Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2019 - 4 StR 394/19

bei uns veröffentlicht am05.09.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 394/19
vom
5. September 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:050919B4STR394.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. September 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 16. April 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Angeklagte im Rahmen einer Auseinandersetzung mit einem Tretroller in Richtung des Oberkörpers des Geschädigten. Dabei hielt er für möglich, dass er diesen am Kopf treffen und ihn töten könnte, und nahm dies „zumindest“ billigend in Kauf. Er traf den Geschädigten an der linken Schulter; dieser erlitt hierdurch ein großflächi- ges und schmerzhaftes Hämatom. Anschließend führte der Angeklagte „weitere Schläge in der vorbeschriebenen Art und Weise“ aus. Dabei traf der erste der insgesamt neun weiteren Schläge die Wand des Flures, in dem sich der Angeklagte und der Geschädigte befanden; anschließend floh der Geschädigte in ein Zimmer und schloss die Türe; die weiteren Schläge „schlugen daher in die verschlossene Zimmertür ein“. Hierdurch entstanden mehrere tiefe Kerben; die Beschädigung der Türe nahm der Angeklagte billigend in Kauf. Der Angeklagte holte nunmehr zu einer weiteren Schlagbewegung aus; bevor er den Schlag ausführen konnte, griff ein Zeuge in das Geschehen ein und nahm dem Angeklagten den Tretroller ab.
3
2. Das Schwurgericht hat angenommen, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Es ist von einem Fehlschlag des Versuchs ausgegangen und hat zur Begründung ausgeführt, dass der Geschädigte sich nach dem zweiten Schlag in sein Zimmer zurückgezogen und die Zimmertür geschlossen habe; dem Angeklagten sei es durch die weiteren, gegen die geschlossene Tür geführten Schläge nicht gelungen, in das Zimmer einzudringen. „Spätestens“ nachdem ihm der „Cityroller“ abgenommen worden sei, habe er erkannt, dass er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht in das Zimmer eindringen und den Geschädigten töten könne.

II.

4
Der Schuldspruch wegen versuchten Totschlags (§§ 212, 22 StGB) hat keinen Bestand. Die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs des Totschlags ist nicht tragfähig begründet.

5
1. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält, wobei es auf die Tätersicht nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung ankommt. Erkennt der Täter zu diesem Zeitpunkt, dass es zur Herbeiführung des Erfolges eines erneuten Ansetzens bedürfte, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 9. September 2014 – 4 StR 367/14, NStZ 2015,

26).

6
Nimmt der Täter im Rahmen eines mehraktigen Geschehens verschiedene Handlungen vor, steht der Fehlschlag eines oder mehrerer der Einzelakte nicht notwendig und von vornherein einem Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB entgegen. Bilden die Einzelakte untereinander und mit der letzten Tathandlung ein durch die subjektive Zielsetzung des Täters verbundenes , örtlich und zeitlich einheitliches Geschehen, so ist für die Beurteilung der Frage, ob der Versuch fehlgeschlagen ist oder ein strafbefreiender Rücktritt durch das Unterlassen weiterer Tathandlungen (unbeendeter Versuch) oder durch Verhinderung der Tatvollendung (beendeter Versuch) erreicht werden kann, allein die subjektive Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung maßgeblich (BGH, Beschlüsse vom 9. September 2014 – 4 StR 367/14, NStZ 2015, 26; vom 17. Februar 2016 – 2 StR 213/15, NStZ 2017, 149, 151 und vom 15. Januar 2019 – 4 StR 470/18, NStZ-RR 2019, 137; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; siehe auch BGH, Beschluss vom 23. November 2016 – 4 StR 471/16 mit Anm. Hecker JuS 2017, 696). Erforderlich ist jedoch, dass die tatgerichtlichen Feststellungen und die sie tragenden Beweiserwägungen einen Vorsatzwechsel ausschließen und belegen, dass ein durch die subjektive Zielsetzung des Täters verbundenes, einheitliches Geschehen vorliegt.
7
2. Gemessen hieran ist das Landgericht im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, wenn die ausgeführten Einzelakte – ein oder zwei gezielte Schläge gegen den Geschädigten sowie weitere Schläge gegen die Türe des Zimmers, in das der Geschädigte geflohen war – durch die subjektive Zielsetzung des Angeklagten, den Geschädigten zu töten, miteinander verbunden wären. Eine solche subjektive , die Einzelakte miteinander verbindende Zielsetzung ist jedoch weder festgestellt noch mit konkreten Tatsachen belegt.
8
a) Nach den Feststellungen und den sie tragenden Beweiserwägungen führte der Angeklagte „einen zielgerichteten kraftvollen Schlag mit einem 'Cityroller' gegen den Oberkörper“ des Geschädigten aus. Feststellungen zu seinem Vorstellungsbild bei Ausführung der weiteren Schläge fehlen. Dass der Angeklagte die Schläge gegen die Wand und die – geschlossene oder verschlossene – Zimmertüre noch mit Tötungsvorsatz ausführte, ist weder festgestellt und belegt, noch liegt dies angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls nahe. Das Landgericht ist von bedingt vorsätzlichem Handeln sowie einer „nicht besonders“ vorbereiteten Tat des verärgerten und erregten Angeklagten aus- gegangen. Die weiteren Tathandlungen – insbesondere Schläge mit dem Schlagwerkzeug gegen die Zimmertüre, hinter die sich der Geschädigte geflüchtet hatte – unterscheiden sich erheblich in ihrer Gefährlichkeit für das geschützte Rechtsgut; die Annahme eines Vorsatzwechsels lag bei dieser Sachlage nicht fern. Die Annahme fortbestehenden bedingten Tötungsvorsatzes bis zur „Entwaffnung“ des Angeklagten hätte daher besonderer Feststellung und Erörterung bedurft. Hieran fehlt es.
9
b) Darüber hinaus bleibt angesichts widersprüchlicher Feststellungen dazu , ob der Geschädigte die Zimmertüre geschlossen oder verschlossen hatte, unklar, ob ihm zum Zeitpunkt der Ausführung der weiteren Schläge Handlungsalternativen zur Verfügung standen, er also etwa – trotz erkannter Möglichkeit – davon abgesehen hat, die Zimmertüre zu öffnen, den Geschädigten zu verfolgen und ihn unmittelbar anzugreifen. Der Verzicht auf eine solche Handlungsalternative könnte Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild des Angeklagten und die subjektive Tatseite zulassen und hätte daher der Feststellung und Erörterung bedurft.
10
3. Die hierin liegenden Darlegungs- und Erörterungsmängel führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Totschlags und entziehen dem Schuldspruch insgesamt die Grundlage. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
11
Das neu zur Entscheidung berufene Schwurgericht wird Gelegenheit haben , genauere Feststellungen zu Form, Beschaffenheit und Gewicht des konkret eingesetzten Schlagwerkzeugs sowie zur subjektiven Tatseite zu treffen. Die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes bedarf einer sorgfältigen und umfassenden Abwägung aller für und gegen bedingten Tötungsvorsatz sprechenden Umstände.
Sost-Scheible Roggenbuck Quentin
Feilcke Bartel

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2019 - 4 StR 394/19

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2019 - 4 StR 394/19

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be
Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2019 - 4 StR 394/19 zitiert 5 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2019 - 4 StR 394/19 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2019 - 4 StR 394/19 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2019 - 4 StR 470/18

bei uns veröffentlicht am 15.01.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 470/18 vom 15. Januar 2019 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2019:150119B4STR470.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und d

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Nov. 2016 - 4 StR 471/16

bei uns veröffentlicht am 23.11.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 471/16 vom 23. November 2016 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2016:231116B4STR471.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Feb. 2016 - 2 StR 213/15

bei uns veröffentlicht am 17.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 213/15 vom 17. Februar 2016 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2016:170216U2STR213.15.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Feb

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2014 - 4 StR 367/14

bei uns veröffentlicht am 09.09.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR367/14 vom 9. September 2014 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Septe

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR367/14
vom
9. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. September 2014
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Angriff auf den Luftverkehr und versuchtem Angriff auf den Luftverkehr mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die gegen diese Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte fasste im Juni 2013 den Entschluss, sich während einer Flugstunde mit dem Nebenkläger, bei dessen Flugschule er sich zur Pilotenausbildung angemeldet hatte, durch einen herbeigeführten Flugzeugabsturz zu töten und dabei den Anschein eines Flugunfalls zu erwecken. Am Nachmittag des 21. Juni 2013 befanden sich der Angeklagte und der Nebenkläger während der zweiten Ausbildungsstunde in einem viersitzigen, einmotorigen Motor- flugzeug vom Typ „Cessna C 172 N“, dasauf der linken und auf der rechten Cockpit-Seite mit einem Steuerhorn ausgerüstet ist, in etwa 900 m Höhe. Der Angeklagte führte ohne Wissen des Nebenklägers einen etwa 1.100 g schweren Amethyst mit sich, den er zuvor aus der Mineraliensammlung eines Bekannten entwendet hatte, ferner ein 21 cm langes Küchenmesser. Er beabsichtigte , den Nebenkläger während des Fluges durch Schläge mit dem Amethyst tätlich anzugreifen und mindestens handlungsunfähig zu machen, um sich durch den Absturz der dann führerlosen Maschine selbst zu töten. Er ging davon aus, dass auch der Nebenkläger dabei sterben würde, was ihm gleichgültig war, da es ihm darauf ankam, seinen Selbstmord als aufsehenerregenden Flugunfall zu inszenieren. Nachdem der Nebenkläger dem Wunsch des Angeklagten entsprochen hatte, auf eine Höhe von etwa 1.500 m zu steigen, übernahm er in der Annahme, der Angeklagte wolle aus seiner Wasserflasche trinken , alleine das Steuer. Als der Nebenkläger, der neben dem Angeklagten auf dem rechten Vordersitz der Maschine saß, für einen Augenblick durch das rechte Seitenfenster aus dem Flugzeug schaute, nutzte der Angeklagte die Gelegenheit , um unbemerkt den Amethyst aus seiner Tasche zu nehmen. Mit dem Stein schlug er sodann unvermittelt mindestens dreimal auf die linke Kopfhälfte des Nebenklägers. Als der Angeklagte bemerkte, dass die Schläge mit dem Stein nicht zur Besinnungslosigkeit des Nebenklägers geführt hatten, umklammerte er mit beiden Händen dessen Kopf und fuhr mit seinen Daumen in dessen Augenhöhlen hinein, um die Augen einzudrücken. Der Nebenkläger schob und drückte den Angeklagten mit beiden Händen von sich weg, wobei er die Steuerung loslassen musste. Das Flugzeug ging daraufhin in einen Sturzflug über. Der Angeklagte bemerkte dies und drückte sein Steuerhorn nach vorne, um so den Sturzflug noch zu beschleunigen. Nachdem es dem Nebenkläger nicht gelungen war, einen Notruf abzusetzen, ergriff er während des rasanten Sturzfluges erneut das Steuerhorn. Es gelang ihm auf Grund seiner langjährigen Flugerfahrung, die Kontrolle über das Flugzeug wiederzuerlangen; kurz vor einem Aufschlag auf den Boden konnte er die Maschine nach oben ziehen und so den Absturz verhindern. Der Angeklagte saß während dieses Vorgangs schweigend neben ihm. Bei der darauffolgenden Notlandung brach das Bugrad der Maschine, woraufhin sich das Flugzeug bei einer Geschwindigkeit von etwa 90 km/h überschlug und auf dem Dach liegend zum Stehen kam. Der Nebenkläger erlitt u.a. zahlreiche Hautabschürfungen und Blutergüsse; er war drei Wochen lang nicht flugtauglich.
4
2. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe den Nebenkläger heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zu töten versucht. Die Tathandlung erfülle ferner neben einer gefährlichen Körperverletzung auch den Tatbestand des Angriffs auf den Luftverkehr in Tateinheit mit versuchtem Angriff auf den Luftverkehr mit Todesfolge. Vom Mordversuch sowie vom Versuch, durch den Angriff auf den Luftverkehr den Tod des Nebenklägers zu verursachen , sei der Angeklagte auch nicht strafbefreiend zurückgetreten; der Versuch sei fehlgeschlagen. Die Tathandlung, also die mindestens dreimaligen Schläge auf den Kopf des Nebenklägers, seien aus Sicht des Angeklagten objektiv er- folglos gewesen, da der Nebenkläger dadurch nicht bewusstlos geworden sei und auch die Kontrolle über das Flugzeug nicht verloren habe. Auch habe der Angeklagte die Maschine nicht, wie beabsichtigt, durch Betätigung der Steuerung zum Absturz bringen können, da der Nebenkläger das Flugzeug letztlich wieder habe hochreißen und eine Notlandung durchführen können.

II.


5
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe schon deshalb nicht strafbefreiend vom Versuch zurücktreten können, weil dieser fehlgeschlagen sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
1. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält, wobei es auf die Tätersicht nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung ankommt. Erkennt der Täter zu diesem Zeitpunkt oder hat er eine entsprechende subjektive Vorstellung dahin, dass es zur Herbeiführung des Erfolges eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399). Nimmt der Täter – wie im vorliegenden Fall – im Rahmen eines mehraktigen Geschehens verschiedene Handlungen vor (hier Schläge mit dem Stein, dann Eindrücken der Augenhöhlen und anschließend Betätigen des Steuers zur Beschleunigung des Sturzflugs), steht der Fehlschlag eines oder mehrerer der anfänglichen Einzelakte nicht notwendig und von vornherein einem Rücktritt vom Versuch entgegen. Sind diese Einzelakte untereinander sowie mit der letzten Tathandlung Teile eines durch die subjektive Zielsetzung des Täters verbundenen , örtlich und zeitlich einheitlichen Geschehens, so beurteilen sich die Fragen, ob der Versuch fehlgeschlagen ist oder ob der strafbefreiende Rücktritt andernfalls allein schon durch das Unterlassen weiterer Tathandlungen (unbeendeter Versuch) oder durch Verhinderung der Tatvollendung (beendeter Versuch ) erreicht werden kann, ebenfalls allein nach der subjektiven Sicht des Täters nach Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung (BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399, Rn. 3).
7
Hält der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des angestrebten Erfolgs zwar zunächst für möglich, erkennt er aber unmittelbar darauf , dass er sich geirrt hat, so erlangt die an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Vorstellung für den „Rücktrittshorizont“ maßgebliche Bedeutung mit der Folge, dass der Täter, dessen Handlungsmöglichkeiten unverändert fortbestehen , durch Abstandnahme von weiteren Ausführungshandlungen mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten kann (sog. Korrektur des Rücktrittshorizonts, BGH, Urteil vom 19. Juli 1989 – 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224; Senatsbeschluss vom 5. September 2002 – 4 StR 279/02, NStZ-RR 2003, 40). Entscheidend ist danach nicht, ob der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan nicht verwirklichen konnte, sondern ob ihm infolge einer Veränderung der Handlungssituation oder aufkommender innerer Hemmungen das Erreichen seines Zieles ohne zeitliche Zäsur nicht mehr möglich erschien. War der Angeklagte aber noch Herr seiner Entschlüsse, hielt er die Ausführung der Tat – wenn auch mit anderen Mitteln – noch für möglich, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (Senatsbeschluss vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91; vgl. Senatsurteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.).
8
2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht zwar, im rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend, für die Beurteilung eines möglichen strafbefreienden Rücktritts des Angeklagten auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem er die Steuerung des Flugzeugs betätigte, um den Sturzflug der Maschine zu beschleunigen. Keine Feststellungen hat das Landgericht jedoch dazu getroffen, ob der Angeklagte die Ausführung der Tat, wenngleich mit anderen Mitteln, noch für möglich hielt, nachdem der Nebenkläger das Abstürzen des Flugzeugs zunächst verhindert hatte. Insoweit ist lediglich festgestellt, dass er bis zur Notlandung schweigend neben dem Nebenkläger saß. Danach bleibt insbesondere offen, ob der Angeklagte annahm, es bedürfe noch weiterer Handlungen zur Herbeiführung des von ihm angestrebten Erfolges, deren Ausführung ihm mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln noch möglich sei, was die Annahme eines unbeendeten Versuchs rechtfertigen könnte.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR367/14
vom
9. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. September 2014
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Angriff auf den Luftverkehr und versuchtem Angriff auf den Luftverkehr mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die gegen diese Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte fasste im Juni 2013 den Entschluss, sich während einer Flugstunde mit dem Nebenkläger, bei dessen Flugschule er sich zur Pilotenausbildung angemeldet hatte, durch einen herbeigeführten Flugzeugabsturz zu töten und dabei den Anschein eines Flugunfalls zu erwecken. Am Nachmittag des 21. Juni 2013 befanden sich der Angeklagte und der Nebenkläger während der zweiten Ausbildungsstunde in einem viersitzigen, einmotorigen Motor- flugzeug vom Typ „Cessna C 172 N“, dasauf der linken und auf der rechten Cockpit-Seite mit einem Steuerhorn ausgerüstet ist, in etwa 900 m Höhe. Der Angeklagte führte ohne Wissen des Nebenklägers einen etwa 1.100 g schweren Amethyst mit sich, den er zuvor aus der Mineraliensammlung eines Bekannten entwendet hatte, ferner ein 21 cm langes Küchenmesser. Er beabsichtigte , den Nebenkläger während des Fluges durch Schläge mit dem Amethyst tätlich anzugreifen und mindestens handlungsunfähig zu machen, um sich durch den Absturz der dann führerlosen Maschine selbst zu töten. Er ging davon aus, dass auch der Nebenkläger dabei sterben würde, was ihm gleichgültig war, da es ihm darauf ankam, seinen Selbstmord als aufsehenerregenden Flugunfall zu inszenieren. Nachdem der Nebenkläger dem Wunsch des Angeklagten entsprochen hatte, auf eine Höhe von etwa 1.500 m zu steigen, übernahm er in der Annahme, der Angeklagte wolle aus seiner Wasserflasche trinken , alleine das Steuer. Als der Nebenkläger, der neben dem Angeklagten auf dem rechten Vordersitz der Maschine saß, für einen Augenblick durch das rechte Seitenfenster aus dem Flugzeug schaute, nutzte der Angeklagte die Gelegenheit , um unbemerkt den Amethyst aus seiner Tasche zu nehmen. Mit dem Stein schlug er sodann unvermittelt mindestens dreimal auf die linke Kopfhälfte des Nebenklägers. Als der Angeklagte bemerkte, dass die Schläge mit dem Stein nicht zur Besinnungslosigkeit des Nebenklägers geführt hatten, umklammerte er mit beiden Händen dessen Kopf und fuhr mit seinen Daumen in dessen Augenhöhlen hinein, um die Augen einzudrücken. Der Nebenkläger schob und drückte den Angeklagten mit beiden Händen von sich weg, wobei er die Steuerung loslassen musste. Das Flugzeug ging daraufhin in einen Sturzflug über. Der Angeklagte bemerkte dies und drückte sein Steuerhorn nach vorne, um so den Sturzflug noch zu beschleunigen. Nachdem es dem Nebenkläger nicht gelungen war, einen Notruf abzusetzen, ergriff er während des rasanten Sturzfluges erneut das Steuerhorn. Es gelang ihm auf Grund seiner langjährigen Flugerfahrung, die Kontrolle über das Flugzeug wiederzuerlangen; kurz vor einem Aufschlag auf den Boden konnte er die Maschine nach oben ziehen und so den Absturz verhindern. Der Angeklagte saß während dieses Vorgangs schweigend neben ihm. Bei der darauffolgenden Notlandung brach das Bugrad der Maschine, woraufhin sich das Flugzeug bei einer Geschwindigkeit von etwa 90 km/h überschlug und auf dem Dach liegend zum Stehen kam. Der Nebenkläger erlitt u.a. zahlreiche Hautabschürfungen und Blutergüsse; er war drei Wochen lang nicht flugtauglich.
4
2. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe den Nebenkläger heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zu töten versucht. Die Tathandlung erfülle ferner neben einer gefährlichen Körperverletzung auch den Tatbestand des Angriffs auf den Luftverkehr in Tateinheit mit versuchtem Angriff auf den Luftverkehr mit Todesfolge. Vom Mordversuch sowie vom Versuch, durch den Angriff auf den Luftverkehr den Tod des Nebenklägers zu verursachen , sei der Angeklagte auch nicht strafbefreiend zurückgetreten; der Versuch sei fehlgeschlagen. Die Tathandlung, also die mindestens dreimaligen Schläge auf den Kopf des Nebenklägers, seien aus Sicht des Angeklagten objektiv er- folglos gewesen, da der Nebenkläger dadurch nicht bewusstlos geworden sei und auch die Kontrolle über das Flugzeug nicht verloren habe. Auch habe der Angeklagte die Maschine nicht, wie beabsichtigt, durch Betätigung der Steuerung zum Absturz bringen können, da der Nebenkläger das Flugzeug letztlich wieder habe hochreißen und eine Notlandung durchführen können.

II.


5
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe schon deshalb nicht strafbefreiend vom Versuch zurücktreten können, weil dieser fehlgeschlagen sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
1. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält, wobei es auf die Tätersicht nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung ankommt. Erkennt der Täter zu diesem Zeitpunkt oder hat er eine entsprechende subjektive Vorstellung dahin, dass es zur Herbeiführung des Erfolges eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399). Nimmt der Täter – wie im vorliegenden Fall – im Rahmen eines mehraktigen Geschehens verschiedene Handlungen vor (hier Schläge mit dem Stein, dann Eindrücken der Augenhöhlen und anschließend Betätigen des Steuers zur Beschleunigung des Sturzflugs), steht der Fehlschlag eines oder mehrerer der anfänglichen Einzelakte nicht notwendig und von vornherein einem Rücktritt vom Versuch entgegen. Sind diese Einzelakte untereinander sowie mit der letzten Tathandlung Teile eines durch die subjektive Zielsetzung des Täters verbundenen , örtlich und zeitlich einheitlichen Geschehens, so beurteilen sich die Fragen, ob der Versuch fehlgeschlagen ist oder ob der strafbefreiende Rücktritt andernfalls allein schon durch das Unterlassen weiterer Tathandlungen (unbeendeter Versuch) oder durch Verhinderung der Tatvollendung (beendeter Versuch ) erreicht werden kann, ebenfalls allein nach der subjektiven Sicht des Täters nach Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung (BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399, Rn. 3).
7
Hält der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des angestrebten Erfolgs zwar zunächst für möglich, erkennt er aber unmittelbar darauf , dass er sich geirrt hat, so erlangt die an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Vorstellung für den „Rücktrittshorizont“ maßgebliche Bedeutung mit der Folge, dass der Täter, dessen Handlungsmöglichkeiten unverändert fortbestehen , durch Abstandnahme von weiteren Ausführungshandlungen mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten kann (sog. Korrektur des Rücktrittshorizonts, BGH, Urteil vom 19. Juli 1989 – 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224; Senatsbeschluss vom 5. September 2002 – 4 StR 279/02, NStZ-RR 2003, 40). Entscheidend ist danach nicht, ob der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan nicht verwirklichen konnte, sondern ob ihm infolge einer Veränderung der Handlungssituation oder aufkommender innerer Hemmungen das Erreichen seines Zieles ohne zeitliche Zäsur nicht mehr möglich erschien. War der Angeklagte aber noch Herr seiner Entschlüsse, hielt er die Ausführung der Tat – wenn auch mit anderen Mitteln – noch für möglich, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (Senatsbeschluss vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91; vgl. Senatsurteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.).
8
2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht zwar, im rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend, für die Beurteilung eines möglichen strafbefreienden Rücktritts des Angeklagten auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem er die Steuerung des Flugzeugs betätigte, um den Sturzflug der Maschine zu beschleunigen. Keine Feststellungen hat das Landgericht jedoch dazu getroffen, ob der Angeklagte die Ausführung der Tat, wenngleich mit anderen Mitteln, noch für möglich hielt, nachdem der Nebenkläger das Abstürzen des Flugzeugs zunächst verhindert hatte. Insoweit ist lediglich festgestellt, dass er bis zur Notlandung schweigend neben dem Nebenkläger saß. Danach bleibt insbesondere offen, ob der Angeklagte annahm, es bedürfe noch weiterer Handlungen zur Herbeiführung des von ihm angestrebten Erfolges, deren Ausführung ihm mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln noch möglich sei, was die Annahme eines unbeendeten Versuchs rechtfertigen könnte.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 213/15
vom
17. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:170216U2STR213.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Februar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin, der Angeklagte in Person,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 24. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Koblenz zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Trier vom 15. März 2013 wegen versuchten Totschlags und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das vorbezeichnete Urteil mit Beschluss vom 26. September 2013 (2 StR 324/13) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2
Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Kompensationsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
4
1. Der Angeklagte litt seit September 2011 vor dem Hintergrund einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur an einer mittelschweren depressiven Episode. Nachdem seine Ehefrau ihm offenbart hatte, sich von ihm trennen zu wollen , versuchte der Angeklagte erfolglos, sich selbst zu töten. Nach zwei gescheiterten Suizidversuchen plante er im Juli 2012, sich mit Hilfe eines Druckluftnaglers , eines pneumatischen Werkzeugs, bei dessen bestimmungsgemäßem Gebrauch Nägel unter erheblichem Druck in verschiedene Materialien getrieben werden können, zu töten. Weil er aus den vorangegangenen Suizidversuchen bereits wusste, dass es ihm schwerfallen werde, sich selbst zu töten, plante er, mit Hilfe seiner Ehefrau Polizeibeamte zu seinem Büro zu locken und sie mit dem Druckluftnagler zu beschießen, um sie zu veranlassen, zum Zwecke des Eigenschutzes von ihren Dienstwaffen Gebrauch zu machen und ihn zu erschießen.
5
Der Angeklagte lockte seine Ehefrau, die Zeugin des nachfolgenden Geschehens werden sollte, unter einem Vorwand zu seinem Büro, in welchem er sich verbarrikadiert hatte. Nachdem sie dort mit einem der gemeinsamen Söhne erschienen war, begab er sich zu einem Fenster, öffnete es, hielt sich den Druckluftnagler an den Kopf und rief in Richtung seiner Ehefrau und seines Sohnes: "Schaut her, wie ich mich umbringe". Anschließend zielte er mit dem Druckluftnagler auf seine Ehefrau, die sich daraufhin entfernte und die Polizei verständigte.
6
Bei ihrem Eintreffen vor Ort konnten die Polizeibeamten die Lage nicht überblicken, da der Angeklagte zwischenzeitlich die Rollläden geschlossen hatte. Als die Zeugen PK M. und POK P. den Rollladen an einem der Fenster etwa einen Meter hochschoben, schoss der Angeklagte aus einer Entfernung von maximal zwei Metern gezielt einen Nagel in Richtung des Oberkörpers von PK M. . Dabei hoffte er entsprechend seines Tatplans, dieser werde aufgrund der vermeintlich unklaren Lage zum Eigenschutz sofort von seiner Dienstwaffe Gebrauch machen und ihn erschießen. Tatsächlich prallte der Nagel jedoch an der Glasscheibe ab, ohne sie zu durchschlagen. PK M. erschrak und ließ den Rollladen zunächst fallen, schob ihn nach kurzer Zeit jedoch wieder hoch. Der Angeklagte schoss nunmehr in Verfolgung seines Tatplans erneut aus einer Entfernung von maximal 1,2 Metern mehrere Nägel gezielt in Richtung des Zeugen; ob er bei diesen Schüssen ein Durchschlagen der Scheibe und eine Verletzung des Polizeibeamten für möglich hielt, konnte nicht festgestellt werden. Tatsächlich durchschlugen die Nägel die Glasscheibe nicht, sondern führten lediglich zu Rissen im Glas. Der Angeklagte hielt sich nunmehr unter den Blicken der Polizeibeamten die Nagelpistole an die rechte Schläfe, drückte ab und schoss sich einen Nagel in den Kopf; er sackte zusammen und fiel hinter dem Schreibtisch zu Boden.
7
PK M. schlug nunmehr die Fensterscheibe zum Büroraum großflächig ein, um in das Gebäudeinnere gelangen und dem Angeklagten erste Hilfe leisten zu können. Nachdem ihm dies gelungen war, richtete sich der Angeklagte plötzlich auf und gab aus einer Entfernung von maximal 1,2 Metern mehrere Schüsse in Richtung des nunmehr ungeschützt vor ihm stehenden Zeugen M. und die schräg hinter diesem stehende Polizeibeamtin B. ab. Er schoss dabei gezielt auf den Körper- und Kopfbereich des Zeugen M. und nahm hinsichtlich des Zeugen M. einen tödlichen Ausgang, hinsichtlich der Zeu- gin B. eine Körperverletzung billigend in Kauf. Der Angeklagte verfehlte PK M. knapp, der daraufhin seine Dienstwaffe zog und auf den Angeklagten zielte. Der Angeklagte ließ in diesem Moment den Druckluftnagler sinken, PK M. steckte seine Dienstwaffe nach Zuruf eines Kollegen weg.
8
Der Angeklagte wandte sich nunmehr in weiterer Verfolgung seines Tatplans , auf alle für ihn erreichbaren Polizeibeamten zu schießen und ohne den Plan, PK M. zu töten, aufzugeben, dem Polizeibeamten P. zu, der PK M. zur Seite getreten war; er beschoss diesen gezielt aus einer Entfernung von etwa 1,2 Metern mit Nägeln und nahm dabei zumindest billigend in Kauf, dass die Glasscheibe durch die Schussabgabe weiter zerstört und POKP. durch umherfliegende Glassplitter verletzt oder „im Bereich der ungeschützten Gliedmaßen“ von Nägeln getroffenund dadurch verletzt werden könnte. Während der Angeklagte den Polizeibeamten P. beschoss, setzte PK M. Pfefferspray gegen den Angeklagten ein und schloss den Rollladen erneut. Der Angeklagte zog sich in die hintere Ecke des Büros zurück.
9
Nachdem ballistische Schutzdecken zum Einsatzort gebracht worden waren, stellte sich PK'in B. mit einer Schutzdecke vor PK M. , der daraufhin den Rollladen erneut hochschob. Der Angeklagte schoss nunmehr erneut gezielt auf die Polizeibeamten M. und B. ; die Nägel prallten an der Schutzdecke ab. Gleichzeitig begaben sich die Beamten D. und P. – gleichfalls durch eine ballistische Schutzdecke geschützt – durch die mittlerweile aufgebrochene Eingangstür in das Büro. Der Angeklagte schoss im weiteren Verlauf gezielt auf die Polizeibeamten D. und M. , wobei nicht festgestellt werden konnte, ob der Angeklagte bei der Schussabgabe auf die Polizeibeamten, die durch die ballistischen Schutzdecken geschützt waren, für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass sie verletzt würden, oder ob er den Beschuss allein zu dem Zweck weiterführte, seine Überwältigung und Ver- haftung hinauszuzögern. Als der Druckluftnagler trotz Betätigen des Abzugs keine Nägel mehr abschoss, wurde der Angeklagte von den Beamten überwältigt und festgenommen.
10
Der Angeklagte, der im Verlaufe des Tatgeschehens mehr als 20, rund 8,8 Zentimeter lange Stahlnägel verschoss, hatte sich zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt während des Tatgeschehens zwei Nägel in das Herz geschossen, ohne dass dies sichtbare Folgen hatte.
11
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte sich des versuchten Totschlags (§ 212 Abs. 1, §§ 22, 23 StGB) zum Nachteil von PK M. schuldig gemacht habe, indem er durch die mittlerweile zerstörte Scheibe des Fensters gezielt Nägel in Richtung von Kopf und Körper des Zeugen schoss und diesen verfehlte. Den Tatbestand der versuchten gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 22, 23 StGB) zum Nachteil der Polizeibeamtin B. habe er erfüllt, weil er bei dieser Schussabgabe zugleich auf die hinter PK M. stehende Beamtin gezielt und damit gerechnet und dies gebilligt habe, dass sie jedenfalls an Armen und Beinen verletzt werden könnte. Das Schwurgericht sah weiterhin den Tatbestand der versuchten gefährlichen Körperverletzung dadurch als erfüllt an, dass der Angeklagte in Unterbrechung der Schussabgabe auf PK M. auf POK P. schoss und dabei jedenfalls auch dessen Verletzung billigend in Kauf nahm. Das Schwurgericht hat angenommen , dass die tateinheitlich verwirklichten versuchten Taten zum Nachteil von PK M. , PK'in B. und POK P. aus Sicht des Angeklagten fehlgeschlagen waren, nachdem PK M. gegen den Angeklagten Pfefferspray eingesetzt und den Rollladen erneut geschlossen hat, so dass der Angeklagte den Beschuss der Beamten einstellen musste.

II.

12
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
13
1. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes tragfähig begründet ist.
14
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (Senat, Urteil vom 16. September 2015 - 2 StR 483/14, NStZ 2016, 25, 26; BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ist dabei ein wesentlicher Indikator für das Vorliegen beider Elemente des bedingten Tötungsvorsatzes (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216). Hinsichtlich des Willenselements sind neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die erforderliche umfassende Gesamtbetrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 - 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51).
15
Zwar liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, und dass er, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (Senat, Beschluss vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Der Schluss von einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen bedingten Tötungsvorsatz ist jedoch nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat, die den Vorsatz in Frage stellen können (Senat, Urteil vom 26. November 2014 - 2 StR 54/14, NStZ 2015, 516, 517; Urteil vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Täter die Gefahr des Eintritts eines tödlichen Erfolgs ausnahmsweise nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten, ist der Tatrichter verpflichtet, sich hiermit auseinander zu setzen (Senat, Urteil vom 16. September 2015 - 2 StR 483/14, NStZ 2016, 25, 26).
16
Das Schwurgericht hat zur Begründung des bedingten Tötungsvorsatzes bezüglich PK M. zwar im Ausgangspunkt zutreffend darauf abgestellt, dass der Angeklagte aus der vorangegangenen Abgabe der Schüsse Wucht und Geschwindigkeit der mit dem Druckluftnagler verschossenen Nägel wahrgenommen , ihre mögliche tödliche Wirkung erkannt und aufgrund der geringen Entfernung und des fehlenden Schutzes hinsichtlich PK M. gebilligt habe. Bei der Schussabgabe auf die in unmittelbarer Nähe des PK M. stehenden Polizeibeamten B. und P. hat es diesen Schluss nicht „mit der notwendigen Sicherheit“ zu ziehen vermocht, weil Kopf- und Rumpfbereich der Beamten B. und P. geschützt gewesen seien. In Ansehung des dynamischen Geschehens und der besonderen Situation des Angeklagten hätte es sich jedoch zur näheren Erörterung der Frage gedrängt sehen müssen, ob der Angeklagte dies in sein Bewusstsein aufgenommen hatte.
17
2. Jedenfalls ist die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs nicht tragfähig begründet.
18
a) Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn es dem Täter tatsächlich unmöglich ist, den erstrebten Erfolg in unmittelbarem Fortgang des Geschehens noch herbeizuführen, und er dies erkennt (BGH, Urteil vom 10. April 1986 - 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53, 56). Bei einem mehraktigen Geschehen ist der Rücktritt vom Versuch hinsichtlich eines Einzelakts nur ausgeschlossen, wenn dieser Teilakt bereits als fehlgeschlagener Versuch zu werten ist (BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 StR 635/96, BGHSt 44, 91, 94; Beschluss vom 29. Oktober 2002 - 4 StR 281/02, NStZ 2003, 252, 253; Beschluss vom 8. Oktober 2008 - 4 StR 233/08, NStZ 2009, 628; Beschluss vom 11. März 2014 - 1 StR 735/13, NStZ 2014, 396; Beschluss vom 4. Juni 2014 - 4 StR 168/14; Beschluss vom 27. November 2014 - 3 StR 458/14, NStZ 2015, 331). Sind die Einzelakte jedoch untereinander und mit der letzten Tathandlung durch die subjektive Zielrichtung des Angeklagten zu einem einheitlichen Geschehen verbunden, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, allein auf die subjektive Sicht des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 - 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399).
19
b) Das Schwurgericht hat angenommen, dass der Angeklagte den Tötungsversuch zum Nachteil von PK M. nicht freiwillig aufgegeben, sondern mit der Tatbestandsverwirklichung lediglich inne gehalten habe, als er sich von diesem ab- und dem neben PK M. tretenden POK P. zuwandte und nunmehr mit Verletzungsvorsatz auf diesen schoss. Diese Feststellungen finden in den Beweiserwägungen keine hinreichende Stütze. Zwar hat das Schwurgericht seine Annahme bloßen Innehaltens auf den Umstand gestützt, dass der Angeklagte wechselnd auf alle in sein Blickfeld geratenden Polizeibeamten gezielt und geschossen habe. Dies belegt jedoch in Ansehung der Besonderheiten des Falles noch nicht, dass der Angeklagte seinen Tatplan, PK M. zu töten, nicht aufgab, als er sich von ihm abwandte. Denn anders als in der Fallkonstellation, die der vom Schwurgericht zitierten Entscheidung des Senats vom 1. April 2009 (2 StR 571/08, NStZ 2009, 501) zugrunde gelegen hat, ist vorliegend kein äußerer Anlass dafür ersichtlich, dass der Angeklagte sich von PK M. ab- und POK P. zuwandte. Nach der vom Schwurgericht festgestellten Motivlage verfolgte der Angeklagte mit der – wahllosen – Schussabgabe auf die im Einsatz befindlichen Polizeibeamten das Ziel, sich von den Beamten erschießen zu lassen. Vor diesem Hintergrund liegt es fern anzunehmen , dass der Angeklagte beabsichtigte, seinen ursprünglichen Tatplan, PK M. zu töten, weiter zu verfolgen. Der vom Landgericht angenommene Vorsatzwechsel steht der Annahme eines einheitlichen Gesamtgeschehens im Übrigen entgegen.
20
Vor diesem Hintergrund kann der Schuldspruch wegen versuchten Totschlags zum Nachteil von PK M. keinen Bestand haben.
21
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt auch den tateinheitlichen Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugen B. und P. auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten und zur subjektiven Tatseite zu treffen.
22
Der Senat hat das Verfahren gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Koblenz verwiesen. Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 470/18
vom
15. Januar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:150119B4STR470.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. Januar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 18. Juni 2018 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchtem Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr“ zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Der Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil die Feststellungen und die die ihnen zugrunde liegenden Beweiserwägungen die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs nicht tragen.
3
a) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung der Tat nicht mehr für möglich hält (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2017 – 3 StR 299/17, NStZ-RR 2017, 335). Bei einem mehraktigen Geschehen ist der Rücktritt vom Versuch hinsichtlich eines Einzelakts ausgeschlossen, wenn dieser Einzelakt bereits als fehlgeschlagener Versuch zu werten ist (BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 233/07, NStZ 2009, 628; vom 4. Juni 2014 – 4 StR 168/14). Sind die Einzelakte untereinander und mit der letzten Tathandlung durch die subjektive Zielsetzung des Angeklagten zu einem einheitlichen Geschehen verbunden, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, allein auf die subjektive Sicht des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (BGH, Urteile vom 17. Februar 2016 – 2 StR 213/15, NStZ 2017, 149, 151; vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; zu den Konkurrenzen siehe auch BGH, Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369).
4
b) Gemessen hieran ist ein fehlgeschlagener Versuch der gefährlichen Körperverletzung (§§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 22 StGB) nicht tragfähig belegt.
5
Nach den Feststellungen setzte der Angeklagte im Verlaufe einer zunächst verbal geführten Auseinandersetzung mit dem Geschädigten Pfefferspray ein und sprühte damit in Richtung des Geschädigten, um ihm erhebliche Schmerzen an den Augen zuzufügen; dabei verfehlte er ihn.
6
Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach dem erfolglos gebliebenen Einsatz des Pfeffersprays fehlen. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich hierzu nichts entnehmen. Vielmehr sprechen die Feststellungen zum weiteren Geschehensablauf eher gegen die Annahme, der Angeklagte könne subjektiv die Vollendung der Tat nicht mehr für möglich gehalten haben. Nach dem erfolglos gebliebenen Ein- satz des Pfeffersprays hatte der Geschädigte nunmehr seinerseits Pfefferspray gegen den Angeklagten eingesetzt; daraufhin hatte der Angeklagte ein Klappmesser gezogen und den fliehenden Geschädigten „mit dem Pfefferspray in der einen und dem Messer in der anderen Hand“ verfolgt. Diese Geschehnisse hät- ten der Erörterung und Würdigung bedurft.
7
2. Auch der Schuldspruch wegen versuchten Totschlags im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
8
a) Nach den Feststellungen verfolgte der Angeklagte den Geschädigten, holte ihn an einer Rotlicht zeigenden Fußgängerampel ein und versetzte ihm einen kräftigen Stoß in den Rücken; dabei stieß er ihn gezielt in Richtung der Fahrbahn und in den herannahenden Kraftfahrzeugverkehr. Er wollte den Geschädigten verletzen und nahm auch tödliche Verletzungen billigend in Kauf. Der Geschädigte wurde von einem Kraftfahrzeug erfasst und erlitt durch die Kollision erhebliche Verletzungen.
9
b) Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, nicht tragfähig belegt. Seine Ausführungen erschöpfen sich in dem Hinweis, dass sich die Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen ergäben. Damit ist den nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehenden Darlegungsanforderungen zum bedingten Tötungsvorsatz nicht genügt.
10
Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186). Zwar liegt es bei äußerst gefährlichen Handlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen, und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2018 – 5 StR 517/18). Ein solcher Fall liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor.
11
Die Tathandlung des Angeklagten erschöpfte sich – dies hat das Landgericht an anderer Stelle zutreffend erkannt und die Annahme einer mittels lebensgefährdender Behandlung begangenen gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Januar 2010 – 4 StR 478/09, NStZ 2010, 276) – in einem kräftigen Stoß in den Rückenbereich des Geschädigten; sie entfaltete ihre besondere Gefährlichkeit erst dadurch, dass der Geschädigte durch diese Einwirkung in Richtung der Fahrbahn und in den herannahenden fließenden Verkehr gestoßen wurde. Bei dieser Sachlage hätte es der Darlegung und Würdigung der das Wissens- und das Willenselement bedingten Tötungsvorsatzes tragenden Umstände bedurft; neben Feststellungen zu den Tatumständen und der konkreten Wahrnehmungssituation des Angeklagten zum Zeitpunkt seines Tatentschlusses hätte es auch der Erörterung vorsatzkritischer Umstände bedurft. Hieran fehlt es gänzlich. Dies entzieht dem Schuldspruch insgesamt die Grundlage. Auf die zudem bestehenden Bedenken hinsichtlich des Belegs der subjektiven Tatseite der hierzu in Tateinheit stehenden weiteren Delikte kommt es daher nicht mehr an.
12
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
13
Der Senat sieht Anlass zu folgendem Hinweis:
14
Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten – erneut – maßgeblich auf ein Wiedererkennen des Angeklagten durch den Geschädigten im Ermittlungsverfahren stützen, so wird es genauer als bisher geschehen zu prüfen und in den Urteilsgründen darzulegen haben, ob die Wahllichtbildvorlagen vorschriftsgemäß durchgeführt worden sind (vgl. RiStBV Nr. 18; siehe BGH, Beschluss vom 22. November 2017 – 4 StR 468/17); darüber hinaus wird der gegebenenfalls eingeschränkte Beweiswert wiederholten Wiedererkennens (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2016 – 2 StR 480/16, StraFo 2017, 111; vom 30. März 2016 – 4 StR 102/16, NStZ-RR 2016, 223 [Ls]) in den Blick zu nehmen sein.
15
Schließlich wird gegebenenfalls auch zu prüfen sein, ob sich das Vorgehen gegen das Tatopfer insgesamt als einheitliches Geschehen darstellt.
Sost-Scheible Bender Quentin
Feilcke Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 471/16
vom
23. November 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:231116B4STR471.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 23. November 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 8. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Nach einem Streit mit seiner Mutter und seinem Vater, in dessen Verlauf dieser dem Angeklagten eine Ohrfeige versetzt hatte, entschloss sich der Angeklagte , mit dem von allen Familienangehörigen genutzten Pkw Mercedes wegzufahren. Dies versuchte der Vater des Angeklagten zu verhindern, indem er gegen die Seitenscheibe des Fahrzeugs schlug und den Angeklagten aufforderte , den Pkw zu verlassen. Gleichwohl fuhr der Angeklagte los. Sein Vater folgte ihm zu Fuß – wobei er eine Abkürzung benutzte – und es gelang ihm, sich vor den Pkw zu stellen und hierdurch den Angeklagten an der Weiterfahrt zu hindern. Daraufhin drohte der Angeklagte: „Wenn du jetzt nicht gehst,dann fahre ich dich über den Haufen.“ Anschließend setzte er das Fahrzeug einige Meter zurück und fuhr sodann in der Absicht, seinen Vater frontal mit dem Pkw zu erfassen, auf diesen zu. Ihm war bewusst, dass sein Vater hierbei zu Tode kommen könnte und er nahm dies billigend in Kauf. Er fuhr in einem Linksbogen hinter seinem in einen Carport flüchtenden Vater her, beschleunigte auf 10 km/h und erfasste ihn noch innerhalb des Carports mit dem vorderen rechten Eckbereich des Pkws. Hierdurch stürzte der Vater des Angeklagten rechts neben dem Fahrzeug zu Boden.
4
Nunmehr stieg der Angeklagte aus dem Fahrzeug aus und lief auf seinen noch am Boden liegenden Vater zu. Dieser war bei Bewusstsein „und hob mög- licherweise den Kopf einige Zentimeter vom Boden“. Daraufhin trat ihm der An- geklagte „mit dem Vollspann“ einmal gegen den Kopf und mindestens zwei Mal gegen den Bauch, wodurch er seinen Vater verletzen wollte; auch erkannte er die abstrakte Lebensgefährlichkeit des Tritts gegen den Kopf und nahm diese billigend in Kauf. Anschließend lief er in der Vorstellung davon, dass sein Vater durch die Kollision mit dem Pkw so schwer verletzt worden war, dass er in der Folge versterben könnte (UA S. 12).
5
2. Das Schwurgericht folgerte seine Überzeugung, dass der Angeklagte „nach der Tathandlung“ ein Versterben des Geschädigten für möglich hielt, vorrangig aus den äußeren Umständen des Tatgeschehens, „namentlich dem An- fahren seines Vaters mit dem Pkw und dem anschließenden Fußtritt gegen den Kopf“ (UA S. 29). Es bewertet die Fußtritte als gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB) und das Anfahren mit dem Pkw – unter anderem – als versuchten Totschlag. Dieser Versuch sei beendet gewesen; ein Rücktritt sei nicht erfolgt.

II.


6
Diese rechtliche Würdigung begegnet durchgreifenden Bedenken. Sie lässt besorgen, dass das Landgericht bei der Prüfung, ob ein unbeendeter oder ein beendeter Versuch vorliegt, von einem falschen Maßstab ausgegangen ist.
7
1. Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch vor, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist. Ein beendeter Tötungsver- such, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen , wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht. Eine Korrektur des Rücktrittshorizonts ist in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungsdelikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber nach alsbaldiger Erkenntnis seines Irrtums von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt. Rechnet der Täter dagegen zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, so liegt eine umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizonts vor, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat. In diesem Fall ist ein beendeter Versuch gegeben, wenn sich die Vorstellung des Täters bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser ändert. Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Auch dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs , liegt ein Fehlschlag vor. Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus; umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an, die für die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung in Fällen des § 24 Abs. 1 StGB stets, in solchen des § 24 Abs. 2 StGB mittelbar dann von Bedeutung ist, wenn sich die (gemeinsame) Verhinderungsleistung von Versuchsbeteiligten in einem einverständlichen Unterlassen des Weiterhandelns erschöpfen kann. Allen Fällen ist gemeinsam, dass es auf das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ankommt. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273 f.; vom 13. August 2015 – 4 StR 99/15, StraFo 2015, 470 jeweils mwN).
8
2. Dies zugrunde gelegt lassen die – insofern auch nicht widerspruchsfreien – Ausführungen des Schwurgerichts besorgen, dass es bei der Feststellung des Rücktrittshorizonts fehlerhaft nicht auf den Zeitpunkt unmittelbar nach der letzten Tathandlung, also der Tötungshandlung, bzw. einen mit dieser in obigem Sinn eng zusammenhängenden „Korrekturzeitraum“ abgestellt hat, sondern auf die Vorstellungen des Angeklagten nach der letzten, „lediglich“ von Körperverletzungsvorsatz getragenen Handlung. Hat ein Täter aber nach der mit Tötungsvorsatz begangenen Handlung erkannt, dass er noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist, so liegt ein unbeendeter Versuch des Tötungsdelikts auch dann vor, wenn sein anschließendes Handeln bei unverändertem Vorstellungsbild nicht mehr auf den Todeserfolg gerichtet ist, obwohl ihm ein hierauf gerichtetes Handeln – wie von ihm erkannt – möglich gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 – 4 StR 25/03 mwN).
9
3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 353 Rn. 7a mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck RiBGH Dr. Franke ist erkrankt und deshalb gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible
Mutzbauer Quentin