Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2009 - II ZB 6/08

bei uns veröffentlicht am26.01.2009
vorgehend
Landgericht Stade, 8 O 5/07, 11.10.2007
Oberlandesgericht Celle, 9 U 190/07, 13.02.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 6/08
vom
26. Januar 2009
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 233 Fc, Fd, 574 Abs. 2 Nr. 2;

a) Die Verletzung des Anspruchs des Rechtsbeschwerdeführers auf Gewährung
rechtlichen Gehörs führt zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unabhängig davon
, ob sie sich auf das Ergebnis auswirkt.

b) Die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist und ihre Eintragung im Fristenkalender
müssen nicht in jedem Fall auf dem Handaktenbogen notiert werden.
Auch die Anbringung entsprechender Vermerke auf dem jeweiligen Schriftstück
genügt den an eine ordnungsgemäße Organisation des Fristenwesens zu stellenden
Anforderungen.

c) Ein Rechtsanwalt darf sich grundsätzlich darauf verlassen, dass eine ausgebildete
und bisher zuverlässig arbeitende Büroangestellte eine konkrete Einzelanweisung
, auch wenn sie nur mündlich erteilt wird, befolgt und ordnungsgemäß ausführt
(st.Rspr., vgl. z.B. Sen.Beschl. v. 3. Dezember 2007 - II ZB 20/07,
NJW 2008, 576). Betrifft jedoch die mündlich erteilte Einzelweisung die Notierung
einer Berufungs- oder Berufungsbegründungsfrist, müssen in der Rechtsanwaltskanzlei
ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein,
dass eine solche nur mündlich erteilte Weisung in Vergessenheit gerät und die
Eintragung der Frist unterbleibt (st.Rspr., vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 4. April 2007
- III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430, 1431).
BGH, Beschluss vom 26. Januar 2009 - II ZB 6/08 - OLG Celle
LG Stade
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. Januar 2009 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Caliebe, Dr. Reichart und Dr. Drescher

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 13. Februar 2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 60.614,94 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin nimmt den Beklagten als Gesellschafter und früheren Geschäftsführer auf Zahlung und Feststellung in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das ihr am 15. Oktober 2007 zugestellte Urteil vom 11. Oktober 2007 durch ihre erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 14. November 2007 fristgerecht Berufung eingelegt. Am 11. Januar 2008 hat die Klägerin durch die mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragte "S. Rechtsanwaltsgesellschaft MBH", die mit Schriftsatz vom 27. November 2007 dem Berufungsgericht die Vertretung der Klägerin angezeigt hatte, die Berufung begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die am 17. Dezember 2007 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist beantragt.
2
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin vorgetragen :
3
Nach telefonischer Erteilung des Mandats für die Durchführung des Berufungsverfahrens am 22. November 2007 habe der in der Anwaltskanzlei S. mit der Sache befasste Rechtsanwalt Dr. F. am Vormittag des folgenden Tages die ihm zu diesem Vorgang übersandten Unterlagen, darunter das erstinstanzliche Urteil und die Berufungsschrift, auf den Schreibtisch der in der Kanzlei für die Fristennotierung zuständigen Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten Frau D. gelegt und erklärt, dass in dieser Sache zunächst eine Berufungsbegründungsfrist notiert und dann eine neue Akte angelegt werden müsse. Zwar habe die Sekretärin des Rechtsanwalts Dr. F. , Frau G. , noch an diesem Tag eine Akte angelegt; die Notierung der Berufungsbegründungsfrist sei jedoch unterblieben. Bei Frau D. handele es sich um eine sehr zuverlässige Mitarbeiterin mit mehrjähriger Berufserfahrung , die seit September 2007 mit der Fristennotierung und Fristenkontrolle betraut gewesen sei und diese Tätigkeit beanstandungsfrei erledigt habe. Warum sie die Berufungsbegründungsfrist nicht notiert habe, sei nicht mehr nachvollziehbar, weil sie sich an den Vorgang nicht erinnern könne.
4
Ebenfalls am 23. November 2007 habe Rechtsanwalt Dr. F. ein kurz nach 12.00 Uhr im Büro seiner Sekretärin eingegangenes Telefax der Klägerin , in dem sie - wie bei der telefonischen Mandatierung am Vortag angekündigt - das vorläufige Aktenzeichen des Berufungsgerichts mitgeteilt habe, vom Faxgerät in sein Büro mitgenommen und habe den Bestellungsschriftsatz an das Berufungsgericht diktiert. Er habe das Schreiben zusammen mit der diktierten Kassette seiner Sekretärin mit der Weisung übergeben, die neue Akte nach dem Schreiben des Diktats vorzulegen. Entgegen der erteilten Weisung habe Frau G. das einige Tage später gefertigte Schreiben ohne die Handakte zur Unterschrift vorgelegt. Die Gründe hierfür seien nicht mehr aufklärbar. Die Handakte sei Rechtsanwalt Dr. F. von einer Kanzleimitarbeiterin erstmals am 28. Dezember 2007 vorgelegt worden, nachdem die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts an diesem Tag durch einen Anruf in der Kanzlei darauf hingewiesen habe, dass innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keine Berufungsbegründung eingegangen sei.
5
Das Mandat ihrer erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten habe die Klägerin mit Schreiben vom 28. November 2007 beendet.

II.

6
1. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
7
Die Fristversäumung sei auf ein Organisationsverschulden im Büro der mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragten Prozessbevollmächtigten der Klägerin zurückzuführen. Es könne offen bleiben, ob die Klägerin dargelegt und glaubhaft gemacht habe, dass der Fristenkalender ordnungsgemäß geführt werde. Die Büroorganisation ihrer Prozessbevollmächtigten genüge jedenfalls deshalb den an eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle zu stellenden Anforderungen nicht, weil die Fristwahrung nicht nur durch Führen eines Fristenkalenders, sondern auch durch Notieren der Fristen auf den Handakten zu sichern sei. Wie sich aus dem auf Anforderung vorgelegten Handaktenbogen ergebe, sei dies im vorliegenden Fall unterblieben. Wären Rechtsanwalt Dr. F. die Handakten wieder vorgelegt worden, hätte er bemerkt oder bemerken müssen, dass die erforderliche Gegenkontrolle zur Sicherung der Fristwahrung unterblieben sei.
8
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
9
2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO. Auch wenn über die Zulässigkeit der Berufung noch nicht entschieden ist, kann gegen den die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagenden Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werden (BGH, Beschl. v. 17. März 2004 - IV ZB 41/03, NJW-RR 2004, 1150; Musielak/Grandel, ZPO 6. Aufl. § 238 Rdn. 7). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
10
a) Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde ist dies allerdings nicht schon deshalb der Fall, weil der angefochtene Beschluss keine Darstellung des Sachverhalts enthält. Zwar müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den erforderlichen gesetzmäßigen Gründen versehen (Sen.Beschl. v. 28. April 2008 - II ZB 27/07, NJW-RR 2008, 1455 Tz. 4; BGH, Beschl. v. 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670, 1671 Tz. 4 m.w.Nachw.). Das Fehlen einer Sachdarstellung bleibt hier jedoch folgenlos , weil sich der maßgebliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel mit noch hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben.
11
b) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist jedoch deshalb erforderlich, weil der angefochtene Beschluss den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung ausschließlich darauf gestützt, dass die Fristenkontrolle im Büro ihrer mit der Durchfüh- rung des Berufungsverfahrens beauftragten Prozessbevollmächtigten jedenfalls deshalb unzureichend organisiert gewesen sei, weil die Wahrung der Berufungseinlegungs - und begründungsfristen nur durch Führung eines Fristenkalenders und nicht auch durch Eintragung der Fristen auf den Handakten gesichert werde. Mit dieser Erwägung hat das Berufungsgericht übergangen, dass nach der - von der Klägerin vorgelegten und in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch zur Darstellung der Fristenkontrolle in Bezug genommenen - eidesstattlichen Versicherung der mit der Fristenkontrolle beauftragten Rechtsanwaltsfachangestellten Frau D. in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Fristen nebst Vorfristen gerade nicht nur im Fristenkalender notiert werden, sondern zur Gegenkontrolle auf dem jeweiligen Dokument vermerkt wird, dass die Fristen notiert wurden. Die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beruht auf dem Gehörsverstoß. Hätte das Berufungsgericht diesen Vortrag berücksichtigt, hätte es ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht darin sehen können, dass ihre Büroorganisation keine Sicherung der Fristwahrung durch Eintragung der Fristen auf bzw. in den Handakten vorsehe. Die Frist und ihre Eintragung im Fristenkalender muss nicht in jedem Fall auf dem Handaktenbogen notiert werden. Auch die Anbringung entsprechender Vermerke auf dem jeweiligen Schriftstück genügt den an eine ordnungsgemäße Organisation des Fristenwesens zu stellenden Anforderungen (vgl. Sen.Beschl. v. 19. Juni 2006 - II ZB 25/05, DStR 2006, 1614; BGH, Beschl. v. 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670 ff.).
12
Selbst wenn man die Darstellung der Büroorganisation in der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleimitarbeiterin D. für erläuterungsbedürftig halten wollte, weil sich aus ihr nicht mit hinreichender Deutlichkeit ergebe, dass auf dem betreffenden Schriftstück auch vermerkt wird, welche Frist im Fristenkalender notiert wurde, gilt nichts anderes. In diesem Fall hätte das Berufungsgericht die Klägerin, die - wie aus der Begründung ihres Wiedereinsetzungsge- suchs ersichtlich - diesem Gesichtspunkt mangels Kausalität für die Fristversäumung keine maßgebende Bedeutung beigemessen hatte, nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf seine Bedenken hinweisen und ihr Gelegenheit zur Äußerung geben müssen (vgl. Sen.Beschl. v. 19. Juni 2006 aaO S. 1615).
13
Die Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs führt zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unabhängig davon, ob sie sich auf das Ergebnis auswirkt (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368; Zöller/Heßler, ZPO 27. Aufl. § 574 Rdn. 13 a).
14
3. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Berufungsgericht hat der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt, weil sie nicht ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO). Sie muss sich das Verschulden ihrer zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen.
15
Der Senat kann unentschieden lassen, ob es schon ein Verschulden des Rechtsanwalts Dr. F. darstellt, dass er sich die nach Mandatsübernahme angelegte Akte nicht zur eigenen Kontrolle der Notierung der Fristen hat vorlegen lassen (vgl. BGH, Beschl. v. 22. November 2000 - XII ZB 28/00, FamRZ 2001, 1143, 1145). Die Fristversäumung beruht jedenfalls deshalb auf einem (Organisations-)Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten, weil die Befolgung der an Frau D. mündlich erteilten Weisung, die Berufungsbegründungsfrist einzutragen, nicht hinreichend abgesichert war.
16
Allerdings darf sich ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf verlassen, dass eine ausgebildete Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung, auch wenn sie mündlich erteilt wird, befolgt und ordnungsgemäß ausführt (st.Rspr., vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823; Beschl. v. 17. September 2002 - VI ZR 419/01, VersR 2003, 792, 793; Sen.Beschl. v. 3. Dezember 2007 - II ZB 20/07, NJW-RR 2008, 576 Tz. 15). Wird aber ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungs- oder Berufungsbegründungsfrist nur mündlich vermittelt, müssen nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung in der Rechtsanwaltskanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass eine solche nur mündlich erteilte Anweisung in Vergessenheit gerät und die Eintragung der Frist unterbleibt (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91, NJW 1992, 574; Beschl. v. 17. September 2002 aaO; Beschl. v. 5. November 2002 - VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, 436; Beschl. v. 4. April 2007 - III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430, 1431 Tz. 9; Beschl. v. 9. Oktober 2007 - XI ZB 14/07, NJOZ 2008, 2162, 2163 f. Tz. 6).
17
Abgesehen davon bestand im konkreten Fall besondere Veranlassung, die nur mündlich angeordnete Eintragung der Berufungsbegründungsfrist durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen. Denn aus den Frau D. - mit der Weisung, die Berufungsbegründungsfrist einzutragen - übergebenen Unterlagen war nicht ohne weiteres erkennbar, dass eine solche Frist eingetragen werden musste. Es war ihnen schon nicht zu entnehmen, dass die Klägerin die Kanzlei S. mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragt hatte, wie dies nach Übersendung der Unterlagen tatsächlich geschehen war. Ebenso wenig war ihren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten das landgerichtliche Urteil zugestellt worden. Hinzu kommt, dass nur aus einem genauen Studium der Unterlagen ersichtlich war, dass eine Berufungsbegründungsfrist lief und dass in einer bei den Unterlagen befindlichen E-Mail der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten an die Klägerin vom 17. Oktober 2007 zudem das Fristende unzutreffend mitgeteilt war.
18
Den oben näher geschilderten Anforderungen sind die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht gerecht geworden. Der mit der Sache befasste Rechtsanwalt Dr. F. hat die Fachangestellte Frau D. weder im konkreten Fall ausdrücklich angewiesen, seine Anordnung , die Berufungsbegründungsfrist einzutragen, sofort auszuführen, noch waren unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten Vorkehrungen, z.B. durch eine allgemeine Weisung, Aufträge zur Eintragung von Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen sofort und vorrangig zu erledigen, dagegen getroffen, dass die Ausführung einer entsprechenden mündlich erteilten Weisung unterblieb (BAG, Beschl. v. 10. Januar 2003 - 1 AZR 70/02, NJW 2003, 1269, 1270; Roth in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 233 Rdn. 38 Stichwort "Büroverschulden", lit. e a.E.).
19
Die von Rechtsanwalt Dr. F. - nach Mitteilung des vorläufigen gerichtlichen Aktenzeichens am Nachmittag des gleichen Tages - seiner Sekretärin erteilte mündliche Anweisung, ihm nach dem Schreiben des Diktats die Handakte vorzulegen, stellt keine hinreichende Absicherung der gegenüber Frau D. am Vormittag mündlich angeordneten Eintragung einer Berufungsbegründungsfrist dar. Rechtsanwalt Dr. F. konnte sich nicht darauf verlassen, dass in dieser Sache am gleichen Tag ein Fax der Klägerin eintreffen würde. Abgesehen davon hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag seine Sekretärin nicht deshalb zur Vorlage der Handakte angewiesen, um die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist zu kontrollieren, sondern um die schriftliche Mandatsbestätigung zu diktieren.
20
Im Übrigen hat die Klägerin auch nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, dass die Vorlage der Handakten durch die Sekretärin wiederum als Folge eines eigenen (Organisations-)Verschuldens unterblieben ist. Denn das Wiedereinsetzungsgesuch enthält zur Zuverlässigkeit von Frau G. keinerlei Angaben.
Im Wiedereinsetzungsantrag ist nur vorgetragen, dass "aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen" die Vorlage der Akte unterblieben ist, obwohl das diktierte Schreiben dem Anwalt zur Unterschrift vorgelegt worden ist.
Goette Kurzwelly Caliebe Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG Stade, Entscheidung vom 11.10.2007 - 8 O 5/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 13.02.2008 - 9 U 190/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2009 - II ZB 6/08

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer
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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 41/03
vom
17. März 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Auch wenn der Prozeßbevollmächtigte die von seiner Angestellten in den Fristenkalender
eingetragene Frist überprüft hat, befreit ihn dies nicht davon, im
Rahmen seiner Vorbereitung einer Prozeßhandlung die Einhaltung der für
diese vorgeschriebenen Frist nachzuprüfen.
BGH, Beschluß vom 17. März 2004 - IV ZB 41/03 - LG Gera
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno und die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt
und Felsch
am 17. März 2004

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen die Beschlüsse der 6. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 6. und 29. Oktober 2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Streitwert: 3.855 €

Gründe:


I. Die Klägerin begehrt Wiedereinsetzung in den vo rigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung ihrer Berufung.
Ihrem Prozeßbevollmächtigten wurde am 25. April 20 03 das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts zugestellt. Auf dessen Vorderseite vermerkte die Büroangestellte zutreffend den 26. Mai 2003 als letzten Tag der Berufungsfrist sowie den 25. Juni 2003 als letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist und trug diese Daten auch in den Fristenkalender der Kanzlei ein. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin überprüfte die eingetragenen Fristen, als ihm die Akte am 12. Mai 2003 vorgelegt wur-

de, und legte rechtzeitig Berufung ein. Als die Angestellte die Mitteilung des Landgerichts erhielt, daß die Berufung dort am 26. Mai 2003 eingegangen sei, notierte sie den 26. Juni 2003 als Datum des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender und strich den 25. Juni 2003 aus. Sie hat an Eides Statt versichert, dieses Versehen sei ihr unerklärlich ; sie sei über die Änderung der Berufungsbegrün dungsfrist durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Zivilprozesses unterrichtet gewesen, wie ihre ursprüngliche Eintragung auf der Ausfertigung des amtsgerichtlichen Urteils zeige. Am 18. Juni 2003 legte die Angestellte die Akte dem Prozeßbevollmächtigten mit einem außen angebrachten Zettel in DIN-A-6 Größe vor, auf dem als Tag des Fristablaufs der 26. Juni 2003 angegeben war. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat eidesstattlich versichert, er habe sich auf diese Angabe verlassen , als er am 25. Juni 2003 die Berufungsbegründung diktiert habe, weil die Fristberechnung von ihm bereits vor Einlegung der Berufung überprüft und für richtig befunden worden war. Die Berufungsbegründung wurde am 26. Juni 2003 unterschrieben und ging am gleichen Tag per Telefax beim Landgericht ein.
Am 10. Juli 2003 erhielt der Prozeßbevollmächtigte den Hinweis des Landgerichts, daß die Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gewahrt sei. Am 18. Juli 2003 ging beim Landgericht der Antrag auf Wiedereinsetzung ein. Mit Beschluß vom 6. Oktober 2003 hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen, da die Versäumung der Prozeßhandlung auf einem der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren eigenen Verschulden des Prozeßbevollmächtigten beruhe. Dieser habe nicht durch geeignete organisatorische Maßnahmen Sorge dafür getragen , daß eine Büroangestellte nicht eigenmächtig die im Fristenkalender

notierten Daten ändere. Jedenfalls habe er nach Vorlage der Akte zum Zweck der Berufungsbegründung den Ablauf der Frist selbst nachrechnen müssen. Die als Gegenvorstellung zu wertende Beschwerde der Klägerin hat das Landgericht mit Beschluß vom 29. Oktober 2003 als unzulässig verworfen. Darin wird hervorgehoben, dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sei nicht nur zuzumuten, sondern im Rahmen seiner Berufungsbegründung auch ohne weiteres möglich gewesen, noch einmal den Fristablauf anhand des Eingangsstempels auf dem angefochtenen Urteil zu kontrollieren.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der am 6. Nov ember 2003 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Rechtsbeschwerde.
II. Das Rechtsmittel ist statthaft. Auch wenn die Berufung wie hier noch nicht als unzulässig verworfen worden ist, kann gegen den die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagenden Beschluß gemäß §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Rechtsbeschwerde eingelegt werden (BGHZ 152, 195, 197 f.). Deren formelle Voraussetzungen (§ 575 ZPO) sind eingehalten. Die Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und auch wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zulässig (§ 574 Abs. 2). Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend , zwar sei ein Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, den Fristablauf selbst nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung einer fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt wird (BGH, Beschluß vom

13. November 1975 - III ZB 18/75 - NJW 1976, 627, 628; Beschluß vom 11. Februar 1992 - VI ZB 2/92 - NJW 1992, 1632; Beschluß vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815 unter II 2). Nicht geklärt sei indessen, ob diese Prüfung notwendig in engem zeitlichen Zusammenhang mit der fristgebundenen Prozeßhandlung und insbesondere auch dann erfolgen müsse, wenn der Prozeßbevollmächtigte wie im vorliegenden Fall die korrekte Eintragung des Ablaufs der für die Prozeßhandlung maßgebenden Frist in den Kalender der Kanzlei bereits zu einem früheren Zeitpunkt überprüft habe. Eine doppelte Prüfung könne von ihm ebenso wenig erwartet werden wie die doppelte Führung von Fristenkalendern (dazu BGH, Beschluß vom 29. Juni 2000 - VII ZB 5/00 - NJW 2000, 3006 unter II 2 a).
Dem ist nicht zu folgen. Die Pflicht des Prozeßbev ollmächtigten, den Fristablauf bei der Vorbereitung einer fristgebundenen Prozeßhandlung selbständig zu prüfen, beruht darauf, daß die sorgfältige Vorbereitung der Prozeßhandlung stets auch die Prüfung aller gesetzlichen Anforderungen an ihre Zulässigkeit einschließt. Diese Aufgabe ist von der Fristberechnung und Fristkontrolle zu unterscheiden, die lediglich der rechtzeitigen Vorlage der Akten zum Zweck ihrer Bearbeitung durch den Rechtsanwalt dienen. Nur insoweit kann sich der Rechtsanwalt von der routinemäßigen Fristenüberwachung entlasten (BGH, Beschluß vom 13. November 1975 aaO). Anders als bei der doppelten Führung von Fristenkalendern geht es hier um unterschiedliche Aufgaben des von den Angestellten geführten Fristenkalenders einerseits und der Pflicht des Prozeßbevollmächtigten selbst zur Vorbereitung der Prozeßhandlung andererseits. Hat der Prozeßbevollmächtigte - wie er hier vorträgt - die von seiner Angestellten in den Fristenkalender eingetragene Frist über-

prüft, obwohl dies von der Aufgabenstellung her an sich nicht erforderlich gewesen wäre, befreit ihn dies nicht davon, im Rahmen seiner Vorbereitung einer Prozeßhandlung die Einhaltung der für diese vorgeschriebenen Frist nochmals zu überprüfen. Zwar muß die Prozeßhandlung nicht in einem Zuge und zeitnah mit dem Ablauf einer für sie geltenden Frist vorbereitet werden. Das ändert aber nichts an der Eigenverantwortung des Rechtsanwalts für die Richtigkeit und die Einhaltung der etwa von ihm zu einem früheren Zeitpunkt bereits berechneten Frist.
Die Rechtsbeschwerde war daher zurückzuweisen. Auf die Frage, ob der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin durch besondere Maßnahmen Vorsorge dafür getroffen hatte, daß eine im Fristenkalender notierte, von ihm überprüfte Frist nicht von der Angestellten eigenmächtig verändert wurde, kommt es nicht mehr an.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 27/07
vom
28. April 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Beschluss des Berufungsgerichts, in dem die Berufung wegen Nichterreichens
der erforderlichen Beschwer verworfen wird, muss den maßgeblichen
Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand
und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen (Anschluss
an Sen.Beschl. v. 12. Juli 2004 - II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78).
BGH, Beschluss vom 28. April 2008 - II ZB 27/07 - LG Nürnberg-Fürth
AG Nürnberg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 28. April 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. August 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 1.500,00 €

Gründe:

1
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
2
I. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO).
3
II. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.
4
1. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 6 ZPO) (Sen.Beschl. v. 12. Juli 2004 - II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78; BGH, Beschl. v. 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648). Das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat (§§ 577 Abs. 2 Satz 1 und 4, 559 ZPO). Fehlen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Beschluss, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Das gilt insbesondere, wenn das Berufungsgericht die Berufung verwirft, weil die erforderliche Beschwer nicht erreicht ist. Die Wertfestsetzung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten hat oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Juli 2004 - V ZB 6/04, NJWRR 2005, 219) und/oder bewertungsrelevante, glaubhaft gemachte Tatsachen außer Acht gelassen hat (Sen.Beschl. v. 5. Februar 2001 - II ZB 7/00, NJW 2001, 1284; v. 5. März 2001 - II ZB 11/00, NJW-RR 2001, 929; Sen.Urt. v. 30. April 2001 - II ZR 328/00, ZIP 2001, 1734).
5
2. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts vom 1. August 2007 der noch nicht einmal einen Grund für die Verwerfung der Berufung benennt, lässt auch in der Zusammenschau mit dem darin in Bezug genommenen Beschluss vom 11. Juni 2007 weder den Streitgegenstand noch die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen, zumal das Urteil des Amtsgerichts keinen Tatbestand enthält.
6
Es kann lediglich darauf geschlossen werden, dass die Berufung verworfen wurde, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht übersteigt, da das Berufungsgericht am 11. Juni 2007 neben einer Hinweisverfügung, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 StPO (gemeint: ZPO) nicht übersteige und deshalb eine Verwerfung der Berufung beabsichtigt sei, einen Beschluss erlassen hat, mit dem der Wert des Beschwerdegegenstandes auf 490,00 € festgesetzt wurde. Die weiteren Anforderungen an die Gründe einer Entscheidung werden jedoch nicht erfüllt. Weder im Beschluss noch in der Hinweisverfügung vom 11. Juni 2007 werden die Anträge und der für das Berufungsverfahren maßgebliche Sachverhalt mitgeteilt. Den Ausführungen ist lediglich zu entnehmen, dass Gegenstand des Rechtsstreits der Ausschluss des Klägers aus dem Verein sei, dass mit der Vereinsmitgliedschaft keine oder nur geringfügige wirtschaftliche Interessen verbunden und keine besonderen gesellschaftlichen Interessen betroffen seien, weil der Zweck der Beklagten die Förderung des motorisierten und nicht motorisierten Wassersports sei und er jedermann offen stehe. Der Sachverhalt, der für das Berufungsverfahren maßgebend ist und der der Wertfestsetzung zugrunde liegt, kann daraus nicht entnommen werden.
7
Diese Mängel werden auch in dem angefochtenen Beschluss nicht behoben. Das Berufungsgericht verweist darin auf den "Hinweis vom 11. Juni 2007" und teilt ohne den Versuch, hierfür eine Begründung zu geben, mit, dass eine Änderung der Wertfestsetzung nach einer Prüfung der Einwände des Beklagten - sie können nicht von vorneherein als unzureichend oder neben der Sache liegend angesehen werden -, nicht veranlasst sei. Mit dem Vorbringen des Beklagten setzt sich das Berufungsgericht erkennbar nicht sachlich auseinander.
8
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, ohne Verstoß gegen Art. 103 GG den für die Bemessung des Werts der Beschwer maßgebenden Sachvortrag des Beklagten vollständig zur Kenntnis zu nehmen und ihn vor dem Hintergrund des Streits um die Wirksamkeit der Ausschließung und der durch eine Kassation dieser Maßnahme entstehenden Folgen sachgerecht zu würdigen.
Goette Kurzwelly Kraemer Caliebe Drescher
Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 08.02.2007 - 34 C 8777/04 -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 01.08.2007 - 15 S 2422/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 46/07
vom
22. Januar 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 Fc, 85 Abs. 2
Ist die Berufungsbegründungsfrist errechnet und befindet sich in den Handakten ein
Vermerk über die Notierung der Frist im Fristenbuch, kann sich der Rechtsanwalt
grundsätzlich auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken
und braucht nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender
eingetragen ist, außer es drängen sich an der Richtigkeit Zweifel auf.
BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07 - LG Aachen
AG Heinsberg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Januar 2008 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 1. August 2007 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat. Streitwert: 1.200 €

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. April 2007, das der Klägerin am 27. April 2007 zugestellt worden ist, abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat die Klägerin am 6. Juli 2007 begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Klägerin ausgeführt, dass die stets sorgfältig arbeitende Bürovorsteherin G. nach Eingang der Handakten im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9. Mai 2007 die zu beachtenden Fristen geprüft habe. Sie habe die Berufungsfrist sowie die Berufungsbegründungsfrist berechnet und diese auf dem Auftragsschreiben der Klägerin an den Prozessbevollmächtigten nebst Vermerk über die Eintragung der Fristen im Fristenkalender notiert, ohne dass tatsächlich die Berufungsbegründungsfrist und die entsprechende Vorfrist auch im Fristenkalender eingetragen worden sind. Sodann habe sie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Auftragsschreiben vorgelegt. Dieser habe die Anlage einer neuen Akte sowie die sofortige Wiedervorlage verfügt. Nach Vorlage der Akte habe der Prozessbevollmächtigte die auf dem Auftragsschreiben der Klägerin vermerkten Fristen geprüft und diese für korrekt befunden sowie den Eintragungsvermerk der Bürovorsteherin zur Kenntnis genommen. Ein Mitarbeiter der Kanzlei habe die Berufungsaussichten und dabei ebenfalls die vermerkten Fristen geprüft und für richtig befunden. Nachdem am 23. Mai 2007 Berufung eingelegt worden sei, sei die Akte in den Aktenschrank eingehängt worden. Erst durch den Hinweis des Landgerichts vom 28. Juni 2007 sei die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist bemerkt worden. Dieses Versehen sei unverständlich. In Anbetracht der langjährigen Erfahrung der stets fehlerfrei arbeitenden Bürovorsteherin habe der Anwalt davon ausgehen dürfen, dass eine fehlerfreie Notierung der Fristen entsprechend dem Vermerk auf dem Auftragsschreiben der Klägerin auch im Fristenkalender erfolgt sei. Tatsächlich habe die Bürovorsteherin versehentlich im Fristenkalender lediglich die Frist für die Berufung sowie die entsprechende Vorfrist eingetragen. Die Eintragung der Frist für die Berufungsbegründung und der einwöchigen Vorfrist sei aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen versäumt worden. Die Richtigkeit dieses Vor- trags versicherten die Bürovorsteherin G. und der mit der Prüfung der Erfolgsaussichten der Berufung betraute Rechtsanwalt S. eidesstattlich.
2
Den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

3
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig.
4
2. Der angefochtene Beschluss begegnet schon deshalb Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts enthält, aufgrund deren eine rechtliche Überprüfung ohne weiteres möglich wäre. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den erforderlichen gesetzmäßigen Gründen versehen (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78 und vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - BGH-Report 2005, 1000). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es alleine ankommt, mit noch ausreichen- der Deutlichkeit aus den Beschlussgründen und den dort in Bezug genommenen Aktenteilen ergeben.
5
3. Das Berufungsgericht rechnet der Klägerin als schuldhafte Fristversäumnis an, dass ihr Prozessbevollmächtigter seine Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung der richtigen Eintragung des Endes der Frist in Bezug auf die Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender verletzt habe (§ 85 Abs. 2 ZPO). Hätte er die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender geprüft , als ihm die Handakte zur Fertigung der Berufungsschrift vom 23. Mai 2007 vorgelegen habe, wäre ihm der Fehler der Bürovorsteherin G. aufgefallen und die Fristversäumnis hätte vermieden werden können. Die Gefahr der Fristversäumung sei noch dadurch verstärkt worden, dass der Erledigungsvermerk auf dem Auftragsschreiben der Klägerin bereits vor der Eintragung beider Fristen im Fristenkalender angebracht worden sei. Der vorzeitig angebrachte Vermerk täusche eine trügerische Sicherheit vor, wodurch eine wirksame Fristenkontrolle durch den Anwalt und das Büropersonal verhindert werde.
6
4. a) Mit dieser Rechtsprechung weicht das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Danach hat der Anwalt die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung einer Frist, ihrer Notierung auf den Handakten, zur Eintragung im Fristenkalender sowie zur Bestätigung der Kalendereintragung durch einen Erledigungsvermerk auf den Handakten stets zu prüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden. Zwar erstreckt sich die Pflicht zur Prüfung auch darauf, ob das (zutreffend errechnete) Fristende im Fristenkalender notiert worden ist. Doch kann sich der Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken. Ist die Erledigung der Eintragung im Fristenkalender wie hier ordnungsgemäß in der Handakte vermerkt und drängen sich an der Richtigkeit insoweit keine Zweifel auf, braucht der Rechtsanwalt nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender eingetragen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. April 2007 - VI ZB 66/06 - NJW 2007, 2332 und vom 23. Januar 2007 - VI ZB 5/06 - NJW 2007, 1597, 1598; BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2006 - IV ZB 18/05 - VersR 2007, 520 f.; vom 1. Dezember 2004 - XII ZB 164/03 - FamRZ 2005, 435 f. unter II. 3.; vom 21. April 2004 - XII ZB 243/03 - FamRZ 2004, 1183 f. unter II. 1. und 2.; vom 22. Januar 1997 - XII ZB 195/96 - VersR 1997, 598, 599 unter 1. und vom 22. September 1971 - V ZB 7/71 - VersR 1971, 1125 f. unter 1.; Urteil vom 1. Juli 1976 - III ZR 88/75 - VersR 1976, 1154 f. unter II.; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 233 Rn. 23 Stichwort Fristenbehandlung ; Born, NJW 2005, 2042, 2046). Andernfalls würde die Einschaltung von Bürokräften in die Fristenüberwachung weitgehend sinnlos, die jedoch aus organisatorischen Gründen erforderlich und deshalb zulässig ist.
7
b) Eine Abweichung von diesen Grundsätzen lässt sich auch nicht dem Beschluss des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Juli 2005 - II ZB 16/04 - (nicht veröff.) entnehmen, auf den das Berufungsgericht seine Rechtsauffassung stützt. Der Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden im Sachverhalt. Dort hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten versäumt, bei Fertigung der Berufungsschrift die Notierung der Berufungsbegründungsfrist in den Handakten zu überprüfen. Hätte er dieser Pflicht genügt, wäre ihm aufgefallen , dass die Berufungsbegründungsfrist - entgegen seiner generellen Anweisung - nicht notiert worden war.
8
Hingegen hatte im vorliegenden Fall der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ebenso wie der Mitarbeiter S. den Erledigungsvermerk geprüft. Mit Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass die Unterlassung der erneuten Fristenprüfung bei Vorlage der Akte zur Fertigung der Berufungsschrift, die das Berufungsgericht bemängelt, nicht ursächlich für die Fristversäumung werden konnte. Nachdem der Erledigungsvermerk angebracht war und ersichtlich Anhaltspunkte für begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Fristennotierung im Kalender nicht gegeben waren, konnte auch bei nochmaliger Überprüfung der entsprechenden Vermerke bei Vorlage der Handakten zur Fertigung der Berufungsschrift nicht auffallen, dass die Bürovorsteherin G. die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender unterlassen hatte. Denn auch bei einer solchen Kontrolle konnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aufgrund des Erledigungsvermerks davon ausgehen, dass die Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß im Fristenkalender notiert ist.
9
c) Nach den tatsächlichen Umständen ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch nicht eine fehlerhaft unzureichende Organisation des Fristenwesens in seiner Kanzlei anzulasten, die für die Fristversäumnis ursächlich geworden wäre und die sich die Klägerin zurechnen lassen müsste (§ 85 Abs. 2 ZPO). Zwar hat der Anwalt die mit der Fristenkontrolle betrauten Angestellten darauf hinzuweisen, dass der Erledigungsvermerk erst erfolgen darf, wenn die entsprechende Handlung tatsächlich vorgenommen worden ist. Die Einhaltung dieser Weisung hat der Anwalt durch geeignete Kontrollen auch durchzusetzen. Deuten Umstände darauf hin, dass Erledigungsvermerke vorzeitig angebracht werden, muss der Anwalt dagegen einschreiten. Doch rügt die Rechtsbeschwerde mit Recht, dass das Berufungsgericht bei umfassender Berücksichtigung der vorgetragenen und durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemachten Tatsachen nicht von einer mangelhaften Organisation des Fristenwesens in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ausgehen durfte. Vielmehr war die allgemeine Weisung an die betrauten Büroangestellten ausreichend, nach der sämtliche Haupt- und Vorfristen im Fristenkalender sofort zu notieren und diese Eintragungen entsprechend in der Akte zu vermerken waren, wobei bei Rechtsmittelsachen neben der Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfrist auch jeweils eine Vorfrist von einer Woche einzutragen war. Konkrete An- haltspunkte, aufgrund derer der Prozessbevollmächtigte hätte annehmen müssen , dass Erledigungsvermerke vorzeitig angebracht werden, wodurch eine wirksame Fristenkontrolle in Frage gestellt wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind ersichtlich nicht gegeben.
10
Auch wurde nach der eidesstattlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Fristenkalender regelmäßig von ihm daraufhin kontrolliert , ob die Vermerke in der Handakte über die Eintragung im Fristenkalender mit den tatsächlichen Kalendereintragungen übereinstimmten. Bei dieser Sachlage fehlten Hinweise dafür, dass die Bürovorsteherin G. die Erledigung in der Handakte etwa auch in anderen Fällen ohne die erforderliche vorherige Eintragung im Fristenbuch vermerkt hätte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815, 1816 unter II. 3. b).
11
Mithin hat die Klägerin glaubhaft gemacht, dass die Frist zur Berufungsbegründung ohne eigenes oder ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten versäumt worden ist. Daher war ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden ist, ist der angegriffene Beschluss des Berufungsgerichts damit gegenstandslos. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Heinsberg, Entscheidung vom 23.04.2007 - 16 C 301/05 -
LG Aachen, Entscheidung vom 01.08.2007 - 5 S 102/07 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 25/05
vom
19. Juni 2006
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 B, 139 Abs. 2 Satz 1; GG Art. 103 Abs. 1
Unterlässt es das Gericht entgegen § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO, Art. 103 Abs. 1
GG, die um Wiedereinsetzung nachsuchende Partei auf den für seine Entscheidung
ausschließlich maßgebenden, von den Parteien ersichtlich für unerheblich
erachteten Gesichtspunkt hinzuweisen, ist der in der Beschwerde nachgeholte
Vortrag zu berücksichtigen.
BGH, Beschluss vom 19. Juni 2006 - II ZB 25/05 - OLG Bamberg
LG Schweinfurt
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. Juni 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn,
Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 2. November 2005 aufgehoben.
Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 3.526,08 €

Gründe:


1
I. Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil vom 4. August 2005 verurteilt, den Klägern Auskunft über ihre Beteiligung an der Beklagten durch Vorlage einer Auseinandersetzungsbilanz zum 29. September 2000 zu erteilen. Gegen die ihr am 5. September 2005 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 6. Oktober 2005 Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der am 5. Oktober abgelaufenen Berufungsfrist beantragt.
2
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Beklagte vorgetragen :
3
In der Kanzlei ihrer mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragten Prozessbevollmächtigten bestehe für die Bearbeitung fristgebundener Schriftsätze die Anweisung, Fristen nebst zweiwöchiger Vorfrist in den Fristenkalender einzutragen, sie danach auf der ersten Seite des betreffenden Schriftstücks zu notieren und ihre Eintragung im Fristenbuch durch Anbringung eines mit dem Namenszeichen versehenen Vermerks zu bestätigen. Nach Eingang der Unterlagen in der Kanzlei ihrer zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 15. September 2005 habe die für die Fristennotierung zuständige, zuverlässig arbeitende Rechtsanwaltsfachgehilfin Frau F., die über eine mehrjährige Berufserfahrung verfüge, die Fristen für Berufung und Berufungsbegründung berechnet, auf dem Urteil beide Fristen mit Vorfristen vermerkt und - entgegen der in der Kanzlei für die Bearbeitung fristgebundener Schriftsätze bestehenden Anweisung - als notiert gekennzeichnet, obwohl sie aus unerklärlichen Gründen die Berufungseinlegungsfrist mit Vorfrist im Fristenkalender nicht eingetragen habe. Ihr Prozessbevollmächtigter, dem der Vorgang anschließend vorgelegt worden sei, habe nicht damit rechnen müssen, dass ihm die Handakte trotz der bestätigten Fristennotierung zur Vorfrist und zum Ablauf der Berufungsfrist nicht vorgelegt würde.
4
II. 1. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.
5
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
6
Die Beklagte habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsfrist verhindert gewesen sei. Ihr Vorbringen lasse nicht erkennen, dass ihre Prozessbevollmächtigten wegen der unterlassenen Notierung der Berufungsfrist im Fristenkalender nicht in der Lage gewesen seien, die Berufung rechtzeitig einzulegen. Ihrem Wiedereinsetzungsgesuch sei nicht zu entnehmen, wann die Akten ihren Prozessbevollmächtigten vorgelegt worden seien. Es könne jedoch angenommen werden, dass die am 30. September 2005 an ihre Prozessbevollmächtigten versandten Akten dem sachbearbeitenden Anwalt am 4. oder 5. Oktober 2005 vorgelegen hätten.
7
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde.
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
9
Der angefochtene Beschluss verletzt in entscheidungserheblicher Weise den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Unter Verstoß gegen § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat das Berufungsgericht seine Entscheidung - ohne die Beklagte vorher darauf hinzuweisen und ihr Gelegenheit zur Äußerung zu geben - ausschließlich auf einen Gesichtspunkt gestützt, dem die Beklagte - wie aus der Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags ersichtlich - keine Bedeutung beigemessen hatte und den auch die Kläger nicht aufgegriffen hatten. Zwar hat die Partei im Wiedereinsetzungsantrag das fehlende Verschulden dar- zulegen und glaubhaft zu machen, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Aus Sicht der Beklagten bestand jedoch kein Anlass, in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch den - erst nach Ablauf der Berufungsfrist liegenden - Zeitpunkt vorzutragen, zu dem ihren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten die Gerichtsakten erstmals zur Einsichtnahme vorlagen. Wenn das Berufungsgericht auf diesen - von den Parteien nicht beachteten - Gesichtspunkt maßgebend abstellen wollte, hätte es den genauen Zeitpunkt aufklären müssen und seine Entscheidung nicht auf Mutmaßungen stützen dürfen (BGH, Beschl. v. 13. Januar 2000 - VII ZB 20/99, NJW 2000, 1872).
10
3. Der Beklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ; denn die Fristversäumung beruht nicht auf einem - ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden - Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten.
11
Der Anwalt, dem nach Eingang der Berufungsunterlagen die Handakten vorgelegt wurden mit der Bestätigung, dass die dort notierten Fristen in den Fristenkalender eingetragen sind, darf sich darauf verlassen, dass ihm die Handakten spätestens am Tag des Ablaufs der Berufungsfrist wieder vorgelegt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 12. August 1997 - VI ZB 13/97, NJW 1997, 3243 zur Begründungsfrist; v. 22. März 1995 - VIII ZB 2/95, NJW 1995, 1682). Er hat nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes den Fristenlauf nicht bei jeder Vorlage der Handakten, sondern nur, aber auch immer dann eigenverantwortlich zu überprüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden, wenn sie ihm selbst bis zum Fristablauf oder einem ihm nahen Zeitpunkt vorliegen (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02, ZIP 2003, 1050, 1051 m.w.Nachw.). Nach der vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Anwalt allerdings bei Übernahme eines neuen Mandats verpflichtet, die Gerichtsakten unverzüglich in eigener Verantwortung auf die laufenden Fristen zu überprüfen (BVerfG, Beschl. v. 17. Juni 1999 - 2 BvR 30/99, NJW 2000, 1633 f.; BGH, Beschl. v. 27. Februar 1997 - I ZB 50/96, NJW 1997, 1708, 1709; Beschl. v. 22. November 2000 - XII ZB 28/00, FamRZ 2001, 1143).
12
Das Berufungsgericht ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Gerichtsakten den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten noch vor Ablauf der Berufungsfrist erstmals zur Einsichtnahme vorgelegen haben und der sachbearbeitende Rechtsanwalt deshalb entsprechend diesen Grundsätzen zur Prüfung der Fristen verpflichtet und in der Lage war. Dies war nach dem in der Rechtsbeschwerde ergänzten und glaubhaften Vortrag der Beklagten nicht der Fall. Denn aus dem Eingangsstempel auf der - mit der Beschwerdebegründung in Kopie vorgelegten - Mitteilung des Landgerichts Schweinfurt an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist ersichtlich, dass die vom Landgericht Schweinfurt übersandten Gerichtsakten erst am 5. Oktober 2005 beim Amtsgericht Chemnitz eingetroffen sind; von dort mussten sie noch an das Landgericht Chemnitz - zum Fach der Prozessbevollmächtigten der Beklagten - weitergeleitet werden.
13
Der nachgeholte Vortrag ist zu berücksichtigen. Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, können noch nach Ablauf der Antragsfrist mit der Beschwerde ergänzt werden (BGH, Beschl. v. 27. Februar 1997 aaO; v. 6. Mai 1999 - VII ZB 6/99, NJW 1999, 2284; v. 13. Januar 2000 aaO). Dies ist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs umso mehr geboten, wenn es das Berufungsgericht - wie hier - entgegen § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterlassen hat, die um Wiedereinsetzung nachsuchende Partei auf den für seine Entscheidung ausschließlich maßgebenden, von dieser jedoch erkennbar übersehenen Gesichtspunkt hinzuweisen und ihr Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
Goette Kraemer Strohn
Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Schweinfurt, Entscheidung vom 04.08.2005 - 24 O 653/02 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 02.11.2005 - 3 U 280/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 46/07
vom
22. Januar 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 Fc, 85 Abs. 2
Ist die Berufungsbegründungsfrist errechnet und befindet sich in den Handakten ein
Vermerk über die Notierung der Frist im Fristenbuch, kann sich der Rechtsanwalt
grundsätzlich auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken
und braucht nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender
eingetragen ist, außer es drängen sich an der Richtigkeit Zweifel auf.
BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07 - LG Aachen
AG Heinsberg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Januar 2008 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 1. August 2007 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat. Streitwert: 1.200 €

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. April 2007, das der Klägerin am 27. April 2007 zugestellt worden ist, abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat die Klägerin am 6. Juli 2007 begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Klägerin ausgeführt, dass die stets sorgfältig arbeitende Bürovorsteherin G. nach Eingang der Handakten im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9. Mai 2007 die zu beachtenden Fristen geprüft habe. Sie habe die Berufungsfrist sowie die Berufungsbegründungsfrist berechnet und diese auf dem Auftragsschreiben der Klägerin an den Prozessbevollmächtigten nebst Vermerk über die Eintragung der Fristen im Fristenkalender notiert, ohne dass tatsächlich die Berufungsbegründungsfrist und die entsprechende Vorfrist auch im Fristenkalender eingetragen worden sind. Sodann habe sie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Auftragsschreiben vorgelegt. Dieser habe die Anlage einer neuen Akte sowie die sofortige Wiedervorlage verfügt. Nach Vorlage der Akte habe der Prozessbevollmächtigte die auf dem Auftragsschreiben der Klägerin vermerkten Fristen geprüft und diese für korrekt befunden sowie den Eintragungsvermerk der Bürovorsteherin zur Kenntnis genommen. Ein Mitarbeiter der Kanzlei habe die Berufungsaussichten und dabei ebenfalls die vermerkten Fristen geprüft und für richtig befunden. Nachdem am 23. Mai 2007 Berufung eingelegt worden sei, sei die Akte in den Aktenschrank eingehängt worden. Erst durch den Hinweis des Landgerichts vom 28. Juni 2007 sei die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist bemerkt worden. Dieses Versehen sei unverständlich. In Anbetracht der langjährigen Erfahrung der stets fehlerfrei arbeitenden Bürovorsteherin habe der Anwalt davon ausgehen dürfen, dass eine fehlerfreie Notierung der Fristen entsprechend dem Vermerk auf dem Auftragsschreiben der Klägerin auch im Fristenkalender erfolgt sei. Tatsächlich habe die Bürovorsteherin versehentlich im Fristenkalender lediglich die Frist für die Berufung sowie die entsprechende Vorfrist eingetragen. Die Eintragung der Frist für die Berufungsbegründung und der einwöchigen Vorfrist sei aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen versäumt worden. Die Richtigkeit dieses Vor- trags versicherten die Bürovorsteherin G. und der mit der Prüfung der Erfolgsaussichten der Berufung betraute Rechtsanwalt S. eidesstattlich.
2
Den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

3
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig.
4
2. Der angefochtene Beschluss begegnet schon deshalb Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts enthält, aufgrund deren eine rechtliche Überprüfung ohne weiteres möglich wäre. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den erforderlichen gesetzmäßigen Gründen versehen (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78 und vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - BGH-Report 2005, 1000). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es alleine ankommt, mit noch ausreichen- der Deutlichkeit aus den Beschlussgründen und den dort in Bezug genommenen Aktenteilen ergeben.
5
3. Das Berufungsgericht rechnet der Klägerin als schuldhafte Fristversäumnis an, dass ihr Prozessbevollmächtigter seine Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung der richtigen Eintragung des Endes der Frist in Bezug auf die Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender verletzt habe (§ 85 Abs. 2 ZPO). Hätte er die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender geprüft , als ihm die Handakte zur Fertigung der Berufungsschrift vom 23. Mai 2007 vorgelegen habe, wäre ihm der Fehler der Bürovorsteherin G. aufgefallen und die Fristversäumnis hätte vermieden werden können. Die Gefahr der Fristversäumung sei noch dadurch verstärkt worden, dass der Erledigungsvermerk auf dem Auftragsschreiben der Klägerin bereits vor der Eintragung beider Fristen im Fristenkalender angebracht worden sei. Der vorzeitig angebrachte Vermerk täusche eine trügerische Sicherheit vor, wodurch eine wirksame Fristenkontrolle durch den Anwalt und das Büropersonal verhindert werde.
6
4. a) Mit dieser Rechtsprechung weicht das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Danach hat der Anwalt die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung einer Frist, ihrer Notierung auf den Handakten, zur Eintragung im Fristenkalender sowie zur Bestätigung der Kalendereintragung durch einen Erledigungsvermerk auf den Handakten stets zu prüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden. Zwar erstreckt sich die Pflicht zur Prüfung auch darauf, ob das (zutreffend errechnete) Fristende im Fristenkalender notiert worden ist. Doch kann sich der Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken. Ist die Erledigung der Eintragung im Fristenkalender wie hier ordnungsgemäß in der Handakte vermerkt und drängen sich an der Richtigkeit insoweit keine Zweifel auf, braucht der Rechtsanwalt nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender eingetragen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. April 2007 - VI ZB 66/06 - NJW 2007, 2332 und vom 23. Januar 2007 - VI ZB 5/06 - NJW 2007, 1597, 1598; BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2006 - IV ZB 18/05 - VersR 2007, 520 f.; vom 1. Dezember 2004 - XII ZB 164/03 - FamRZ 2005, 435 f. unter II. 3.; vom 21. April 2004 - XII ZB 243/03 - FamRZ 2004, 1183 f. unter II. 1. und 2.; vom 22. Januar 1997 - XII ZB 195/96 - VersR 1997, 598, 599 unter 1. und vom 22. September 1971 - V ZB 7/71 - VersR 1971, 1125 f. unter 1.; Urteil vom 1. Juli 1976 - III ZR 88/75 - VersR 1976, 1154 f. unter II.; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 233 Rn. 23 Stichwort Fristenbehandlung ; Born, NJW 2005, 2042, 2046). Andernfalls würde die Einschaltung von Bürokräften in die Fristenüberwachung weitgehend sinnlos, die jedoch aus organisatorischen Gründen erforderlich und deshalb zulässig ist.
7
b) Eine Abweichung von diesen Grundsätzen lässt sich auch nicht dem Beschluss des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Juli 2005 - II ZB 16/04 - (nicht veröff.) entnehmen, auf den das Berufungsgericht seine Rechtsauffassung stützt. Der Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden im Sachverhalt. Dort hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten versäumt, bei Fertigung der Berufungsschrift die Notierung der Berufungsbegründungsfrist in den Handakten zu überprüfen. Hätte er dieser Pflicht genügt, wäre ihm aufgefallen , dass die Berufungsbegründungsfrist - entgegen seiner generellen Anweisung - nicht notiert worden war.
8
Hingegen hatte im vorliegenden Fall der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ebenso wie der Mitarbeiter S. den Erledigungsvermerk geprüft. Mit Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass die Unterlassung der erneuten Fristenprüfung bei Vorlage der Akte zur Fertigung der Berufungsschrift, die das Berufungsgericht bemängelt, nicht ursächlich für die Fristversäumung werden konnte. Nachdem der Erledigungsvermerk angebracht war und ersichtlich Anhaltspunkte für begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Fristennotierung im Kalender nicht gegeben waren, konnte auch bei nochmaliger Überprüfung der entsprechenden Vermerke bei Vorlage der Handakten zur Fertigung der Berufungsschrift nicht auffallen, dass die Bürovorsteherin G. die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender unterlassen hatte. Denn auch bei einer solchen Kontrolle konnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aufgrund des Erledigungsvermerks davon ausgehen, dass die Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß im Fristenkalender notiert ist.
9
c) Nach den tatsächlichen Umständen ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch nicht eine fehlerhaft unzureichende Organisation des Fristenwesens in seiner Kanzlei anzulasten, die für die Fristversäumnis ursächlich geworden wäre und die sich die Klägerin zurechnen lassen müsste (§ 85 Abs. 2 ZPO). Zwar hat der Anwalt die mit der Fristenkontrolle betrauten Angestellten darauf hinzuweisen, dass der Erledigungsvermerk erst erfolgen darf, wenn die entsprechende Handlung tatsächlich vorgenommen worden ist. Die Einhaltung dieser Weisung hat der Anwalt durch geeignete Kontrollen auch durchzusetzen. Deuten Umstände darauf hin, dass Erledigungsvermerke vorzeitig angebracht werden, muss der Anwalt dagegen einschreiten. Doch rügt die Rechtsbeschwerde mit Recht, dass das Berufungsgericht bei umfassender Berücksichtigung der vorgetragenen und durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemachten Tatsachen nicht von einer mangelhaften Organisation des Fristenwesens in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ausgehen durfte. Vielmehr war die allgemeine Weisung an die betrauten Büroangestellten ausreichend, nach der sämtliche Haupt- und Vorfristen im Fristenkalender sofort zu notieren und diese Eintragungen entsprechend in der Akte zu vermerken waren, wobei bei Rechtsmittelsachen neben der Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfrist auch jeweils eine Vorfrist von einer Woche einzutragen war. Konkrete An- haltspunkte, aufgrund derer der Prozessbevollmächtigte hätte annehmen müssen , dass Erledigungsvermerke vorzeitig angebracht werden, wodurch eine wirksame Fristenkontrolle in Frage gestellt wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind ersichtlich nicht gegeben.
10
Auch wurde nach der eidesstattlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Fristenkalender regelmäßig von ihm daraufhin kontrolliert , ob die Vermerke in der Handakte über die Eintragung im Fristenkalender mit den tatsächlichen Kalendereintragungen übereinstimmten. Bei dieser Sachlage fehlten Hinweise dafür, dass die Bürovorsteherin G. die Erledigung in der Handakte etwa auch in anderen Fällen ohne die erforderliche vorherige Eintragung im Fristenbuch vermerkt hätte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815, 1816 unter II. 3. b).
11
Mithin hat die Klägerin glaubhaft gemacht, dass die Frist zur Berufungsbegründung ohne eigenes oder ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten versäumt worden ist. Daher war ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden ist, ist der angegriffene Beschluss des Berufungsgerichts damit gegenstandslos. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Heinsberg, Entscheidung vom 23.04.2007 - 16 C 301/05 -
LG Aachen, Entscheidung vom 01.08.2007 - 5 S 102/07 -

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/03
vom
23. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der beschwerten
Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, so ist die nach § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unabhängig davon zulässig
, ob sich der Rechtsverstoß auf das Endergebnis auswirkt.
Eine konkrete Anweisung des Anwalts im Einzelfall macht nur dann allgemeine organisatorische
Regelungen obsolet, wenn diese durch die Einzelanweisung ihre Bedeutung
für die Einhaltung der Frist verlieren; das ist nicht der Fall, wenn die Weisung
nur dahin geht, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, die Fristüberschreitung
aber darauf beruht, daß es an ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen
dazu fehlt, unter welchen Voraussetzungen eine Frist nach Übermittlung
fristwahrender Schriftsätze per Telefax als erledigt vermerkt werden darf.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - LG Konstanz
AGÜberlingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. Oktober 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 2. April 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Gegen das ihr am 7. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 8. Januar 2003 bei dem Landgericht eingegangen.
Die Beklagte hat gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu folgendes ausgeführt : Ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Begründungsschriftsatz am 7. Januar gefertigt und unterzeichnet und die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte W. gegen 17.15 Uhr angewiesen, ihn per Fax an das Landgericht zu senden. Diese habe zwar mehrfach versucht zu faxen, was aber , weil sie versehentlich eine falsche Nummer gewählt habe, erfolglos geblieben sei. Sie habe angenommen, das Empfängergerät sei belegt, und habe sich zunächst anderen Aufgaben zugewendet, darüber aber die Angelegenheit ver-
gessen. Später habe sie die Frist im Kalender als erledigt eingetragen, so daß dem Prozeßbevollmächtigten bei dessen Kontrolle gegen 20.00 Uhr das Versäumnis nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
aa) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Fall einer Divergenz zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006) vor. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Abweichung ist nämlich nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts (Senat, BGHZ 151, 42; BGHZ 89, 149, 151). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht - im Einklang mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes - davon aus, daß üblicherweise in Anwaltskanzleien auftretende Schwankungen der Arbeitsbelastung die Sorgfalts-
pflicht des Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die Organisation eines reibungslos und fehlerfrei funktionierenden Geschäftsbetriebs nicht erhöhen. Es meint lediglich, im konkreten Fall hätten Umstände vorgelegen, die über das Übliche einer Mehrbelastung hinausgingen und daher zu besonderen Maßnahmen Anlaß gegeben hätten. Ist diese Auffassung - wie hier (siehe im folgenden ) - falsch, so liegt darin zwar eine rechtsfehlerhafte Würdigung. Doch wird damit kein allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegensteht.
bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht aber auf einer Würdigung , die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Die Annahme, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe angesichts der "besonderen Situation am Nachmittag" des 7. Januars 2003 eine eigenständige Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist vornehmen müssen, entbehrt jeder Grundlage. Unscharf ist schon der Ansatz. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozeßbevollmächtigte hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax verfügt. Welche zusätzlichen Maßnahmen er hätte ergreifen sollen, worin sich die nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotene erhöhte Sorgfaltspflicht hätte äußern sollen, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht gesagt. Dafür ist auch nichts erkennbar. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxüber-
mittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003, VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 m. zahlr. Nachw.). Er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren. Im übrigen ist hier nach dem Vorbringen der Beklagten sogar eine Kontrolle erfolgt, die aber wegen des falschen Erledigungsvermerks ohne Befund blieb.
Wenn man in dieser konkreten Situation ein Weiteres von dem Anwalt verlangen wollte, so überspannte man die Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle sogleich nach Durchführung bestehen. Dies kann höchstens ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Daß eine Rechtsanwaltsangestellte über ihre normale Dienstzeit hinaus arbeiten muß und daß drei fristgebundene Sachen zusätzlich zu bearbeiten sind, bedingt keine Situation, die ein ausreichend organisiertes Büro nicht bewältigen könnte. Im übrigen sollte die Übermittlung per Telefax zunächst, nur wenige Minuten nach dem üblichen Dienstschluß, erfolgen, und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bearbeitung weiterer Fristsachen, die sich bis 19.30 Uhr hinzog, diese einfache Tätigkeit hätte stören oder in einer Weise gefährden können, daß ein Eingreifen des Anwalts erforderlich gewesen wäre.
cc) Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde , ob er sich auf das Ergebnis auswirkt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO), in dem eine nicht entscheidungserhebliche Frage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision gebietet (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181; Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, Umdruck S. 9, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Dieser Unterschied beruht auf folgendem: Anders als das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel, das zur Entscheidung über die Sache führt. Dabei hängt - wie stets - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht von Fragen der Begründetheit ab. Liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO vor, so ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Ob die angefochtene Entscheidung gleichwohl Bestand hat, ist eine Frage der Begründetheit. Beides miteinander zu verquicken, hieße, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen, weil es an der Begründetheit fehlt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es demgegenüber nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur um die Frage, ob eine Sachüberprüfung im Revisionsverfahren geboten ist. Bei dieser Prüfung kann und muß berücksichtigt werden, ob die unter die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO subsumierbaren Rechts- oder Verfahrensfragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind oder nicht. Sind sie es nicht, besteht kein Anlaß für eine Zulassung; denn es kommt auf sie letztlich nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt , daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es ist nicht ausgeräumt, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist,
das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
Zum einen hat der Anwalt organisatorische Vorkehrungen zu treffen, daß Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1993, II ZB 7/93, VersR 1994, 703; Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 60 m.w.N.). Zum anderen muß der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren , daß er die damit befaßten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, Beschl. v. 9. Februar 1995, V ZB 26/94, VersR 1995, 1073, 1074). Er muß ferner Vorsorge für Störfälle treffen, um sicherzustellen, daß der Übermittlungsvorgang entweder vollständig wiederholt wird oder daß der Anwalt selbst über geeignete andere Maßnahmen entscheidet.
Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen worden. Die bloße Angabe, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristen erledigt seien, erst danach werde die Frist gelöscht, genügt nicht den vorstehenden Anforderungen. Soweit die Beklagte in einem nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz nähere Angaben zur Ausgangskontrolle gemacht hat, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der Wiedereinsetzung beantragt, muß die Gründe, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vor-
bringen (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1 Antragsbegründung 3). Zwar können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH aaO; Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 10/85, VersR 1985, 1184, 1185). Das hilft der Beklagten im konkreten Fall aber schon deswegen nicht, weil die ergänzenden Angaben nach Erlaß der Entscheidung gemacht worden sind und daher für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verfügbar sind. Seiner Beurteilung unterliegt - anders als im früheren Verfahren der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO a.F.) - nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt sowie der auf Verfahrensrüge zu beachtende dortige Sachvortrag. Soweit die Rechtsbeschwerde den neuen Sachvortrag mit Hilfe einer Aufklärungsrüge einführen möchte, ist ihr nicht zu folgen. Es bestand für das Berufungsgericht keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichenden Gründe ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluß darauf , daß entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nicht deswegen unerheblich, weil der Prozeßbevollmächtigte eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall
konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1987, VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Beschl. v. 26. September 1985, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. So ersetzt z.B. die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Ebenso liegt es, wenn der Anwalt von der Eintragung der Sache in den Fristenkalender absieht und die Anweisung erteilt, den fertiggestellten Schriftsatz in die Ausgangsmappe für die Post zum Berufungsgericht zu legen (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZR 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45). Denn in diesem Fall würde eine Frist als erledigt vermerkt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdn. 23 S. 698).
Besteht hingegen - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig , daß Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt , eine Übermittlung per Telefax anzuordnen. Dem entspricht es, daß z.B. der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01) einen solchen Übermittlungsauftrag nur für ausreichend erachtet hat, wenn jedenfalls die betreffende Angestellte allgemein angewiesen war, die Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu kontrollieren.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 28/00
vom
22. November 2000
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Sprick,
Weber-Monecke und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 1. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Februar 2000 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Beschwerdewert: bis 1.500 DM.

Gründe:

I.

Durch das am 23. September 1999 zugestellte Urteil des Familiengerichts ist die Abänderungsklage des Klägers teilweise abgewiesen worden. Mit Schriftsatz seiner erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwältin S. , vom 20. Oktober 1999, beim Oberlandesgericht eingegangen am 21. Oktober 1999, hat er die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Durchführung einer Berufung unter Beiordnung von Rechtsanwalt D. beantragt. Dem Antrag war zur Begründung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ein von Rechtsanwältin S. gefertigter Entwurf einer Berufungsschrift mit Begründung beigefügt. Das Oberlandesgericht hat dem Kläger durch Beschluß vom 3. Januar 2000 Prozeßkostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt D. beigeordnet. Gleichzeitig hat es Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 9. März 2000
anberaumt. Der Beschluß vom 3. Januar 2000 und die Terminsladung sind Rechtsanwalt D. am 12. Januar 2000 zugestellt worden. Am 17. Januar 2000 hat sich RechtsanwaltD. bei dem Oberlandesgericht als Prozeßbevollmächtigter des Klägers bestellt. Mit Schriftsätzen vom 3. Februar 2000, die am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen sind, hat der Kläger durch Rechtsanwalt D. Berufung gegen das Urteil des Familiengerichts eingelegt, diese zugleich begründet und Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist sowie der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO beantragt. Zur Begründung der Wiedereinsetzungsanträge hat der Kläger im wesentlichen ausgeführt: Bei der Bearbeitung der Posteingänge am 12. Januar 2000, die Rechtsanwalt D. , in dessen Büro alle Termine und Fristabläufe anwaltlich angewiesen würden, zusammen mit der Angestellten N. v orgenommen habe, sei in der vorliegenden Sache als Frist zur Wiedervorlage der 17. Januar 2000 verfügt und als Vorausverfügung angeordnet worden, Rechtsanwältin S. von dem Prozeßkostenhilfebeschluß Kenntnis zu geben. Im Zusammenhang mit der Erledigung sei vermutlich von einem Wiedereinsetzungsantrag gesprochen worden. Als die Akte am 17. Januar 2000 wieder in Bearbeitung genommen worden sei, um insbesondere das Schreiben an Rechtsanwältin S. z u fertigen, habe Frau N. geprüft, ob sie noch weiteres ohne anwaltliche Anweisung erledigen könne. Bei dieser Prüfung sei sie irrtümlich zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Wiedereinsetzungsantrag nicht erforderlich sei, weil sich in der Akte bereits die vorformulierte Berufungsbegründung befunden habe und Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden sei. In ihrer unrichtigen Auffassung sei sie anläßlich eines Anrufs bei der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts bestätigt worden; die dortige Mitarbeiterin habe lediglich die Bestellung von Rechtsanwalt D. als Prozeßbevollmächtigter für erforderlich gehalten. Deshalb habe Frau N. noch den betreffenden Schrift-
satz vom 17. Januar 2000 angefertigt und die verfügte Frist damit als erledigt angesehen. Die Akte sei nach der Einholung der Unterschrift des Rechtsanwalts D. nicht in der Vorlage belassen, sondern - entsprechend einer generellen Weisung, nach der Akten in jedem Fall nach ca. drei Wochen wieder vorzulegen seien - mit einer Wiedervorlagefrist bis zum 9. Februar 2000 in die Ablage gebracht worden. Das Oberlandesgericht hat die Wiedereinsetzungsanträge zurückgewiesen , weil Rechtsanwalt D. , der es am 12. Januar 2000 unterlassen habe, durch eine eindeutige Anweisung die rechtzeitige Wiedervorlage der Akten zur Fertigung des Wiedereinsetzungsantrags sicherzustellen, ein Verschulden an der Fristversäumnis treffe; die Berufung hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er vertritt in erster Linie die Auffassung, mangels Zustellung des Prozeßkostenhilfebeschlusses an Rechtsanwältin S. s ei die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nicht in Gang gesetzt worden; die Mitteilung an den durch die Beiordnung noch nicht bevollmächtigten Rechtsanwalt D. habe hierfür nicht genügt.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 1. Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, daß der Kläger sowohl die Berufungsfrist (§ 516 ZPO) als auch die zweiwöchige Frist für die Anbringung des Wiedereinsetzungsgesuchs (§ 234 Abs. 1 ZPO) versäumt hat. Die letztere Frist begann mit dem Tag, an dem das der Berufungseinlegung entgegenstehende Hindernis behoben war (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das Hindernis lag in der Mittellosigkeit des Klägers. Es entfiel mit der Bekanntgabe des Be-
schlusses über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe an den Kläger oder seinen Prozeßbevollmächtigten (BGH, Beschluß vom 31. Januar 1978 - VI ZB 7/77 - NJW 1978, 1920 m.N.), nicht dagegen mit der Bekanntgabe an den im Rahmen der Prozeßkostenhilfebewilligung nach § 121 Abs. 1 ZPO beigeordneten Anwalt, wenn dieser noch nicht zum Prozeßbevollmächtigten bestellt war (BGHZ 30, 226, 228 f.). Wann Rechtsanwalt D. v on dem Kläger bzw. seiner gesetzlichen Vertreterin Prozeßvollmacht erhalten hat, ist nicht vorgetragen worden. Das Berufungsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, daß der Anwalt bei der Zustellung des Beschlusses vom 3. Januar 2000 bereits Prozeßbevollmächtigter des Klägers war. In diesem Fall hätte die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO mit dem Ablauf des 12. Januar 2000 begonnen und am 26. Januar 2000 geendet. Wenn Rechtsanwalt D. , wie die sofortige Beschwerde geltend macht, am 12. Januar 2000 noch nicht zum Prozeßbevollmächtigten bestellt war, wäre die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist indessen ebenfalls nicht gewahrt worden. Mangels entgegenstehender Angaben müßte dann davon ausgegangen werden, daß Rechtsanwalt D. jedenfalls am 17. Januar 2000, als er sich beim Oberlandesgericht als Prozeßbevollmächtigter des Klägers bestellt hat, Prozeßvollmacht erteilt worden war. Deshalb wäre dem Kläger spätestens an diesem Tag der Beschluß über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu Händen seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zugegangen. Da letzterer bereits am 12. Januar 2000 in den Besitz des Beschlusses gelangt war, wäre der Mangel des Zugangs vom Zeitpunkt der Bevollmächtigung an als behoben anzusehen, da Rechtsanwalt D. den betreffenden Beschluß auch weiterhin in Besitz hatte. Die dann am 17. Januar 2000 in Gang gesetzte Frist hätte mithin am 31. Januar 2000 geendet und wäre
durch den am 3. Februar 2000 eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag nicht gewahrt worden. Ob in der Benennung von RechtsanwaltD. im Prozeßkostenhilfegesuch mit der Bitte um dessen Beiordnung bereits eine schlüssige Vollmachtserteilung zu sehen ist (so Zöller/Vollkommer ZPO 21. Aufl. § 80 Rdn. 5; Musielak/Weth ZPO 2. Aufl. § 80 Rdn. 9), bedarf deshalb keiner Entscheidung. 2. Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist könnte nur gewährt werden, wenn vorgetragen und glaubhaft gemacht worden wäre, daß der Kläger ohne eigenes oder ihm zurechenbares Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO).
a) Das hat das Berufungsgericht - für den Fall, daß Rechtsanwalt D. am 12. Januar 2000 bereits Prozeßbevollmächtigter des Klägers war - zu Recht verneint. Rechtsanwalt D. hätte es dann oblegen, bei Zustellung des Beschlusses vom 3. Januar 2000 eine Fristenprüfung vorzunehmen, weil die Möglichkeit bestand, daß die Berufung - wegen der Mittellosigkeit des Klägers - entweder noch nicht eingelegt oder noch nicht begründet worden war und sich die Notwendigkeit ergeben konnte, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Deshalb war er zu besonderer organisatorischer und persönlicher anwaltlicher Sorgfalt verpflichtet (Senatsbeschluß vom 2. Juni 1999 - XII ZB 63/99 - FamRZ 1999, 1498, 1499). Diese besondere Sorgfaltspflicht hätte es erfordert, eigenverantwortlich zu prüfen, ob noch eine Frist zu wahren war, und gegebenenfalls sicherzustellen, daß deren Ende - mit Vorfrist - in dem Fristenkalender und den Handakten eingetragen wurde (Senatsbeschluß vom 3. Juli 1991 - XII ZB 39/91 - FamRZ 1992, 168, 169). An den danach gebotenen Maßnahmen hat Rechtsanwalt D. es fehlen lassen, als er lediglich eine Wiedervorlagefrist zum 17. Januar 2000
verfügte. Diese Verfahrensweise birgt erhebliche Gefahren für die Behandlung von Fristsachen, denn sie läßt die Möglichkeit offen, daß eine Akte - wie der vorliegende Fall zeigt - im weiteren Verlauf nicht mehr als Fristsache erkannt wird. Da der Ablauf der Frist nicht in dem Fristenkalender eingetragen ist, fehlt es an der unumgänglich notwendigen Möglichkeit der Fristenkontrolle, anhand deren aufgetretene Versäumnisse bemerkt und rechtzeitig behoben werden könnten (Senatsbeschluß vom 3. Juli 1991 aaO).
b) Aber auch dann, wenn Rechtsanwalt D. am 12. Januar 2000 noch nicht Prozeßbevollmächtigter des Klägers war und letzterem das vorgenannte schuldhafte Verhalten des Anwalts deshalb nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Rechtsanwalt D. hat nämlich auch am 17. Januar 2000, als er jedenfalls zum Prozeßbevollmächtigten des Klägers bestellt war, der anwaltlichen Sorgfaltspflicht zuwider gehandelt. Da er - im Fall der Beauftragung nach dem 12. Januar 2000 - am 17. Januar 2000 ein neues Mandat übernommen hätte, mithin erstmals als Prozeßbevollmächtigter mit dem Rechtsstreit in Berührung gekommen wäre, hätte es zu den originären anwaltlichen Pflichten gehört , die Handakten unverzüglich selbst auf laufende Fristen zu überprüfen, um gegebenenfalls sofort reagieren zu können (BGH, Urteil vom 10. November 1998 - VI ZR 243/97 - NJW 1999, 1187, 1192; Müller NJW 2000, 322, 323; MünchKomm/Feiber ZPO § 233 Rdn. 62; Stein/Jonas/Roth ZPO 21. Aufl. § 233 Rdn. 68 - S. 1316 -). Das gilt unabhängig davon, ob ihm bei der Vorlage des Bestellungsschriftsatzes vom 17. Januar 2000 zur Unterzeichnung auch die Handakten vorlagen (BGH, Beschluß vom 19. Februar 1991 - VI ZB 2/91 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 16). Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, hätte er sich diese vorlegen lassen und prüfen müssen, ob eine Frist lief. Bejahendenfalls hätte er kontrollieren müssen, ob die Eintragung der Frist im Fri-
stenkalender in den Handakten vermerkt war (BGH, Beschluß vom 14. Oktober 1987 - VIII ZB 16/87 - VersR 1988, 414). Zu einer anderen Handhabung durfte Rechtsanwalt D. auch der Umstand, daß ihm am 12. Januar 2000 bereits der Prozeßkostenhilfebeschluß zugestellt worden war, nicht veranlassen. Denn auf eine früher erfolgte Fristenprüfung durfte er angesichts des Umstandes, daß es in seinem Büro ersichtlich nicht unüblich ist, zunächst nur vorläufige Fristen einzutragen, nicht vertrauen. Hätte Rechtsanwalt D. am 17. Januar 2000 die Handakten überprüft, so hätte ihm - trotz der bereits erfolgten Terminierung - der Lauf der Wiedereinsetzungsfrist sowie der Umstand auffallen müssen, daß diese nicht im Fristenkalender eingetragen war. Er hätte alsdann für den rechtzeitigen Eingang des Wiedereinsetzungsantrags bei Gericht Sorge tragen können.

c) Die dargelegten Sorgfaltspflichtverletzungen stehen der Gewährung von Wiedereinsetzung entgegen, so daß es insoweit nicht darauf ankommt, ob RechtsanwaltD. bereits am 12. Januar 2000 oder erst in der Zeit bis zum 17. Januar 2000 vom Kläger bevollmächtigt worden ist. Das jeweilige Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten muß der Kläger sich jedenfalls zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Blumenröhr Krohn Sprick Weber-Monecke Wagenitz

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 4/00
vom
6. Juli 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen für die Fristwahrung in einer
Anwaltskanzlei kommt es nicht entscheidend an, wenn im Einzelfall eine konkrete
Anweisung erteilt worden ist, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte.
BGH, Beschluß vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - OLG Dresden
LG Dresden
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juli 2000 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß,
Dr. Wiebel und Wendt

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 27. Dezember 1999 aufgehoben. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Beschwerdewert: 23.465,35 DM

Gründe:


I.

Der Beklagte hat gegen ein ihm nachteiliges landgerichtliches Urteil rechtzeitig am 1. April 1999 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsschrift ist am 4. Mai 1999 beim Berufungsgericht eingegangen. Der Beklagte hat nach Mitteilung dieses Eingangsdatums rechtzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Er hat unter Vorlage von zwei eidesstattlichen Versicherungen zur Begründung vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsschrift am Nachmittag des 3. Mai 1999 der sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten L. gesondert mit der ausdrücklichen Anweisung überge-
ben, den Schriftsatz sofort an das Berufungsgericht zu faxen, da die Frist am selben Tage ablaufe. Frau L. habe diese Anweisung bestätigt. Anschließend sei sie aber durch ein Telefongespräch so abgelenkt worden, daß sie den Berufungsbegründungsschriftsatz in den normalen Postgang gegeben habe. Bei Dienstschluß habe Frau L. dann die Berufungsbegründungsfrist im Fristenbuch gestrichen und dort einen Erledigungsvermerk angebracht, ohne daß der Schriftsatz per Fax versandt worden war. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht den Antrag des Beklagten, ihm wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt ist der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten seiner Verpflichtung, für den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung zu sorgen, dadurch nachgekommen, daß er der Kanzleiangestellten L. eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Angestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, derartige Weisungen befolgt (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930; vom 11. Februar 1998 - XII ZB 184/97, NJW-RR 1998, 787, 788). Es besteht keine Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung zu vergewissern.
Auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen eines Rechtsanwalts für die Fristwahrung, mit denen sich das Berufungsgericht befaßt hat, kommt es nicht entscheidend an, wenn konkrete Anweisungen erteilt worden sind, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätten (BGH, Beschluß vom 18. März 1998 - XII ZB 180, 96, NJW-RR 1998, 1360, 1361). Allgemeine Hinweise für das Verhalten im Telefaxverkehr konnten sich ohnedies nicht auswirken, da der Angestellten L. entfallen war, daß die Berufungsbegründung per Telefax zu übermitteln war. Ullmann Thode Haß Wiebel Wendt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 419/01
vom
17. September 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO § 212 a a.F., § 233 Fb, Fd
Wenn ein Rechtsanwalt, der ein Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung
unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne das Datum der Zustellung in den Handakten
vermerkt zu haben, seine Bürokraft nur mündlich anweist, eine Rechtsmittelfrist
einzutragen, genügt er seiner Sorgfaltspflicht nur dann, wenn in seiner Kanzlei ausreichende
organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sind, daß die Anweisung
in Vergessenheit gerät und die konkrete Fristeintragung unterbleibt.
BGH, Beschl. vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01 - OLG Karlsruhe
LG Heidelberg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2002 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge
und Stöhr

beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist wird zurückgewiesen.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. Oktober 2001 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gegenstandswert: 42.033,54

Gründe:


I.


Der Kläger, der Alleinerbe seiner am 28. Dezember 1995 verstorbenen Ehefrau ist, hatte von den Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz und ein Schmerzensgeld wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung seiner Ehefrau begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit Urteil vom 24. Oktober 2001 hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das Berufungsurteil ist seinem zweitinstanzlichen Prozeßbevoll-
mächtigten am 31. Oktober 2001 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 21. November 2001 erteilte dieser den Auftrag, gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Revision einzulegen. Der Auftrag ging am 22. November 2001 zusammen mit einer Kopie der (zweiten) Ausfertigung des Berufungsurteils, die einen Eingangsstempel vom 9. November 2001 aufwies, bei der Revisionsanwältin ein. Die Revisionsschrift vom 6. Dezember 2001 ging am selben Tage beim Bundesgerichtshof ein. Die Senatsvorsitzende verlängerte antragsgemäß die Frist zur Revisionsbegründung bis zum 8. Mai 2002. Nach Eingang der Revisionsbegründung am 17. April 2002 wies der Berichterstatter mit Verfügung vom 26. Juni 2002, der Revisionsanwältin zugegangen am 27. Juni 2002, darauf hin, daß die Zustellung des Berufungsurteils laut Empfangsbekenntnis am 31. Oktober 2001 erfolgt sei. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2002 begehrt der Kläger unter Bezugnahme auf die Revisionsschrift vom 6. Dezember 2001 und die Revisionsbegründung vom 9. April 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist. Die Revisionsanwältin habe aufgrund der eingereichten Unterlagen keinen Anlaß zu Zweifeln an der richtigen Berechnung der Revisionsfrist gehabt. Im Büro des Berufungsanwalts sei dessen für ihn als Angestellte tätige Ehefrau mit der Kontrolle und Überwachung der Frist beauftragt gewesen. Nach Zustellung des Berufungsurteils habe er seine Ehefrau angewiesen , die Revisionsfrist im Terminkalender zu notieren. Versehentlich habe seine Ehefrau weder die Rechtsmittelfrist noch eine Vorfrist eingetragen und auch keinen Vermerk in die Handakte aufgenommen. Die Urteilsausfertigung habe sie im Original an den Kläger weitergeleitet, ohne für die Akte eine Kopie zu fertigen. Als am 9. November 2001 eine zweite Ausfertigung des Berufungsurteils eingegangen sei, habe die Ehefrau des Berufungsanwalts von sich aus die Revisionsfrist für den 10. Dezember 2001 und die Vorfrist auf den 3. Dezember 2001 eingetragen. Der Berufungsanwalt selbst habe diesen
Posteingang nicht weiter beachtet, weil diese (zweite) Urteilsausfertigung ohne Empfangsbekenntnis eingegangen sei. Er habe sich an den im Terminkalender fehlerhaft eingetragenen Fristen orientiert.

II.

Die Revision ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 554 a Abs. 2 ZPO a.F., vgl. § 26 Nr. 7 EGZPO i.d.F. von Art. 3 des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 - BGBl. I S. 1887). Sie ist erst am 6. Dezember 2001 und damit nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat ab Zustellung des Berufungsurteils (§ 552 ZPO a.F.) am 31. Oktober 2001 eingelegt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist kann dem Kläger nicht gewährt werden. Der Antrag ist zwar zulässig und insbesondere innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO eingegangen. Er erweist sich jedoch als unbegründet. 1. Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , wenn eine Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Daran fehlt es hier. Die Versäumung der Revisionsfrist beruht auf einem Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, das sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Wie der Kläger selbst vorträgt, ist es zur Fristversäumung gekommen, weil der mit der Revisionseinlegung beauftragten Rechtsanwältin nicht das richtige Zustellungsdatum mitgeteilt worden ist. Dazu sei es gekommen, weil der Berufungsanwalt angenommen habe, seine Anweisung, den Fristablauf im
Terminkalender und in der Handakte einzutragen, sei richtig ausgeführt worden. Damit hat der Berufungsanwalt seiner Sorgfaltspflicht indessen nicht genügt.
a) Die ordnungsgemäße und insbesondere fristgerechte Erteilung des Rechtsmittelauftrags machte es nämlich erforderlich, das für den Lauf der Rechtsmittelfrist maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu ermitteln (vgl. Senatsbeschluß vom 7. März 1995 - VI ZB 3/95 - VersR 1995, 931, 932; BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - NJW 1992, 574; Beschluß vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 16/93 - VersR 1994, 873, 874; Beschluß vom 7. Dezember 1993 - XI ZR 207/93 - VersR 1994, 956). Da es für den Fristbeginn im Falle einer Zustellung gem. § 212 a ZPO a.F. darauf ankommt, wann der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat, bedarf es darüber eines besonderen Vermerks (Senatsbeschluß vom 16. April 1996 - VI ZR 362/95 - NJW 1996, 1968, 1969). Um zu gewährleisten, daß ein solcher Vermerk angefertigt wird und das maßgebende Datum zutreffend wiedergibt, darf der Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, daß die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (Senatsbeschluß vom 26. März 1996 - VI ZB 1,2/96 - NJW 1996, 1900, 1901; vgl. BGH, Beschluß vom 30. November 1994 - XII ZB 197/94 - BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 1 m.w.N.). Dieses Sorgfaltsgebot hat der Berufungsanwalt verletzt, als er am 31. Oktober 2001 das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne zuvor die Notierung der Rechtsmittelfrist sichergestellt zu haben. Ihn trifft ein Organisationsverschulden , weil er keine Vorkehrungen dagegen getroffen hat, daß die Ausführung der Anweisung unterblieb. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, daß die Anweisung hier in mündlicher Form erfolgt ist. Ob und gegebenenfalls auf welche Weise im Büro des Berufungsanwalts die Ausführung mündlich erteilter
Anweisungen kontrolliert wurde, ist nicht dargelegt. Zwar braucht ein Rechts- anwalt grundsätzlich nicht die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen. Im allgemeinen darf er vielmehr darauf vertrauen, daß eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Anweisungen richtig befolgt (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87 - VersR 1988, 185 f.). Wenn aber ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Rechtsmittelfrist nur mündlich vermittelt wird, müssen in der Rechtsanwaltskanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, daß die Anweisung in Vergessenheit gerät und die konkrete Fristeintragung unterbleibt (BAGE 78, 184, 186). Das Fehlen jeder Sicherung bedeutet einen entscheidenden Organisationsmangel (BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - aaO). Dieser bleibt nicht deswegen folgenlos, weil der Berufungsanwalt hier eine Einzelanweisung erteilt hat, deren Befolgung die durch das Organisationsverschulden geschaffene Gefahrenlage noch rechtzeitig beseitigt hätte (vgl. BGH, Beschluß vom 9. Januar 2001 - VIII ZB 26/00 - NJW-RR 2001, 782, 783). Soweit der Bundesgerichtshof an anderer Stelle (vgl. Beschlüsse vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360, 1361 und vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823) ausgeführt hat, auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen eines Rechtsanwalts komme es nicht an, wenn konkrete Anweisungen erteilt worden seien, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte, lagen diesen Entscheidungen anders gelagerte Sachverhalte zugrunde.
b) Die Anfertigung eines Vermerks über das Datum der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses ist auch dann notwendig, wenn die Anweisung besteht, eine mit einem Eingangsstempel versehene Urteilsausfertigung zu den Handakten zu nehmen, denn ein solcher Stempel besagt für den Zeitpunkt der Zustellung nichts. Sein Datum braucht, wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, nicht mit dem allein maßgeblichen Datum übereinzustimmen , unter dem der Anwalt das Empfangsbekenntnis gem. § 212 a ZPO a.F.
unterzeichnet hat (BGH, Beschluß vom 13. März 1991 - XII ZB 22/91 - VersR 1992, 118, 119 m.w.N.).
c) Das Versäumnis des Berufungsanwalts war für die Versäumung ursächlich , denn wenn er das Empfangsbekenntnis erst nach Anfertigung eines Vermerks über das Datum der Unterzeichnung zurückgegeben hätte, wäre der Revisionsanwältin nicht ein falsches Zustellungsdatum mitgeteilt worden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß ihr das in dem Vermerk notierte und für den Beginn der Rechtsmittelfrist maßgebende Datum genannt und die Revision demgemäß rechtzeitig eingelegt worden wäre. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 20/07
vom
3. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Rechtsanwalt darf sich darauf verlassen, dass eine ausgebildete und bisher zuverlässig
arbeitende Büroangestellte seiner Anweisung folgend den unterzeichneten
Berufungsbegründungsschriftsatz vollständig und unverändert per Telefax an das
Berufungsgericht versendet, auch wenn ihr der Schriftsatz ungeheftet übergeben
wird bzw. zur Übermittlung per Telefax auseinandergeheftet werden muss.
BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2007 - II ZB 20/07 - KG Berlin
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 3. Dezember 2007
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer,
Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2 wird der Beschluss des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 30. April 2007 aufgehoben. Dem Beklagten zu 2 wird Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 50.651,26 €

Gründe:

1
I. Der Beklagte zu 2 hat mit Schriftsatz vom 15. Februar 2007 gegen das ihm am 17. Januar 2007 zugestellte Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Januar 2007, Az. 18 O 250/06, fristgerecht Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren erhielt beim Kammergericht das Aktenzeichen 26 U 16/07. Am 19. März 2007 nachmittags übermittelten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 dem Kammergericht mittels Telefax einen - am Folgetag zur Ge- schäftsstelle des Berufungsgerichts gelangten - Schriftsatz vom 19. März 2007. Seite 1 dieses Schriftsatzes lautet: "In dem Rechtsstreit R. u.a. . /. H. - 26 U 263/06 - begründen wir namens des Beklagten zu 2, Herrn G. , die mit Schriftsatz vom 8.12.2006 eingelegte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 01.11.2006, Az. 18 O 530/05 mit dem Antrag, unter Abänderung des am 01.11.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin, Az. 18 O 530/05, die Klage abzuweisen".
2
Das Original dieses Schriftsatzes ging am 20. März 2007 auf dem Postweg bei dem Berufungsgericht ein. Gegen die Beklagten waren zu diesem Zeitpunkt bei dem Berufungsgericht neun Berufungsverfahren mit nahezu identischem Streitstoff, aber unterschiedlichen Klägern anhängig. Am 27. März 2007 reichten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 zu diesem Schriftsatz eine weitere Seite 1 zu den Akten. In diesem Schriftstück waren der Name der Klägerin, der Verkündungstermin und das Aktenzeichen des angefochtenen Urteils, das Datum der Berufungseinlegung und das Aktenzeichen des Kammergerichts zutreffend angegeben.
3
Der Vorsitzende des Berufungssenats hat den Beklagten zu 2 mit Verfügung vom 27. März 2007 darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden sei. Der Beklagte zu 2 hat die Auffassung vertreten, die Berufungsbegründung sei rechtzeitig eingegangen, weil der am 19. März eingehende Berufungsbegründungsschriftsatz trotz des fehlerhaften Deckblatts dem richtigen Rechtsstreit habe zugeordnet werden können. Da die Berufungsbegründung in dem dort genannten Parallelverfahren bereits vollständig vorgelegen habe, sei offensichtlich gewesen, dass der Schriftsatz, der das aktuelle Datum getragen habe, fehlerhafte Angaben enthalten habe. Vorsorglich hat der Beklagte zu 2 Wieder- einsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und hat die Berufung begründet.
4
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Beklagte zu 2 vorgetragen:
5
Sein Prozessbevollmächtigter habe am 19. März 2007, dem Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist, den Berufungsbegründungsschriftsatz unterzeichnet und die ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte Frau S. angewiesen, den Schriftsatz an das Kammergericht zu faxen. Frau S. habe den zu faxenden Schriftsatz auf ihren Schreibtisch neben die - als Vorlage zur Erstellung der Berufungsbegründung in diesem Verfahren ausgedruckte - Berufungsbegründung eines Parallelverfahrens gelegt; versehentlich habe sie die Deckblätter der Schriftsätze vertauscht und den Schriftsatz mit dem nunmehr falschen Deckblatt an das Kammergericht gefaxt. Anschließend habe sie dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt mitgeteilt, dass sie die Berufungsbegründung in dieser Sache per Fax abgesandt habe. Dieser habe daraufhin die Frist im Fristenbuch gelöscht. Den Schriftsatz habe sie unverändert zur Post gegeben. Bei Frau S. handle es sich um eine zuverlässige Bürokraft, die, wie regelmäßige Kontrollen seiner Prozessbevollmächtigten ergeben hätten, ihre Aufgaben seit über drei Jahren sorgfältig und fehlerfrei ausgeführt habe.
6
II. 1. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten zu 2 unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen.
7
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
8
Der am 19. März 2007 bei der gemeinsamen Briefannahmestelle des Kammergerichts eingegangene Schriftsatz vom gleichen Tag sei nicht geeignet gewesen, die Berufungsbegründungsfrist zu wahren, da er infolge eines falschen Geschäftszeichens des Kammergerichts, einer falschen Bezeichnung der Gegenpartei, eines unrichtigen Verkündungsdatums des angefochtenen Urteils und eines unrichtigen Geschäftszeichens der Vorinstanz dem hiesigen Verfahren ohne ergänzende Angaben des Beklagten zu 2 nicht rechtzeitig habe zugeordnet werden können. Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 hätten frühestens nach Vorlage des Schriftsatzes an die Geschäftsstelle am Tag nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, als diese habe feststellen können, dass in dem genannten Parallelverfahren bereits eine Berufungsbegründung vorgelegen habe, auf einen möglichen Fehler hingewiesen werden können. Der Beklagte zu 2 habe auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Begründung der Berufung verhindert gewesen sei. Der Vortrag, die Büroangestellte seiner Prozessbevollmächtigten habe die erste Seite des Berufungsbegründungsschriftsatzes in diesem Verfahren mit der ersten Seite der ausgedruckten Berufungsbegründung eines Parallelverfahrens verwechselt, könne den Beklagten zu 2 nicht entlasten. Gerade wenn mehrere gleichartige Berufungsverfahren bei einem Senat anhängig seien , bei denen die Begründung der Berufung in der Sache wortgleich ausfalle, habe der Rechtsanwalt dafür Sorge zu tragen, dass die verfahrensbezogenen Angaben in dem Schriftsatz zutreffend seien, zumal er durch seine Unterschrift für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Schriftsatzes einstehe. Er habe deshalb auch dafür Sorge zu tragen, dass sein Schriftsatz nicht - etwa zur Vorbereitung der Telefax-Übermittlung - in der Weise auseinander genommen werde, dass hierbei Blätter mit denen anderer Schriftsätze vermengt oder vertauscht würden.
9
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich der Beklagte zu 2 mit seiner Rechtsbeschwerde.
10
2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO), weil das Berufungsgericht die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten überspannt und dadurch den Anspruch des Beklagten zu 2 auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt hat.
11
3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
12
a) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass der Beklagte zu 2 die Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) versäumt hat. Der am 19. März 2007 beim Kammergericht eingegangene Schriftsatz hat die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt, weil ihm nicht zweifelsfrei zu entnehmen war, dass es sich hierbei um die Begründung der in diesem Verfahren eingelegten Berufung handelte. Der Schriftsatz enthielt nicht nur ein unzutreffendes Geschäftszeichen des Kammergerichts und eine unrichtige Bezeichnung der Gegenpartei, sondern auch ein falsches Aktenzeichen der Vorinstanz, ein fehlerhaftes Verkündungsdatum des angefochtenen Urteils und ein unzutreffendes Datum der Berufungseinlegung. Unrichtige Angaben schaden zwar dann nicht, wenn auf Grund sonstiger, innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erkennbarer Umstände für Gericht und Prozessgegner zweifelsfrei feststeht, welchem Rechtsmittelverfahren die Begründung zuzuordnen ist (st. Rspr. vgl. BGH, Beschl. v. 24. April 2003 - III ZB 94/02, NJW 2003, 1950; v. 18. April 2000 - VI ZB 1/00, NJW-RR 2000, 1371; v. 25. Februar 1993 - VII ZB 22/92, NJW 1993, 1719, 1720, jeweils für die Berufungsschrift). Diese Voraussetzung ist indessen hier nicht erfüllt. Weder aus dem eingereichten Schriftsatz selbst noch aus der Akte des dort genannten, beim Kammergericht anhängigen (Parallel -)Verfahrens ist erkennbar, dass die übermittelte Berufungsbegründung dieses - beim Kammergericht unter dem Aktenzeichen 26 U 16/07 anhängige - Verfahren betreffen sollte. Im Hinblick auf die insgesamt neun Parallelverfahren beruft sich der Beklagte zu 2 zu Unrecht darauf, den Bediensteten der Geschäftstelle habe klar sein müssen, dass dieses Verfahren gemeint gewesen sei, weil in dem Rechtsstreit 26 U 263/06, zu dem das fehlerhafte Deckblatt gehörte , bereits die Berufungsbegründung vorgelegen habe.
13
b) Dem Beklagten zu 2 ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; denn die Fristversäumung beruht nicht auf einem - ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden - Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten.
14
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 habe dafür Sorge tragen müssen, dass der Berufungsschriftsatz nicht zum Zweck der Vorbereitung der Übermittlung per Telefax auseinandergeheftet wird und hierbei Blätter des Schriftsatzes mit denen anderer Schriftsätze vertauscht werden, ist rechtsfehlerhaft.
15
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gehört es zu den Aufgaben eines Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, das ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Er muss jedoch zu diesem Zweck nicht jeden Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, einfachere Verrichtungen zur selbständigen Erledigung auf sein geschultes und zuverlässiges Büropersonal zu übertragen. Dies gilt auch für die Übermittlung einer Berufungsbegründungsschrift mittels eines Telefaxgerätes (BGH, Beschl. v.
4. April 2007 - III ZB 109/06, NJW-RR 2007, 1429,1430; v. 28. 0ktober 1993 - VII ZB 22/93, NJW 1994, 329; BVerfG, Beschl. v. 27. September 1995 - 1 BvR 414/95, NJW 1996, 309, 310). Der Rechtsanwalt darf sich nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Beschl. vom 4. April 2007 - III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430, 1431) grundsätzlich darauf verlassen, dass eine ausgebildete Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt und ordnungsgemäß ausführt. Fehler des Büropersonals, die nicht auf eigenes Verschulden des Rechtsanwalts zurückzuführen sind, hat die Partei nicht zu vertreten (BVerfG, Beschl. v. 27. September 1995 aaO; BGH, Beschl. v. 28.Oktober 1993 aaO).
16
Allerdings kann sich die eigene Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts erhöhen , wenn auf Grund besonderer Umstände die Gefahr besteht, dass die an das Büropersonal übertragenen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt werden (Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 233 Rdn. 23 "Büropersonal und -organisation"; BGH, Beschl. v. 26. August 1999 - VII ZB 12/99, NJW 1999, 3783, 3784). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Eine besondere Sorgfalt des sachbearbeitenden Rechtsanwalts war hier nicht schon deshalb geboten, weil die Berufungsbegründung in dem Parallelverfahren als Vorlage für die Berufungsbegründung in dieser Sache ausgedruckt worden war. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 musste nicht in Betracht ziehen, dass die bisher zuverlässig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte die Deckblätter beider Schriftsätze vertauschen und die Berufungsbegründung mit einem unrichtigen Deckblatt versenden würde. Dies war auch nicht etwa deshalb zu befürchten, weil die Berufungsbegründung erst am Nachmittag des letzten Tages der Frist per Fax an das Berufungsgericht übermittelt wurde. Ebenso wenig kommt in diesem Zusammenhang dem Umstand Bedeutung zu, dass bei dem Berufungssenat mehrere Berufungen mit den gleichen Beklagten und mit einem identischen Streitstoff anhängig waren, die jedoch nicht am gleichen Tag begründet wurden. Der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte war deshalb entgegen der Meinung der Beschwerdeerwiderung nicht verpflichtet, der lediglich abstrakt bestehenden Verwechslungsgefahr durch einen besonderen Hinweis vorzubeugen; vielmehr durfte er ohne weiteres darauf vertrauen, dass die mit der Versendung mittels Telefax beauftragte Rechtsanwaltsfachangestellte den ihr übergebenen unterzeichneten Berufungsbegründungsschriftsatz unverändert an das Berufungsgericht versenden würde, auch wenn er ungeheftet war bzw. zur Übermittlung per Telefax auseinandergeheftet werden musste.

17
Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Prozessbevollmächtigte habe dafür Sorge tragen müssen, dass bei der Faxübermittlung der zusammengehörende Schriftsatz nicht entheftet wurde.
Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 10.01.2007 - 18 O 250/06 -
KG Berlin, Entscheidung vom 30.04.2007 - 26 U 16/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 399/01
vom
5. November 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO §§ 212 a.F., 233 Fb, Fd
Wenn ein Rechtsanwalt, der ein Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung
unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne das Datum der Zustellung in den Handakten
vermerkt zu haben, seine Bürokraft nur mündlich anweist, eine Rechtsmittelfrist
einzutragen, genügt er seiner Sorgfaltspflicht nur dann, wenn in seiner Kanzlei ausreichende
organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sind, daß eine korrekte
Fristeintragung erfolgt.
BGH, Beschluß vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. November 2002 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederich-
sen sowie die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Der Antrag des Beklagten zu 3) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist wird zurückgewiesen.
Die Revision des Beklagten zu 3) gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. September 2001 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte zu 3) trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gegenstandswert: 189.015, 66 DM)

Gründe:

I.


Das am 19. September 2001 verkündete Urteil des Oberlandesgerichts ist dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) (zukünftig : Beklagter) am 15. Oktober 2001 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 19. November 2001 erteilte der Beklagte den Auftrag, gegen das Urteil des Oberlandesgerichts, das am 17. Oktober 2001 zugestellt worden sei, Revision einzulegen. Am selben Tage ging die Revisionsschrift beim Bundesgerichtshof ein. Nach Eingang der Revisionsbegründung wies der Berichterstatter mit Ver-
fügung vom 17. Juli 2002, dem Revisionsanwalt zugegangen am 19. Juli 2002, darauf hin, daß die Zustellung des Berufungsurteils laut Empfangsbekenntnis am 15. Oktober 2001 erfolgt sei. Mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 2. August 2002 begehrt der Beklagte unter Bezugnahme auf die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist. Zur Begründung führt er aus: Am 15. Oktober 2001 sei das Berufungsurteil im Büro des Berufungsanwalts eingegangen. Mit der Behandlung des Posteingangs, der Führung des Terminkalenders und der Fristenkontrolle sei zu jener Zeit die ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte S. betraut gewesen. Diese habe am selben Tag das Urteil nebst Empfangsbekenntnis dem Berufungsanwalt vorgelegt. Dieser habe das mit dem Datum des 15. Oktober 2001 vorbereitete Empfangsbekenntnis unterschrieben, mit ihr das weitere Vorgehen besprochen und insbesondere darauf hingewiesen, daß die Revisionsfrist entsprechend dem Eingangsstempel und Eingangsdatum zu notieren sei. Frau S. habe allerdings versehentlich nicht auch das Urteil mit dem Eingangsstempel 15. Oktober 2001 abgestempelt. Sie führe dies darauf zurück, daß sie es dem Berufungsanwalt aufgrund einer ausdrücklichen Weisung sofort vorgelegt habe, ohne - wie sonst üblich - sämtlichen Posteingang komplett abzustempeln. Nach Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses durch den Berufungsanwalt habe sie dieses vom Urteil entfernt und zum Postausgang für das Berufungsgericht gereicht, ohne nochmals zu überprüfen, ob auch das Urteil einen Eingangsstempel enthielt. Frau S. habe die Sache dann am 17. Oktober 2001 bearbeitet und das Urteil mit diesem aktuellen Tagesstempel versehen. Ausgehend von diesem Zustellungsdatum habe sie die Revisionsfrist auf Montag, den 19. November
2001 berechnet und in dem Schreiben an den eingeschalteten Korrespondenzanwalt mitgeteilt. Diese Mitteilung habe der Berufungsanwalt erst unterschrie- ben, nachdem ihm Frau S. auf Nachfrage bestätigt habe, daß der Eingangsstempel des Urteils den 17. Oktober 2001 ausweise und die Frist am Montag, dem 19. November 2001, ende. Am Nachmittag des 17. Oktober 2001 sei ihr der falsche Eingangsstempel aufgefallen. Sie habe das Datum dann aber - vermutlich wegen eines Migräneanfalls - lediglich in der Akte korrigiert.

II.

Die Revision ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 554 a Abs. 2 ZPO a.F.). Sie ist erst am 19. November 2001 und damit nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat ab Zustellung des Berufungsurteils (§ 552 ZPO a.F.) am 15. Oktober 2001 eingelegt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist kann dem Beklagten nicht gewährt werden. Der Antrag ist zwar zulässig und insbesondere innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO eingegangen. Er erweist sich jedoch als unbegründet. 1. Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , wenn eine Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Dies ist hier nicht der Fall. Die Versäumung der Revisionsfrist beruht auf einem Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, das sich der Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Wie der Beklagte selbst vorträgt, ist es zur Fristversäumung gekommen, weil dem mit der Revisionseinlegung beauftragten Rechtsanwalt nicht das richtige Zustellungsdatum mitgeteilt worden ist. Dazu sei es gekommen, weil der Berufungsanwalt angenommen habe, sein mündlicher Hinweis an Frau S. beim
Unterschreiben des Empfangsbekenntnisses, die Revisionsfrist entsprechend dem Eingangsstempel und Eingangsdatum zu notieren, sei richtig ausgeführt worden, und das Datum des Eingangsstempels auf dem Berufungsurteil stimme - gemäß der Antwort bei der Nachfrage am 17. Oktober 2001 - mit dem Datum der Urteilszustellung überein. Damit hat der Berufungsanwalt seiner Sorgfaltspflicht indessen nicht genügt.
a) Die ordnungsgemäße und insbesondere fristgerechte Erteilung des Rechtsmittelauftrags machte es nämlich erforderlich, das für den Lauf der Rechtsmittelfrist maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu ermitteln und festzuhalten (vgl. Senatsbeschluß vom 7. März 1995 - VI ZB 3/95 - VersR 1995, 931, 932; BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - NJW 1992, 574; Beschluß vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 16/93 - VersR 1994, 873, 874; Beschluß vom 7. Dezember 1993 - XI ZR 207/93 - VersR 1994, 956). Da es für den Fristbeginn im Falle einer Zustellung gem. § 212 a ZPO a.F. darauf ankommt, wann der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat, bedarf es darüber eines besonderen Vermerks (Senatsbeschluß vom 16. April 1996 - VI ZR 362/95 - NJW 1996, 1968, 1969). Um zu gewährleisten, daß ein solcher Vermerk angefertigt wird und das maßgebende Datum zutreffend wiedergibt, darf der Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, daß die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (Senatsbeschluß vom 26. März 1996 - VI ZB 1,2/96 - NJW 1996, 1900, 1901; vgl. BGH, Beschluß vom 30. November 1994 - XII ZB 197/94 - BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 1 m.w.N.). Dieses Sorgfaltsgebot hat der Berufungsanwalt verletzt, als er am 15. Oktober 2001 das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne zuvor die Notierung der Rechtsmittelfrist sichergestellt zu haben.
Zwar braucht ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen. Im allgemeinen darf er vielmehr darauf vertrauen, daß eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Anweisungen richtig befolgt (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87 - VersR 1988, 185 f.). Wenn aber ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Rechtsmittelfrist nur mündlich vermittelt wird, müssen in der Rechtsanwaltskanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, daß die Anweisung in Vergessenheit gerät und die konkrete Fristeintragung unterbleibt (vgl. Senatsbeschluß vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01 - zur Veröffentlichung bestimmt; BAGE 78, 184, 186). Den Berufungsanwalt des Beklagten trifft ein Organisationsverschulden, weil er keine Vorkehrungen dagegen getroffen hat, daß die Umsetzung seines mündlichen Hinweises unterblieb. Ob und gegebenenfalls auf welche Weise im Büro des Berufungsanwalts die Ausführung mündlich erteilter Anweisungen kontrolliert wurde, ist nicht dargelegt. Der allgemeine Vortrag, die Arbeiten der Bürofachangestellten würden wöchentlich stichprobenartig kontrolliert, reicht hierfür nicht aus. Auch fehlt jeder Vortrag dazu, in welcher Weise in dem Anwaltsbüro die Notierung von Fristen kontrolliert wird. Dieses Fehlen jeder Sicherung bedeutet einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 -, aaO). Im übrigen erfolgte hier aufgrund einer ausdrücklichen Anweisung des Berufungsanwalts eine vom üblichen Ablauf abweichende Handhabung. Dies gab in besonderer Weise Anlaß sicherzustellen , daß die konkrete Fristeintragung richtig erfolgte.
b) Die Anfertigung eines Vermerks über das Datum der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses ist auch dann notwendig, wenn die Anweisung besteht, eine mit einem Eingangsstempel versehene Urteilsausfertigung zu den Handakten zu nehmen, denn ein solcher Stempel besagt für den Zeitpunkt der Zustellung nichts. Es besteht die Gefahr, daß dieses Datum nicht mit dem allein
maßgeblichen Datum übereinstimmt, unter dem der Anwalt das Empfangsbekenntnis gem. § 212 a ZPO a.F. unterzeichnet hat (BGH, Beschluß vom 13. März 1991 - XII ZB 22/91 - VersR 1992, 118, 119 m.w.N.). Demgemäß liegt ein weiterer Sorgfaltsverstoß des Berufungsanwalts der Beklagten darin, daß er am 17. Oktober 2001 zwar nach der Übereinstimmung zwischen dem Eingangsstempel auf dem Urteil und der Mitteilung des Ablaufs der Revisionsfrist an den Korrespondenzanwalt fragte, jedoch nicht nachprüfte, ob die Mitteilung mit dem - für die Fristwahrung ausschlaggebenden Empfangsbekenntnis – übereinstimmte.
c) Das Versäumnis des Berufungsanwalts war für die Versäumung ursächlich. Wenn er das Empfangsbekenntnis erst nach Anfertigung eines Vermerks über das Datum der Unterzeichnung zurückgegeben hätte, wäre der Revisionsanwältin nicht ein falsches Zustellungsdatum mitgeteilt worden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß ihr das in dem Vermerk notierte und für den Beginn der Rechtsmittelfrist maßgebende Datum genannt und die Revision demgemäß rechtzeitig eingelegt worden wäre. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 85/06
vom
4. April 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt, der seiner Kanzleiangestellten die Einzelanweisung erteilt,
einen Schriftsatz zur Wahrung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungfrist
noch am selben Tag per Telefax an das zuständige Gericht abzusenden
, muss, jedenfalls wenn er nicht anordnet, den Schriftsatz sogleich abzuschicken
, Vorkehrungen dagegen treffen, dass sein Auftrag im Drange der
übrigen Geschäfte in Vergessenheit gerät und die Frist dadurch versäumt wird
(Fortführung von BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - NJW-RR
2004, 1361 f).
BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - OLG Stuttgart
LG Ulm
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2006 - 1 U 31/06 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Beschwerdewert: 96.522,70 €.

Gründe:


I.


1
Der Kläger betrieb einen privaten Rettungsdienst in Baden-Württemberg. Er macht gegen den Beklagten Ausgleichsansprüche gemäß § 28 Abs. 4 des Rettungsdienstgesetzes geltend.
2
Das Landgericht hat die Klage durch das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. Februar 2006 zugestellte Urteil abgewiesen. Mit am 9. März 2006 beim Berufungsgericht eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz hat er Berufung eingelegt, welche er mit am Dienstag, dem 11. April 2006 eingegangenem Schriftsatz vom 10. April 2006 begründet hat. Mit ebenfalls am 11. April 2006 eingegangenem weiteren Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist beantragt.
3
Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe den korrigierten und unterschriebenen Berufungsbegründungsschriftsatz am frühen Nachmittag des 10. April 2006 seiner langjährigen und äußerst zuverlässig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten übergeben. Er habe diese angewiesen, den Schriftsatz wegen des Fristablaufs "noch heute" vorab per Fax an das Oberlandesgericht zu übermitteln. Die Angestellte habe sodann die Tagespost fertig gestellt, indem sie diese einkuvertiert und frankiert habe. Anschließend habe sie sich auf den Weg begeben, um das Gerichtsfach der Kanzlei bei dem örtlichen Amtsgericht zu leeren. Hierbei habe sie die frankierte Post in den auf dem Weg gelegenen Briefkasten eingeworfen. Nach Rückkehr in die Kanzlei habe sie im Fristenkalender die Erledigung der Gerichtspost vermerkt. Da sie die Berufungsbegründungsschrift in den Briefkasten eingeworfen habe, habe sie auch in der vorliegenden Sache einen Erledigungsvermerk im Fristenkalender angebracht, wobei sie die angeordnete Faxübermittlung vergessen habe.
4
Die Fristenkontrolle in seinem Büro sei so geregelt, dass nach Erbringung der zur Fristwahrung erforderlichen Leistung die Frist im Kalender mit einem Haken versehen werde. Sei die Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax angeordnet, dürfe dies nach einer entsprechenden allgemeinen Weisung erst nach Ausdruck eines beizuheftenden Sendeprotokolls mit dem Vermerk "OK" erfolgen.
5
Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.


6
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Sie ist zwar nach § 238 Abs. 2 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Allerdings hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
7
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers falle ein Organisationsverschulden zur Last. Weise ein Rechtsanwalt seine Fachangestellte an, eine schon fertig gestellte und im Original von ihm unterschriebene Berufungsbegründungsschrift noch am selben Tage per Fax an das Gericht zu versenden, werde den an die Organisation einer Rechtsanwaltskanzlei zu stellenden Anforderungen nur dann ausreichend Rechnung getragen , wenn geeignete Maßnahmen getroffen seien, die einem möglichen Vergessen der mündlichen Anweisung entgegenwirkten. Solche Maßnahmen könnten in der allgemeinen Anordnung an di e Fachangestellte bestehen, eine Einzelweisung zur Übermittlung eines versandfertigen und unterschriebenen fristgebundenen Schriftsatzes per Fax entweder sofort auszuführen oder sofort im Fristenkalender einen Vermerk über die gebotene Versendung per Fax anzubringen.
8
2. Das Berufungsgericht hat damit auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden.
9
Ein Rechtsanwalt darf zwar grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelweisung befolgt (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - NJW-RR 2004, 1361, 1362 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung - wie hier - einen solch wichtigen Vorgang wie die Wahrung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anordnung in Vergessenheit gerät und die Frist dadurch versäumt wird. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen Organisationsmangel (BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. November 2003 aaO). Eine besondere Vorkehrung mag ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn die Bürokraft die unmissverständliche Weisung erhält, einen Vorgang sogleich auszuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 aaO). Lässt der Anwalt seiner Angestellten hingegen - wie hier - einen zeitlichen Spielraum von mehreren Stunden zur Erledigung der aufgetragenen Arbeit , besteht die Gefahr, dass der Auftrag im Drange der sonstigen Geschäfte vergessen wird. Dieser Fehler kann auch ansonsten verlässlichen Kanzlei- angestellten unterlaufen. Der Rechtsanwalt muss deshalb, wenn er nicht die sofortige Ausführung seiner Einzelweisung anordnet, durch eine allgemeine Weisung oder durch einen im Einzelfall zu erteilenden Auftrag Vorkehrungenhiergegen treffen. Insoweit kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, zum Beispiel in Betracht, dass sofort nach der mündlichen Weisung, den Schriftsatz noch am selben Tag per Fax zu versenden, ein entsprechender Vermerk im Fristenkalender angebracht wird.
10
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dem der Beschluss des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 2004 (aaO) nicht entgegen. Zwar hat dieser Senat das Organisationsverschulden eines Rechtsanwalts, der seinem Büropersonal, wie hier, die Anweisung gegeben hatte, eine Berufungsbegründung als Fax an das Rechtsmittelgericht zu senden , mit der Erwägung angenommen, dass die Weisung bereits am Vormittag ergangen war und die klare und präzise Direktive fehlte, die Rechtsmittelbegründungsschrift umgehend, jedenfalls noch am Vormittag abzusenden (Beschluss vom 22. Juni 2004 aaO). Für den Fall, dass die Versendung am Vormittag unterblieben sei, habe die nicht fern liegende Gefahr bestanden, dass die Angestellte die Anweisung nach ihrer Mittagspause vergessen würde. Dieser Entscheidung ist jedoch, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht umgekehrt zu entnehmen, dass der Rechtsanwalt darauf vertrauen darf, dass seine Einzelanweisung nicht innerhalb weniger Stunden eines halben Tages in Vergessenheit gerät.
Schlick Wurm Streck
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Ulm, Entscheidung vom 31.01.2006 - 6 O 14/05 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 06.07.2006 - 1 U 31/06 -