Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2016 - 5 StR 52/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:150316B5STR52.16.0
bei uns veröffentlicht am15.03.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 52/16
vom
15. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:150316B5STR52.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2016 beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. September 2015 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird die Kostenentscheidung des vorgenannten Urteils dahingehend abgeändert , dass der Angeklagte die durch den Adhäsionsantrag entstandenen besonderen Kosten in vollem Umfang zu tragen hat; im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Landgerichts.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsmittel und die dem Adhäsions- und Nebenkläger durch die Revision entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte greift seine Verurteilung mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen sowie formellen Rechts gestützten Revision und die Kostenentscheidung mit der sofortigen Beschwerde an.
2
1. Die Revision des Angeklagten bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts erfolglos. Soweit der Beschwerdeführer (wohl) beanstandet, das Landgericht habe in seine Beweiswürdigung nicht ausdrücklich den Umstand einbezogen, dass dem Nebenkläger und einzigen Tatzeugen Akteneinsicht erteilt wurde, ist Folgendes zu bemerken:
3
Es existiert kein Rechtssatz des Inhalts, dass eine – auch bei Gewährung der Akteneinsicht nach § 406e StPO ohnehin nicht stets gegebene und vorliegend durch den Nebenklägervertreter in Abrede gestellte – Kenntnis der Verfahrensakten zur Annahme der Unrichtigkeit der in der Hauptverhandlung erfolgten Aussage des Zeugen drängt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 – 1 StR 498/04, NJW 2005, 1519, 1520). Auch im Blick auf das in der Rechtsprechung anerkannte Vorbereitungsrecht eines Zeugen (vgl. schon BGH, Urteil vom 28. November 1950 – 2 StR 50/50, BGHSt 1, 4, 8) lässt sich ferner kein Grundsatz aufstellen, wonach das Tatgericht stets gehalten ist, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit der Erteilung der Akteneinsicht an den Nebenkläger auseinanderzusetzen. Das gilt namentlich dann, wenn – wie hier – zahlreiche Beweisanzeichen außerhalb der Aussage des Zeugen für deren Richtigkeit sprechen. Anders kann es liegen, wenn es etwa im Rahmen einer Konstellation Aussage gegen Aussage in besonderem Maße auf eine Konstanzanalyse ankommt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 – 1 StR 498/04, aaO).
4
2. Die Überprüfung der Kostenentscheidung auf die hiergegen gerichtete , jedoch von ihm nicht begründete sofortige Beschwerde des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Das Rechtsmittel war daher kostenpflichtig zu verwerfen.
5
Allerdings hat das Landgericht, worauf in den Urteilsgründen hingewiesen wird (UA S. 54), übersehen, dass dem Angeklagten die gesamten durch den Adhäsionsantrag anfallenden besonderen (gerichtlichen) Kosten aufzuerlegen sind (§ 472a Abs. 1 StPO, KVGKG Nr. 3700; vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. April 2015 – 3 StR 52/15). Die Entscheidung über die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen sowie die Kostenentscheidung im Übrigen werden hierdurch nicht berührt und haben demgemäß Bestand.
6
Der Senat ändert die Kostenentscheidung entsprechend ab. Das Verbot der Schlechterstellung steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1953 – 1 StR 710/52, BGHSt 5, 52, 53; Beschluss vom 23. Januar 1981 – 3 StR 512/80; OLG Köln, StraFo 2012, 249; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 464 Rn. 26 mwN).
Sander Schneider Dölp
König Feilcke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2016 - 5 StR 52/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2016 - 5 StR 52/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 406e Akteneinsicht


(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes

Strafprozeßordnung - StPO | § 472a Kosten und notwendige Auslagen bei Adhäsionsverfahren


(1) Soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs stattgegeben wird, hat der Angeklagte auch die dadurch entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Sinne der §§ 403 und 404 zu tr
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2016 - 5 StR 52/16 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 406e Akteneinsicht


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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2005 - 1 StR 498/04

bei uns veröffentlicht am 11.01.2005

BGHSt: nein Veröffentlichung: ja ___________________________ §§ 68a, 77, 241 Abs. 2, 244 Abs. 2 bis 4 StPO Auch im Rahmen der vorrangigen Verpflichtung zur Wahrheitsermittlung ist auf die Achtung der menschlichen Würde eines Zeugen Bedacht zu nehme

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Apr. 2015 - 3 StR 52/15

bei uns veröffentlicht am 28.04.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 5 2 / 1 5 vom 28. April 2015 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesan
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2016 - 5 StR 52/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Apr. 2016 - 5 StR 40/16

bei uns veröffentlicht am 05.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 40/16 vom 5. April 2016 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. ECLI:DE:BGH:2016:050416B5STR40.16.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. April 2016 beschlossen: Die R

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. In den in § 395 genannten Fällen bedarf es der Darlegung eines berechtigten Interesses nicht.

(2) Die Einsicht in die Akten ist zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. Sie kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, gefährdet erscheint. Sie kann auch versagt werden, wenn durch sie das Verfahren erheblich verzögert würde, es sei denn, dass die Staatsanwaltschaft in den in § 395 genannten Fällen den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat.

(3) Der Verletzte, der nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 und 2 befugt, die Akten einzusehen und amtlich verwahrte Beweisstücke unter Aufsicht zu besichtigen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten übermittelt werden. § 480 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für die in § 403 Satz 2 Genannten.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befaßten Gerichts. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar, solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
___________________________
Auch im Rahmen der vorrangigen Verpflichtung zur Wahrheitsermittlung ist auf
die Achtung der menschlichen Würde eines Zeugen Bedacht zu nehmen. Beweiserhebungen
zu dessen Privat- und Intimleben sind nur nach sorgfältiger
Prüfung ihrer Unerläßlichkeit statthaft. Dies ist bei der Leitung eines Sachverständigen
ebenso zu berücksichtigen wie bei der Zulassung von Fragen und
bei der Entscheidung über den Umfang der Beweisaufnahme.
BGH, Beschluß vom 11. Januar 2005 - 1 StR 498/04 - LG Baden-Baden

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 498/04
vom
11. Januar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2005 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Baden-Baden vom 16. Februar 2004 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


I.

1. Der Angeklagte gab der im selben Haus wie er wohnh aften Nebenklägerin im Oktober 2001 einen Zettel, auf den er "Ich liebe Sie von ganzem Herzen , wollen Sie mit mir gehen?" geschrieben hatte. Die gleichgeschlechtlich orientierte Nebenklägerin, die seit Jahren keine sexuellen Kontakte zu einem Mann gehabt hatte, hatte nicht reagiert und auch der Angeklagte war hierauf zunächst nicht zurückgekommen. Am 7. Dezember 2001 ließ ihn die Nebenklägerin in ihre Wohnung, weil er angeblich mit ihr reden wollte und sie glaubte, die ganze Angelegenheit ausräumen zu können. In der Wohnung bedrohte er sie mit einem Messer, schlug sie und vergewaltigte sie.
2. Noch am Tattag wurden Spermaspuren des Angeklagten in der Scheide der Nebenklägerin gesichert. Der Angeklagte wollte zwar "glauben machen", diese Spur stamme von einem anderen Mann, räumte aber doch Geschlechtsverkehr ein und gab an, er hätte seit Monaten ein Verhältnis mit der Nebenklägerin gehabt. Mit der Anzeige räche sie sich dafür, daß er nicht für sie seine Familie verlasse. Die Strafkammer hat die Behauptung eines schon länger bestehenden Verhältnisses als Erfindung bewertet, wegen des Zettels ebenso wie deshalb, weil ihm weder ihr Vorname noch die über 20 cm langen Narben unter ihren Brüsten bekannt waren. 3. Sie hat ihn wegen Vergewaltigung zu drei Jahren Freiheitsstrafe und zur Zahlung eines der Höhe nach noch nicht festgesetztes Schmerzensgeldes verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.

Über die, durch die Erwiderung der Revision nicht entkr äfteten Darlegungen des Generalbundesanwalts hinaus bemerkt der Senat: 1. Da die Nebenklägerin es abgelehnt hat, sich (nochmal s) begutachten zu lassen, geht das hierauf bezogene Revisionsvorbringen ins Leere; die beantragte Begutachtung wäre unzulässig gewesen (st. Rspr. vgl. BGHSt 13, 394, 398; 14, 21, 23; w. Nachw. bei Senge in KK 5. Aufl. § 81c Rdn. 9).
2. Die Revision rügt eine Verletzung von "§§ 406e, 337 StPO", weil die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren dem Rechtsanwalt der Nebenklägerin Akteneinsicht gewährt hat. Später hat sich herausgestellt, daß die Nebenklägerin einigen auch als Zeugen gehörten Mitbewohnern Einsicht zumindest in Teile dieser Akten verschafft hat.
a) Hätte (erst) der Strafkammervorsitzende die Akteneinsi cht gewährt (§ 406e Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz StPO), wäre eine hierauf gestützte Verfahrensrüge unstatthaft, ohne daß es auf weiteres ankäme (§ 406e Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz StPO i. V. m. § 336 Satz 2 StPO; vgl. Hilger in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 406e Rdn. 17; anders wohl Velten in SK-StPO § 406e Rdn. 20). Hier hat gemäß § 406e Abs. 4 Satz 1, 1. Halbsatz StPO die Staatsanwaltschaft entschieden. Der Beschuldigte hat (offenbar), aus welchen Gründen auch immer (etwa zunächst versagtes rechtliches Gehör kann nachgeholt werden, vgl. BGH NStZ 1991, 95), den zulässigen Rechtsbehelf nicht ergriffen. Dieser hätte zu einer nicht anfechtbaren richterlichen Entscheidung geführt, § 406 Abs. 4 Satz 2 StPO i. V. m. § 161a Abs. 3 Sätze 2 bis 4 StPO. Es kann aber offen bleiben, welchen Einfluß dieser Ver fahrensgang auf die Statthaftigkeit der Rüge hat, da sie hier auf keinen Fall Erfolg haben kann.
b) Wenn überhaupt, hätte hier Akteneinsicht gemäß § 4 06e Abs. 2 Satz 2 StPO versagt werden können. Hinsichtlich der Frage nach einer etwaigen Gefährdung des Untersuchungszwecks besteht ein weiter Entscheidungsspielraum (Hilger aaO Rdn. 12). Die danach gebotene (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Mitteilung , ob und gegebenenfalls wie der Staatsanwalt seine Entscheidung begründet hat (vgl. § 406e Abs. 4 Satz 4 StPO) fehlt aber ebenso wie die Mitteilung des konkreten Ermittlungsstands bei Erteilung der Akteneinsicht. Nur dann könnte
beurteilt werden, ob eine Gefährdung des Untersuchungszwecks überhaupt in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Auch zu der Frage, ob und warum zu diesem Zeitpunkt schon mit einer Weitergabe von Akten zu rechnen war (vgl. LG Bielefeld wistra 1995, 118, 120 m. w. N.), äußert sich die Revision nicht.
c) Unabhängig davon würde selbst ein in diesem Zusammenh ang unterlaufener Verfahrensverstoß zu keinem Beweisverwertungsverbot führen (so aber Velten aaO Rdn. 13; offen gelassen bei Hilger aaO Rdn. 18), da ein Beweisverwertungsverbot regelmäßig einen rechtswidrigen Beweiserhebungsakt voraussetzt. Die Gewährung von Akteneinsicht stellt aber keine Beweiserhebung dar (vgl. Stöckel in KMR § 406e Rdn. 18). Aktenkenntnis, im übrigen auch wenn sie auf zu Recht gewährte Akteneinsicht zurückgeht, ist erforderlichenfalls bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. Stöckel aaO). Dabei spricht es offensichtlich nicht für die inhaltliche Unrichtigkeit einer Aussage, wenn der Zeuge nach Akteneinsicht seine bereits aktenkundige Aussage wiederholt. Die Aussagen der übrigen in Rede stehenden Zeugen haben für die zentrale Frage nach Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit des Geschlechtsverkehrs ohnehin eine allenfalls sehr untergeordnete Bedeutung. Sie sollten zahlreiche vom Angeklagten behauptete Details zum Zustandekommen seines näheren Kontaktes mit der Nebenklägerin bestätigen, haben aber keine seiner Behauptungen auch nur ansatzweise bestätigt. So hatte er behauptet, die Nebenklägerin habe ihm etwa sieben Monate vor der Tat im April 2001 im Hof angesprochen; sie habe damals im Hof mit ihrem Sohn Federball gespielt, er (der Angeklagte) habe dort zur gleichen Zeit mit dem Hausmeister Holz gehackt. All dies erwies sich als zweifelsfrei falsch, weil der Sohn zu jener Zeit Soldat in M. war und der Hausmeister im ganzen ersten Halbjahr 2001 schwer erkrankt war. Soweit für all dies das genannte Geschehen im Zusammenhang mit der Akteneinsicht überhaupt
von Bedeutung sein kann, hat es die Strafkammer in gebotenem Umfang gewürdigt.
d) Soweit die Revision schließlich bemängelt, der Vorsit zende habe in der Hauptverhandlung namens des Gerichts später nicht eingehaltene Zusagen zur Würdigung der genannten Aussagen gemacht, ist diesem Vorbringen schon deshalb nicht näher nachzugehen, weil es ausweislich der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden in tatsächlicher Hinsicht ins Leere geht. 3. Soweit die Revision zur Sachrüge ausführt, die Bewei swürdigung werde den Anforderungen bei "Aussage gegen Aussage" nicht gerecht, ist verkannt , daß diese vom Fehlen sonstiger Erkenntnisse gekennzeichnete Konstellation (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ 2004, 635, 636) nicht vorliegt. Es gibt nämlich, z. B. mit dem Zettel, den Spermaspuren und den Narben eine Reihe von Indizien, die die Strafkammer in die Würdigung der zentralen Aussagen des Angeklagten einbeziehen konnte. Rechtsfehler sind dabei nicht ersichtlich; praktisch jede Behauptung des Angeklagten hat sich als falsch erwiesen. 4. Die Strafkammer ist von einem minder schweren Fall i . S. d. § 177 Abs. 5 StGB ausgegangen. Diese Annahme, die sich zumindest nicht aufdrängt, ist nicht fallbezogen konkret begründet. Es wäre auch zulässig gewesen, bei der Strafzumessung die ebenso ehrenrührige wie haltlose Behauptung des Angeklagten zu berücksichtigen, die Nebenklägerin sei eine Gelegenheitsprostituierte , (vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 14, 19 jew. m. w. N.), zumal sie mit seinem Verteidigungsvorbringen - Geschlechtsverkehr im Rahmen einer Beziehung; Anzeige weil er seine Familie nicht verlassen wollte - in keinem erkennbaren Zusammenhang steht. Zumindest wäre dies zu erörtern gewesen. All dies hat den Angeklagten aber nur begünstigt.
5. Das Vorbringen, der Adhäsionsantrag sei wegen Pfand losigkeit des Angeklagten eine i. S. d. § 114 ZPO mutwillige Rechtsverfolgung, Prozeßkostenhilfe hätte daher (gemäß § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO) nicht gewährt werden dürfen, geht ins Leere. Die gemäß § 404 Abs. 5 Satz 3, 2. Halbsatz StPO unanfechtbare Entscheidung hierüber ist gemäß § 406a Abs. 2 Satz 1 StPO i. V. m. § 336 Satz 2 StPO im Revisionsverfahren nicht zu überprüfen. So wäre es im Ergebnis auch in einem Zivilprozess, § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO. 6. Die Revision bemängelt die Kostenentscheidung, (wohl nur) hinsichtlich der Adhäsionsentscheidung. Diese erstmals in der Revisionsbegründung vom 7. Mai 2004 (dort S. 87) enthaltenen, wenig spezifizierten Ausführungen können auf sich beruhen, weil sie verspätet sind. Einwände gegen die Kostenentscheidung wären im Rahmen einer zusätzlich zur Revision einzulegenden sofortigen Beschwerde (§ 464 Abs. 3 StPO, hier i. V. m. § 472a Abs. 1 StPO) innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist (§ 311 Abs. 2 StPO) anzubringen gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2003 - 1 StR 357/02 m. w. N.).

III.

Der Senat sieht Anlaß zu folgendem Hinweis: Angesichts der Bedeutung der Aussage der Nebenklägerin f ür die Erweislichkeit eines schweren Verbrechens hat sich die Strafkammer zu Recht eingehend mit dieser Aussage auseinandergesetzt. Auch im Rahmen seiner vorrangigen Verpflichtung zur Wahrheitsermittlung hat das Gericht (ebenso wie auch die Ermittlungsbehörden) jedoch auf die Achtung der menschlichen Würde eines Zeugen, wie sie sich letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt, Bedacht zu nehmen (vgl. nur BGHSt 48, 372 m. w. N.). "Aufgabe eines sozialen Rechtsstaates ist es nicht allein, darauf zu achten, daß die Straftat aufgeklärt und Schuld
oder Unschuld in einem rechtsstaatlichen Verfahren festgestellt werden, sondern auch, daß die Belange des Opfers gewahrt werden" (so die Materialien zum OpferRRG vom 24. Juni 2004, BGBl. I 1354 ff., BTDrucks. 15/1976 S. 7 Abschnitt A II vor 1.). Die besondere Bedeutung dieser Grundsätze wird auch in dem Rahmenbeschluß der Europäischen Union über die Stellung des Opfers im Strafverfahren vom 15. März 2001 (vgl. ABl. der Europäischen Gemeinschaft vom 22. März 2001, L 82/1 ff.) hervorgehoben, auf den die Materialien zum OpferRRG hinweisen (vgl. BTDrucks. 15/1976 und 15/2536 jeweils S. 1 Abschnitt A). In diesem Rahmenbeschluß wird unter anderem "das Recht auf eine Behandlung unter Achtung der Würde des Opfers" und dessen Recht "in den verschiedenen Phasen des Verfahrens geschützt zu werden" (vor Artikel 1, Abschnitt
8) betont. Dementsprechend heißt es in dem genannten Rahmenbeschluß weiter, daß sich die Mitgliedsstaaten "weiterhin nach Kräften (bemühen ), um zu gewährleisten, daß das Opfer während des Verfahrens mit der gebührenden Achtung seiner persönlichen Würde behandelt wird" (Art. 2 Abs. 1 Satz 2) und daß die Mitgliedsstaaten "die gebotenen Maßnahmen (ergreifen), damit ihre Behörden Opfer nur in dem für das Strafverfahren erforderlichen Umfang befragen" (Art. 3 Abs. 2). Aus alledem folgt etwa, daß Erörterungen und Beweiserhebungen zu Privat- und insbesondere auch Intimleben eines Zeugen, die zu dem Verfahrensgegenstand in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen , nur nach sorgfältiger Prüfung ihrer Unerläßlichkeit statthaft sind. Dies ist bei der Leitung der Tätigkeit eines Sachverständigen (§ 77 StPO) ebenso zu berücksichtigen, wie bei der Zulassung von Fragen (§§ 68a, 241 Abs. 2 StPO) und vor allem bei der Entscheidung über den Umfang der Beweisaufnahme (§ 244 Abs. 2 bis 4 StPO). Der Grundsatz, daß eine ausufernde Aufklärung nicht geboten ist (vgl. hierzu Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 244 Rdn. 13 m. w. N.), hat in dem in Rede stehenden Zusammenhang besonderes Gewicht.
1. Die Strafkammer hat sich zur Aussagetüchtigkeit und zur Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin psychiatrisch beraten lassen.
a) "Aussagetüchtigkeit" bedeutet die Fähigkeit eines Men schen zu einer richtigen und vollständigen Aussage (vgl. nur Schumacher in StV 2003, 641). Der Richter, der glaubt, hierüber ohne sachverständige Hilfe nicht befinden zu können, ist freilich in seiner Entscheidung frei, ob er einen Psychiater oder einen Psychologen beauftragt (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Glaubwürdigkeitsgutachten 4 m. w. N.). Psychiatrische Beratung wird aber nur dann angezeigt sein, wenn die Zeugentüchtigkeit dadurch in Frage gestellt ist, daß der Zeuge an einer geistigen Erkrankung leidet oder sonst Hinweise darauf vorliegen , daß die Zeugentüchtigkeit durch aktuelle psychopathologische Ursachen beschränkt sein kann (vgl. BGH StV 2002, 293 m. w. N.). Ob für eine entsprechende Überprüfung überhaupt Anhaltspunkte bestehen, hat der Richter (im Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt) zu entscheiden, der dem Sachverständigen die konkreten Gründe für die Notwendigkeit einer Begutachtung verdeutlichen sollte. Nur so kann vermieden werden, daß, wie hier, der Sachverständige zwar zum Ergebnis kommt, es gebe keinen psychisch auffälligen Befund, er aber gleichwohl eingehend untersucht und erörtert, ob die Nebenklägerin psychotisch , schwachsinnig oder sonst ernsthaft gestört sein könnte. Ebenso wenig ist angezeigt, im Hinblick auf eine mögliche Einschränkung der Aussagetüchtigkeit durch Alkoholismus, über Jahre zurück den nicht immer unproblematischen Umgang der Nebenklägerin mit Alkohol in allen Details und auch allen Peinlichkeiten - bis hin zur Frage eines Zusammenhangs zwischen Alkoholismus und dem zwar unaufgeräumten aber doch hygienisch einwandfreien Zustand ihrer Wohnung - zu ermitteln und auch sachverständig bewerten zu lassen, nur um dann zu dem Ergebnis zu kommen, jeder Zusammenhang zwischen Alkohol und der Aussage sei ausgeschlossen.

b) Bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussage im übrigen ist letztlich nicht zwischen allgemeiner Glaubwürdigkeit und spezieller Glaubwürdigkeit unterschieden (vgl. schon BGH StV 1994, 64 m. w. N.; eingehend Boetticher in NJW Sonderheft für G. Schäfer 8, 12 m. w. N.); dementsprechend steht weniger die Frage nach einer allgemeinen Glaubwürdigkeit des Zeugen im Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft (sein "Leumund") im Vordergrund, sondern vorrangig um die Analyse des Aussageinhalts, d. h. um eine methodische Beurteilung , ob auf ein bestimmtes Geschehen bezogene Angaben einem tatsächlichen Erleben des Zeugen entsprechen (vgl. BGHSt 45, 164; StV 2002, 639, 640). Scharfe Abgrenzungen sind nicht immer möglich, sondern richten sich nach den Umständen des Einzelfalles. So kann früheres Verhalten vor allem dann durchaus Schlußfolgerungen zulassen, wenn die entsprechenden Lebenssituationen mit der jetzigen vergleichbar sind. Fehlverhalten der Nebenklägerin bei oder nach der Beendigung privater Beziehungen könnte dann also etwa hier von Bedeutung sein, wenn auch hier die Beendigung einer privaten Beziehung im Raum stünde (vgl. etwa Maiwald in AK-StPO § 261 Rdn. 24). Dies ist jedoch, wie die Erheblichkeit jeder anderen Hilfstatsache, vorab zu klären. Es erscheint nicht angezeigt, vergleichbar der Frage nach dem Alkoholismus, mit Hilfe zahlreicher Zeugen die Beendigung einer Reihe von privater Beziehungen genauestens nachzuzeichnen, Fehlreaktionen und Fehlverhalten der Nebenklägerin dabei in allen Einzelheiten zum Gegenstand der Beweisaufnahme (und teilweise auch Begutachtung) zu machen, nur um dann zu dem Ergebnis zu kommen, all dies sei gleichgültig, weil es keinerlei Anhaltspunkte dafür gebe, daß zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin je irgendeine Beziehung bestanden hätte. 2. Noch weniger zu erkennen ist die Notwendigkeit, so, w ie geschehen, eingehend - ohne daß sich im übrigen irgend ein Anhaltspunkt ergeben hätte -
etwa darüber Beweis zu erheben, ob die Nebenklägerin mit den für das Haus zuständigen Briefträgern und (oder) Kaminkehrern Geschlechtsverkehr gehabt hat. Selbst wenn dies, sei es auch gegen Geld, so gewesen wäre und sie nicht bereit gewesen wäre, dies zuzugeben, hätte es vor solchen Beweisaufnahmen eingehender Überlegung bedurft, ob sich dies überhaupt auf die Entscheidung auswirken könnte. Von selbst versteht sich dies hier nicht. Für die ähnlich intensiv (und mit vergleichbarem Ergebnis) geprüfte Frage, ob die vor Jahren gegen die Nebenklägerin anonym vorgebrachte Beschuldigung einer Frau, die Nebenklägerin habe mit ihr eine zunehmend von Gewalt geprägte sexuelle Beziehung gehabt und der damals minderjährige Sohn der Nebenklägerin sei einbezogen gewesen, entgegen den damaligen polizeilichen Ermittlungen nicht doch einen wahren Kern haben könne, gilt nichts anderes. 3. Die Nebenklägerin war nicht bereit, sich nochmals beg utachten zu lassen (vgl. oben II. 1.). Die - unbeschadet aller rechtlichen Einzelheiten jedenfalls nicht wünschenswerte - Weitergabe der Akten durch die Nebenklägerin an ihr Umfeld (vgl. oben II. 2. vor a)) nach den eingehenden Ermittlungen in diesem Umfeld zu ihrem Privatleben deutet in ähnliche Richtung. Es liegt nahe, daß es sich bei alledem um Gegenreaktionen der Nebenklägerin darauf handelt, daß bei ihr der Eindruck erweckt wurde, nicht die Frage, ob sie Opfer einer Straftat wurde, stehe im Mittelpunkt des Verfahrens, sondern Ausforschung und Bewertung ihres Lebens ("erste lesbische Erfahrungen ca. 1985") mit all seinen Stärken ("Übersiedlung aus der DDR bewältigt") und Schwächen ("episodischer Alkoholmißbrauch" ). Auch wenn vorliegend weder ein Nutzen weiterer Begutachtung noch eine Beeinträchtigung des Werts wesentlicher Aussagen erkennbar ist,
wird durch das aufgezeigte Verhalten der Nebenklägerin im Verfahren doch deutlich, daß durch Art und Umfang der sie betreffenden Überprüfungen in der Tendenz selbst das Ziel der Wahrheitsermittlung eher gefährdet als gefördert wurde. Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf

(1) Soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs stattgegeben wird, hat der Angeklagte auch die dadurch entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Sinne der §§ 403 und 404 zu tragen.

(2) Sieht das Gericht von der Entscheidung über den Adhäsionsantrag ab, wird ein Teil des Anspruchs dem Antragsteller nicht zuerkannt oder nimmt dieser den Antrag zurück, so entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, wer die insoweit entstandenen gerichtlichen Auslagen und die insoweit den Beteiligten erwachsenden notwendigen Auslagen trägt. Die gerichtlichen Auslagen können der Staatskasse auferlegt werden, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 2 / 1 5
vom
28. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. April
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 13. August 2014, soweit es ihn betrifft, im
Adhäsionsausspruch abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Der Schmerzensgeldanspruch des Nebenklägers aufgrund
der am 27. Juli 2013 gegen 1 Uhr in der J. -Straße
in K. zu seinem Nachteil verübten Straftat ist gegenüber
dem Angeklagten B. dem Grunde nach gerechtfertigt
;

b) im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag
des Nebenklägers gegen den Angeklagten B.
abgesehen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen. Ebenso werden ihm die in der Revisionsinstanz
entstandenen besonderen Kosten und notwendigen
Auslagen des Nebenklägers sowie die im Adhäsionsverfahren
in der 1. Instanz entstandenen gerichtlichen Auslagen auferlegt.
Die gerichtlichen Auslagen des Adhäsionsverfahrens der Revisionsinstanz
fallen der Staatskasse zur Last (§ 472a StPO).

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn dazu verurteilt, gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten S. an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12. Juni 2014 zu zahlen.
2
Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes unterliegt im Ausgangspunkt keiner Beanstandung. Demgegenüber kann die Adhäsionsentscheidung im Hinblick auf die Bemessung des von dem Angeklagten zu leistenden Schmerzensgeldes keinen Bestand haben.
3
Nach den Feststellungen umstellten der Angeklagte, der Mitangeklagte sowie zwei unbekannt gebliebene Mittäter den Nebenkläger und einen weiteren Geschädigten, um einem gemeinsamen Tatplan entsprechend die Herausgabe von Geld und Mobiltelefonen zu erzwingen. Als der Nebenkläger sich weigerte, sein Smartphone herzugeben, traten der Mitangeklagte sowie andere aus der Gruppe ihn gegen die Beine. Zudem versetzte der Mitangeklagte ihm zur Untermauerung der Forderung zwei Schläge mit einem Schlagring, die ihn an der linken Schläfe und unter dem linken Auge trafen. Aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung gab der Nebenkläger das Handy schließlich heraus.
4
Das Landgericht hat dem Angeklagten den Einsatz des Schlagrings durch den Mitangeklagten als Mittel der räuberischen Erpressung mit rechtsfehlerfreien Erwägungen (sukzessive Mittäterschaft) zugerechnet und ihn auf dieser Grundlage nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen. Es hat jedoch nicht festzustellen vermocht, dass die Benutzung dieses Tatmittels von Anfang an vom gemeinsamen Tatplan umfasst war, und sie daher hinsichtlich der Körperverletzung als Exzess des Mittäters gewertet. Demgemäß hat es den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung allein in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, nicht jedoch in derjenigen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2011 - 5 StR 515/10, NStZ-RR 2011, 111, 112).
5
Vor diesem Hintergrund kann die Verurteilung des Angeklagten, dem Nebenkläger gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten ein Schmerzens- geld in Höhe von 2.000 € zu zahlen, keinen Bestand haben.
6
Das Landgericht hat die Höhe des Schmerzensgeldes mit den durch den Einsatz des Schlagrings verursachten Verletzungsfolgen begründet. Die Verwendung dieses Mittels zur Verletzung des Nebenklägers hat es dem Angeklagten aber gerade nicht angelastet. Damit kommt eine Zurechnung dieses Tatbeitrages aber auch bei der Prüfung der Frage, inwieweit sich der Angeklagte im Sinne des § 830 Abs. 1 BGB als Mittäter an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, nicht in Betracht, was wiederum den Umfang seiner gesamtschuldnerischen Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB begrenzt. Die Beurteilung richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind (BGH, Beschlüsse vom 8. November 2005 - 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8; vom 7. Februar 2013- 3 StR 468/12, juris; Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 53/98, BGHR BGB § 830 Abs. 2 Teilnahme 2). Die zur Grundlage des Schmerzensgeldanspruchs gemachten Verletzungsfolgen - aus dem Einsatz des Schlagrings - können deshalb nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, den Angeklagten in gleicher Höhe wie den Mitangeklagten zur Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2013 - 3 StR 468/12, juris; vom 8. Januar 2014 - 3 StR 372/13, StraFo 2014,

217).

7
Da der Angeklagte dem Nebenkläger jedoch wegen der anderen, ihm zuzurechnenden Körperverletzungshandlungen ein angemessenes Schmerzensgeld schuldet, ändert der Senat den ihn betreffenden Adhäsionsanspruch in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in eine Verurteilung dem Grunde nach ab (§ 406 Abs. 1 Satz 2 StPO). Im Übrigen ist von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 und 4 StPO); denn eine Zurückverweisung der Sache allein zur Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes kommt nicht in Betracht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 406a Rn. 5 mwN). Die Bemessung des Schmerzensgeldes ist vielmehr dem zuständigen Zivilgericht übertragen (§ 406 Abs. 3 Satz 4 StPO).
8
Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und eine Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens ergibt sich aus § 472a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 StPO.
Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet sich Mayer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol