Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2012 - IV ZR 207/12

bei uns veröffentlicht am19.12.2012
vorgehend
Landgericht Oldenburg (Oldenburg), 9 O 1710/08, 24.09.2009
Oberlandesgericht Oldenburg, 12 U 67/09, 29.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 207/12
vom
19. Dezember 2012
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 19. Dezember 2012

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 29. Mai 2012 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen.

Gründe:


1
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Erbvertrages in Anspruch. Mit notariellem Vertrag vom 15. April 1981 setzte die Klägerin den Beklagten zu ihrem Erben ein. Ferner verpflichtete sie sich, ihr Hausgrundstück ohne Zustimmung des Beklagten weder zu veräußern noch zu belasten. Im Falle eines Verstoßes sollte der Beklagte berechtigt sein, die sofortige unentgeltliche Übertragung des Grundstücks zu verlangen. Der Beklagte seinerseits verpflichtete sich, "die Erschienene zu 1. in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen, ohne daß dafür geldwerte Mittel von mir oder meinen Rechtsnachfolgern aufzuwenden sind".
2
Der Beklagte wohnte seit 1980 zunächst in einer eigenen Wohnung im Haus der Klägerin, bis er Anfang 1993 nach Auseinandersetzungen zwischen den Parteien auszog. Am 19. April 1999 forderte die Klägerin den Beklagten schriftlich unter Hinweis auf den Erbvertrag und seine Pflegeverpflichtung auf, bis zum 1. Mai 1999 in ihrer Wohnung vorstellig zu werden. Pflegeleistungen erbrachte der Beklagte in der Folgezeit nicht. Am 20. Juni 2007 zog die Klägerin in ein Alten- und Pflegeheim, wo sie sich auch gegenwärtig noch aufhält. Am 18. Januar 2008 erklärte sie den Rücktritt vom Erbvertrag unter Berufung darauf, dass sie seit Frühjahr 1999 geringfügig und seit Anfang des Jahres 2005 in größerem Umfang auf Pflege angewiesen gewesen sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr mit Urteil vom 12. Januar 2010 stattgegeben. Der Senat hat dieses Urteil mit Beschluss vom 5. Oktober 2010 (IV ZR 30/10, ZEV 2011, 254) aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage nach ergänzender Beweisaufnahme erneut stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten.
3
II. Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
4
1. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
5
a) Das Berufungsgericht hat die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen. Nähere Ausführungen dazu, worauf sich der Zu- lassungsgrund im Einzelnen beziehen soll, enthält das Urteil nicht. Die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Ein solcher Anlass besteht für die Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292). Eine Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO kommt neben den Fällen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG insbesondere in Fällen der Divergenz in Betracht, wenn also die anzufechtende Entscheidung von derjenigen eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (BGH aaO 292 f.). Ferner kann die Zulassung der Revision wegen Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr bei Zugrundelegung eines falschen rechtlichen Obersatzes in Frage kommen.
6
b) Diese Zulassungsgründe liegen hier nicht vor. Vielmehr hat der Senat bereits mit seinem Beschluss vom 5. Oktober 2010 (IV ZR 30/10, ZEV 2011, 254) die für die Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen rechtlichen Grundsätze im Einzelnen dargelegt. Hiernach werden von dem Beklagten Pflege- und Dienstleistungen zur Betreuung der Klägerin im häuslichen Umfeld mit den ihm gegebenen persönlichen Möglichkeiten geschuldet (aaO Rn. 12). Eine gesonderte Geldzahlungsverpflichtung zum Ausgleich des sich für die Klägerin infolge ihres Umzugs in das Alten - und Pflegeheim ergebenden Aufwandes trifft den Beklagten nicht (aaO Rn. 10). Der Senat hat ferner klargestellt, dass für die Klägerin ein Rücktritt vom Erbvertrag gemäß § 2295 BGB auch im Falle der nachträglichen Unmöglichkeit der zu erbringenden Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB in Betracht kommt (aaO Rn. 12). Voraussetzung hierfür ist, dass der Beklagte selbst ohne zusätzlich von ihm zu erbringenden finanziellen Aufwand nicht mehr in der Lage ist, für die Pflege der Klägerin zu sorgen. Das ist dann der Fall, wenn eine Pflege der Klägerin durch den Beklagten im häuslichen Bereich nicht mehr möglich ist, weil nur noch in einem Alten- und Pflegeheim eine adäquate medizinische und pflegerische Betreuung geleistet werden kann. Diesen Inhalt der Leistungsverpflichtung des Beklagten und den Begriff der Unmöglichkeit hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt. Dabei geht es entgegen der Auffassung der Revision nicht darum, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, selbst eine professionelle Pflege zu erbringen , wie sie geschultes Personal in einem Alten- und Pflegeheim zu leisten imstande ist. Maßgebend ist, dass die vom Beklagten zu leistende persönliche Pflege dann nicht mehr möglich ist, wenn der bezweckte Erfolg dieser häuslichen Pflege deshalb nicht mehr erreicht werden kann, weil bei der Klägerin ein Pflegebedarf besteht, der eine sachgerechte Betreuung nur noch durch professionelle Fachkräfte in einem Alten- und Pflegeheim erlaubt.
7
Ein so verstandener Begriff der Leistungsverpflichtung des Beklagten und der Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB führt nicht zu einer einseitigen Risikoübernahme seitens des vertraglich Bedachten (so Mayer , DNotZ 2012, 89, 95 f.). Vielmehr wird ein angemessener Risikoausgleich zwischen den Vertragsparteien erzielt. Der Beklagte ist persönlich lediglich zu Pflegeleistungen im Rahmen seiner Möglichkeiten im häuslichen Umfeld der Klägerin verpflichtet. Er muss sich ferner nicht an den finanziellen Lasten beteiligen, die mit dem Umzug der Klägerin in das Alten - und Pflegeheim und dem damit verbundenen Wegfall seiner Pflegeverpflichtung verbunden sind. Umgekehrt hat der Beklagte keinen Anspruch darauf, dass seine vertragliche Einsetzung als Erbe erhalten bleibt, wenn er selbst die von den Vertragsparteien vorgesehene Verpflichtung zur Pflege bisher tatsächlich nicht erbracht hat und auch in Zukunft nicht wird erbringen können.
8
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht - wie dargelegt - die Leistungspflicht des Beklagten rechtsfehlerfrei bestimmt. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass es in Übereinstimmung mit dem Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2010 eine nachträgliche Unmöglichkeit i.S. von §§ 2295, 275 Abs. 1 BGB für den Fall angenommen hat, dass eine adäquate medizinische und pflegerische Versorgung der Klägerin durch den Beklagten im häuslichen Bereit Mitte des Jahres 2007 nicht mehr möglich war. Das Berufungsgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme schließlich auch rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass dies der Fall war. Hierbei hat es sich auf das Gutachten der Sachverständigen Prof. B. sowie die Aussagen der Zeugen S. und Dr. W. gestützt. Die Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme obliegt dem Tatrichter. Sie ist im Revisionsverfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob dieser sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist sowie nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungsgesetze verstößt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO 29. Aufl. § 546 Rn. 13; Zöller/Greger ebenda § 286 Rn. 23). Derartige Rechtsfehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Der Senat hat die Einwendungen der Revision geprüft und erachtet sie für nicht durchgreifend.

9
Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen seine Hinweispflicht aus § 139 ZPO liegt ebenfalls nicht vor. Die Sachverständige hat die für sie maßgebenden Umstände in dem schriftlichen Gutachten vom 5. Januar 2012 sowie in ihrer Anhörung vom 9. Mai 2012 im Einzelnen dargelegt. Wenn der Beklagte meint, dass er selbst oder ihn unterstützende Familienangehörige gleichwohl in der Lage seien, den von der Sachverständigen umschriebenen Pflegebedarf zu erfüllen, so hätte er dies bereits im Berufungsverfahren vortragen können und müssen. Eines gesonderten Hinweises des Berufungsgerichts hierzu bedurfte es nicht.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 24.09.2009 - 9 O 1710/08 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 29.05.2012- 12 U 67/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2012 - IV ZR 207/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2012 - IV ZR 207/12

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 275 Ausschluss der Leistungspflicht


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2295 Rücktritt bei Aufhebung der Gegenverpflichtung


Der Erblasser kann von einer vertragsmäßigen Verfügung zurücktreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insbesondere

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2010 - IV ZR 30/10

bei uns veröffentlicht am 05.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 30/10 vom 5. Oktober 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 2295, 323 Ist mit einem Erbvertrag, durch den der Erblasser den Bedachten zum Erben bestimmt, ein gegenseitiger Vertrag u

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2003 - V ZR 291/02

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZR 291/02 vom 27. März 2003 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO (2002) § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2 a) Zur Darlegung des Zulassungsgrundes des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2012 - IV ZR 207/12.

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Nov. 2014 - IV ZR 104/14

bei uns veröffentlicht am 05.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR104/14 Verkündet am: 5. November 2014 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 2212, § 2317 Abs. 2

Referenzen

Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 30/10
vom
5. Oktober 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist mit einem Erbvertrag, durch den der Erblasser den Bedachten zum Erben
bestimmt, ein gegenseitiger Vertrag unter Lebenden verbunden, in dem der
Bedachte sich zum Erbringen von Pflegeleistungen verpflichtet und der Erblasser
weitere Verpflichtungen übernimmt (hier: keine Veräußerung oder Belastung
seines Hausgrundstücks zu Lebzeiten), so kann letzterer wegen unterbliebener
Pflegeleistungen gemäß § 323 BGB von diesem Vertrag und
zugleich nach § 2295 BGB vom Erbvertrag zurücktreten.
Ein derartiger Rücktritt kommt erst dann in Betracht, wenn der Erblasser den
Bedachten unter Fristsetzung zuvor vergeblich aufgefordert hat, die im Einzelnen
zu bezeichnenden Pflegeleistungen zu erbringen.
BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - IV ZR 30/10 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf, Harsdorf-Gebhardt, die
Richter Dr. Karczewski und Lehmann
am 5. Oktober 2010

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 12. Januar 2010 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 104.000 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Erbvertrages in Anspruch. Mit Vertrag vom 15. April 1981 setzte die Klägerin den Beklagten zu ihrem Erben ein. Ferner verpflichtete sie sich, ihr Hausgrundstück ohne Zustimmung des Beklagten weder zu veräußern noch zu belasten. Im Falle eines Verstoßes sollte der Beklagte berechtigt sein, die sofortige unentgeltliche Übertragung des Grundstücks zu verlangen. Der Beklagte seinerseits verpflichtete sich, "die Erschienene zu 1. in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen, ohne dass dafür Geldwertmittel von mir oder meinen Rechtsnachfolgern aufzuwenden sind".
2
Der Beklagte wohnte seit 1980 zunächst in einer eigenen Wohnung im Haus der Klägerin, bis er Anfang 1993 auszog. Am 19. April 1999 forderte die Klägerin den Beklagten schriftlich unter Hinweis auf den Erbvertrag auf, bis zum 1. Mai 1999 in ihrer Wohnung vorstellig zu werden. Pflegeleistungen durch den Beklagten wurden in der Folgezeit nicht erbracht. Am 20. Juni 2007 zog die Klägerin in ein Alten- und Pflegeheim, wo sie sich auch gegenwärtig noch aufhält. Am 18. Januar 2008 erklärte sie den Rücktritt vom Erbvertrag unter Berufung darauf, dass sie seit Frühjahr 1999 geringfügig und seit Anfang des Jahres 2005 in größerem Umfang auf Pflege angewiesen gewesen sei. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben.
3
II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne weitere Sachaufklärung verletzt den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise und rechtfertigt die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO.
4
1. Nicht verfahrensfehlerfrei hat das Berufungsgericht zunächst die Feststellung getroffen, die Klägerin sei gemäß §§ 2295, 323 Abs. 1 BGB wirksam vom Erbvertrag zurückgetreten, da der Beklagte seine Pflegeverpflichtung nicht erfüllt habe.

5
a) Nach § 2295 BGB kann der Erblasser von einer vertragsmäßigen Verfügung zurückzutreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insbesondere Unterhalt zu gewähren, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tod des Erblassers aufgehoben wird. Grundsätzlich finden die Regelungen über gegenseitige Verträge nach § 320 ff. BGB, insbesondere über den Rücktritt nach § 323 BGB, auf Erbverträge keine Anwendung, da es am Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der erbrechtlichen Verfügung und der übernommenen Verpflichtung des Vertragserben fehlt (OLG Karlsruhe FamRZ 1997, 1180; LG Köln DNotZ 1978, 685; Staudinger/ Kanzleiter, BGB [2006] § 2295 Rn. 3; MünchKommBGB/Musielak, 5. Aufl. § 2295 Rn. 1; Erman/Schmidt, BGB 12. Aufl. § 2295 Rn. 8; Soergel /Wolf, BGB 13. Aufl. § 2295 Rn. 4; Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag 5. Aufl. § 2295 Rn. 6). Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings erkannt, dass hier ein gegenseitiger Vertrag vorliegt. Der Erbvertrag vom 15. April 1981 enthält nicht nur die Erbeinsetzung des Beklagten einerseits und die Pflegeverpflichtung des Beklagten andererseits ; vielmehr hat die Klägerin weiter die Verpflichtung übernommen, ihr Hausgrundstück nicht zu veräußern und zu belasten. Zu deren Absicherung haben die Parteien bei Verstoß eine Pflicht zur sofortigen unentgeltlichen Übereignung in den Vertrag aufgenommen und diese zugunsten des Beklagten durch eine Vormerkung abgesichert. Diese Unterlassungspflicht der Klägerin sowie die Pflegepflicht des Beklagten stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis i.S. von § 323 Abs. 1 BGB. Ist aber mit dem Erbvertrag ein gegenseitiger Vertrag unter Lebenden verbunden, durch den der Bedachte sich dem Erblasser zur Gewährung von Pflege und/oder Unterhalt verpflichtet, so kann der Erblasser beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 BGB von diesem Vertrag und zugleich nach § 2295 BGB vom Erbvertrag zurücktreten (vgl. bereits RG DNotZ 1935, 678; Staudinger aaO Rn. 9; Soergel aaO Rn. 4).
6
b) Unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG hat das Berufungsgericht jedoch festgestellt, dass der Beklagte seine Vertragspflichten zu keinem Zeitpunkt erfüllt habe und eine Fristsetzung wegen ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich gewesen sei.
7
aa) Zunächst kann die nach § 323 Abs. 1 BGB erforderliche Fristsetzung zur Leistung oder Nacherfüllung nicht in dem Schreiben der Klägerin vom 19. April 1999 gesehen werden. Dieses enthält schon keine konkrete Aufforderung zur Erbringung von Pflegeleistungen, sondern nur die allgemeine Feststellung, der Beklagte habe sich seit dem 31. Juli 1992 nicht mehr um die Klägerin gekümmert und er solle bis zum 1. Mai 1999 in ihrer Wohnung vorstellig werden. Insoweit fehlt es schon an der erforderlichen bestimmten und eindeutigen Aufforderung zur Leistung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB 69. Aufl. § 323 Rn. 13).
8
bb) Aber auch eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB hat das Berufungsgericht nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt. Es hat vielmehr ausschließlich den Vortrag der Klägerin zugrunde gelegt und den Vortrag des Beklagten außer Acht gelassen , wonach er auch nach dem Streit mit der Klägerin 1992/1993 zu ihrer Pflege bereit gewesen sei und auch heute noch ist. Der Beklagte hat im Einzelnen vorgetragen, nach seinem Auszug aus dem Haus der Klägerin habe diese den Kontakt zu ihm abgebrochen und nicht umgekehrt. Er habe erst im Januar 2008 erfahren, dass die Erblasserin sich im Pflegeheim befinde. Ferner habe die Klägerin ihn zu keinem Zeitpunkt zu konkreten und bestimmten Pflegeleistungen aufgefordert. Bereits das Landgericht hatte zumindest teilweise zu den maßgeblichen Fragen der Pflegebedürftigkeit der Klägerin, der Kenntnis des Beklagten hiervon sowie der Ablehnung eines Kontakts der Klägerin mit dem Beklagten durch Vernehmung der Zeuginnen M. , R. H. sowie M. H. Beweis erhoben. Vor diesem Hintergrund stellt es daher einen Verstoß gegen den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör dar, wenn das Berufungsgericht ohne weitere Begründung von einer endgültigen Leistungsverweigerung des Beklagten ausgeht, ohne seinen Vortrag sowie die erfolgte Beweisaufnahme zu berücksichtigen.
9
cc) Nicht entscheidend kann hierbei auch auf den vom Berufungsgericht weiter herangezogenen Umstand abgestellt werden, den Beklagten habe eine fortlaufende Erkundigungs- und Überwachungspflicht dahin getroffen, ab wann tatsächlich die im Vertrag vorausgesetzte Bedürftigkeit bei der Klägerin eingesetzt habe. Zwar muss der Schuldner nach § 294 BGB die Leistung dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich anbieten. Dies muss in einer Art und Weise geschehen, dass der Gläubiger nur noch zuzugreifen braucht (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1991 - V ZR 229/80, BGHZ 116, 244, 249). Soweit es um die Verpflichtung zu Pflegeleistungen geht, muss diese aber, wenn keine klaren vertraglichen Abreden bestehen, inhaltlich, zeitlich und räumlich durch den Gläubiger konkretisiert werden, damit der Schuldner überhaupt weiß, was er zu tun hat. Es war deshalb zunächst Aufgabe der Klägerin, sich gegenüber dem Beklagten im Einzelnen dahin zu äußern, welche konkreten Pflegeleistungen dieser durchzuführen hat. Das allgemeine Schreiben vom 19. April 1999 genügte dafür nicht. Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des nicht mehr im Haus der Klägerin wohnenden Beklagten, sich fortlaufend bei der Klägerin zu erkundigen, ab wann und welche Leistungen sie benötigt.
10
c) Nicht tragfähig sind ferner die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts , der Beklagte sei nicht wegen Unmöglichkeit von der Erfüllung der Pflegeverpflichtung frei, sondern habe sich an den Kosten der Heimunterbringung in Höhe seiner ersparten Aufwendungen zu beteiligen. Dasselbe soll nach Ansicht des Berufungsgerichts dann gelten, wenn nicht die Heimunterbringung selbst, sondern die persönlichen Differenzen der Vertragspartner der Durchführung der Pflege entgegenstünden. In dem Vertrag vom 15. April 1981 haben die Parteien vereinbart , dass der Beklagte die Klägerin in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen hat, "ohne dass dafür geldwerte Mittel von mir oder meinen Rechtsnachfolgern aufzuwenden sind". Geschuldet werden vom Beklagten mithin nicht von ihm gesondert zu zahlende Sachleistungen, sondern nur die eigentlichen Pflege- und Dienstleistungen. Eine gesonderte Geldzahlungsverpflichtung des Beklagten kommt demgegenüber nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Betracht. So hat der V. Zivilsenat in seinem Urteil vom 29. Januar 2010 - V ZR 132/09 - (FamRZ 2010, 554 unter 2 b) entschieden, ein Familienangehöriger , der als Gegenleistung für die Übertragung eines Grundstücks die Pflege des Übergebers übernommen habe und seine Leistung wegen Umzugs des Übergebers in ein Pflegeheim nicht mehr erbringen könne, sei aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung im Zweifel nicht verpflichtet , an Stelle des ersparten Zeitaufwands eine Zahlungsverpflichtung zu übernehmen. Der Übernehmer verpflichte sich zu der Pflege und Betreuung des Übergebers meist in der Annahme, die geschuldeten Dienste selbst oder durch Familienangehörige, also ohne finanziellen Aufwand, erbringen zu können. Es entspreche deshalb in aller Regel nicht dem hypothetischen Parteiwillen, dass Geldzahlungen an die Stelle der versprochenen Dienste träten, wenn diese aus Gründen, die der Übernehmer nicht zu vertreten habe, nicht mehr erbracht werden könnten.
11
Kann der Beklagte mithin die Pflegeleistungen wegen des Umzugs der Klägerin in das Alten- und Pflegeheim nicht mehr erbringen, so ist er grundsätzlich auch nicht zur Übernahme von Geldzahlungen verpflichtet. Anderes würde nur dann gelten, wenn die Pflegeleistungen aus vom Beklagten zu vertretenden Gründen nicht mehr erbracht werden und allein hierdurch ein Umzug in das Alten- und Pflegeheim erforderlich gewesen sein sollte. Das wiederum hängt von der ohnehin noch zu klärenden Frage ab, ob der Beklagte ernsthaft und endgültig die Leistung verweigert hat. Nur dann käme wegen Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB überhaupt ein Rücktritt vom Vertrag in Betracht. Auf die vom Beklagten weiter aufgeworfene Frage, ob auch bereits bei sonstigen persönlichen Differenzen unabhängig von einem individuellen Verschulden die Verpflichtung zur anteiligen Geldzahlung entfällt, kommt es dagegen nicht an. Maßgebend sind vielmehr allein die Vorgaben des § 323 BGB, nämlich ob einerseits eine Fristsetzung nach Abs. 2 Nr. 1 wegen endgültiger und ernsthafter Leistungsverweigerung durch den Beklagten entbehrlich war, oder ob umgekehrt nach Absatz 6 ein Rücktritt der Klägerin ausgeschlossen ist, weil sie für den Umstand, der sie zum Rücktritt berechtigen würde (hier die unterlassene Erbringung der Pflegeleistung ), allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, oder ob der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.
12
d) Für die weitere Verfahrensweise weist der Senat ferner auf einen bisher nicht hinreichend beachteten Gesichtspunkt hin. Als Aufhebung der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, ist gemäß § 2295 BGB auch der Fall der nachträglichen Unmöglichkeit der zu erbringenden Leistung anzusehen (MünchKommBGB/Musielak, § 2295 Rn. 4; Soergel/Wolf, § 2295 Rn. 3; Erman/Schmidt, § 2295 Rn. 4). Eine derartige Unmöglichkeit der Leistungserbringung für den Beklagten gemäß § 275 Abs. 1 BGB in Form der subjektiven Unmöglichkeit könnte sich hier daraus ergeben, dass die Erblasserin am 20. Juni 2007 in ein Alten- und Pflegeheim gezogen ist. Der Beklagte selbst war lediglich zu einer Betreuung der Klägerin im häuslichen Umfeld mit den ihm gegebenen persönlichen Möglichkeiten verpflichtet. Sollte die Klägerin aber im Jahr 2007 in ein Alten- und Pflegeheim umgezogen sein, weil nur noch dort, nicht dagegen zu Hause, eine adäquate medizinische und pflegerische Betreuung möglich war, so entfiel gemäß § 275 Abs. 1 BGB wegen nachträglicher Unmöglichkeit eine Pflegeverpflichtung des Beklagten , was der Klägerin dann die Möglichkeit eröffnete, ihrerseits von der erbvertraglichen Einsetzung des Beklagten zurückzutreten. Warum die Klägerin 2007 in ein Alten- und Pflegeheim gezogen ist, wurde von ihr bisher nicht hinreichend vorgetragen. Dies wird auf entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts nachzuholen sein.
13
2. Durchgreifenden Bedenken begegnet ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe mit der Rücktrittserklärung vom 18. Januar 2008 den Erbvertrag zugleich wirksam nach § 2281 Abs. 1 i.V. mit § 2078 Abs. 2 BGB angefochten. Hierbei kann die Frage, ob überhaupt ein Anfechtungsgrund wegen Fehlvorstellungen der Klägerin über die vom Bedachten erbrachten Betreuungsleistungen vorliegt, offen bleiben. Jedenfalls hat die Klägerin die Anfechtung durch das Schreiben vom 18. Januar 2008 nicht rechtzeitig erklärt. Gemäß § 2283 Abs. 1 BGB kann die Anfechtung durch den Erblasser nur binnen Jahresfrist erfolgen. Die Frist beginnt nach Absatz 2 im Falle eines Irrtums mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erblasser von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Kenntnis bedeutet sichere und überzeugte Kenntnis aller wesentlicher Tatumstände (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 1973 - IV ZR 121/70, FamRZ 1973, 539 unter 2; BayObLG ZEV 1995, 105; NJW-RR 1990, 200; FamRZ 1983, 1275; MünchKommBGB/Musielak, § 2283 Rn. 3; Soergel/Wolf, § 2283 Rn. 2). An diese Kenntnis dürfen zwar nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden, zumal es in derartigen Fällen häufig noch auf eine hinreichende innere Überzeugungsbildung des Erblassers ankommt.
14
Auch auf dieser Grundlage trifft aber die Annahme des Berufungsgerichts , die nötige Kenntnis vom Anfechtungsgrund liege erst vor, wenn sich der Erblasser der notwendigen Erkenntnis schlechterdings nicht mehr verschließen könne, nicht zu, weil hierdurch zu hohe Anforderungen an die Kenntniserlangung gestellt werden. Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang den Fristbeginn erst mit dem Umzug der Klägerin in das Alten- und Pflegeheim angenommen hat, wird verkannt, dass die Verpflichtung des Beklagten zur Erbringung von Pflegeleistungen nicht erst auf einem Niveau einsetzt, das Leistungen eines Altenund Pflegeheims erforderlich macht. Nach der vertraglichen Regelung hat der Beklagte generell die Klägerin in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen. Es kommt daher auf den Zeitpunkt an, zu dem die Klägerin sichere Kenntnis von ihrer eigenen Pflegebedürftigkeit und der tatsächlich nicht erbrachten Pflegeleistung durch den Beklagten hatte. Das ist spätestens im Jahr 2006 der Fall gewesen. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, sie sei ab Frühjahr 1999 geringfügig und seit Anfang 2005 in größerem Umfang pflegebedürftig gewesen. Sie selbst hatte über eine Anzeige bereits im Jahre 2005 eine Betreuerin gesucht. Die Zeugin M. war dann seit 2005 bei ihr tätig, wobei sich die Pflegeleistungen im Jahr 2006 dahin steigerten, dass nicht nur die allgemeine Haushaltsführung übernommen, sondern die Klägerin auch gebadet und angezogen werden musste. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kann der Klägerin nicht mehr verborgen geblieben sein, dass sie objektiv pflegebedürftig war und der Beklagte keine Pflegeleistungen erbrachte. Eine erst im Jahr 2008 erklärte Anfechtung war daher verfristet.
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3. Auch eine Kündigung nach § 314 BGB kommt schließlich nicht in Betracht. Nach § 314 Abs. 3 BGB kann der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Das Berufungsgericht orientiert sich hierfür an der Anfechtungsfrist des § 2283 BGB. Ob eine derartige allgemeine Übertragung der Frist zulässig ist, erscheint zweifelhaft. Das Gesetz hat nämlich wegen der Vielgestaltigkeit der Dauerschuldverhältnisse bewusst von einer festen Ausschlussfrist abgesehen (vgl. MünchKommBGB/Geier, 5. Aufl. § 314 Rn. 20). Fristbeginn ist jedenfalls der Zeitpunkt, zu dem der Kündigende Kenntnis vom Kündigungsgrund erlangt. Notwendig ist eine sichere und umfassende Kenntnis von den Tatsachen, aus denen sich der wichtige Grund ergibt (MünchKommBGB aaO Rn. 21). Das Berufungsgericht will hier erneut auf den Einzug der Klägerin in das Pflegeheim abstellen. Aus den oben genannten Gründen ist die erforderliche Kenntnis aber bereits im Jahr 2006 mit den häuslichen Pflegeleistungen durch die Zeugin M. anzunehmen, so dass eine Kündigung erst mit dem Schreiben vom 18. Januar 2008 verfristet war.
Terno Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski Lehmann
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 24.09.2009 - 9 O 1710/08 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 12.01.2010 - 12 U 67/09 -

Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 291/02
vom
27. März 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2

a) Zur Darlegung des Zulassungsgrundes des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO genügt
nicht die bloße Behauptung einer grundsätzlichen Bedeutung. Die Beschwerdebegründung
muß vielmehr insbesondere auf die Klärungsbedürftigkeit einer bestimmten
Rechtsfrage und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung
eingehen.

b) Betrifft eine Rechtsfrage, wegen der grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 ZPO) geltend gemacht wird, auslaufendes Recht, so muß in der Begründung
der Nichtzulassungsbeschwerde auch dargelegt werden, daß eine
höchstrichterliche Entscheidung gleichwohl für die Zukunft richtungsweisend sein
kann, weil entweder noch über eine erhebliche Anzahl von Fällen nach altem
Recht zu entscheiden oder die Frage für das neue Recht weiterhin von Bedeutung
ist.

c) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Alt. 2 ZPO) ist die Revision auch dann zuzulassen, wenn das Berufungsurteil auf
einem Rechtsfehler beruht, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung
zu beschädigen. Dies ist namentlich der Fall, wenn das Berufungsurteil auf einer
Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot
(Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf einer Verletzung der Verfahrensgrundrechte
des Beschwerdeführers beruht (Fortführung der Senatsrechtspr., Beschl. v. 4. Juli
2002, V ZR 16/02, NJW 2002, 3029 u. V ZR 75/02, NJW 2002, 2957; Abgrenzung
zu BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, XI ZR 71/02, NJW 2003, 65).

d) Auch für eine Zulassung der Revision zur Wahrung des Vertrauens in die Recht-
sprechung kommt es auf die Offensichtlichkeit des Rechtsfehlers nicht an. Soweit
in den Gesetzesmaterialien eine Ergebniskorrektur wegen "offensichtlicher Unrichtigkeit"
des Berufungsurteils gefordert wird, sind damit Fälle der Willkür angesprochen
, bei denen sich die Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung durch das
Berufungsgericht so weit von den gesetzlichen Grundlagen entfernt, daß sie unter
keinem denkbaren Aspekt mehr vertretbar und in diesem Sinne evident fehlerhaft
ist.
BGH, Beschluß vom 27. März 2003 - V ZR 291/02 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 27. März 2003 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Juni 2002 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 37.234,67

Gründe:


I.


Mit notariellem Vertrag vom 7. Juli 1998 verkauften die Beklagte zu 1 und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann, der vom Beklagten zu 2 beerbt worden ist, ein 877 m² großes Hausgrundstück unter Ausschluß jeder Gewährleistung zum Preis von 430.000 DM an die Kläger. Das auf dem Grundstück befindliche Gebäude, eine Doppelhaushälfte, war in der Zeit zwischen 1920 und 1930 errichtet und nach 1945 um einen Anbau erweitert worden. Die Beklagte zu 1 und ihr Ehemann hatten vor dem Verkauf an die Kläger selbst mehr als zwanzig Jahre lang in dem Haus gewohnt. Nach Übergabe des
Grundstücks am 4. Januar 1999 begannen die Kläger damit, das Haus zu entkernen. Im Zuge der Renovierungsarbeiten zeigten sich nach Entfernung angebrachter Eternitschiefer- und Rigipsplatten sowie auf dem Boden verlegter Teppiche zahlreiche Risse in Decken und Wänden. Außerdem stellten die Kläger fest, daß im Garten des steil abfallenden Grundstücks etwa 90 m³ gemischte Bau- und Abbruchabfälle abgelagert worden waren. Wegen der festgestellten Bauwerksschäden ließen die Kläger das Haus abreißen.
Sie verlangen von den Beklagten den Ersatz der Kosten für die Mängelbeseitigung in Höhe von 37.671,78 DM und die Abfallentsorgung in Höhe von 31.679,60 DM sowie weitere 13.500 DM als Entschädigung für die fehlende Nutzbarkeit des Objekts während der für die Sanierung erforderlichen neun Monate. Nach vollständiger Abweisung der Klage durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht die Beklagten wegen der zum Nachbarhaus hin gekippten Gebäudetrennwand gemäß § 463 Satz 2 BGB a.F. zu Schadensersatz "! # $ %& ' in Höhe von 5.126,57 Berufung der Kläger zurückgewiesen, weil sich nicht feststellen lasse, daß die Beklagten von den weiteren Gebäudemängeln und von der stofflichen Zusammensetzung der als solcher offensichtlichen Anschüttung im Garten Kenntnis gehabt hätten. Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung hätten die Kläger nicht vorgetragen, inwieweit die ohnehin geplanten und bereits begonnenen Entkernungsarbeiten durch die Beseitigung der gerügten Mängel - soweit die Beklagten für diese überhaupt verantwortlich seien - verzögert worden wären. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

II.


Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) ist zulässig, bleibt in der Sache selbst jedoch ohne Erfolg, weil die Kläger einen Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht dargetan haben.
1. Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) nicht gegeben.

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, NJW 2002, 2957; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, XI ZR 71/02, NJW 2003, 65, 68 zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831; Beschl. v. 7. Januar 2003, X ZR 82/02, WM 2003, 403, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; zu § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO: Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, NJW 2002, 3029, zur Veröffentlichung in BGHZ 151, 221 vorgesehen, jeweils m. w. N.). Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Hierfür genügt die bloße Behauptung , die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Der Beschwerdeführer muß vielmehr konkret auf die Rechtsfrage, ihre Entscheidungserheblichkeit , Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen. Insbesondere sind
Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die betreffende Rechtsfrage umstritten ist (BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; ebenso zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO: BFHE 196, 30, 35; BFH/NV 2001, 1033; 2002, 51, 52; 213, 214; 352, 353). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht gerecht.

b) Im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Anspruch auf Ersatz entgangener Nutzung des Wohnhauses - den das Berufungsgericht zwar grundsätzlich für möglich gehalten (zu den Voraussetzungen der Nutzungsentschädigung bei gekauften Wohnungen vgl. Senat, BGHZ 117, 260, 261 f), im Ergebnis aber wegen unzureichender Darlegungen zur Dauer der Verzögerung durch erforderliche Mängelbeseitigungsarbeiten verneint hat - wollen die Kläger der Frage rechtsgrundsätzliche Bedeutung beilegen, ob das Gericht zur Ermittlung der Höhe eines Nutzungsausfallschadens die Dauer einer erforderlichen Reparatur anhand vorliegender einfacher Baubeschreibungen gemäß § 287 ZPO schätzen müsse. Der Beschwerdebegründung läßt sich indessen nicht entnehmen, in welcher Hinsicht diese Frage klärungsbedürftig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes setzt eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen voraus (BGH, Urt. v. 15. März 1988, VI ZR 81/87, NJW 1988, 3016, 3017). Hierfür dürfen zwar keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden (BGH, Urt. 27. September 2001, IX ZR 281/00, NJW 2002, 825, 826). Solange greifbare Anhaltspunkte für die Darstellung des Klägers vorliegen, ist es nicht möglich, eine Schadensersatzklage wegen eines lückenhaften Vortrags abzuweisen (BGH, Urt. v. 2. Juli 1996, X ZR 64/94, NJW 1996, 2924, 2925). Unzulässig ist eine Schadensschätzung jedoch, wenn sie mangels
greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge (BGHZ 91, 243, 256 f; BGH, Urt. v. 12. Oktober 1993, X ZR 65/92, NJW 1994, 663, 665). Daß - und ggf. von wem und mit welchen Gründen - diese Grundsätze in Zweifel gezogen werden, mithin Klärungsbedarf bestehen könnte, haben die Kläger nicht dargelegt. Der Sache nach rügen sie lediglich, daß das Berufungsgericht eine Schadensschätzung trotz hinreichender Anknüpfungstatsachen unterlassen hat. Ob die von den Klägern, ggf. unter Bezugnahme auf den Inhalt der eingeholten Sachverständigengutachten, vorgetragenen Tatsachen eine ausreichende Schätzungsgrundlage, sei es auch nur für die Feststellung eines Mindestschadens, abgegeben hätten, ist indes eine Frage der zutreffenden Rechtsanwendung im Einzelfall und einer Verallgemeinerung nicht zugänglich.

c) Ebensowenig kommt der vorliegenden Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Frage zu, ob nach § 463 Satz 2 BGB a.F. auch solche Schadenspositionen zu ersetzen sind, die zwar durch den arglistig verschwiegenen Umstand verursacht sind, dem Verkäufer jedoch nicht bekannt waren. Die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage scheitert an der fehlenden Entscheidungserheblichkeit. In ihrer Beschwerdebegründung weisen die Kläger selbst darauf hin, daß das Berufungsgericht ihrem Vorbringen, sämtliche Gebäudeschäden seien auf eine einzige Ursache - nämlich auf das den Verkäufern bekannte Kippen der Gebäudetrennwand - zurückzuführen, nicht gefolgt ist. Das Berufungsgericht ist vielmehr von dem Vorliegen mehrerer verschiedener Fehler des verkauften Hauses ausgegangen. Danach scheidet wegen derjenigen Fehler, die der Beklagten zu 1 und ihrem Ehemann nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht bekannt waren, ein Schadensersatzanspruch gemäß § 463 Satz 2 BGB a.F. schon mangels Arglist aus, ohne
daß es auf die Beantwortung der von den Beklagten angesprochenen Frage ankäme, ob sich die Kenntnis des Verkäufers auch auf die Folgen eines arglistig verschwiegenen Fehlers erstrecken muß. Darüber hinaus enthält die Beschwerdebegründung keinerlei Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage. Die Kläger verweisen lediglich darauf, daß sich das Arglisterfordernis nach der Rechtsprechung des Senats nur auf den Fehler der Kaufsache als solchen, nicht jedoch auf die daraus resultierenden weiteren Schadensfolgen bezieht (Senat, Urt. v. 12. Juli 1991, V ZR 121/90, NJW 1991, 2900, 2901; vgl. auch Senat, Urt. v. 3. März 1995, V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550). Daß und von wem dies bestritten würde, haben die Kläger hingegen wiederum nicht dargelegt. Da die Rechtsfrage auslaufendes Recht betrifft, hätten die Kläger zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit überdies aufzeigen müssen, daß eine höchstrichterliche Entscheidung gleichwohl für die Zukunft richtungweisend sein kann, weil entweder noch über eine erhebliche Anzahl von Fällen nach altem Recht zu entscheiden oder die Frage für das neue Recht weiterhin von Bedeutung ist (vgl. zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO: BFH/NV 1997, 347, 348; 2000, 1080; 2003, 186, 187; zu § 132 Abs. 1 Nr. 2 VwGO: BVerwG, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 129; NVwZ-RR 1996, 712 m.w.N.; zu § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG: BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr. 19). Auch daran läßt es die Beschwerde fehlen.

d) Geht es nicht um die Klärung einer für eine Vielzahl von Fällen bedeutsamen Rechtsfrage, so kommt einer Sache grundsätzliche Bedeutung auch dann zu, wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits, insbesondere dessen tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht, nicht nur für die Vermögensinteressen der Parteien, sondern auch für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes
zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 105; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungs- band, § 543 Rdn. 11; Hannich in Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 543 Rdn. 19). Für eine Zulassung der Revision unter diesem Gesichtspunkt ist der Beschwerdebegründung jedoch kein Hinweis zu entnehmen.
2. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Zulassung der Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts geboten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, daß der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Ein solcher Anlaß besteht für die Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO: Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, m.w.N.; Beschl. v. 19. September 2002, V ZB 31/02, NJW-RR 2003, 132; zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO: BFHE 196, 30, 35; BFH/NV 2002, 51, 52; 682, 683). Dies ist nach dem Inhalt der Beschwerdebegründung nicht der Fall, wie bereits die von den Klägern in Bezug genommene Rechtsprechung des Senats belegt.
3. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist ferner nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).

a) Dieser Zulassungsgrund ist zunächst in den Fällen einer Divergenz gegeben, wenn also die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung
eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180; Beschl. v. 31. Oktober 2002, V ZR 100/02, WM 2003, 259; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO, 66; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, NJW 2002, 2473 f; Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO; zu § 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG: Senat, BGHZ 89, 149, 151). Diese Voraussetzung zeigen die Kläger in ihrer Beschwerdebegründung nicht auf. Zwar rügen sie, das Berufungsgericht sei entgegen der bereits genannten Entscheidung des Senats vom 12. Juli 1991 fehlerhaft davon ausgegangen, der Verkäufer habe nach § 463 Satz 2 BGB a.F. nur solche Schadenspositionen zu ersetzen, hinsichtlich derer ihm Vorsatz nachgewiesen werden könne. Damit hat das Berufungsgericht jedoch keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der von der Rechtsprechung des Senats abweicht. Es kann sich allenfalls um eine fehlerhafte, die Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht beachtende Rechtsanwendung handeln, wodurch jedoch eine Divergenz nicht begründet wird (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 543 Rdn. 16; vgl. auch Senat, Beschl. v. 1. Juli 1977, V BLw 1/77, AgrarR 1977, 387, 388, std. Rspr. zu § 24 LwVG; zu § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG: BAG, AP Nr. 33 zu § 72a ArbGG 1979).

b) Obgleich der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht auf die geschilderten Fälle der Divergenz beschränkt ist, sind seine Voraussetzungen nicht
schon dann erfüllt, wenn - was zu Gunsten der Kläger unterstellt werden mag - die Entscheidung des Berufungsgerichts, gemessen an der Rechtsprechung des Senats, fehlerhaft ergangen wäre. Mit der Einführung dieses Zulassungsgrundes wollte der Gesetzgeber dem Bundesgerichtshof nicht die Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung in dem Sinne auferlegen, daß Entscheidungen der Instanzgerichte in jedem Fall auf ihre Richtigkeit revisionsrechtlich zu überprüfen und ggf. zu korrigieren sind. Erforderlich ist vielmehr, daß über den Einzelfall hinaus ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts besteht (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BTDrucks. 14/4722, S. 104; Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2002, aaO, 260; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, aaO, 2474; Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, 3030 m.w.N.). Nur eine solche restriktive Auslegung entspricht dem mit der Neuregelung des Zugangs zur Revisionsinstanz - ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (BTDrucks. 14/4722, S. 66) - verfolgten Zweck, im Interesse der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Bundesgerichtshofes (vgl. hierzu Rimmelspacher in Festschrift für Schumann, 2001, S. 327, 331 f; Wenzel, NJW 2002, 3353) das Rechtsmittel nur für solche Sachen zu eröffnen, deren Entscheidung Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukommt, weil hierbei Fragen auch mit Blick auf die Wiederholung ähnlicher Fälle zu beantworten sind oder sonstige Interessen der Allgemeinheit in besonderem Maße berührt werden.
aa) Im danach maßgeblichen Interesse der Allgemeinheit liegt die Korrektur eines fehlerhaften Berufungsurteils zum einen dann, wenn vermieden werden soll, daß schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, die nicht den Charakter einer Divergenz im her-
kömmlichen Sinn haben. Die hierdurch bestimmte Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Leitentscheidung muß sich aus konkreten Anhaltspunkten ergeben , wie etwa aus einer ständigen Fehlerpraxis, die eine Wiederholung des Rechtsfehlers durch das Gericht besorgen läßt, oder aus der ernsthaften Gefahr einer Nachahmung durch andere Gerichte (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 104; Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Beschl. v. 31. Oktober 2002, aaO; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, aaO, 2474; Beschl. v. 19. September 2002, aaO; BGH, Beschl. v. 4. September 2002, VIII ZB 23/02, NJW 2002, 3783, 3784; Beschl. v. 27. November 2002, VIII ZB 33/02, NJWRR 2002, 229; zu § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG: BGHSt 24, 15, 22). Die Evidenz oder das Gewicht eines Rechtsfehlers kann in diesem Zusammenhang keine Bedeutung erlangen; denn diese Umstände sprechen eher gegen als für die Gefahr einer Wiederholung oder Nachahmung (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO, 67). Daß dem ihrer Ansicht nach vorliegenden Rechtsfehler des Berufungsgerichts eine symptomatische Bedeutung oder Signalwirkung zukäme, haben die Kläger in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt.
bb) Darüber hinaus besteht ein maßgebliches Allgemeininteresse an einer korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts auch dann, wenn das Berufungsurteil auf einem Rechtsfehler beruht, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 66, 104).
(1) Für eine Zulassung der Revision unter diesem Gesichtspunkt kommt es wiederum nicht darauf an, ob der Rechtsfehler in dem Sinne offensichtlich ist, daß er von jedermann oder zumindest von einem Fachkundigen ohne weiteres erkannt werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Beschl. v. 31. Oktober 2002, aaO; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, aaO; zu § 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG: BGHSt 24, 15, 21; Göhler/Seitz, OWiG, 13. Aufl., § 80 Rdn. 5 m.w.N.). Angesichts der individuell unterschiedlichen Erkenntnismöglichkeiten , für die auch der Grad der Komplexität und Spezialität des jeweiligen Einzelfalls in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht von maßgebender Bedeutung ist, ließe sich eine so verstandene Evidenz rational schwerlich begründen (vgl. Krugmann, JuS 1998, 7, 10). Vor allem aber wird das Vertrauen in die Rechtsprechung nicht allein dadurch gefährdet, daß ein Rechtsfehler leicht erkennbar ist. Ein solcher Fall wird eher als gelegentliche, nicht zu vermeidende Fehlleistung hingenommen. Dementsprechend stellt die Einzelbegründung des Regierungsentwurfes zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (BT-Drucks. 14/4722, S. 104) ausdrücklich klar, daß für die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht der formale Aspekt der Offensichtlichkeit eines Rechtsfehlers entscheidend ist. Maßgeblich soll vielmehr sein, ob eine fehlerhafte Entscheidung erhebliches Gewicht dadurch erlangt, daß im konkreten Fall Verfahrensgrundrechte verletzt sind oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegt. Soweit in allgemeinen Ausführungen der Entwurfsbegründung zur Neufassung der Zulassungsgründe davon die Rede ist, eine Ergebniskorrektur sei nicht nur wegen der Verletzung eines Verfahrensgrundrechts , sondern auch wegen "offensichtlicher Unrichtigkeit" des Berufungsurteils geboten (BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104), können mithin nur die Fälle der Willkür angesprochen sein, in denen sich die Rechtsauslegung
oder Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht so weit von den gesetzli- chen Grundlagen entfernt, daß sie unter keinem denkbaren Aspekt mehr vertretbar und in diesem Sinne evident fehlerhaft ist.
(2) Ein schwerer, das Vertrauen der Allgemeinheit in eine funktionierende Rechtsprechung gefährdender Rechtsfehler liegt nach alledem vor, wenn das Berufungsgericht bei der Auslegung oder Anwendung von Vorschriften des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts gegen grundlegende, verfassungsrechtlich abgesicherte Gerechtigkeitsanforderungen verstoßen hat und die Entscheidung deshalb von Verfassungs wegen einer Korrektur bedarf (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Rüsken, DStZ 2000, 815, 819; Wenzel, NJW 2002, 3353, 3356). Unter diesem Gesichtspunkt ist die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung namentlich zuzulassen , wenn die anzufechtende Entscheidung auf einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf einer Verletzung der Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers - insbesondere der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) oder des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) - beruht, so daß nicht zweifelhaft ist, daß sie auf eine Verfassungsbeschwerde hin der Aufhebung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegen würde (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, aaO, 3181; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, aaO; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, 3030; zu § 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG: BVerfG, NJW 1992, 2811, 2812; Göhler/Seitz, OWiG, aaO, § 80 Rdn. 16a; zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO: BFH/NV 2002, 798, 799; 1474, 1475; Rüsken, DStZ 2000, 815, 819 f). Der Revision kommt auf diese Weise auch die Funktion zu, präsumtiv erfolgreiche Verfassungsbeschwerden vermeidbar zu machen (vgl. Begrün-
dung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 104; Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, aaO; Wenzel, NJW 2002, 3353, 3356). Für ihre Zulassung wegen eines Rechtsfehlers des Berufungsgerichts sind deshalb die gleichen Voraussetzungen maßgebend, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Erfolg einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil führen würden. Die Orientierung an der Rechtsprechungspraxis des Bundesverfassungsgerichts ermöglicht den Parteien eine ausreichend sichere Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision, womit dem rechtsstaatlichen Gebot einer möglichst klaren und bestimmten Regelung des Zugangs zu den Rechtsmittelgerichten (BVerfGE 54, 277, 292 f; 74, 228, 234; 87, 48, 65; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4. September 2002, aaO, 3783) Genüge getan ist. Für die in der Literatur verschiedentlich geäußerten Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit des in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO geregelten Zulassungsgrundes (Rimmelspacher in Festschrift für Schumann, 2001, S. 327, 347; ders., LMK 2003, 11, 12; Büttner, MDR 2001, 1201, 1203 f; Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911, 918; vgl. auch Schultz, BGH-Report 2002, 1110, 1111) fehlt es daher an einer Grundlage. Soweit der Senat in früheren Entscheidungen gefordert hat, der Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte müsse "offenkundig" sein (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, 3030, 3031; Beschl. v. 25. Juli 2002, aaO; krit. deshalb Scheuch/Lindner, NJW 2003, 728, 730; Rimmelspacher, LMK 2003, 11, 12), war damit kein zusätzliches Erfordernis geschaffen, sondern nur an die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Begründung eines Verfassungsverstoßes geforderte Qualität der Rechtsverletzung (vgl. etwa BVerfGE 42, 237, 241; 67, 90, 95; 73, 339, 366; 86, 133, 143; 87, 282, 286; BVerfG, NJW 1988, 1456; 2001, 3533) angeknüpft worden.
Hiervon - zwar nicht im Ergebnis, wohl aber in der Begründung - abwei- chend vertritt der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluß vom 1. Oktober 2002 (XI ZR 71/02, NJW 2003, 65, 67) die Auffassung, in den Fällen einer offensichtlichen Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder eines offensichtlichen Verstoßes gegen das Willkürverbot komme - falls nicht die Voraussetzungen einer Divergenz bzw. einer Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr erfüllt sind - nur die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Betracht. Seinem Wortlaut nach stelle § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO nicht auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung, sondern allein auf die davon zu unterscheidende Einheitlichkeit der Rechtsprechung ab. Hierbei wird nicht ausreichend berücksichtigt, daß bereits jede fehlerhafte Gerichtsentscheidung unabhängig vom Vorliegen einer Divergenz oder einer Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr die Einheitlichkeit der Rechtsprechung stört, weil sie auf einer Rechtsanwendung beruht, die von derjenigen aller übrigen, das Recht richtig anwendenden Gerichte abweicht (Büttner, MDR 2001, 1201, 1203; vgl. auch Baukelmann in Festschrift für Erdmann, 2002, S. 767, 770). Bei weitem Verständnis bedürfte es daher zur Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung der Korrektur einer jeden fehlerhaften Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht (Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., Stand: März 1998, § 80 Rdn. 4). Da dies jedoch - wie bereits ausgeführt (oben 3 b) - die Funktionsfähigkeit des Bundesgerichtshofes in Frage stellen würde, hat der Gesetzgeber bei § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO den Zugang zur Revisionsinstanz auf Rechtssachen beschränkt, die die Interessen der Allgemeinheit in besonderem Maße berühren und deshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Es geht also entgegen der Auffassung des XI. Zivilsenats nicht darum, einen Zulassungsgrund zu schaffen, der in dem
Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden hat, sondern um eine an dem Gesetzeszweck orientierte Auslegung einer Vorschrift, deren Wortsinn mehre- re Deutungen zuläßt. Zur Feststellung des Allgemeininteresses, dessen Notwendigkeit der XI. Zivilsenat ebenfalls bejaht, ist es aber auch von Bedeutung, ob der jeweilige, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung störende Rechtsfehler geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beeinträchtigen. Ist dies der Fall, dann soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Korrektur grob fehlerhafter Berufungsurteile durch das Revisionsgericht ermöglichen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BTDrucks. 14/4722, S. 104; ebenso BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, aaO; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., vor § 542 Rdn. 5, § 543 Rdn. 8, 13; Hannich in Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 543 Rdn. 23). Demgemäß ergibt sich auch aus der Begründung des Regierungsentwurfs, daß der Zulassungsgrund der Grundsätzlichkeit durch § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO mit seinem herkömmlichen Begriffsinhalt in das neue Recht übernommen werden soll. Dem Anliegen , die Revision darüber hinaus namentlich auch in Fällen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten zu eröffnen, tragen erst die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO Rechnung (BT-Drucks. 14/4722, S. 104).
Der erkennende Senat sieht daher keinen Anlaß, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzurücken, die im übrigen auch der ganz überwiegenden Ansicht zur gleichlautenden Vorschrift des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO entspricht (BFH/NV 2002, 51, 52; 213, 214; 682, 683; 798, 799; 802; 1474, 1475; 1488; Gräber/Ruban, FGO, 5. Aufl., § 115 Rdn. 68; Rüsken, DStZ 2000, 815, 819; Spindler, DB 2001, 61, 62; Lange, DStZ 2002, 782, 784; offen gelassen von BFHE 196, 30, 34, 37; BFH/NV 2002, 666, 667). Anlaß für eine Vorlage an
den Großen Senat für Zivilsachen gemäß § 132 GVG besteht nicht, weil die Frage, ob die Rüge eines Rechtsfehlers mit verfassungsrechtlicher Relevanz unter § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO oder unter § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zu subsumieren ist, lediglich die Begründung der Entscheidung betrifft, deren Ergebnis jedoch nicht berührt. Bei fehlender Entscheidungserheblichkeit ist eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen nicht zulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 m.w.N.).
(3) In der Begründung ihrer Beschwerde legen die Kläger nicht dar, daß das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil verfassungsrechtliche Gewährleistungen verletzt hätte.

a) Das Berufungsgericht hat das Willkürverbot nicht mißachtet. Ist die richterliche Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts willkürlich, so stellt dies einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Hierfür reicht eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus; selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, daß die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muß mithin in krasser Weise verkannt worden sein (BVerfGE 42, 64, 74; 67, 90, 94; 80, 48, 51; 87, 273, 278 f; 89, 1, 14; BVerfG, NJW 1988, 1456, 1458; 1994, 1210, 1211; 1994, 2279; 1996, 1336; 1996, 1531; 1997, 311; 1997, 649; 1998, 2583, 2584; 1999, 207, 208; 2001, 1125 f; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99, NJW 2000, 590). Damit sind insbesondere - aber nicht nur - die Fälle erfaßt, in denen der Bundesgerichtshof bislang eine greifbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung angenommen hat (vgl. BGHZ 28, 349, 350; 109,
41, 43 f; 119, 372, 374; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 1985, VI ZB 13/85, NJWRR 1986, 738; Urt. v. 24. Juni 1987, IVb ZR 5/86, NJW 1988, 49, 51; Beschl. v. 14. Dezember 1989, IX ZB 40/89, NJW 1990, 1794, 1795; Beschl. v. 14. November 1991, I ZB 15/91, NJW 1992, 983, 984; vgl. auch Lange, DStZ 2002, 782, 785, 786).
Die Kläger meinen, das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, daß der Verkäufer nach § 463 Satz 2 BGB a.F. nur solche Schadenspositionen zu ersetzen habe, die ihm bekannt gewesen seien. Es bedarf keiner Entscheidung , ob sich eine derartige Rechtsauffassung unter keinem Aspekt vertretbarer begründen ließe, mithin als willkürlich anzusehen wäre. Sie liegt nämlich der anzufechtenden Entscheidung tatsächlich nicht zugrunde. Das Berufungsgericht hat - abweichend vom Vorbringen der Kläger in der Berufungsinstanz - angenommen, das Wohnhaus weise nicht nur einen, sondern mehrere unterschiedliche Fehler auf. Da es ein arglistiges Verhalten der Beklagten zu 1 und ihres Ehemannes nur hinsichtlich der gekippten Gebäudetrennwand festzustellen vermochte, hat es einen Schadensersatzanspruch der Kläger wegen der sonstigen Fehler verneint. Damit hat das Berufungsgericht das Vorsatzerfordernis nur auf die Fehler als solche, nicht jedoch auf die daraus resultierenden Schadensfolgen bezogen.

b) Das Berufungsgericht hat auch nicht den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Zwar verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hierzu gehört auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Art. 103 Abs. 1 GG ist aber erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar
ergibt, daß das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein Gericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es ist dabei nicht verpflichtet , sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Damit sich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen läßt, müssen demnach besondere Umstände deutlich gemacht werden, die zweifelsfrei darauf schließen lassen, daß tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfGE 25, 137, 140; 47, 182, 187 f; 54, 86, 92; 65, 293, 295 f; 69, 233, 246; 70, 288, 293; 85, 386, 404; 88, 366, 375 f; BVerfG, NJW 1994, 2279; NVwZ 1995, 1096; NJW 1998, 2583, 2584; NJWRR 2002, 68, 69). Solche Umstände haben die Kläger in der Beschwerdebegründung nicht dargetan.
Die Kläger rügen, daß das Berufungsgericht trotz ihres Antrags kein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt hat, ob sämtliche Gebäudemängel ursächlich zusammenhängen und auf die - den Verkäufern bekannte - Kippung der Gebäudetrennwand zurückzuführen sind. Zwar hat sich das Berufungsgericht in den Gründen der anzufechtenden Entscheidung mit diesem Beweisantrag der Kläger nicht ausdrücklich befaßt. Dies allein läßt jedoch nicht darauf schließen, es habe den Beweisantrag nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen. Denkbar ist vielmehr, daß das Berufungsgericht bereits aufgrund der im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Sachverständigengutachten die Überzeugung gewonnen hat, das Haus weise mehrere, auf unterschiedlichen Ursachen beruhende Fehler auf. In diesem Fall bestand kein Anlaß zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.
Weiterhin meinen die Kläger, das Berufungsgericht habe eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der aus Bauschutt bestehenden Anschüttung im Garten des Hausgrundstücks mit der Begründung verneint, die Schuttablagerung sei offensichtlich und deshalb nicht aufklärungsbedürftig gewesen. Dabei habe das Berufungsgericht den unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Kläger übergangen, der Schutthügel sei wegen des Überwuchses als solcher nicht erkennbar gewesen. Tatsächlich läßt sich den Gründen der anzufechtenden Entscheidung jedoch allenfalls entnehmen, daß das Berufungsgericht den Umstand einer nicht aus gewachsenem Boden bestehenden Anschüttung für offensichtlich gehalten hat. Daß es diesen Umstand als Fehler qualifiziert hätte, lassen seine Ausführungen dagegen nicht erkennen. Einen Fehler des Grundstücks hat das Berufungsgericht vielmehr darin gesehen , daß sich die Anschüttung aus beseitigungspflichtigen Abfallmaterialien zusammensetzte. Hiermit hätten die Beklagte zu 1 und ihr Ehemann allerdings nicht rechnen müssen, so daß ihnen ein Arglistvorwurf nicht gemacht werden könne. Damit hat das Berufungsgericht seine Entscheidung gerade nicht darauf gestützt, daß die Zusammensetzung der Anschüttung aus Bauschutt ohne weiteres erkennbar, die Schuttablagerung also offensichtlich gewesen sei. Dementsprechend bedurfte es auch keiner Vernehmung des von den Klägern für die mangelnde Erkennbarkeit der Schuttablagerung angebotenen Zeugen.
Schließlich rügen die Kläger, das Berufungsgericht habe den gebotenen Hinweis unterlassen, daß es den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nur für die Zeit der Ausbesserung der Gebäudetrennwand dem Grunde nach für gegeben halte. Da sie ohne einen solchen Hinweis nicht hätten wissen können, wegen welcher Mängel das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch bejahe, sei ihnen die vom Berufungsgericht vermißte Präzisierung
des auf die betreffenden Mängel entfallenden Teils des Nutzungsausfallschadens nicht möglich gewesen. Richtig ist zwar, daß sich aus Art. 103 Abs. 1 GG Hinweispflichten des Gerichts ergeben können, wenn der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ansonsten leerlaufen würde. Die Verfahrensbeteiligten müssen bei Anwendung der von ihnen zu fordernden Sorgfalt erkennen können, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Stellt das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag , mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozeßbeteiligter nach dem bisherigen Prozeßverlauf nicht zu rechnen brauchte, dann kommt dies im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich und stellt eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar (BVerfGE 84, 188, 190; BVerfG, NJW 2000, 275). So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Ein Schadensersatzanspruch kam nach § 463 Satz 2 BGB a.F. ohne jeden Zweifel nur wegen derjenigen Fehler des Hauses in Betracht, die die Beklagte zu 1 und ihr Ehemann bei Vertragsschluß arglistig verschwiegen hatten. Dies mußte den anwaltlich beratenen Klägern ebenso bewußt sein wie der Umstand, daß der von ihnen zu erbringende Arglistnachweis möglicherweise nur hinsichtlich einzelner Fehler zu führen sein würde. Damit hätte der von den Klägern lediglich pauschal geltend gemachte Nutzungsausfallschaden bei sorgfältiger Prozeßführung auch ohne einen entsprechenden Hinweis des Gerichts den einzelnen, sich aus dem Beweissicherungsgutachten ergebenden Fehlern anteilig zugeordnet und in diesem Sinne konkretisiert werden müssen.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 30/10
vom
5. Oktober 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist mit einem Erbvertrag, durch den der Erblasser den Bedachten zum Erben
bestimmt, ein gegenseitiger Vertrag unter Lebenden verbunden, in dem der
Bedachte sich zum Erbringen von Pflegeleistungen verpflichtet und der Erblasser
weitere Verpflichtungen übernimmt (hier: keine Veräußerung oder Belastung
seines Hausgrundstücks zu Lebzeiten), so kann letzterer wegen unterbliebener
Pflegeleistungen gemäß § 323 BGB von diesem Vertrag und
zugleich nach § 2295 BGB vom Erbvertrag zurücktreten.
Ein derartiger Rücktritt kommt erst dann in Betracht, wenn der Erblasser den
Bedachten unter Fristsetzung zuvor vergeblich aufgefordert hat, die im Einzelnen
zu bezeichnenden Pflegeleistungen zu erbringen.
BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - IV ZR 30/10 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf, Harsdorf-Gebhardt, die
Richter Dr. Karczewski und Lehmann
am 5. Oktober 2010

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 12. Januar 2010 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 104.000 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Erbvertrages in Anspruch. Mit Vertrag vom 15. April 1981 setzte die Klägerin den Beklagten zu ihrem Erben ein. Ferner verpflichtete sie sich, ihr Hausgrundstück ohne Zustimmung des Beklagten weder zu veräußern noch zu belasten. Im Falle eines Verstoßes sollte der Beklagte berechtigt sein, die sofortige unentgeltliche Übertragung des Grundstücks zu verlangen. Der Beklagte seinerseits verpflichtete sich, "die Erschienene zu 1. in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen, ohne dass dafür Geldwertmittel von mir oder meinen Rechtsnachfolgern aufzuwenden sind".
2
Der Beklagte wohnte seit 1980 zunächst in einer eigenen Wohnung im Haus der Klägerin, bis er Anfang 1993 auszog. Am 19. April 1999 forderte die Klägerin den Beklagten schriftlich unter Hinweis auf den Erbvertrag auf, bis zum 1. Mai 1999 in ihrer Wohnung vorstellig zu werden. Pflegeleistungen durch den Beklagten wurden in der Folgezeit nicht erbracht. Am 20. Juni 2007 zog die Klägerin in ein Alten- und Pflegeheim, wo sie sich auch gegenwärtig noch aufhält. Am 18. Januar 2008 erklärte sie den Rücktritt vom Erbvertrag unter Berufung darauf, dass sie seit Frühjahr 1999 geringfügig und seit Anfang des Jahres 2005 in größerem Umfang auf Pflege angewiesen gewesen sei. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben.
3
II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne weitere Sachaufklärung verletzt den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise und rechtfertigt die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO.
4
1. Nicht verfahrensfehlerfrei hat das Berufungsgericht zunächst die Feststellung getroffen, die Klägerin sei gemäß §§ 2295, 323 Abs. 1 BGB wirksam vom Erbvertrag zurückgetreten, da der Beklagte seine Pflegeverpflichtung nicht erfüllt habe.

5
a) Nach § 2295 BGB kann der Erblasser von einer vertragsmäßigen Verfügung zurückzutreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insbesondere Unterhalt zu gewähren, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tod des Erblassers aufgehoben wird. Grundsätzlich finden die Regelungen über gegenseitige Verträge nach § 320 ff. BGB, insbesondere über den Rücktritt nach § 323 BGB, auf Erbverträge keine Anwendung, da es am Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der erbrechtlichen Verfügung und der übernommenen Verpflichtung des Vertragserben fehlt (OLG Karlsruhe FamRZ 1997, 1180; LG Köln DNotZ 1978, 685; Staudinger/ Kanzleiter, BGB [2006] § 2295 Rn. 3; MünchKommBGB/Musielak, 5. Aufl. § 2295 Rn. 1; Erman/Schmidt, BGB 12. Aufl. § 2295 Rn. 8; Soergel /Wolf, BGB 13. Aufl. § 2295 Rn. 4; Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag 5. Aufl. § 2295 Rn. 6). Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings erkannt, dass hier ein gegenseitiger Vertrag vorliegt. Der Erbvertrag vom 15. April 1981 enthält nicht nur die Erbeinsetzung des Beklagten einerseits und die Pflegeverpflichtung des Beklagten andererseits ; vielmehr hat die Klägerin weiter die Verpflichtung übernommen, ihr Hausgrundstück nicht zu veräußern und zu belasten. Zu deren Absicherung haben die Parteien bei Verstoß eine Pflicht zur sofortigen unentgeltlichen Übereignung in den Vertrag aufgenommen und diese zugunsten des Beklagten durch eine Vormerkung abgesichert. Diese Unterlassungspflicht der Klägerin sowie die Pflegepflicht des Beklagten stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis i.S. von § 323 Abs. 1 BGB. Ist aber mit dem Erbvertrag ein gegenseitiger Vertrag unter Lebenden verbunden, durch den der Bedachte sich dem Erblasser zur Gewährung von Pflege und/oder Unterhalt verpflichtet, so kann der Erblasser beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 BGB von diesem Vertrag und zugleich nach § 2295 BGB vom Erbvertrag zurücktreten (vgl. bereits RG DNotZ 1935, 678; Staudinger aaO Rn. 9; Soergel aaO Rn. 4).
6
b) Unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG hat das Berufungsgericht jedoch festgestellt, dass der Beklagte seine Vertragspflichten zu keinem Zeitpunkt erfüllt habe und eine Fristsetzung wegen ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich gewesen sei.
7
aa) Zunächst kann die nach § 323 Abs. 1 BGB erforderliche Fristsetzung zur Leistung oder Nacherfüllung nicht in dem Schreiben der Klägerin vom 19. April 1999 gesehen werden. Dieses enthält schon keine konkrete Aufforderung zur Erbringung von Pflegeleistungen, sondern nur die allgemeine Feststellung, der Beklagte habe sich seit dem 31. Juli 1992 nicht mehr um die Klägerin gekümmert und er solle bis zum 1. Mai 1999 in ihrer Wohnung vorstellig werden. Insoweit fehlt es schon an der erforderlichen bestimmten und eindeutigen Aufforderung zur Leistung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB 69. Aufl. § 323 Rn. 13).
8
bb) Aber auch eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB hat das Berufungsgericht nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt. Es hat vielmehr ausschließlich den Vortrag der Klägerin zugrunde gelegt und den Vortrag des Beklagten außer Acht gelassen , wonach er auch nach dem Streit mit der Klägerin 1992/1993 zu ihrer Pflege bereit gewesen sei und auch heute noch ist. Der Beklagte hat im Einzelnen vorgetragen, nach seinem Auszug aus dem Haus der Klägerin habe diese den Kontakt zu ihm abgebrochen und nicht umgekehrt. Er habe erst im Januar 2008 erfahren, dass die Erblasserin sich im Pflegeheim befinde. Ferner habe die Klägerin ihn zu keinem Zeitpunkt zu konkreten und bestimmten Pflegeleistungen aufgefordert. Bereits das Landgericht hatte zumindest teilweise zu den maßgeblichen Fragen der Pflegebedürftigkeit der Klägerin, der Kenntnis des Beklagten hiervon sowie der Ablehnung eines Kontakts der Klägerin mit dem Beklagten durch Vernehmung der Zeuginnen M. , R. H. sowie M. H. Beweis erhoben. Vor diesem Hintergrund stellt es daher einen Verstoß gegen den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör dar, wenn das Berufungsgericht ohne weitere Begründung von einer endgültigen Leistungsverweigerung des Beklagten ausgeht, ohne seinen Vortrag sowie die erfolgte Beweisaufnahme zu berücksichtigen.
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cc) Nicht entscheidend kann hierbei auch auf den vom Berufungsgericht weiter herangezogenen Umstand abgestellt werden, den Beklagten habe eine fortlaufende Erkundigungs- und Überwachungspflicht dahin getroffen, ab wann tatsächlich die im Vertrag vorausgesetzte Bedürftigkeit bei der Klägerin eingesetzt habe. Zwar muss der Schuldner nach § 294 BGB die Leistung dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich anbieten. Dies muss in einer Art und Weise geschehen, dass der Gläubiger nur noch zuzugreifen braucht (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1991 - V ZR 229/80, BGHZ 116, 244, 249). Soweit es um die Verpflichtung zu Pflegeleistungen geht, muss diese aber, wenn keine klaren vertraglichen Abreden bestehen, inhaltlich, zeitlich und räumlich durch den Gläubiger konkretisiert werden, damit der Schuldner überhaupt weiß, was er zu tun hat. Es war deshalb zunächst Aufgabe der Klägerin, sich gegenüber dem Beklagten im Einzelnen dahin zu äußern, welche konkreten Pflegeleistungen dieser durchzuführen hat. Das allgemeine Schreiben vom 19. April 1999 genügte dafür nicht. Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des nicht mehr im Haus der Klägerin wohnenden Beklagten, sich fortlaufend bei der Klägerin zu erkundigen, ab wann und welche Leistungen sie benötigt.
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c) Nicht tragfähig sind ferner die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts , der Beklagte sei nicht wegen Unmöglichkeit von der Erfüllung der Pflegeverpflichtung frei, sondern habe sich an den Kosten der Heimunterbringung in Höhe seiner ersparten Aufwendungen zu beteiligen. Dasselbe soll nach Ansicht des Berufungsgerichts dann gelten, wenn nicht die Heimunterbringung selbst, sondern die persönlichen Differenzen der Vertragspartner der Durchführung der Pflege entgegenstünden. In dem Vertrag vom 15. April 1981 haben die Parteien vereinbart , dass der Beklagte die Klägerin in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen hat, "ohne dass dafür geldwerte Mittel von mir oder meinen Rechtsnachfolgern aufzuwenden sind". Geschuldet werden vom Beklagten mithin nicht von ihm gesondert zu zahlende Sachleistungen, sondern nur die eigentlichen Pflege- und Dienstleistungen. Eine gesonderte Geldzahlungsverpflichtung des Beklagten kommt demgegenüber nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Betracht. So hat der V. Zivilsenat in seinem Urteil vom 29. Januar 2010 - V ZR 132/09 - (FamRZ 2010, 554 unter 2 b) entschieden, ein Familienangehöriger , der als Gegenleistung für die Übertragung eines Grundstücks die Pflege des Übergebers übernommen habe und seine Leistung wegen Umzugs des Übergebers in ein Pflegeheim nicht mehr erbringen könne, sei aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung im Zweifel nicht verpflichtet , an Stelle des ersparten Zeitaufwands eine Zahlungsverpflichtung zu übernehmen. Der Übernehmer verpflichte sich zu der Pflege und Betreuung des Übergebers meist in der Annahme, die geschuldeten Dienste selbst oder durch Familienangehörige, also ohne finanziellen Aufwand, erbringen zu können. Es entspreche deshalb in aller Regel nicht dem hypothetischen Parteiwillen, dass Geldzahlungen an die Stelle der versprochenen Dienste träten, wenn diese aus Gründen, die der Übernehmer nicht zu vertreten habe, nicht mehr erbracht werden könnten.
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Kann der Beklagte mithin die Pflegeleistungen wegen des Umzugs der Klägerin in das Alten- und Pflegeheim nicht mehr erbringen, so ist er grundsätzlich auch nicht zur Übernahme von Geldzahlungen verpflichtet. Anderes würde nur dann gelten, wenn die Pflegeleistungen aus vom Beklagten zu vertretenden Gründen nicht mehr erbracht werden und allein hierdurch ein Umzug in das Alten- und Pflegeheim erforderlich gewesen sein sollte. Das wiederum hängt von der ohnehin noch zu klärenden Frage ab, ob der Beklagte ernsthaft und endgültig die Leistung verweigert hat. Nur dann käme wegen Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB überhaupt ein Rücktritt vom Vertrag in Betracht. Auf die vom Beklagten weiter aufgeworfene Frage, ob auch bereits bei sonstigen persönlichen Differenzen unabhängig von einem individuellen Verschulden die Verpflichtung zur anteiligen Geldzahlung entfällt, kommt es dagegen nicht an. Maßgebend sind vielmehr allein die Vorgaben des § 323 BGB, nämlich ob einerseits eine Fristsetzung nach Abs. 2 Nr. 1 wegen endgültiger und ernsthafter Leistungsverweigerung durch den Beklagten entbehrlich war, oder ob umgekehrt nach Absatz 6 ein Rücktritt der Klägerin ausgeschlossen ist, weil sie für den Umstand, der sie zum Rücktritt berechtigen würde (hier die unterlassene Erbringung der Pflegeleistung ), allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, oder ob der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.
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d) Für die weitere Verfahrensweise weist der Senat ferner auf einen bisher nicht hinreichend beachteten Gesichtspunkt hin. Als Aufhebung der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, ist gemäß § 2295 BGB auch der Fall der nachträglichen Unmöglichkeit der zu erbringenden Leistung anzusehen (MünchKommBGB/Musielak, § 2295 Rn. 4; Soergel/Wolf, § 2295 Rn. 3; Erman/Schmidt, § 2295 Rn. 4). Eine derartige Unmöglichkeit der Leistungserbringung für den Beklagten gemäß § 275 Abs. 1 BGB in Form der subjektiven Unmöglichkeit könnte sich hier daraus ergeben, dass die Erblasserin am 20. Juni 2007 in ein Alten- und Pflegeheim gezogen ist. Der Beklagte selbst war lediglich zu einer Betreuung der Klägerin im häuslichen Umfeld mit den ihm gegebenen persönlichen Möglichkeiten verpflichtet. Sollte die Klägerin aber im Jahr 2007 in ein Alten- und Pflegeheim umgezogen sein, weil nur noch dort, nicht dagegen zu Hause, eine adäquate medizinische und pflegerische Betreuung möglich war, so entfiel gemäß § 275 Abs. 1 BGB wegen nachträglicher Unmöglichkeit eine Pflegeverpflichtung des Beklagten , was der Klägerin dann die Möglichkeit eröffnete, ihrerseits von der erbvertraglichen Einsetzung des Beklagten zurückzutreten. Warum die Klägerin 2007 in ein Alten- und Pflegeheim gezogen ist, wurde von ihr bisher nicht hinreichend vorgetragen. Dies wird auf entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts nachzuholen sein.
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2. Durchgreifenden Bedenken begegnet ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe mit der Rücktrittserklärung vom 18. Januar 2008 den Erbvertrag zugleich wirksam nach § 2281 Abs. 1 i.V. mit § 2078 Abs. 2 BGB angefochten. Hierbei kann die Frage, ob überhaupt ein Anfechtungsgrund wegen Fehlvorstellungen der Klägerin über die vom Bedachten erbrachten Betreuungsleistungen vorliegt, offen bleiben. Jedenfalls hat die Klägerin die Anfechtung durch das Schreiben vom 18. Januar 2008 nicht rechtzeitig erklärt. Gemäß § 2283 Abs. 1 BGB kann die Anfechtung durch den Erblasser nur binnen Jahresfrist erfolgen. Die Frist beginnt nach Absatz 2 im Falle eines Irrtums mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erblasser von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Kenntnis bedeutet sichere und überzeugte Kenntnis aller wesentlicher Tatumstände (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 1973 - IV ZR 121/70, FamRZ 1973, 539 unter 2; BayObLG ZEV 1995, 105; NJW-RR 1990, 200; FamRZ 1983, 1275; MünchKommBGB/Musielak, § 2283 Rn. 3; Soergel/Wolf, § 2283 Rn. 2). An diese Kenntnis dürfen zwar nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden, zumal es in derartigen Fällen häufig noch auf eine hinreichende innere Überzeugungsbildung des Erblassers ankommt.
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Auch auf dieser Grundlage trifft aber die Annahme des Berufungsgerichts , die nötige Kenntnis vom Anfechtungsgrund liege erst vor, wenn sich der Erblasser der notwendigen Erkenntnis schlechterdings nicht mehr verschließen könne, nicht zu, weil hierdurch zu hohe Anforderungen an die Kenntniserlangung gestellt werden. Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang den Fristbeginn erst mit dem Umzug der Klägerin in das Alten- und Pflegeheim angenommen hat, wird verkannt, dass die Verpflichtung des Beklagten zur Erbringung von Pflegeleistungen nicht erst auf einem Niveau einsetzt, das Leistungen eines Altenund Pflegeheims erforderlich macht. Nach der vertraglichen Regelung hat der Beklagte generell die Klägerin in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen. Es kommt daher auf den Zeitpunkt an, zu dem die Klägerin sichere Kenntnis von ihrer eigenen Pflegebedürftigkeit und der tatsächlich nicht erbrachten Pflegeleistung durch den Beklagten hatte. Das ist spätestens im Jahr 2006 der Fall gewesen. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, sie sei ab Frühjahr 1999 geringfügig und seit Anfang 2005 in größerem Umfang pflegebedürftig gewesen. Sie selbst hatte über eine Anzeige bereits im Jahre 2005 eine Betreuerin gesucht. Die Zeugin M. war dann seit 2005 bei ihr tätig, wobei sich die Pflegeleistungen im Jahr 2006 dahin steigerten, dass nicht nur die allgemeine Haushaltsführung übernommen, sondern die Klägerin auch gebadet und angezogen werden musste. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kann der Klägerin nicht mehr verborgen geblieben sein, dass sie objektiv pflegebedürftig war und der Beklagte keine Pflegeleistungen erbrachte. Eine erst im Jahr 2008 erklärte Anfechtung war daher verfristet.
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3. Auch eine Kündigung nach § 314 BGB kommt schließlich nicht in Betracht. Nach § 314 Abs. 3 BGB kann der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Das Berufungsgericht orientiert sich hierfür an der Anfechtungsfrist des § 2283 BGB. Ob eine derartige allgemeine Übertragung der Frist zulässig ist, erscheint zweifelhaft. Das Gesetz hat nämlich wegen der Vielgestaltigkeit der Dauerschuldverhältnisse bewusst von einer festen Ausschlussfrist abgesehen (vgl. MünchKommBGB/Geier, 5. Aufl. § 314 Rn. 20). Fristbeginn ist jedenfalls der Zeitpunkt, zu dem der Kündigende Kenntnis vom Kündigungsgrund erlangt. Notwendig ist eine sichere und umfassende Kenntnis von den Tatsachen, aus denen sich der wichtige Grund ergibt (MünchKommBGB aaO Rn. 21). Das Berufungsgericht will hier erneut auf den Einzug der Klägerin in das Pflegeheim abstellen. Aus den oben genannten Gründen ist die erforderliche Kenntnis aber bereits im Jahr 2006 mit den häuslichen Pflegeleistungen durch die Zeugin M. anzunehmen, so dass eine Kündigung erst mit dem Schreiben vom 18. Januar 2008 verfristet war.
Terno Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski Lehmann
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 24.09.2009 - 9 O 1710/08 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 12.01.2010 - 12 U 67/09 -

Der Erblasser kann von einer vertragsmäßigen Verfügung zurücktreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insbesondere Unterhalt zu gewähren, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tode des Erblassers aufgehoben wird.

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

Der Erblasser kann von einer vertragsmäßigen Verfügung zurücktreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insbesondere Unterhalt zu gewähren, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tode des Erblassers aufgehoben wird.

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(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.