Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Dez. 2015 - 4 StR 481/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2015:011215B4STR481.15.0
bei uns veröffentlicht am01.12.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 481/15
vom
1. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:011215B4STR481.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 29. Juli 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er allgemein die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.
2
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

I.


3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts setzte der Angeklagte am Abend des 16. August 2014, nachdem er Ritalin in großen Mengen zu sich genommen hatte, seine Mutter, der die psychische Verfassung ihres Sohnes bekannt war, telefonisch davon in Kenntnis, dass er sich nunmehr das Leben nehmen werde. Nach Erscheinen der von seiner Mutter alarmierten Polizeibeamten verbarrikadierte sich der Angeklagte in seiner Wohnung. Nach deren gewaltsamer Öffnung fanden die Beamten den Angeklagten hysterisch schreiend und nur mit einem T-Shirt bekleidet im Wohnzimmer vor. Als er die Beamten erkannte, versuchte er in der Absicht, seine Wohnung in Brand zu setzen, mehrfach vergeblich, mittels eines Feuerzeugs einen Lappen anzuzünden, bis er diesen schließlich in einen Putzeimer warf, der mit leicht entzündlichem Lösungsmittel gefüllt war. Dieses entzündete sich jedoch nicht. Gleichzeitig drohte der Angeklagte den eingesetzten Beamten, sie alle in die Luft zu sprengen. Der Angeklagte konnte überwältigt werden und wurde in eine psychiatrische Einrichtung verbracht (Fall II. 1).
4
Als sich der Angeklagte am Vormittag des 4. Dezember 2014 allein in der Wohnung seiner Mutter befand, unterlag er der Vorstellung, dass ihn im Haus jemand verfolgen würde. Unter lautem Geschrei stach er, am Küchenfenster stehend, mit einem Messer oder einem Brecheisen auf einen Gegenstand ein, riss den Rollladen aus der Verankerung, öffnete das Fenster und riss dieses aus dem Rahmen heraus. Dadurch entstand Sachschaden in unbekannter Höhe. Daraufhin sprang der Angeklagte mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 20 cm durch das Küchenfenster und begab sich zum Nachbaranwesen der Familie E. (Fall II. 2).
5
Nachdem er durch die zerbrochene Glaseinfassung der Haustür in deren Haus eingedrungen war, hielt er das Messer mit der Klinge in Kopfhöhe mit Stoßrichtung zu den Zeugen H. , M. und Y. E. , die sich im Hausflur befanden, ging in Verletzungsabsicht mit verzerrtem Gesicht in Angriffsposition über und schrie unverständliche Dinge. Der Zeuge M. E. stand hierbei so dicht vor dem Angeklagten, dass dieser jederzeit auf den Zeugen hätte einstechen können. Allen drei Zeugen gelang indes die Flucht in den Keller, wo sie sich hinter einer Stahltür vor dem Angeklagten in Sicherheit brachten. Währenddessen verursachte der Angeklagte Schäden im Flur- und Eingangsbereich sowie in der angrenzenden Gästetoilette des Hauses. Er riss u.a. die Garderobe von der Wand, die Toilettentür und einen Heizkörper aus der Verankerung sowie das Waschbecken aus der Wand der Toilette. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 15.000 Euro (Fall II. 3).
6
2. Das Landgericht hat sich hinsichtlich der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten der psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen. Diese hat nach eigener Exploration des Angeklagten sowie Auswertung der Akten und der aus Anlass verschiedener Unterbringungen in psychiatrischen Einrichtungen angefallenen Arztberichte im Wesentlichen Folgendes ausgeführt :
7
Die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten sei aufgrund seiner psychischen Störung, aufgrund von Verhaltensstörungen, bedingt durch den Konsum psychotroper Substanzen, sowie durch die Erkrankung an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie vollständig aufgehoben gewesen. Aufgrund jeweiliger akuter paranoid-halluzinatorischer Psychosen habe zum Zeitpunkt der Begehung der Taten keine Einsichtsfähigkeit bestanden. Wegen wahnhaften Bedrohungserlebens habe sich der Angeklagte in großer Panik befunden und sei in einen starken Erregungszustand geraten. Gleichzeitig bestehe bei dem Angeklagten eine langjährige Suchterkrankung, die mit der andauernden Rezeptur der ihm auch durch Ärzte u.a. aufgrund eines Bandscheibenvorfalls verordneten Medikamente, bestehend aus Medikinet und Tilidin, nicht behandelt worden sei. Im Rahmen der Erwägungen zu den Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus führt das Landgericht ferner u.a. aus, der Angeklagte leide an einer mittlerweile chronisch gewordenen krankhaften seelischen Störung, die im Zusammenhang mit paranoid-halluzinatorischen Psychosen seine strafrechtliche Verantwortlichkeit infolge aufgehobener Einsichtsfähigkeit vollständig ausgeschlossen habe. Diese Erkrankung sei überdauernd und durch die „gleichzeitig gegebene“ schwere Suchterkrankung und die Neigung des Angeklagten bedingt, in Krisensituationen alle ihm zur Verfügung stehenden zentralwirksamen Stoffe auch intranvenös zu injizieren.

II.


8
Mit diesen Ausführungen werden die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 63 StGB nicht rechtsfehlerfrei belegt.
9
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die unterzubringende Person bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war. Hierzu hat der Tatrichter festzustellen, welche psychische Störung unter welches Eingangsmerkmal des § 20 StGB zu subsumieren ist und wie sich diese Störung in der jeweiligen konkreten Tatsituation auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 12. Novem- ber 2004 – 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 352; und vom 22. Mai 2013 – 1 StR 71/13).
10
2. a) Gemessen daran bleibt die Zuordnung der vom Sachverständigen diagnostizierten psychischen Störung(en) zu einem Eingangsmerkmal des § 20 StGB unklar. Als Ursache für die aufgehobene Einsichtsfähigkeit des Angeklagten benennt das angefochtene Urteil zunächst (allein) eine „akute paranoid- halluzinatorische Psychose“ (UA 10), nachfolgend eine nicht näher benannte „psychische- und Verhaltensstörung durch den Konsum sonstiger psychotroper Substanzen“ sowie eine „Erkrankung an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie“ mit „akut paranoid-halluzinatorischen Psychosen“ zu den Tatzeitpunkten (UA 19) und sodann – im Zusammenhang mit der Erörterung der Voraussetzungen der Unterbringung – eine chronisch gewordene „krankhafte seelische Störung“ im Zusammenhang mit „paranoid-halluzinatorischen Psychosen“ und einer „gleichzeitig gegebenen schweren Suchterkrankung“ (UA 24). Damit fehlt es an einer hinreichend klaren Feststellung, welches Eingangsmerkmal des § 20 StGB erfüllt sein soll. Das Landgericht beschränkt sich vielmehr auf die Mitteilung der von der Sachverständigen vorgenommenen Diagnose und der Symptome der festgestellten Störung(en). Dies allein vermag indes das Vorliegen eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB nicht zu belegen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. November 2004 aaO; Beschluss vom 8. Januar 2014 – 2 StR 514/13).
11
b) Die Begründung des Landgerichts für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus begegnet auch in einem weiteren Punkt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
Die Ausführungen der Sachverständigen, soweit diese sich aus den Urteilsgründen ergeben, legen nahe, dass die diagnostizierte psychische Störung erst im Zusammenwirken mit der beim Angeklagten ebenfalls bestehenden schweren Suchterkrankung zu einer vollständigen Aufhebung der Einsichtsfähigkeit geführt hat. Dass das Landgericht hierüber ohne Erörterung hinweggeht , lässt besorgen, dass es die besonderen Voraussetzungen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei gleichzeitigem Vorliegen einer psychischen Störung und einer Suchterkrankung nicht bedacht hat (vgl. dazu nur BGH, Beschluss vom 1. April 2014 – 2 StR 602/13, NStZ-RR 2014, 207 mwN), zumal, worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist, die in einem solchen Fall auch in Betracht kommende Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) von der Strafkammer überhaupt nicht in den Blick genommen worden ist.

III.


13
1. Im Hinblick auf die rechtliche Bewertung der Anlasstaten weist der Senat auf das Folgende hin:
14
a) Sollte der neue Tatrichter im Fall II. 1 der Urteilsgründe erneut zu der Feststellung gelangen, dass der vom Angeklagten in den Putzeimer geworfene Lappen nicht brannte, würde die rechtliche Würdigung dieses Verhaltens als versuchte Brandstiftung genauerer Erörterung bedürfen. Es versteht sich insbesondere nicht von selbst, dass sich der Angeklagte vorstellte, durch das bloße Werfen des Lappens, den er vergeblich zu entzünden versucht hatte, in den Eimer zum Versuch einer Straftat im Sinne des § 306 StGB unmittelbar anzusetzen , auch wenn der Eimer eine leicht brennbare Flüssigkeit enthielt. Gegebenenfalls wird zu erörtern sein, ob der Angeklagte vom Versuch der Brandstiftung strafbefreiend zurückgetreten ist.
15
b) Hinsichtlich des Tatkomplexes zu Ziff. II. 3 der Urteilsgründe belegen die bislang getroffenen Feststellungen den Tatentschluss zu einer versuchten gefährlichen Körperverletzung nicht. Dass der Angeklagte den Geschädigten in geringem Abstand mit hocherhobenem Messer gegenüberstand, so dass er ihnen „den Eindruck vermittelt habe“, er wolle sogleich zustechen, rechtfertigt für sich genommen nicht die Bewertung, der Angeklagte habe im Sinne von § 22 StGB nach seiner Vorstellung zur Tat unmittelbar angesetzt.
16
2. Für den Fall einer erneuten Maßregelanordnung empfiehlt es sich mit Blick auf die Gefährlichkeitsprognose, auch den Sachverhalt in den Urteilsgründen genauer mitzuteilen, der dem nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Anklagevorwurf zugrunde liegt.
17
3. In der im angefochtenen Urteil unter lfd. Nr. 10 referierten Vorverurteilung dürfte es sich bei der Angabe der Höhe der verhängten Strafe (zwei Monate ) um ein offensichtliches Versehen handeln.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 367/04
vom
12. November 2004
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (vor 1 bis 4)
Veröffentlichung: ja
Zu den Anforderungen an ein psychiatrisches Sachverständigengutachten über
die Schuldfähigkeit des Angeklagten und die Voraussetzungen seiner Unterbringung
in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie zu den Prüfungsanforderungen
an das Gericht bei Vorliegen eines methodenkritischen Gegengutachtens.
BGH, Beschluß vom 12. November 2004 - 2 StR 367/04 - Landgericht -
Schwurgerichtskammer - Koblenz
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. November 2004 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 1. Dezember 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts als Schwurgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die allein vom Angeklagten eingelegte Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. 1. Das Landgericht hat festgestellt, daß der zur Tatzeit 21-jährige, bislang unauffällige Angeklagte im Januar 2002 seine Cousine, mit der zusammen er eine Wohnung im Haus seiner Großmutter bewohnte, ohne feststellbaren Grund durch Ersticken tötete. An einem unbekannten Ort außerhalb der Wohnung zerlegte er in der Folge die Leiche in aufwendiger Weise, wobei er namentlich auch die Haut abzog, die Brüste und das Geschlechtsteil gesondert abtrennte, die lange Rückenstrecker-Muskulatur vom Torso entfernte, einzelne
Knochen auslöste und innere Organe entnahm. Erhebliche Teile der Leiche erhitzte er im Backofen seiner Wohnung. Er verpackte die Leichenteile in Plastiktüten, die er zunächst in der Wohnung versteckte. Den Kopf und die Beckenknochen verbrachte er in einen Steinbruch, wo er den Kopf zusätzlich mit einem Beil zertrümmerte und vergrub. An den später in der Wohnung und in dem Steinbruch von der Polizei aufgefundenen Leichenteilen fanden sich eine Vielzahl von Reiskörnern. Wesentliche Teile der Leiche wurden nie aufgefunden. Daß der Angeklagte diese Teile verzehrt hat, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. 2. Das Landgericht hat, da es die Voraussetzungen eines Mordmerkmals im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB als nicht bewiesen angesehen hat, dieses Geschehen als tatbestandsmäßiges und rechtswidriges Verbrechen des Totschlags angesehen. Zur Schuldfähigkeit des Angeklagten hat es festgestellt, zur Tatzeit sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sicher erheblich vermindert , möglicherweise aufgehoben gewesen. Die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten sei möglicherweise voll erhalten, möglicherweise gänzlich aufgehoben gewesen. Im Zweifel sei daher von der Schuldunfähigkeit des Angeklagten auszugehen. Das Landgericht hat den Angeklagten daher freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Das Landgericht hat sich bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit "den gut verständlichen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen (Dr. B.) angeschlossen" und sie sich zu eigen gemacht (UA S. 37). Diese hat es im wesentlichen wie folgt wiedergegeben: "Insgesamt wirke der Angeklagte in seinem Gesamtverhalten hoch auffällig (…) Der Zustand des Angeklagten gehe über eine bloße Persönlichkeitsstörung deutlich hinaus. Für das Vorliegen einer Persönlich-
keitsstörung sprächen zwar eine emotionale Verflachung, die Nivellierung von Gefühlen und das Einzelgängertum des Angeklagten. Für die Annahme einer Persönlichkeitsstörung müßten sich diese Symptome jedoch bis in die Jugend verfolgen lassen. Schulbildung, Lehre und Beruf des Angeklagten seien jedoch unauffällig (…). Auch eine klassische schizophrene Psychose und mithin eine Geisteskrankheit im engeren Sinne liege … nicht vor. Bei der Störung des Angeklagten handle es sich um eine solche, welche zwar in seiner Persönlichkeitsstörung verankert sei, jedoch schizophrenietypische Züge trage. Hierfür spreche auch der erhebliche Konsum von Betäubungsmitteln (…). Ein Suchtmittelmißbrauch sei für das vorliegende Krankheitsbild symptomatisch. Es sei auch nicht auszuschließen, daß der Gebrauch von Haschisch die Entwicklung und Verschlimmerung des Krankheitsbildes befördert habe. Aufgrund der festgestellten Erkrankung des Angeklagten sei seine Steuerungsfähigkeit zumindest erheblich vermindert, möglicherweise auch ausgeschlossen. Hinsichtlich der Einsichtsfähigkeit sei von deren vollen Erhalt bis hin zu deren völligen Verlust alles denkbar" (UA S. 36, 37) … Die festgestellte schizotype Persönlichkeitsstörung sei entweder unter das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung oder unter das der anderen seelischen Abartigkeit zu fassen (UA S. 38). Auch im Hinblick auf die Gefährlichkeitsprognose im Sinne von § 63 StGB ist das Landgericht "den gut verständlichen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. (gefolgt)", die das Urteil wie folgt wiedergibt : "Bei der festgestellten schizophrenen Psychose handle es sich um eine überdauerte Störung der Geistestätigkeit. Die Krankheit des Angeklag-
ten sei chronisch. Das Rückfallrisiko des Angeklagten sei extrem hoch. Krankheitstypisch sei die Begehung von Straftaten, welche sich durch ein Übermaß an Gewalt auszeichneten und auch zum Tode des Opfers führen könnten. Hierbei sei von einer Tatbegehung vornehmlich im Verwandten - und näheren Bekanntenkreis auszugehen. Insgesamt sei damit zu rechnen, daß der Angeklagte aufgrund seiner Erkrankung weitere, der vorliegenden Tat vergleichbare Handlungen vornehmen werde" (UA S. 39). 3. In der Hauptverhandlung stellte die Verteidigerin, nachdem der Sachverständige Dr. B. sein Gutachten erstattet hatte, den Beweisantrag, ein (weiteres ) medizinisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten unter anderem zum Beweis der Tatsachen einzuholen, daß der Angeklagte nicht, wie vom Sachverständigen Dr. B. angenommen, an einer Schizophrenia simplex oder einer schizotypen Persönlichkeitsstörung leide, vielmehr seelisch und geistig gesund sei. Sie stützte diesen Antrag auf ein von ihr vorgelegtes methodenkritisches Gutachten des Sachverständigen Dr. W., der sich mit dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. B. kritisch auseinandersetzte und sowohl formale Mängel rügte als auch "in inhaltlicher Hinsicht erhebliche Zweifel (formulierte ), ob die im Gutachten dargelegten Anknüpfungspunkte die von Dr. B. vorgenommenen diagnostischen Zuordnungen tragen." Es seien kaum objektivierbare psychopathologische Anknüpfungspunkte dargelegt; eine Ableitung der Diagnose aus diagnostisch relevanten biographischen Besonderheiten fehle weitgehend ebenso wie eine Auseinandersetzung mit dem unauffälligen Verlaufsbericht über die vorläufige Unterbringung nach § 126 a StPO. In dem dem Landgericht vorgelegten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. W. waren diese inhaltlichen Zweifel im einzelnen ausgeführt. Es enthielt unter anderem auch folgende Hinweise:
"Psychodiagnostische Überlegungen dazu, wie sich die von Dr. B. angenommene - Störung in der vorgeworfenen Tatsituation konkret ausgewirkt haben soll, enthält das Gutachten nicht (…), was insoweit den gutachtlichen Ausführungen einen eigentümlich spekulativ-beliebigen Charakter verleiht". (…) "(Es besteht) eine nicht unerhebliche Gefahr eines logischen Zirkelschlusses: Ausgehend von den bizarr-erschreckenden Umständen des Leichenfundes, die die Mutmaßung nahe legen, daß es sich hier um einen schwer psychisch gestörten Täter gehandelt haben dürfte, könnte man versucht sein, den Tatverdächtigen zu 'psychopathologisieren' , um ihn für die ihm unterstellte Tat 'passend' zu machen - gewissermaßen nach dem Motto: Wer so etwas tut, der muß verrückt sein. Diese Gefahr sehe ich im vorliegenden Fall um so mehr, als die von Dr. B. vorgenommenen diagnostischen Zuordnungen mir ausgesprochen schwach begründet erscheinen (…)." Das Landgericht hat den Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, das Gegenteil der behaupteten Tatsache sei bereits erwiesen. Die Sachkunde des Sachverständigen sei nicht zweifelhaft. Die gerügten Mängel beträfen lediglich das vorläufige schriftliche Gutachten; der Sachverständige habe sein Ergebnis jedoch mündlich vorgetragen. Er habe seinem Gutachten im Gegensatz zu dem Sachverständigen Dr. W. den Akteninhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme zugrunde gelegt. 4. Mit der Ablehnung hat das Landgericht gegen § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO verstoßen, denn die Sachkunde des früheren Gutachters war nach Lage der Dinge zweifelhaft, sein Gutachten nicht ohne Widersprüche.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann für die Anwendung der §§ 20, 21 StGB regelmäßig nicht offen bleiben, welche der
Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB vorliegt. Das gilt gleichermaßen für die Anordnung des § 63 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 232; BGH StraFo 2003, 282; Beschl. vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04), denn dieser setzt einen länger dauernden psychischen Defektzustand des Betroffenen voraus, auf welchem dessen Gefährlichkeit beruht (vgl. etwa BGHSt 34, 24, 28; 42, 385, 388; BGH NStZ 1991, 528; BGH NStZ-RR 1997, 166; 2000, 298; Hanack in LK StGB 11. Aufl. § 63 Rdn. 66; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 63 Rdn. 6 f., 12, jeweils m.w.N.). Selbst wenn im Einzelfall die Grenzen zwischen diagnostischen Zuordnungen nach einem der gängigen Klassifikationssysteme fließend und die Einordnung unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB schwierig sein mögen, weil z. B. mehrere Merkmale gleichzeitig vorliegen oder keines in "reiner" Form gegeben ist, ist das Tatgericht gehalten, zum einen konkrete Feststellungen zu den handlungsleitenden Auswirkungen der Störung zum Zeitpunkt der Tat (vgl. § 20 StGB) zu treffen und zum anderen auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung von Persönlichkeit, Lebensgeschichte , Lebensumständen und Verhalten des Angeklagten und der Anlaßtat in nachprüfbarer Weise darzulegen, worin der "Zustand" des Beschuldigten besteht und welche seiner Auswirkungen die Anordnung der gravierenden, unter Umständen lebenslangen Maßregel nach § 63 StGB gebieten. Die bloße Angabe einer Diagnose im Sinne eines der Klassifikationssysteme ICD-10 oder DSM-IV ersetzt weder die Feststellung eines der Merkmale des § 20 StGB noch belegt sie für sich schon das Vorliegen eines Zustands im Sinne des § 63 StGB (vgl. BGH, Beschl. vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04 m.w.N.).
b) Das Gericht, das sich zur Prüfung der genannten Voraussetzungen der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen hat (§ 246 a StPO), muß dessen Tätigkeit überwachen und leiten. Dazu gehört insbesondere auch die Prüfung, ob Grundlagen, Methodik und Inhalt des Gutachtens den anerkannten fachwis-
senschaftlichen Anforderungen genügen (zur Sachleitungs- und Prüfungspflicht des Gerichts vgl. Jähnke in LK 11. Aufl., § 20 Rdn. 89, 92 f.; Tröndle/Fischer aaO § 20 Rdn. 63, 64 a ff. mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Vorliegend hatte die Verteidigung mit dem Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zutreffend auf erhebliche Mängel jedenfalls des vorbereitenden schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. B. hingewiesen. Daß der Sachverständige diese im Beweisantrag und im Gutachten des Sachverständigen Dr. W. konkret angesprochenen Mängel in seinem mündlichen Gutachten behoben oder die Einwände ausgeräumt hat, hat das Landgericht in dem den Antrag zurückweisenden Beschluß nicht dargelegt. Die Urteilsgründe belegen eher das Gegenteil. Das Gutachten entsprach in formaler und inhaltlicher Hinsicht nicht den Anforderungen, die in der Rechtsprechung und forensisch-psychiatrischen wissenschaftlichen Literatur an entsprechende Gutachten gestellt werden (vgl. dazu im einzelnen etwa Foerster/Venzlaff, in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl. 2004, S. 31 ff.; Foerster/Leonhardt, ebd. S. 43, 47 f.; Nedopil, Forensische Psychiatrie, 2. Aufl. 1996, S. 274, 282 ff.; Rasch, Forensische Psychiatrie, 2. Aufl. 1999, S. 313 ff.; Heinz, Fehlerquellen forensischpsychiatrischer Gutachten, 1992; Venzlaff, Fehler und Irrtümer in psychiatrischen Gutachten, NStZ 1983, 199; Maisch, Fehlerquellen psychologischpsychiatrischer Begutachtung im Strafprozeß, StV 1985, 517; jeweils m.w.N.). aa) In formaler Hinsicht war auffällig, daß das schriftliche Gutachten weder eine Sexualanamnese noch eine detaillierte Beziehungsanamnese enthielt. Auch die bewertenden Darlegungen zur Biographie und zur psychiatrischen Entwicklung (Gutachten S. 36 ff.) erscheinen teilweise auf formale Aspekte beschränkt.
bb) Soweit der Sachverständige hier zu Bewertungen gelangte, sind diese teilweise auch im Zusammenhang nur schwer verständlich, etwa wenn von "einer gewissen magisch-mystischen Sicht- und Denkweise", von "umfassender Exzentrizität", "großen soziointegrativen Fähigkeiten" u.s.w. die Rede ist (ebd. S. 44 f.), ohne daß diese zusammenfassenden, stark subjektiv wertenden Beschreibungen hinlänglich konkretisiert werden. Die Zusammenfassung, wonach "man hier allenfalls an eine sogenannte vor sich hindümpelnde psychische Erkrankung denken (würde), die mit einer gewissen sozialen 'Unmöglichkeit', bizarr manirierten Verhaltensmustern und einer gewissen affektiven (…?) inadäquat vergesellschaftet als sogenannte schizophrenia simplex … in Erscheinung treten könnte" (ebd. S. 47), macht die Diagnose nach ICD-10, F 20.6, auf welche hingewiesen wird, kaum nachvollziehbar. cc) Hinzu kommt, daß das Gutachten im Zusammenhang mit der Wiedergabe der Explorationsgespräche eine Vielzahl abwertender Beschreibungen und Bewertungen der Person und des Verhaltens des Angeklagten enthält, die durch die Notwendigkeit diagnostisch-wertender Beschreibung nicht stets geboten erscheinen. Beispielhaft hierfür sind etwa die Beschreibungen, es hätten sich "immer wieder süffisante Grinseinlagen (gefunden)"; der Angeklagte habe "pathologische Witzelsüchtigkeit mit sarkastischer Unterlegung" (S. 29) und "ein von Theoretisierereien und persönlichen Interpretationen geprägtes Schildern der Tat" (S. 30) gezeigt; er habe sich "in läppisch distanzloser Art auf den Schreibtisch positioniert, eine Zigarette rauchend, den Rauch aus den Mundwinkeln ausblasend (…), sichtlich die Macht genießend, eine gewisse Hilflosigkeit bei Unterzeichner auszulösen …" (S. 28); er habe sich "in seiner Informationspolitik wenig durchsichtig" und "sich in der Verweigerung suhlend" gezeigt (S. 29).
In ihrer Häufung konnten diese Beschreibungen, welche die Grenze zwischen der Darstellung von Befundtatsachen und allgemein persönlichen Abwertungen teilweise überschritten, nicht nur die Objektivität des Gutachters in Frage stellen (vgl. Nedopil aaO S. 282). Sie konnten damit auch die Besorgnis begründen , daß der Sachverständige den Erfordernissen einer differentialdiagnostischen Befunderhebung möglicherweise nicht die gebotene Aufmerksamkeit hatte zukommen lassen. Soweit von einem "Schildern der Tat" die Rede war, war dies schon mit dem Umstand nicht vereinbar, daß der Angeklagte die Tat stets - auch gegenüber dem Sachverständigen - bestritten hat. Das zur Frage der Schuldfähigkeit und zu den Voraussetzungen des § 63 StGB einzuholende Gutachten wird zwar, um die Diagnose rational nachvollziehbar und für das Gericht verständlich und überprüfbar zu machen, auf Verhaltensbeschreibungen, wertungsbehaftete Charakterisierungen und alltagssprachliche Umsetzungen klinischer Befunde nicht verzichten können. Dies ergibt sich auch aus den Merkmalsbeschreibungen der Klassifikationssysteme , so wenn etwa die Diagnose der "schizotypen Störung" (ICD-10, F 21) durch die Feststellung "eigentümlichen Verhaltens", "seltsamer Glaubensinhalte" , der Exzentrizität oder von gekünstelter Sprache getragen werden kann. Eine solche Darstellung ist aber kein Selbstzweck. dd) Inhaltliches Ziel des Gutachtens ist es, dem Gericht eine Beurteilung zu ermöglichen, ob zum Zeitpunkt der Tat eine der Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB vorgelegen hat und ob, ggf. wie diese sich auf die Unrechtseinsicht des Beschuldigten oder auf seine Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat. Für die Frage einer möglichen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist darüber hinaus zu klären, ob aufgrund der die Schuldfähigkeit bei der
Anlaßtat beeinträchtigenden psychischen Störung ein längerfristiger Zustand des Beschuldigten besteht, welcher dessen Gefährlichkeit im Sinne von § 63 StGB begründet und daher die Unterbringung gebietet. Hierfür können in der Regel die Diagnose der psychischen Störung sowie ihre Einordnung unter die Eingangsmerkmale des § 20 StGB nicht offen bleiben. Vorliegend hatte der Sachverständige in seinem vorbereitenden schriftlichen Gutachten offen gelassen, ob bei dem Angeklagten eine "schizotype Störung" (ICD-10, F 21) oder eine "schizophrenia simplex" (ICD-10, F 20.6) vorliege, die beide dem Merkmal "krankhafte seelische Störung" im Sinne von § 20 StGB zuzuordnen seien; eine Persönlichkeitsstörung im Sinne einer "schweren anderen seelischen Abartigkeit" (SASA) liege nicht vor (Gutachten S. 47 ff., 51). In seinem in der Hauptverhandlung erstatteten mündlichen Gutachten kam er dagegen zu der Ansicht, es sei "die festgestellte schizotype Persönlichkeitsstörung entweder unter das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung oder unter das der anderen seelischen Abartigkeit zu fassen" (UA S. 38); eine schizophrene Psychose liege nicht vor (UA S. 37). Eine Persönlichkeitsstörung sei gleichfalls nicht gegeben (UA S. 36/37), vielmehr eine in der Persönlichkeit verankerte Störung mit schizophrenietypischen Zügen , für welche ein Suchtmittelmißbrauch symptomatisch sei (UA S. 37). Die letztgenannte Diagnose ist - gerade auch unter Heranziehung der Beschreibungen in den Klassifikationssystemen - schon aus sich heraus kaum nachvollziehbar. Sowohl im Ablehnungsbeschluß des Landgerichts als auch im Urteil fehlt jede Darlegung, aus welchen objektivierbaren Gründen der Sachverständige in der Hauptverhandlung von seinem vorbereitenden Gutachten abwich und ob diese Gründe mit ihm erörtert worden sind.
ee) Feststellung und Begründung der Diagnose einer Störung belegen nicht deren strafrechtliche Relevanz im Sinne von §§ 20, 21 StGB (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03 = NJW 2004, 1810, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen; BGH, Beschluß vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl., § 20 Rdn. 44; Jähnke in LK 11. Aufl., § 20 Rdn. 34 f.; jew. m.w.N.). Entscheidend für die inhaltliche Brauchbarkeit des Gutachtens ist, ob es wissenschaftlich hinreichend begründete Aussagen über den Zusammenhang zwischen einer diagnostizierten psychischen Störung und der Tat enthält, welche Gegenstand des Verfahrens ist. Es ist also - unabhängig von der Einordnung unter ein Eingangsmerkmal des § 20 StGB - im einzelnen konkret darzulegen, ob und ggf. wie sich die Störung auf das Einsichts- oder Hemmungsvermögen des Beschuldigten tatsächlich ausgewirkt hat (vgl. Schreiber/Rosenau, in: Venzlaff/Foerster aaO, S. 51, 77 f.; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 20 Rdn. 31). Nichts anderes gilt für die Beurteilung des "Zustands" im Sinne von § 63 StGB, denn es gibt weder eine abstrakte "Schuldunfähigkeit" ohne Bezug zu einem konkreten Delikt noch einen abstrakten "Zustand" ohne diesen Bezug , aus welchem sich symptomatisch die die Unterbringung erfordernde Gefährlichkeit des Beschuldigten ergibt. An einer Darlegung dieses Zusammenhangs fehlte es in dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. B. gänzlich; ein solcher Zusammenhang ergibt sich auch aus der Wiedergabe des mündlich erstatteten Gutachtens im angefochtenen Urteil nicht. Hier bleibt schon offen, in welchen forensisch relevanten Eigenschaften, Dispositionen oder Einschränkungen der Einsichts - oder Steuerungsfähigkeit die festgestellte "chronische Krankheit" (UA S. 39) des Angeklagten sich überhaupt ausdrückt. Als "symptomatisch" wird insoweit allein der Suchtmittelmißbrauch genannt; Feststellungen zu Ausmaß oder
Auswirkungen des Konsums von Haschisch oder anderen Rauschmitteln am Tattag fehlen jedoch. Auch im übrigen ergibt sich weder aus dem schriftlichen Gutachten noch den Darlegungen im Urteil, in welcher konkreten Weise sich die beim Angeklagten festgestellten psychischen Auffälligkeiten bei der Tat ausgewirkt haben könnten. Zutreffend hat der Sachverständige Dr. W. in seinem von der Verteidigung zur Begründung des Beweisantrags vorgelegten Gutachten darauf hingewiesen, das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. zeige eine gewisse Zirkelschlüssigkeit und habe einen "eigentümlich spekulativ -beliebigen Charakter". ff) Eine kritische Beurteilung des Gutachtens und der Sachkunde des Gutachters lag jedenfalls unter Berücksichtigung der Begründung des Beweisantrags für den Tatrichter auch deshalb nahe, weil das Gutachten ausschließlich zu Diagnosen (entweder "schizophrenia simplex" oder "schizotype Störung" ) gelangte, von deren Verwendung im Klassifikationssystem ICD-10 ausdrücklich abgeraten wird. Überdies lagen wichtige Merkmale der festgestellten "schizotypen Störung", namentlich zeitlich überdauernde Auswirkungen auf Biographie, Verhalten oder Auffälligkeiten des Betroffenen, gerade nicht vor; das Gutachten befaßte sich damit nur vage und unklar. Darüber hinaus ließ das Gutachten eine hinreichende differenzialdiagnostische Erörterung vermissen ; die diagnostischen Schlußfolgerungen waren letztlich auf wenig mehr gestützt als die (unterstellte) Begehung der Tat selbst. gg) Auch die Schlußfolgerungen, die der Sachverständige aus diesen eher unklaren und unsicheren Feststellungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten vom Tatzeitpunkt gezogen hatte, hätten dem Gericht Anlaß zur kritischen Überprüfung geben müssen. In seinem schriftlichen Gutachten hatte der Sachverständige ausgeführt, der Angeklagte sei
zwar "grundsätzlich als psychisch gestört und geisteskrank zu betrachten". Die Auffälligkeiten hätten aber mangels akuter paranoider Symptomatik und akuter Derealisation "eben nicht einen vollumfänglichen Verlust seiner Einsichtsfähigkeit nach sich gezogen" (Gutachten S. 52). Es sei jedoch festzustellen, daß der Angeklagte in seiner Wahrnehmung und Interpretation von Sicht- und Denkweisen des alltäglichen Lebens und seiner Beziehung zu dem Tatopfer "beeinträchtigt gewesen sein muß". Das habe "eine gewisse Verzerrung der Realität" nach sich gezogen, was wiederum "zu einer Uminterpretation von realen Begebenheiten führte"; dadurch seien "die Sicht- und Denkweisen beeinträchtigt" worden. Daher sei die Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen (ebd.). In seinem mündlichen Gutachten führte der Sachverständige ausweislich des Urteils dann im ausdrücklichen Gegensatz hierzu aus, hinsichtlich der Einsichtsfähigkeit des Angeklagten sei "von dessen vollem Erhalt bis hin zu dessen völligem Verlust alles denkbar" (UA S. 37). Für diesen grundlegenden Wechsel in der Beurteilung findet sich keine Begründung; aus der Wiedergabe des Gutachtens kann auch nicht nachvollzogen werden, wie die von dem Sachverständigen für möglich gehaltenen Alternativen der Unrechtseinsicht mit dem psychodiagnostischen Krankheitsbild des Angeklagten in Einklang zu bringen sein könnten. Die hypothetische Feststellung, entweder die Einsichtoder die Steuerungsfähigkeit habe gefehlt, würde voraussetzen, daß der psychische Defekt des Betroffenen sich tatsächlich in einer solchen alternativen Weise konkret auswirken konnte. Zur Begründung dieser Feststellung bedürfte es jedenfalls eingehender Darlegungen zur Diagnose der Störung und zu ihrer konkreten Auswirkung auf die Tatbegehung. Hieran fehlte es hier offensichtlich; die vage Aussage des Sachverständigen zur Auswirkung der Störung beruhte vielmehr gerade auf der Unschärfe der diagnostischen Zuordnung.

c) Angesichts dieser erheblichen Mängel und Unklarheiten des vorbereitenden schriftlichen und des mündlich erstatteten Gutachtens durfte das Landgericht den Beweisantrag auf Einholung eines weiteren medizinischpsychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht mit der Begründung ablehnen , das Gegenteil der behaupteten Tatsache sei bereits erwiesen, und die Sachkunde des Sachverständigen Dr. B. sei nicht zweifelhaft, ohne sich eingehend mit den erhobenen Beanstandungen auseinanderzusetzen. Die gravierenden Einwände, welche das Gutachten des Sachverständigen Dr. W. gegen Methodik und Ergebnisse des schriftlichen Gutachtens erhob, mußten Anlaß sein, die vom Sachverständigen mündlich vorgetragenen Ergebnisse sowie die Abweichungen und ggf. deren Begründung besonders kritisch zu prüfen. Dies hat das Landgericht nicht getan; vielmehr hat es die in vielfacher Hinsicht zweifelhaften Ausführungen des Sachverständigen allein dahingehend gewürdigt, sie seien "gut verständlich und nachvollziehbar" gewesen und die Kammer schließe sich ihnen an (UA S. 37, 40). Mit der im Ablehnungsbeschluß gegebenen Begründung hat sich das Landgericht daher seiner Aufgabe einer kritischen Überprüfung und Würdigung des Sachverständigengutachtens gerade entzogen, indem es die Mängel des vorbereitenden schriftlichen Gutachtens mit dem Hinweis auf das mündliche Gutachten beiseite schob. Dies wäre nur dann tragfähig, wenn das mündlich erstattete Gutachten seinerseits fehlerfrei gewesen und wenn die Abweichungen zum schriftlichen Gutachten nachvollziehbar erklärt wären. Hieran fehlte es; nach der Wiedergabe des Gutachtens in den Urteilsgründen setzten sich die von dem Sachverständigen Dr. W. angesprochenen Fehler vielmehr im mündlichen Gutachten fort und führten darüber hinaus zu neuen Widersprüchen (vgl. BGHSt 23, 176, 185; BGH NStZ 1990, 244; 1991, 448; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl., § 244 Rdn. 76 m.w.N.).

d) Danach war hier die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft; die Beweiserhebung war daher erforderlich. Eigene, unter Umständen durch das erste Gutachten vermittelte Sachkunde des Gerichts, welche die Ablehnung hätte tragen können, lag nicht vor. 5. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Daß die Staatsanwaltschaft das Urteil nicht angefochten hat und daß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO einer Bestrafung entgegenstünde, auch wenn der neue Tatrichter jedenfalls eine Aufhebung der Schuldfähigkeit ausschließen könnte, steht der Aufhebung nicht entgegen, denn wenn die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB nicht vorlägen, so dürfte sie selbstverständlich auch dann nicht erfolgen, wenn die Verhängung einer Strafe aus Rechtsgründen ausschiede. Im Hinblick auf die überaus enge Verflechtung der Feststellungen zum Tathergang, zur Motivation des Angeklagten und zu seinem Nachtatverhalten mit denjenigen zu den Voraussetzungen des § 63 StGB scheidet eine Aufrechterhaltung von Feststellungen hier aus, auch wenn das Urteil insoweit rechtsfehlerfrei ist. Insoweit merkt der Senat an, daß die Rüge einer Verletzung des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführten Gründen jedenfalls unbegründet ist. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit zu umfassenden neuen Feststellungen haben. Es erscheint naheliegend, zur Frage der Schuldfähigkeit und der Maßregelanordnung (auch) einen anderen Sachverständigen mit der Gutach - tenerstattung zu beauftragen. Rissing-van Saan Detter Bode
Rothfuß Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 71/13
vom
22. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Mai 2013 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. Juli 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen - mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, vorsätzlicher Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung, wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung, wegen Nachstellung in Tateinheit mit Beleidigung und einem Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz sowie wegen unerlaubten Führens einer Waffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, die den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg hat.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts sperrte der Angeklagte am 14. März 2010 seine Ehefrau sechs Stunden lang im Wohnzimmer der gemein- samen Wohnung ein, zog sie an den Haaren, schlug, trat und würgte sie derart, dass die Geschädigte keine Luft mehr bekam. Unter Vorhalt eines Messers drohte er ihr, sie umzubringen, und nötigte sie, die Oberbekleidung auszuziehen. Sodann versetzte er ihr nochmals einen Faustschlag. Ein Jahr später sperrte er die Geschädigte abermals in der Wohnung ein, diese flüchtete panisch über den Balkon im vierten Stock auf das Dach des Nachbarhauses. Der Angeklagte setzte ihr hinterher, hielt sie schmerzhaft mit seinem von hinten um den Hals gelegten Arm fest und drohte ihr, sie vom Dach herunterzustoßen. Nach der Trennung der Eheleute behelligte der Angeklagte die Geschädigte trotz einer gerichtlichen Unterlassungsverpflichtung zwischen dem 20. Oktober und dem 20. Dezember 2012 durch mehrfache tägliche Anrufe und bezeichnete sie dabei als Lügnerin. Einmal beobachtete er sie in diesem Zeitraum in ihrer Wohnung. Zwischen dem 21. November 2011 und dem 20. Dezember 2011 fragte er über die SIM-Karte seines Mobiltelefons ca. 420mal die Standortdaten des Kraftfahrzeugs der Geschädigten ab, an das er heimlich einen GPSPeilsender angebracht hatte. Am 21. Dezember 2011 führte er in seinem Fahrzeug eine Schreckschusspistole mit sich.
3
Das Landgericht hat - dem Sachverständigen folgend - eine chronifizierte depressive Störung ohne psychotische Symptome angenommen, die eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB darstelle. Diese äußere sich darin, dass der Angeklagte dauerhaft ängstlich, bedrückt, teilnahmslos und antriebsgemindert sei. Hinzu trete eine ausgeprägte Eifersucht, die schon wahnhaften Charakter habe. Sein Denken kreise ständig um seine Ehefrau und deren Verhalten. Die festgestellte Störung habe bei allen Taten zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit geführt. Die Depression habe sich bei den Taten durch Aggression „in Form negativer Energie“ geäußert. Da diese Störung andauere, der Angeklagte unvermindert aggressiv sei, wie ein Suizid- versuch trotz „formaler Anpassung“ belege, bestehe die Gefahr schwererAg- gressionsdelikte.
4
2. Diese Feststellungen sind nicht geeignet, die Anordnungsvoraussetzungen des § 63 StGB zu belegen.
5
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf lediglich angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die unterzubringende Person bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war (BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 - 4 StR 348/12, und vom 20. November 2012 - 1 StR 504/12, NJW 2013, 246 jew. mwN). Hierzu hat das Tatgericht festzustellen, warum die festgestellte Störung unter ein Eingangsmerkmal des § 20 StGB zu subsumieren ist und wie sich diese, einem Eingangsmerkmal von § 20 StGB unterfallende Störung in der jeweiligen konkreten Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2013 - 1 StR 654/12, und vom 12. November 2004 - 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 352). Daran fehlt es.
6
Das Landgericht beschränkt sich auf die Mitteilung der vom Sachverständigen vorgenommenen diagnostischen Einordnung und der Symptome der festgestellten Störung. Erwägungen zum Ausprägungsgrad hat es für die depressive Störung nicht angestellt. Allein die psychiatrische Diagnose ist aber nicht mit einem Eingangsmerkmal des § 20 StGB gleichzusetzen (BGH, Beschluss vom 12. November 2004 - 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 352). Hierfür sind vielmehr der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend. Für die Bewertung der Schwere einer die Tat überdauernden Störung ist insbesondere maßgebend, ob es im Alltag außerhalb der beschuldigten Delikte zu Einschränkungen des beruflichen und so- zialen Handlungsvermögens gekommen ist (vgl. hierzu Boetticher/Nedopil/ Bosinski/Saß NStZ 2005, 57). Dass die diagnostizierte Störung hier sicher eine derartige Schwere erreicht, ist vom Landgericht ohne weiteres angenommen worden, versteht sich aber auch angesichts des Umstands, dass der Angeklagte bis zu seiner Festnahme als Vorarbeiter im Schichtbetrieb tätig, mithin beruflich eingegliedert war, nicht von selbst.
7
Zudem ist nicht nachvollziehbar dargelegt, wie sich die depressive Störung und die ihr zugeordneten verhaltensbezogenen Symptome, die eine starke passive Ausprägung haben, konkret auf die Begehung der Taten, die sich über Stunden, teilweise über Wochen erstreckten und vom Täter erhebliche Aktivität verlangten, ausgewirkt haben. Dass die durch die Störung verursachte Inaktivi- tät sich „in Form negativer Energie“ in Aggression umgewandelt habe, ist nicht geeignet, in nachprüfbarer Weise darzulegen, worin der Zustand des Angeklagten besteht und welche seiner Auswirkungen die Anordnung der gravierenden, unter Umständen lebenslangen Maßregel nach § 63 StGB gebieten (vgl. BGH aaO; Beschluss vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307).
8
Auch für die Eifersucht, der bereits ein wahnhafter Charakter zugeschrieben wird, ist weder dargelegt, ob diese überhaupt einem Eingangsmerkmal des § 20 StGB unterfällt, noch welche Auswirkungen diese Symptomatik - sei es auch im Zusammenspiel mit der depressiven Störung - auf die Schuldfähigkeit bei der Ausführung der Taten hatte. Hinzu kommt, dass der Sachverständige , dessen Ausführungen sich das Landgericht anschließt, den wahnhaften Charakter unter den vom Landgericht nicht aufgeklärten Vorbehalt stellt, dass die Ehefrau tatsächlich kein außereheliches Verhältnis gehabt habe. Insoweit ist schon der Schluss auf die wahnhafte Eifersucht nicht belegt.
9
3. Der Senat kann angesichts der unklaren Auswirkungen des psychischen Zustands des Angeklagten letztlich nicht ausschließen, dass er bei den Taten schuldunfähig war, so dass auch der Schuldspruch aufzuheben war. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können jedoch bestehen bleiben. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
10
Der Senat weist darauf hin, dass für den Fall der erneuten Festsetzung einer Geldstrafe für diese auch dann eine Tagessatzhöhe festzulegen ist, wenn aus Einzelfreiheitsstrafen und einer Einzelgeldstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden ist (BGH, Beschluss vom 14. Mai 1981 - 4 StR 599/80, BGHSt 30, 93, 96). Die nun zur Entscheidung berufene Strafkammer wird zudem bei erneuter Feststellung eines Zustands im Sinne des § 63 StGB zu berücksichtigen haben, dass die für die Anordnung der Maßregel erforderliche Gefährlichkeit für die Allgemeinheit nur dann auf Selbsttötungsbestrebungen gestützt werden kann, wenn damit Folgen für Dritte verbunden sind (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - 4 StR 435/09, NStZ-RR 2010, 105).
Wahl Graf Cirener Radtke Zeng

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 514/13
vom
8. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Januar 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 10. Juni 2013 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) im Strafausspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch,
c) im Maßregelausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen" Diebstahls und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. a) Die Strafzumessungserwägungen im Fall II. 1. der Urteilsgründe halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
Das Landgericht hat strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte "einen nichtigen Anlass gesucht (habe), um sein Gewaltpotential auszuleben" (UA S. 16). Das Landgericht hat dabei ersichtlich nicht gesehen, dass nach den Urteilsfeststellungen die Tat ihre Ursache in der erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten hat und dem Angeklagten daher der Umstand besonderer krimineller Energie auch nur eingeschränkt anzulasten ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 94/04, NStZ-RR 2004, 332, 333; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 46 Rn. 32 mwN).
4
Die weitere strafschärfende Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte sei zu der Tat durch das Opfer nicht provoziert worden, lässt zudem besorgen , dass dem Angeklagten – rechtsfehlerhaft – das Fehlen eines Strafmilderungsgrunds angelastet wird (vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350).
5
b) Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zum Wegfall der im Fall II. 1. der Urteilsgründe verhängten Einsatzstrafe und zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Würdigung zu einer niedrigeren Einzelfreiheitsstrafe und auch zu einer geringeren Gesamtstrafe gelangt wäre.
6
Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts bei der Gesamtstrafenbildung zu beachten haben, dass dem Strafbefehl des Amtsgerichts Mühlhausen vom 19. August 2011 Zäsurwirkung zukommt.
7
2. Der Maßregelausspruch hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) sind nicht hinreichend belegt.
8
Wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, mangelt es schon an einer hinreichend klaren Feststellung, welches Eingangsmerkmal des § 20 StGB erfüllt sein soll. Das Landgericht beschränkt sich auf die Mitteilung der vom Sachverständigen vorgenommenen Diagnose und der Symptome der festgestellten Störung. Allein die Diagnose des Sachverständigen ist aber nicht mit einem Eingangsmerkmal des § 20 StGB gleichzusetzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2013 – 1 StR 71/13 und vom 12. November 2004 – 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 352). Vielmehr sind der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit entschei- dend. An einer tragfähigen Darlegung entsprechender Beurteilungsgrundlagen fehlt es.
Fischer Schmitt Mutzbauer
Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 0 2 / 1 3
vom
1. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. April 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 2. August 2013
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung und Freiheitsberaubung schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und jeweils in Tateinheit hierzu schwerer sexueller Nötigung und Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Berichtigung des Schuldspruchs und der Aufhebung der Maßregel; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die Nebenklägerin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben der Nebenklägerin sowie dieser nahe stehender Personen zur Duldung einer dem Beischlaf ähnlichen Handlung - Eindringen mit dem Finger in die Scheide (BGH Urteil vom 28. Januar 2004 - 2 StR 351/03 - NStZ 2004, 440, 441) - genötigt, die diese besonders erniedrigte. Da somit das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllt war, war die Tat im Urteilstenor nicht als "schwere sexuelle Nötigung", sondern als "Vergewaltigung" zu bezeichnen (siehe nur BGH Beschluss vom 11. Oktober 2012 - 2 StR 161/12).
4
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) unterliegt der Aufhebung. Die Maßregel setzt u.a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (vgl. nur BGHSt 42, 385). Das Vorliegen eines solchen länger andauernden Zustands ist hier nicht belegt.
5
Die Kammer begründet ihn damit, dass der Angeklagte eine rechtswidrige Tat im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit begangen habe. Nach den Feststellungen war bei der Tat infolge einer Kombination aus Minderbegabung, kombinierter Persönlichkeitsstörung und erheblichem Alkoholkonsum die Steue- rungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert. Diese Ausführungen legen es - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - nahe, dass Minderbegabung und Persönlichkeitsstörung nicht alleine, sondern nur im Zusammentreffen mit der vorübergehenden Alkoholisierung zur Annahme des § 21 StGB geführt haben. Ist die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aber auf ein Zusammenwirken zwischen Persönlichkeitsstörung und Alkoholkonsum zurückzuführen, kann ein die Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigender Zustand nur angenommen werden, wenn der Angeklagte an einer krankhaften Alkoholsucht leidet, in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist oder an einer länger andauernden geistigen-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (siehe nur BGHSt 44, 369, 374 ff.; BGH NStZ-RR 2010, 170). Hierzu enthält das angefochtene Urteil jedoch keine Ausführungen; entsprechende Feststellungen in der neuen Hauptverhandlung erscheinen allerdings möglich.
6
Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat schließt mit Rücksicht auf das in den Feststellungen zum Ausdruck kommende Tatbild sowie die darauf Bezug nehmenden Ausführungen zur Strafzumessung aus, dass das Landgericht eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte, wenn die Anordnung der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus unterblieben wäre. Fischer Appl Schmitt RiBGH Dr. Ott ist aus Krehl tatsächlichen Gründen an der Unterschrift gehindert. Fischer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wer fremde

1.
Gebäude oder Hütten,
2.
Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,
3.
Warenlager oder -vorräte,
4.
Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,
5.
Wälder, Heiden oder Moore oder
6.
land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.