Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2010 - II ZR 69/09

bei uns veröffentlicht am26.04.2010
vorgehend
Landgericht München II, 4 HKO 6607/07, 29.05.2008
Oberlandesgericht München, 23 U 3741/08, 12.02.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 69/09
vom
26. April 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die actio pro socio hat ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss
des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters. Die Ausübung der Klagebefugnis
unterliegt daher der gesellschafterlichen Treuepflicht und kann sich unter
diesem Blickwinkel nach den konkreten Gesellschaftsverhältnissen, zu denen
auch das Verhalten des sich auf die Befugnis berufenden Gesellschafters gehört
, als rechtsmissbräuchlich darstellen.
BGH, Beschluss vom 26. April 2010 - II ZR 69/09 - OLG München
LG München II
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. April 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Strohn,
Dr. Reichart, Dr. Drescher und Bender

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Februar 2009 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 735.726,40 €

Gründe:

1
Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit seinem nach § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO in das Protokoll aufgenommenen Urteil hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) mehrfach in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
2
1. Der Beklagte hat vorgebracht, die Geltendmachung des Anspruchs der V. GmbH & Co. KG auf Rückgewähr vom Beklagten vorgenommener Entnahmen durch die Klägerin im Wege der actio pro socio verstoße gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), weil ihm bei Feststellung der Jahresabschlüsse der Gesellschaft für die Geschäftsjahre 2003/2004 bis 2005/2006 Gewinnansprüche in Höhe der entnommenen Gelder zustünden und die Klägerin die Feststellung der betreffenden Jahresabschlüsse aus sachfremden Erwägungen blockiere. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte in beiden Vorinstanzen - wie die Beschwerdebegründung im Einzelnen ausführt - umfangreich unter Beweisantritt zu der aus seiner Sicht spätestens seit der Überarbeitung im Oktober 2007 bestehenden Feststellungsreife der aufgestellten Jahresabschlüsse vorgetragen. Dem ist die Klägerin ebenfalls unter Beweisantritt entgegengetreten. Mit diesem als "dolo petit"-Einrede zu verstehenden Parteivorbringen hat sich das Berufungsgericht nicht inhaltlich auseinandergesetzt. Der lapidare, nicht weiter ausgeführte Hinweis im Berufungsurteil, "angesichts verbleibender Unklarheiten" sei nicht ersichtlich , wieso die Klägerin bestimmte Jahresabschlüsse billigen müsste, zeigt, dass das Berufungsgericht den unter Beweis gestellten Sachvortrag des Beklagten nicht in der durch Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis genommen hat.
3
Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Der Umstand, dass die Klägerin im Wege der actio pro socio einen Anspruch der Gesellschaft geltend macht, steht dem an ein Verhalten der Klägerin anknüpfenden Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen. Unabhängig davon, ob man die Befugnis des Gesellschafters, Sozialansprüche der Gesellschaft im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen und auf Leistung an die Gesellschaft zu klagen, dogmatisch als eigenen materiell-rechtlichen Anspruch des Gesellschafters oder als Form der Prozessstandschaft einordnet (zum Streitstand vgl. nur Staub/Schäfer, HGB 5. Aufl. § 105 Rdn. 265 m.w.Nachw.), findet die actio pro socio ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters (BGH, Sen.Urt. v. 23. März 1992 - II ZR 128/91, ZIP 1992, 758, 760). Die Ausübung der Klagebefugnis unterliegt daher der gesellschafterlichen Treuepflicht und kann sich unter diesem Blickwinkel nach den konkreten Gesellschaftsverhältnissen, zu denen auch das Verhalten des sich auf die Befugnis berufenden Gesellschafters gehört, als rechtsmissbräuchlich darstellen (BGHZ 25, 47, 50; BGH, Sen.Beschl. v. 2. Juni 2008 - II ZR 67/07, WM 2008, 1453, 1454).
4
2. Das Berufungsgericht geht in seinem Protokollurteil davon aus, dass Entnahmen zur Begleichung von Steuern "nicht streitgegenständlich" seien. Dabei ist ihm entgangen, dass die von der Klägerin vorgetragene Aufstellung zur Konkretisierung der einzelnen der Klageforderung zugrunde liegenden Entnahmen sowie die hierzu vorgelegten Kontenblätter des Privatkontos des Beklagten Entnahmen ausweisen, welche betrags- und datumsmäßig den vom Beklagten in der Berufungsbegründung behaupteten und unter Beweis gestellten Steuerzahlungen im Zeitraum vom 30. August 2005 bis 28. August 2007 in einer Gesamthöhe von 197.248,04 € entsprechen, die nach dem Vortrag des Beklagten jeweils aus Entnahmen beglichen wurden. Diese Fehlleistung des Berufungsgerichts lässt nur den Schluss zu, dass - möglicherweise auch hier bedingt durch die der Komplexität des Falles wenig gerecht werdenden Verfahrensweise nach § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO - das Sachvorbringen des Beklagten aus dem Blick geraten und demzufolge entgegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen worden ist.
5
Diese Verletzung rechtlichen Gehörs ist ebenfalls entscheidungserheblich , weil die Frage des Bestehens eines Steuerentnahmerechts nicht hätte offen bleiben dürfen. Das Berufungsgericht hätte vielmehr prüfen müssen, ob der Beklagte auch ohne entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag berechtigt war, Beträge in Höhe der von ihm zu zahlenden Ertragssteuern aus dem Gesellschaftsvermögen zu entnehmen (BGHZ 132, 263, 277).
6
3. Für das wieder eröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
7
Die Beschwerde beanstandet zu Recht, dass sich das Berufungsgericht in seinen Ausführungen zur Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil hinsichtlich der vom Beklagten benannten Zeugin Z. auf die Mitteilung beschränkt hat, dass die Zeugin angesichts ihrer Verschwiegenheitspflicht keine Angaben zur Sache machen konnte, ohne sich damit auseinanderzusetzen, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht bereit war, als Gesellschafterin der Komplementär-GmbH gemeinsam mit dem Beklagten auf eine Entbindungserklärung durch den Notgeschäftsführer der GmbH hinzuwirken. Einer solchen Erörterung hätte es aber bedurft, weil der Tatrichter nach § 286 ZPO nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern den gesamten Inhalt der Verhandlung zu würdigen hat, wozu auch die Handlungen, Erklärungen und Unterlassungen einer Partei und damit auch die Vorenthaltung von Beweismitteln gehören. Eine verfahrensfehlerfreie tatrichterliche Beurteilung verlangt deshalb auch die Würdigung der Umstände, unter denen eine nicht beweisbelastete Partei es ablehnt, einen Zeugen von der Pflicht zur Verschwiegenheit zu ent- binden (BGH, Urt. v. 26. September 1996 - III ZR 56/96, NJW-RR 1996, 1534; v. 27. Januar 1988 - IVb ZR 82/86, WM 1988, 794, 797; v. 20. April 1983 - VIII ZR 46/82, ZIP 1983, 735).
Goette Strohn Reichart Drescher Bender
Vorinstanzen:
LG München II, Entscheidung vom 29.05.2008 - 4 HKO 6607/07 -
OLG München, Entscheidung vom 12.02.2009 - 23 U 3741/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2010 - II ZR 69/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2010 - II ZR 69/09

Anwälte

1 relevante Anwälte

1 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

Referenzen - Veröffentlichungen

2 Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2010 - II ZR 69/09.

Gesellschafterklage: Rechtsmissbrauch bei der „actio pro socio“

28.07.2010

Ausübung der Klagebefugnis im Gesellschaftsverhältnis unterliegt der gesellschafterlichen Treuepflicht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
1 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2010 - II ZR 69/09.

Gesellschafterklage: Rechtsmissbrauch bei der „actio pro socio“

28.07.2010

Ausübung der Klagebefugnis im Gesellschaftsverhältnis unterliegt der gesellschafterlichen Treuepflicht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2010 - II ZR 69/09 zitiert 11 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Handelsgesetzbuch - HGB | § 161


(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine Kommanditgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 705 Inhalt des Gesellschaftsvertrags


Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 105


(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine offene Handelsgesellschaft, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränk

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2010 - II ZR 69/09 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2010 - II ZR 69/09 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juni 2008 - II ZR 67/07

bei uns veröffentlicht am 02.06.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZR 67/07 vom 2. Juni 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja HGB §§ 114, 116, 161; ZPO § 286 B a) Ein Gesellschafter, der sich bei seinem geschäftsführenden Handeln über die
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2010 - II ZR 69/09.

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2019 - II ZR 143/17

bei uns veröffentlicht am 22.01.2019

Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja HGB §§ 161, 163 a) Das Recht des einzelnen Gesellschafters, im Wege der actio pro socio gegen einen Mitgesellschafter vorzugehen, ist beschränkt durch die Grundsätze der gesellschaftsrech

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2017 - II ZR 255/16

bei uns veröffentlicht am 19.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 255/16 Verkündet am: 19. Dezember 2017 Stoll Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Referenzen

(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine Kommanditgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teil der Gesellschafter eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet (persönlich haftende Gesellschafter).

(2) Soweit nicht in diesem Abschnitt ein anderes vorgeschrieben ist, finden auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung.

(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine offene Handelsgesellschaft, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist.

(2) Eine Gesellschaft, deren Gewerbebetrieb nicht schon nach § 1 Abs. 2 Handelsgewerbe ist oder die nur eigenes Vermögen verwaltet, ist offene Handelsgesellschaft, wenn die Firma des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen ist. § 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(3) Auf die offene Handelsgesellschaft finden, soweit nicht in diesem Abschnitt ein anderes vorgeschrieben ist, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gesellschaft Anwendung.

Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 67/07
vom
2. Juni 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Gesellschafter, der sich bei seinem geschäftsführenden Handeln über
die in der Gesellschaft intern zu beachtende Kompetenzordnung hinwegsetzt
, haftet für die Schäden, die durch die schuldhafte Missachtung dieser
internen Bindungen entstehen.

b) Das Gericht darf sich ohne Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens
gemäß § 286 ZPO nur dann der Bewertung eines
- qualifizierten Parteivortrag darstellenden - Privatgutachtens, gegen das
der Gegner Einwendungen erhoben hat, anschließen, wenn es eigene
Sachkunde besitzt und darlegt, dass es deswegen in der Lage ist, die streitigen
Fragen abschließend zu beurteilen.
BGH, Beschluss vom 2. Juni 2008 - II ZR 67/07 - KG Berlin
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Juni 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 8. März 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als in Höhe von 1.230.781,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Februar 2005 zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an den 26. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Streitwert: 1.515.468,48 €

Gründe:

1
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist im Umfang von 1.230.781,17 € (= 447.380,39 € + 639.114,86 € + 144.285,92 € - Entrümpelungskosten -) nebst Zinsen begründet und führt insoweit - unter Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde - gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
2
I. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) mehrfach in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
3
1. a) Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz, nachdem ihr erstinstanzlicher Vortrag hierzu unsubstantiiert war, zur Schadenshöhe unter Vorlage von drei Gutachten des Dipl.-Ing. S. eine Differenz zwischen den Verkaufspreisen der Grundstücke und den ihrer Ansicht nach darüber liegenden tatsächlichen Verkehrswerten dargelegt. Diese Privatgutachten stellten - lediglich - qualifizierten Parteivortrag dar (BGH, Urt. v. 14. April 1981 - VI ZR 264/79, VersR 1981, 576 f.; Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 402 Rdn. 2 m.w.Nachw.). Hiergegen hat die Beklagte (GA II, 23 bis 28) umfängliche Einwendungen erhoben. Die daraufhin von der Klägerin vorgelegte Gegenäußerung des Privatgutachters stellte wiederum nur Parteivortrag dar, dem sich das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Art. 103 GG angeschlossen hat. Das Berufungsgericht hätte den qualifizierten Parteivortrag der Klägerin nur dann - wie geschehen - gemäß § 286 ZPO seiner Entscheidung zugrunde legen dürfen, ohne dadurch den Anspruch der Beklagten aus Art. 103 GG zu verletzen, wenn es eigene Sachkunde besaß und darlegte, dass es deswegen in der Lage war, die streitigen Fragen abschließend zu beurteilen (vgl. Sen.Beschl. v. 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524 ff., Tz. 9). Anderenfalls musste das Berufungsgericht , wie von den Parteien beantragt, zu dem tatsächlichen Wert der Grundstücke im Zeitpunkt der Veräußerung Beweis erheben durch Einholung des beantragten gerichtlichen Sachverständigengutachtens.
4
b) Dieser Verstoß gegen Art. 103 GG ist entscheidungserheblich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beweisaufnahme zu abweichenden Verkehrswerten und damit zu einem niedrigeren oder gar zur Feststellung des Fehlens eines Schadens geführt hätte.
5
2. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Ersatzfähigkeit der Entrümpelungskosten in Höhe von 282.198,75 DM (= 144.285,92 €) betreffend das Grundstück G. straße hat das Berufungsgericht wiederum unter Verstoß gegen Art. 103 GG den Vortrag der Beklagten übergangen, dass die Gefahr des Rücktritts des Käufers vom Vertrag bestand, wenn die eingemauerten Schuttreste nicht auf Kosten der H. , & Co. KG (= Verkäuferin) beseitigt, und die infolge der Entfernung der Mauern teilweise eingestürzte Kellerdecke auf deren Kosten wieder hergestellt würden. Hätte das Berufungsgericht diesen Vortrag zur Kenntnis genommen, ist nicht ausgeschlossen, dass es den Schadensersatzanspruch der Klägerin insoweit mangels pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten verneint hätte.
6
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung ihrer Berufung in Höhe von 556.800,00 DM (= 284.687,31 €) wegen pflichtwidrigen Verhaltens im Zusammenhang mit den Vertragsschlüssen und den hierauf geleisteten Zahlungen an die Herren Se. und W. wendet. Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen insoweit nicht vor. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 2. Halbs. ZPO abgesehen.
7
III. Für das wieder eröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
8
Der Beklagten ist es trotz des schuldhaften Unterlassens der - wie vom Berufungsgericht zutreffend festgestellt - gebotenen Herbeiführung eines Ge- sellschafterbeschlusses über die Veräußerung der Grundstücke O. - Allee, B. straße und O. straße/H. straße nicht verwehrt, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass dieses Unterlassen nicht zu einem Schaden auf Seiten der betroffenen Kommanditgesellschaften und damit der Kommanditisten geführt hat (Sen.Urt. v. 4. November 1996 - II ZR 48/95; WM 1996, 2340 f. mit Anm. Goette DStR 1997, 81, 82; Mayen in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB 2. Aufl. § 114 Rdn. 40 f. m.w.N.).
9
Sollte das nunmehr einzuholende Sachverständigengutachten zur Feststellung von über den Verkaufspreisen liegenden Verkehrswerten führen, wird das Berufungsgericht dem - gegebenenfalls noch zu ergänzenden - Vortrag der Beklagten nachzugehen haben, dass höhere Preise als die tatsächlich erzielten im Zeitpunkt des Verkaufs der jeweiligen Grundstücke nicht realisierbar waren.
10
Hinsichtlich des Grundstücks B. straße 4 ist der Vortrag der Beklagten zu beachten und gegebenenfalls durch die angebotenen Beweismittel aufzuklären , dass es dort einen Schwammbefall gab, der zu der nachträglichen Kaufpreisreduzierung geführt hat. Sollte es einen solchen Befall gegeben haben , hätte dessen Vorhandensein den Wert des Grundstücks gemindert, was der Gutachter im Rahmen der Erstellung des Verkehrswertgutachtens zu berücksichtigen hätte.
11
Das Berufungsgericht wird sich auch - gegebenenfalls sogar vor Einholung eines Sachverständigengutachtens - mit dem beweisbewehrten Vortrag der Beklagten zu befassen haben, dass die jeweils betroffenen Kommanditisten mit der Veräußerung der Grundstücke durch die Beklagte - nachträglich - einverstanden waren. Ein solches Einverständnis könnte auch stillschweigend erklärt worden sein, indem die Kommanditisten über den jeweiligen Verkauf und die damit verbundene Sonderausschüttung informiert wurden (siehe z.B. Anl.
B 4, Schreiben vom 4. September 2000) und im Anschluss daran den auf sie entfallenden Anteil der jeweiligen Sonderausschüttung entgegengenommen haben, ohne gegen den Verkauf des Grundstücks zu protestieren. Insoweit besteht in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren für die Parteien Gelegenheit zu gegebenenfalls ergänzendem Vortrag. Sollte etwa - auch - der Rechtsvorgänger der Klägerin, die die Kommanditanteile erst zwei bis drei Jahre nach der Veräußerung der Grundstücke erworben hat, die anteiligen Erlöse in Kenntnis der Veräußerungen widerspruchslos entgegengenommen haben, könnte der actio pro socio der Klägerin der Einwand aus § 242 BGB entgegenstehen.
Goette Kurzwelly Kraemer
Caliebe Drescher
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 22.02.2006 - 105 O 18/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 08.03.2007 - 23 U 65/06 -

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.