Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2010 - I ZB 97/08

bei uns veröffentlicht am14.01.2010
vorgehend
Landgericht Hamburg, 406 O 64/07, 12.10.2007
Hanseatisches Oberlandesgericht, 5 U 5/08, 08.10.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 97/08
vom
14. Januar 2010
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 8. Oktober 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 60.000 €.

Gründe:


1
I. Das Landgericht hat die Beklagte aufgrund markenrechtlicher Ansprüche zur Unterlassung und Auskunft verurteilt sowie ihre Verpflichtung zur Schadensersatzleistung festgestellt. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte fristgerecht Berufung ein. Die Frist zur Begründung der Berufung lief am 17. Dezember 2007 ab. Die Berufungsbegründung ging erst am 28. Dezember 2007 beim Berufungsgericht ein; zugleich hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
2
Zur Begründung hat die Beklagte vorgetragen, dass in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten für jede einzutragende Frist zusätzlich eine Vorfrist von einer Woche notiert werde, zu der die jeweilige Akte dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt werde. Mit Ablauf dieser Vorfrist am 10. Dezember 2007 sei dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt Dr. E. von der Auszubil- denden S. Si. indes nicht die Akte zum vorliegenden Verfahren (mit dem internen Aktenzeichen H/E 559-07), sondern diejenige zum parallelen Verfügungsverfahren (mit dem internen Aktenzeichen H/E 1413/06/AH) vorgelegt worden. Rechtsanwalt Dr. E. habe diesen Irrtum bemerkt und die Akte mit der schriftlichen Anweisung an seine Chefsekretärin M. D. zurückgegeben , ihm die Hauptsacheakte vorzulegen. Frau D. sei eine langjährige Mitarbeiterin, die stets sehr sorgfältig arbeite und noch niemals einen Fehler begangen habe. Frau D. habe daraufhin noch am selben Tag die richtige Akte aus der Registratur geholt. Sie habe jedoch festgestellt, dass sich in der Akte ein Schreiben der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts vom 19. November 2007 befunden habe, mit dem der Eingang der Berufung bestätigt worden sei. Auf diesem sei allerdings das falsche interne Aktenzeichen in dem Feld "Ihr Zeichen" eingefügt gewesen, nämlich das Aktenzeichen zum Verfügungsverfahren. Frau D. habe sich daraufhin - in der Hauptsacheakte - das Urteil des Landgerichts vom 12. Oktober 2007 angesehen und dabei bemerkt , dass auch dort das interne Aktenzeichen der für die Beklagte tätigen Prozessbevollmächtigten für das Verfügungsverfahren angegeben gewesen sei. Frau D. habe nun in die Akte des Verfügungsverfahrens gesehen und festgestellt, dass dort längst eine Berufungsbegründung eingereicht gewesen sei. Deshalb habe Frau D. gedacht, dass die notierte Frist mit Ablauf 17. Dezember 2007 längst erledigt sei. Sie habe eigenmächtig diese Frist gestrichen , ohne Rechtsanwalt Dr. E. darauf hinzuweisen. Dies habe zur Folge gehabt, dass die Akte Rechtsanwalt Dr. E. nicht wieder vorgelegt, dass er am Tage des Fristablaufs hierauf nicht aufmerksam gemacht und dass die Frist nicht mehr überwacht worden sei.
3
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung verwor- fen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe keinen Ablauf glaubhaft gemacht, nach dem sie ohne ihr Verschulden daran gehindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Es sei nicht vorstellbar, dass der Mitarbeiterin D. die von der Beklagten vorgetragene Kette höchst gravierender Fehler unterlaufen sei. Selbst wenn man die Schilderung der Beklagten als zutreffend unterstelle, liege jedoch ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten vor. Wenn zu einer wichtigen Frist die falsche Akte vorgelegt werde und der Anwalt sodann anordne, ihm sogleich die richtige Akte vorzulegen, gebiete es anwaltliche Sorgfalt, die ausstehende Vorlage dieser Akte wenigstens für den Zeitraum im Kopf zu behalten, der üblicherweise ausreichend sei, um diese Anweisung auszuführen, und alsbald nachzuhaken, wenn die Akte nicht innerhalb dieses Zeitraums vorgelegt werde.
4
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
5
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO i.V. mit § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (BGH, Urt. v. 22.3.2005 - XI ZB 36/04, NJW-RR 2005, 865 m.w.N.), sind nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich. Der angefochtene Beschluss verletzt nicht die Ansprüche der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs und wirkungsvollen Rechtsschutz.
6
1. Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, der von Frau D. geschilderte Ablauf sei nicht plausibel und daher nicht glaubhaft, beruht nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht nicht den Kern des Vorbringens der Beklagten durch die Annahme unrichtig erfasst, Frau D. habe das vorliegende Hauptsacheverfahren und das vorgeschaltete Verfügungsverfahren für ein und dieselbe Sache gehalten.
7
Aus dem Gesamtzusammenhang der Beschlussgründe ergibt sich vielmehr deutlich, dass das Berufungsgericht entsprechend dem Vortrag der Beklagten davon ausgegangen ist, Frau D. habe gewusst, dass es Verfügungs - und Hauptsacheverfahren mit identischen Rubren gab. Soweit der Würdigung des Vortrags der Beklagten durch das Berufungsgericht zu entnehmen sein sollte, Frau D. müsse angenommen haben, Verfügungs- und Hauptsacheverfahren seien dieselbe Sache, könnte damit allein gemeint sein, sie habe nicht erkannt, dass das Urteil des Landgerichts vom 12. Oktober 2007 nicht das Verfügungsverfahren betraf und insofern nicht zwischen den verschiedenen Verfahren unterschieden. Diese tatrichterliche Folgerung verletzte schon deshalb kein Verfahrensgrundrecht der Beklagten, weil die irrtümliche Zuordnung des landgerichtlichen Urteils nach dem Vortrag der Beklagten Ursache der fehlerhaften Streichung der Vorfrist war.
8
2. Der angefochtene Beschluss beeinträchtigt auch nicht den Anspruch der Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz. Das Berufungsgericht hat nicht gegen den Grundsatz verstoßen, dass sich die Beklagte keine Fehler der Büroangestellten ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (BGH, Beschl. v. 12.8.1997 - VI ZB 13/97, NJW 1997, 3243). Es hat vielmehr angenommen , die Beklagte habe kein mangelndes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht, weil der von Frau D. geschilderte Ablauf nicht plausibel sei; die Beklagte habe demnach keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, nach dem sie ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen sei, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Diese Ausführungen lassen keinen zulassungsrelevanten Rechtsfehler erkennen.
9
Nach dem Vortrag der Beklagten zur Kanzleiorganisation ihres Prozessbevollmächtigten hätte weder die Berufungsbegründungsfrist noch die entsprechende Vorfrist gestrichen werden dürfen. Wird die Schilderung von Frau D. für nicht glaubhaft gehalten, fehlt es an einem Vorbringen, das erklärt, wie es zu dem Fristversäumnis kommen konnte. Das Berufungsgericht hat die Beklagte auf diese Einschätzung hingewiesen. Eine andere Erklärung für die Fristversäumung hat die Beklagte nicht gegeben.
10
3. Es kann deshalb dahinstehen, ob der vom Berufungsgericht bei Unterstellung des von der Beklagten vorgetragenen Ablaufs hilfsweise angenommene Grund für die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags zutrifft, den Prozessbevollmächtigten treffe an dem Fristversäumnis ein Verschulden, weil er nach den konkreten Umständen Anlass gehabt habe, wegen der ausbleibenden Vorlage der richtigen Akte bei seinem Personal nachzufragen.
11
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 12.10.2007 - 406 O 64/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.10.2008 - 5 U 5/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2010 - I ZB 97/08

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2010 - I ZB 97/08 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 36/04
vom
22. März 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
ZPO (Fassung: 1. Januar 2002) §§ 233 Ff, 520
Das Vertrauen auf die Bewilligung der beantragten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
ist nicht gerechtfertigt, wenn der Prozeßbevollmächtigte des Berufungsklägers
die ihm gegenüber erklärte, gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderliche
Einwilligung des Gegners in dem Verlängerungsantrag nicht erwähnt.
BGH, Beschluß vom 22. März 2005 - XI ZB 36/04 - OLG Bremen
LG Bremen
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Dr. Joeres, Dr. Müller, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Appl und
Dr. Ellenberger
am 22. März 2005

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluß des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 8. Juli 2004 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 161.587,18 €.

Gründe:


I.


Der Kläger hat gegen das seine Klage abweisende Ur teil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Auf seinen ersten - ohne Zustimmung des Beklagten gestellten - Antrag hat der Vorsitzende des zuständigen Zivilsenats die Begründungsfrist um einen Monat bis zum 26. Mai 2004 verlängert. Am 26. Mai 2004 um 17.25 Uhr reichte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers per Telefax einen zweiten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen weiteren Monat bis zum 26. Juni 2004 ein, den er mit Arbeitsüberlastung begründete.

Der Senatsvorsitzende lehnte diesen Antrag am 1. J uni 2004 ab, weil die gemäß § 520 Abs. 2 ZPO erforderliche Einwilligung des Gegners nicht binnen der am 26. Mai 2004 abgelaufenen Frist dargetan worden sei. Diese Verfügung wurde dem Prozeßbevollmächtigen des Klägers am 15. Juni 2004 zugestellt, der mit Telefax vom 17. Juni 2004 die schriftliche Einverständniserklärung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 26. Mai 2004 vorlegte.
Am 29. Juni 2004 hat der Kläger seine Berufung beg ründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe auf die Gewährung der beantragten Fristverlängerung vertrauen dürfen, weil die Zustimmung des gegnerischen Prozeßbevollmächtigten objektiv vorgelegen habe. Daß dem Gericht im Antrag vom 26. Mai 2004 diese Zustimmung nicht mitgeteilt und die Zustimmungserklärung nicht mitübersandt worden sei, beruhe darauf, daß die zuständige und sonst immer zuverlässige Bürokraft seines Prozeßbevollmächtigten die ihr insofern erteilte Einzelweisung versehentlich nicht beachtet habe. Sie sei angewiesen worden, den Fristverlängerungsantrag zu schreiben und auf das vorliegende Einverständnis der Gegenseite hinzuweisen sowie den Fristverlängerungsantrag vorab per Telefax unter Beifügung der Einverständniserklärung abzusenden. Sein Prozeßbevollmächtigter habe den Fristverlängerungsantrag im Vertrauen darauf unterzeichnet, daß er ordnungsgemäß vorbereitet worden sei.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsant rag zurückgewiesen und gleichzeitig die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen. Zur Begründung hat es im wesentli-
chen ausgeführt, der Kläger sei nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Insbesondere könne der Kläger seinen Wiedereinsetzungsantrag nicht darauf stützen, daß er mit der Ablehnung seines zweiten Fristverlängerungsantrages nicht habe rechnen müssen. Da die Berufungsbegründungsfrist bereits erstmals um einen Monat verlängert gewesen sei, sei für eine weitere Fristverlängerung nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Einwilligung des Gegners notwendig gewesen. Nachdem der Kläger das Vorliegen dieser unverzichtbaren Voraussetzung für eine erneute Fristverlängerung nicht vorgetragen habe - und zwar weder bis zum Fristablauf noch bis zur Entscheidung des Vorsitzenden vom 1. Juni 2004 -, sei die Ablehnung des Fristverlängerungsantrages zu Recht erfolgt. Die Verfügung des Vorsitzenden werde nicht dadurch gesetzeswidrig, daß dem Kläger die Einwilligung des Gegners tatsächlich bei Stellung des Fristverlängerungsantrages vorgelegen habe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden, weil der Prozeßbevollmächtigte des Klägers es zu vertreten habe, daß die vorliegende Zustimmung des Gegners im Antrag weder erwähnt noch diesem beigefügt worden sei.
Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger die A ufhebung dieses Beschlusses und die Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 N r. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die
Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß gewahrt sein müssen (Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1408 m.w.Nachw. zur Veröffentlichung in BGHZ 159, 135 vorgesehen und vom 9. November 2004 - XI ZB 6/04, NJW 2005, 72, 73 m.w.Nachw. zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ), sind nicht erfüllt.
1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat d ie Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerde formuliert zwar die für grundsätzlich gehaltene Zulassungsfrage , ob „einem Berufungskläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren ist, wenn bei einem rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gestellten Fristverlängerungsantrag die nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderliche Einwilligung des Gegners tatsächlich vorliegt und diese nur aufgrund eines Versehens einer Büroangestellten dem Gericht nicht mitgeteilt wird“. In Rechtsprechung und Literatur ist aber bereits geklärt, daß ein berechtigtes Vertrauen auf die Gewährung einer beantragten Fristverlängerung die Vollständigkeit des Verlängerungsantrages voraussetzt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1992 - VIII ZB 28/92, NJW 1993, 134, 135 und vom 4. Dezember 1997 - V ZB 26/97, NJW-RR 1998, 573, 574; Stein/Jonas/Herbert Roth, ZPO 22. Aufl. § 233 Rdn. 33 Stichwort Fristverlängerung; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 233 Rdn. 23 Stichwort Fristverlängerung; Musielak/Grandel, ZPO 4. Aufl. § 233 Rdn. 28; jeweils m.w. Nachw.). Dazu gehört, wie das Oberlandesgericht zu Recht angenommen hat, die Darlegung der Einwilligung des Gegners (vgl. Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen 6. Aufl.
Rdn. 142; Wieczorek/Schütze/Uwe Gerken, ZPO 3. Aufl. § 520 Rdn. 37), wenn dieser sie nicht unmittelbar gegenüber dem Gericht erklärt hat.
2. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist au ch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die angefochtene Entscheidung verletzt kein Verfahrensgrundrecht des Klägers (vgl. BGHZ 154, 288, 296 zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO; Senatsbeschluß vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1408 m.w.Nachw., zur Veröffentlichung in BGHZ 159, 135 vorgesehen).

a) Das Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungs vollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ) verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 f.; 41, 332, 334 f.; 69, 381, 385; BVerfG NJW 2001, 2161, 2162 und NJW 2005, 814, 815; BGHZ 151, 221, 227). Deshalb darf ein Gericht einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von überspannten Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozeßbevollmächtigten versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen die Partei auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen mußte (BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG NJW-RR 2002, 1004; BGHZ 151, 221, 227 f.; BGH, Beschluß vom 13. Mai 2003 - VI ZB 76/02, FamRZ 2003, 1271).
Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht ni cht verstoßen. Insbesondere hat es die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts
zu stellenden Anforderungen nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überspannt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach darf ein Rechtsanwalt die Anfertigung von Rechtsmittelschriften nicht seinem Büropersonal überlassen, ohne das Arbeitsergebnis auf Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen (BGH, Beschluß vom 20. Februar 1995 - II ZB 16/94, NJW 1995, 1499; Urteil vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97, NJW 1998, 908; jeweils m.w.Nachw.). Dasselbe gilt für Anträge auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist (BGH, Beschluß vom 11. Februar 1998 - VIII ZB 50/97, NJW 1998, 2291, 2292). Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers kann sich deshalb zu seiner Entschuldigung nicht darauf berufen, die Büroangestellte, die die Antragsschrift geschrieben habe, habe die Einwilligung des Gegners versehentlich nicht erwähnt. Dies entlastet den Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht, weil er die Antragsschrift nicht selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft hat.

b) Der angefochtene Beschluß verletzt auch nicht d ie Ansprüche des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und auf ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. hierzu BVerfGE 93, 99, 113; BVerfG NJW 2005, 814, 815; Senatsbeschluß vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1409, zur Veröffentlichung in BGHZ 159, 135 vorgesehen). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht bereits vor der Bescheidung seines Verlängerungsantrages darauf hingewiesen hat, daß in diesem Antrag die erforderliche Einwilligung des Gegners nicht erwähnt war. Einen gerichtlichen Hinweis, der ihm die Vorlage der Einwilligung des Gegners
noch innerhalb der am 26. Mai 2004 ablaufenden Frist ermöglicht hätte, konnte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nicht erwarten, weil er den Verlängerungsantrag erst so spät gestellt hatte, daß mit seiner Vorlage an den Vorsitzenden nicht mehr innerhalb der Frist zu rechnen war. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers durfte auch nicht darauf vertrauen , der Vorsitzende werde selbst ermitteln, ob die Einwilligung des Gegners vorliege. Hierzu bestand kein Anlaß, weil der Antragsschrift nicht zu entnehmen war, daß der Gegner bereits von dem Verlängerungsantrag unterrichtet worden war. Der Vorsitzende mußte deshalb nicht die fern liegende Möglichkeit in Erwägung ziehen, der Prozeßbevollmächtigte des Klägers habe die Einwilligung des Gegners zwar eingeholt, aber in der Antragsschrift nicht erwähnt. Er konnte vielmehr davon ausgehen, der Prozeßbevollmächtigte des Klägers habe das Einwilligungserfordernis übersehen. Ob eine Fristverlängerung noch zulässig gewesen wäre, wenn die vor Fristablauf erteilte Einwilligung dem Vorsitzenden nach Fristablauf, aber noch vor seiner Entscheidung über den Verlängerungsantrag bekannt geworden wäre, kann dahinstehen. Entscheidend ist, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mangels Darlegung der Einwilligung auf die Gewährung der Fristverlängerung nicht vertrauen durfte.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Joeres Müller Mayen
Appl Ellenberger

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)