Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2005 - II ZB 2/05

bei uns veröffentlicht am05.12.2005
vorgehend
Landgericht Hannover, 23 O 66/04, 30.06.2004
Oberlandesgericht Celle, 9 U 190/04, 17.01.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 2/05
vom
5. Dezember 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Zwischenurteil, das sich seinem Inhalt nach nicht auf die Klärung einer prozessualen
Vorfrage beschränkt, sondern tatsächlich eine Entscheidung über
den materiellen Streitgegenstand trifft, ist als Sachurteil uneingeschränkt mit
einem Rechtsmittel anfechtbar.
Ein trotz fehlender Rechtshängigkeit erlassenes Urteil ist wirkungslos; es kann
mit dem Rechtsmittel angefochten werden, das gegen ein rechtsfehlerfreies
Urteil gleichen Inhalts gegeben wäre.
BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2005 - II ZB 2/05 - OLG Celle
LG Hannover
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 5. Dezember 2005
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer,
Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und Caliebe

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 17. Januar 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Geschäftswert: 20.000,00 €

Gründe:


1
I. Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH. Mit seiner "Anfechtungs - und Nichtigkeitsklage" wendet er sich gegen mehrere auf der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 15. April 2004 gefasste Beschlüsse. Durch "Zwischenurteil" hat das Landgericht erkannt, dass H. S. am Stammkapital der Beklagten seit dem 3. Mai 2004 über drei Geschäftsanteile mit insgesamt 100.000,00 DM beteiligt ist und die Beklagte als Gesellschafter hinsichtlich der Auseinandersetzungen um die Wirksamkeit der Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen vom 15. April 2004 und 14. Mai 2004 vertritt. Die gegen beide Urteilserkenntnisse gerichtete Berufung des Klägers, der die Ver- tretung der Beklagten durch H. S. lediglich im Blick auf eine von diesem selbst gegen einen Gesellschafterbeschluss erhobene Klage beanstandet, hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
2
II. Das Oberlandesgericht hat gemeint, ein Zwischenurteil sei nur insoweit anfechtbar, als darin über die Zulässigkeit der Klage entschieden worden sei. Die Berufung des Klägers richte sich nicht gegen die von dem Landgericht sinngemäß bejahte Zulässigkeit der Klage. Durch die nicht in Rechtskraft erwachsenden , über den vorliegenden Rechtsstreit hinausgehenden Feststellungen in Tenor und Begründung des angefochtenen Urteils werde der Kläger nicht beschwert.
3
III. Die Rechtsbeschwerde des Klägers ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 Abs. 1 und 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil die Beurteilung des Berufungsgerichts zur Zulässigkeit des Rechtsmittels auf einem grundlegenden Missverständnis höchstrichterlicher Rechtsprechung beruht und daher eine strukturelle Wiederholungsgefahr besteht (vgl. BGH, Beschl. v. 8. September 2004 - V ZR 260/03, NJW 2005, 154 f.). Die Berufung des Klägers ist gegen beide in der Urteilsformel des Landgerichts getroffene Feststellungen zulässig.
4
1. Soweit der Urteilstenor H. S. die Rechtsstellung eines Gesellschafters der Beklagten einräumt, bildet die Entscheidung des Landgerichts ein mit der Berufung anfechtbares Feststellungsurteil.
5
a) Lediglich im Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass ein Zwischenurteil nur insoweit als mit Rechtsmitteln angreifbares Endurteil anzusehen ist, als gemäß § 280 ZPO nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden wird. Ferner noch zutreffend hat das Berufungsgericht ausgesprochen , daß die in dem angegriffenen landgerichtlichen Urteil unausgesprochen enthaltene Feststellung, daß die Klage zulässig sei, den Kläger nicht beschwert.
6
b) Rechtsfehlerhaft ist indessen die Annahme des Berufungsgerichts, das Landgericht habe lediglich ein - nicht gesondert anfechtbares - Zwischenurteil im Sinne von § 303 ZPO erlassen. Es hat verkannt, dass das prozessuale Wesen eines Urteils nicht notwendig mit der ihm gegebenen Bezeichnung übereinstimmt. In der Rechtsprechung ist seit jeher anerkannt, dass ein vermeintliches "Zwischenurteil", das sich seinem Inhalt nach nicht, wie § 303 ZPO voraussetzt, auf die Klärung einer prozessualen Vorfrage beschränkt, sondern tatsächlich eine Entscheidung über den materiellen Streitgegenstand trifft, ein (Teil-)Endurteil darstellt und in diesem Fall wie ein Sachurteil uneingeschränkt anfechtbar ist (BGHZ 8, 383; BGH, Beschl. v. 18. September 1996 - VIII ZB 28/96, NJW 1996, 3345 f.; BGH, Urt. v. 8. Februar 1994 - KZR 2/93, NJW 1994, 1651 f.).
7
c) Ein solcher Fall liegt hier vor. Die in dem Urteilstenor des Landgerichts getroffene Feststellung, dass H. S. an der Beklagten mit mehreren Geschäftsanteilen beteiligt ist, betrifft nicht die Zulässigkeit der Klage. Vielmehr wird tatsächlich die zwischen den Parteien streitige Frage entschieden, ob H. S. Gesellschafter der Beklagten ist. Dieses Feststellungsurteil beschwert den Kläger und eröffnet ihm die Überprüfung des Ausspruchs des Landgerichts im Berufungsverfahren.
8
2. Der zweite Teil der Entscheidungsformel, der H. S. die Vertretung der Beklagten in allen Auseinandersetzungen um die Wirksamkeit der Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen vom 15. April 2004 und 14. Mai 2004 zuweist , ist zwar ein Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage (§ 280 Abs. 1 ZPO). Dieses Urteil kann aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wegen seines, wie mangels jeglicher tatrichterlicher Feststellungen durch das Berufungsgericht für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen ist, über das vorliegende Verfahren hinausgehenden Entscheidungsinhalts als wirkungsloses Urteil von dem Kläger - in dem geltend gemachten eingeschränkten Umfang - mit seinem Rechtsmittel angefochten werden.
9
a) Das Landgericht hat der Beklagten die Prozessfähigkeit (§ 51 ZPO) zugebilligt, weil sie durch ihren Gesellschafter H. S. wirksam vertreten werde. Damit hat das Landgericht über eine einzelne Sachurteilsvoraussetzung ausdrücklich befunden (BGHZ 27, 15, 26 ff.; BGH, Urt. v. 23. Mai 1985 - III ZR 57/84, NJW-RR 1986, 61 f.; MünchKommZPO/Prütting 2. Aufl. § 280 Rdn. 8; Musielak/Foerste, ZPO 4. Aufl. § 280 Rdn. 7). Die Vertretung der Beklagten durch H. S. greift der Kläger, soweit der vorliegende Rechtsstreit betroffen ist, nicht an.
10
b) Ausweislich des Urteilstenors, dessen Inhalt - was das Berufungsgericht nicht beachtet - für die Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft maßgeblich ist (vgl. BGHZ 124, 164, 166; 34, 337, 339), hat das Landgericht der Beklagten die Prozessfähigkeit mit der Maßgabe der Vertretung durch ihren Gesellschafter H. S. nicht nur für das vorliegende, sondern ausdrücklich für sämtliche gerichtliche Verfahren zugebilligt, welche Auseinandersetzungen um die Wirksamkeit der auf den Gesellschafterversammlungen vom 15. April 2004 und 14. Mai 2004 gefassten Beschlüsse zum Gegenstand haben. Nach dem für das Rechtsbeschwerdeverfahren maßgeblichen Vorbringen des Klägers hat - neben weiteren von ihm selbst eingeleiteten Verfahren - auch H. S. einen der auf den Gesellschafterversammlungen gefassten Beschlüsse als Kläger beanstandet.
11
c) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Landgericht der Beklagten auch für das letztgenannte Verfahren die Prozessfähigkeit auf der Grundlage einer Vertretung durch ihren Gesellschafter S. bescheinigt hat. Die von H. S. erhobene Klage ist - wie auch die von dem Kläger offenbar verfolgten weiteren Rechtsschutzbegehren - nicht Bestandteil des vorliegenden Rechtsstreits. Über diese Klage kann - mangels einer Verfahrensverbindung (§ 147 ZPO) - nur innerhalb des betreffenden Verfahrens entschieden werden. Folglich ist die Entscheidung des Landgerichts, die sich nach ihrem Inhalt auch auf den von H. S. betriebenen Prozess erstreckt, außerhalb eines rechtshängigen Verfahrens ergangen. Ein trotz fehlender Rechtshängigkeit erlassenes Urteil ist jedoch wirkungslos (BayObLG NJW-RR 2000, 671 f.; LAG Frankfurt BB 1982, 1924 f.; LG Tübingen JZ 1982, 474 f.; Zöller/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. Rdn. 18 vor § 300; Musielak/Musielak, ZPO 4. Aufl. § 300 Rdn. 5).
12
Ein solches Urteil entfaltet - dies gilt auch für etwaige von dem Kläger erhobene weitere, nicht den Gegenstand der Berufung bildenden Klagen - keine materielle Rechtskraft (BGHZ 4, 389, 394; Zöller/Vollkommer aaO Rdn. 19 vor § 300; Musielak/Musielak aaO § 300 Rdn. 7), kann aber, wenn es nicht angefochten wird, formelle Rechtskraft erlangen. Um deren Eintritt zu verhindern, kann ein wirkungsloses Urteil mit dem Rechtsmittel angefochten werden, das gegen ein rechtsfehlerfreies Urteil gleichen Inhalts gegeben wäre (BGHZ 10, 346, 349; 4, 389, 394; MünchKommZPO/Rimmelspacher 2. Aufl. § 511 Rdn. 13).
Goette Kraemer Gehrlein
Strohn Caliebe
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 30.06.2004 - 23 O 66/04 -
OLG Celle, Entscheidung vom 17.01.2005 - 9 U 190/04 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2005 - II ZB 2/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2005 - II ZB 2/05

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 511 Statthaftigkeit der Berufung


(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. (2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn1.der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder2.das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E
Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2005 - II ZB 2/05 zitiert 9 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. (2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn1.der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder2.das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zu

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 280 Abgesonderte Verhandlung über Zulässigkeit der Klage


(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird. (2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur H

Zivilprozessordnung - ZPO | § 51 Prozessfähigkeit; gesetzliche Vertretung; Prozessführung


(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschrift

Zivilprozessordnung - ZPO | § 147 Prozessverbindung


Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlic

Zivilprozessordnung - ZPO | § 303 Zwischenurteil


Ist ein Zwischenstreit zur Entscheidung reif, so kann die Entscheidung durch Zwischenurteil ergehen.

Referenzen - Urteile

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Referenzen

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

(2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur Hauptsache zu verhandeln ist.

Ist ein Zwischenstreit zur Entscheidung reif, so kann die Entscheidung durch Zwischenurteil ergehen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 260/03 Verkündet am:
14. Januar 2005
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Januar 2005 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte zu 1, deren geschäftsführender Gesellschafter der Beklagte zu 2 ist, kauft Altwohnbestände auf, nimmt an ihnen Renovierungsmaßnahmen vor und veräußert sie nach Aufteilung in Wohnungseigentum weiter. Mit notariellem Vertrag vom 19. April 1995 verkaufte sie dem Kläger und dessen heutiger Ehefrau aus einer 1974 errichteten Wohnanlage in R. Anfang eine 1995 durch Teilung entstandene 57 qm große Eigentumswohnung. Mit privatschriftlichem Vertrag vom gleichen Tag traten die Käufer einer Mieteinnahmegemeinschaft (Mietpool) bei, die von einer Schwesterfirma der Beklagten zu 1 verwaltet wird. Die Vertragsabschlüsse wurden durch einen „Repräsentanten“ der Beklagten zu 1 herbeigeführt. Er erstellte auf Formblättern zwei „Besuchsaufträge“, die
Informationen zum Objekt, zur Finanzierung des Kaufs sowie zu den Einnahmen und Ausgaben enthielten. Bei der darin vermerkten Mieteinnahme handelt es sich um den auf 57 qm entfallenden Anteil aus den in den Mietpool fließenden Gesamteinnahmen des Objekts. In den folgenden Jahren überstieg der von dem Kläger und seiner Ehefrau zu tragende Eigenaufwand für die Wohnung den in den Besuchsaufträgen genannten Betrag. Es waren Nachzahlungen an den Mietpool zu leisten; ferner wurde die monatliche Instandhaltungsrücklage für das Gemeinschaftseigentum ab 1998 um 1.- DM/qm erhöht. Der Kläger behauptet, die Rentabilitätsberechnung der Beklagten zu 1 sei unrichtig, weil die Instandhaltungsrücklage zu niedrig angesetzt und damit die kalkulierte monatliche Mieteinnahme von 7,50 DM/qm unrealistisch gewesen sei. Ferner hält er den Kaufpreis für sittenwidrig überhöht. Er verlangt aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau die Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie die Feststellung, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihm weiteren Schaden aus dem Erwerb der Wohnung zu ersetzen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält Ansprüche des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung für unbegründet; mangels krassen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sei der Kaufvertrag wirksam. Schadensersatzansprüche aufgrund positiver Vertragsverletzung eines selbständigen Beratungsvertrags
stünden dem Kläger nicht zu. Ein Beratungsvertrag werde geschlossen, wenn der Verkäufer als Ergebnis intensiver Vertragsverhandlungen einen ausdrücklichen Rat erteile oder ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlege, das die Vermittlung des Geschäfts fördern solle. Solche Umstände lägen nicht vor, denn den Besuchsaufträgen lasse sich nicht entnehmen, daß sie das Ergebnis intensiver Vertragsverhandlungen darstellten. Zudem enthielten sie, von der Absetzung für Abnutzung (AfA) abgesehen, keine Erläuterung der steuerlichen Seite. Die von dem Bundesgerichtshof bisher entschiedenen Fälle beträfen demgegenüber Sachverhalte, in denen sich das Berechnungsbeispiel des Verkäufers auf die zu erzielende Steuerersparnis bezogen habe. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung überwiegend nicht stand.

II.

1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht allerdings an, daß der Kaufvertrag nicht sittenwidrig und deshalb wirksam ist. Die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB liegen nicht vor, da sich ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, welches die Vermutung für die erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragspartners begründet (Senat, BGHZ 146, 298, 302 ff.), weder aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen noch aus der klägerseits vorgelegten Wertermittlung ergibt. Entgegen der Auffassung der Revision war das Berufungsgericht nicht gehalten, ein weiteres, nunmehr anhand der Vergleichswertmethode erstelltes Gutachten zu dem Verkehrswert der Eigentumswohnung einzuholen. Die Auswahl des Wertermittlungsverfahrens steht, wenn das Gesetz, wie hier, keine bestimmte Methode vorschreibt, im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (Senat, Urt. v. 2. Juli 2004, V ZR 213/03, NJW 2004, 2671, 2672 m.w.N.). Einen Ermessensfeh-
ler zeigt die Revision nicht auf. Das von dem Sachverständigen zugrunde gelegte Ertragswertverfahren ist bei Objekten, die der laufenden Ertragserzielung dienen, unbedenklich (Senat, aaO) und war daher zur Wertermittlung für die von dem Kläger als Renditeobjekt erworbene Wohnung geeignet. Hinzu kommt, daß die Behauptung des Klägers, der nach der Vergleichswertmethode ermittelte Wert der Wohnung stünde in einem groben Mißverhältnis zu dem vereinbarten Kaufpreis, hier nicht geeignet ist, die Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags darzutun. Die Vermutung verwerflicher Gesinnung greift nicht ein, wenn verschiedene geeignete Wertermittlungsmethoden in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu sich bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts unterschiedlich auswirkenden abweichenden Ergebnissen gelangen (vgl. Senat, Urt. v. 2. Juli 2004, V ZR 213/03, NJW 2004, 2671, 2673). Ohne Vorliegen besonderer, hier nicht ersichtlicher, Umstände kann einem Verkäufer in diesem Fall nicht vorgehalten werden, sich der Erkenntnis leichtfertig verschlossen zu haben, daß der Vertragspartner - was in der Regel nicht ohne Not oder andere den Begünstigten hindernde Umstände geschieht - eine außergewöhnliche Gegenleistung erbringt; nur dieser Vorwurf rechtfertigt bei einem Unwissenden aber die Vermutung verwerflicher Gesinnung (Senat, aaO). 2. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht jedoch das Zustandekommen eines Beratungsvertrags zwischen den Parteien.
a) Nicht zu beanstanden ist zwar sein rechtlicher Ausgangspunkt, wonach ein Beratungsvertrag zustande kommen kann, wenn der Verkäufer im Rahmen eingehender Vertragsverhandlungen dem Käufer einen ausdrücklichen Rat erteilt (Senat, Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1812; Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 18/04, WM 2004, 2349, 2351), was der Senat insbesondere bei von dem Verkäufer vorgelegten Berechnungsbeispielen über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs angenommen hat, die den Käufer zum Vertragsabschluß bewegen sollen (Senat, BGHZ 140, 111, 115; 156, 371, 374; Urt. v.
6. April 2001, V ZR 402/99, NJW 2001, 2021; Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02, aaO). Das Berufungsgericht verkennt jedoch die Anforderungen an das Zustandekommen eines Beratungsvertrags, wenn es entscheidend darauf abstellt, daß das Ergebnis der Vertragsverhandlungen und diese widerspiegelnde Berechnungsbeispiele über Kosten und insbesondere steuerliche Vorteile des Erwerbs aus den von der Beklagten zu 1 verfaßten und vom Kläger unterschriebenen Besuchsaufträgen ersichtlich sein müsse. Weder erfordert der Abschluß eines Beratungsvertrags die Dokumentation des Verhandlungsverlaufs noch kommt es darauf an, ob die durch das Erwerbsmodell zu erzielende steuerliche Ersparnis den Mittelpunkt der Beratung bildet (Senat, BGHZ 156, 371, 374 f.). Es genügt, daß sich als Ergebnis eines die Vorteile des Erwerbs hervorhebenden Verkaufsgesprächs eine Empfehlung zum Vertragsabschluß feststellen läßt (Senat, BGHZ 156, 371, 374; Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 18/04, WM 2004, 2349, 2351).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils ist unstreitig, daß der Zeuge S. dem Kläger als Ergebnis des ersten Vermittlungsgesprächs zu dem Kauf einer nahezu vollständig fremdfinanzierten Eigentumswohnung geraten und diese Empfehlung in einem zweiten Gespräch - nunmehr bezogen auf die Wohnung in R. - unter Darstellung der aus dem Besuchsbericht vom 18. April 1995 ersichtlichen Finanzierungsbedingungen , der Einnahmen und Ausgaben sowie steuerlicher Absetzungsmöglichkeiten wiederholt hat.
Der Einwand der Revisionsbeklagten, die in den Besuchsberichten vom 18. und 19. April 1995 enthaltenen Angaben des Zeugen S. könnten den Kaufentschluß des Klägers nicht gefördert haben, weil dieser nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Beklagte zu 1 bereits am 14. April 1995 mit der Vorbereitung eines notariellen Kaufvertrags und eines Mietpoolvertrags für
die Wohnung in R. beauftragt habe, führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils ist der Kläger nicht mit dem Wunsch, eine bestimmte Wohnung in R. zu erwerben, sondern auf der Suche nach steuersparenden Anlagemodellen an den Zeugen S. herangetreten , wobei dieser zunächst allgemein den Kauf einer fremdfinanzierten Wohnung und nachfolgend den Erwerb des Objekts in R. empfohlen hat. Der Auftrag des Klägers zur Vorbereitung des entsprechenden notariellen Vertrags kann damit nur Folge der Bemühungen S. gewesen sein. Der genaue zeitliche Ablauf ist unerheblich, solange außer Zweifel steht, daß der Kläger keinen vorgefaßten Kaufentschluß umgesetzt hat, sondern einer Empfehlung des Verkäufers gefolgt ist.

b) Daß der Zeuge S. für die Beklagte zu 1 aufgetreten ist, wird von dieser nicht in Abrede gestellt. Die Vollmacht zur Beratung ergibt sich aus der Vertriebsstruktur. Stellt die individuelle Beratung des Kaufinteressenten eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluß der Verkaufsbemühungen dar und ist diese von dem Verkäufer einem Makler oder „Repräsentanten“ überlassen worden, kann den Umständen in der Regel - und so auch hier - eine stillschweigende Bevollmächtigung zum Abschluß eines Beratungsvertrags entnommen werden (vgl. Senat, BGHZ 156, 371, 375; Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1812 f.).

c) Auf der Grundlage eines Beratungsvertrags läßt sich eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten zu 1 mit der von dem Berufungsgericht - zur Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluß - gegebenen Begründung nicht verneinen.
aa) Der Beratungsvertrag verpflichtet den Verkäufer zu richtiger und vollständiger Information über die tatsächlichen Umstände, die für den Kaufentschluß
des Interessenten von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können (vgl. BGHZ 123, 126, 129; Senat, Urt. v. 20. November 1987, V ZR 66/86, WM 1988, 95, 96). Bei dem Erwerb einer Immobilie zu Anlagezwecken sind dies vor allem die Aufwendungen , die der Interessent erbringen muß, um das Objekt mit seinen Mitteln erwerben und halten zu können. Die Ermittlung des (monatlichen) Eigenaufwands bildet das Kernstück der Beratung; sie soll den Käufer von der Möglichkeit überzeugen , das Objekt mit seinen Mitteln erwerben und halten zu können (Senat, BGHZ 156, 371, 377). Bei der Berechnung des Eigenaufwands muß der Verkäufer daher auch im Zeitpunkt der Beratung bereits abzusehende ungünstige Veränderungen der Mieteinnahmen oder Unterhaltungskosten berücksichtigen (Senat , BGHZ 156, 371, 378). Schließt der Käufer auf Empfehlung des Beratenden - wie hier - einen Mietpoolvertrag ab, durch den die am Mietpoolvertrag Beteiligten die gemeinsame Verwaltung und Instandhaltung des jeweiligen Sondereigentums übernehmen, muß der Beratende bei der Berechnung des Eigenaufwands auch das damit verbundene Kostenrisiko, etwa in Form einer angemessenen Rücklage für die Instandhaltung des Sondereigentums, berücksichtigen (Senat, BGHZ 156, 371, 378). Er verletzt seine Beratungspflichten, wenn er ein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffendes, zu positives Bild der Ertragserwartung der Immobilie gibt und den Interessenten dadurch zum Vertragsschluß veranlaßt (vgl. Senat, Urt. v. 15. Oktober 2004, V ZR 223/03, WM 2005, 69, 70).
bb) Der Kläger hat schlüssig und unter Beweisantritt dargetan, daß der von dem Zeugen S. ermittelte monatliche Eigenaufwand unzutreffend ist, weil bei einer realistisch kalkulierten Instandhaltungsrücklage für das Gemeinschafts - und das Sondereigentum Mieteinnahmen von 7,50 DM/qm nicht zu erwarten seien. Für die Wohnungen der Anlage sei aufgrund ihrer Sozialbindung maximal eine Miete von 8,37 DM/qm (als Einnahme des Mietpools) zu erzielen gewesen. Der verbleibende Betrag von 0,87 DM/qm reiche nicht aus, um den bei Abschluß des Kaufvertrags zu erwartenden künftigen Instandhaltungsaufwand
nachhaltig zu decken. Im Hinblick auf das Alter der Wohnanlage und das - unstreitige - Fehlen jeglicher Instandhaltungsrücklage sei eine Rückstellung von mindestens 2,08 DM/qm monatlich erforderlich gewesen. Damit habe die realistisch anzusetzende Mieteinnahme bei höchstens 6,31 DM/qm gelegen.

d) Trifft diese Behauptung zu, liegt eine schuldhafte Verletzung des Beratungsvertrags vor, weil der Verkäufer, der die Wirtschaftlichkeit einer zu Anlagezwecken vertriebenen Eigentumswohnung herausstellt, die nach Alter und Zustand der Wohnanlage sowie vorhandener Rücklagen absehbaren Instandhaltungskosten nicht außer Acht lassen darf (vgl. Senat, BGHZ 156, 371, 376). Die Ursächlichkeit des Beratungsfehlers für den Kaufentschluß wird dann vermutet (vgl. Senat, Urt. v. 6. April 2001, V ZR 402/99, NJW 2001, 2021, 2022).

III.


Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben . Zur Feststellung der für den behaupteten Beratungsfehler maßgeblichen Tatsachen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Behauptung des Klägers, an der Wohnanlage habe bei Abschluß des Kaufvertrags ein Instandhaltungs- und Renovierungsstau von 50-80 DM/qm bestanden, ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand allerdings nicht zugrunde zu legen. Die Annahme des Berufungsgerichts, der für einen Beratungsfehler darlegungs- und beweispflichtige Kläger habe durch die Bezugnahme auf den Besichtigungsbericht des Sachverständigen B. vom November 1994 nicht aufgezeigt, welche Instandhaltungsarbeiten zum Zeitpunkt des Vertrags-
schlusses im April 1995 erforderlich gewesen seien, ist angesichts der Behauptung der Beklagten, die in dem Bericht genannten Mängel vor Vertragsschluß beseitigt zu haben, frei von Rechtsfehlern.
Wenzel Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

(2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur Hauptsache zu verhandeln ist.

Ist ein Zwischenstreit zur Entscheidung reif, so kann die Entscheidung durch Zwischenurteil ergehen.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

(2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur Hauptsache zu verhandeln ist.

(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.

(2) Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters steht dem Verschulden der Partei gleich.

(3) Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen.

Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.