Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2016 - 5 StR 107/14

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:250516B5STR107.14.0
bei uns veröffentlicht am25.05.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 107/14
vom
25. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:250516B5STR107.14.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Mai 2016 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 15. November 2013 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in 87 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und Wertersatzverfall in Höhe von 200.000 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat – nach Erledigung eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union (vgl. BGH, Beschluss vom 8. April 2014 – 5 StR 107/14, PharmR 2014, 296) sowie eines Anfrageverfahrens nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. November 2014 – 5 StR 107/14, PharmR 2015, 33; vom 20. Januar 2015 – 3 ARs 28/14, PharmR 2015, 239; vom 23. Dezember 2015 – 2 ARs 434/14, PharmR 2016, 84) – Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bestellte und verkaufte der Angeklagte von Mai 2010 bis Mai 2011 zunächst allein über seinen Onlineshop und nach dessen Aufgabe im Oktober und November 2012 mit einem Mittäter fertig verpackte Tüten mit bis zu 3 g Kräutermischungen aus getrocknetem Pflanzenmaterial, dem verschiedene, dem Betäubungsmittelgesetz zum damaligen Zeitpunkt weitgehend noch nicht unterfallende synthetische Cannabinoide zugesetzt waren. Der Verkauf erfolgte mit der Bestimmung, dass die Mischun- gen von den Kunden „durch Rauchen (z.B. in Form von Joints)“ zur Erzielung einer Rauschwirkung konsumiert werden sollten (UA S. 4, 227). Der Angeklagte informierte sich über die Rechtslage und gelangte zu der Erkenntnis, dass es einen illegalen Bereich gebe. Er vertraute jedoch auf die Angaben der Hersteller , wonach der Vertrieb der Mischungen legal sei. Behördliche Auskünfte oder anderweitigen Rechtsrat holte er nicht ein (UA S. 5).
3
Eine positive Wirkung, etwa einen therapeutischen oder prophylaktischen Nutzen, hatte das Rauchen der Kräutermischungen nicht. Vielmehr war es gesundheitsgefährdend. Nach Auffassung des Landgerichts handelte es sich bei den Kräutermischungen im Hinblick auf deren physiologische Funktionen durch pharmakologische Wirkung um Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG; ein therapeutischer Nutzen oder eine positive Beeinflussung sei nicht erforderlich (vgl. UA S. 225).
4
2. Der Schuldspruch hat keinen Bestand.
5
Die vom Angeklagten vertriebenen Kräutermischungen können im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 10. Juli 2014 – C-358/13; C-181/14, NStZ 2014, 461) nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG angesehen werden, weil sie in ihren Wirkungen der menschlichen Gesundheit nicht zuträglich, sondern im Gegenteil gesundheitsschädlich sind. Der Senat ist im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung des Arzneimittelbegriffs nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG an die im Vorabentscheidungsverfahren durch den Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene Auslegung der Humanarzneimittel-Richtlinie gebunden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13 Rn. 3 f.; vom 4. November 2015 – 4 StR 403/14, PharmR 2016, 13; Urteile vom 4. September 2014 – 3 StR 437/12, PharmR 2015, 264 Rn. 15 f.; vom 23. Dezember 2015 – 2StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 21 f. [zum Abdruck in BGHSt vorgesehen ]; Grabitz/Hilf/Nettesheim, 58. EL, Art. 267 AEUV Rn. 102). Danach ist sowohl der Arzneimittelbegriff in Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der genannten Richtlinie als auch der nahezu wortgleiche § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG dahin auszulegen , dass keine Stoffe erfasst werden, deren Wirkungen sich – wie hier – auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit zuträglich zu sein, und die nur ihrer Rauschwirkung wegen konsumiert werden und dabei gar gesundheitsschädlich sind (vgl. EuGH, aaO sowie BGH, Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13, aaO; Urteile vom 4. September 2014 – 3 StR 437/12, aaO Rn. 10 ff.; vom 23. Dezember 2015 – 2 StR 525/13, aaO, jeweils mwN).
6
3. Der Senat sieht sich jedoch an einem Freispruch des Angeklagten gehindert.
7
a) Ausweislich der – insoweit unklaren – Urteilsgründe waren in den Kräutermischungen möglicherweise („oder“; z.B. UA S. 7, 8, 9) und „teilweise zusätzlich“ (z.B. UA S. 8, 9, 10) auch solche Cannabinoide enthalten, die zur Tatzeit schon der Anlage 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG in der ab 22. Januar 2010 geltenden Fassung vom 18. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3944) unterfielen (JWH 018, JWH 019, JWH 073 und CP 47, [CP] 497). Gegebenenfalls kommt eine Strafbarkeit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BtMG in Betracht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13, aaO; Urteile vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134; vom 15. Oktober 2015 – 1 StR 317/15).
8
b) Soweit die verwendeten Cannabinoide zur Tatzeit nicht als Betäubungsmittel definiert waren, wäre nach der durch den Senat vertretenen Auffassung – an der festgehalten wird –, eine Strafbarkeit wegen gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen unter Verwendung nicht zugelassener Stoffe in Betracht gekommen (§ 52 Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 VTabakG). Jedoch ist das Vorläufige Tabakgesetz nach Art. 8 Abs. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse vom 4. April 2016 (BGBl. I S. 569, 584) am 20. Mai 2016 außer Kraft getreten. Das mit diesem Artikelgesetz neu eingeführte, im Wesentlichen gleichfalls am 20. Mai 2016 in Kraft getretene Gesetz über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (Tabakerzeugnisgesetz – TabakerzG) vom 4. April 2016 (BGBl. I S. 569) enthält keine Strafbestimmungen, die den § 52 Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 VTabakG inhaltlich entsprechen, also das Inverkehrbringen von pflanzlichen Raucherzeugnissen unter Verwendung nicht zugelassener Stoffe pönalisieren. Die in § 34 Abs. 1 Nr. 9 und 10 TabakerzG aufgenommenen Strafvorschriften betreffen vielmehr den – hier nicht einschlägigen – Schutz vor irreführenden Vertriebsformen (§ 18 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, 2 TabakerzG). Entsprechendes gilt für die Verordnung über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (TabakerzeugnisverordnungTabakerzV) vom 27. April 2016 (BGBl. I S. 980). Mangels Unrechtskontinuität können die Taten des Angeklagten damit nicht mehr unter dem Aspekt des verbotenen Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen ähnlichen Waren bzw. nach neuer Terminologie (vgl. § 2 Nr. 1, 2 TabakerzG) von verwandten Erzeugnissen strafrechtlich geahndet werden (§ 2 Abs. 3 StGB).
9
4. Der Senat hebt mit der Verurteilung die im vorgenannten Sinn lückenhaften Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht in sich stimmige Feststellungen zu ermöglichen. Dieses wird sich mit der Zusammensetzung der durch den Angeklagten vertriebenen Kräutermischungen und deren Strafbarkeit nach § 29 BtMG im Zeitpunkt der Tat im Einzelnen auseinanderzusetzen haben. Als einheitliche Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln kommen dabei die im angefochtenen Urteil bezeichneten Einkaufshandlungen des Angeklagten (UA S. 12 bis 16) in Betracht, wohingegen die Verkaufshandlungen aus den so beschafften Vorräten lediglich unselbständige Teilakte in Bezug auf den Handel mit der jeweiligen Gesamtmenge darstellen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 7. Januar 1981 – 2 StR 618/80, BGHSt 30, 28, 31 mwN).
Sander Schneider Dölp
König Bellay

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2016 - 5 StR 107/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2016 - 5 StR 107/14

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(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2016 - 5 StR 107/14 zitiert 12 §§.

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Im Sinne dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ist oder sind:1.Erzeugnisse: Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse,2.verwandte Erzeugnisse: elektronische Zigaretten, Nachfüllbehälter und pflanzliche Rauche

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 107/14
vom
8. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel
weiterer Verfahrensbeteiligter:
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. April 2014 beschlossen:
Beim Gerichtshof der Europäischen Union wird beantragt, das mit Senatsbeschluss vom heutigen Tag gestellte Vorabentscheidungsersuchen dem Eilvorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 107 Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen.

Gründe:

1
Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage zur Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. L 311 vom 28. November 2001, S. 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG (ABl. EG Nr. L 136 vom 30. April 2004, S. 34) geltenden Fassung gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Auf den hierzu ergangenen Beschluss von heute wird Bezug genommen.
2
2. Die Dringlichkeit der Vorabentscheidung über die vorgelegte Frage ergibt sich aus Folgendem:
2
3
Der wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in 87 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilte Angeklagte befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Itzehoe vom 2. April 2013 nach vorläufiger Festnahme vom 8. April 2013 seit dem 9. April 2013 in Untersuchungshaft. Es liegt somit der in Art. 267 Abs. 4 AEUV genannte Fall des Freiheitsentzugs vor (vgl. Nr. 40 der Empfehlungen an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen , ABl. C 338 vom 6. November 2012, S. 1, 5). Die Berechtigung der Inhaftierung hängt von der Entscheidung der Vorlagefrage ab. Würde die Vorlagefrage vom Gerichtshof bejaht, so würde es an der Strafbarkeit des Angeklagten fehlen, womit sich dieser zu Unrecht in Untersuchungshaft befinden würde. Im Hinblick darauf ist nach Ansicht des Senats eine besondere Dringlichkeit gegeben , die die Anwendung des Eilvorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs rechtfertigt.
Basdorf Sander Schneider
Dölp König

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 107/14
vom
5. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel
hier: Anfragebeschluss nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. November 2014 beschlossen
:
I. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:
Das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von zum Rauchen
bestimmten Kräutermischungen, denen nicht in die Anlage
II zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommene synthetische
Cannabinoide zugesetzt sind, kann nach § 52
Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 VTabakG strafbar sein.
II. Der Senat fragt beim 2. und 3. Strafsenat an, ob an etwa
entgegenstehender Rechtsprechung im Beschluss vom
13. August 2014 – 2 StR 22/13 – sowie im Urteil vom
4. September 2014 – 3 StR 437/12 – festgehalten wird.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in 87 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und Wertersatzverfall in Höhe von 200.000 € angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision.
2
Nach den Feststellungen bestellte und verkaufte der Angeklagte von Mai 2010 bis Mai 2011 zunächst allein über seinen Onlineshop und nach dessen Aufgabe von Oktober 2012 bis November 2012 mit einem Mittäter han- delnd fertig verpackte Tüten mit bis zu 3 g Kräutermischungen aus getrocknetem Pflanzenmaterial, dem verschiedene, dem Betäubungsmittelgesetz zum damaligen Zeitpunkt weitgehend noch nicht unterfallende synthetische Cannabinoide zugesetzt waren. Der Verkauf erfolgte mit der Bestimmung, dass die Mischungen von den Kunden „durch Rauchen (z.B. in Form von Joints)“ und dadurch verursachter Rauschwirkung konsumiert werden sollten (UA S. 4). Der Angeklagte informierte sich über die Rechtslage und gelangte so zu der Erkenntnis , dass es einen illegalen Bereich gebe. Er vertraute jedoch auf die Angaben der Hersteller, wonach der Vertrieb der Mischungen legal sei. Behördliche Auskünfte oder anderweitigen Rechtsrat holte er nicht ein (UA S. 5).
3
Eine positive Wirkung, etwa einen therapeutischen oder prophylaktischen Nutzen, hatten die Kräutermischungen nicht. Vielmehr waren sie gesundheitsgefährdend. Nach Auffassung des Landgerichts handelte es sich im Hinblick auf deren physiologische Funktionen durch pharmakologische Wirkung um Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG; ein therapeutischer Nutzen oder eine positive Beeinflussung sei nicht erforderlich (vgl. UA S. 225).
4
2. Die vom Angeklagten vertriebenen Kräutermischungen können im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 10. Juli 2014 – C-358/13 und C-181/14, NStZ 2014, 461) nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13 Rn. 3 f.; Urteil vom 4. September2014 – 3StR 437/12 Rn. 15), weswegen der Schuldspruch keinen Bestand haben kann. Der Senat sieht sich jedoch an einem Freispruch gehindert. Das gilt zum einen – insoweit unproblematisch – für den Vertrieb von Kräutermischungen, die zur Tatzeit bereits in die Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz aufgenom- mene Cannabinoide enthielten; insoweit kann sich der Angeklagte wegen (hier: fahrlässigen) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BtMG strafbar gemacht haben. Für solche Kräutermischungen, die Cannabinoide enthielten, die zur Tatzeit noch nicht als Betäubungsmittel definiert waren, kommt nach Auffassung des Senats hingegen eine Strafbarkeit wegen gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen unter Verwendung nicht zugelassener Stoffe (§ 52 Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 VTabakG) in Betracht.
5
a) Das angefochtene Urteil stellt ausdrücklich fest, dass alle vertriebenen Kräutermischungen zum Rauchen bestimmt waren. Damit können sie als „Tabakerzeugnissen ähnliche Waren“ im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst sein. Nach dieser Vorschrift ist allein maßgebend die dem Rohtabak ähnliche Zweckbestimmung (hier: Rauchen). Einbezogen sind unter anderem Erzeugnisse ähnlich Zigaretten, die aus Kräutern oder synthetisch erzeugten Rohstoffen hergestellt werden, ohne dass es darauf ankommt, ob sie mit Tabakerzeugnissen verwechselbar sind (vgl. Zipfel /Rathke, Lebensmittelrecht, 157. EL 2011, Teil 9, Nr. 900, § 3 VTabakG Rn. 22; vgl. auch RGSt 14, 145, 147).
6
Die Zweckbestimmung trifft nach den Feststellungen auf die vertriebenen Kräutermischungen zu. Wortlaut und Wortsinn des § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG bieten dabei keinen Ansatz, etwa solche tabakähnliche Erzeugnisse auszugrenzen , bei denen der Konsument wegen – in welcher Form auch immer – zugesetzter psychoaktiver Stoffe in der Folge des Rauchens eine Rauschwirkung erzielen will (vgl. aber dazu in Abgrenzung zum Arzneimittel – unklar – OLG Nürnberg, PharmR 2013, 94, 97). Der auch mit der Verbotsvorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 VTabakG verfolgte Zweck des Verbraucher- und Gesund- heitsschutzes (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 1. Oktober 2013 – Au 1 K 13.767, juris Rn. 22; Rohnfelder/Freytag in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze , 195. EL 2013, Vorläufiges Tabakgesetz, Vorbemerkungen Rn. 1) würde einer Reduktion im genannten Sinn widerstreiten. Gleichfalls enthält der Tatbestand anders als die in § 17 VTabakG normierten strafbewehrten (§ 52 Abs. 1 Nr. 9, 10 VTabakG) Verbote kein Täuschungselement, weswegen es nicht darauf ankommt, ob die Abnehmer die Zusammensetzung der jeweiligen Mischung kannten, insbesondere wussten, dass sie Cannabinoide enthielten.
7
b) Allerdings fallen unter das Vorläufige Tabakgesetz nur solche Mischungen , die keine zur Tatzeit bereits in der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführten Substanzen enthielten. Betäubungsmittel sind nämlich keine Tabakerzeugnisse oder tabakähnliche Waren im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 Nr. 1 VTabakG (vgl. zu Cannabis und Heroin Zipfel/Rathke, aaO, § 3 VTabakG Rn. 10; Rohnfelder/Freytag, aaO, § 3 VTabakG Rn. 1; s. auch Art. 2 Abs. 3 Buchst. f und g der Verordnung [EG] Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 28. Januar 2002, ABl. Nr. L 31/1). Dem entspricht die Regelungssystematik des Vorläufigen Tabakgesetzes, die ersichtlich nicht auf per se illegale Substanzen abzielt (vgl. insbesondere die Verbotsvorschriften des § 20 VTabakG).
8
3. Der Senat möchte die Sache deshalb insgesamt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverweisen. Der beabsichtigten Entscheidung stehen indessen möglicherweise der Beschluss des 2. Strafsenats vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13 – sowie das Urteil des 3. Straf- senats vom 4. September 2014 – 3 StR 437/12 – entgegen. Dem Urteil des 3. Strafsenats lag ebenfalls der Vertrieb von zum Rauchen bestimmten, mit synthetischen Cannabinoiden versetzten Kräutermischungen zugrunde (s. dort Rn. 3). Hinsichtlich des Beschlusses des 2. Strafsenats liegt dies nahe. In beiden Fällen erfolgte jedoch ein Freispruch bzw. ein Teilfreispruch. Eine Strafbarkeit nach dem Vorläufigen Tabakgesetz wurde jeweils nicht angesprochen.
9
4. Die Vorlegungsvoraussetzungen nach § 132 Abs. 2 GVG sind nicht ausschließbar gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine rechtliche Divergenz auch dann bestehen, wenn die inmitten stehende Rechtsfrage zwar nicht ausdrücklich erörtert worden ist, die frühere Entscheidung jedoch von ihrer Bejahung oder Verneinung begrifflich notwendig abhängt, so dass sie auf einer stillschweigenden Stellungnahme zu ihr beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1957 – 4 StR 395/57, BGHSt 11, 31, 34). Der Senat fragt daher gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beim 2. und 3. Strafsenat an, ob an etwa entgegenstehender Rechtsprechung im Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13 – bzw. im Urteil vom 4. September2014 – 3 StR 437/12 – festgehalten wird.
Sander Schneider Dölp
König Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3AR s 2 8 / 1 4
vom
20. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel
hier: Anfragebeschluss des 5. Strafsenats vom 5. November 2014 (5 StR 107/14)
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Januar 2015 gemäß
§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die beabsichtigte Entscheidung des 5. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 3. Strafsenats, der an dieser festhält.

Gründe:

1
Der 5. Strafsenat hat über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden , der vom Landgericht wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in 87 Fällen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist. Der 5. Strafsenat hält die Verurteilung im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Arzneimittelbegriff (Urteil vom 10. Juli 2014 - C-358/13 und C-181/14, NStZ 2014, 461) für rechtsfehlerhaft. Er sieht sich an einem Freispruch jedoch gehindert, weil - insoweit unproblematisch - die von dem Angeklagten vertriebenen Kräutermischungen teilweise bereits zur Tatzeit in Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG) aufgenommene synthetische Cannabinoide enthielten und im Übrigen eine Strafbarkeit wegen gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen unter Verwendung nicht zugelassener Stoffe (§ 52 Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 VTabakG) in Betracht komme (BGH, Beschluss vom 5. November 2014 - 5 StR 107/14, juris). Der 5. Strafsenat beabsichtigt deshalb wie folgt zu entscheiden: "Das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von zum Rauchen bestimmten Kräutermischungen, denen nicht in die Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommene synthetische Cannabinoide zugesetzt sind, kann nach § 52 Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 VTabakG strafbar sein."
2
Hieran sieht er sich jedoch durch nicht ausschließbar entgegenstehende Rechtsprechung des 3. Strafsenats gehindert (Senat, Urteil vom 4. September 2014 - 3 StR 437/12, juris).
3
Das in Bezug genommene Urteil steht der beabsichtigten Entscheidung des 5. Strafsenats entgegen (I.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest (II.).
4
I. In dem Urteil vom 4. September 2014 (3 StR 437/12, juris) hat der Senat zu einer Strafbarkeit nach dem Vorläufigen Tabakgesetz (VTabakG) nicht ausdrücklich Stellung genommen. Voraussetzung des Freispruchs hinsichtlich des dem dortigen Angeklagten zur Last gelegten Verkaufs von sog. Kräutermischungen war jedoch die Verneinung einer Strafbarkeit nach dem VTabakG. Diese hat der Senat - stillschweigend - vorgenommen.
5
II. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.
6
1. Kräutermischungen, denen synthetische Cannabinoide zugesetzt sind und die geraucht werden, um sich dadurch in einen mit dem Konsum von Marihuana vergleichbaren Rauschzustand zu versetzen, stellen keine Tabakerzeugnisse oder - diesen gleichgestellte - Tabakerzeugnissen ähnliche Waren dar, denn sie sind nicht im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 Nr. 1 VTabakG zum Rauchen bestimmt. Die Verbots- und Strafvorschriften der §§ 20, 52 VTabakG sind deshalb nicht anwendbar. Hierzu gilt:
7
Wie auch der Vorlegungsbeschluss nicht verkennt, sind Betäubungsmittel keine Tabakerzeugnisse (Zipfel/Sosnitza/Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht , 145. Erg. Lfg., § 3 VTabakG Rn. 10; Rohnfelder/Freytag in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 196. Erg. Lfg., § 3 VTabakG Rn. 1). Dies ist für solche Stoffe allgemein anerkannt, die - wie etwa Cannabisprodukte oder Heroin - aufgrund ihrer Aufnahme in Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG als Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sind, beschränkt sich aber nicht auf diese. Denn der Grund, warum Betäubungsmittel nicht zu den Tabakerzeugnissen oder den diesen ähnlichen Waren zählen, liegt darin, dass es ihnen an der erforderlichen Zweckbestimmung im Sinne von § 3 VTabakG selbst dann fehlt, wenn sie tatsächlich geraucht werden (Zipfel/Sosnitza/Rathke aaO):
8
Das Vorläufige Tabakgesetz bezweckt den Schutz der Gesundheit von Verbrauchern vor Gefahren, die mit dem Konsum von Tabakerzeugnissen und diesen ähnlichen Waren verbunden sind. Dies ergibt sich schon aus der Entstehungsgeschichte der Regelungen über Tabakerzeugnisse, die zunächst in das Lebensmittelgesetz und ab dem Jahr 1974 in das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz eingegliedert waren; insoweit sollten die Regelungen den Gesundheitsschutz verstärken, ohne die "wirtschaftliche Entwicklung", mithin den Vertrieb solcher Produkte, unnötig einzuschränken (vgl. etwa BT-Drucks. 7/255, S. 23). Auch die mit den Vorschriften des Vorläufigen Tabakgesetzes korrespondierenden europarechtlichen Regelungen bezwecken nicht allgemein den Gesundheitsschutz, sondern den Schutz "der menschlichen Gesundheit durch Verringerung der Gesundheitsschäden infolge von Tabakmissbrauch" (vgl. etwa Art. 1 der Richtlinie 89/622/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung von Tabakerzeugnissen; gleichlau- tend nunmehr: Art. 1 der Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen, im Folgenden EG-Tabak-Richtlinie), ohne allerdings solche Produkte schlechthin zu verbieten. Sie werden vielmehr allgemein als marktgängige Genussmittel angesehen; Handelshemmnisse sollen durch die Harmonisierung der Regelungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union beseitigt werden (vgl. etwa Erwägungsgrund Nr. 3 der EG-TabakRichtlinie

).


9
Angesichts dieses Regelungszusammenhangs kann die Zweckbestimmung "zum Rauchen" etc. nicht von dem Begriff der Tabakerzeugnisse getrennt betrachtet werden. Vielmehr definiert § 3 Abs. 1 VTabakG - in inhaltlicher Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 1 EG-Tabak-Richtlinie - Tabakerzeugnisse als "aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellte Erzeugnisse, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind". Den Tabakerzeugnissen ähnliche Waren im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG sind folglich nur solche, die Tabakerzeugnisse in einer ihrer Verwendungsarten ersetzen sollen (Rohnfelder/Freytag aaO, § 3 VTabakG Rn. 9). Betäubungsmittel sollen aber, selbst wenn sie geraucht werden , nicht ein Tabakerzeugnis ersetzen; sie werden vielmehr konsumiert, um sich mittels der darin enthaltenen psychotropen Substanzen in einen Rauschzustand zu versetzen.
10
Nichts anderes gilt für die mit synthetischen Cannabinoiden versetzten Kräutermischungen: Sie stellen kein Tabakerzeugnis im Sinne von § 3 Abs. 1 VTabakG dar, weil sie nicht aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellt werden. Sie sind keine den Tabakerzeugnissen ähnliche Wa- ren im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG, weil sie nicht als Ersatz für Tabakerzeugnisse , sondern zur Erreichung eines anderen Zweckes - der Versetzung in einen mit Tabakerzeugnissen nicht zu erreichenden Rauschzustand - geraucht werden.
11
2. Selbst wenn man die mit synthetischen Cannabinoiden versetzten Kräutermischungen entgegen der obigen Darlegungen als tabakähnliche Waren auffassen wollte, wären sie jedenfalls in dem vom Senat entschiedenen Fall nicht zum Rauchen bestimmt gewesen.
12
Ausweislich der im Urteil des Senats wiedergegebenen Feststellungen des Landgerichts waren die Kräutermischungen mit dem Hinweis versehen, es handele sich um Raumerfrischer, der Inhalt der verkauften Tütchen sei nicht zum menschlichen Verzehr geeignet (BGH, Urteil vom 4. September 2014 - 3 StR 437/12, juris Rn. 5).
13
Damit fehlt es an der von § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG vorausgesetzten Zweckbestimmung. Das Merkmal "bestimmt" ist wie bei der Definition der Lebensmittel im früheren § 1 LMBG bzw. wie nunmehr in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (im Folgenden: EG-Lebensmittel-BasisVO) auszulegen (Zipfel/Sosnitza/Rathke aaO, § 3 VTabakG Rn. 8). Bei der Definition des Lebensmittels ist - wie bei den Tabakerzeugnissen - maßgeblich auf die Zweckbestimmung abzustellen; damit ist die vorgesehene Verwendung gemeint, wie sie im Verkehr bei natürlicher Betrachtungsweise durch einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen Verbraucher erkennbar ist (Rathke in Zipfel/Rathke, aaO, 150. Erg. Lfg., Art. 2 EG-Lebensmittel-BasisVO Rn. 23; G/J/W/Sackreuther, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht , vor §§ 58-61 LFBG Rn. 38 mwN). Ein durchschnittlicher Verbraucher wird indes bei der Bezeichnung einer Ware als - nicht zum menschlichen Verzehr geeignetem - "Raumerfrischer" nicht davon ausgehen, dass diese zum Rauchen bestimmt sei. Auf den möglichen Kenntnisstand eingeweihter Kunden eines Verkäufers solcher Kräutermischungen über die tatsächliche Bestimmung kommt es nicht an.
14
Ebensowenig kann darauf abgestellt werden, ob es nach vernünftigem Ermessen zu erwarten ist, dass solche Kräutermischungen geraucht werden. Denn diese in Art. 2 Abs. 1 EG-Lebensmittel-BasisVO aufgenommene Erweiterung über die Zweckbestimmung hinaus ist in der Definition der Tabakerzeugnisse bzw. der tabakähnlichen Waren im Sinne von § 3 VTabakG nicht enthalten (Zipfel/Sosnitza/Rathke aaO, § 3 VTabakG Rn. 8). Eine entsprechende Auslegung zur Begründung der Strafbarkeit kommt schon aufgrund der Gewährleistung aus Art. 103 Abs. 2 GG nicht in Betracht.
Becker RiBGH Pfister befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 434/14
vom
23. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel
hier: Anfragebeschluss des 5. Strafsenats vom 5. November 2014
- 5 StR 107/14 - gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG
ECLI:DE:BGH:2015:231215B2ARS434.14.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Dezember 2015 beschlossen :
Der beabsichtigten Entscheidung des 5. Strafsenats steht Rechtsprechung des 2. Strafsenats nicht entgegen. An eventuell früher abweichender Rechtsprechung hält der Senat nicht fest.

Gründe:


1
Der 5. Strafsenat hat in dem Verfahren 5 StR 107/14 über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden, der vom Landgericht wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in 87 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden ist. Zugrunde liegt ein Fall, in dem der Angeklagte Kräutermischungen aus getrocknetem Pflanzenmaterial in Verkehr gebracht hat, denen verschiedene, dem Betäubungsmittelgesetz zum damaligen Zeitpunkt weitgehend noch nicht unterliegende synthetische Cannabinoide zugesetzt waren. Einen therapeutischen oder medizinisch-prophylaktischen Nutzen für die Gesundheit der Konsumenten hatten die Kräutermischungen nicht.
2
Der 5. Strafsenat ist der Auffassung, die vom Angeklagten vertriebenen Kräutermischungen könnten im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in dessen Urteil vom 10. Juli 2014 – C-358/13 und C-181/14 (NStZ 2014, 461) nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG angesehen werden. Deshalb könne der Schuldspruch keinen Bestand haben. Er meint aber, soweit nicht das Betäubungsmittelgesetz Anwendung finde, sei das Inverkehrbringen der Kräutermischungen als Vergehen gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG anzusehen. Es handele sich bei den Kräutermischungen um den Ta- bakerzeugnissen ähnliche Waren; denn diese seien zum Rauchen bestimmt. Der Vorgang sei dem Rauchen von Zigaretten ähnlich, ohne dass es darauf ankomme, ob die verwendeten Stoffe mit Tabakerzeugnissen verwechselbar seien. Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG komme es nicht darauf an, dass der Konsument zusätzlich zum Erlebnis des Rauchens eine Rauschwirkung erzielen wolle. Der Normzweck des Gesundheitsschutzes gebiete die Einbeziehung der Kräutermischungen in den Begriff der tabakähnlichen Erzeugnisse im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG. Nur Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes seien vorrangig nach Betäubungsmittelrecht zu beurteilen und deshalb nicht dem Tabakrecht unterworfen.
3
Der 5. Strafsenat fragt an, ob Rechtsprechung des Senats, insbesondere dessen Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13, entgegensteht. Dies ist nicht der Fall; vorsorglich gibt der Senat entgegenstehende Rechtsprechung auf.
4
Der Senat stimmt mit dem 5. Strafsenat darin überein, dass der Begriff des Funktionsarzneimittels auch voraussetzt, dass das Mittel – unbeschadet eventueller gesundheitsschädlicher Nebenfolgen – jedenfalls unter anderem auch eine positive Wirkung auf die Gesundheit hat oder haben soll.
5
Zu den Funktionsarzneimitteln zählen alle Stoffe und Stoffzubereitungen , die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen , zu korrigieren oder zu beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AMG). Das Produkt muss die Körperfunktionen nachweisbar und in nennenswerter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen können, wobei auf dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch abzustellen ist. Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 10. Juli 2014 - C-358/13 und C-181/14 – (NStZ 2014, 461 ff.) sind aber solche Stoffe oder Stoffzusammensetzungen keine Funktionsarzneimittel, deren Wirkung sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränkt , ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein.
6
Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. November 2014 – 3 C 25/13, 26/13, 27/13, NVwZ 2015, 425 ff., 749 ff., PharmR 2015, 252, 257 ff.) und derjenigen des Senats (Urteil vom 23. Dezember 2015 - 2 StR 525/13).
7
Dementsprechend hat der Senat durch seinen Beschluss vom 13. August 2014 - 2 StR 22/13 - auf einen nach dem Vorabentscheidungsverfahren geänderten Antrag des Generalbundesanwalts die Verurteilung eines Angeklagten gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG aufgehoben. In einer Reihe von Fällen, in denen der Angeklagte jenes Verfahrens weder nach dem Arzneimittelgesetz noch nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt werden konnte, hat es ihn freigesprochen.
8
Über die weitere Frage, ob eine Verurteilung nach § 52 VTabakG in Betracht kommt, hat der Senat dort nicht ausdrücklich entschieden. Diese Frage wurde in jenem Fall weder vom Landgericht noch von der Revision, dem Generalbundesanwalt oder dem Senat ausdrücklich thematisiert.
9
Zugrunde lag folgende Feststellung des Tatgerichts: „Auf den Päck- chen befand sich der Hinweis, dass die Kräutermischung nicht zum menschlichen Konsum, sondern nur zum Verräuchern bestimmt sei. Allerdings wusste der Angeklagte, dass seine Kunden die Kräutermischungen zum Rauchen in Form von Joints oder mittels Wasserpfeife erwarben. Ein Verräuchern im Sinne einer Raumerfrischung war eine völlig zu vernachlässigende Verwendungswei- se.“
10
Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG stehen den Tabakerzeugnissen ähnliche Waren den Tabakerzeugnissen gleich, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind. Welche Anforderungen an die Eigenschaften von tabakähnlichen Waren oder deren Zweckbestimmung zu stellen sind (einschränkend BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 – 3 ARs 28/14, NStZ-RR 2015, 142, 143 f.), hat der Senat in seinem Beschluss vom 13. August 2014 - 2 StR 22/13 - nicht entschieden. Soweit damit angedeutet sein könnte, dass die §§ 3 Abs. 2, 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG auf ein Rauchen von Kräutermischungen nicht anwendbar seien, würde der Senat mehrheitlich daran nicht festhalten wollen. Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel

(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,

1.
die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder
2.
die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder
a)
die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder
b)
eine medizinische Diagnose zu erstellen.

(2) Als Arzneimittel gelten Gegenstände, die ein Arzneimittel nach Absatz 1 enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach Absatz 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Berührung gebracht zu werden.

(3) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
Tierarzneimittel im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43; L 163 vom 20.6.2019, S. 112; L 326 vom 8.10.2020, S. 15; L 241 vom 8.7.2021, S. 17) und veterinärmedizintechnische Produkte nach § 3 Absatz 3 des Tierarzneimittelgesetzes,
2.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist,
3.
kosmetische Mittel im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a auch in Verbindung mit Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59; L 318 vom 15.11.2012, S. 74; L 72 vom 15.3.2013, S. 16; L 142 vom 29.5.2013, S. 10; L 254 vom 28.8.2014, S. 39; L 17 vom 21.1.2017, S. 52; L 326 vom 9.12.2017, S. 55; L 183 vom 19.7.2018, S. 27; L 324 vom 13.12.2019, S. 80; L 76 vom 12.3.2020, S. 36), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1966 (ABl. L 307 vom 28.11.2019, S. 15) geändert worden ist,
4.
Erzeugnisse im Sinne des § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes,
5.
Biozid-Produkte nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1; L 303 vom 20.11.2015, S. 109; L 305 vom 21.11.2015, S. 55; L 280 vom 28.10.2017, S. 57), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2021/407 (ABl. L 81 vom 9.3.2021, S. 15) geändert worden ist,
6.
Futtermittel im Sinne des Artikels 3 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
7.
Medizinprodukte und Zubehör für Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 und 4 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; L 117 vom 3.5.2019, S. 11; L 334 vom 27.12.2019, S. 167) in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 Buchstabe b,
8.
Organe im Sinne des § 1a Nr. 1 des Transplantationsgesetzes, wenn sie zur Übertragung auf menschliche Empfänger bestimmt sind.

(3a) Arzneimittel sind auch Erzeugnisse, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder enthalten, die unter Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 fallen können.

(4) Solange ein Mittel nach diesem Gesetz als Arzneimittel zugelassen oder registriert oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist, gilt es als Arzneimittel. Hat die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung oder Registrierung eines Mittels mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um kein Arzneimittel handelt, so gilt es nicht als Arzneimittel.

3
2. Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt: „Auf die Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Mai 2013 (3 StR 437/12) und des 5. Strafsenats vom 8. April 2014 (5 StR 107/14) hat der Gerichtshof der Europäischen Union in den verbundenen Rechtssachen C-358/13 und C-181/14 mit Urteil vom 10. Juli 2014 entschieden: 'Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen , dass davon Stoffe wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht erfasst werden, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken , ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein, die nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und die dabei gesundheitsschädlich sind.' Diese Auslegung bedeutet für das vorliegende Verfahren, dass die vom Angeklagten gehandelten Kräutermischungen mit aufgebrachten synthetischen Cannabinoiden (entgegen der Auffassung des Landgerichts) nicht als Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I 1990), mit dem der Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 AMG grundlegend neu gefasst und dabei der europarechtliche Arzneimittelbegriff zur Umsetzung der Richtlinie in das AMG übernommen wurde, angesehen werden können, das Handeln des Angeklagten mithin nicht der Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG unterfällt. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die Stoffe nicht zu therapeutischen Zwecken, sondern ausschließlich zur Erzielung einer berauschenden Wirkung mit dem Gefühl der Entspannung und einer veränderten Bewusstseinslage mit Verstärkung positiver Empfindungen konsumiert und waren dabei gesundheitsschädlich (UA S. 8/9).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR403/14
vom
4. November 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: fahrlässiger Tötung u.a.
zu 2.: Beihilfe zum vorsätzlichen Inverkehrbringen bedenklicher
Arzneimittel
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer – zu 1.a) und 2.a) mit deren jeweiliger
Zustimmung – am 4. November 2015 gemäß § 153 Abs. 2, § 154a Abs. 2,
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. a) Das Verfahren gegen den Angeklagten K. wird gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.

b) Die Kosten des diesen Angeklagten betreffenden Verfahrens und die diesem hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

c) Der Antrag des Angeklagten K. , ihm Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen zu gewähren, wird abgelehnt.
2. Auf die Revision des Angeklagten T. gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 25. Februar 2014 wird
a) die Verfolgung, soweit dem Angeklagten T. vorsätzliches Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zur Last liegt, gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der fahrlässigen Tötung beschränkt;
b) das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurde sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Anordnung des Verfalls von Wertersatz.

c) Die weiter gehende Revision des Angeklagten T. wird verworfen.

d) Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens eines Nahrungsergänzungsmittels ohne ausreichende Kennzeichnung und wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 400.000 € angeordnet. Den Angeklagten K. hat es wegen Beihilfe zum vorsätzlichen Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richten sich die Rechtsmittel der Angeklagten. Diese führen zur Einstellung des Verfahrens hinsichtlich des Angeklagten K. gemäß § 153 Abs. 2 StPO und zu einer Verfahrensbeschränkung bezüglich des Angeklagten T. gemäß § 154a Abs. 2 StPO. Im verbleibenden Umfang hat das Rechtsmittel des Angeklagten T. hinsichtlich der Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung, des Ausspruchs über die Gesamtstrafe sowie der Anordnung des Verfalls von Wertersatz Erfolg.

I.


2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen vertrieb der Angeklagte T. über das Internet sog. Legal-Highs, also noch nicht der Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende synthetische Cannabinoide (insbes. JWH 210). Dies unterstützte der insbesondere für den „EDV- Bereich“ verantwortliche Angeklagte K. , indem er unter anderem die jeweiligen Internetseiten einrichtete bzw. überarbeitete und die „Buchfüh- rung“ übernahm. Vom 17. Dezember 2010 bis zum 6. März 2012 erzielte der Angeklagte T. durch den Verkauf der synthetischen Cannabinoide an über 10.000 Abnehmer einen Umsatz von mehr als 800.000 €.
3
Beiden Angeklagten war bewusst, dass die vertriebenen Substanzen von ihren Kunden als Ersatz für Marihuana geraucht werden, um sich in einen Rausch zu versetzen. Die Nebenwirkungen der verkauften synthetischen Cannabinoide waren ihnen bekannt; die Gefahr von Gesundheitsschäden ihrer Abnehmer und Konsumenten interessierte sie aber nicht. Schädliche Wirkungen bis hin zu lebensgefährlichen Folgen für die Konsumenten nahmen sie in Kauf, hofften aber, dass nichts passieren werde, obwohl der Angeklagte T. von erheblichen gesundheitlichen Folgen auch unter seinen Abnehmern Kenntnis erlangt hatte. Ihm kam es vielmehr darauf an, innerhalb kürzester Zeit viel Geld zu verdienen und „richtig Kasse“ zu machen. Er vertrieb die synthetischen Cannabinoide als Badesalz bzw. Kräutermischung und unterließ dabei „zielgerich- tet“ Hinweise auf die enthaltene Substanz, die Wirkungsweise, die Dosierung oder die Nebenwirkungen, obwohl er sich von seinen Lieferanten Auflistungen der Inhaltsstoffe geben ließ, um „unter gezielter Umgehung der Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes tätig zu werden“.
4
Nach dem Verkauf von 2 g einer solchen Substanz an den langjährig drogenabhängigen W. durch den Angeklagten T. und dem Konsum (durch Rauchen) verstarb W. am 15. Februar 2012 an einer Speisebreiaspiration und einer Atemdepression, welche durch den Konsum des JWH 210 mitverursacht wurden.
5
Daneben verkaufte der Angeklagte im März 2012 an zwei Abnehmer jeweils sechs sog. Kick-Speed-Kapseln, die die Vitamine B 6 und B 12 enthielten. Auch bei diesen unterließ er „zielgerichtet jegliche Produktinformation“, obwohl ihm diese bekannt war.
6
2. Das Landgericht bewertete den Handel mit den synthetischen Cannabinoiden beim Angeklagten T. als vorsätzliches Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel und stützte dies darauf, dass sie als Arzneimittel ent- wickelt worden seien und diese „Eigenschaft“ später auch nicht verloren hätten. Hierzu habe der Angeklagte K. Beihilfe geleistet. Beim Angeklagten T. stehe die fahrlässige Tötung von W. mit dem vorsätzlichen Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel in Tateinheit. Wegen des Verkaufs der Kick-Speed-Kapseln sei der Angeklagte T. ferner des vorsätzlichen Inverkehrbringens eines Nahrungsergänzungsmittels ohne ausreichende Kennzeichnung schuldig.

II.


7
1. Der Senat teilt mit dem Europäischen Gerichtshof und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht die Ansicht des Landgerichts, dass es sich bei den nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterfallenden synthetischen Cannabinoiden (insbes. JWH 210) um Arzneimittel handelt.
8
Die Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz setzt voraus, dass es sich bei den synthetischen Cannabinoiden um Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Arzneimittelgesetz handelt. Hierfür wiederum ist entscheidend , wie der dieser Vorschrift zugrundeliegende, nahezu wortgleiche Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung auszulegen ist. Denn der deutsche Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990) den nationalen Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 AMG grundlegend neu gefasst und dabei in Umsetzung der genannten Richtlinien den europarechtlichen Arzneimittelbegriff gemäß Art. 1 Nr. 2 Buchstabe a) und b) der Richtlinie 2001/83/EG in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung in das deutsche Arzneimittelgesetz implementiert (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 – 3 StR 437/12, NStZ-RR 2014, 180, 181).
9
Dies hat das Landgericht an sich zutreffend erkannt, aber den Begriff des Arzneimittels dabei in einer Weise ausgelegt, wie es mit dem unionsrechtlichen Arzneimittelbegriff nicht vereinbar ist. Die Auslegung des europäischen Rechts, mithin der Frage, wann es sich bei einem Stoff oder Stoffzusammensetzungen, die einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologi- sche oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen, um ein Arzneimittel im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchstabe b) der genannten Richtlinie handelt, obliegt der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.
10
Dieser hat in dem Urteil vom 10. Juli 2014 (Rechtssachen C-358/13 und C-181/14, NStZ 2014, 461) Art. 1 Nr. 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/83/EG dahin ausgelegt, dass der Begriff des Arzneimittels keine Stoffe erfasse, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränkten, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein, die vielmehr nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und die dabei gesundheitsschädlich sind.
11
In diesem Sinne legt der Bundesgerichtshof nunmehr auch die Art. 1 Nr. 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/83/EG fast wortgenau entsprechende Regelung des nationalen Rechts zum Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) AMG aus. Danach fehlt in den vorliegenden Fällen den synthetischen Cannabinoiden die Arzneimitteleigenschaft (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Juli 2014 – 1 StR 47/14, NStZ-RR 2014, 312; vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13; Urteil vom 4. September 2014 – 3 StR 437/12, BGHR AMG § 95 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittel 5, wobei die Entscheidungen vom 13. August 2014 und vom 4. September 2014 unter anderem auch JWH 210 betreffen).
12
Da JWH 210 erst durch die 26. BtMÄndV vom 20. Juli 2012 (BGBl. I S. 1639) mit Wirkung ab 1. Januar 2013, also nach dem Tatzeitraum, dem Betäubungsmittelbegriff unterstellt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13), scheidet auch eine Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz aus.
13
2. Im Hinblick auf das derzeit stattfindende Anfrageverfahren gemäß § 132 Abs. 3 GVG kommt jedoch in Betracht, dass sich die Angeklagten nach § 52 Abs. 1 des Vorläufigen Tabakgesetzes (VTabakG) bzw. Beihilfe hierzu strafbar gemacht haben (vgl. dazu einerseits BGH, Beschluss vom 5. November 2014 – 5 StR 107/14, NStZ 2015, 597, andererseits BGH, Beschluss vom 20. Januar 2015 – 3 ARs 28/14, NStZ-RR 2015, 142).
14
3. Insofern stellt der Senat das Verfahren gegen den Angeklagten K. mit Zustimmung des Generalbundesanwalts und dieses Angeklagten gemäß § 153 Abs. 2 StPO ein.
15
Eine Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung erscheint nicht sachgerecht, da selbst im Falle einer erneuten Verurteilung die Schuld des bisher nicht bestraften, sozial eingegliederten Angeklagten gering ist. Da das ihm zur Last gelegte Geschehen bereits mehrere Jahre zurückliegt und derzeit nicht abzusehen ist, wann und wie das Anfrageverfahren abgeschlossen wird, besteht auch unter Berücksichtigung der relativ geringen Strafdrohung des § 52 Abs. 1 VTabakG kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung mehr.
16
Eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) ist dem Angeklagten K. nicht zu gewähren. Denn bei einer Einstellung gemäß § 153 StPO ist eine solche Entschädigung regelmäßig nicht vorgesehen (vgl. §§ 1, 2 StrEG) und kann nur ausnahmsweise gewährt werden, wenn dies nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht (§ 3 StrEG). Das ist jedoch nicht der Fall. Zwar streitet auch insofern für den Angeklagten K. die Unschuldsvermutung. Jedoch bleibt der Tatverdacht, dessen Unrechtsgehalt wesentlich durch seine Handlungen bestimmt wird, trotz der oben aufgeführten Milderungsgründe und der geringeren Strafrahmenobergrenze des § 52 Abs. 1 VTabakG auch unter Berücksichtigung bloßer Beihilfe weiterhin erheblich und wird geprägt durch die einen langen Zeitraum umfassenden gewichtigen Tatbeiträge, die – jedenfalls objektiv, aber auch subjektiv vorhersehbar und vorhergesehen – zur Gefahr erheblicher Gesundheitsschäden bei den Abnehmern der synthetischen Cannabinoide geführt haben. Die Mitwirkung an der Gefährdung der Gesundheit von mehr als 10.000 Menschen und die hierdurch drohende finanzielle Belastung der Allgemeinheit gebieten es vor diesem Hintergrund nicht, den Staat zu einer „Billigkeitsentschädigung“ nach § 3 StrEG zugunsten des Angeklagten K. zu verpflichten.
17
4. Beim Angeklagten T. beschränkt der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Verfolgung hinsichtlich des Vorwurfs des vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung aus den oben dargelegten Gründen gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der fahrlässigen Tötung (zur Anwendbarkeit von § 154a Abs. 2 StPO, wenn ein Urteil in angemessener Frist nicht zu erwarten ist: BGH, Beschluss vom 21. Mai 2015 – 3 StR 575/14).
18
Nicht bestehen bleiben kann der Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung. Denn diesen stützt die Strafkammer schon hinsichtlich der Missachtung der gebotenen Sorgfalt auf die Verletzung der Strafnorm des § 95 Abs. 1 AMG (UA S. 65).
19
Der Wegfall des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Tötung und infolgedessen der für diese Tat verhängten Einzelstrafe hat die Aufhebung der Gesamtstrafe sowie der Anordnung des Verfalls von Wertersatz zur Folge.
20
Hinsichtlich der Verurteilung wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens eines Nahrungsergänzungsmittels ohne ausreichende Kennzeichnung weist das Urteil keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO; vgl. zu der zur Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer erhobenen Verfahrensrüge: BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 3 StR 196/11, BGHSt 57, 3, 12 [zur vergleichbaren Problematik bei § 74a Abs. 1 Nr. 4 GVG]). Da die hierfür verhängte Strafe (50 Tagessätze zu je 15 €) nach den Urteilsausführungen nicht beeinflusst ist von der für das vorsätzliche Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung verhängten Freiheitsstrafe , kann diese bestehen bleiben.
21
Da mithin eine Straftat nach dem Lebensmittelrecht (§ 74c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GVG) nicht mehr zur Aburteilung steht, verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 354 Rn. 42 mwN).

III.


22
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass eine Strafbarkeit des Angeklagten T. wegen fahrlässiger Tötung auch davon abhängt, ob sich W. eigen- bzw. freiverantwortlich zum Konsum der „Kräutermischung“ entschloss. Hieran kann es fehlen und deshalb eine zur Täterschaft des Angeklagten führende – normativ zu bestimmende – Handlungsherrschaft gegeben sein, wenn er kraft überlegenen Fachwissens das Risiko besser erfasst als der sich selbst Gefährdende oder Verletzende (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 StR 47/14 NStZ-RR 2014, 312, 313; zur Verschreibung von Betäubungsmitteln durch einen Arzt im Rahmen einer Substitutionsbehandlung auch BGH, Beschluss vom 16. Januar 2014 – 1 StR 389/13, BGHR StGB § 227 Beteiligung 4; zur Gefährlichkeit synthe- tischer Cannabinoide: BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Quentin
15
b) In Übereinstimmung mit der Auslegung des Gerichtshofes der Europäischen Union, an die der Senat im vorliegenden Verfahren gebunden ist (vgl. Karpenstein in GHN, 50. Lfg., Art. 267 AEUV, Rn. 102 mwN), ist folglich auch § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG, der Art. 1 Nr. 2 Buchst. b RL Humanarzneimittel nahezu wortgleich wiedergibt und die Richtlinie so in deutsches Recht umsetzt, dahin auszulegen, dass von dem nationalen Arzneimittelbegriff die verfahrensgegen- ständlichen synthetischen Cannabinoide nicht erfasst werden: Denn sie sind zwar geeignet, die physiologischen Funktionen zu beeinflussen, sie sind aber dem Funktionieren des menschlichen Organismus und damit der Gesundheit nicht zuträglich. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts wurden sie vielmehr nur ihrer Rauschwirkung wegen konsumiert und entfalteten lediglich gesundheitsschädliche Wirkungen.
3
2. Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt: „Auf die Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Mai 2013 (3 StR 437/12) und des 5. Strafsenats vom 8. April 2014 (5 StR 107/14) hat der Gerichtshof der Europäischen Union in den verbundenen Rechtssachen C-358/13 und C-181/14 mit Urteil vom 10. Juli 2014 entschieden: 'Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen , dass davon Stoffe wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht erfasst werden, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken , ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein, die nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und die dabei gesundheitsschädlich sind.' Diese Auslegung bedeutet für das vorliegende Verfahren, dass die vom Angeklagten gehandelten Kräutermischungen mit aufgebrachten synthetischen Cannabinoiden (entgegen der Auffassung des Landgerichts) nicht als Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I 1990), mit dem der Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 AMG grundlegend neu gefasst und dabei der europarechtliche Arzneimittelbegriff zur Umsetzung der Richtlinie in das AMG übernommen wurde, angesehen werden können, das Handeln des Angeklagten mithin nicht der Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG unterfällt. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die Stoffe nicht zu therapeutischen Zwecken, sondern ausschließlich zur Erzielung einer berauschenden Wirkung mit dem Gefühl der Entspannung und einer veränderten Bewusstseinslage mit Verstärkung positiver Empfindungen konsumiert und waren dabei gesundheitsschädlich (UA S. 8/9).

(1) Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies

1.
nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen der Wirkungsweise eines Stoffes, vor allem im Hinblick auf das Hervorrufen einer Abhängigkeit,
2.
wegen der Möglichkeit, aus einem Stoff oder unter Verwendung eines Stoffes Betäubungsmittel herstellen zu können, oder
3.
zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Verkehrs mit Betäubungsmitteln oder anderen Stoffen oder Zubereitungen wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit
erforderlich ist. In der Rechtsverordnung nach Satz 1 können einzelne Stoffe oder Zubereitungen ganz oder teilweise von der Anwendung dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung ausgenommen werden, soweit die Sicherheit und die Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs gewährleistet bleiben.

(3) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt in dringenden Fällen zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Stoffe und Zubereitungen, die nicht Arzneimittel oder Tierarzneimittel sind, in die Anlagen I bis III aufzunehmen, wenn dies wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit erforderlich ist. Eine auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassene Verordnung tritt nach Ablauf eines Jahres außer Kraft.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesministerium) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III oder die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu ändern, soweit das auf Grund von Änderungen der Anhänge zu dem Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Februar 1977 (BGBl. II S. 111) und dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe (BGBl. 1976 II S. 1477) (Internationale Suchtstoffübereinkommen) oder auf Grund von Änderungen des Anhangs des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der durch die Richtlinie (EU) 2017/2103 (ABl. L 305 vom 21.11.2017, S. 12) geändert worden ist, erforderlich ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

3
2. Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt: „Auf die Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Mai 2013 (3 StR 437/12) und des 5. Strafsenats vom 8. April 2014 (5 StR 107/14) hat der Gerichtshof der Europäischen Union in den verbundenen Rechtssachen C-358/13 und C-181/14 mit Urteil vom 10. Juli 2014 entschieden: 'Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen , dass davon Stoffe wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht erfasst werden, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken , ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein, die nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und die dabei gesundheitsschädlich sind.' Diese Auslegung bedeutet für das vorliegende Verfahren, dass die vom Angeklagten gehandelten Kräutermischungen mit aufgebrachten synthetischen Cannabinoiden (entgegen der Auffassung des Landgerichts) nicht als Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I 1990), mit dem der Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 AMG grundlegend neu gefasst und dabei der europarechtliche Arzneimittelbegriff zur Umsetzung der Richtlinie in das AMG übernommen wurde, angesehen werden können, das Handeln des Angeklagten mithin nicht der Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG unterfällt. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die Stoffe nicht zu therapeutischen Zwecken, sondern ausschließlich zur Erzielung einer berauschenden Wirkung mit dem Gefühl der Entspannung und einer veränderten Bewusstseinslage mit Verstärkung positiver Empfindungen konsumiert und waren dabei gesundheitsschädlich (UA S. 8/9).

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 4 Absatz 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 2, eine Zigarette herstellt oder in den Verkehr bringt,
2.
entgegen § 5 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 eine Zigarette, Tabak zum Selbstdrehen oder ein erhitztes Tabakerzeugnis in den Verkehr bringt,
3.
entgegen § 5 Absatz 1 Nummer 2 Filter, Papier oder eine Kapsel in den Verkehr bringt,
4.
entgegen
a)
§ 5 Absatz 1 Nummer 3 oder 4 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 oder 4,
b)
§ 8 Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 8 Absatz 2 Nummer 2 oder
c)
§ 11
ein Tabakerzeugnis in den Verkehr bringt,
5.
einer Rechtsverordnung nach § 9 oder § 26 Absatz 1 Nummer 4 oder einer vollziehbaren Anordnung aufgrund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist,
6.
ohne Zulassung nach § 12 Absatz 1 ein neuartiges Tabakerzeugnis in den Verkehr bringt,
7.
entgegen
a)
§ 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 13 Absatz 2,
b)
§ 13 Absatz 1 Nummer 2 oder 3 oder
c)
§ 14 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 oder 3 Satz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 14 Absatz 3 Satz 2
eine elektronische Zigarette oder einen Nachfüllbehälter in den Verkehr bringt,
8.
entgegen
a)
§ 18 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 25 Absatz 2 Satz 1,
b)
§ 18 Absatz 1 Nummer 2 oder
c)
§ 23 Absatz 2 Nummer 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 23 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder d
ein Erzeugnis in den Verkehr bringt,
9.
entgegen § 18 Absatz 2 Satz 1, auch in Verbindung mit § 18 Absatz 4 oder 5 Satz 1, ein Tabakerzeugnis, eine elektronische Zigarette, einen Nachfüllbehälter oder ein pflanzliches Raucherzeugnis in den Verkehr bringt,
10.
entgegen § 18 Absatz 3, auch in Verbindung mit § 18 Absatz 4, ein Tabakerzeugnis, eine elektronische Zigarette oder einen Nachfüllbehälter in den Verkehr bringt,
11.
entgegen § 18 Absatz 5 Satz 2 ein pflanzliches Raucherzeugnis in den Verkehr bringt,
12.
entgegen § 22 Absatz 1 Nummer 1 ein Altersüberprüfungssystem nicht oder nicht richtig verwendet,
13.
ohne Registrierung nach § 22 Absatz 1 Nummer 2 Fernabsatz betreibt oder
14.
entgegen § 24 oder § 26 Absatz 2 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 26 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 oder 5 einen Bedarfsgegenstand in den Verkehr bringt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Union zuwiderhandelt, die inhaltlich

1.
einem in Absatz 1 Nummer 1 bis 4 Buchstabe a oder Nummer 7 genannten Gebot oder Verbot entspricht, oder
2.
einer Regelung entspricht, zu der die in Absatz 1 Nummer 5 genannten Vorschriften ermächtigen,
soweit eine Rechtsverordnung nach § 37 Nummer 1 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.

(1) Es ist verboten,

1.
nicht zum Konsum geeignete Erzeugnisse oder Erzeugnisse, die entgegen den Vorschriften des § 25 hergestellt oder behandelt worden sind, in den Verkehr zu bringen,
2.
Erzeugnisse ohne ausreichende Kenntlichmachung in den Verkehr zu bringen, die
a)
nachgemacht sind,
b)
hinsichtlich ihrer Beschaffenheit von der Verkehrsauffassung abweichen und dadurch in ihrem Wert oder in ihrer Brauchbarkeit nicht unerheblich gemindert sind oder
c)
geeignet sind, den Anschein einer besseren als der tatsächlichen Beschaffenheit zu erwecken.

(2) Es ist verboten, Tabakerzeugnisse unter Verwendung irreführender werblicher Informationen auf Packungen, Außenverpackungen oder auf dem Tabakerzeugnis selbst in den Verkehr zu bringen. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor,

1.
wenn Tabakerzeugnissen insbesondere gesundheitliche oder stimulierende Wirkungen zugeschrieben werden, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind,
2.
wenn der Eindruck erweckt wird, dass ein Tabakerzeugnis weniger schädlich als andere sei oder auf die Reduzierung schädlicher Bestandteile des Rauchs abziele,
3.
wenn sich die werblichen Informationen auf Geschmack, Geruch, Aromastoffe oder sonstige Zusatzstoffe oder auf deren Fehlen beziehen,
4.
wenn Tabakerzeugnissen der Anschein eines Arzneimittels, Lebensmittels oder kosmetischen Mittels gegeben wird,
5.
wenn zur Täuschung geeignete werbliche Informationen über die Herkunft der Tabakerzeugnisse, über ihre Menge, ihr Gewicht, über den Zeitpunkt der Herstellung oder Abpackung, über ihre Haltbarkeit, über sonstige, insbesondere natürliche oder ökologische Eigenschaften oder über Umstände, die für ihre Bewertung mitbestimmend sind, verwendet werden.

(3) Es ist verboten, Tabakerzeugnisse in den Verkehr zu bringen,

1.
wenn die Packung, die Außenverpackung oder werbliche Informationen Angaben über den Gehalt des Tabakerzeugnisses an Nikotin, Teer oder Kohlenmonoxid enthalten oder
2.
wenn die Packung oder die Außenverpackung den Eindruck erweckt, Verbraucherinnen oder Verbraucher könnten einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen.

(4) Für elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter gelten die Verbote der Absätze 2 und 3 mit Ausnahme der Informationen über die Aromastoffe und den Nikotingehalt entsprechend.

(5) Für pflanzliche Raucherzeugnisse gelten die Verbote nach Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 1, 2 und 4 entsprechend. Es ist ferner verboten, pflanzliche Raucherzeugnisse in den Verkehr zu bringen, bei denen Packungen oder Außenverpackungen werbliche Informationen aufweisen, die sich auf das Fehlen von Zusatz- oder Aromastoffen beziehen.

Im Sinne dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ist oder sind:

1.
Erzeugnisse: Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse,
2.
verwandte Erzeugnisse: elektronische Zigaretten, Nachfüllbehälter und pflanzliche Raucherzeugnisse,
3.
Behandeln: das Wiegen, Messen, Um- und Abfüllen, Stempeln, Bedrucken, Verpacken, Kühlen, Lagern, Aufbewahren, Befördern sowie jede sonstige Tätigkeit, die nicht als Herstellen oder Inverkehrbringen anzusehen ist,
4.
werbliche Informationen: Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen, Zeichen und Symbole zu Zwecken der Werbung,
5.
Werbung: jede Art kommerzieller Kommunikation mit dem Ziel oder mit der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Erzeugnisses zu fördern,
6.
Sponsoring: jeder öffentliche oder private Beitrag zu einer Veranstaltung oder einer Aktivität oder jede Unterstützung von Einzelpersonen mit dem Ziel oder der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Erzeugnisses zu fördern,
7.
Dienste der Informationsgesellschaft: Dienste im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1),
8.
Bedarfsgegenstände: Packungen, Behältnisse oder sonstige Umhüllungen, die dazu bestimmt sind, mit Erzeugnissen in Berührung zu kommen,
9.
Außenwerbung: jede Werbung außerhalb geschlossener Räume einschließlich Schaufensterwerbung,
10.
Zollbehörden: die Hauptzollämter und Zollfahndungsämter.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.