Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2001 - III ZR 243/00

bei uns veröffentlicht am26.07.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 243/00
vom
26. Juli 2001
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
Bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks obliegen dem Versteigerungsgericht
grundsätzlich keine Amtspflichten gegenüber dem Zedenten
eines zur Sicherheit an den Vollstreckungsgläubiger abgetretenen Grundpfandrechts.
BGH, Beschluß vom 26. Juli 2001 - III ZR 243/00 - Kammergericht
LG Berlin
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 2001 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und
Galke

beschlossen:
Die Revision der Klägerin zu 1 gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 18. Juli 2000 - 9 U 1646/99 - wird nicht angenommen. Die Klägerin zu 1 hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land Schadensersatz wegen einer angeblichen Amtspflichtverletzung des Rechtspflegers bei der Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens. Die Klägerin war Inhaberin einer ihr zur Sicherheit abgetretenen ursprünglichen GesamtEigentümergrundschuld über 10 Mio. DM an drei wirtschaftlich zusammengehörenden Grundstücken. Zur Absicherung eines von ihr aufgenommenen Darlehens trat sie die Grundschuld weiter an die kreditgebende Bank ab, die später aus einem vorrangigen Grundpfandrecht von nominal 14 Mio. DM die Zwangsversteigerung der Grundstücke betrieb. Der aufgrund des ersten Ver-
steigerungstermins für ein Gesamtgebot von 25 Mio. DM erteilte Zuschlag wurde auf sofortige Beschwerde der Schuldnerin rechtskräftig aufgehoben und der Zuschlag versagt, weil der Rechtspfleger die Bieterstunde für die Einzel- und Gesamtausgebote nicht gleichzeitig geschlossen hatte (LG Berlin RPfleger 1995, 80). In einem zweiten Versteigerungstermin wurden die Grundstücke für nur noch 19,5 Mio. DM zugeschlagen. Da dieser Erlös zur Tilgung der Darlehensschuld der Klägerin nicht ausreichte, nahm die Bank sie persönlich auf Ausgleich des Restbetrags in Anspruch und erlangte in einem Vorprozeß ein rechtskräftiges Urteil auf Zahlung von rund 3.164.000 DM nebst Zinsen. Die nunmehr erhobene Amtshaftungsklage der Klägerin ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Schadensersatzanspruch weiter.

II.

Eine Annahme der Revision ist nicht geboten. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 554 b ZPO; BVerfGE 54, 277). 1. Der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB, Art. 34 GG) scheitert, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, jedenfalls daran, daß dem Versteigerungsgericht keine Amtspflichten gegenüber der Klägerin oblagen, sie also insoweit nicht durch § 839 BGB geschützte "Dritte" war.
a) Die Frage, ob im Einzelfall der Geschädigte zu dem Kreis der "Dritten" im Sinne des § 839 BGB gehört, beantwortet sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats danach, ob die Amtspflicht - wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch - den Zweck hat, das Interesse gerade dieses Geschä-
digten wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der Natur des Amtsgeschäfts ergibt, daß der Geschädigte zu dem Personenkreis gehört, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig auswirkt, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muß mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten "Dritten" bestehen (BGHZ 110, 1, 9; 134, 268, 276; 137, 11, 15; s. auch Senatsurteil vom 1. Februar 2001 - III ZR 193/99 - WM 2001, 872, 873, für BGHZ bestimmt).
b) In den Schutzbereich der bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks bestehenden Amtspflichten haben das Reichsgericht und der Senat neben den nach § 9 ZVG am Verfahren förmlich Beteiligten (vgl. zum Vollstrekkungsschuldner zuletzt Senatsurteil vom 23. März 2000 - III ZR 152/99 - NJW 2000, 3358, 3359) zwar auch die Bieter (Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 118/89 - NJW 1991, 2759, 2760) und insbesondere den Meistbietenden einbezogen (RGZ 129, 23, 25 f.; 154, 397, 398 f.; RG HRR 1932 Nr. 1835 und 1836; Senatsurteil vom 21. April 1958 - III ZR 218/56 - VersR 1958, 384, 385; s. auch Senatsurteil vom 2. Oktober 1986 - III ZR 93/85 - VersR 1987, 256, 257 = WM 1987, 52, 53; bei dem vom Berufungsgericht und auch in der Literatur [Soergel/Vinke, BGB, 12. Aufl., § 839 Rn. 179] erwähnten "Nichtbietenden" dürfte es sich hingegen um einen Druckfehler beim Abdruck der Entscheidung RG HRR 1932 Nr. 1836 handeln). Das beruht aber wesentlich auf der Erwägung , daß der Meistbietende durch das Zwangsversteigerungsgesetz gleichfalls mit eigenen Rechten ausgestattet ist. Hieran fehlt es bei einem nur schuld-
rechtlich zum Vollstreckungsgläubiger in Beziehung Stehenden und durch das Vollstreckungsverfahren lediglich mittelbar Betroffenen. Aus diesem Grunde hat das Reichsgericht in einem Fall, in dem sich der Geschädigte gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger für eine Darlehensschuld verbürgt und der Hauptschuldner dem Gläubiger zur weiteren Sicherheit eine Hypothek verpfändet hatte, dem Bürgen den Schutz des § 839 BGB versagt (RGZ 151, 175, 177 ff.; ebenso bereits RGZ 138, 209, 210 hinsichtlich einer Ausfallbürgschaft; vgl. ferner zur Mobiliarvollstreckung RGZ 140, 43, 45; 147, 142, 143; 151, 109, 113). Bei der Sicherungsabtretung eines auf dem später zwangsversteigerten Grundstück lastenden Grundpfandrechts verhält es sich nicht entscheidend anders. Ungeachtet der fiduziarischen Natur des Rechtsverhältnisses zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer bestehen zwischen beiden grundsätzlich ebenfalls nur schuldrechtliche Beziehungen, während nach außen der Sicherungsnehmer alleiniger Rechtsinhaber ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Rechtsprechung der treuhänderischen Bindung des Sicherungsnehmers in einzelnen Beziehungen Außenwirkung zuerkennt, dem Sicherungsgeber beispielsweise ein Widerspruchsrecht nach § 771 ZPO bei einer Zwangsvollstreckung in das Sicherungsgut einräumt (vgl. BGHZ 72, 141, 143 ff.). Am Verfahren zur Zwangsversteigerung des Grundstücks nimmt als Hypotheken- oder Grundschuldgläubiger allein der Sicherungsnehmer teil. Schon aus der prozessualen Natur der dem Versteigerungsgericht obliegenden Amtspflichten ergibt sich aber, daß dessen Verpflichtung zur gesetzmäßigen Abwicklung des Versteigerungsverfahrens sich in aller Regel auf die unmittelbar an diesem Verfahren beteiligten Personen beschränkt, denen hierbei auch bestimmte prozessuale Rechte zustehen, hingegen nicht auf Außenstehende und nur mittelbar schuldrechtlich vom Verfahren Betroffene.
2. Auch im übrigen läßt die angefochtene Entscheidung keine durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2001 - III ZR 243/00

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2001 - III ZR 243/00

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 34


Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder g

Zivilprozessordnung - ZPO | § 771 Drittwiderspruchsklage


(1) Behauptet ein Dritter, dass ihm an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk die
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2001 - III ZR 243/00 zitiert 6 §§.

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Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG | § 9


In dem Verfahren gelten als Beteiligte, außer dem Gläubiger und dem Schuldner: 1. diejenigen, für welche zur Zeit der Eintragung des Vollstreckungsvermerks ein Recht im Grundbuch eingetragen oder durch Eintragung gesichert ist;2. diejenigen, welche e

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Bundesgerichtshof Urteil, 20. Okt. 2016 - III ZR 303/15

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(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 193/99
Verkündet am:
1. Februar 2001
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
------------------------------------
Die Amtspflichten, die der im Rahmen eines sanierungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens
nach §§ 144, 145 BauGB von der Genehmigungsbehörde
intern mit der Wertermittlung beauftragte Gutachterausschuß wahrzunehmen
hat, können auch zugunsten des Antragstellers des Genehmigungsverfahrens
als eines geschützten "Dritten" bestehen (Modifizierung der bisherigen Rechtsprechung
; vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 1990 - III ZR 190/88 = WM 1990,
2013 - "Gewerbeaufsichtsamt").
BGH, Urteil vom 1. Februar 2001 - III ZR 193/99 - OLG Schleswig
LG Itzehoe
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 27. Mai 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin war Eigentümerin von zwei in einem Sanierungsgebiet der erstbeklagten Gemeinde belegenen Grundstücken. Sie verkaufte diese Grundstücke zusammen mit einem dritten zum Gesamtpreis von 990.000 DM. Der beurkundende Notar, der bei der Beklagten zu 1 den Antrag auf sanierungsrechtliche Genehmigung stellte, erklärte, daß auf das eine Grundstück ein Kaufpreis von 380.000 DM und auf das andere ein solcher von 350.000 DM entfalle.
Die Beklagte beauftragte den zuständigen Gutachterausschuß, eine Behörde des zweitbeklagten Landes, mit der Prüfung der Kaufpreise, um über die Genehmigung entscheiden zu können. Der Gutachterausschuß ermittelte für das Grundstück, dessen Kaufpreis mit 380.000 DM angegeben worden war, einen Verkehrswert von 244.000 DM und für das andere einen solchen von 250.000 DM. Daraufhin versagte die Beklagte zu 1 durch Bescheid vom 17. Mai 1991 die Genehmigung mit der Begründung, die vereinbarten Kaufpreise von 380.000 DM und 350.000 DM wichen so deutlich von den Verkehrswerten von 244.000 DM und 250.000 DM ab, daß eine wesentliche Erschwerung der Sanierung vorliege.
Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht. Dieses holte das Gutachten eines Bausachverständigen ein, der zu Verkehrswerten von 460.000 DM und 480.000 DM gelangte. Da aufgrund dieser Feststellungen die Annahme, die vereinbarten Kaufpreise lägen deutlich über den Verkehrswerten, nicht gerechtfertigt war, hob das Verwaltungsgericht
durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 22. März 1994 den Bescheid der Beklagten zu 1 vom 17. Mai 1991 auf und verpflichtete sie, der Klägerin die sanierungsrechtliche Genehmigung zu erteilen.
Im vorliegenden Rechtsstreit macht die Klägerin Amtshaftungsansprüche gegen die Beklagte zu 1 wegen rechtswidriger Versagung der sanierungsrechtlichen Genehmigung und gegen den Beklagten zu 2 wegen Erstattung unrichtiger Verkehrswertgutachten geltend. Ihren auf 350.875,31 DM nebst Zinsen bezifferten Schaden erblickt sie im wesentlichen in der Verzögerung der Vertragsabwicklung und in den darauf beruhenden weiteren Zinsbelastungen sowie in Schäden bei der Verwertung von Sicherheiten.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist begründet.

I.


Eine Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) des zweitbeklagten Landes läßt sich nicht mit der von den Vorinstanzen gegebenen Begründung
verneinen, der Gutachterausschuß habe bei der - möglicherweise unrichtigen - Wertermittlung keine Amtspflichten gegenüber der Klägerin als einem geschützten "Dritten" verletzt.
1. Die Grundstücksveräußerung bedurfte der schriftlichen Genehmigung der Gemeinde nach §§ 144 Abs. 2 Nr. 1, 145, 153 Abs. 2 BauGB in der damals einschlägigen Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2253). Die Genehmigung durfte nur versagt werden, wenn Grund zu der Annahme bestand, daß der Rechtsvorgang die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde (§ 145 Abs. 2 BauGB). Eine wesentliche Erschwerung der Sanierung in diesem Sinne lag bei der rechtsgeschäftlichen Veräußerung auch dann vor, wenn der Kaufpreis für die Grundstücke über dem Wert lag, der sich ohne Berücksichtigung derjenigen Werterhöhungen ergeben hätte, die lediglich durch die Aussicht auf die Sanierung, durch ihre Vorbereitung oder ihre Durchführung eingetreten waren (§ 153 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BauGB). Die Einschaltung des Gutachterausschusses durch die für die Entscheidung über den Genehmigungsantrag zuständige Gemeinde, die Beklagte zu 1, diente der Überprüfung, ob bei den Grundstücken der Klägerin ein solchermaßen überhöhter Kaufpreis vereinbart worden war.
2. Unter den Parteien steht außer Streit, daß der Gutachterausschuß in der Trägerschaft des beklagten Landes steht; denn seine Mitglieder werden vom Innenministerium ernannt (§ 3 der Schleswig-Holsteinischen Verordnung vom 6. Dezember 1989 GVBl. S. 181), auch wenn die Ausschüsse jeweils für den Bereich eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt gebildet werden. Haftende Körperschaft im Sinne des Art. 34 GG ist dementsprechend das Land.

3. Wie beiden Vorinstanzen zuzugeben ist, steht ihre Auffassung, der Gutachterausschuß habe keine drittgerichteten Amtspflichten zugunsten der Klägerin wahrzunehmen gehabt, im Einklang mit der bisherigen Senatsrechtsprechung , insbesondere dem Urteil im "Gewerbeaufsichtsamts-Fall" (vom 5. Juli 1990 - III ZR 190/88 = WM 1990, 2013). Das Ergebnis der Begutachtung war für die Beklagte zu 1 nicht bindend und nahm ihr die Verantwortung für die Entscheidung über die Genehmigung nach § 145 BauGB nicht ab. Nach der bisherigen Betrachtungsweise war somit die Einschaltung des Gutachterausschusses durch die Beklagte zu 1 ein rein behördeninterner Vorgang ohne Außenwirkung.
4. An diesen Grundsätzen vermag der Senat indessen nicht mehr uneingeschränkt festzuhalten. Bei der Bestimmung des Kreises der geschützten "Dritten" im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Es kommt demnach vor allem darauf an, ob bei der betreffenden Amtshandlung in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (Senatsurteil BGHZ 108, 224, 227). Diese Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange der Klägerin als Verkäuferin wurde hier für den Gutachterausschuß dadurch begründet , daß er die tatsächliche Beurteilungsgrundlage für die abschließende Entscheidung der Beklagten zu 1 über den Genehmigungsantrag schuf und schaffen sollte. Die haftungsrechtliche Ordnung kann nicht daran vorbeigehen, daß die Aufklärung des relevanten Sachverhaltes in solchen Fällen tatsächlich arbeitsteilig erfolgt und die Stellungnahme einer Fachbehörde unter diesen
Umständen die Bedeutung eines Sachverständigengutachtens gewinnt und dieses ersetzt. Indem die von der zuständigen Behörde eingeschaltete Fachbehörde auf der Grundlage arbeitsteiligen Zusammenwirkens ihr überlegenes Fachwissen in die zu treffende Entscheidung einbringt, gewinnt ihre Mitwirkung - ihr erkennbar - im Verhältnis zum Bürger eine über die innerbehördliche Beteiligung hinausgehende Qualität. Sie ist dann ebenso wie die nach außen tätig werdende Behörde gehalten, bei der Ausübung des Amtsgeschäfts auch die Interessen des betroffenen Bürgers zu wahren. In diesen Fällen wirken die Amtspflichten der Fachbehörde in den Schutzbereich der Amtspflichten, welche die zur Endentscheidung berufene Behörde dem Bürger gegenüber wahrzunehmen hat, hinein und erlangen ihrerseits drittschützenden Gehalt. Damit ist zugleich die Parallelwertung zu den Fallgestaltungen vollzogen, in denen nach der Rechtsprechung für den Bereich privatrechtlicher Rechtsbeziehungen anerkannt ist, daß die Beauftragung eines Sachverständigen Schutzwirkung zugunsten eines Dritten entfalten kann, gegenüber dem der Auftraggeber von dem Gutachten Gebrauch machen will. Diese Schutzwirkung kann unmittelbare Schadensersatzansprüche des Dritten gegen den Sachverständigen begründen (vgl. Senatsurteil BGHZ 127, 378; s. auch BGH, Urteil vom 14. November 2000 - X ZR 203/98, zur Veröffentlichung vorgesehen; zusammenfassend Zugehör NJW 2000, 1601). Dem entspricht es, daß in den hier in Rede stehenden Fällen auch die Drittgerichtetheit von Amtspflichten einer intern eingeschalteten sachverständigen Fachbehörde nicht verneint werden kann, wenn - wie hier - der zur Begutachtung herangezogenen Behörde klar sein muß, daß ihre Stellungnahme die Rechtsposition eines bestimmten Dritten tangiert. Dabei tritt die Haftung unabhängig davon ein, ob auch die nach außen tätig werdende Behörde ihrerseits haftet. Wird beim Zusammenwirken mehrerer Behörden ein Dritter geschädigt, so ist die Drittgerichtetheit für jede der in Betracht kommen-
den Amtspflichten eigenständig zu bestimmen. Fragen der Subsidiarität, wie sie im Bereich der vertraglichen Haftung eine Rolle spielen können (vgl. BGHZ 70, 327, 330), stellen sich insoweit nicht.
5. Dementsprechend kann die Klageabweisung gegen das zweitbeklagte Land nicht bestehenbleiben. Vielmehr bedarf es nunmehr der - vom Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aus folgerichtig - unterbliebenen Prüfung, ob dem Gutachterausschuß tatsächlich eine schuldhafte Falschbewertung unterlaufen ist.

II.


1. Hingegen ist der Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 mit Recht abgewiesen worden.

a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 1 habe auf die Richtigkeit der Wertermittlung durch den Gutachterausschuß vertrauen dürfen und deshalb bei der Ablehnung des Genehmigungsantrags nicht schuldhaft gehandelt, hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht ist zutreffend von dem für das Amtshaftungsrecht maßgeblichen objektiven Sorgfaltsmaßstab ausgegangen. Die Verfahrensrügen, mit denen die Revision im wesentlichen geltend macht, das Berufungsgericht habe insoweit den vorinstanzlichen Sachvortrag der Klägerin nicht ausgeschöpft, greifen - wie der Senat geprüft hat - nicht durch; von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 565 a ZPO).

b) Die Beklagte zu 1 braucht sich auch ein etwaiges Verschulden des Gutachterausschusses haftungsrechtlich nicht zurechnen zu lassen. Als Zurechnungsnorm käme insoweit nur der Rechtsgedanke des § 278 BGB - sei es in unmittelbarer oder in analoger Anwendung - in Betracht, der eine Haftung für fremdes Verschulden begründen würde. Zwar setzt die Zurechnungsnorm des § 278 BGB keinen Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner voraus. Es genügt eine bestehende rechtliche Sonderverbindung auf gesetzlicher Grundlage. Der Rechtsgedanke des § 278 gilt grundsätzlich auch im öffentlichen Recht. Er ist insbesondere auf nichtvertragliche öffentlich-rechtliche Sonderverbindungen anzuwenden, soweit diese eine dem privatrechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare Leistungs- oder Obhutsbeziehung zum Gegenstand haben. Die verletzten Pflichten müssen allerdings über allgemeine Amtspflichten im Sinne des § 839 BGB hinausgehen; nur ein zwischen dem einzelnen und der öffentlich-rechtlichen Körperschaft bestehendes besonderes, enges Verhältnis kann Grundlage für eine sinngemäße Anwendung des § 278 BGB sein (BGHZ 131, 200, 204 m.w.N.; vgl. zu den einzelnen Fallgruppen einer derartigen Sonderverbindung auch Staudinger/Löwisch, BGB 13. Bearb. 1995 § 278 Rn. 11). Der Rückgriff auf § 278 BGB ist deshalb nicht schon dann möglich , wenn der Bürger gegen die Behörde einen im Verwaltungsrechtsweg durchsetzbaren Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung (hier nach §§ 144, 145 Abs. 2 BauGB) hat und sich die Behörde zur Erfüllung ihrer Verpflichtung eines Dritten, insbesondere einer Fachbehörde, bedient. Ein durch einen entsprechenden Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vermag für sich allein genommen noch keinen über die "normalen" Amtspflichten hinausgehenden, gesteigerten Pflichtenstatus der Behörde gegenüber dem betroffenen Bürger zu begründen.
2. Gleichwohl kann die Abweisung der Klage auch gegen die Beklagte zu 1 keinen Bestand haben.
Die Vorinstanzen haben nämlich unberücksichtigt gelassen, daß hier nach gefestigter Rechtsprechung ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht kommt. In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, daß zwischen dem Amtshaftungsanspruch und dem Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff Anspruchskonkurrenz bestehen kann. Unerheblich ist, daß die Klägerin die Klage nicht ausdrücklich auf enteignungsgleichen Eingriff gestützt hat. Entscheidend ist vielmehr, ob sich auf der Grundlage des vorgetragenen Sachverhalts die begehrte Rechtsfolge auch aus enteignungsgleichem Eingriff herleiten läßt; ist dies der Fall, so sind die Gerichte berechtigt und verpflichtet, den Prozeßstoff auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt zu beurteilen. Dies ist eine materiellrechtliche Frage; sie kann daher vom Revisionsgericht auch ohne eine diesbezügliche Revisionsrüge geprüft werden (Senatsurteil BGHZ 136, 182, 184 m.w.N.). Im vorliegenden Fall geht es - nicht anders als in den Senatsurteilen BGHZ 134, 316 und 136, 182 - um die rechtswidrige Verzögerung einer Grundstücksveräußerung. Diese kann nach den Grundsätzen der beiden vorgenannten Senatsentscheidungen den Tatbestand des enteignungsgleichen Eingriffs erfüllen. Anders als bei dem Senatsurteil vom 18. Juni 1998 (III ZR 100/97 = NVwZ 1998, 1329) läßt sich der inhaltlich auf die "Bodenrente" gerichtete Entschädigungsanspruch hier zumindest teil-
weise auch den bezifferten Schadenspositionen zuordnen, nämlich insoweit, als es um Zinsmehrbelastungen wegen verzögerter Ablösung von Grundpfandrechten geht (vgl. Senatsurteil BGHZ 136, 182, 187).
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

In dem Verfahren gelten als Beteiligte, außer dem Gläubiger und dem Schuldner:

1.
diejenigen, für welche zur Zeit der Eintragung des Vollstreckungsvermerks ein Recht im Grundbuch eingetragen oder durch Eintragung gesichert ist;
2.
diejenigen, welche ein der Zwangsvollstreckung entgegenstehendes Recht, ein Recht an dem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Recht, einen Anspruch mit dem Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück oder ein Miet- oder Pachtrecht, auf Grund dessen ihnen das Grundstück überlassen ist, bei dem Vollstreckungsgericht anmelden und auf Verlangen des Gerichts oder eines Beteiligten glaubhaft machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 152/99
Verkündet am:
23. März 2000
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
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a) Ein Nacherbenvermerk ist auch dann nicht in das geringste Gebot
aufzunehmen, wenn das Anwartschaftsrecht des Nacherben verpfändet
und die Verpfändung im Grundbuch gleichfalls eingetragen
ist. Aus diesem Grunde ist hier für die Festsetzung eines Zuzahlungsbetrags
nach den §§ 50, 51 ZVG ebensowenig Raum.

b) Die Amtspflichten des Vollstreckungsgerichts bei der Festsetzung
des geringsten Gebots bestehen auch gegenüber dem Vollstrekkungsschuldner.

c) Zur Darlegung des aus einer fehlerhaften Zwangsversteigerung
entstandenen Schadens und zum Ersatz der Kosten eines erfolglosen
Vorprozesses.
BGH, Urteil vom 23. März 2000 - III ZR 152/99 - KG Berlin
LG Berlin
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. März 2000 durch die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick, Dr. Kapsa und
Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 19. Februar 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Hilfsantrag des Klägers abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Großeltern des Klägers, A. und H. B., waren je zu Hälfte Miteigentümer des Grundstücks B. 127 in B.-F., eingetragen im Grundbuch von F. Bd. 48 Bl. 1868. Mit Erbvertrag vom 12. Februar 1958 setzten sie sich gegenseitig zu befreiten Vorerben ein; Nacherben sollten zu gleichen Teilen ihre drei Kinder sein, darunter der Vater des Klägers, P. M., ersatzweise deren leibliche Abkömmlinge.
Am 8. Juni 1985 verstarb A. B. Im Grundbuch wurden nunmehr seine Ehefrau als Alleineigentümerin und in Abteilung II Nr. 5 ein Nacherbenvermerk hinsichtlich der auf sie im Wege der Erbfolge übergegangenen ideellen Hälfte eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 16. Oktober 1987 verpfändete P. M. der Raiffeisenbank H. sein aus der Nacherbenstellung folgendes Anwartschaftsrecht für eine Schuld von 300.000 DM. Die Eintragung der Verpfändung im Grundbuch erfolgte als Veränderung an derselben Stelle am 8. Januar/ 24. Februar 1988. Nach dem Tod von H. B. am 9. Oktober 1990 wurden die Kinder und Enkel der Eheleute B. in ungeteilter Erbengemeinschaft als Eigentümer des Grundstücks eingetragen, je zur Hälfte in Erbfolge nach A. und nach H. B.. Gemäß Verträgen vom 10. Juni 1991 und 1. Juni 1992 veräußerte P. M. seine beiden Miterbenanteile an den Kläger. Bereits am 15. August 1990 war - nach einer Hypothek über 54.000 DM (III/20) - in Abteilung III Nr. 21 des Grundbuchs eine Grundschuld über 400.000 DM zugunsten der D. Bank eingetragen worden.
Aus der Post III/21 betrieb die Gläubigerin die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Das Vollstreckungsgericht stellte im Versteigerungstermin vom 18. April 1994 den bar zu entrichtenden Teil des geringsten Gebots auf 14.371,60 DM und als bestehenbleibende Rechte die Eintragungen in Abteilung II Nr. 5 und III Nr. 20 mit Zuzahlungsbeträgen von 450.000 DM und 54.000 DM fest. Dazu heißt es im Versteigerungsprotokoll:
"Die folgenden bei der Feststellung des geringsten Gebots berücksichtigten Rechte bleiben als Teil des geringsten Gebots bestehen: Abteilung II Nr. 5 - Nacherbenvermerk nach A. B. mit Verpfändung des Anteils des Nacherben P. M. Abteilung III Nr. 20 - 54.000 DM Hypothek b.u.v. Nach Anhörung der anwesenden Beteiligten wird der Ersatzwert der Verpfändung III/5 (gemeint: II/5) auf 450.000 DM festgesetzt. Auf §§ 50, 51 ZVG wird hingewiesen. Der Wert der als Teil des geringsten Gebots bestehenbleibenden Rechte beträgt hiernach insgesamt 504.000 DM."
Den Zuschlag erhielt der Bieter K. aufgrund eines Bargebots von 2.510.000 DM. Der Ersteigerer wandte sich unter dem 20. April 1994 an die Raiffeisenbank H. und bat um Angabe ihrer durch Grundbucheintragung "abgesicherten" Gesamtforderung, damit die Löschung der Grundbucheintragung erfolgen könne, leistete in der Folgezeit jedoch weder an diese noch an die Erbengemeinschaft Zahlungen. In einem Vorprozeß vor dem Landgericht B. nahm der Kläger den Erwerber K. für die Erbengemeinschaft erfolglos auf eine
Zuzahlung von 504.000 DM in Anspruch. In diesem Verfahren war dem Land B. der Streit verkündet.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger von dem beklagten Land aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung Schadensersatz. Er hat gemeint, Nacherben- und Verpfändungsvermerk seien zu Unrecht im geringsten Gebot berücksichtigt worden, und hat behauptet, bei Kenntnis der wirklichen Rechtslage hätte der Ersteigerer K. ein entsprechend höheres Bargebot abgegeben. Er hätte dann auch ein Bargebot des Klägers von 3 Mio. DM noch überboten. Seinen Schaden hat der Kläger in dem auf ihn entfallenden Drittelanteil eines um 450.000 DM höheren Bargebots sowie in den von ihm anteilig zu tragenden Kosten des Vorprozesses in Höhe von 10.054 DM gesehen und ihn auf insgesamt 160.054 DM beziffert.
Mit der Klage hat der Kläger zunächst Zahlung an sich selbst verlangt und im Termin vom 5. Mai 1998 sodann die Klage um einen Hilfsantrag auf Leistung an die Erbengemeinschaft erweitert. Landgericht und Kammergericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Hilfsantrag weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt in dem angefochtenen Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Rechtspflegerin bei der Zwangsversteigerung drittbezogene Amtspflichten verletzt hat. Jedenfalls sei dem Kläger nicht der Nachweis gelungen, daß solche Amtspflichtverletzungen zu dem geltend gemachten Schaden geführt hätten. Den Umständen nach sei nicht absehbar, welchen Einfluß das der Rechtspflegerin vorgeworfene Verhalten auf den tatsächlichen Verlauf der Versteigerung genommen habe. Selbst wenn man unterstelle, daß der Ersteigerer K. bereit gewesen sei, insgesamt 3.114.000 DM für den Erwerb aufzuwenden, bedeute dies nicht, daß er ein solches Gebot auch in Wirklichkeit abgegeben hätte. Der Kläger behaupte selbst nicht, daß ein anderer Bieter außer ihm selbst einen höheren Betrag als 2,5 Mio. DM geboten hätte. Allein die Bieter zu 4 und 8 hätten Gebote abgegeben , die zuzüglich des angesetzten Wertes für bestehenbleibende Rechte einen Betrag von 2,5 Mio. DM überstiegen hätten. Es sei jedoch nicht auszuschließen , daß diese Mitbieter die angeblich fehlerhaften Hinweise der Rechtspflegerin erkannt hätten und sich hiervon nicht hätten beeinflussen lassen. Soweit der Kläger behaupte, selbst ein Gebot von 2,5 Mio. DM abgegeben und sich für seine Gebote eine Obergrenze von 3 Mio. DM gesetzt zu haben, die bei einem zusätzlich zu zahlenden Betrag von 504.000 DM erreicht gewesen sei, verkenne er, daß das eingetragene Pfandrecht der Raiffeisenbank H. auf dem erworbenen Erbteil seines Vaters gelastet habe. Infolgedessen habe der Kläger zur Erfüllung der Forderung ohnehin eine Zahlung leisten müssen, unabhängig davon, ob dieses Pfandrecht das Grundstück belastet habe, wie er es sich offensichtlich fehlerhaft vorgestellt habe, oder lediglich seinen Erbteil. Mindestens aber scheitere eine schlüssige Darlegung des Schadens daran,
daß man nicht sicher wisse, ob der Ersteigerer K. ein Bargebot des Klägers in Höhe von 3 Mio. DM tatsächlich überboten hätte.
Die Kosten für den erfolglosen Vorprozeß seien angesichts der klaren Rechtslage nicht erforderlich gewesen. Jedenfalls aber bestehe eine anderweitige Ersatzmöglichkeit in Gestalt eines Schadensersatzanspruchs gegen seine damaligen Prozeßbevollmächtigten wegen Verletzung ihrer Beratungspflichten.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand. Die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs der Erbengemeinschaft nach A. B. (§ 839 BGB, Art. 34 GG), den der Kläger allein noch geltend macht (§ 2039 Satz 1 BGB), sind schlüssig vorgetragen.
1. Die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob die Rechtspflegerin bei der Zwangsversteigerung schuldhaft Amtspflichten gegenüber den Erben verletzt hat, ist zu bejahen.

a) Nacherben- und Verpfändungsvermerk in Abteilung II Nr. 5 des Grundbuchs durften nicht bei der Feststellung des geringsten Gebots berücksichtigt werden (§ 44 Abs. 1 ZVG). Infolgedessen war auch kein Zuzahlungsbetrag gemäß §§ 50, 51 ZVG für den Fall, daß die berücksichtigten Rechte nicht bestanden, festzusetzen. In das geringste Gebot sind schon nach dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 ZVG, aber auch wegen des ihm zugrundeliegenden
Übernahmeprinzips (§ 52 ZVG), nur Rechte am Grundstück (oder auf Befriedigung aus dem Grundstück, soweit sie nach § 10 ZVG dem Gläubiger vorgehen ) aufzunehmen (OLG Hamm OLGZ 1969, 63, 64; Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., § 44 Rn. 5). Nacherbenvermerke gehören nicht dazu (OLG Hamm aaO; Steiner/Eickmann, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 44 Rn. 115; Zeller/Stöber, ZVG, 16. Aufl., § 44 Rn. 5.16). Die Anordnung von Vorund Nacherbschaft enthält - vorbehaltlich einer Befreiung gemäß § 2136 BGB - lediglich eine Verfügungsbeschränkung zu Lasten des Vorerben (§ 2113 Abs. 1 BGB); ihre Eintragung im Grundbuch hat allein den Zweck, bei Verfügungen des Vorerben über das Nachlaßgrundstück einen etwaigen guten Glauben des Erwerbers zu zerstören (§§ 2113 Abs. 3, 892 BGB; RGZ 83, 434, 437). Dieser Schutz des Nacherbenrechts wird durch die Eintragung einer Verpfändung auf den Pfandgläubiger erweitert (vgl. RGZ 83, 434, 437 f.). Deren Eintragung im Grundbuch bewirkt aber nicht, daß das Pfandrecht an der Anwartschaft des Nacherben oder - nach Eintritt des Nacherbfalles - an dessen Miterbenanteil sich nunmehr auf das Grundstück selbst erstreckt; denn weder der Miterbe noch gar bis zum Nacherbfall der Nacherbe haben ein Recht am einzelnen Nachlaßgegenstand. Für eine Anwendung der §§ 44, 50 f. ZVG war daher hier kein Raum. Eine Verpflichtung des Ersteigerers zur Zuzahlung wurde im Streitfall dann - trotz Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses - auch durch die fälschliche Festsetzung eines Zuzahlungsbetrags nicht begründet, was zwischen den Parteien mindestens aufgrund der Interventionswirkung der Streitverkündung im Vorprozeß feststeht (§§ 68, 74 Abs. 3 ZPO).

b) Die Amtspflicht zur Beachtung der Verfahrensvorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes bestand auch gegenüber den Erben als Vollstreckungsschuldnern (vgl. Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl., § 839 Rn. 582).
Der Schuldner ist Beteiligter des Zwangsversteigerungsverfahrens (§ 9 ZVG), sein Vermögen ist Gegenstand des Vollstreckungszugriffs. Schon daraus ergibt sich, daß die Förmlichkeiten der Zwangsvollstreckung, an die das Gesetz die Vollstreckungsorgane bindet und mit denen es die Eingriffe in Rechte des Schuldners lenkt und begrenzt, regelmäßig auch seinem Interesse dienen, er also insoweit zum Kreis der geschützten Dritten gehört. Entgegen der von der schriftlichen Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ist es nicht angebracht , für die Festsetzung des geringsten Gebots oder des Zuzahlungsbetrags nach §§ 50, 51 ZVG eine Ausnahme zu machen. Die Versteigerungsbedingungen entscheiden maßgebend über Ausgang und Erfolg der Zwangsversteigerung , die Tilgung möglicherweise mit den dinglichen Rechten verbundener persönlicher Verpflichtungen des Schuldners und die Höhe eines etwaigen, ihm als Grundstückseigentümer gebührenden Übererlöses. Alles dies berührt unmittelbar nicht nur Belange der Vollstreckungsgläubiger, sondern auch die des Schuldners.

c) An einem Verschulden der Rechtspflegerin ist ebensowenig zu zweifeln. Jeder Amtsträger muß die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechtskenntnisse haben oder sich verschaffen (vgl. nur BGHZ 139, 200, 203). Bei sorgfältiger Prüfung war die Rechtslage insoweit auch nicht unklar.
2. Der Senat vermag ferner dem Berufungsgericht nicht in der Ansicht zu folgen, der Kläger habe einen aus der Amtspflichtverletzung folgenden Schaden nicht hinreichend vorgetragen. Das gilt sowohl für den hauptsächlich geltend gemachten entgangenen Mehrerlös von 150.000 DM bei der Zwangsversteigerung als auch für den außerdem beanspruchten Ersatz der Kosten des verlorengegangenen Vorprozesses gegen den Ersteigerer K.


a) Im Ausgangspunkt zutreffend sieht das Berufungsgericht, daß die Regelungen des § 287 ZPO dem Kläger hinsichtlich des Gangs der Versteigerung die Darlegungs- und Beweislast erleichtern können (vgl. dazu Zöller /Greger, ZPO, 21. Aufl., § 287 Rn. 5 m.w.Nachw.). Auch bei Lücken im Klagevortrag hat das Gericht eine Schätzung vorzunehmen, soweit hierfür tatsächliche Anhaltspunkte bestehen (s. nur BGH, Urt. vom 17. Juni 1998 - XII ZR 206/96 - WM 1998, 1787, 1788). Unter den vorliegenden Umständen spricht aber, wie der Revision zuzugeben ist, schon die Lebenserfahrung dafür, daß die Bieter das Bestehenbleiben des Nacherben- und Verpfändungsvermerks nach den Versteigerungsbedingungen und den hierfür ersatzweise festgesetzten Zuzahlungsbetrag bei der Kalkulation ihrer Gebote berücksichtigt haben, wenngleich daraus noch nicht notwendig folgt, daß sie ohne diese Festsetzungen ihre Bargebote gerade um diesen Betrag erhöht hätten.
aa) Gleichwohl will das Berufungsgericht § 287 ZPO hier nicht anwenden , weil es meint, den Umständen nach sei nicht absehbar, welchen Verlauf die Versteigerung sonst genommen hätte. Um das auf dem erworbenen Erbteil lastende Pfandrecht zum Erlöschen zu bringen, hätte der Kläger ohnehin eine Zahlung leisten müssen, gleichgültig, ob an die Pfandgläubigerin oder an das Vollstreckungsgericht zur Ersteigerung des Grundstücks. Er habe sogar gegenüber anderen Bietern einen Vorteil gehabt, wenn er gewußt habe, daß die gesicherte Forderung nur geringer valutiert habe. Folglich habe der Kläger bei Abgabe seiner Gebote im Versteigerungstermin seine finanziellen Belastungen korrekt eingeschätzt. Das ist von Rechtsfehlern beeinflußt. Mit dieser Begründung läßt sich eine Anwendung des § 287 ZPO nicht verneinen.
Nach den Versteigerungsbedingungen, die das Pfandrecht am Nacherbenrecht (wegen Eintritts des Nacherbfalles schon vor dem Versteigerungstermin tatsächlich am Miterbenanteil des P. M.) wie eine Grundstücksbelastung behandelten, mußte der Kläger im Falle eines Zuschlags an ihn zunächst mit einer vollen Zahlungspflicht in Höhe von 450.000 DM rechnen. Soweit Zahlungen nicht an die Pfandgläubigerin zu erbringen waren, weil die gesicherte Forderung niedriger war, hatte nach den vom Vollstreckungsgericht angewendeten Vorschriften der §§ 50 und 51 ZVG eine Zuzahlung an die Erbengemeinschaft zu erfolgen, wovon allerdings ein Drittel entsprechend dem erworbenen Erbteil wieder an den Kläger zurückgeflossen wäre. Er hätte im Ergebnis also beispielsweise , wenn das Pfandrecht nur in Höhe von 300.000 DM bestand, mit Aufwendungen von 400.000 DM (300.000 DM zur Ablösung des Pfandrechts, 150.000 DM Zuzahlung, abzüglich 50.000 DM Rückfluß aus der Erbmasse) kalkulieren müssen. Tatsächlich traf den Kläger jedoch ausschließlich eine Haftung aufgrund der Verpfändung des übernommenen Nacherbenanteils, in dem genannten Beispiel in Höhe von 300.000 DM. Bei richtiger Sachbehandlung hätte er demnach gerade bei Kenntnis einer geringeren Valutierung des Pfandrechts, was das Berufungsgericht nicht ausschließt, erhebliche freie Beträge zur Erhöhung seines Bargebots - im Beispiel 100.000 DM - zur Verfügung gehabt. Daß er diese bei seinen Geboten auch eingesetzt hätte, entspricht, wie ausgeführt, der Lebenserfahrung.
bb) Die Revision rügt darüber hinaus mit Recht, daß ohne den Ansatz der "Belastung" in Abteilung II Nr. 5 im geringsten Gebot und ohne Festsetzung eines bei Nichtbestehen des Rechts vom Bieter zu berücksichtigenden Zuzahlungsbetrags von 450.000 DM nach der - vom Berufungsgericht auch in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigten - Lebenserfahrung ebenso der Bieter
zu 8, der bis 2,5 Mio. DM mitgeboten hatte, sein Gebot entsprechend erhöht hätte. Bereits ein Mehrgebot von seiner Seite über 160.000 DM hätte ausgereicht , falls es der Kläger nicht überboten hätte, den mit der Klage geltend gemachten Teil des der Erbengemeinschaft entstandenen Schadens von 150.000 DM abzudecken. Die Bedenken des Berufungsgerichts, es sei nicht auszuschließen, daß die Mitbieter zu 4 und 8 den Fehler des Vollstreckungsgerichts erkannt und ihre Gebote unabhängig davon abgegeben hätten, sind, wie der Revision ebenfalls zuzugeben ist, Spekulation und ohne Anhalt im Parteivortrag. Eine Erfahrung des täglichen Lebens kann hierfür, zumal bei der schwierigen und nicht ohne weiteres durchschaubaren Materie der Grundstückszwangsvollstreckung , jedenfalls nicht in Anspruch genommen werden.

b) Das Berufungsgericht ist ferner der Ansicht, die Kosten des gegen den Erwerber K. wegen der Zuzahlung erfolglos geführten Rechtsstreits könne der Kläger (für die Erbengemeinschaft) nicht anteilig ersetzt verlangen, da sie zur Rechtsverfolgung nicht erforderlich gewesen seien. Bei ausreichender Prüfung hätten die Miterben von der nicht erfolgversprechenden Klage absehen müssen, zumal sie von dem Erwerber mit Schreiben vom 8. September 1994 auf die maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkte hingewiesen worden seien. Dem vermag der Senat schon im Ansatz nicht zu folgen; das Berufungsgericht schöpft zudem den Sachverhalt nicht aus.
aa) Im Regelfall hat der Schädiger den gesamten durch die pflichtwidrige Handlung adäquat verursachten Schaden zu tragen. Dazu gehören auch die Kosten eines objektiv unberechtigten Rechtsstreits, falls der Geschädigte ihn vernünftigerweise für erforderlich halten durfte, um den Schaden abzuwenden oder gering zu halten (BGHZ 18, 366, 371 f.; 78, 274, 279 f.). Umgekehrt fehlt
der adäquate Ursachenzusammenhang, wenn solche Aufwendungen durch ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten ausgelöst worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1991 - VII ZR 315/90 - NJW-RR 1991, 1428). Von einer derart unsachgemäßen Rechtsverfolgung kann hier aber nicht gesprochen werden. Ob die Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses bewirkt, daß der Ersteigerer zur Leistung des festgesetzten Zuzahlungsbetrags auch bei einem zu Unrecht ins geringste Gebot aufgenommenen Nacherben- und Verpfändungsvermerk verpflichtet ist, war zumindest bis zur Entscheidung des Landgerichts im Vorprozeß ungeklärt. Mit Rücksicht hierauf war zu erwarten, daß sich das beklagte Land im Amtshaftungsprozeß auf einen solchen Anspruch berufen würde. Unter solchen Umständen erscheint es nicht unangemessen , zumindest aber nicht offensichtlich sachwidrig, daß die Erbengemeinschaft zunächst eine Durchsetzung ihres möglichen Zahlungsanspruchs gegen den Erwerber K. versuchte.
bb) Die Revision weist darüber hinaus zu Recht darauf hin, daß der Kläger nach der von ihm vorgelegten Korrespondenz nachträglich dem Vollstrekkungsgericht das gegnerische Schreiben vom 8. September 1994 mit der Bitte um Erläuterung vorgelegt und dieses ihn unter dem 15. September 1994 in seiner Rechtsauffassung weitgehend bestärkt hatte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Bürger im allgemeinen auf die Richtigkeit einer amtlichen Belehrung vertrauen und braucht nicht klüger zu sein als der fachkundige Beamte (BGHZ 108, 224, 230; 134, 100, 115; Senatsurteil vom 18. Oktober 1990 - III ZR 260/88, NVwZ-RR 1991, 171, 173 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund erscheint der gegen den Ersteigerer K. angestrengte Rechtsstreit durch die Amtspflichtverletzungen der Rechtspflegerin bei der Zwangsversteigerung und die nachfolgende, zumindest unvollständige und
insgesamt irreführende Auskunft des Vollstreckungsgerichts überdies nicht nur im Sinne äquivalenter Kausalität veranlaßt, sondern gewissermaßen "herausgefordert" und aus diesem Grunde ebenso zurechenbar verursacht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Oktober 1970 - VI ZR 62/69 - NJW 1971, 134, 135).
3. Bei dieser Sachlage spricht - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nichts für eine Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages und damit einen Schadensersatzanspruch des Klägers oder der Erben gegen ihre Prozeßbevollmächtigten als anderweitige Ersatzmöglichkeit (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB).

III.


1. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand stellt sich die Klageabweisung auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

a) Das Spruchrichterprivileg in § 839 Abs. 2 BGB gilt nicht für Entscheidungen in der Zwangsvollstreckung (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 1985 - III ZR 105/84 - WM 1986, 331, 333). Der Kläger hätte zwar außerdem gegen den fehlerhaften Zuschlagsbeschluß gemäß §§ 95 ff. ZVG, 11 RPflG a.F. befristete Erinnerung einlegen können, um den Schaden abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB). Daß er dies versäumt hat, kann ihm nach den vorstehenden Ausführungen aber nicht als Verschulden angelastet werden.

b) Auch die vom Beklagten schließlich erhobene Einrede der Verjährung ist nicht begründet. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB beginnt , wenn der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichti-
gen Kenntnis erlangt. Solche Kenntnis ist vorhanden, wenn dem Geschädigten zuzumuten ist, aufgrund der ihm bekannten Tatsachen eine Schadensersatzklage - sei es auch nur als Feststellungsklage - zu erheben, die bei verständiger Würdigung der von ihm vorgetragenen Tatsachen Erfolgsaussicht hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 138, 247, 252 ff.; BGH, Urt. vom 16. Dezember 1997 - V ZR 408/96 - NJW 1998, 988 f.). Rechtsunkenntnis kann im Einzelfall bei unsicherer und zweifelhafter Rechtslage allerdings den Verjährungsbeginn hinausschieben (BGHZ 138, 247, 252). So liegt es hier. Angesichts der im Streitfall bestehenden rechtlichen Unsicherheiten über den Eintritt eines Schadens (oben II 2 b aa) durfte der Kläger zunächst den Ausgang des Vorprozesses abwarten. Das klageabweisende Urteil des Landgerichts wurde dort mit Ablauf der Berufungsfrist am 26. Mai 1995 rechtskräftig. Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger aber bereits in der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 1998 - und damit noch innerhalb der Dreijahresfrist - die jetzt noch anhängige Klage auf Zahlung an die Erbengemeinschaft erhoben (§ 261 Abs. 2 ZPO).
2. Das Berufungsurteil muß deswegen aufgehoben und die Sache zur erneuten tatrichterlichen Beurteilung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO). Dabei wird das Berufungsgericht unter Be-
rücksichtigung der vorstehenden Ausführungen erneut zu prüfen haben, inwieweit ein Schaden der Erbengemeinschaft durch die fehlerhafte Festsetzung des geringsten Gebots hinreichend wahrscheinlich ist (§ 287 ZPO).
Wurm Streck Schlick Kapsa Galke

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Behauptet ein Dritter, dass ihm an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt.

(2) Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Streitgenossen anzusehen.

(3) Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln sind die Vorschriften der §§ 769, 770 entsprechend anzuwenden. Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig.