Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 4 StR 633/10

bei uns veröffentlicht am11.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 633/10
vom
11. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu 1.a) auf dessen Antrag hin - und der Beschwerdeführer am
11. Januar 2011 gemäß §§ 154 Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen
:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten D. und E.
gegen das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom
25. Juni 2010 wird

a) das Verfahren bezüglich des Angeklagten D.
im Fall 8 der Anklage der Staatsanwaltschaft Zweibrücken
vom 8. April 2009 (Az.: 4392 Js 3623/09)
gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt; insoweit trägt
die Staatskasse die dem Angeklagten D. entstandenen
notwendigen Auslagen;

b) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin
geändert, dass
- der Angeklagte D. des schweren Raubes,
des Raubes, des schweren Bandendiebstahls in
fünf Fällen, des versuchten schweren Bandendiebstahls
in sieben Fällen, des Diebstahls in
sechs Fällen und des versuchten Diebstahls,
- der Angeklagte E. des schweren Raubes, des
Raubes, des schweren Bandendiebstahls in vier
Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls
in sieben Fällen sowie
- der frühere Mitangeklagte R. des schweren
Raubes, des schweren Bandendiebstahls in sechs
Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls
in neun Fällen schuldig sind.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten D.
sowie E. und die Revision des Angeklagten A.
S. werden verworfen.
3. Der Angeklagte A. S. hat die Kosten
seines Rechtsmittels zu tragen. Es wird davon abgesehen
, den Angeklagten D. und E. die Kosten und
(weiteren) Auslagen ihrer Rechtsmittel aufzuerlegen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. S. des schweren Raubes, des schweren Bandendiebstahls, des versuchten schweren Bandendiebstahls in vier Fällen und des Diebstahls, den Angeklagten D. des schweren Raubes, des Raubes, des schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, des versuchten schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, des Diebstahls in sieben Fällen und des versuchten Diebstahls, den Angeklagten E. des schweren Raubes, des Raubes, des schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen sowie den früheren Mitangeklagten R. des schweren Raubes, des schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls in acht Fällen schuldig gesprochen. Es hat gegen den Angeklagten A. S. eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Mo- naten und gegen die übrigen Angeklagten jeweils Jugendstrafen verhängt, gegen den Angeklagten E. eine solche von vier Jahren und sechs Monaten, gegen den Angeklagten D. unter Einbeziehung der Verurteilung des Landgerichts Zweibrücken vom 3. Dezember 2009 eine solche von sieben Jahren und gegen den früheren Mitangeklagten R. ebenfalls unter Einbeziehung dieses Urteils eine solche von drei Jahren und sechs Monaten.
2
Der Angeklagte D. richtet seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision allein gegen den Rechtsfolgenausspruch. Die Angeklagten A. S. und E. rügen jeweils die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Rechtsmittel der Angeklagten D. und E. führen nach einer den Angeklagten D. betreffenden Verfahrensbeschränkung gemäß § 154 Abs. 2 StPO zu den aus dem Tenor ersichtlichen Änderungen der Schuldsprüche. Im Übrigen sind ihre Revisionen sowie das Rechtsmittel des Angeklagten A. S. unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Senat stellt das Verfahren bezüglich des Angeklagten D. im Fall 8 der Anklage der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom 8. April 2009 (Az.: 4392 Js 3623/09) auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein. Nach den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 29. November 2010 wird der Schuldspruch betreffend den Angeklagten D. von den Urteilsgründen insoweit nicht getragen, als lediglich sechs und nicht, wie ausgeurteilt, sieben Fälle des vollendeten Diebstahls festgestellt sind. Diese offensichtliche Lücke betrifft Fall 8 der Anklage der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom 8. April 2009 (Az.: 4392 Js 3623/09). Durch die Beschränkung der Revision des Angeklagten D. auf den Rechts- folgenausspruch ist der Senat an dieser Verfahrensbeschränkung nicht gehindert (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 318 Rn. 16 m.w.N.).
4
2. Im Fall 2.20. der Urteilsgründe können die die Angeklagten D. und E. sowie den Mitangeklagten R. betreffenden Schuldsprüche wegen vollendeten schweren Bandendiebstahls nicht bestehen bleiben. Nach den getroffenen Feststellungen bezog sich die Zueignungsabsicht der Angeklagten D. , E. und des Mitangeklagten R. lediglich auf das in dem Tresor vermutete Geld. In dem Tresor, den sie aus den Geschäftsräumen des Autohauses K. mitgenommen hatten, befanden sich jedoch entgegen dieser Erwartung lediglich Fahrzeugschlüssel. Da sich die Absicht rechtswidriger Zueignung weder auf den Tresor noch auf die Fahrzeugschlüssel, sondern auf das erhoffte Geld bezog, liegt kein vollendeter schwerer Bandendiebstahl vor, sondern nur ein fehlgeschlagener Versuch eines schweren Bandendiebstahls (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 20. Februar 1990 – 3 StR 500/89, StV 1990, 408; vom 6. Juni 2000 – 4 StR 91/00, NStZ-RR 2000, 343; vom 7. September 2005 – 2 StR 378/05 und vom 8. September 2009 – 4 StR 354/09, jeweils m.w.N.). Die Schuldsprüche wegen dieser Tat waren daher – gemäß § 357 Satz 1 StPO auch hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten R. und des lediglich den Rechtsfolgenausspruch angreifenden Angeklagten D. – entsprechend zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagten gegen die geänderten Schuldsprüche nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
5
3. Die gegen diese Angeklagten vom Landgericht verhängten Einheitsjugendstrafen können trotz der Schuldspruchänderungen bestehen bleiben. Der Senat kann im Hinblick auf die Ausführungen der Jugendkammer zu dem bei diesen Angeklagten bestehenden Erziehungsbedarf sowie die Vielzahl und den Schuldgehalt der abgeurteilten Straftaten ausschließen, dass die Jugendkammer bei zutreffender rechtlicher Bewertung bzw. ohne den eingestellten Fall auf geringere Jugendstrafen erkannt hätte.
6
4. In Bezug auf das weitere Revisionsvorbringen des Angeklagten D. verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 29. November 2010.
7
5. Hinsichtlich des Angeklagten A. S. hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil ergeben.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Mutzbauer Bender

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 4 StR 633/10

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 4 StR 633/10 zitiert 5 §§.

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 91/00
vom
6. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 6. Juni 2000 gemäß §§ 349 Abs. 2
und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Januar 1999, soweit es ihn betrifft , im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des Bandendiebstahls in 14 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug, sowie der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig ist. II. Auf die Revision des Angeklagten St. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn und die Mitangeklagten E. und W. betrifft, in den Schuldsprüchen dahin geändert, daß 1. der Angeklagte St. des Bandendiebstahls in 10 Fällen , davon in einem Fall dreimal tateinheitlich begangen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Bandendiebstahl und in zwei Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug, des versuchten Bandendiebstahls und des versuchten Betruges , 2. der Angeklagte E. des Bandendiebstahls in 16 Fällen, davon in einem Fall dreimal tateinheitlich begangen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Bandendiebstahl und in zwei Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug, 3. der Angeklagte W. des Bandendiebstahls in sieben Fällen, davon in einem Fall dreimal tateinheitlich begangen und in zwei Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug schuldig ist. III. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen. IV. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen ”Bandendiebstahls in 14 Fällen, in 2 Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug”, und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten St. wegen ”Bandendiebstahls in 13 Fällen, in 2 Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug, versuchten Bandendiebstahls sowie versuchten Betruges” zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Den Angeklagten E. hat es wegen ”Bandendiebstahls in 19 Fällen, in 2 Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug” zur Jugendstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten W. wegen ”Bandendiebstahls in 9 Fällen, in 2 Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug” zur Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten - jeweils mit Strafaussetzung zur Bewährung - verurteilt.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten S. und St. die Verletzung materiellen Rechts; außerdem beanstanden sie das Verfahren. Die Rechtsmittel haben nur in geringem Umfang Erfolg; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den Feststellungen beschloß eine Gruppe von etwa 20 jungen Männern, der auch die Angeklagten angehörten, im April 1993, ihren Lebensunterhalt durch die Begehung von Diebstählen zu bestreiten. In Ausführung dieses Vorhabens brachen sie in wechselnder Besetzung in einer Vielzahl von Fällen - jeweils unter Mitwirkung mindestens eines weiteren Bandenmitglieds - Kraftfahrzeuge auf und entwendeten aus diesen insbesondere Bargeld sowie Scheck- und Kreditkarten, die anschließend zu Abhebungen oder Einkäufen genutzt wurden, gelegentlich stahlen sie auch die Fahrzeuge selbst.

II.

Die Verfahrensbeschwerden dringen nicht durch. Ohne Erfolg machen die Revisionen geltend, daß wegen einer Verletzung des Beschleunigungsgebots ein Verfahrenshindernis vorliege. 1. Das Landgericht ist unter Schilderung des Verfahrensganges (UA 42) zu dem Ergebnis gelangt, daß eine von den Angeklagten nicht zu vertretende Verfahrensverzögerung von etwa vier Jahren als Folge der verspäteten Vorlage der Ermittlungsakten durch die Polizei an die Staatsanwaltschaft und einer
verzögerten Anklageerhebung vorliege. Von Amts wegen zu berücksichtigende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen nach Erlaß des tatrichterlichen Urteils sind darüber hinaus weder von den Revisionen vorgetragen noch sonst ersichtlich. 2. Die durch das Landgericht festgestellte Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK garantierten Rechts auf gerichtliche Entscheidung in angemessener Zeit begründet kein Verfahrenshindernis (vgl. BGHSt 35, 137, 139 f.; Kleinknecht /Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 9 m.w.N.). Besondere Umstände, die den Senat dazu veranlassen könnten, das Verfahren abzubrechen und einzustellen, sind nicht gegeben. Die übermäßige, von den Angeklagten nicht verschuldete Verzögerung muß jedoch beim Rechtsfolgenausspruch wieder gutgemacht werden. Das hat das Landgericht getan: Es hat unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG NStZ 1997, 591; BGH NStZ 1999, 181; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7 und 12) Art und Ausmaß der Verzögerung festgestellt und sodann das Maß der Kompensation durch eine Ermäßigung der an sich verwirkten Jugendstrafen konkret bestimmt. Hierbei hat es dem festgestellten Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK durch eine Reduzierung der an sich verwirkten Jugendstrafe von vier Jahren auf zwei Jahre und sechs Monate beim Angeklagten S. bzw. von drei Jahren und sechs Monaten auf zwei Jahre (mit Strafaussetzung zur Bewährung) beim Angeklagten St. angemessen Rechnung getragen. Eine weitere Herabsetzung der außerordentlich milden Strafen erscheint dem Senat nicht vertretbar.

III.

Die Sachrügen haben nur in geringem Umfang Erfolg. 1. Die Annahme von Tatmehrheit in sämtlichen Fällen des Bandendiebstahls hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand:
a) In den Fällen II 7-9 der Urteilsgründe öffneten die Angeklagten St. , E. und W. gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Steve Wi. auf dem Parkplatz des Hansa-Parks in Sierksdorf nacheinander gewaltsam drei Pkws verschiedener Eigentümer und entwendeten aus den Fahrzeugen Mitnehmenswertes. In den Fällen II 14 und 15 brachen die AngeklagtenSt. und E. hintereinander zwei auf dem Parkplatz einer Pension in Werder abgestellte Fahrzeuge auf und nahmen daraus ihnen stehlenswert Erscheinendes mit.
b) Da die Handlungen auf den beiden Parkplätzen jeweils auf einer Willensentschließung beruhten und zwischen den Betätigungen ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang bestand, der das gesamte Handeln objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheinen läßt, liegt nur jeweils eine natürliche Handlungseinheit vor (vgl. BGH NStZ 1996, 493, 494). Dem steht nicht entgegen, daß sich die Angriffe gegen verschiedene Eigentümer richteten. Die Fälle II 7-9 sowie II 14 und 15 stehen somit nicht in Tatmehrheit, sondern jeweils in gleichartiger Tateinheit zueinander. 2. Darüber hinaus kann im Fall II 15 der Schuldspruch wegen vollendeten Bandendiebstahls nicht bestehen bleiben:

a) Nach den Feststellungen entnahmen hier die Angeklagten St. und E. einem von ihnen aufgebrochenen VW-Bus einen Aktenkoffer mit Geschäftsunterlagen, den sie anschließend wegwarfen, nachdem sie festgestellt hatten, daß sie für den Inhalt keine Verwendung hatten.
b) Danach kommt lediglich eine Verurteilung wegen versuchten Bandendiebstahls in Betracht; denn wenn für den Täter nur der Inhalt eines Behältnisses von Interesse ist und er sich des Behälters nach Entnahme des Inhalts entledigt, eignet er sich das Behältnis selbst nicht zu (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1975, 543; BGH, Beschluß vom 6. Mai 1999 - 4 StR 177/99). Den Inhalt eignet er sich ebenfalls nicht zu, wenn es ihm - wie hier - auf die Erlangung von Verwertbarem ankommt und er ihn sogleich als ”nicht brauchbar” (UA 32) wegwirft (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1976, 16; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 242 Rdn. 19). 3. Im Fall II 21 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen den Schuldspruch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StGB) nicht:
a) Der Angeklagte S. floh hier mit dem von ihm geführten Pkw in schneller Fahrt, da er - am Steuer eines gestohlenen Fahrzeugs - verhindern wollte, von der Polizei überprüft zu werden. Er mißachtete zunächst eine Lichtzeichenanlage , die rot zeigte. Hierdurch wurden andere Kraftfahrer im Kreuzungsverkehr gezwungen, scharf abzubremsen, um eine Kollision zu vermeiden. Im weiteren Verlauf der Fahrt überholte der Angeklagte trotz Gegenverkehrs , so daß entgegenkommende Fahrzeuge zur Vermeidung eines Zusammenpralls auf den Randstreifen ausweichen mußten.

b) Das so festgestellte vorschriftswidrige Verkehrsverhalten wird nicht von § 315 b StGB erfaßt. Nur wenn im fließenden Verkehr ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewußt zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu ”pervertieren”, und es ihm darauf ankommt , durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen, kommt § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB in Betracht (BGHSt 41, 231, 234; BGH NJW 1999, 3132 f.; Tröndle/Fischer aaO § 315 b Rdn. 5). Das ist jedoch nicht festgestellt. Der Angeklagte hat sich aber wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 a und 2 b, Abs. 3 Nr. 1 StGB) schuldig gemacht; denn er hat grob verkehrswidrig und rücksichtslos die Vorfahrt nicht beachtet sowie falsch überholt und dadurch Leib oder Leben anderer und fremde Sachen von bedeutendem Wert (konkret) gefährdet. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, daß der Angeklagte S. die Verkehrsverstöße zumindest billigend in Kauf genommen und hinsichtlich der Gefährdung wenigstens fahrlässig gehandelt hat. 4. Da nicht zu erwarten ist, daß in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, ändert der Senat die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagten gegen die geänderten Schuldsprüche nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Gemäß § 357 StPO ist die Schuldspruchänderung in den Fällen II 7-9 auf die Mitangeklagten E. und W. und in den Fällen II 14 und 15 auf den Mitangeklagten E. zu erstrecken.
5. Trotz der Schuldspruchänderungen können die festgesetzten Strafen bestehen bleiben. Der Senat kann im Hinblick auf die Vielzahl und den erheblichen Schuldgehalt der abgeurteilten Straftaten und die für die Bemessung der Jugendstrafen maßgeblichen erzieherischen Gründe (UA 15 ff., 19 ff., 46 ff.) - auch in Bezug auf die Mitangeklagten E. und W. - ausschließen, daß die Jugendkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung trotz der Strafbarkeit (nur) wegen (tateinheitlich begangenen) Versuchs im Fall II 15 und des niedrigeren Strafrahmens in § 315 c Abs. 1, 3 StGB (Fall II 21) auf geringere Jugendstrafen erkannt hätte. Soweit lediglich das Konkurrenzverhältnis anders zu beurteilen ist, wird dadurch der Unrechtsgehalt der Taten nicht berührt (vgl. BGH NStZ 1996, 296, 297). Zum Schuldgehalt der Diebstahlstaten ist im übrigen zu bemerken: Das Landgericht hat festgestellt, daß die Angeklagten und ihre Mittäter in allen Fällen die Bandendiebstähle unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen haben. Daß die Angeklagten nicht wegen schweren Bandendiebstahls nach § 244 a StGB, sondern nur wegen Bandendiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F.) verurteilt worden sind, ist rechtsfehlerhaft , beschwert die Angeklagten aber nicht. § 244 a StGB gilt auch für Jugendbanden (s. LG Koblenz NStZ 1998, 197 und den diese Entscheidung gemäß § 349 Abs. 2 StPO bestätigenden Beschluß des BGH vom 20. August 1997 - 2 StR 306/97). Die von der Jugendkammer vorgenommene Auslegung der Vorschrift - sie sei nach der ”Intention des Gesetzgebers” auf Jugendbanden nicht anwendbar (UA 44) - ist mit deren Wortlaut nicht vereinbar. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihr Normzweck lassen eine "Intention des Gesetzgebers”, Jugendbanden aus dem Anwendungsbereich des § 244 a StGB herauszunehmen, nicht erkennen:
§ 244 a StGB wurde durch das am 22. September 1992 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität vom 15. Juli 1992 (BGBl. I 1302) in das StGB eingefügt. Der Gesetzgeber erhoffte sich durch die gegenüber dem Vergehenstatbestand des (”einfachen”) Bandendiebstahls gesteigerte Strafdrohung eine erhöhte Abschreckungswirkung und durch die Ausgestaltung der Vorschrift als Verbrechenstatbestand zugleich eine Vorverlagerung der Strafbarkeitsschwelle (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 25; Zopfs GA 1995, 320; Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 244 a Rdn. 1). Er hat das Problem der Anwendung auf Jugend-Diebesbanden erkannt und u.a. deswegen davon abgesehen , den - ohne erschwerte Umstände begangenen - Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F.) allgemein als Verbrechenstatbestand umzugestalten , weil ”dann auch Gruppen von Straftätern erfaßt würden, die kaum dem Bereich der Organisierten Kriminalität zugerechnet werden können (z.B. Jugendliche , auch Schüler, die bandenmäßig Ladendiebstähle begehen)” (BTDrucks. a.a.O.). Der Verbrechenstatbestand des schweren Bandendiebstahls sollte daher an zusätzliche Kriterien geknüpft werden. Wenn aber diese erfüllt sind und der Bandendiebstahl etwa unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen wird, findet § 244 a StGB auf alle Diebesbanden - auch Jugendbanden - Anwendung (kritisch Glandien NStZ 1998, 197, 198; Kindhäuser in NK-StGB (1998) § 244 a Rdn. 2). 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StGB. Der nur geringfügige Erfolg der Revisionen rechtfertigt es nicht, die Angeklagten teilweise
von den durch ihr Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 473 Rdn. 25 f.). Eine Kostenfreistellung nach den §§ 74, 109 Abs. 2 JGG ist nicht veranlaßt. Meyer-Goßner Kuckein Athing

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 378/05
vom
7. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 7. September 2005 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 19. April 2005: 1. Im Schuldspruch bezüglich Fall II 4 der Urteilsgründe - auch soweit es die Angeklagten H. und T. betrifft - dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils des versuchten schweren Bandendiebstahls schuldig sind; 2. im Einzelstrafausspruch im Fall II 18 der Urteilsgründe, auch soweit es den Angeklagten Z. betrifft, dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt sind. II. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. III. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechtes rügt, hat in
dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Im Falle II 4 der Urteilsgründe liegt nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nur ein versuchter schwerer Bandendiebstahl vor. Die Angeklagten haben hier nach Einbruch in ein Geschäftshaus einen Tresor mitgenommen in der Erwartung, hierin Wertsachen vorzufinden. Nachdem der Tresor aber nur für sie unbrauchbare Geschäftsunterlagen, die sie sich auch nicht zueigneten, enthielt, haben sie ihn im Vorfluter eines Stausees versenkt. Da die Absicht rechtswidriger Zueignung sich weder auf den Tresor noch auf die Geschäftsunterlagen, sondern auf einen wertvollen Inhalt bezog, liegt kein vollendeter schwerer Bandendiebstahl vor, sondern nur ein fehlgeschlagener Versuch eines schweren Bandendiebstahls (vgl. hierzu u.a. BGH MDR 1975, 22; BGH StV 1983, 460; BGHR StGB § 249 Abs. 1 Zueignungsabsicht 4 und BGH, Beschluss vom 16. April 1996 - 1 StR 171/96). Der Schuldspruch war daher - gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich der an dieser Tat beteiligten, aber nicht revidierenden Mitangeklagten H. und T. - entsprechend zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da die geständigen Angeklagten sich nicht anders, insbesondere erfolgreicher, hätten verteidigen können. Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter in diesem Fall niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte, wenn er nur von versuchtem schwerem Bandendiebstahl ausgegangen wäre. Denn die Tat war nahe an der Vollendung und durch die Beseitigung des Tresors ist ein erheblicher Schaden entstanden. Darüber hinaus hält der Senat die insoweit verhängten Einzelstrafen für angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO.
2. Im Falle II 18 der Urteilsgründe war, auch soweit es den nicht revidierenden Mitangeklagten Z. betrifft (§ 357 StPO), der Einzelstrafausspruch jeweils in Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat abzuändern. Die verhängten Einzelstrafen von einem Jahr, einem Monat und zwei Wochen verstoßen gegen § 39 StGB (vgl. u.a. BGH NStZ 1996, 187; Senatsbeschluss vom 28. April 2004 - 2 StR 95/04). Der Senat hat daher zu Gunsten der Angeklagten jeweils die zwei Wochen in Wegfall gebracht. Obwohl auch andere Einzelstrafen im Urteil gegen § 39 StGB verstoßen, kam eine weitere Erstreckung gemäß § 357 StPO nicht in Betracht, da an diesen Taten der allein revidierende Angeklagte P. nicht beteiligt war. 3. Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter ohne die fehlerhaft festgesetzten zwei Wochen Freiheitsstrafe zu einer anderen - den Angeklagten günstigeren - Gesamtstrafe gelangt wäre. Ohnehin hält der Senat die verhängten Gesamtstrafen für angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 b in Verbindung mit Abs. 1 a StPO.
4. Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten auch nur teilweise von den Kosten seines Rechtsmittels zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Rothfuß Ernemann Fischer Ri´inBGH Roggenbuck Appl ist wegen Urlaubsabwesenheit verhindert zu unterschreiben. Rothfuß

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 354/09
vom
8. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. September 2009 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO analog beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 25. Mai 2009 im Schuld- und Strafausspruch in Fall II 8 der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte wegen versuchten Diebstahls zu einer Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in 15 Fällen, versuchten Diebstahls in 5 Fällen und wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt in Fall II 8 der Urteilsgründe zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass sich der Angeklagte am Vormittag des 20. Oktober 2008 in F. in einen Kindergarten begab und aus einer Handtasche, die mitsamt einem Kinderwagen vor einem Gruppenraum abgestellt war, eine Geldbörse entwendete. Entgegen seiner Erwar- tung auf einen möglichst hohen Geldbetrag befand sich in der Börse kein Geld, woraufhin sich der Angeklagte der Geldbörse entledigte.
3
2. a) Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe hinsichtlich der Geldbörse den Tatbestand eines vollendeten Diebstahls im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB verwirklicht; es hat insoweit eine Einzelstrafe von fünf Monaten verhängt. Zwar habe er kein Bargeld erlangt; er habe sich jedoch die Börse zur Suche nach dem erhofften Geldbetrag vorübergehend angeeignet und diese anschließend entsorgt.
4
b) Damit ist die subjektive Tatseite eines vollendeten Vergehens des Diebstahls der Geldbörse nicht belegt. Will sich der Täter, wie hier festgestellt, nicht das Behältnis, sondern in der Hoffnung auf möglichst große Beute allein dessen vermuteten Inhalt aneignen, fehlt es hinsichtlich des Behältnisses am Zueignungswillen zum Zeitpunkt der Wegnahme (BGH NStZ 2004, 333). Daher liegt insoweit lediglich ein – aus Sicht des Täters fehlgeschlagener – Versuch des Diebstahls vor.
5
3. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend abgeändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der insoweit geständige Angeklagte gegen diesen Vorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Der Senat erkennt für diese Tat analog § 354 Abs. 1 StPO auf eine Freiheitsstrafe von vier Monaten. Einzelstrafen in dieser Höhe hat das Landgericht in fünf ähnlich gelagerten Fällen des versuchten Diebstahls verhängt. Im Hinblick auf die Summe der vom Landgericht in insgesamt 21 Fällen verhängten Einzelstrafen schließt der Senat einen Einfluss der Herabsetzung einer Einzelstrafe um einen Monat auf den Ausspruch über die Gesamtstrafe aus.
6
4. Wegen des nur geringfügigen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten des von ihm eingelegten Rechtsmittels zu belasten (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 473 Rn. 26).
Maatz Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.