Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2018 - 5 StR 582/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:250118B5STR582.17.0
bei uns veröffentlicht am25.01.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 582/17
vom
25. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:250118B5STR582.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 12. Juli 2017 aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 2 StGB unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltrei- bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung von Waffen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf Verfahrens- und Sachbeanstandungen gestützte Revision des Angeklagten erzielt nur den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verwahrte der Angeklagte in seiner Wohnung neben einem griffbereiten Elektroimpulsgerät 1,2 kg Amphetamin (Wirkstoffgehalt 128,95 g Amphetamin-Base), 33,8 g Kokain (Wirkstoffgehalt 10,9 g Kokainhydrochlorid) sowie 198 g Ecstasy (Wirkstoffgehalt 45,86 g MDMA-Base) auf. Zudem besaß der Angeklagte aus dem Betrieb zweier Plantagen Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 136,3 g THC. Kokain, Metamphetamin und Cannabis waren ausschließlich zum Verkauf an Drogenkonsumenten bestimmt. Aus dem Amphetaminvorrat deckte der Angeklagte auch seinen Eigenkonsumbedarf (UA S. 5 unten).
3
2. Das Rechtsmittel erzielt nur einen Teilerfolg. Die Verfahrensbeanstandungen versagen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift benannten Gründen. Schuld- und Strafausspruch halten im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand. Hingegen erweist es sich als rechtsfehlerhaft, dass eine Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 2 StGB unterblieben ist.
4
a) Es begegnet allerdings rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht bei der Strafzumessung die gesamte Amphetamin-Menge ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt hat. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil jedoch nicht.
5
aa) Die Strafkammer hat nur allgemein festgestellt, dass der Angeklagte seinem Vorrat an Amphetamin auch Teilmengen zum Eigenkonsum entnahm. Zur Bestimmung des Schuldumfangs wäre es erforderlich gewesen, den Eigenverbrauchsanteil konkret zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2014 – 3 StR 116/04, StV 2004, 602). Denn abhängig hiervon besteht in Fällen , in denen der Täter die Betäubungsmittel teils zum Eigenverbrauch, teils zum gewinnbringenden Weiterverkauf besessen hat, Tateinheit zwischen (be- waffnetem) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Besitz einer nicht geringen Menge (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2016 – 2 StR 62/16) bzw. – bei einer geringen zum Eigenverbrauch bestimmten Menge – mit Besitz von Betäubungsmitteln (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 StR 210/10; Beschluss vom 5. April 2017 – 5 StR 61/17). Bei der nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB im Hinblick auf das Delikt des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorzunehmenden Strafzumessung durfte das Landgericht nur die zum Verkauf bestimmte Betäubungsmittelmenge berücksichtigen. Die Eigenverbrauchsmenge hatte in Bezug auf diese Gesetzesverletzung (§ 30a Abs. 2 Var. 1 BtMG) außer Betracht zu bleiben.
6
bb) Der Rechtsfehler hat sich indes nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt:
7
Weil der Angeklagte neben dem Amphetamin ausschließlich zur Veräußerung bestimmte nicht geringe Mengen an Kokain und Ecstasy aufbewahrte, hat der Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unabhängig von diesem Rechtsfehler Bestand. Dadurch, dass es das Landgericht unterlassen hat, den Besitz der zum Eigenverbrauch bestimmten Betäubungsmittel als tateinheitlich zum (bewaffneten) Handeltreiben verwirklicht im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen, ist der Angeklagte nicht beschwert. Da wegen der unzureichenden Feststellungen des Landgerichts zur Eigenkonsummenge nicht feststeht, welchen Straftatbestand der Angeklagte insoweit tateinheitlich verwirklicht hat, kommt eine Ergänzung des Schuldspruchs nicht in Betracht.
8
Der Senat schließt ein Beruhen des Strafausspruchs auf der Berücksichtigung der gesamten Amphetamin-Menge bei der Strafzumessung aus. Bereits mit Blick auf die Mengen der übrigen zum Verkauf bestimmten Betäubungsmittel – neben Kokain und Ecstasy auch eine aus dem Betrieb zweier Plantagen herrührende, den 18-fachen Grenzwert übersteigende Cannabis-Menge – scheidet die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG ersichtlich aus, zumal das Unrecht des tateinheitlich verwirklichten Betäubungsmittelbesitzes bei dessen Prüfung hätte berücksichtigt werden dürfen. In dem mithin rechtsfehlerfrei zur Anwendung gebrachten Regelstrafrahmen des § 30a Abs. 2 BtMG hat das Landgericht die Mindeststrafe von fünf Jahren festgesetzt.
9
b) Das Urteil hat keinen Bestand, soweit darin eine Entscheidung über die Dauer des Vorwegvollzuges eines Teils der Freiheitsstrafe vor dem Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
10
Die Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB bestimmt, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel vollzogen werden soll, wenn – wie hier – die Unterbringung nach § 64 StGB neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren angeordnet wird; dabei ist dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2017 – 2 StR 17/17). Das Tatgericht kann von der Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB aus einzelfallbezogenen Gründen abweichen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2011 – 2 StR 322/11; MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl. § 67 Rn. 87 mwN). Das Landgericht hat es hier jedoch ohne Begründung bei der in § 67 Abs. 1 StGB vorgesehenen Reihenfolge belassen, wonach die Maßregel grundsätzlich vor der Freiheitsstrafe zu vollziehen ist. Dies war rechtsfehlerhaft.
11
Mangels Feststellungen zur voraussichtlichen Therapiedauer, kann der Senat nicht prüfen, ob sich der Vorwegvollzug durch die vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft erledigt und die Anordnung des Vollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Maßregelvollstreckung deshalb zu unterbleiben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – 5 StR 423/11 mwN). Die Entscheidung über den Vorwegvollzug ist daher unter sachverständiger Beratung zur möglichen Dauer einer erfolgreichen Therapie nachzuholen.
12
2. Zum Inhalt der Urteilsgründe bemerkt der Senat ergänzend: Verfahrensvorgänge sind im Urteil grundsätzlich nicht zu erörtern. Insbesondere sind Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln von Rechts wegen nicht geboten; zur Vermeidung der Überfrachtung der schriftlichen Urteilsgründe sind sie regelmäßig sogar tunlichst zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 – 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273 Rn. 17; Beschluss vom 8. Mai 2007 – 1 StR 202/07; MüKo-StPO/Wenske, § 267 Rn. 79 ff.).
Mutzbauer Sander Schneider
Dölp Mosbacher

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 62/16
vom
29. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:290916B2STR62.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 29. September 2016 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 19. Oktober 2015 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte im Fall II.12. der Urteilsgründe des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit dem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in elf Fällen sowie wegen „bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet sowie eine Einziehungs- und eine Verfallsentscheidung getroffen.
2
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg ; sie führt jedoch zu der aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Schuldspruchkorrektur.
3
Ausweislich der Feststellungen hat der Angeklagte im Fall II.12. der Urteilsgründe in der 34. Kalenderwoche des Jahres 2014 von einem Lieferanten eine nicht näher bestimmbare Menge Amphetamingemisch zum Preis von 1.600 € erworben, um es teilweise gewinnbringend weiter zu veräußern und teilweise selbst zu konsumieren. Ausweislich der auf einer tragfähigen Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen war eine Teilmenge von rund 122 Gramm mit einem Wirkstoffanteil von 16,89 Gramm Amphetaminbase zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Der restliche Teil des anlässlich der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Menge von insgesamt 237 Gramm Amphetamin-Koffein-Gemischs war zum Eigenkonsum bestimmt.
4
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte , der in einem unverschlossenen Wohnzimmerschrank zugriffsbereit eine Vielzahl von Waffen aufbewahrte, des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. Entsprechend ist die Tat im Urteilstenor zu bezeichnen.
5
Darüber hinaus hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte zugleich den Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmittel in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) verwirklicht hat. Erwirbt der Täter eine nicht geringe Menge Betäubungsmittel teils zum Weiterverkauf und teils zum Eigenkonsum, und handelt es sich bei beiden Teilmengen jeweils um nicht geringe Mengen, so steht der Tatbestand des (bewaffneten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit dem zugleich verwirklichten Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2005 – 3 StR 112/05, NStZ 2006, 173, 174; Senat, Beschluss vom 8. Januar 2015 – 2 StR 252/14, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 2). Fischer Appl Krehl Eschelbach Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 210/10
vom
8. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Juli 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 6. Januar 2010 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig ist.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Beisichführung eines sonstigen Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen ge- eignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in Tateinheit mit unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln" zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vier Monate der erkannten Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, dass das Landgericht die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat; außerdem hält sie eine Änderung des Schuldspruchs für geboten.
3
Die Rechtsmittel haben in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet.
4
1. Der Schuldspruch bedarf der Berichtigung.
5
a) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurden bei der Durchsuchung des betäubungsmittelabhängigen Angeklagten, der sich auf einer Drogenverkaufsfahrt befand, und des von ihm genutzten Fahrzeugs Betäubungsmittel aufgefunden. Dabei handelte es sich um 1,9 g Heroin mit einer Wirkstoffkonzentration von 44,3 % und 0,422 g Kokain mit einer Wirkstoffkonzentration von 50,2 % sowie sieben Bubbles Heroin mit einem Gesamtgewicht von 34,4 g, einer Wirkstoffkonzentration von 18 % und einem Wirkstoffgehalt von 6,81 g. Außerdem führte der Angeklagte bei dieser Fahrt an seinem Gürtel ein Springmesser mit einer einseitig geschliffenen, ca. sieben Zentimeter langen, nach vorne spitz zulaufenden Klinge mit sich, das auf Grund seiner Beschaffenheit geeignet und bestimmt war, andere Menschen zu verletzen. Bei einer anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung wurden weitere 20,8 g Heroin mit einer Wirkstoffkonzentration von 46 %, zwei digitale Feinwaagen und ein Mixer, die jeweils Betäubungsmittelanhaftungen aufwiesen, Streckmittel, Verpackungstüten und 1.100 Euro Bargeld gefunden.
6
Das Landgericht hat sich davon überzeugt, dass ein die Grenze zur nicht geringen Menge nicht übersteigender Teil der Drogen zum Eigenkonsum und der Rest - darunter das in dem Fahrzeug aufgefundene, in verkaufsfertige Bubbles verpackte Heroin - zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Es ist außerdem zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass dieser sämtliche sichergestellten Drogen in einem Ankauf erworben hat.
7
b) Das Verhalten des Angeklagten erfüllt hinsichtlich der gesamten zum Weiterverkauf bestimmten Heroinmenge den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das in § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG genannte Qualifikationsmerkmal prägt, auch wenn es nur bei einem einzelnen auf Umsatz gerichteten Teilakt verwirklicht ist, das gesamte einheitliche Geschehen, so dass eine Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 1996 - 1 StR 609/96, BGHR BtMG § 30 a Abs. 2 Mitsichführen 2; vgl. auch Weber BtMG 3. Aufl. § 30 a Rdn. 196). Für eine tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist daneben kein Raum. Der bis zu der Verkaufsfahrt allein erfüllte Tatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG wird durch den Qualifikationstatbestand des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auch dann verdrängt, wenn dieser nur beim letzten Teilakt des Gesamtgeschehens verwirklicht wurde (vgl. BGH aaO).
8
Soweit der Angeklagte die Betäubungsmittel zum Eigenkonsum erworben hat, erfüllt dies - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht die Alternative des unerlaubten Sichverschaffens, sondern die des unerlaubten Erwerbs im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Der Tatbestand des Erwerbs ist dann erfüllt, wenn der Täter - wie hier - die Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer erlangt hat (vgl. Weber aaO § 29 Rdn. 1046 m.w.N.); nur wenn ein solches Zusammenwirken nicht vorliegt oder nicht nachweisbar ist, liegt der Auffangtatbestand des Sichverschaffens vor (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 1993 - 4 StR 318/93, StV 1993, 570 f.; vgl. auch Weber aaO § 29 Rdn. 1110).
9
Der Senat ändert den Schuldspruch daher wie aus der Urteilsformel ersichtlich ab.
10
2. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
Nach den Urteilsfeststellungen liegen die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB vor. Der 1961 geborene Angeklagte, der seit 1998 regelmäßig Heroin konsumiert , ist vor der hier abgeurteilten Tat bereits zweimal wegen einschlägiger, in den Jahren 1999, 2002 und 2003 begangener Delikte verurteilt worden, wobei mehrfach Einzelstrafen von mehr als einem Jahr verhängt worden sind; er hat wegen dieser Taten insgesamt acht Jahre Freiheitsstrafe verbüßt. Eine Rückfallverjährung nach § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB ist wegen der Vollstreckungszeiten (§ 66 Abs. 4 Satz 4 StGB) nicht eingetreten.
12
Das Landgericht geht, in Übereinstimmung mit der psychiatrischen Sachverständigen davon aus, dass bei dem Angeklagten auf Grund charakterlicher Veranlagungen eine eingewurzelte, intensive Neigung zu Rechtsbrüchen in Form von Eigentumsdelikten bestehe. Eine Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat es jedoch abgelehnt, weil nicht festzustellen sei, ob die vorliegende Betäubungsmittelstraftat im Zusammenhang mit dieser charakterlichen Veranlagung stehe oder allein auf die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten zurückzuführen sei.
13
Gegen diese Begründung bestehen in zweifacher Hinsicht durchgreifende rechtliche Bedenken:
14
a) Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht seiner Entscheidung ein unzutreffendes Verständnis des Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu Grunde gelegt hat dahingehend, dass der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderliche Hang zur Begehung erheblicher Straftaten ausscheide, wenn die wiederholte Straffälligkeit eines Täters allein auf dessen Hang zu übermäßigem Konsum berauschender Mittel beruht.
15
Nach ständiger Rechtsprechung kommt es auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2002 - 2 StR 193/02, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 11; BGH, Urteil vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 66 Rdn. 25 m.w.N.). Deshalb scheidet, selbst wenn sich eine Monokausalität der Suchterkrankung eines Täters für dessen Kriminalität ausnahmsweise feststellen ließe, die Annahme eines Hanges im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB neben der eines Hanges im Sinne von § 64 StGB nicht aus. Der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderliche Hang hätte seine Ursache in einem solchen Fall ausschließlich in der Suchterkrankung.
16
b) Zudem belegen die Urteilsgründe nicht, dass bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB, der sich ausschließlich auf Eigentumsdelikte bezieht, besteht. Sie geben lediglich die Schlussfolgerungen der Sachverständigen wieder, die insoweit offensichtlich allein an die lange zurückliegenden Eigentumsdelikte des Angeklagten, die dieser seit seinem 17. Lebensjahr in Russland begangen hat und wegen der er er dort dreimal zu Freiheitsstrafen verurteilt worden ist, sowie seine allgemeine Einstellung zum Stehlen angeknüpft hat. Nähere Angaben zu Art und Umfang dieser Straftaten enthalten die Urteilsgründe nicht, so dass nicht geprüft werden kann, ob aus diesen Taten auf eine eingewurzelte intensive Neigung zu Rechtsbrüchen geschlossen werden kann. Hinzu kommt, dass dem Urteil nicht zu entnehmen ist, inwieweit die Sachverständige die Tatsache, dass der Angeklagte seit seiner Übersiedlung nach Deutschland im Jahre 1991 wegen Diebstahlstaten nur zweimal - und zwar in den Jahren 1992 und 1993 jeweils wegen Diebstahls geringwertiger Sachen - in Erscheinung getreten ist, bei ihrer Beurteilung berücksichtigt hat.
17
c) Über die Frage der Sicherungsverwahrung ist daher neu zu entscheiden.
18
Sollte der neue Tatrichter zu der Überzeugung gelangen, dass die Voraussetzungen sowohl für eine Unterbringung nach § 64 StGB als auch nach § 66 Abs. 1 StGB vorliegen, wird er zu prüfen haben, ob die Unterbringung des Angeklagten in beiden Maßregelformen oder nur in einer von ihnen anzuordnen ist. Dies beurteilt sich nach der Regelung des § 72 Abs. 1 StGB. Ist der Zweck der Maßregel bereits durch eine von mehreren geeigneten Maßregeln zu erreichen , so ist derjenigen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschwert , hier der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Allerdings setzt nach ständiger Rechtsprechung ein Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung nach § 64 StGB ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit voraus, dass die vom Angeklagten ausgehende Gefahr auf diese Weise beseitigt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 1 StR 263/00, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 5; Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 326 f.; vgl. auch Fischer aaO § 72 Rdn. 7 m.w.N.). Angesichts der Tatsache, dass der regelmäßige Heroinkonsum des Angeklagten und das Einsetzen seiner Betäubungsmittelstraftaten in engem zeitlichem Zusammenhang stehen und dass der Angeklagte auf die Einkünfte aus dem Drogenhandel zur Finanzierung seines Eigenkonsums angewiesen war, liegt eine solche Folgerung allerdings nicht fern. Für sie könnte auch sprechen, dass der regelmäßige Betäubungsmittelmissbrauch beim Angeklagten erst in dessen 37. Lebensjahr eingesetzt und der therapiebereite Angeklagte noch keine Entwöhnungsbehandlung erfahren hat.
19
3. Im Hinblick auf die nicht rechtsfehlerfrei abgelehnte Sicherungsverwahrung hebt der Senat zu Gunsten des Angeklagten auch den Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf, da - zumal angesichts der Höhe der verhängten Strafe - nicht auszuschließen ist, dass diese im Falle einer Anordnung der Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1994 - 3 StR 679/93, BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1 m.w.N.; Urteil vom 21. Oktober 2004 - 4 StR 325/04, NStZ-RR 2005, 39, 40).
20
Die für sich genommen revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist wegen ihres hier bestehenden untrennbaren Zusammenhangs mit der erneuten Prüfung der Sicherungsverwahrung ebenfalls aufzuheben.
21
4. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass bei der Bestimmung des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe nach § 67 Abs. 2 StGB dieser nicht um die Dauer der bisherigen Untersuchungshaft zu kürzen ist, weil die auf die Strafe anzurechnende Untersuchungshaft (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StGB) ohne Weiteres in die Dauer eines angeordneten Vorwegvollzugs einzurechnen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2009 - 5 StR 22/09 - und vom 19. Januar 2010 - 4 StR 504/09; vgl. auch Fischer aaO § 67 Rdn. 9 a m.w.N.).
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 61/17
vom
5. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:050417B5STR61.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. April 2017 gemäß § 349 Abs.2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 31. Oktober 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch hinsichtlich der Tat vom 2. Juni 2016 (II.2 der Urteilsgründe) und
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltrei- bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführen eines Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln und unerlaubtem Besitz eines Schlagringes“ sowie wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Verfallsent- scheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu der Tat vom 2. Juni 2016 wurden bei dem Angeklagten im Rahmen einer an diesem Tag durchgeführten polizeilichen Durchsuchung seiner Wohnung in einem Schrank auf dem Balkon zwei Plastikdosen mit insgesamt 59 Plastiktütchen zu jeweils 1,5 g Marihuana und außerdem eine weitere Dose mit 10 g sowie eine solche mit 15 g „losem“ Marihuana gefunden. Unter dem Bett des Angeklagten wurde ein weiterer Plastikbecher mit 22 Plastiktütchen Marihuana entdeckt. Insgesamt wurden 167,41 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 9,9 % (16,57 g THC) sichergestellt. In der im Schlafzimmer liegenden Hose des Angeklagten befanden sich Betäubungsmittelutensilien, Bargeld in Höhe von 500 € in Scheinen sowie ein schwarzer Schlagring. Der Angeklagte, der selbst Marihuana raucht, wollte die sichergestellten Drogen „jedenfalls zum überwiegenden Teil“ gewinn- bringend verkaufen und im Übrigen selbst konsumieren (UA S. 11). Mit dem Verkauf wollte er zumindest auch seinen Eigenkonsum finanzieren.
3
2. Der Schuldspruch gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG kann nicht bestehen bleiben. Bei der rechtlichen Beurteilung ist das Landgericht in rechtsfehlerhafter Weise davon ausgegangen, dass es im Rahmen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG für die Annahme des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge allein auf die Gesamtmenge ankomme, auch wenn diese teils zur gewinnbringenden Weiterveräußerung, teils zum Eigenkonsum diene, sofern das Betäubungsmittel zuvor in einem Akt in nicht geringer Menge erworben wurde.
4
Es hat dabei zum einem übersehen, dass sich das von ihm als Beleg für diese Rechtsansicht in Bezug genommene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. April 1996 (3 StR 5/96, BGHSt 42, 123) nur auf die durch Mitführen von Waffen qualifizierten Handlungsvarianten der Einfuhr, Ausfuhr und des SichVerschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bezieht, nicht jedoch auf die Alternative des Handeltreibens als solche. Bei einer Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist es zur Bestimmung des jeweiligen Schuldumfangs vielmehr erforderlich, in den Fällen, in denen der Täter die Betäubungsmittel teils zum Eigenverbrauch, teils zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben hat, den Eigenverbrauchsanteil zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2014 – 3 StR 116/04, StV 2004, 602). Abhängig hiervon besteht dann Tateinheit zwischen bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Besitz einer nicht geringen Menge (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2016 – 2 StR 62/16) bzw. – bei geringen Mengen – Erwerb von Betäubungsmitteln (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 StR 210/10). Dieser Rechtsfehler hätte indes allein noch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils geführt. Denn den Urteilsfeststellungen ist immerhin zu entnehmen, dass der Angeklagte das Marihuana „jedenfalls zum überwiegenden Teil“, also mehr als 50 %, gewinnbringend verkaufen woll- te.
5
Die Strafkammer hat allerdings zum anderen nicht beachtet, dass das Marihuana nicht in einem Akt, sondern in zwei Teilakten (UA S. 11, 13) erworben worden war. Sie ist nämlich davon ausgegangen, dass der Angeklagte 150 g Marihuana zwei Tage vor der Durchsuchung gekauft hatte, während die restlichen gut 17 g von einem früheren Kauf übrig geblieben waren. In diesem Fall kann auch dann, wenn der Angeklagte seinen Drogenvorrat wieder aufgefüllt hat, nicht von einer Tat im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ausgegan- gen werden. Denn die Annahme einer einheitlichen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit setzt voraus, dass sämtliche Betäubungsmittel Gegenstand desselben Güterumsatzes waren, etwa indem der Angeklagte sie gleichzeitig zum Zwecke gewinnbringender Weiterveräußerung erworben hatte. Dies ist beim wiederholten Rauschgifterwerb zum Weiterverkauf in Kleinmengen grundsätzlich nicht der Fall (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 – 2 StR 586/15, NStZ-RR 2016, 345 mwN). Allein der gleichzeitige Besitz mehrerer Drogenmengen verbindet die hierauf bezogenen Handlungen nicht zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2008 – 2 StR 619/07, NStZ 2008, 470).
6
3. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte durch die Annahme nur einer rechtlichen Tat beschwert ist.
7
Unter Zugrundelegung der vom Landgericht angenommenen Gesamtmenge von 167,41 g Marihuana, von denen 150 g in einem Teilakt erworben wurden, wäre zwar hinsichtlich dieser zuletzt erworbenen Menge bei einem Wirkstoffgehalt von 9,9 % (entspricht 14,58 THC) und unter Zugrundelegung einer Verkaufsmenge von 51 % (entspricht 7,57 g THC) ebenfalls der Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erfüllt; allerdings wäre die nicht geringe Menge (7,5 g THC) nur sehr geringfügig überschritten. Deshalb ließe sich nicht ausschließen, dass das Landgericht in einem solchen Fall auch in Anbetracht der weiteren Einzelstrafe für die frühere Tat (Handeltreiben in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln ; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 823 mwN), aus der sich die Restmenge von gut 17 g ergab, eine noch mildere (Gesamt-)Freiheitsstrafe verhängt hätte.
8
4. Hinsichtlich der Tat vom 2. Juni 2016 bedarf die Sache demnach neuer tatgerichtlicher Aufklärung. Da die Unterbringungs- und die Verfallsentscheidung auf dem Schuldspruch wegen des Betäubungsmitteldelikts fußen, waren auch sie aufzuheben.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 17/17
vom
29. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2017:290317B2STR17.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 29. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 5. Oktober 2016, soweit es ihn betrifft, aufgehoben , soweit eine Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 2 StGB unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, ohne eine Entscheidung über einen möglichen Vorwegvollzug eines Teils der Strafe zu treffen.
2
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
Das Urteil hat keinen Bestand, soweit es keine Entscheidung über die Dauer des Vorwegvollzuges eines Teils der Freiheitsstrafe vor dem Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt getroffen hat. § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB bestimmt, dass ein Teil der Maßregel vor der Strafe vollzogen werden soll, wenn - wie hier - die Unterbringung nach § 64 StGB neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren angeordnet wird; dabei ist dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist (Senat, Beschluss vom 3. April 2012 – 2 StR 63/12), was der Senat hier mangels Feststellungen nicht prüfen kann.
4
Zwar ist ein Abweichen von der Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB aus einzelfallbezogenen Gründen möglich (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl. § 67 Rn. 12 mwN). Das Landgericht hat es hier jedoch ohne Begründung bei der in § 67 Abs. 1 StGB vorgesehenen Reihenfolge belassen, wonach die Maßregel grundsätzlich vor der Freiheitsstrafe zu vollziehen ist. Dies war rechtsfehlerhaft. Die Entscheidung über den Vorwegvollzug ist unter sachverständiger Beratung zur möglichen Dauer einer erfolgreichen Therapie nachzuholen. Appl Krehl Zeng Bartel Grube

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 322/11
vom
22. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. September 2011
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 8. April 2011 aufgehoben, soweit das Landgericht die Anordnung eines Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung, wegen Sachbeschädigung , wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung sowie wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Die Strafkammer hat jedoch rechtsfehlerhaft von der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung abgesehen.
3
1. Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB soll das Gericht bei der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist; dabei ist dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach einer Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist. Diese Vorschrift hat der Gesetzgeber bewusst als "SollVorschrift" ausgestaltet. Nur wenn aus gewichtigen Gründen des Einzelfalls eine andere Entscheidung eher die Erreichung eines Therapieerfolges erwarten lässt, namentlich bei aktuell dringender Therapiebedürftigkeit des Betreffenden (vgl. NStZ-RR 2007, 371, 372; BT-Drucks. 16/1110, S. 14), darf von der Anordnung abgesehen werden (BGH, NStZ-RR 2008, 142 und 182). Liegen solche Gründe nicht vor, so hat der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr (BGH, NStZ-RR aaO).
4
2. Diesem Maßstab wird das Landgericht nicht gerecht.
5
Die Nichtanordnung des Vorwegvollzugs hat das Landgericht mit der Besonderheit begründet, es sei derzeit nicht sicher vorhersehbar, ob die zur Bewährung ausgesetzte Vollstreckung zweier früherer gegen den Angeklagten verhängter Freiheitsstrafen widerrufen werde und in welcher Reihenfolge die Vollstreckung der Freiheitsstrafen in diesem Fall erfolge. Gegebenenfalls seien die früheren Freiheitsstrafen erst nach der Maßregel zu vollstrecken, weshalb die Anordnung des Vorwegvollzugs vorliegend keinen Sinn mache. In jedem Fall aber habe es die Strafvollstreckungskammer in der Hand, gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 StGB die in diesem Urteil festgelegte Vollstreckungsreihenfolge zu ändern (UA S. 29).
6
Diese von der Kammer erwogenen, möglicherweise in der Zukunft eintretenden Umstände rechtfertigen indes keine Abweichung von der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB. Für die Beurteilung des Vorliegens wichtiger, eine Abweichung rechtfertigender Gründe ist allein der Zeitpunkt der Aburteilung maßgeblich. Das Erreichen des Therapieerfolgs wird dadurch auch im Falle später eintretender neuer Umstände nicht gefährdet, denn diesen kann die Strafvollstreckungskammer durch eine Anordnung, Änderung oder Aufhebung des Vorwegvollzugs jederzeit gerecht werden.
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Der Angeklagte ist schon durch die Nichtanwendung des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB beschwert, weil die von § 67 Abs. 1 StGB abweichende Vollstreckungsreihenfolge auch der Sicherung des Therapieerfolgs dient und bei dessen Eintritt die Möglichkeit besteht, dass der Angeklagte unter Anrechnung der Unterbringungsdauer schon zum Halbstrafenzeitpunkt entlassen wird (BGH, Beschluss vom 21. August 2007 - 3 StR 263/07; Beschluss vom 13. August 2009 - 3 StR 224/09; vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 64 Rn. 10). Die Beschwer besteht ungeachtet einer der Strafvollstreckungskammer in § 67 Abs. 3 Satz 1 StGB eröffneten Möglichkeit der nachträglichen Anordnung, denn eine spätere Anordnung steht lediglich in deren Ermessen und darf überdies nur auf Umstände gestützt werden, die erst nach Rechtskraft der Unterbringungsanordnung (typischerweise: während des Vollzugs) in Erscheinung getreten sind; verwehrt ist es dem nachträglich entscheidenden Gericht, bei gleicher tatsächlicher Beurteilungsgrundlage die Urteilsfeststellungen des erkennenden Gerichts nach Art eines Rechtsmittelgerichts zu "berichtigen" (Schöch LK 12. Aufl. StGB § 67 Rn. 105).
8
3. Über die Frage des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe ist daher unter Heranziehung eines Sachverständigen neu zu befinden. Stehen der Anordnung keine gewichtigen Gründe entgegen, wird die Kammer auch die erforderliche Therapiedauer festzustellen haben.
Fischer Appl Berger Krehl Ott

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

5 StR 423/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 21. Juni 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Diebstahl (Einsatzstrafe: fünf Jahre Freiheitsstrafe), wegen Diebstahls in weiteren vier Fällen und wegen versuchten Diebstahls – unter Freisprechung im Übrigen – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass fünf Monate der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumiert der 24-jährige Angeklagte bereits seit seinem 12. Lebensjahr regelmäßig Alkohol ; darüber hinaus besteht bei ihm eine psychische Abhängigkeit von Betäubungsmitteln. Er ist vielfach, insbesondere wegen Diebstahls, vorbestraft. In zwei Fällen hatte er bei Einbrüchen Feuer gelegt. Gegenstand der vorliegenden Verurteilung sind zum Teil unter den Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB verübte Diebstähle, mit denen sich der Angeklagte eine Einkommensquelle für den Drogenerwerb verschaffen wollte. Im Zusammenhang mit einem Einbruch in ein Firmengebäude in der Kieler Innenstadt, bei dem der Angeklagte „Kaffeeutensilien“ sowie zahlreichekleine Taschenlampen erbeutete, steckte er einen Archivraum, in dem große Mengen alter Akten lagerten, in Brand. Der betreffende Gebäudeteil brannte ab; es entstand ein Sachschaden in Höhe von rund 750.000 €. Zwei Polizeibeamte erlitten im Rahmen ihrer Diensttätigkeit leichte Rauchvergiftungen.
3
2. Die Urteilsfeststellungen rechtfertigen den Schuldspruch. Demgegenüber hält der Rechtsfolgenausspruch sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
Die Prüfung der Voraussetzungen einer Einschränkung der Schuldfähigkeit des Angeklagten gemäß §§ 20, 21 StGB weist Erörterungsmängel auf. Das Landgericht hat die Möglichkeit einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit nur unter dem Gesichtspunkt einer aktuellen Drogenintoxikation des Angeklagten im Zeitpunkt der Taten geprüft und nur diese – in nachvollziehbarer Weise – ausgeschlossen. Es setzt sich zum einen nicht mit der naheliegenden Möglichkeit einer sogar physischen Rauschmittelabhängigkeit des Angeklagten auseinander, der seit seiner Jugend regel- mäßig Alkohol und Drogen konsumiert, sich in der „Szene der Drogenabhängigen in Kiel“ aufhält (UA S. 5) unddessen Leben durch Drogen und Be- schaffungskriminalität bestimmt ist (UA S. 30). Eine solche kann aufgrund hohen Suchtdrucks eine rauschunabhängige Minderung der Schuldfähigkeit begründen (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 20 Rn. 11a). Zum anderen be- fasst es sich nicht mit der Frage, ob die vom Sachverständigen festgestellte, nicht näher klassifizierte „schwere Persönlichkeitsstörung“ des vom „Scheitern in seinem Leben“ (UA S. 30) geprägten Angeklagten Auswirkungen auf seine Schuldfähigkeit hatte. Insbesondere hinsichtlich der begangenen Brandstiftung, in der die Strafkammer ein „Handlungsmuster“ (UA S. 23) des Angeklagten erblickt, hätte Anlass für eine solche Prüfung bestanden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 2001 – 5 StR 287/01 – und vom 17. Oktober 1995 – 5 StR 530/95).
5
3. Der Senat hebt den gesamten Rechtsfolgenausspruch auf. Damit soll gegebenenfalls auch eine Prüfung einer Unterbringung nach § 63 StGB ermöglicht werden; nach den Feststellungen ist der Betäubungsmittelmissbrauch des Angeklagten das „sekundäre Phänomen“ seiner schweren Persönlichkeitsstörung (UA S. 30). Da es keine Hinweise auf einen völligen Ausschluss der Schuldfähigkeit gibt, kann demgegenüber der Schuldspruch bestehen bleiben.
6
4. Hinsichtlich des Ausspruchs über den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe vor der Maßregel und seiner Bemessung weist der Senat auf folgendes hin: Die erlittene Untersuchungshaft ist gemäß § 51 StGB von der Vollstreckungsbehörde auf den nach § 67 Abs. 2 StGB vorweg zu vollstreckenden Strafteil anzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 1991 – 4 StR 121/91, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweise 8); dieser ist daher im Urteilstenor grundsätzlich nicht um die Dauer der bisherigen Untersuchungshaft zu kürzen. Die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat allerdings zu unterbleiben, wenn sich der mögliche Vorwegvollzug durch die vom Angeklagten seit seiner Festnahme erlittene Polizei- und Untersuchungshaft bereits erledigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober2007 – 2 StR 354/07, NStZ 2008, 212, 213).
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17
d) Ausführungen in den Urteilsgründen zum Festhalten an oder Abweichen von der Verständigung sind entgegen der Ansicht der Revision nicht erforderlich. Während in dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren ursprünglich die Feststellung in den Urteilsgründen vorgesehen war, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde liegt (vgl. Referentenentwurf S. 6 f. bei Niemöller aaO, Anhang 4), verlangt die Gesetz gewordene Regelung des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO lediglich die Angabe, dass dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist. Die Vorschrift soll auch für die Urteilsgründe Transparenz herstellen (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15). Die Darstellung des Inhalts der Verständigung ist dabei nicht geboten. Insoweit findet die notwendige Dokumentation gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO in der Sitzungsniederschrift statt, welche die Grundlage einer vom Revisionsgericht auf Verfahrensrüge hin gegebenenfalls vorzunehmenden Prüfung des Verfahrens nach § 257c StPO bildet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, NStZ 2011, 170; vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 5 Offenlegung 1; vom 13. Januar 2010 - 3 StR 528/09, NStZ 2010, 348). Für das Abrücken von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO verbleibt es mangels einer anderen gesetzlichen Regelung bei dem Grundsatz, dass Verfahrensvorgänge im Urteil nicht zu erörtern sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613; vom 8. Mai 2007 - 1 StR 202/07, NStZ-RR 2007, 244; a.A. für § 257c Abs. 4 Meyer-Goßner aaO, § 267, Rn. 23a; Velten aaO, § 257c, Rn. 41). Die Mitteilung nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO über die Entscheidung zum Abgehen von der Verständigung und deren Gründe ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen und nimmt an dessen Beweiskraft teil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 202/07
vom
8. Mai 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 4. Dezember 2006 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Zum Inhalt der Urteilsgründe weist der Senat auf Folgendes hin: Verfahrensvorgänge sind im Urteil grundsätzlich nicht zu erörtern. Insbesondere sind Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln von Rechts wegen nicht geboten (vgl. BGH NJW 2006, 1361, 1362; BGH wistra 2006, 311, 313). Zur Vermeidung der Überfrachtung der schriftlichen Urteilsgründe sind sie regelmäßig sogar tunlichst zu unterlassen. Nack Wahl Boetticher Kolz Graf