Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2006 - IV ZR 195/04

bei uns veröffentlicht am25.01.2006
vorgehend
Landgericht Heidelberg, 5 O 168/01, 08.10.2003
Oberlandesgericht Karlsruhe, 1 U 206/03, 09.07.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 195/04
vom
25. Januar 2006
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke
am 25. Januar 2006

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. Juli 2004 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Streitwert: 4.292 €

Gründe:


1
Der I. Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft und Wertermittlung hinsichtlich verschiedener Gegenstände des Nachlasses seines Großvaters und anschließend die Zahlung des Pflichtteils. Der im Jahre 2000 gestorbene Erblasser hatte drei Kinder, nämlich den vorverstorbenen Vater des Klägers, der dessen einziger Abkömmling ist, sowie die Beklagte und eine weitere Tochter. Die Ehefrau des Erblassers war bereits im Jahre 1991 vorverstorben. Die Beklagte und deren Schwester sind testamentarisch als Alleinerben eingesetzt.
2
Das Landgericht hat die Beklagte mit einem Teilurteil u.a. verurteilt , durch Vorlage von Sachverständigengutachten den Wert bestimmter Immobilien zu ermitteln. Dagegen hat das Berufungsgericht, dessen Urteilsgründe auszugsweise in ZEV 2004, 468 f. veröffentlicht sind, die Klage insoweit abgewiesen, weil die von der Beklagten vorgelegten Gutachten ausreichten. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
3
II. Das Rechtsmittel war als unzulässig zu verwerfen, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
4
Hierzu wird in der Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragen, dem Kläger gehe es darum, dass der Wert der Immobilien zum Zeitpunkt des Todes seiner Großmutter auf 211.931,71 € geschätzt worden sei, während der von der Beklagten zur Berechnung der Pflichtteilsansprüche des Klägers nach dessen Großvater beauftragte Gutachter nur zu einem Betrag von 108.900,00 € gelangt sei. Im Streit ist damit die Differenz in Höhe von 103.031,71 €. Dieser Streit würde sich auf das Zahlungsinteresse des Klägers allerdings nur in Höhe von 17.171,95 € auswirken, da der Pflichtteil des Klägers ein Sechstel beträgt. Im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens geht es indessen noch nicht um Zahlung, sondern um Wertermittlung. Insoweit ist das Auskunftsinteresse des Klägers mit einer Quote des Wertes des Leistungsanspruchs zu bestimmen, die in der Re- gel zwischen 1/10 und 1/4 bemessen wird und umso höher anzusetzen ist, je geringer die Kenntnisse des Klägers und sein Wissen über die zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind (Senat , Beschluss vom 20. März 2002 - IV ZR 3/01 - dokumentiert in juris unter II 1 c; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 3 Rdn. 16 "Auskunft"). Dass der Kläger die wesentlichen Anhaltspunkte zur Bezifferung seiner Leistungsklage schon kenne, wie die Beschwerdeerwiderung meint, wird man nicht annehmen können, weil es bei der Ermittlung des Streitwerts hier gerade um die noch streitige Differenz zwischen den bisher bekannten Bewertungen geht. Mithin ist das Interesse des Klägers an der begehrten Wertermittlung mit einem Viertel seines Leistungsinteresses zu bemessen. Daraus ergibt sich allerdings ein Wert des Beschwerdegegenstands von nur 4.292,99 €.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Heidelberg, Entscheidung vom 08.10.2003 - 5 O 168/01 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 09.07.2004 - 1 U 206/03 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2002 - IV ZR 3/01

bei uns veröffentlicht am 20.03.2002

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7 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2006 - IV ZR 195/04.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 98/06 vom 9. Mai 2007 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsc

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 3/01
vom
20. März 2002
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Ambrosius, den
Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf
am 20. März 2002

beschlossen:
Die Revision der Beklagten gegen das Zwischenurteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 29. November 2000 wird nicht angenommen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 19.088 ? festgesetzt.

Gründe:


I. Der Kläger, ein Staatsangehöriger der USA, und die Beklagten sind in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümer eines Hausgrundstücks. Der Kläger verlangt von den Beklagten Auskunft und Rech-

nungslegung über die das Hausgrundstück betreffenden Rechtsgeschäfte und über die Verwendung von der Erbengemeinschaft zwecks Sanierung des Hauses aufgenommener, durch eine Grundschuld in Höhe von 500.000 DM nebst Kosten und Zinsen gesicherter Darlehen. Das Landgericht hat, nachdem es zuvor dem Kläger auf Antrag der Beklagten eine Prozeßkostensicherheit gemäß § 110 ZPO in Höhe von 13.000 DM auferlegt hatte, die es nach den voraussichtlichen Prozeßkosten der Beklagten im ersten Rechtszug bemessen hatte, die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren haben die Beklagten beantragt, dem Kläger gemäß §§ 110, 112, 113 ZPO eine weitere Sicherheitsleistung aufzuerlegen. Durch das angefochtene Zwischenurteil hat das Berufungsgericht die Einrede der mangelnden Sicherheit für die Prozeßkosten verworfen. Gegen dieses Zwischenurteil haben die Beklagten Revision eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Beschwer der Beklagten nicht festgesetzt.
II. 1. Die Revision ist nicht wegen der Höhe der Beschwer der Beklagten statthaft (Streitwertrevision). Denn die Beschwer der Beklagten übersteigt die Revisionsgrenze von 60.000 DM nicht (§ 546 Satz 1 ZPO a.F.).

a) Wenn das Berufungsgericht die Beschwer nicht festgesetzt hat, ist sie vom Revisionsgericht eigenständig zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1990 - VI ZR 117/90 - NJW 1991, 847 unter II 2; Beschluß vom 25. Oktober 1995 - XII ZR 7/94 - NJW-RR 1996, 316 unter II 2; vgl. Musielak, ZPO 2. Aufl. § 546 Rdn. 10; MünchKomm/Wenzel, ZPO

2. Aufl. § 546 Rdn. 26; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. § 546 Rdn. 36).

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht der für die Beschwer maûgebliche Streitwert eines Zwischenurteils, mit dem das Berufungsgericht die Einrede der fehlenden Prozeûkostensicherheit verworfen hat, dem Wert der Hauptsache (BGHZ 37, 264, 269 und BGH, Urteil vom 7. Oktober 1981 - VIII ZR 198/80 - WM 1981, 1287 unter III 1; offengelassen im Urteil des BGH vom 21. Juni 1990 - IX ZR 227/89 - VersR 1991, 122 unter II).

c) Danach bleibt die Beschwer der Beklagten unter 60.000 DM.
Hauptsache ist die im Berufungsverfahren befindliche Auskunftsklage. Entgegen der Ansicht der Beklagten bemiût sich der Streitwert des Hauptsacheverfahrens nicht nach dem Abwehrinteresse der Beklagten , das nach ihrem voraussichtlich mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwand an Zeit und Kosten zu bewerten ist. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 14 Abs. 1 GKG). Das Abwehrinteresse ist deshalb nur maûgeblich, wenn der zur Auskunft verurteilte Beklagte Berufung einlegt. Hier hingegen ist es der Kläger, der mit der Berufung sein Auskunftsinteresse weiterverfolgt. Dieses ist gemäû § 3 ZPO danach zu schätzen, in welchem Maû die Durchsetzbarkeit des Leistungsanspruchs des Klägers von der Auskunft der Beklagten abhängt. Es ist mit einer Quote des Wertes des Leistungsanspruchs zu bewerten, die nach der Rechtsprechung in der Regel zwischen 1/10 und 1/4 bemessen wird und

die umso höher anzusetzen ist, je geringer die Kenntnisse des Klägers und sein Wissen über die zur Begründung des Leistungsanspruchs maûgeblichen Tatsachen sind (Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl. § 3 Rdn. 16 "Auskunft" m.w.N.).
Hier ist der Leistungsanspruch des Klägers, den er im ersten Rechtszug noch im Wege der Stufenklage mit angekündigt hatte, auf Befreiung von den Darlehensverbindlichkeiten gerichtet, für die das Grundstück haftet. Da aber die Beklagten im Innenverhältnis zum Kläger ohnehin 2/3 der Darlehensverbindlichkeiten tragen müssen (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB), beschränkt sich das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Befreiung auf sein eigenes Drittel der Darlehensschuld, wie das Berufungsgericht bei seiner Streitwertfestsetzung zutreffend erkannt hat. Die gesamte Darlehensschuld belief sich nach Feststellung des Berufungsgerichts am 31. Januar 2000 auf 537.946,64 DM und war laut Schreiben der Sparkasse E. vom 1. Februar 2000 von diesem Tage an mit damals 7,68% zu verzinsen. Für den maûgeblichen Zeitpunkt der Berufungseinlegung (§ 15 GKG), den 19. Juni 2000, kann die Darlehensschuld deshalb auf rund 560.000 DM geschätzt werden. 1/3 davon sind 186.666 DM.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens ist indes geringer, weil der Kläger nicht Leistung, sondern nur eine vorbereitende Auskunft begehrt. Die Quote für das Auskunftsinteresse des Klägers veranschlagt der Senat mit 20%. Der Streitwert der Hauptsache und damit die Beschwer der Beklagten sind nach alledem auf (20% von 186.666 DM =) 37.333 DM (19.088 ?) zu veranschlagen.

2. Das bedeutet aber nicht, daû die Revision unzulässig ist. Zwar ist in Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, bei denen der Wert der Beschwer 60.000 DM nicht übersteigt, die Revision an sich nur statthaft, wenn das Oberlandesgericht sie zugelassen hat (§ 546 Abs. 1 ZPO). Zugelassen hat hier das Oberlandesgericht die Revision nicht. Es hatte jedoch keine Veranlassung, die Frage der Zulassung zu prüfen, weil es irrtümlich von einer zulassungsfreien Revision ausgegangen ist. Denn es hat den Streitwert der Hauptsache auf 167.000 DM festgesetzt. In einem solchen Fall ist die Revision als statthaft zu behandeln , damit das Revisionsgericht anstelle des Berufungsgerichts überprüfen kann, ob die Sache revisionswürdig ist. Das geschieht im Wege einer Annahmeprüfung nach § 554 b ZPO a.F., die sich darauf beschränkt , ob die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 546 Abs. 1 Nr. 1, 2 ZPO a.F.). Auf die Erfolgsaussicht der Revision kommt es dabei nicht an (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. nur Beschluû vom 25. Oktober 1995, aaO).

3. Hier liegt eine Abweichung, die die Zulassung der Revision rechtfertigen würde, nicht vor. Würde die Revision angenommen, so wären auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden.
Terno Seiffert Ambrosius
Wendt Dr. Kessal-Wulf