Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2013 - IX ZB 52/12

bei uns veröffentlicht am19.09.2013
vorgehend
Landgericht Potsdam, 12 O 331/10, 09.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 52/12
vom
19. September 2013
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die Richterin
Möhring
am 19. September 2013

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. April 2012 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wirdauf 25.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Klägerin hat gegen das ihr am 14. Dezember 2011 zugestellte klageabweisende Urteil fristgerecht Berufung eingelegt. Ihr mit Schriftsatz vom 9. Februar 2012 gestellter Antrag, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat zu verlängern, ist am 17. Februar 2012 bei Gericht eingegangen. Nach richterlichem Hinweis auf den verspäteten Eingang des Fristverlängerungsantrags hat die Klägerin fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet.
2
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Klägerin erreichen, dass der Beschluss aufgehoben und ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt wird.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4, §§ 238, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und im Übrigen zulässig (§§ 574 ff ZPO). Sie ist auch begründet. Zwar hat die Klägerin die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Auf ihren Antrag ist ihr jedoch gemäß §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
4
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei zulässig, aber unbegründet. Zwar könne aufgrund der Glaubhaftmachung der Klägerin davon ausgegangen werden, dass der Fristverlängerungsantrag am Abend des 9. Februar 2012 bei der Post aufgegeben worden sei, mithin so rechtzeitig, dass der Schriftsatz bei normaler Postlaufzeit, auf deren Einhaltung der Rechtsanwalt vertrauen dürfe, fristwahrend beim Berufungsgericht hätte eingehen müssen. Ferner sei zugrunde zu legen, dass der klägeri- sche Prozessbevollmächtigte mit einer Verlängerung der Frist durch den Senat habe rechnen dürfen. Es sei aber nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass er durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in seiner Kanzlei hinreichend dafür Sorge getragen habe, dass im Falle beantragter Fristverlängerung die tatsächliche Frist nicht versäumt werde. Nach dem Inhalt der vorgelegten Auszüge des Terminkalenders ergebe sich zwar, dass die ordnungsgemäß eingetragene Frist nicht als erledigt gekennzeichnet worden sei. Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags enthalte aber keinen Vortrag dazu, welche Bearbeitung die Sache bei der am 14. Februar 2012 - im Hinblick auf den nach wie vor für diesen Tag vermerkten Fristablauf - durchzuführenden Fristenkontrolle erfahren habe.
5
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs darf der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Eine solche unzumutbare Erschwerung liegt vor, wenn Gerichte bei der Entscheidung über Verlängerungsanträge und über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein Verhalten als schuldhaft ansehen, das nach der Rechtsprechung eines Obersten Bundesgerichts eindeutig nicht zu beanstanden ist (BVerfGE 79, 372, 376 f; BVerfG, NJW 1998, 3703 und NJW 2000, 1634; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2005 - VI ZB 52/05, VersR 2006, 568 Rn. 5; vom 5. Juni 2012 - VI ZB 16/12, NJW 2012, 2522 Rn. 6).
7
b) Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, ihr Prozessbevollmächtigter habe den Fristverlängerungsantrag bereits am 9. Februar 2012, einem Donnerstag, abends kurz vor der Leerungszeit in den Briefkasten geworfen. Dann aber durfte dieser auf die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten vertrauen und konnte deshalb damit rechnen, dass sein Verlängerungsantrag rechtzeitig bei Gericht eingehen werde (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2005, aaO Rn. 7; vom 21. Oktober 2010 – IX ZB 73/10, NJW 2011, 458 Rn. 15). Weiter durfte er sich im Hinblick auf seine glaubhaft gemachte Erkrankung und auf den glaubhaft gemachten vermehrten Arbeitsanfall auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlassen, wonach seinem Verlängerungsantrag hätte stattgegeben werden müssen (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2005, aaO Rn. 6). Dies hat auch das Berufungsgericht so gesehen. Unter diesen Umständen ist dem klägerischen Prozessbevollmächtigten kein Vorwurf daraus zu machen , dass er untätig geblieben ist. Weder hätte er sich den Vorgang vor Fristablauf vorlegen lassen, noch hätte er tätig werden müssen, um die Frist nicht zu versäumen. Insbesondere hätte er sich nicht innerhalb des Laufs der Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht erkundigen müssen, ob der Verlängerungsantrag dort eingegangen und ob ihm stattgegeben worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2005, aaO Rn. 6 f). Anhaltspunkte, dass sein Antrag auf Fristverlängerung nicht rechtzeitig bei Gericht eingegangen war, hatte er nicht.
8
Ein Prozessbevollmächtigter ist grundsätzlich nicht gehalten, sich vor Fristablauf durch Rückfrage bei der Geschäftsstelle des Gerichts von einem rechtzeitigen Eingang zu überzeugen. Denn er ist bereits in besonderem Maße verpflichtet, für eine zuverlässige Ausgangskontrolle zu sorgen. Dann kann es ihm regelmäßig nicht auch noch obliegen, den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 238/08, nv Rn. 10; vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 28/11, nv Rn. 7; vom 5. Juni 2012 - VI ZB 16/12, NJW 2012, 2522 Rn. 9 mwN).

9
Eine Nachfragepflicht kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn hierfür ein konkreter Anlass besteht. Dieser besteht nicht schon dann, wenn der Anwalt in der noch laufenden Berufungsbegründungsfrist keine auf seinen Schriftsatz bezogene Verfügung des Gerichts erhält. Denn allein daraus müssen sich ihm noch keine Zweifel aufdrängen, dass sein Schriftsatz nicht bei Gericht eingegangen sein könnte. Eine Erkundigungspflicht wird nur durch eine Mitteilung des Gerichts ausgelöst, die unzweideutig ergibt, dass etwas fehlgelaufen ist. Die Sorgfaltspflichten des Prozessbevollmächtigten würden überspannt und der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert, wenn man in derartigen Fällen verlangen würde, Erkundigungen über den Verbleib eines rechtzeitig abgegebenen Schriftsatzes einzuholen (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO Rn. 11; vom 20. Dezember 2011, aaO Rn. 8; vom 5. Juni 2012, aaO Rn. 10). Die vom Berufungsgericht zur Begründung seiner anders lautenden Ansicht zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind überholt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011, aaO Rn. 7 f; vom 5. Juni 2012, aaO Rn. 8 ff)
10
c) Vorliegend gilt nicht deshalb etwas anderes, weil der klägerische Prozessbevollmächtigte seine Mitarbeiterin angewiesen hatte, beim Berufungsgericht den Eingang des Schriftsatzes nachzufragen, und diese, nachdem sie mehrfach telefonisch nicht zum Oberlandesgericht durchdringen konnte, wegen des Arbeitsanfalls den Auftrag vergessen hatte. Die Anweisung an die Mitarbeiterin ging über die ihn treffenden Sorgfaltspflichten hinaus. Auch wenn die Mitarbeiterin ihm aufgrund organisatorischer Maßnahmen am letzten Tag der Frist zur Kenntnis gebracht hätte, dass sie das Berufungsgericht telefonisch nicht erreicht habe, hätte er nichts veranlassen müssen, sondern weiterhin auf den rechtzeitigen Eingang des Fristverlängerungsantrags bei Gericht und die Fristverlängerung vertrauen dürfen.

III.


11
Der Beschluss des Berufungsgerichts kann daher keinen Bestand haben; er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Senat hat über den Wiedereinsetzungsantrag in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Nach dem festgestellten Sachverhalt trifft die Klägerin kein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Auch hat sie fristgerecht Wiedereinsetzung beantragt und die versäumte Rechtshandlung nachgeholt (§ 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird die Verwerfung der Berufung durch das Oberlandesgericht gegenstandslos (BGH, Beschluss vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289, 1290; vom 28. Januar 2003 - X ZB 7/02, NJW-RR 2003, 1000, 1001; vom 13. Oktober 2011 - VII ZB 18/10, VII ZB VII ZB 19/10, NJW 2012, 614 Rn. 14). Im Übrigen istdie Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - als Teils der Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens - zu übertragen ist (BGH, Beschluss vom 21. April 1983 - I ZB 2/83, nv Rn. 10).
Kayser Gehrlein Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 09.12.2011 - 12 O 331/10 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 17.04.2012 - 6 U 14/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2013 - IX ZB 52/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2013 - IX ZB 52/12

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2013 - IX ZB 52/12 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2013 - IX ZB 52/12 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2013 - IX ZB 52/12 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2011 - VI ZB 28/11

bei uns veröffentlicht am 20.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 28/11 vom 20. Dezember 2011 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen, den Richter Paug

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Okt. 2010 - IX ZB 73/10

bei uns veröffentlicht am 21.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 73/10 vom 21. Oktober 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 E Der Rechtsmittelführer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegeben

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2005 - VI ZB 52/05

bei uns veröffentlicht am 13.12.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 52/05 vom 13. Dezember 2005 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge, Stöhr und Zo

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Dez. 2009 - IX ZB 238/08

bei uns veröffentlicht am 03.12.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 238/08 vom 3. Dezember 2009 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, den Richter Vill, die Richterin Lohmann und die Richter Dr. Fischer und Dr. Pa

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2003 - X ZB 7/02

bei uns veröffentlicht am 28.01.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 7/02 vom 28. Januar 2003 in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Ase

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2012 - VI ZB 16/12

bei uns veröffentlicht am 05.06.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 16/12 vom 5. Juni 2012 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 (Ff) Ein Prozessbevollmächtigter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sich innerhalb des Laufs der Be
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2013 - IX ZB 52/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2017 - I ZB 111/16

bei uns veröffentlicht am 29.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 111/16 vom 29. Juni 2017 in der Rechtsbeschwerdesache ECLI:DE:BGH:2017:290617BIZB111.16.0 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Ric

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Dez. 2015 - II ZB 7/15

bei uns veröffentlicht am 01.12.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 7/15 vom 1. Dezember 2015 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2015:011215BIIZB7.15.0 Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Dezember 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richte

Referenzen

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

5
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf der Zugang zu den in den Gerichtsordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise, erschwert werden. Eine solche unzumutbare Erschwerung liegt vor, wenn Gerichte bei der Entscheidung über Verlängerungsanträge und über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein Verhalten als schuldhaft ansehen, das nach der Rechtsprechung eines Obersten Bundesgerichts eindeutig nicht zu beanstanden ist. Nur wenn dem betroffenen Rechtsanwalt bekannt sein muss, dass bei dem angerufenen Gericht eine strengere Handhabung von Verfahrensvorschriften zu erwarten ist, kann eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein (BVerfGE 79, 372, 376; BVerfG, NJW 2000, 1634 und NJW 1998, 3703 m.w.N.).
6
a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs verbietet es der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; 88, 118, 123 ff.; BVerfG, NJW-RR 2002, 1004; Senatsbeschluss vom 20. September 2011 - VI ZB 5/11, VersR 2012, 334 Rn. 6).
15
a) Eine Partei darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (BGH, Beschl. v. 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08, NJW 2009, 2379 Rn. 8 m.w.N.). Wurde der Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 vor der Postleerung in den Briefkasten eingeworfen, durfte die Beklagte auf einen fristgemäßen Eingang bei dem Oberlandesgericht am 16. Dezember 2009 vertrauen.
10
c) Hat der Rechtsanwalt das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufgegeben, dass es nach den Vorkehrungen des in Anspruch genommenen Kurierdienstes den Empfänger fristgerecht erreichen konnte, ist er nicht gehalten, sich vor Fristablauf durch Rückfrage bei der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts von einem rechtzeitigen Eingang zu überzeugen (BGH, Beschl. v. 23. Januar 2008 aaO). Gerade wenn man mit der Rechtsprechung den Bevollmächtigten im besonderen Maße für verpflichtet hält, für hinreichend sichere Ausgangskontrollen bei der Absendung fristwahrender Schriftsätze zu sorgen, kann er regelmäßig nicht auch noch gehalten sein, den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen (BVerfGE 79, 372, 375 f; BVerfG NJW 1992,
7
b) Den Prozessbevollmächtigten einer Partei trifft im Regelfall kein Verschulden an dem verspäteten Zugang eines Schriftsatzes, wenn er veranlasst, dass der Schriftsatz so rechtzeitig in den Briefkasten eingeworfen wird, dass er nach den normalen Postlaufzeiten fristgerecht bei dem Gericht hätte eingehen müssen. Wenn dem Prozessbevollmächtigten keine besonderen Umstände bekannt sind, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeiten führen können , darf er darauf vertrauen, dass diese eingehalten werden (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluss vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02, VersR 2004, 354, 355; BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2001 - VII ZB 2/00, juris Rn. 6 in BRAK-Mitt. nur Leitsatz; vom 9. Februar 1998 - II ZB 15/97, VersR 1998, 1301, 1302). Er ist dann auch nicht gehalten, sich vor Fristablauf durch Rückfrage bei der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts von einem rechtzeitigen Eingang zu überzeugen (BVerfGE 79, 372, 375 f.; BVerfG, NJW 1992, 38; Senatsbeschluss vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02, aaO; BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 2008 - XII ZB 155/07, VersR 2009, 1069 Rn. 10; vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 238/08, aaO Rn. 10). Denn der Prozessbevollmächtigte ist bereits in besonderem Maße verpflichtet, für eine zuverlässige Ausgangskontrolle zu sorgen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 25/11, z.V.b. mwN). Dann kann er regelmäßig nicht auch noch gehalten sein, den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen (BVerfGE 79, 372, 375 f.; BVerfG, NJW 1992, 38; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 238/08, juris Rn. 10).
6
a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs verbietet es der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; 88, 118, 123 ff.; BVerfG, NJW-RR 2002, 1004; Senatsbeschluss vom 20. September 2011 - VI ZB 5/11, VersR 2012, 334 Rn. 6).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 7/02
vom
28. Januar 2003
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen,
Keukenschrijver und Asendorf
am 28. Januar 2003

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 22. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 17. Dezember 2001 aufgehoben.
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Der Beschwerdewert beträgt 258.236,15

Gründe:


I. Die Klägerin begehrt in dem wegen eines Schenkungsvertrags geführten Rechtsstreit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, die nach Verlängerung durch den Vorsitzenden des Kammergerichts am 27. September 2001 ablief. Das Original der
14-seitigen, von Rechtsanwalt L. , einem der zweitinstanzlichen Prozeßbe- vollmächtigten der Klägerin, auf der letzten Seite unterschriebenen Berufungsbegründungsschrift ging erst am 28. September 2001 beim Kammergericht ein. Zuvor, nämlich laut Eingangsstempel des Kammergerichts am 26. September 2001, erreichte das Berufungsgericht lediglich die erste Seite dieser Berufungsbegründungsschrift als Telefax.
Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin durch am 17. Dezember 2001 gefaßten Beschluß unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs als unzulässig verworfen, weil es im Zusammenhang mit der Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift zu einer Häufung von Fehlern gekommen sei, die den Schluß rechtfertigten, daß entweder die erforderlichen Anweisungen an das Büropersonal in der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nicht umfassend oder nicht mit der hinreichenden Klarheit erfolgt seien oder daß eine ausreichende Kontrolle des Büropersonals bezüglich der Einhaltung der Anweisungen nicht stattgefunden habe.
Gegen diesen, den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin laut Empfangsbekenntnis am 21. Januar 2002 zugegangenen Beschluß hat die Klägerin am 4. Februar 2002 sofortige Beschwerde einlegt, mit der sie ihren Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt und Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt.
II. 1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach §§ 519 b Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung statthaft. Diese Fassung ist nach § 26 Nr. 10 EGZPO maßgeblich, weil der die Berufung der Klägerin verwerfende Beschluß des Kammergerichts vom
17. Dezember 2001 der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts vor dem 1. Januar 2002 übergeben worden ist.
2. Das auch im übrigen zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

a) Der Klägerin ist gemäß §§ 234, 235 ZPO auf ihren in rechter Form und Frist angebrachten Antrag Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Daß die von Rechtsanwalt L. unterschriebene , 14 Seiten umfassende Berufungsbegründungsschrift erst am 28. September 2001 und damit verspätet beim Kammergericht eingegangen ist, beruhte darauf, daß sie am 25. September 2001 als einfacher Brief bei der Deutschen Post AG unter versehentlicher Angabe einer unrichtigen Postleitzahl bei im übrigen zutreffender Anschrift des Kammergerichts aufgegeben wurde. Dem liegt jedoch kein Verschulden eines Prozeßbevollmächtigten zugrunde, das die Klägerin gemäß § 85 ZPO zu vertreten hat, so daß die Klägerin ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.
(1) Den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin kann nicht vorgeworfen werden, daß die Berufungsbegründungsschrift erst zwei Werktage vor Ablauf der geltenden Berufungsbegründungsfrist abgesandt worden ist. Einem Anwalt ist es nicht verwehrt, die einzuhaltende Frist bis zum letztmöglichen Tag auszunutzen (vgl. BGHZ 9, 118, 119). Außerdem darf - wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgesprochen hat - damit gerechnet werden, daß von der mit der Beförderung eines Schriftstücks betrauten Post die von ihr nach ihren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten auch eingehalten werden (vgl. z.B. Beschl. v. 27.02.1992 - 1 BvR 1294/91, NJW 1992, 1952). Diese Recht-
sprechung hat - jedenfalls in dem hier interessierenden Rahmen - ihre Berechtigung nicht durch die "Privatisierung" der Deutschen Bundespost verloren, weil die Deutsche Post AG hinsichtlich der Beförderung von normalen Briefen nach wie vor ein Monopol hat. Da die normale Postlaufzeit bei derartigen Briefen erfahrungsgemäß nicht mehr als zwei Werktage (Zustelltage; vgl. BGH, Beschl. v. 11.10.1989 - IVa ZB 7/89, NJW 1990, 188) beträgt, genügte es deshalb, die Berufungsbegründungsschrift - wie geschehen - am 25. September 1991 an das Kammergericht abzusenden.
(2) Daß bei dieser Absendung der Kanzlei der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ein Fehler unterlief, weil die Anschrift des Kammergerichts mit einer unrichtigen Postleitzahl angegeben war, gereicht den Prozeßbevollmächtigten ebenfalls nicht zum Verschulden. Aufgrund der eidesstattlichen Versicherungen von Rechtsanwältin Dr. H. und der in der Berliner Praxis als Büroleiterin tätigen Rechtsanwaltsfachangestellten A. L. , deren Richtigkeit in dieser Hinsicht keinen greifbaren Zweifeln unterliegt, ist insoweit als glaubhaft gemacht davon auszugehen, daß diese zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, als sie die hergestellte Berufungsbegründungsschrift am Vormittag des 25. September 2001 auf Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit überprüfte, die Büroleiterin anwies, vor Absendung, die noch am selben Tag erfolgen sollte, die auf der Schrift vermerkte Postleitzahl zu kontrollieren und im Falle eines Fehlers zu berichtigen, daß die Büroleiterin dieser Anweisung jedoch versehentlich nicht Folge leistete. Hiernach ist durch einen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin eine konkrete Einzelanweisung an eine bestimmte weisungsgebundene Angestellte gegeben worden, die für den betreffenden Einzelfall bestimmt, geeignet und ausreichend war, bei entsprechender Befolgung den dann aufgetretenen Fehler zu verhin-
dern. Die Kontrolle und eventuell notwendig werdende Korrektur einer Postleit- zahl der Anschrift eines ortsansässigen Gerichts sind einfache Aufgaben, von denen ein Rechtsanwalt ohne weiteres annehmen darf, daß sie auf entsprechende Anweisung hin von einer ausgebildeten Rechtsanwaltsfachangestellten ohne weitere Anleitung und Überprüfung erledigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 06.07.2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823; auch Sen.Beschl. v. 27.10.1998 - X ZB 20/98, NJW 1999, 429). Sie durften deshalb - ohne sich einem Verschuldensvorwurf auszusetzen - auch Frau L. übertragen werden, die ausweislich der bereits genannten eidesstattlichen Versicherungen und der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwältin N. damals bereits seit fünf Jahren im Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten tätig war und sich bisher als zuverlässig und gewissenhaft erwiesen hatte. Unter den glaubhaft gemachten Umständen beruhte die Fristversäumung mithin ausschließlich auf einem schuldhaften Fehlverhalten einer durch eine konkrete Einzelanweisung herangezogenen Kanzleiangestellten. Für deren Fehlverhalten hat eine Partei nach § 85 ZPO jedoch nicht einzustehen.
(3) Daran, daß die Klägerin, ohne es vertreten zu müssen, verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten, ändert auch der ebenfalls durch die eidesstattlichen Versicherungen der Rechtsanwältin Dr. H. und der Büroleiterin L. glaubhaft gemachte Umstand nichts, daß erst nach der Einzelanweisung an Frau L. die Berufungsbegründungsschrift Rechtsanwalt L. zur Unterschrift vorgelegt wurde und dieser zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin seine Unterschrift leistete, ohne den Fehler bei der Angabe der Postleitzahl zu bemerken. Denn ein Prozeßbevollmächtigter ist bei Unterzeichnung eines fristwahrenden Schriftstücks nach ständiger Rechtsprechung nicht gehalten, die Vollständigkeit einer im übrigen richtigen
Anschrift des Empfängers selbst zu prüfen (z.B. BGH, Urt. v. 15.10.1999 - V ZR 50/99, NJW 2000, 82).
(4) Da die Überprüfung der Postleitzahl durch einen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mittels einer Einzelanweisung an eine Kanzleiangestellte veranlaßt war, die - nach Maßgabe des unter (1) Ausgeführten - bei Befolgung die Fristversäumung verhindert hätte, berührt es die Verschuldensfrage im vorliegenden Fall auch nicht, ob in der Berliner Kanzlei der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin allgemein geeignete anwaltliche Maßnahmen ergriffen waren, die sicherstellten, daß fristwahrende Schriftstücke von den Mitarbeitern vollständig und richtig adressiert werden (vgl. BGH, Beschl. v. 06.07.2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823).
(5) Unter den gegebenen Umständen ist es schließlich auch ohne Belang , ob ein Fehlverhalten der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin dazu beigetragen hat, daß bei der am 25. September 2001 ebenfalls versuchten Telefaxübermittlung der Berufungsbegründungsschrift nur deren erste Seite an das Kammergericht übertragen wurde. Die Übermittlung einer Berufungsbegründungsschrift per Telefax stellt gegenüber der Übersendung des Originals per Post eine zusätzliche Maßnahme dar, zu welcher ein Prozeßbevollmächtigter nicht verpflichtet ist. Daß sie und wie sie im Einzelfall tatsächlich durchgeführt wurde, kann deshalb der vertretenen Partei nicht zum Nachteil gereichen (vgl. BGH, Beschl. v. 08.04.1992 - XII ZB 34/92, NJW-RR 1992, 1020, 1021 m.w.N.).
3. Da sonach der Klägerin Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren ist, ist die Verwerfung der Berufung durch das Kammergericht gegenstandslos (vgl. BGH, Beschl. v. 01.07.2002 - II ZB 11/01, MDR 2002, 1095, 1096 m.w.N.).
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf