Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2018 - IX ZR 27/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:170518BIXZR27.16.0
bei uns veröffentlicht am17.05.2018
vorgehend
Landgericht Karlsruhe, 11 O 12/10, 11.11.2014
Oberlandesgericht Karlsruhe, 7 U 8/15, 13.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 27/16
vom
17. Mai 2018
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:170518BIXZR27.16.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die Richterin Möhring und den Richter Dr. Schoppmeyer
am 17. Mai 2018
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2016 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.369.740,70 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Verfahrensgrundrechte des Klägers hat das Berufungsgericht nicht verletzt.
2
Die Sache hat auch nicht deswegen grundsätzliche Bedeutung, weil der Senat gehalten wäre, im Revisionsverfahren ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu richten. Zwar liegt immer dann ein Grund für die Zulassung der Revision vor, wenn eine entscheidungserhebliche Frage durch eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zu klären ist. Im Streitfall hätte der Senat indessen keine Veranlassung gehabt, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu richten.
3
Zur Auslegung des Merkmals "Konkurse" in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (Lugano-Übereinkommen, LugÜ) hat sich der Europäische Gerichtshof bereits mehrfach geäußert. Im Grundsatz ist die Anwendung des LuganoÜbereinkommens nur bei Klagen ausgeschlossen, die sich unmittelbar aus einem Insolvenzverfahren herleiten und in engem Zusammenhang damitstehen (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-641/16, Tünkers France, ZIP 2017, 2275 Rn. 19). Die Anwendung dieses Grundsatzes im Einzelfall ist vornehmlich Aufgabe der Gerichte der Vertragsstaaten. Deshalb nötigt auch die Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts vom 18. Februar 2013 (4A_380/2012, BGE 139 III 236, 245 ff) den Senat nicht zu einem Vorabentscheidungsersuchen , zumal dort ein anderer Anspruch als im vorliegenden Fall zur Entscheidung stand.
4
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ist auch nicht zur Klärung von Fragen im Zusammenhang mit Art. 22 Nr. 5 LugÜ geboten. Zu derFrage, ob diese Regelung auf eine Vollstreckungsgegenklage Anwendung findet, die sich darauf stützt, dass die titulierte Forderung durch Aufrechnung erloschen sei, gilt weiterhin, was der Senat in seinem Beschluss vom 3. April 2014 (IX ZB 88/12, NJW 2014, 2798 Rn. 16 f) ausgeführt hat. Auch zur Anwendbarkeit von Art. 22 Nr. 5 LugÜ auf Vollstreckungsgegenklagen, mit denen eine vollstreckungshindernde Vereinbarung geltend gemacht wird, stellen sich keine klärungsbedürftigen Fragen.
5
Die Anwendung des Lugano-Übereinkommens mit der Folge fehlender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte stellt die vom Kläger vertretene Insolvenzmasse auch nicht rechtlos. Es bleibt die - vom Kläger bereits genutzte - Möglichkeit, die zur Aufrechnung gestellte Forderung im Rahmen des in der Schweiz geführten Anschlusskonkursverfahrens vor den Schweizer Gerichten geltend zu machen.
6
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Kayser Gehrlein Grupp
Möhring Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 11.11.2014 - 11 O 12/10 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 13.01.2016 - 7 U 8/15 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2018 - IX ZR 27/16

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2014 - IX ZB 88/12

bei uns veröffentlicht am 03.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 88/12 vom 3. April 2014 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Lugano-Übk Art. 22 Nr. 5; ZPO § 148 a) Eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO fällt nicht un

Referenzen

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

16
b) Grundsätzlich sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates haben, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen (Art. 2 Abs. 1 LugÜ). Für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung zum Gegenstand haben, sind hingegen gemäß Art. 22 Nr. 5 LugÜ 2007 (Art. 16 Nr. 5 LugÜ 1988) ohne Rücksicht auf den Wohnsitz die Gerichte des Staates ausschließlich zuständig, in dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist. Diese Zuständigkeitsregel gilt wegen des engen Zusammenhangs mit dem Vollstreckungsverfahren auch für die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO (EuGH, Urteil vom 4. Juli 1985 - Rs. 220/84, AS-Autoteile Service GmbH/Malhé, Slg. 1985, 2273 Rn. 12, 19 zu Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ). Allerdings kann die internationale Zuständigkeit eines Gerichts für eine Vollstreckungsgegenklage dann nicht auf Art. 22 Nr. 5 LugÜ 2007 (Art. 16 Nr. 5 LugÜ 1988) gestützt werden, wenn mit der Klage geltend gemacht wird, der zu vollstreckende Anspruch sei durch die Aufrechnung mit einer Forderung erloschen, für deren selbständige Geltendmachung die Gerichte dieses Staates nicht zuständig wären (EuGH, Urteil vom 4. Juli 1985, aaO Rn. 19). Dies folgt aus der Systematik des Übereinkommens. Die grundsätzliche Allzuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten nach Art. 2 Abs. 1 LugÜ dient dessen Schutz (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juli 1985, aaO Rn. 15; vom 13. Oktober 2005 - Rs. C-73/04, Klein/Rhodos Management Ltd., Slg. 2005, I-8681 Rn. 15). Die Ausnahmen in Art. 22 LugÜ dürfen deshalb nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Ziel erfordert (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005, aaO). Die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Vollstreckungsort nach Art. 22 Nr. 5 LugÜ 2007 (Art. 16 Nr. 5 LugÜ 1988) trägt der besonderen Beziehung eines Verfahrens zum Ort der Zwangsvollstreckung Rechnung. An dieser Beziehung fehlt es, wenn geltend gemacht wird, die zu vollstreckende Forderung sei durch Aufrechnung erloschen. Die Gerichte des Vollstreckungsstaats sind deshalb in einem solchen Fall nur dann internati- onal zuständig, wenn sie auch im Fall einer selbständigen Geltendmachung der aufgerechneten Forderung zuständig wären.