Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2007 - III ZB 85/06

bei uns veröffentlicht am04.04.2007
vorgehend
Landgericht Ulm, 6 O 14/05, 31.01.2006
Oberlandesgericht Stuttgart, 1 U 31/06, 06.07.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 85/06
vom
4. April 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt, der seiner Kanzleiangestellten die Einzelanweisung erteilt,
einen Schriftsatz zur Wahrung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungfrist
noch am selben Tag per Telefax an das zuständige Gericht abzusenden
, muss, jedenfalls wenn er nicht anordnet, den Schriftsatz sogleich abzuschicken
, Vorkehrungen dagegen treffen, dass sein Auftrag im Drange der
übrigen Geschäfte in Vergessenheit gerät und die Frist dadurch versäumt wird
(Fortführung von BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - NJW-RR
2004, 1361 f).
BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - OLG Stuttgart
LG Ulm
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2006 - 1 U 31/06 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Beschwerdewert: 96.522,70 €.

Gründe:


I.


1
Der Kläger betrieb einen privaten Rettungsdienst in Baden-Württemberg. Er macht gegen den Beklagten Ausgleichsansprüche gemäß § 28 Abs. 4 des Rettungsdienstgesetzes geltend.
2
Das Landgericht hat die Klage durch das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. Februar 2006 zugestellte Urteil abgewiesen. Mit am 9. März 2006 beim Berufungsgericht eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz hat er Berufung eingelegt, welche er mit am Dienstag, dem 11. April 2006 eingegangenem Schriftsatz vom 10. April 2006 begründet hat. Mit ebenfalls am 11. April 2006 eingegangenem weiteren Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist beantragt.
3
Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe den korrigierten und unterschriebenen Berufungsbegründungsschriftsatz am frühen Nachmittag des 10. April 2006 seiner langjährigen und äußerst zuverlässig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten übergeben. Er habe diese angewiesen, den Schriftsatz wegen des Fristablaufs "noch heute" vorab per Fax an das Oberlandesgericht zu übermitteln. Die Angestellte habe sodann die Tagespost fertig gestellt, indem sie diese einkuvertiert und frankiert habe. Anschließend habe sie sich auf den Weg begeben, um das Gerichtsfach der Kanzlei bei dem örtlichen Amtsgericht zu leeren. Hierbei habe sie die frankierte Post in den auf dem Weg gelegenen Briefkasten eingeworfen. Nach Rückkehr in die Kanzlei habe sie im Fristenkalender die Erledigung der Gerichtspost vermerkt. Da sie die Berufungsbegründungsschrift in den Briefkasten eingeworfen habe, habe sie auch in der vorliegenden Sache einen Erledigungsvermerk im Fristenkalender angebracht, wobei sie die angeordnete Faxübermittlung vergessen habe.
4
Die Fristenkontrolle in seinem Büro sei so geregelt, dass nach Erbringung der zur Fristwahrung erforderlichen Leistung die Frist im Kalender mit einem Haken versehen werde. Sei die Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax angeordnet, dürfe dies nach einer entsprechenden allgemeinen Weisung erst nach Ausdruck eines beizuheftenden Sendeprotokolls mit dem Vermerk "OK" erfolgen.
5
Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.


6
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Sie ist zwar nach § 238 Abs. 2 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Allerdings hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
7
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers falle ein Organisationsverschulden zur Last. Weise ein Rechtsanwalt seine Fachangestellte an, eine schon fertig gestellte und im Original von ihm unterschriebene Berufungsbegründungsschrift noch am selben Tage per Fax an das Gericht zu versenden, werde den an die Organisation einer Rechtsanwaltskanzlei zu stellenden Anforderungen nur dann ausreichend Rechnung getragen , wenn geeignete Maßnahmen getroffen seien, die einem möglichen Vergessen der mündlichen Anweisung entgegenwirkten. Solche Maßnahmen könnten in der allgemeinen Anordnung an di e Fachangestellte bestehen, eine Einzelweisung zur Übermittlung eines versandfertigen und unterschriebenen fristgebundenen Schriftsatzes per Fax entweder sofort auszuführen oder sofort im Fristenkalender einen Vermerk über die gebotene Versendung per Fax anzubringen.
8
2. Das Berufungsgericht hat damit auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden.
9
Ein Rechtsanwalt darf zwar grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelweisung befolgt (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - NJW-RR 2004, 1361, 1362 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung - wie hier - einen solch wichtigen Vorgang wie die Wahrung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anordnung in Vergessenheit gerät und die Frist dadurch versäumt wird. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen Organisationsmangel (BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. November 2003 aaO). Eine besondere Vorkehrung mag ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn die Bürokraft die unmissverständliche Weisung erhält, einen Vorgang sogleich auszuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 aaO). Lässt der Anwalt seiner Angestellten hingegen - wie hier - einen zeitlichen Spielraum von mehreren Stunden zur Erledigung der aufgetragenen Arbeit , besteht die Gefahr, dass der Auftrag im Drange der sonstigen Geschäfte vergessen wird. Dieser Fehler kann auch ansonsten verlässlichen Kanzlei- angestellten unterlaufen. Der Rechtsanwalt muss deshalb, wenn er nicht die sofortige Ausführung seiner Einzelweisung anordnet, durch eine allgemeine Weisung oder durch einen im Einzelfall zu erteilenden Auftrag Vorkehrungenhiergegen treffen. Insoweit kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, zum Beispiel in Betracht, dass sofort nach der mündlichen Weisung, den Schriftsatz noch am selben Tag per Fax zu versenden, ein entsprechender Vermerk im Fristenkalender angebracht wird.
10
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dem der Beschluss des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 2004 (aaO) nicht entgegen. Zwar hat dieser Senat das Organisationsverschulden eines Rechtsanwalts, der seinem Büropersonal, wie hier, die Anweisung gegeben hatte, eine Berufungsbegründung als Fax an das Rechtsmittelgericht zu senden , mit der Erwägung angenommen, dass die Weisung bereits am Vormittag ergangen war und die klare und präzise Direktive fehlte, die Rechtsmittelbegründungsschrift umgehend, jedenfalls noch am Vormittag abzusenden (Beschluss vom 22. Juni 2004 aaO). Für den Fall, dass die Versendung am Vormittag unterblieben sei, habe die nicht fern liegende Gefahr bestanden, dass die Angestellte die Anweisung nach ihrer Mittagspause vergessen würde. Dieser Entscheidung ist jedoch, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht umgekehrt zu entnehmen, dass der Rechtsanwalt darauf vertrauen darf, dass seine Einzelanweisung nicht innerhalb weniger Stunden eines halben Tages in Vergessenheit gerät.
Schlick Wurm Streck
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Ulm, Entscheidung vom 31.01.2006 - 6 O 14/05 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 06.07.2006 - 1 U 31/06 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2007 - III ZB 85/06

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2007 - III ZB 85/06

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder
Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2007 - III ZB 85/06 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

Tenor

1. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das am 31. Januar 2006 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ulm - 6 O 14/05 - wird als unzulässig

v e r w o r f e n .

3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 96.522,70 EUR

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger als Inhaber der früheren Firma S. Ausgleichsansprüche nach § 28 Abs. 4 Rettungsdienstgesetz gegen den Beklagten zustehen wegen Einsätzen in der Notfallrettung, die die Firma S. in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis 15. Februar 2000 durchgeführt hat.
Das Landgericht hat die Klage durch das dem Kläger am 9. Februar 2006 zugestellte (Bl. 246 d.A.) Urteil abgewiesen. Dagegen hat der Kläger am 9. März 2006 (Bl. 255 d.A.) Berufung eingelegt. Mit am Dienstag, dem 11. April 2006, eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat der Kläger Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich sein Rechtsmittel begründet.
Zur Wiedereinsetzung stützt sich der Klägervertreter auf ein dem Kläger nicht zurechenbares Versehen seiner langjährigen und äußerst zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten I. M. Er habe den korrigierten Berufungsbegründungsschriftsatz am frühen Montagnachmittag des 10. April 2006 unterschrieben und Frau M. angewiesen, den Schriftsatz wegen des Fristablaufs „noch heute“ vorab per Fax an das Oberlandesgericht Stuttgart zu übermitteln. Frau M. habe sodann die Tagespost fertig gemacht, indem sie sie einkuvertiert und frankiert habe. Anschließend habe sie sich auf den Weg gemacht, um das Gerichtsfach der Kanzlei - wohl beim Amtsgericht Göppingen - zu leeren. Hierbei habe sie die frankierte Post in den auf dem Weg gelegenen Briefkasten eingeworfen. Nach der Rückkehr in die Kanzlei habe sie im Fristenkalender die Erledigung der Gerichtspost vermerkt. Da sie die Berufungsbegründungsschrift im vorliegenden Fall in den Briefkasten eingeworfen habe, habe sie auch hier einen Erledigungsvermerk im Fristenkalender angebracht, wobei sie die Faxübermittlung vergessen habe.
Der Klägervertreter hat ausgeführt, die Fristenkontrolle sei so geregelt, dass nach Erbringung der zur Fristwahrung erforderlichen Leistung die Frist im Kalender mit einem Haken versehen werde. Bei einer Übermittlung per Telefax dürfe dies erst nach Ausdruck eines beizuheftenden Sendeprotokolls mit dem Vermerk „OK“ erfolgen. Im Falle des Postversands werde der Erledigungsvermerk angebracht, sobald der frankierte Brief in der Postausgangsmappe liege, die regelmäßig um 18.00 Uhr zur Post gebracht werde.
Nach der kanzleiinternen Regelung für Fristen hätte der Erledigungsvermerk im Fristenkalender wegen der Anweisung, den Schriftsatz „noch heute“ per Telefax zu übermitteln, nur nach Ausdruck eines mit „OK“-Vermerk versehenen Sendeprotokolls angebracht werden dürfen.
Der Beklagte ist dem Wiedereinsetzungsgesuch entgegengetreten.
II.
1. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist ist zurückzuweisen.
Der Klägervertreter hat nicht hinreichend dargetan, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht ohne sein Verschulden versäumt worden ist, § 233 ZPO. Dieses Versäumnis seines Prozessbevollmächtigen muss sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO wie ein eigenes Verschulden zurechnen lassen.
a) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. u.a. Beschluss vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688) muss ein Rechtsanwalt durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür Vorsorge treffen, dass eventuelle Fehler von Büroangestellten möglichst ohne Folgen bleiben. Wird eine Fachangestellte mündlich angewiesen, eine ihr nur mündlich mitgeteilte Berufungsfrist in den Fristenkalender einzutragen, muss durch ausreichende organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass dies nicht in Vergessenheit gerät und die Fachangestellte die Eintragung der Frist in den Fristenkalender vergisst (BGH aaO mit Hinweis weitere Beschlüsse des BGH vom 17. September 2002 - VI ZR 43/87, NJW 2002, 3782, 3783 und vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, 436). Weist ein Rechtsanwalt eine Fachangestellten an, eine schon fertig gestellte und im Original von ihm unterschriebene Berufungsbegründungsfrist noch am selben Tag per Fax an das Gericht zu versenden, wird den an die Organisation einer Rechtsanwaltskanzlei zu stellenden Anforderungen nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn geeignete Maßnahmen getroffen werden, die einem möglichen Vergessen der mündlichen Anweisung entgegenwirken. Solche Maßnahmen können in der allgemeinen Anweisung an die Fachangestellte bestehen, eine Einzelweisung zur Übermittlung eines versandfertigen und unterschriebenen fristgebundenen Schriftsatzes per Fax entweder sofort auszuführen oder sofort im Fristenkalender einen Vermerk über die gebotene Versendung per Fax anzubringen, damit die Fachangestellte bei einer späteren Kontrolle des Fristenkalenders erkennen kann, ob der Schriftsatz der Einzelanweisung entsprechend per Fax herausgegeben worden ist und ein eventuelles Versäumnis noch innerhalb der Frist nachgeholt werden kann.
10 
b) Diesen Anforderungen an die Organisation der Erledigung einer Einzelanweisung zur Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Fax werden die vom Klägervertreter geschilderten Regelungen zur Fristenorganisation in seinem Büro nicht gerecht. Die Fachangestellte konnte die Einzelanweisung zur Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift per Fax nur deswegen vergessen, weil der Klägervertreter nicht durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt hat, dass die Befolgung der Einzelanweisung sichergestellt ist. Hätte der Klägervertreter solche generellen Anweisungen erteilt, hätte die Fachangestellte bei der Fristenkontrolle bemerkt, dass der Schriftsatz nicht - wie angewiesen - per Fax versandt worden ist. Sie hätte in diesem Fall Zeit gehabt, den Faxversand noch fristgerecht nachzuholen.
11 
Der Klägervertreter hat nicht durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt, dass die Fachangestellte rechtzeitig erkennen konnte, falls sie die Einzelanweisung zur Übermittlung der vom Klägervertreter unterschriebenen versandfertigen Berufungsbegründungsschrift noch am selben Tag per Fax vergessen würde. Die Fachangestellte, die nicht angewiesen war, die Einzelanweisung zur Faxübermittlung sofort, d.h. vor jeder anderen Tätigkeit, auszuführen, war auch nicht durch eine generelle Anweisung dazu angehalten, die besondere Versandart sofort im Fristenkalender kenntlich zu machen, damit sie bei der abendlichen Fristenkontrolle erkennen konnte, dass der Schriftsatz noch nicht per Fax versandt wurde. Hätte eine solche Anweisung bestanden, hätte die Fachangestellte aufgrund der vom Klägervertreter geschilderten Anweisung, dass per Fax zu übermittelnde Schriftstücke erst ausgetragen werden dürfen, wenn ein den Versand als „OK“ bestätigendes Sendeprotokoll vorliegt, festgestellt, dass das Sendeprotokoll fehlte und der Schriftsatz nicht per Fax das Büro verlassen hatte.
12 
c) Diesen Organisationsmangel seines Klägervertreters muss sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen mit der Folge, dass das Fristversäumnis nicht als unverschuldet anzusehen und der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zurückzuweisen ist, § 233 ZPO.
13 
2. Die Berufung des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen.
14 
a) Ohne Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist hat der Kläger sein Rechtsmittel verspätet eingelegt. Gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO beginnt die zweimonatige Frist zur Berufungsbegründung unter anderem mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils zu laufen. Das Urteil wurde dem Klägervertreter am 9. Februar 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Die Frist zur Begründung des Rechtsmittels lief somit wegen § 222 Abs. 2 ZPO am Montag, dem 10. April 2006, ab. Die im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags vorgelegte Berufungsbegründung ging bei Gericht erst am 11. April 2006, und damit verspätet, ein.
15 
b) Die Verwerfung der Berufung als unzulässig hat zur Folge, dass der Kläger die Kosten des Rechtsmittels zu tragen hat, § 97 Abs. 1 ZPO.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 10/04
vom
22. Juni 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt seiner Büroangestellten
mündlich die Anweisung erteilt hat, die Berufungsschrift per Telefax an das
Rechtsmittelgericht zu übermitteln, die Absendung jedoch im Laufe des Tages in
Vergessenheit gerät und unterbleibt.
BGH, Beschluß vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - LG Aachen
AG Eschweiler
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juni 2004 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10. Dezember 2003 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen. Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 1.677,93 €

Gründe:

I.

Die Klägerin hat die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz in Höhe von 1.677,93 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 2. Juni 2003 zugestellt worden. Am 20. Juni 2003 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung endete am Montag, dem 4. August 2003. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 5. August 2003 eingegangen. Auf gerichtlichen Hinweis hat die Klägerin am 15. August 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Landgericht den Antrag im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägern habe nicht dargetan, daß im Büro
ihres Prozeßbevollmächtigten eine zuverlässige Ausgangskontrolle für fristgebundene Schriftsätze stattgefunden habe. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 238 Abs. 2 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordern. Die Rechtsfragen, die der Streitfall aufwirft, sind höchstrichterlich geklärt. Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt nicht vor. 1. Die Rechtsbeschwerde wendet sich nicht gegen die Erwägungen des Beschwerdegerichts hinsichtlich einer unzureichenden Ausgangskontrolle im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Sie meint jedoch, dieser Gesichtspunkt stehe nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegend der Wiedereinsetzung deswegen nicht entgegen, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin seiner - qualifizierten und zuverlässigen - Kanzleiangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilt habe, deren Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Dies habe das Beschwerdegericht verkannt. 2. Richtig ist, daß ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, daß eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im allgemeinen nicht verpflichtet , sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87 - VersR 1988, 185 f.;
Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - VersR 2003, 1462 und vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03 - MDR 2004, 477; BGH, Beschluß vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97 - NJW 1997, 1930). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung z.B. einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, daß die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (Senatsbeschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - VersR 2003, 1459 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688; v. Pentz, NJW 2003, 858, 863 f.). Ein solcher Organisationsfehler ist auch im vorliegenden Fall ursächlich dafür, daß die Berufungsbegründung nicht rechtzeitig per Fax an das Berufungsgericht übermittelt worden ist. Ebenso wie die nur mündlich angeordnete Eintragung einer Rechtsmittelfrist schlichtweg vergessen werden kann und deswegen eine besondere Kontrolle erfordert, kann im Einzelfall auch die Gefahr bestehen, daß die nur mündlich angeordnete Absendung eines Schriftsatzes in Vergessenheit gerät. Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Anweisung, die Berufungsbegründung per Fax an das Landgericht zu senden, seiner Büroangestellten schon am Vormittag erteilt hatte, ohne dabei aber eine unverzügliche Ausführung zu verlangen. Für den Fall, daß die Absendung am Vormittag unterblieb, bestand die nicht fernliegende Gefahr, daß die Angestellte die Anweisung nach ihrer Mittagspause vergessen könnte. Ein solches Versehen kann auch einer ansonsten stets zuverlässigen Bürokraft unterlaufen. Deswegen hätte der Prozeßbevollmächtigte hier, um seiner Sorgfaltspflicht zu genügen, die klare und präzise Anweisung (vgl. BGH, Beschluß vom 31. Mai 2000 - V ZB 57/99 - NJW-RR 2001, 209) erteilen müssen, die Berufungsbegründung umgehend, jedenfalls aber noch am
Vormittag abzusenden. Sah er davon ab, gereicht ihm zum Verschulden, daß er keine Vorkehrungen dagegen getroffen hat, die Ausführung seiner Anweisung auf andere Weise sicherzustellen oder zu kontrollieren. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO muß sich die Klägerin dieses Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen. Das Beschwerdegericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mithin zu Recht zurückgewiesen. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 50/03
vom
4. November 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) In einer Anwaltskanzlei müssen organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen
sein, daß eine mündliche Einzelanweisung über die Eintragung einer an eine
Fachangestellte nur mündlich mitgeteilten Berufungsfrist in Vergessenheit gerät
und die Fristeintragung deshalb unterbleibt.

b) Werden die (gegen das Vergessen einer lediglich mündlichen Anweisung) getroffenen
organisatorischen Vorkehrungen nicht mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung
gegen die Versäumung der Berufungsfrist vorgetragen und glaubhaft gemacht
, ist ein Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2
ZPO) zu vermuten und der Antrag zurückzuweisen.
BGH, Beschluß vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - LG Saarbrücken
AG Saarbrücken
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. November 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluß der 13. Zivilkammer A des Landgerichts Saarbrücken vom 8. Juli 2003 wird als unzulässig verworfen. Der Kläger hat auch die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 1.565,74

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 17. April 2003 die Klage abgewiesen. Die Berufungsfrist lief am 30. Mai 2003 ab. Die Berufung des Klägers ist am 17. Juni 2003 zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist beim Landgericht eingegangen. Der Kläger hat zur Begründung vorgetragen, er habe am 13. Mai 2003 seine Prozeßbevollmächtigten mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragt. Der die Sache bearbeitende Assessor T. habe die Unterlagen zur Neuanlage der Akte, Notierung der Berufungsfrist auf den 30. Mai 2003 und der Berufungsbegründungsfrist auf den 30. Juni 2003 an die Fachangestellte C. verfügt. Bei einer
routinemäßigen Durchsicht der Akte zur Vorbereitung der Berufungsbegründung am 13. Juni 2003 habe T. festgestellt, daß die Berufung nicht eingelegt war und die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist im Terminbuch nicht eingetragen gewesen seien. Auf Frage habe die Mitarbeiterin C. mitgeteilt, sie habe trotz entsprechender Weisung versäumt, die Fristen einzutragen. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 8. Juli 2003 die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen. Der Kläger habe nichts dazu vorgetragen, in welcher Form der Fristenkalender bei seinen Prozeßbevollmächtigten geführt werde, ob hier eine Wiedervorlagefrist verfügt und ob der Zustellungstag in der Handakte vermerkt worden sei. Eine Überprüfung, ob die Fristeneintragung und -überwachung ausreichend organisiert gewesen sei, sei nicht möglich. Von einem fehlenden Verschulden des zweitinstanzlichen Anwalts an der Fristversäumung könne daher nicht ausgegangen werden. Gegen den ihm am 18. Juli 2003 zugestellten Beschluß des Landgerichts hat der Kläger am 12. August 2003 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese innerhalb verlängerter Begründungsfrist am 18. September 2003 begründet.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2, 238, 574 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist entgegen der Ansicht des Klägers zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) nicht erforderlich.
1. Eine Divergenz (vgl. Senatsbeschluß vom 13. Mai 2003 - VI ZB 76/02 – NJW-RR 2003, 1366; BGHZ 151, 221, 225 f.) macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend. 2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren (vgl. Senatsbeschluß vom 13. Mai 2003 - VI ZB 76/02 – aaO; BGHZ aaO). Das kann insbesondere auch bei einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten der Fall sein, etwa wenn der angefochtene Beschluß die Partei in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BGH, Beschluß vom 27. März 2003 - V ZR 291/02 - VersR 2003, 1144, 1146, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) oder wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. Senatsbeschluß vom 13. Mai 2003 - VI ZB 76/02 - aaO) beeinträchtigt. Eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten muß nach den Darlegungen des Beschwerdeführers im Einzelfall klar zutage treten, also offenkundig sein; ferner muß die angefochtene Entscheidung hierauf beruhen (vgl. BGHZ aaO und BGH, Beschluß vom 27. März 2003 - V ZR 291/02 - aaO). Ein solcher Zulassungsgrund liegt hier nicht vor. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht nicht auf einem entscheidungserheblichen klar zutage tretenden Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte des Klägers; sie ist zudem einzelfallbezogen und erfordert deshalb keine korrigierende Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
a) Dies gilt insbesondere, soweit das Berufungsgericht Angaben zur allgemeinen Organisation und Fristenkontrolle vermißt, obwohl der Kläger eine
Einzelanweisung seines Berufungsanwalts im konkreten Fall zur Fristeintragung vorgetragen hat, die von der Fachangestellten versehentlich nicht berücksichtigt worden sei. Die Rechtsbeschwerde verkennt die für einen solchen Fall in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze. Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , wenn eine Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Das ist hier nicht der Fall. Die Versäumung der Berufungsfrist beruht auf einem Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, das sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. aa) Die ordnungsgemäße und insbesondere fristgerechte Einlegung des Rechtsmittels setzt voraus, daß die Berufungsschrift rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muß der Anwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen (vgl. BGH, Beschluß vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 - VersR 2002, 380, 381). Dabei setzt eine wirksame Fristenkontrolle voraus, daß Fristen zur Einlegung und Begründung von Rechtsbehelfen deutlich als solche gekennzeichnet werden. Sie müssen so notiert werden, daß sie sich von gewöhnlichen Wiedervorlagefristen unterscheiden (vgl. BGH, Beschluß vom 21. Juni 2000 - XII ZB 93/00 - VersR 2001, 607, 608). Ferner obliegt dem Prozeßbevollmächtigten eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die gewährleistet wird, daß fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Er hat sicherzustellen , daß eine Frist im Fristenkalender erst dann als erledigt gekennzeichnet wird, wenn der Schriftsatz abgesandt oder zumindest postfertig gemacht ist (vgl. BGH, Beschluß vom 2. März 2000 - V ZB 1/00 - VersR 2000, 1564). Daß die Organisation der Fristenkontrolle im Büro seines Prozeßbevollmächtigten diesen Anforderungen genügt hätte, hat der Kläger weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Das Berufungsgericht hat hiernach ohne Rechtsfehler ein
Verschulden des Klägers bzw. seines Prozeßbevollmächtigten für nicht ausgeschlossen erachtet und dementsprechend den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 1995 - I ZB 15/95 - VersR 1996, 256, 257 und vom 9. Juni 1994 - I ZB 5/94 - VersR 1995, 72, 73). bb) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang darauf, vorliegend komme es auf die allgemeine Organisation der Fristenkontrolle im Büro der Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht an, weil die Fachangestellte eine auf den konkreten Fall bezogene Einzelanweisung zur Fristeintragung versehentlich nicht befolgt habe. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers hierzu nicht übergangen und nicht gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen. Allerdings braucht ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - VersR 1992, 764, 765). Im allgemeinen kann er ferner darauf vertrauen, daß eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Weisungen richtig befolgt (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87 - VersR 1988, 185, 186). In der Anwaltskanzlei müssen jedoch ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, daß die mündliche Einzelanweisung über die Eintragung einer an eine Fachangestellte nur mündlich mitgeteilten Berufungsfrist in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01 - NJW 2002, 3782, 3783 und vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - NJW 2003, 435, 436). Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungsfrist nur mündlich vermittelt wird, dann bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - aaO).

b) Aus demselben Grund ist auch keine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzunehmen. Der Rechtsbeschwerde kann nicht darin gefolgt werden, daß auch bei Beachtung der erforderlichen Organisationsmaßnahmen die Fehlleistung der Büroangestellten nicht vermieden worden wäre. Sie verkennt, daß es nicht darum geht, die Möglichkeit eines Fehlers auszuschließen. Es muß vielmehr Vorsorge dagegen getroffen werden, die Folgen eines Fehlers von Büroangestellten möglichst zu vermeiden. Das aber wäre durch eine Kontrolle der Fristeintragung erreicht worden, beispielsweise in Form der vom Berufungsgericht vermißten Wiedervorlageanweisung, wozu selbstverständlich auch deren Vermerk gehört, oder durch einen deutlich sichtbaren Vermerk auf der Handakte, wenn dessen Bearbeitung durch eine weitere Person sichergestellt worden wäre.
c) Nach alledem ist die Rechtsbeschwerde auch nicht deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil das Berufungsgericht gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich einer auf den konkreten Fall bezogenen Einzelanweisung verstoßen hätte. Die hierzu aufgestellten Grundsätze (etwa zum Vertrauen auf die Ausführung durch eine bisher zuverlässige Büroangestellte - vgl. BGH, Beschluß vom 18. Februar 1998 - VIII ZB 1/98 - NJW-RR 1998, 932) betrafen die Übermittlung eines Schriftsatzes an das Rechtsmittelgericht oder eine eigenmächtige Berechnung der
Rechtsmittelfrist trotz anderweitigem Vermerk auf einem Handzettel (vgl. BGH, Beschluß vom 23. November 2000 - IX ZB 83/00 - VersR 2002, 211 f.). Hier dagegen geht es um die unterlassene Ausführung einer lediglich mündlich erteilten Anweisung über die Eintragung einer Rechtsmittelfrist, die schon aufgrund allgemeiner Anweisung hätte sichergestellt werden müssen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll