/06, StV 2007, 354; vom 14. Mai 1996 – 4 StR 174/96, StV 1997, 302 f.).
13
b) Die subjektiven Voraussetzungen eines erpresserischen Menschenraubes , namentlich zum funktionalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung, sind im angefochtenen Urteil bei Zugrundelegung der Sündenbockvariante nicht beweiswürdigend belegt.
14
Zwar ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Angeklagten – nachbeiden Sachverhaltsvarianten – die „Herausgabe“ von zwölf Kilogramm Marihuana durch den Nebenkläger erstrebten und die Erpressung noch während der Bemächtigungslage vollendet werden sollte (UA 39 f.). Auf welcher Tatsachengrundlage sich das Landgericht diese Überzeugung auch bei Zugrundelegung der Sündenbockvariante verschafft hat, erschließt sich indes aus dem Urteil nicht.
15
In Anbetracht der Feststellung des Landgerichts, dass der Nebenkläger selbst nicht mit Drogen handelte (UA 7), und des Umstands, dass den Angeklagten bewusst war, dass der Nebenkläger – sollte er nur „Sündenbock“ gewesen sein – das Marihuana tatsächlich gar nicht an sich gebracht hatte, versteht es sich nicht von selbst, dass die Angeklagten die Vorstellung hatten, der Nebenkläger könne noch innerhalb der Bemächtigungslage die ganz erhebliche Menge von zwölf Kilogramm Marihuana bereitstellen. Nach den bisherigen Feststellungen ist zudem nichts dafür ersichtlich, dass die Angeklagten von einer Tätigkeit des Nebenklägers als Drogenhändler oder anderen Bezugsmöglichkeiten des Nebenklägers in dieser Größenordnung ausgingen.
16
Angesichts der vorgenannten Umstände, die eine zeitnahe Bereitstellung des Marihuanas durch den Nebenkläger als eher fernliegend erscheinen lassen , hätte es einer tragfähigen Beweiswürdigung bedurft, warum die Angeklagten ausgehend von der Sündenbockvariante gleichwohl die Herausgabe des Marihuanas noch während der Bemächtigungslage erstrebten. Hieran fehlt es.
17
2. Die subjektiven Voraussetzungen einer versuchten räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255, 22, 23 Abs. 1 StGB sind bei Zugrundelegung der Sündenbockvariante ebenfalls nicht hinreichend mit Tatsachen belegt.
18
a) Eine räuberische Erpressung nach §§ 253, 255 StGB setzt in objektiver Hinsicht unter anderem einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung voraus (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 – 3 StR 385/11, NStZ-RR 2012, 173, 175; Beschlüsse vom 25. Februar 2014 – 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269; vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508). Dementsprechend muss im Falle des Versuchs der Tatentschluss des Täters darauf gerichtet sein, einen – ernsthaft und nicht nur zum Schein erstrebten (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 1988 – 1 StR 148/88, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 3; Beschluss vom 27. Juli 2004 – 3 StR 71/04, NStZ 2005, 155 f.; MüKoStGB/Sander, 2. Aufl., § 253 Rn. 30 f.) – Vorteil durch den Einsatz des Nötigungsmittels zu erlangen.
19
b) Mit den Voraussetzungen eines Tatentschlusses der Angeklagten zur Begehung einer räuberischen Erpressung hat sich die Strafkammer nicht auseinander gesetzt. Es erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht, was sich die Angeklagten zum finalen Zusammenhang zwischen den eingesetzten Nötigungsmitteln und der erstrebten Vermögensverfügung vorstellten, sofern der Nebenkläger nur als „Sündenbock“ dienen sollte.
20
So setzt sich das Urteil nicht hinreichend mit der – bei diesem Tathintergrund – naheliegenden Möglichkeit auseinander, dass die Angeklagten vom Nebenkläger gar nicht ernsthaft eine „Herausgabe“ des Marihuanas erstrebten, sondern ihnen allein daran gelegen war, ihren Hintermännern einen Schuldigen für das Abhandenkommen der Betäubungsmittel zu präsentieren. Zwar ist das Landgericht – wie bereits ausgeführt – davon ausgegangen, dass die Angeklag- ten nach beiden Sachverhaltsvarianten die „Herausgabe“ von zwölf Kilogramm Marihuana durch den Nebenkläger erstrebten (UA 39 f.); näher begründet und beweiswürdigend belegt wird dies jedoch nicht.
21
Überdies bleibt unklar, ob die Vorstellung der Angeklagten dahin ging, der Nebenkläger werde die ihm abverlangte Handlung noch unter dem Einfluss der eingesetzten Nötigungsmittel – und nicht etwa geraume Zeit später (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2017 – 4 StR 244/16, NJW 2017, 1891,1893) – vornehmen. Vor dem Hintergrund, dass den Angeklagten nach der Sündenbockvariante bekannt war, dass der Nebenkläger gar nicht über das Marihuana verfügte, hätte das Landgericht auch diese Annahme nachvollziehbar begründen und belegen müssen. Dies ist nicht erfolgt.
22
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer tatrichterlicher Prüfung.

III.


23
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat mit Blick auf die von den Angeklagten erhobene Verfahrensrüge auf Folgendes hin:
24
Der Senat hat Bedenken, ob sich die Erwägungen des Landgerichts für die Annahme, dass dem Nebenkläger ein auf den Rechtsgedanken des § 34 StGB gestütztes außergesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, als tragfähig erweisen. Allerdings bedarf es vorliegend keiner abschließenden Entscheidung , ob in begrenzten Ausnahmesituationen die Annahme eines solchen Zeugnisverweigerungsrechts in Betracht kommt. Denn jedenfalls müssten zuvor eingehendere Ermittlungen zu einer tatsächlich bestehenden Gefährdung des Nebenklägers sowie dazu erfolgen, dass andere Maßnahmen zum Schutz des Zeugen – etwa nach § 58a StPO oder nach dem ZSHG – nicht ausreichend wären.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2017 - 4 StR 19/17

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 253 Erpressung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten
Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2017 - 4 StR 19/17 zitiert 10 §§.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

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(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten

Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 239a Erpresserischer Menschenraub


(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung ges

Strafgesetzbuch - StGB | § 34 Rechtfertigender Notstand


Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 22. Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich der Angeklagte oder einer der beiden gesondert Verfolgten E. Ö. und S. Ö. (vgl. Senatsbeschluss vom heutigen Tag – 4 StR 19/17) Anfang Juli 2013 im Besitz von zwölf Kilogramm Marihuana, das noch im Eigentum unbekannt gebliebener Betäubungsmittelhändler stand. Dieses Marihuana kam um den 11. Juli 2013 auf nicht genau feststellbare Weise abhanden. Entweder wurde es durch den Angeklagten oder einen der beiden gesondert Verfolgten unterschlagen, wobei die Verantwortung für den Verlust des Rauschgifts auf den Nebenkläger abgewälzt und von ihm eine entsprechende Ersatzmenge erpresst werden sollte (im Urteil wird diese Sachverhaltsvariante als „Sündenbocktheorie“ bezeichnet), oder das Marihuana wurde den Personen um den Angeklagten gestohlen, ohne dass der Nebenkläger hiermit etwas zu tun hatte.
3
Das Landgericht ist „zugunsten“ des Angeklagten und der gesondert Verfolgten E. Ö. und S. Ö. davon ausgegangen, dass das Marihuana gestohlen wurde und sie irrtümlich davon ausgingen, der Nebenkläger habe es entwendet (im Folgenden: Diebstahlsvariante).
4
Der Angeklagte und die beiden gesondert Verfolgten kamen überein, den Nebenkläger zu nötigen, die zwölf Kilogramm Marihuana „zurückzugeben“. Dabei gingen sie davon aus, dass der Nebenkläger hierzu nicht freiwillig bereit sein würde. Sie fassten daher den Entschluss, ihn durch Einsperren in einem Hinterzimmer der Teestube des S. Ö. und durch Bedrohung mit dem Tod, erforderlichenfalls auch unter Gewaltanwendung, zur Rückgabe des Rauschgifts zu zwingen. Vor dessen Herausgabe sollte der Nebenkläger nicht freigelassen werden. Der Angeklagte handelte dabei, um sich selbst oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern.
5
Am 16. Juli 2013 begab sich E. Ö. mit dem Nebenkläger in das Hinterzimmer der Teestube, wo sich tatplangemäß auch der Angeklagte und S. Ö. befanden. Hier warf E. Ö. dem Nebenkläger vor, dieser sei am 13. Juli 2013 bei ihm eingebrochen und habe zwölf Kilogramm Marihuana gestohlen; außer dem Nebenkläger habe niemand von dem Versteck ge- wusst. E. Ö. bedeutete dem Nebenkläger, er solle dies zugeben, vorher komme er „hier“ nicht raus. Der Nebenkläger stellte den Vorwurf in Abrede.
6
Die Forderung wurde von den Anwesenden wiederholt, und es wurde mehrfach damit gedroht, „jemanden“ anzurufen, der den Nebenkläger „fertig machen“ werde, so dass er seine Familie nicht wiedersehen werde. Der Ne- benkläger äußerte die Vermutung, dass E. Ö. möglicherweise selbst für das Verschwinden des Marihuanas verantwortlich sei. Darauf schlug dieser ihm mit der flachen Hand auf den Mund, wodurch der Nebenkläger eine Platzwunde an der Lippe erlitt. Danach schlugen der Angeklagte und die beiden gesondert Verfolgten mit den Händen wiederholt auf den Nebenkläger ein.
7
Schließlich gelang dem Nebenkläger, der zwischenzeitlich von weiteren Personen bedroht, geschlagen und getreten worden war, in einem unbeobachteten Moment die Flucht.

II.


8
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
9
Die Verurteilung des Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB und wegen versuchter räuberischer Erpressung gemäß §§ 253, 255, 22, 23 Abs. 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
Soweit das Landgericht bezüglich der Tathintergründe keine sicheren Feststellungen getroffen, sondern insofern zwei unterschiedliche Geschehensabläufe – zum einen die Diebstahls-, zum anderen die Sündenbockvariante – für möglich erachtet, indes seinem Urteil unter Heranziehung des Zweifels- grundsatzes allein die Diebstahlsvariante zugrunde gelegt hat (UA 7), weist die Beweiswürdigung durchgreifende Lücken auf. Der Senat kann deshalb nicht überprüfen, ob bei Zugrundelegung der vom Landgericht als gleichermaßen möglich erachteten Sündenbockvariante als Tathintergrund eine für den Angeklagten günstigere Rechtsfolge eingetreten wäre.
11
1. a) Eine Strafbarkeit wegen erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB erfordert im sog. Zweipersonenverhältnis – wie hier – in subjektiver Hinsicht neben dem Vorsatz des Täters bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale, dass er beim Entführen oder Sichbemächtigen des Opfers die Absicht hat, dessen Sorge um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen. Dies setzt voraus, dass sich nach der Vorstellung des Täters die Bemächtigungssituation in gewissem Umfang stabilisieren und neben den Nötigungsmitteln des § 253 StGB eigenständige Bedeutung für die Durchsetzung der erpresserischen Forderung erlangen wird (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2006 – 3 StR 246/06, NStZ 2007, 32 f.; Beschlüsse vom 4. Dezember 2007 – 3 StR 459/07, NStZ-RR 2009, 16 f.; vom 22. November 1994 – GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359). Darüber hinaus muss aus der Sicht des Täters zwischen der Entführungs- oder Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung ein solcher funktionaler und zeitlicher Zusammenhang hergestellt werden, dass dem Opfer die erstrebte Vermögensverfügung noch während der Dauer der Zwangslage abgenötigt werden soll; der Tatbestand ist deshalb nicht erfüllt, wenn die dem Opfer abgepresste Handlung erst nach der Freilassung erfolgen soll (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2007 – 4 StR 334/07, NStZ-RR 2008, 109 f.; vom 14. März 2007 – 2 StR 576/06, StV 2007, 354; vom 14. Mai 1996 – 4 StR 174/96, StV 1997, 302 f.).
12
b) Die subjektiven Voraussetzungen eines erpresserischen Menschenraubes , namentlich zum funktionalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung, sind im angefochtenen Urteil bei Zugrundelegung der Sündenbockvariante nicht beweiswürdigend belegt.
13
Zwar ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte – nachbeiden Sachverhaltsvarianten – die „Herausgabe“ von zwölf Kilogramm Marihuana durch den Nebenkläger erstrebte und die Erpressung noch während der Bemächtigungslage vollendet werden sollte (UA 38 ff.). Auf welcher Tatsachengrundlage sich das Landgericht diese Überzeugung auch bei Zugrundelegung der Sündenbockvariante verschafft hat, erschließt sich indes aus dem Urteil nicht.
14
In Anbetracht der Feststellung des Landgerichts, dass der Nebenkläger selbst nicht mit Drogen handelte (UA 6), und des Umstands, dass dem Angeklagten bewusst war, dass der Nebenkläger – sollte er nur „Sündenbock“ gewesen sein – das Marihuana tatsächlich gar nicht an sich gebracht hatte, versteht es sich nicht von selbst, dass der Angeklagte die Vorstellung hatte, der Nebenkläger könne noch innerhalb der Bemächtigungslage die ganz erhebliche Menge von zwölf Kilogramm Marihuana bereitstellen. Nach den bisherigen Feststellungen ist zudem nichts dafür ersichtlich, dass der Angeklagte von einer Tätigkeit des Nebenklägers als Drogenhändler oder anderen Bezugsmöglichkeiten des Nebenklägers in dieser Größenordnung ausging.
15
Angesichts der vorgenannten Umstände, die eine zeitnahe Bereitstellung des Marihuanas durch den Nebenkläger als eher fernliegend erscheinen lassen , hätte es einer tragfähigen Beweiswürdigung bedurft, warum der Angeklag- te ausgehend von der Sündenbockvariante gleichwohl die Herausgabe des Marihuanas noch während der Bemächtigungslage erstrebte. Hieran fehlt es.
16
2. Die subjektiven Voraussetzungen einer versuchten räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255, 22, 23 Abs. 1 StGB sind bei Zugrundelegung der Sündenbockvariante ebenfalls nicht hinreichend mit Tatsachen belegt.
17
a) Eine räuberische Erpressung nach §§ 253, 255 StGB setzt in objektiver Hinsicht unter anderem einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung voraus (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 – 3 StR 385/11, NStZ-RR 2012, 173, 175; Beschlüsse vom 25. Februar 2014 – 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269; vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508). Dementsprechend muss im Falle des Versuchs der Tatentschluss des Täters darauf gerichtet sein, einen – ernsthaft und nicht nur zum Schein erstrebten (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 1988 – 1 StR 148/88, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 3; Beschluss vom 27. Juli 2004 – 3 StR 71/04, NStZ 2005, 155 f.; MüKoStGB/Sander, 2. Aufl., § 253 Rn. 30 f.) – Vorteil durch den Einsatz des Nötigungsmittels zu erlangen.
18
b) Mit den Voraussetzungen eines Tatentschlusses des Angeklagten zur Begehung einer räuberischen Erpressung hat sich die Strafkammer nicht auseinander gesetzt. Es erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht, was sich der Angeklagte zum finalen Zusammenhang zwischen den eingesetzten Nötigungsmitteln und der erstrebten Vermögensverfügung vorstellte, sofern der Ne- benkläger nur als „Sündenbock“ dienen sollte.
19
So setzt sich das Urteil nicht hinreichend mit der – bei diesem Tathintergrund – naheliegenden Möglichkeit auseinander, dass der Angeklagte vom Ne- benkläger gar nicht ernsthaft eine „Herausgabe“ des Marihuanas erstrebte, sondern ihm allein daran gelegen war, den Hintermännern einen Schuldigen für das Abhandenkommen der Betäubungsmittel zu präsentieren. Zwar ist das Landgericht – wie bereits ausgeführt – davon ausgegangen, dass der Angeklagte nach beiden Sachverhaltsvarianten die „Herausgabe“ von zwölf Kilogramm Marihuana durch den Nebenkläger erstrebte (UA 38 ff.); näher begründet und beweiswürdigend belegt wird dies jedoch nicht.
20
Überdies bleibt unklar, ob die Vorstellung des Angeklagten dahin ging, der Nebenkläger werde die ihm abverlangte Handlung noch unter dem Einfluss der eingesetzten Nötigungsmittel – und nicht etwa geraume Zeit später (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2017 – 4 StR 244/16, NJW 2017, 1891, 1893) – vornehmen. Vor dem Hintergrund, dass dem Angeklagten nach der Sündenbockvariante bekannt war, dass der Nebenkläger gar nicht über das Marihuana verfügte, hätte das Landgericht auch diese Annahme nachvollziehbar begründen und belegen müssen. Dies ist nicht erfolgt.
21
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer tatrichterlicher Prüfung.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 334/07
vom
20. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 20. September 2007 gemäß
§§ 349 Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 27. Dezember 2006 werden 1. die Schuldsprüche
a) im Fall II 1 der Urteilsgründe, auch soweit es den Mitangeklagten Sch. betrifft, dahin geändert, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs entfällt ,
b) im Fall II 2 dahin berichtigt, dass der Angeklagte der versuchten räuberischen Erpressung schuldig ist; 2. die Strafaussprüche hinsichtlich des Falles II 1 der Urteilsgründe bezüglich beider Angeklagter und der Gesamtstrafenausspruch bezüglich des Angeklagten T. aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:



1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, der sich auch auf den nicht revidierenden Mitangeklagten Sch. auswirkt; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung der Angeklagten hat insoweit keinen Bestand, als sie im Fall II 1 der Urteilsgründe auch wegen erpresserischen Menschenraubs verurteilt worden sind.
3
Nach den Feststellungen verlangten die Angeklagten unter Androhung von Gewalt von den Zeugen C. und D. die Zahlung eines Geldbetrages von 1.500 Euro, auf den sie, wie sie wussten, keinen Anspruch hatten. Da ihre wiederholten Bemühungen nur zur Zahlung eines geringen Teilbetrages geführt hatten, planten sie, "die Zeugen an einen für sie unbekannten Ort zu verbringen , um dort unter Androhung von Gewalt die Zahlungsbereitschaft der Zeugen zu erhöhen" [UA 17]. Zu diesem Zweck verbrachten sie die Zeugen in ein dunkles Waldstück. Dort versprachen die verängstigten Zeugen schließlich, um die in Aussicht gestellten Gewaltanwendungen zu vermeiden, am folgenden Tag eine weitere Teilzahlung zu erbringen. Daraufhin wurden sie in die Wohnung des Zeugen D. zurückgebracht. Im Laufe der folgenden Wochen verschaffte sich der Zeuge D. Geld von einem Wucherer und von seinen Eltern und leistete unter dem Eindruck der Drohungen zwei Zahlungen von insgesamt 1.550 Euro.
4
Dieser Sachverhalt erfüllt zwar den Tatbestand der räuberischen Erpressung , nicht aber den des erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239 a Abs. 1 StGB. Zwar hatten sich die Angeklagten ihrer Opfer bemächtigt. Sie handelten jedoch nicht in der Absicht, die so geschaffene Lage zu einer Erpressung auszunutzen. Zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart bestehen , dass der Täter das Opfer oder einen Dritten während der Dauer der Zwangslage erpressen will (BGHSt 40, 350, 355; BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 239 a Rdn. 12 m.w.N.). Sieht dagegen - wie hier - der Tatplan vor, dass die Leistung, die der Täter erpressen will, erst zu einem Zeitpunkt erfolgen soll, zu dem die Bemächtigungslage bereits beendet ist, fehlt es an der Absicht des Ausnutzens gemäß § 239 a Abs. 1 StGB.
5
Der Senat ändert - gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten - den Schuldspruch im Fall II 1 der Urteilsgründe entsprechend ab. Dies führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen. Damit hat auch der Gesamtstrafausspruch bezüglich des Angeklagten T. keinen Bestand.
6
2. Darüber hinaus berichtigt der Senat den Schuldspruch des schriftlichen Urteils dahingehend, dass der Angeklagte T. im Fall II 2 der Urteilsgründe wegen versuchter räuberischer Erpressung verurteilt ist. Sowohl aus der Sitzungsniederschrift als auch aus den schriftlichen Urteilsgründen zur rechtlichen Würdigung und zur Strafzumessung [UA 29, 35] ergibt sich, dass das Landgericht den Angeklagten wegen einer Versuchstat verurteilt hat.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 385/11
vom
2. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
2. Februar 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 13. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen "gemeinschaftlicher" gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und räuberischer Erpressung schuldig gesprochen. Den Angeklagten F. hat es deswegen unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 27. November 2008 zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten T. unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 2. Juni 2009 zu einer solchen von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
2
Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft , die vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertreten wird, wendet sich mit der Sachbeschwerde gegen dieses Urteil und erstrebt die Verurteilung der Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB sowie wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB. Des weiteren beanstandet die Beschwerdeführerin die Strafzumessung. Die Revisionen der Angeklagten rügen allgemein die Verletzung materiellen Rechts.
3
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Angeklagten sind begründet.
4
Nach den wesentlichen Feststellungen des Landgerichts veranlasste der Angeklagte F. den Geschädigten A. , der nach der Überzeugung des Angeklagten zuvor ihn und seinen Cousin bestohlen hatte, unter dem Vorwand, gemeinsam Drogen konsumieren zu wollen, ihn in der Nacht zum 4. September 2008 nach D. in die Wohnung des Angeklagten T. zu fahren. Diesem kündigte der Angeklagte F. sein Kommen telefonisch an und sagte hierbei, "er bringe jemanden mit, der zur Rede gestellt werden solle und zu bestrafen sei". In der Wohnung des Angeklagten T. , der auf die telefonische Nachricht des Mitangeklagten geäußert hatte, dieser könne kommen, versetzte F. dem Geschädigten einen Faustschlag, so dass dieser zu Boden ging, schlug weiter mit Händen und Fäusten auf dessen Kopf und Oberkörper ein und trat ihn mit Füßen. Der Angeklagte T. beteiligte sich "in nicht genau feststellbarer Weise" an den Gewalttätigkeiten und "unterstützte auch verbal die Misshandlungen" durch den Mitangeklagten. Der Geschädigte erlitt blutende Wunden am Kopf und im Nackenbereich sowie am Oberkörper und hatte aufgrund der Schläge starke Kopfschmerzen. Während der Misshandlungen oder danach wurde A. von F. an Händen und Füßen gefesselt, wobei die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden wurden.
5
Auf Vorhalt der Entwendung verschiedener Kleidungsstücke aus der Wohnung des Cousins des Angeklagten F. gab der Geschädigte aus Angst vor weiteren Misshandlungen - wahrheitsgemäß - die Mitnahme der Sachen zu. Daraufhin wurde der Zeuge A. gezwungen, in einem Telefonat - vermutlich mit dem Onkel des Angeklagten F. - den Diebstahl einzuräumen und um Verzeihung zu bitten, wobei F. damit drohte, den Zeugen "fertig zu machen" und ihn auf grausame Art zu töten, "falls der Vater ihm nicht verzeihe". Während des gesamten Geschehens in der Wohnung wurde der Geschädigte vielfach beschimpft, beleidigt und gedemütigt. Der Angeklagte T. fertigte von Teilen des Geschehens Bild- und Videoaufnahmen.
6
Die Angeklagten fragten den Geschädigten sodann, "wie viel er ihnen schulde, um seine Missetat zu begleichen". Der stark eingeschüchterte Zeuge A. wies "schließlich" aus Angst vor weiteren Misshandlungen auf die Möglichkeit hin, Geld von seinem Konto abzuheben. Dies griffen die Angeklagten auf und fassten den Entschluss, den Geschädigten in O. Geld abheben und an sie "als Entschädigung für den Diebstahl und dessen Bestreiten auszahlen zu lassen". Weil der Geschädigte körperlich nicht in der Lage war, sein Fahrzeug selbst zu führen, veranlasste der Angeklagte T. eine Bekannte , der er lediglich sagte, er wolle einem Freund ein paar Sachen ins Gefängnis bringen, den Pkw des Geschädigten zu steuern. Nachdem die Angeklagten die Spuren der Misshandlungen an dem Geschädigten und seiner Kleidung so gut es ging beseitigt sowie ihm an Stelle des ausgezogenen blutigen Hemdes eine Jacke übergezogen und eine Baseballkappe aufgesetzt hatten, fuhren die vier Personen - der Angeklagte F. und der Geschädigte hinten sitzend - zunächst zur Justizvollzugsanstalt O. . Dort wurde der Pkw in deren Nähe abgestellt und alle Insassen stiegen aus. Während sich die Angeklagten zur Justizvollzugsanstalt begaben und die Fahrerin an einem Kiosk Zigaretten holte, blieb der Geschädigte etwa zwanzig Minuten lang alleine in der Nähe seines Fahrzeugs zurück. Danach ging die Fahrt weiter in die Innenstadt von O. , wo der Geschädigte sowie der Angeklagte F. das Auto verließen und sich zur Filiale der Bank begaben, bei der A. sein Konto hatte. Dort sollte der Geschädigte, der nach wie vor unter dem Eindruck der massiven Körperverletzungen und Drohungen stand und vor den Angeklagten Angst hatte, nach deren Weisung einen größeren Geldbetrag von seinem Konto abheben. Nachdem der Versuch, sich am Automaten Geld auszahlen zu lassen , gescheitert war, und der Geschädigte auch am Bankschalter, den er zunächst alleine aufgesucht hatte, kein Geld bekommen hatte, ging er mit dem Angeklagten F. zusammen noch einmal dorthin und erhielt - nachdem F. mit dem Bankangestellten gesprochen hatte - 500 € ausbezahlt, die er weisungsgemäß an den Angeklagten F. übergab.
7
I. Revision der Staatsanwaltschaft
8
Das Landgericht hat die Tat nicht als erpresserischen Menschenraub gemäß § 239a Abs. 1 StGB bewertet. Dies hat es damit begründet, die Angeklagten hätten zum Zeitpunkt der Fesselung, des "Sich-bemächtigens" des Zeugen A. , (noch) nicht die Absicht gehabt, dessen Sorge um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen (§ 239a Abs. 1 Halbsatz 1 StGB); vielmehr hätten sie sich erst im Verlaufe des Geschehens dazu entschlossen, den Zeugen zur Herausgabe von Geld zu veranlassen. Auch der Tatbestand des § 239a Abs. 1 Halbsatz 2 StGB sei nicht erfüllt. Die Angeklagten hätten die von ihnen geschaffene Bemächtigungslage nicht zu einer Erpressung ausgenutzt. Zur Verwirklichung dieses Tatbestandes sei ein funktioneller Zusammenhang dergestalt erforderlich, dass nach der Vorstellung des Täters die Erpressung während der Dauer der Zwangslage realisiert werden soll. Zwar setze das Vorliegen einer Bemächtigungslage nicht voraus, dass eine Schutz- oder Fluchtmöglichkeit für das Tatopfer gänzlich ausgeschlossen sei. Vorliegend sei indes zu berücksichtigen, dass die Angeklagten während des 20 Minuten dauernden Aufenthalts bei der Justizvollzugsanstalt den Zeugen bei dem Fahrzeug zurückgelassen hätten, so dass für diesen durchaus die Möglichkeit zur Flucht bestanden habe.
9
1. Die Begründung, mit der das Landgericht die Begehung eines erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB durch die Angeklagten verneint hat, hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
10
a) Des erpresserischen Menschenraubes macht sich schuldig, wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung gemäß § 253 StGB auszunutzen, oder wer die durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt. Im Hinblick auf den Anwendungsbereich klassischer Delikte mit Nötigungselementen wie § 177, §§ 249 ff., §§ 253 ff. StGB ist der Tatbestand des § 239a Abs. 1 StGB im Zwei-Personen-Verhältnis allerdings, insbesondere für Fälle des Sichbemächtigens, einschränkend auszulegen. Der Täter muss durch eine Entführung oder in sonstiger Weise die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewinnen, dadurch eine stabile Bemächtigungslage schaffen und entweder von vornherein beabsichtigen, diese Lage zu einer Erpressung auszunutzen, oder die zu anderen Zwecken hergestellte Verfügungsgewalt über das Opfer zu einer Erpressung ausnutzen. Dabei muss der stabilisierten Bemächtigungslage mit Blick auf die erstrebte Erpressung eine eigenständige Bedeutung zukommen. Damit ist - insbesondere in Abgrenzung zu den Raubdelikten - indes lediglich gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weitergehende Drucksituation auf das Opfer gerade auch ausder stabilen Bemächtigungslage ergeben muss. Der erforderliche funktionale Zusammenhang liegt insbesondere dann nicht vor, wenn sich der Täter des Opfers durch Nötigungsmittel bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtigten Erpressung dienen, wenn also Bemächtigungs- und Nötigungsmittel zusammenfallen (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2006 - 3 StR 246/06, NStZ 2007, 32 mwN).
11
b) Danach ist die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten sich des Geschädigten zunächst nicht in Erpressungsabsicht bemächtigt, indem sie ihn in die Wohnung des Mitangeklagten T. lockten, dort misshandelten und fesselten, rechtlich nicht zu beanstanden; denn nach den Feststellungen hat dies der Angeklagte F. - mit Einverständnis seines Tatgenossen - getan, um den Geschädigten zur Rede zu stellen und zu bestrafen. Dass die Angeklagten von vornherein beabsichtigten, die geplante Bestrafung des Geschädigten über die körperlichen Misshandlungen und Demütigungen hinaus auch mit einer Geldforderung zu bewirken, lässt sich den bisherigen Feststellungen nicht entnehmen.
12
c) Indes kommt es entgegen der Ansicht des Landgerichts auf der Grundlage des festgestellten Lebenssachverhaltes in Betracht, dass die Angeklagten die durch anhaltende physische Gewalt über das Opfer gekennzeichnete , über längere Zeit bestehende und auch infolge der Fesselung mit einer Sta- bilisierung verbundene Bemächtigungslage zu einer Erpressung ausgenutzt haben, indem sie - ihrem nunmehr gefassten Entschluss, Geld von dem Geschädigten zu fordern, folgend - den Geschädigten nach dessen Misshandlung und Fesselung in der Wohnung fragten, "wie viel er ihnen schulde, um seine Missetat zu begleichen", damit von ihm (konkludent) die Herausgabe von Geld verlangten und dieses Verlangen durch die Aufrechterhaltung der Fesselung oder die mit dieser Forderung konkludent verbundenen Drohung weiterer Misshandlungen durchzusetzen suchten. Damit könnte der Tatbestand des erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 Halbsatz 2 StGB (Ausnutzungsvariante ) bereits zu diesem Zeitpunkt verwirklicht worden sein; denn diese Tatbestandsalternative ist bereits dann vollendet, wenn der Täter (während der Bemächtigungslage und unter Ausnutzung derselben) den Versuch einer Erpressung begeht (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2006 - 3 StR 246/06, NStZ 2007, 32, 33; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 239a Rn. 12, 14), also unmittelbar zur Nötigung einer Person ansetzt, durch welche dem Vermögen der genötigten (oder einer anderen) Person in (rechtswidriger) Bereicherungsabsicht noch während des Andauerns der Bemächtigungslage ein Vermögensnachteil zugefügt werden soll. Dies wäre etwa der Fall, wenn die Angeklagten davon ausgegangen wären, dass der Geschädigte Geld bei sich hatte und herausgeben könnte. Bereits dann wäre der erforderliche funktionale und zeitliche Zusammenhang zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung gegeben, so dass es im Hinblick darauf nicht mehr von Bedeutung wäre, ob angesichts der fehlenden Bewachung des Geschädigten während des Zwischenhaltes in der Nähe der Justizvollzugsanstalt die zuvor bestehende Bemächtigungslage beendet war. Ob dieAngeklagten davon ausgingen, dass A. Geld bei sich hatte, kann dem Urteil zwar nicht entnommen werden, liegt indes angesichts des Umstands, dass F. ihn unter dem Vorwand, gemeinsam Drogen konsumieren zu wollen, zu der Fahrt nach D. ver- anlasste, nicht fern. Dass in diesem Fall der Bemächtigungslage die im sogenannten Zwei-Personen-Verhältnis von der Rechtsprechung geforderte eigenständige Bedeutung zukam (BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359; vgl. BGH aaO; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 239a Rn. 7 mwN), ist - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nicht zweifelhaft. Die Feststellung, dass der Geschädigte auf die Möglichkeit der Geldabhebung "aus Angst vor weiteren Misshandlungen" hinwies, steht dem nicht entgegen.
13
2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft hat auch Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erbracht (§ 301 StPO; dazu unten II. 1.).
14
II. Revisionen der Angeklagten
15
1. Das Urteil des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit die Angeklagten jeweils wegen räuberischer Erpressung verurteilt worden sind.
16
Das Landgericht hat insoweit angenommen, die Angeklagten hätten den Geschädigten gewaltsam und durch die konkludente Drohung mit weiteren Misshandlungen gegen seinen Willen dazu veranlasst, Geld von seinem Konto abzuheben und an den Angeklagten F. zu übergeben. A. sei zu diesem Zeitpunkt aufgrund der vorangegangenen Gewalttätigkeiten und Drohungen seitens der Angeklagten offenkundig stark eingeschüchtert gewesen und habe Angst vor ihnen gehabt. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen räuberischer Erpressung nicht, da insoweit offen bleibt, durch welche Gewalthandlungen oder Drohungen die Angeklagten ihr Opfer vorsätzlich zur Herausgabe des Geldes genötigt haben.
17
a) Der Erpressung macht sich schuldig, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern (§ 253 Abs. 1 StGB). Bei der räuberischen Erpressung muss der Vermögensnachteil Ergebnis einer das Opfer nötigenden Gewaltausübung oder einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben durch den Täter sein (§ 255 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2011 - 3 StR 318/10, NStZ 2012, 95, 96). Zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und dem erlangten Vorteil muss - wie beim Raub - ein finaler Zusammenhang bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2006 - 3 StR 3/06, NStZ 2006,

508).


18
b) Nach den bisherigen Feststellungen haben sich die Angeklagten erst nach den Misshandlungen und der Fesselung des Geschädigten entschlossen, von diesem Geld zu fordern. Als finale Nötigungsmittel könnten daher nur eine nach diesem Zeitpunkt erfolgte Gewaltanwendung oder eine (konkludente) Drohung mit der Anwendung weiterer, Leib oder Leben des Opfers gefährdende Handlungen in Betracht kommen. Dass die Angeklagten - über die fortdauernde Fesselung hinaus (vgl. insoweit beim Raub: Fischer, aaO, § 249 Rn. 10 ff.) - danach ihr Opfer weiter körperlich misshandelt hätten, kann den Feststellungen nicht entnommen werden. Weiterhin ergeben die Urteilsgründe nicht, welche konkrete Handlung der Angeklagten das Landgericht als deren konkludente Drohung mit weiteren Misshandlungen des Geschädigten ansieht. Nach den bisherigen Feststellungen käme dafür allenfalls - neben der Aufrechterhal- tung der Fesselung - die Frage der Angeklagten an den Geschädigten in Betracht , "wie viel er ihnen schulde, um seine Missetat zu begleichen" (s. oben I. 1.c)). Solches lässt sich den bisherigen Feststellungen indes nicht hinreichend sicher entnehmen; weiterhin fehlen Feststellungen dazu, dass die Angeklagten mit dieser Frage bzw. der Aufrechterhaltung der Fesselung zugleich in diesem Sinne drohen wollten.
19
2. Dies führt auf die Revisionen der Angeklagten zur Aufhebung des gesamten Urteils einschließlich der - für sich rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Verurteilungen der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung.
20
III. Der neue Tatrichter wird zu prüfen haben, ob die Angeklagten sich des erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben, indem sie nach ihrer Rückkehr von der Justizvollzugsanstalt den Geschädigten mit seinem Auto in die Innenstadt von O. und dort zur Filiale der Bank in der Absicht verschleppten, ihn im Beisein des Angeklagten F. Geld abheben und an sie auszahlen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2006 - 3 StR 366/06, BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sichbemächtigen 10).
21
Im Übrigen geben die Verletzungen des Geschädigten, die ihm durch die Angeklagten beigebracht wurden, Anlass zu der Prüfung, ob sich die Angeklagten - wie die Beschwerdeführerin und der Generalbundesanwalt annehmen - einer besonders schweren räuberischen Erpressung gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB schuldig gemacht haben. Dabei wird zu beachten sein, dass dieser Qualifikationstatbestand voraussetzt, das Opfer werde bei der Tat körperlich schwer misshandelt. Das Vorliegen dieses Merkmals könnte im Hinblick darauf zweifelhaft sein, dass sich die Angeklagten auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen erst nach Abschluss der körperlichen Misshandlungen dazu entschlossen haben, von ihrem Opfer Geld zu fordern (vgl. Fischer, aaO, § 250 Rn. 26 mwN).
Becker Hubert Schäfer Mayer Menges

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 244/16
vom
25. April 2017
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Zu den Voraussetzungen, unter denen die Hilflosigkeit einer Person auf einer
Bildaufnahme zur Schau gestellt wird.
BGH, Beschluss vom 25. April 2017 - 4 StR 244/16 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
zu 2.: Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen
Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:250417B4STR244.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 25. April 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten K. und Y. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 2. Februar 2016, soweit es diese Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , Nötigung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Den Angeklagten Y. hat es wegen Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg. Auf die vom Angeklagten K. erhobene Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die jüngere Schwester des Angeklagten, E. K. , unterhielt bis etwa einen Monat vor dem Tatgeschehen eine geheim gehaltene Liebesbeziehung zu dem Nebenkläger, in deren Verlauf es auch mindestens einmal zum Geschlechtsverkehr kam, worüber der Nebenkläger in seinem Freundeskreis berichtete. Davon erfuhr der Angeklagte etwa eine Woche vor der Tat und verstand dies so, dass der Nebenkläger damit geprahlt habe, er habe „K. s Schwester gefickt“. Da er dies als Beleidigung nicht nur seiner Schwester, son- dern auch seiner eigenen Person verstand und er den Nebenkläger ferner für die schlechte psychische Verfassung seiner Schwester nach der Trennung der beiden verantwortlich machte, trug er sich mit Racheplänen. In Ausführung dieser Pläne veranlasste er den Nebenkläger am Abend des Tattages, dem 28. August 2015, unter einem Vorwand, in seinen PKW zu steigen, mit dem er ihn zu einer kleinen, von ihm zuvor ausgewählten Industrieruine auf einer abgelegenen Brachfläche verbrachte. In seiner Begleitung befanden sich der von ihm in groben Zügen in sein Vorhaben eingeweihte Angeklagte Y. sowie der Mitangeklagte Er. , der zunächst lediglich mit einer Prügelei zum Nachteil des Nebenklägers rechnete, an der er und Y. sich beteiligen müssten. Nach Eintreffen auf dem Ruinengelände musste sich der Nebenkläger auf einen Stuhl setzen, den der Angeklagte K. vorher dort hingestellt hatte. Sodann schlugen zunächst K. und nach ihm der Angeklagte Y. mit Fäusten, jeweils unter Todesdrohungen, auf den Nebenkläger ein; zu diesem Zweck hatten sie sich Handschuhe angezogen. Ferner brach K. dem Nebenkläger durch einen Stoß mit dem Knie das Nasenbein. Nachdem K. und Y. vom Nebenkläger abgelassen hatten, gab dieser zu, seinen Freunden von dem Geschlechtsverkehr mit der Schwester des K. erzählt zu haben. Dem Mitangeklagten Er. , der bis dahin mäßigend auf die beiden anderen einzuwirken versucht hatte, erschloss sich erst jetzt der genaue Anlass des Geschehens. Er beteiligte sich nunmehr mit Ohrfeigen an den Misshandlungen, bemühte sich jedoch weiter um Deeskalation. Vorwiegend um den Nebenkläger zu ängstigen, machte der Angeklagte K. sodann Anstalten, am Finger der von Y. festgehaltenen Hand des Nebenklägers eine Zange anzusetzen. Der Mitangeklagte Er. , der sich in der Zwischenzeit entfernt hatte, kehrte wegen der Hilfeschreie des Nebenklägers zum Ort des Geschehens zurück und nahm K. die Zange ab. Daraufhin kündigte K. an, dem Nebenkläger unter Einsatz einer mitgebrachten Spritze Urin zu injizieren, was diesen, wie vom Angeklagten vorausgesehen und gebilligt, in Todesangst versetzte. Danach setzte er mit der Ankündigung, nunmehr dessen Kniescheibe zu zerschlagen, mit einem Gummihammer zum Schlag an, schlug aber nach entsprechender Intervention des Mitangeklagten Er. nur mit mäßigem Kraftaufwand gegen die Wade, wasbei dem Nebenkläger heftige Schmerzen verursachte, aber keine länger wahrnehmbare Verletzung. Währenddessen bedrohte und beschimpfte der durchgehend anwesende Angeklagte Y. den Nebenkläger und hielt diesendadurch davon ab, sich K. zu widersetzen.
5
Der Angeklagte K. forderte sodann – wie von Anfang an geplant – vom Geschädigten die Zahlung von 2500 € für die operative Rekonstruktion des Hymens seiner Schwester, was der Angeklagte Y. ebenfalls billigte. Der Nebenkläger erklärte, er habe 200 € dabei, die er K. sofort geben könne, was dieser und die anderen jedoch ablehnten. Vielmehr setzte K. dem Nebenkläger eine Frist zur Zahlung der gesamten Summe bis Ende des Jahres. Erfolge keine Zahlung, werde er ihn nochmals herbringen.
6
2. Um den Nebenkläger noch einmal in besonderer Weise zu demütigen und sich ihm gegenüber ein Druckmittel zu verschaffen, verlangte er von diesem , sich eine leere 0,3 l-Flasche mit langem Hals rektal einzuführen. Anderenfalls werde er erneut den Gummihammer hervorholen. Nachdem es dem Mitangeklagten Er. nicht gelungen war, K. von diesem Vorhaben abzubringen , drohte der Angeklagte K. dem Nebenkläger, ihm die Knochen zu brechen , wenn er sich die Flasche nicht einführen würde. Der Angeklagte Y. , der K. bei der Tatausführung bis dahin unterstützt hatte, und der Mitangeklagte Er. verließen daraufhin auf Bitten des Nebenklägers „den Schauplatz“. Sodann führte sich der Nebenkläger den Hals der Flasche, den K. zuvor eingecremt hatte, unter Schmerzen in seinen Anus ein. K. filmte dieses Geschehen mit der Kamerafunktion des Mobiltelefons des Mitangeklagten Y. , zeichnete zunächst erkennbar das Gesicht des Nebenklägers auf und nahm sodann gezielt dessen Gesäß in den Fokus. Nach einiger Zeit gestattete er dem Nebenkläger aufzuhören und erklärte ihm, er werde das Video im Internet veröffentlichen , wenn er die 2500 € nicht erhalten oder wenn der Nebenkläger zur Polizei gehen würde.
7
Bevor der Angeklagte K. den Nebenkläger vor dessen elterlicher Wohnung absetzte, erinnerte er ihn nochmals daran, das Geld zu zahlen. Der Nebenkläger erstattete am darauffolgenden Tag Strafanzeige, wovon der Angeklagte K. nichts wusste. Auf Initiative der Familie des Nebenklägers kam es in der Folgezeit zu einem Treffen von Familienangehörigen des Angeklagten K. und des Nebenklägers in Anwesenheit des Angeklagten K. , bei dem u.a. der Vorfall erörtert wurde. Der Nebenkläger leistete auf die vom Angeklagten K. erhobene Forderung keinerlei Zahlung.

II.


8
Die Überprüfung des Schuldspruchs hält hinsichtlich beider Angeklagter rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Erwägung des Landgerichts, ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung bzw. der Beihilfe dazu sei schon deshalb ausgeschlossen, weil der Angeklagte K. seine Forderung gegenüber dem Nebenkläger zu keinem Zeitpunkt aufgegeben habe, begegnet in zweifacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
1. Es ist insoweit zu besorgen, dass die Strafkammer an die nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB erforderliche Rücktrittshandlung einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt hat.
10
a) Bei der im vorliegenden Fall festgestellten Tatbeteiligung mehrerer werden gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB wegen Versuchs diejenigen Beteiligten nicht bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Zwar wirkt der Rücktritt eines Mittäters nicht ohne Weiteres zugunsten der anderen Beteiligten; es kann hierfür jedoch genügen, wenn diese im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiter handeln, obwohl sie dies könnten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – 1 StR 51/96, BGHSt 42, 158, 162; Beschluss vom 17. Januar 2013 – 2 StR 396/12, NStZ 2013, 521; Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687; vgl. auch SSW-StGB/Kudlich/ Schuhr, 3. Aufl., § 24 Rn. 59). Dies gilt nicht nur bei mittäterschaftlichem Zusammenwirken , sondern auch im Verhältnis von Täter und Gehilfe (Senats- beschluss vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91 f.). Im Falle einer versuchten räuberischen Erpressung ist es daher ausreichend, wenn freiwillig davon abgesehen wird, das Nötigungs- bzw. Erpressungsziel weiter mit den tatbestandlichen Nötigungsmitteln zu verfolgen. Nicht erforderlich ist hingegen ein vollständiger Verzicht auf die Herbeiführung des angestrebten Nötigungs - bzw. Erpressungserfolgs, also ein Verzicht auf die Handlung, Duldung oder Unterlassung, die zu einem Vermögensnachteil führt (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2013 aaO).
11
b) Gemessen daran erweist sich die von der Strafkammer herangezogene Erwägung für die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts als nicht tragfähig. Maßgebend für die Voraussetzungen eines Rücktritts vom Versuch ist hier nicht, ob die Angeklagten K. und Y. auf die Weiterverfolgung der Forderung als solcher, sondern vielmehr, ob sie auf deren Durchsetzung mit Nötigungsmitteln verzichteten, was für jeden der Angeklagten gesondert zu prüfen war. Dies hat das Landgericht übersehen.
12
2. Die Erwägungen des Landgerichts zu einem möglichen Rücktritt vom unbeendeten Versuch sind auch im Übrigen nicht frei von Rechtsfehlern.
13
a) Für die Frage, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Vorstellung der Täter nach seiner letzten Ausführungshandlung von der Tat hat (sog. Rücktrittshorizont; vgl. nur BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). Danach liegt ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist; in diesem Fall kann er allein durch das freiwillige Unterlassen weiterer auf den Taterfolg abzielender Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 1. Variante StGB). Hält er dagegen den Eintritt des Taterfolgs für möglich, so ist der Versuch beendet. Der strafbefreiende Rücktritt setzt dann voraus, dass der Täter den Taterfolg freiwillig durch aktives Tun verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 2. Variante StGB) oder zumindest entsprechende ernsthafte Bemühungen entfaltet, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 mwN). Da ein Rücktritt unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 StGB auch schon dann in Betracht kommt, wenn es die Beteiligten einvernehmlich unterlassen, weiter zu handeln, hängt die Entscheidung der Frage, ob darin ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch gesehen werden kann, wiederum entscheidend vom Vorstellungsbild der Täter nach der letzten von ihnen vorgenommenen Ausführungshandlung ab: Gehen sie zu diesem Zeitpunkt davon aus, noch nicht alles getan zu haben, was nach ihrer Vorstellung zur Herbeiführung des Taterfolgs erforderlich oder zumindest ausreichend ist, liegt also ein unbeendeter Versuch vor, so können sie durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten. Lässt sich das Vorstellungsbild der Täter, das auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung ist, im maßgeblichen Zeitpunkt den Feststellungen nicht entnehmen, so hält das Urteil insoweit sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts nicht ermöglicht (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2016 – 3 StR 5/16 mwN).
14
b) So verhält es sich hier. Den Feststellungen lässt sich auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht entnehmen , welche Vorstellungen sich die Angeklagten vom Erreichen des von ihnen erstrebten Taterfolgs machten, als sie den Nebenkläger vor der Wohnung seiner Eltern absetzten und der Angeklagte K. ihn nochmals an die Geldforderung erinnerte, so dass schon unklar bleibt, ob ein beendeter oder ein unbe- endeter Versuch vorlag. Hätten die Angeklagten die Vorstellung gehabt, noch nicht alles zur Herbeiführung der Zahlung des geforderten Geldbetrages durch den Nebenkläger getan zu haben, wäre wegen der durch K. ausgesprochenen Fristsetzung auch das Ergebnis der nach der Tat erfolgten Besprechung der beiden beteiligten Familien in den Blick zu nehmen gewesen. Bei dieser Unterredung war der Angeklagte K. nach den Urteilsfeststellungen anwesend und äußerte sich auch zum Tatgeschehen. Aus dem Inhalt dieser Äußerungen lassen sich gegebenenfalls Rückschlüsse auf die innere Einstellung der Angeklagten ziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 StR 537/10, NStZ 2011, 337, 338). Auch dazu verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
15
3. Die Sache bedarf insgesamt schon deshalb hinsichtlich beider Angeklagter neuer Verhandlung und Entscheidung, weil von der Urteilsaufhebung auch die jeweils tateinheitlich ausgeurteilten weiteren Straftatbestände erfasst werden.
16
4. Es kommt hinzu, dass auch die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten K. wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs im Sinne von § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB durch Bildaufnahmen der dem Geschädigten abverlangten rektalen Einführung der Flasche von den bisherigen Feststellungen nicht getragen wird. Mit Blick darauf, dass die genannte Strafvorschrift die Herstellung solcher Bildaufnahmen voraussetzt, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen, gilt Folgendes:
17
a) Was das Gesetz mit dem Begriff „Hilflosigkeit“ meint, wird in § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht näher erläutert. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird darunter ein Zustand verstanden, in dem eine Person sich – objektiv und im weitesten Sinne – selbst nicht helfen kann und auf Hilfe angewiesen ist, ohne sie zu erhalten (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2002). Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und dem in ihr zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen ergeben sich weder Anhaltspunkte noch Kriterien für eine nähere Eingrenzung dieses Tatbestandsmerkmals. Die Begehungsvariante des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB in ihrer jetzigen Fassung ist erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in die Vorschrift eingefügt worden , weshalb die Gesetzesmaterialien im Hinblick auf die aufgeworfene Frage wenig aussagekräftig sind. Der entsprechenden Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 18/3202) ist aber unter Berücksichtigung des mit der Vorschrift insgesamt beabsichtigten umfassenden Schutzes des höchstpersönlichen Lebensbereichs vor Bildaufnahmen auch außerhalb von Wohnungen oder sonstigen besonders geschützten Räumen – der ursprüngliche Gesetzentwurf erfasste insoweit lediglich bloßstellende Aufnahmen (vgl. dazu BT-Drucks. 18/2601, S. 36) – zu entnehmen, dass der Gesetzgeber einen eher weiten Begriff der Hilflosigkeit vor Augen hatte. Ein Indiz dafür sind auch die schon im ursprünglichen Gesetzentwurf beispielhaft erwähnten Fallkonstellationen , etwa die betrunkene Person auf dem Heimweg oder das verletzt am Boden liegende Opfer einer Gewalttat (BT-Drucks. 18/2601 aaO). Auch die systematische Auslegung unter Rückgriff auf das (enger gefasste) Tatbestandsmerkmal der hilflosen Lage in § 221 StGB (so Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 313) bzw. den (ebenfalls engeren, weil gewahrsamsbezogenen) Hilflosigkeitsbegriff in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB ergibt hier schon wegen des unterschiedlichen Schutzzwecks der jeweiligen Vorschriften keine Anhaltspunkte für eine nähere Eingrenzung des Merkmals der Hilflosigkeit. Gleichwohl können nach Auffassung des Senats gegen diese begriffliche Weite des Tatbestandsmerkmals (vgl. dazu auch SSW-StGB/Bosch, 3. Aufl., § 201a Rn. 11; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 201a Rn. 10a; Busch, NJW 2015, 977, 978; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2) verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG) nicht erhoben werden (insoweit aber krit. Bosch aaO, Rn. 14). Denn in jedem Einzelfall muss eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch den Bildinhalt hinzutreten. § 201a Abs. 4 StGB enthält zudem eine die Sozialadäquanz betreffende Ausnahmeregelung.
18
Unbeschadet weiterer denkbarer, am Wortsinn orientierter Sachverhaltskonstellationen , deren Herausbildung der Gesetzgeber damit der fachgerichtlichen Rechtsprechung überantwortet hat (vgl. dazu BVerfGE 126, 170, 208 f.; BVerfG, Beschluss vom 1. November 2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 367), ist das Tatbestandsmerkmal der Hilflosigkeit nach dem Wortsinn und dem gesetzgeberischen Willen jedenfalls dann gegeben, wenn ein Mensch aktuell Opfer einer mit Gewalt oder unter Drohungen gegen Leib oder Leben ausgeübten Straftat ist und deshalb der Hilfe bedarf oder sich in einer Entführungs- oder Bemächtigungssituation befindet. Dies liegt nach den getroffenen Feststellungen hier vor.
19
b) Indes bestehen auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen durchgreifende Zweifel daran, dass die Hilflosigkeit des Nebenklägers auf der Bildauf- nahme auch „zur Schau“ gestellt wird.
20
aa) Hinsichtlich der Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal „ZurSchau -Stellen“ in § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB teilt der Senat die Auffassung im Schrifttum, wonach der Wortlaut der Regelung hier eine besondere Hervorhebung der Hilflosigkeit als Bildinhalt voraussetzt, so dass diese für einen Betrachter allein aus der Bildaufnahme erkennbar wird (ebenso Bosch aaO, Rn. 12; Fischer aaO, Rn. 10b). In Fällen der bloßen Abbildung der Vornahme einer Handlung durch eine Person (als Tatopfer) bedarf dies in der Regel näherer Darlegung, wenn die abgebildete Handlung nicht schon ohne Weiteres die Hilflosigkeit der sie vornehmenden Person impliziert. Gibt erst der Gesamtkontext der Bildaufnahme – etwa bei ambivalenten Handlungen – zu erkennen, dass die abgebildete Person sie im Zustand der Hilflosigkeit vornimmt, beispielsweise in einer Bemächtigungssituation, bedarf es dazu eingehender tatrichterlicher Feststellungen.
21
bb) Gemessen an diesem Verständnis des Tatbestandsmerkmals des Zur-Schau-Stellens ermöglichen die bisher getroffenen Feststellungen dem Senat nicht die Prüfung der Frage, ob der Bildinhalt die Hilflosigkeit des Tatopfers im dargelegten Sinne zu erkennen gibt. Dem angefochtenen Urteil ist insoweit lediglich zu entnehmen, dass der Angeklagte das betreffende Geschehen, hier die rektale Einführung der Flasche, mit der Kamerafunktion des Mobiltelefons des Mitangeklagten Y. aufzeichnete. Ob diese Bildaufzeichnung auch die Bedrohungssituation widerspiegelt, ergeben die Urteilsfeststellungen nicht. Der Umstand, dass sich der Geschädigte die Flasche rektal einführte, sagt aber für sich genommen noch nichts über den Kontext aus, in dem die Handlung ausgeführt wurde.

III.


22
Für den Fall, dass der neue Tatrichter zum Tathergang der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung Feststellungen treffen sollte, die denen des angefochtenen Urteils entsprechen, wird ferner Folgendes zu bedenken sein:
23
1. Wegen der dem Geschädigten vom Angeklagten K. gesetzten „Zahlungsfrist“wird der Tatrichter genauer als bisher geschehen die Anforderungen an den Finalzusammenhang sowie das Tatbestandsmerkmal der Gegenwärtigkeit der Drohung mit Lebens- bzw. Leibesgefahr im Sinne des § 255 StGB in den Blick zu nehmen haben. Zwischen dem Nötigungsmittel der Gewalt und der beabsichtigten Vermögensverfügung dürfte es nach den bisherigen Feststellungen am erforderlichen Finalzusammenhang fehlen, da die Forderung nach Zahlung der 2500 € erst nach dem Gewalteinsatz (Gummihammer, Schläge ) erhoben wurde und der Nebenkläger die Summe auch nicht unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit der Gewaltanwendung zahlen sollte. Soweit das Landgericht zur Begründung der Finalität auf das Nötigungsmittel der Drohung abgestellt hat, versteht sich unter Berücksichtigung der dem Geschädigten gesetzten „Zahlungsfrist“ bis Jahresende die Gegenwärtigkeit der Gefahr nicht von selbst. Nach ständiger Rechtsprechung liegt diese regelmäßig nur bei fehlender Fristsetzung oder einer solchen von einigen Tagen vor, wobei es indes maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalles ankommt, die zu beurteilen in erster Linie Aufgabe des Tatrichters ist (vgl. BGH, Urteile vom 28. August 1996 – 3 StR 180/96, NJW 1997, 265, 266, und vom 27. August 1998 – 4 StR 332/98, NStZ-RR 1999, 266, 267).
24
2. Im Zusammenhang mit dem rektalen Einführen der Flasche wird gegebenenfalls zu erwägen sein, ob die Feststellungen eine Verurteilung wegen Geiselnahme (§ 239b StGB) rechtfertigen können (vgl. dazu jüngst BGH, Beschluss vom 27. Januar 2017 – 1 StR 532/16, Tz. 10 f.).
25
3. Zur Frage, ob der Schlag mit dem Gummihammer gegen die Wade des Geschädigten rechtlich als gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu würdigen sein kann, verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 12. März 2015 – 4 StR 538/14, BGHR StPO § 224 Abs. 1 Nr. 2 Werkzeug 10).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie soll nach Würdigung der dafür jeweils maßgeblichen Umstände aufgezeichnet werden und als richterliche Vernehmung erfolgen, wenn

1.
damit die schutzwürdigen Interessen von Personen unter 18 Jahren sowie von Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch eine der in § 255a Absatz 2 genannten Straftaten verletzt worden sind, besser gewahrt werden können oder
2.
zu besorgen ist, dass der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist.
Die Vernehmung muss nach Würdigung der dafür jeweils maßgeblichen Umstände aufgezeichnet werden und als richterliche Vernehmung erfolgen, wenn damit die schutzwürdigen Interessen von Personen, die durch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184j des Strafgesetzbuches) verletzt worden sind, besser gewahrt werden können und der Zeuge der Bild-Ton-Aufzeichnung vor der Vernehmung zugestimmt hat.

(2) Die Verwendung der Bild-Ton-Aufzeichnung ist nur für Zwecke der Strafverfolgung und nur insoweit zulässig, als dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 101 Abs. 8 gilt entsprechend. Die §§ 147, 406e sind entsprechend anzuwenden, mit der Maßgabe, dass den zur Akteneinsicht Berechtigten Kopien der Aufzeichnung überlassen werden können. Die Kopien dürfen weder vervielfältigt noch weitergegeben werden. Sie sind an die Staatsanwaltschaft herauszugeben, sobald kein berechtigtes Interesse an der weiteren Verwendung besteht. Die Überlassung der Aufzeichnung oder die Herausgabe von Kopien an andere als die vorbezeichneten Stellen bedarf der Einwilligung des Zeugen.

(3) Widerspricht der Zeuge der Überlassung einer Kopie der Aufzeichnung seiner Vernehmung nach Absatz 2 Satz 3, so tritt an deren Stelle die Überlassung des Protokolls an die zur Akteneinsicht Berechtigten nach Maßgabe der §§ 147, 406e. Das Recht zur Besichtigung der Aufzeichnung nach Maßgabe der §§ 147, 406e bleibt unberührt. Der Zeuge ist auf sein Widerspruchsrecht nach Satz 1 hinzuweisen.